Glaube nur

 

-  von Charles Haddon Spurgeon (1834-1892)  -

 

 

 

 

Der Inhalt des Glaubens

oder wohin der Glaube schaut

 

Das Wort Gottes sagt mir, daß ich glauben soll - aber was soll ich glauben? Ich werde aufgefordert, zu schauen - aber wohin soll ich schauen? Was ist der Inhalt meiner Hoffnung, meines Glaubens, meiner Zuversicht? Die Antwort ist einfach: der Inhalt des Glaubens ist für jeden Sünder Jesus Christus.

 

Wie viele machen dabei den Fehler und denken, daß sie an Gott, den Vater, glauben sollen! Dabei ist der Glaube an Gott eine Folge des Glaubens an Jesus. Wir kommen zum Glauben an die ewige Liebe des Vaters, weil wir auf das kostbare Blut des Sohnes vertrauen. Viele Menschen sagen: ,,Ich würde ja an Christus glauben, wenn ich wüßte, daß ich erwählt wäre.“ Aber das betrifft das Kommen zum Vater, und niemand kann zum Vater kommen, als nur durch Christus. Es ist das Werk des Vaters, zu erwählen. Du kannst nicht direkt zu ihm kommen, deshalb kannst du auch nichts von deiner Erwählung wissen. bis du nicht zuerst an Christus, als deinen Erlöser, geglaubt hast. Wenn du dann erlöst bist, kannst du dich dem Vater nähern und um deine Erwählung wissen.

 

Manche machen auch den Fehler, auf das Werk des Heiligen Geistes zu schauen. Sie schauen in sich hinein, um zu sehen, ob sie bestimmte Gefühle haben. Wenn sie sie finden, ist ihr Glaube stark, wenn aber ihre Gefühle sie verlassen haben, ist ihr Glaube schwach. Sie schauen ja auf das Werk des Geistes und das ist nicht der Inhalt für den Glauben eines Sünders. Wir müssen beiden, dem Vater und dem Geist, vertrauen, um die Erlösung vollständig zu empfangen aber der einzige Weg zu Rechtfertigung und Vergebung ist das Blut des Mittlers. Christen müssen nach der Bekehrung dem Geist vertrauen, aber die Aufgabe des Sünders, der gerettet werden will, ist weder das Glauben an den Geist, noch das Schauen auf ihn, sondern der Blick auf Jesus Christus allein. Deine Rettung hängt von der ganzen Dreieinigkeit ab, und doch ist der erste und sofortige Inhalt des gerechtmachenden Glaubens eines Sünders weder Gott, der Vater, noch Gott, der Heilige Geist, sondern Gott, der Sohn, der Mensch wurde und das Sühnopfer für unsere Sünden.

 

Hast du Augen des Glaubens? Dann schau auf Christus als Gott. Wenn du gerettet werden möchtest, dann glaube, daß er Gott über alles ist, für immer gepriesen. Beuge dich vor ihm und nimm ihn als alleinigen Gott an, denn wenn du es nicht tust, hast du kein Teil an ihm.

 

Wenn du das glaubst, dann glaube auch an den Menschen Jesus Christus. Glaube dem wunderbaren Bericht seiner Fleischwerdung. Verlaß dich auf das Zeugnis der Evangelisten, die erklären, daß der Unendliche ein Säugling wurde, daß der Ewige sterbensfähig wurde, daß er, welcher der König des Himmels war, ein Diener der Diener und der Sohn des Menschen wurde. Glaube und bewundere das Geheimnis seiner Fleischwerdung, denn wenn du es nicht tust, kannst du dadurch nicht gerettet werden.

 

Wenn du wirklich gerettet werden willst, dann erkenne im Glauben Christus in seiner vollkommenen Gerechtigkeit. Sieh ihn, wie er das Gesetz vollkommen hält, seinem Vater ausnahmslos gehorcht und seine Sündlosigkeit bewahrt. Bedenke, all das hat er für dich getan. Du könntest das Gesetz gar nicht halten: er hielt es für dich. Du könntest Gott gar nicht vollkommen gehorchen; sieh doch, er war an deiner Stelle gehorsam - dadurch bist du gerettet.

 

Achte darauf. daß dein Glaube in erster Linie auf Christus, dem Gekreuzigten, fußt. Sieh das Lamm Gottes stumm vor seinen Scherern stehen; sieh Christus als den Mann der Schmerzen, vertraut mit Leid; geh mit ihm nach Gethsemane, und schau auf ihn, wie er leidet. Laß es dir gesagt sein, dein Glaube hat nichts mit irgend etwas in dir zu tun; der Inhalt deines Glaubens ist nichts in dir, sondern etwas außerhalb von dir. Glaube an ihn, der dort am Kreuz mit angenagelten Händen und Füßen sein Leben für Sünder gibt. Dort findest du den Inhalt deines Glaubens, der dich gerecht macht, weder in dir selber, noch in irgend etwas, was der Heilige Geist in dir getan hat. oder in irgend etwas, was er versprochen hat, für dich zu tun. Du mußt auf Christus schauen, auf ihn allein.

 

Sieh auch im Glauben auf Jesus, der von den Toten aufersteht. Schaut auf ihn - er hat den Fluch getragen und wird nun gerechtfertigt. Er stirbt, um die Schuld zu bezahlen. Er ersteht, damit er den beglichenen Schuldschein ans Kreuz nageln kann. Sieh ihn, wie er in die Höhe auffährt, und beachte ihn, wie er heute vor dem Thron des Vaters bittet. Er bittet dort für sein Volk. indem er seine einflußreiche Fürbitte für alle darbringt, die durch ihn zu Gott kommen. Und er, als Gott und Mensch, als Lebender, Sterbender, Auferstandener und als Herrschender - er und nur er muß der Inhalt deines Glaubens sein, um deine Sünden zu vergehen.

 

Auf nichts anderes kannst du vertrauen. Er muß der einzige Halt deines Vertrauens sein. Alles, was du zu ihm dazufügst, macht ihn zum falschen Anti-Christus, wird zur Rebellion gegen die Herrschaft des Herrn Jesus. Achte bei deinem Glauben, der dich retten soll, darauf, daß du Christus in all diesen Angelegenheiten als deinen Stellvertreter betrachtest.

 

Die Lehre von der Stellvertretung ist so wesentlich für den ganzen Heilsplan, daß ich sie hier zum tausendsten Mal erklären muß. Gott ist gerecht, er muß Sünde bestrafen. Gott ist gnädig, er will denjenigen vergeben, die an Jesus glauben. Wie kann das geschehen? Wie kann er gerecht sein und Bestrafung fordern, gnädig sein und Sünder annehmen? Er tut es so: er nimmt die Sünden der Seinen und legt sie auf Christus, damit sie so unschuldig dastehen, als ob sie nie gesündigt hätten, und Gott sieht auf Christus, als ob er alle Sünder dieser Welt, vereinigt in einer Person, wäre. Die Sünde wurde weggenommen, und nicht bildlich, sondern wirklich und wahrhaftig auf Christus gelegt. Dann ging Gott mit seinem brennenden Schwert dem Sünder entgegen, um ihn zu bestrafen. Er begegnete Christus. Christus selbst war kein Sünder, aber die Sünden der Menschen lagen ja alle auf ihm. Die Gerechtigkeit begegnete Christus deshalb so, als ob er der Sünder gewesen wäre - sie bestrafte Christus für die Sünden - sie bestrafte ihn so hart, wie sie das Recht dazu hatte - sie forderte von ihm noch das letzte Stückchen Strafe und ließ, bildlich gesprochen, nicht einen Tropfen in der Tasse.

 

Der, der Christus als seinen Stellvertreter akzeptiert und ihm vertraut, ist dadurch vom Fluch des Gesetzes errettet. Wenn du auf Christus siehst, wie er dem Gesetz gehorcht, kannst du im Glauben sagen: „Für uns ist er so gehorsam.“ Wenn du ihn sterben siehst, kannst du die Blutstropfen zählen und sagen: „So hat er meine Sünde weggenommen.“ Wenn du ihn vom Tode auferstehen siehst, kannst du sagen: „Er aufersteht als Oberhaupt und Abgeordneter all seiner Erwählten.“ Wenn du ihn zur Rechten Gottes siehst, sollst du ihn als Unterpfand dafür sehen, daß alle, für die er starb, ganz sicher einmal zur Rechten des Vaters sitzen werden. Lerne, Christus so zu sehen, wie Gott es damals tat, nämlich als Sünder. „Sünde ist nicht in ihm“ (l. Johannes 3, 5). Er war der Gerechte, aber er litt für die Ungerechten. Er war der Aufrichtige, aber er stand an der Stelle der Unaufrichtigen, und alles, was die Ungerechten hätten erdulden müssen, hat Christus ein für allemal erduldet, und hat ihre Sünde für immer durch sein eigenes Opfer weggetan.

 

Das ist der große Inhalt des Glaubens. Ich bitte dich, täusche dich nicht, denn ein Fehler hier wird gefährlich, wenn nicht verhängnisvoll. Schau im Glauben auf Christus, wie er durch sein Leben, seinen Tod, sein Leiden und seine Auferstehung der Stellvertreter für alle, die ihm der Vater gab, geworden ist - das stellvertretende Opfer für die Sünden all derer, die sich ihm anvertrauen. Christus selbst ist also der Inhalt eines Glaubens, der gerecht macht.

 

Einige Leser werden zweifellos bemerken: „Oh. ich würde ja glauben und gerettet werden, wenn...“ Wenn was? Wenn Christus gestorben wäre? „Oh, nein. mein Zweifel hat nichts mit Christus zu tun.“ Ich dachte schon. Wo liegt dann der Zweifel? „Nun, ich würde glauben, wenn ich dieses gefühlt oder jenes getan hätte.“ Natürlich, aber ich sage dir, du kannst nicht an Jesus glauben, indem du dies fühlst oder jenes tust, denn dann würdest du an dich selbst und nicht an Christus glauben. Das ist typisch menschlich. Wenn du so und so wärest, dann könntest du Vertrauen haben. Vertrauen worauf? Nun, Vertrauen auf deine Gefühle und Vertrauen auf deine Taten, und das ist das genaue Gegenteil vom Vertrauen auf Christus.

 

Glaube bedeutet nicht, von etwas Gutem in mir zu schließen, daß ich gerettet werde, sondern gegen den Anschein und trotz der Tatsache zu glauben, daß ich schuldig in Gottes Augen bin und seinen Zorn verdiene; zu glauben, daß das Blut Jesu Christi, seines Sohnes, mich von aller Sünde reinigt. Obwohl mich mein Gewissen verurteilt, ist mein Glaube doch stärker als mein Gewissen, und ich glaube, daß Gott fähig ist, alle zu retten, die durch Christus zu ihm kommen. Als Heiliger zu Jesus Christus zu kommen, ist sehr leicht; einem Arzt zu vertrauen, daß er dir hilft, wenn du merkst, daß es dir schon wieder besser geht, ist sehr leicht; aber dem Arzt zu vertrauen, wenn du dich fühlst, als ob du zum Tode verurteilt wärest, es mit Fassung zu tragen, wenn die Krankheit erst ausbricht und das Geschwür noch größer wird, sogar dann noch an die Wirkung der Medikamente zu glauben - das ist Glaube.

 

Wenn dich die Sünde beherrscht, und du weißt, daß dich das Gesetz verurteilt, dann, in dieser Situation, als Sünder an Christus zu glauben, das ist die mutigste Tat der Welt. Der Glaube, der die Mauern Jerichos erschütterte, der Glaube, der Tote erweckte, der Glaube, der das Maul von Löwen zuhielt, ist nicht größer, als der eines armen Sünders, der es wagt, dem Blut und der Gerechtigkeit Christi zu vertrauen, obwohl er in all seinen Sünden gefangen ist. Tu das, dann bist du gerettet, egal wer du bist. Der Inhalt des Glaubens ist also Christus, der Stellvertreter für Sünder. Nur Christus, nicht Gott, der Vater, oder irgendein Werk des Geistes, sondern das Werk Jesu allein, ist also die Grundlage deiner Hoffnung.

 

 

Der Ursprung des Glaubens

oder warum ein Mensch glaubt

und woher sein Glaube kommt

 

„Also ist der Glaube aus der Verkündigung.“ Zugegeben, aber können nicht alle Menschen zuhören und bleiben nicht viele doch ungläubig? Wie kommt nun jemand zum Glauben? Aus der eigenen Erfahrung gesehen ist Glaube das Ergebnis einer erkannten Not. Er fühlt, daß er einen Retter braucht; er findet heraus, daß Christus gerade so ein Retter ist, wie er ihn möchte, und glaubt deshalb, weil er sich nicht selbst helfen kann, an Christus. Er hat selbst nichts zu bringen und empfindet deshalb, daß er entweder Christus annehmen oder verderben muß, und darum tut er es, denn er kann selbst nichts ausrichten. Er ist ziemlich in die Ecke getrieben, und es gibt nur diesen einen Fluchtweg, nämlich durch die Gerechtigkeit eines anderen. Weil er weiß, daß er nicht durch irgendwelche guten Taten oder eigenes Leiden entkommen kann, kommt er zu Christus und demütigt sich selbst. Denn ohne Christus schafft er es nicht, und er muß umkommen, wenn er ihn nicht findet.

 

Aber um die Frage weiter zurückzuverfolgen: Wie wird einem Menschen seine Not eigentlich bewußt? Wie kommt es, daß ausgerechnet er und nicht ein anderer fühlt, daß er Christus braucht? Sicher ist, daß er Christus nicht mehr als andere Menschen braucht. Wie kommt er dann zu dem Wissen, daß er verloren und geistlich ruiniert ist? Warum wird er von dem Bewußtsein seines Ruins dazu getrieben, sich an Christus, dem Erneuerer, festzuhalten? Die Antwort ist: es ist Gottes Geschenk; es ist das Werk des Geistes. Niemand kommt zu Christus, wenn ihn nicht der Geist zieht, und der Geist zieht Menschen zu Christus, indem er sie unter dem Gesetz gefangennimmt, bis sie zur Überzeugung gelangen, daß sie umkommen müssen, wenn sie nicht zu Christus kommen. Erst dann, durchs Unwetter bedroht, wenden sie und laufen den himmlischen Hafen an. Die Rettung durch Christus ist unserem fleischlichen Verstand so unsympathisch, und widerspricht unserer Liebe zu menschlicher Leistung so sehr, daß wir Christus nie als unser ein und alles annehmen würden, wenn der Geist uns nicht davon überzeugen würde, daß wir nichts wären, und uns nicht dazu drängen würde, an Christus zu glauben.

 

Aber die Frage geht noch weiter zurück: Warum zeigt der Geist Gottes einigen Menschen ihre Not und anderen nicht? Warum wurden einige von euch von einem Bewußtsein der Not zu Christus getrieben, während andere in ihrer Selbstgerechtigkeit weitergehen und darin umkommen? Es gibt darauf keine Antwort außer: „Ja, Vater, denn so war es wohlgefällig vor dir“ (Lukas 10, 21). Letzten Endes kommen wir zur Souveränität Gottes. Der Herr hat „dies vor den Weisen und Verständigen verborgen... und... es Unmündigen geoffenbart“ (s.o.). Oder wie Christus es ausgedrückt hat: „meine Schafe hören meine Stimme“ (Johannes 10.27); „ihr glaubt nicht, denn ihr seid nicht von meinen Schafen, wie ich euch gesagt habe“ (Johannes 10, 26). Manche Theologen würden zwar lieber lesen: „Ihr seid nicht meine Schafe, denn ihr glaubt nicht“, als ob das Glauben uns zu Schafen Christi machen würde, aber der Text sagt klar: „Ihr glaubt nicht, denn ihr seid nicht von meinen Schafen“ (s.o.).

„Alles, was mir der Vater gibt, wird zu mir kommen“ (Johannes 6, 37). Wenn sie nicht kommen, ist das ein klarer Beweis dafür, daß sie nie gegeben waren, denn diejenigen, die Christus von Ewigkeit her gegeben waren, erwählt von Gott, dem Vater, und dann erlöst von Gott, dem Sohn, werden vom Geist durch die Erkenntnis ihrer Not dahin geführt, zu kommen und an Christus zu glauben.

 

Kein Mensch hat je an Christus geglaubt oder wird es je tun, wenn er nicht fühlt, daß er ihn braucht. Kein Mensch hat je gefühlt, daß er Christus braucht oder wird es je tun, wenn der Geist es ihn nicht fühlen läßt; und der Geist wird keinen Menschen die Notwendigkeit einer Errettung durch Jesus fühlen lassen, wenn dieser nicht im ewigen Buch geschrieben steht, in das Gott die Namen seiner Auserwählten eingetragen hat. So denke ich, ich werde darin nicht mißverstanden, wenn ich sage, daß der Ursprung des Glaubens, also warum Menschen letztlich glauben, Gottes erwählende Liebe ist, die durch den Geist eine Erkenntnis der eigenen Not schafft, und so die Menschen zu Christus bringt.

 

 

 

 

Der Grund des Glaubens

oder warum ein Sünder es wagt,

an den Herrn Jesus Christus zu glauben

 

Ich habe bereits gesagt, daß niemand an Jesus glauben wird, wenn er nicht fühlt, daß er ihn braucht. Ich habe es auch oft gesagt, und ich wiederhole es noch einmal, daß ich nicht mit der Bitte zu Christus komme, mein Bedürfnis für ihn zu fühlen; ich glaube nicht an Christus, weil ich fühle, daß ich ihn brauche, sondern weil ich ihn tatsächlich brauche. Kein Mensch kommt als empfindsamer Sünder zu Jesus, sondern als Sünder, und nur als Sünder. Er wird nicht kommen, wenn er nicht erweckt ist; aber wenn er kommt, dann sagt er nicht: „Herr ich komme zu dir, weil ich ein erweckter Sünder bin, rette mich.“ Nein, er sagt: „Herr, ich bin ein Sünder, rette mich.“ Nicht sein Erwachen, sondern das Eingeständnis seiner Sündhaftigkeit ist der Weg, auf dem er kommen kann.

 

Sicher verstehst du, was ich meine. Unverständlich wird es erst, wenn ich mich nach den Predigten vieler Pfarrer richte, die einem Sünder sagen: „Jetzt, wenn du fühlst, daß du Christus brauchst, wenn du intensiv Buße getan hast, wenn du durch das Gesetz bis zum Äußersten gequält worden bist, dann kannst du aufgrund dessen zu Christus kommen, daß du ein erweckter Sünder bist.“ Das halte ich für falsch. Kein Mensch kann aufgrund dessen, daß er ein erweckter Sünder ist, zu Christus kommen; er muß als Sünder zu ihm kommen. Wenn ich zu Jesus komme, weiß ich, daß ich nicht kommen kann, bevor ich erweckt bin, aber trotzdem komme ich nicht als erweckter Sünder. Ich stehe nicht am Fuß seines Kreuzes und werde gereinigt, weil ich Buße getan habe; wenn ich komme, dann bringe ich nichts als Sünde. Die Erkenntnis der eigenen Not ist ein wertvolles Gefühl, aber wenn ich am Fuß des Kreuzes stehe, glaube ich nicht an Christus, weil ich so ein wertvolles Gefühl habe, sondern ich glaube an ihn, ob ich wertvolle Gefühle habe oder nicht.

 

                So wie ich bin, so muß es sein,

                nicht meine Kraft, nur du allein,

                dein Blut wäscht mich von Flecken rein,

                O Gottes Lamm, ich komm, ich komm!

 

Manch ein hervorragender Prediger hat beschrieben, was ein Mensch empfinden muß, bevor er es wagen darf, zu Christus zu kommen. Aber ich wage zu behaupten, daß all dies nicht biblisch ist. Sünder fühlen diese Dinge, bevor sie kommen, aber sie kommen nicht aufgrund ihrer Gefühle; sie kommen aufgrund dessen, daß sie Sünder sind und nur deshalb.

 

Das Tor der Gnade steht offen, und darüber ist geschrieben: Das Wort ist gewiß und aller Annahme wert, daß Christus Jesus in die Welt gekommen ist, Sünder zu erretten.“ Zwischen den Worten „Sünder“ und „erretten“ steht kein Adjektiv. Es heißt nicht „reumütige Sünder“, „erweckte Sünder“ oder „beunruhigte Sünder“. Nein, es heißt nur „Sünder“, und ich weiß genau, wenn ich komme, komme ich heute zu Christus, denn ich empfinde es genauso notwendig, heute zum Kreuz Christi zu kommen, wie es vor zehn Jahren notwendig war. Wenn ich zu ihm komme, wage ich das nicht als erkenntnisreicher oder erweckter Sünder, sondern ich muß immer noch als Sünder mit leeren Händen kommen.

 

Der Glaube richtet sich direkt an Christus. Ich weiß, daß hunderte von armen Leuten beunruhigt sind, weil ihr Pastor gesagt hat: „Wenn du deine Not fühlst, kannst du zu Christus kommen.“ – „Aber“, sagen sie, „ich empfinde meine Not nicht stark genug: ich bin sicher, es reicht noch nicht.“ Ich habe jede Menge Briefe von gewissensgeplagten Menschen erhalten, die gesagt haben: „Ich würde es ja riskieren zu glauben, daß Christus mich rettet, wenn ich nur ein empfindliches Gewissen hätte oder ein weiches Herz; aber oh weh, mein Herz ist wie ein Eisberg, der nicht schmelzen will. Ich kann nicht empfinden, wie ich es möchte, und kann deshalb nicht an Jesus glauben.“

 

Weg damit, endlich weg damit! Das ist ein falscher Christus; das ist glattes Pfaffentum! Es ist nicht dein weiches Herz, das dich dazu berechtigt zu glauben. Du mußt an Christus glauben, damit er dein hartes Herz erneuert, und zu ihm kommen allein mit deiner Sünde.

 

Der Grund, warum ein Sünder zu Christus kommt, ist seine Schlechtigkeit, daß er tot ist, und nicht daß er weiß, daß er tot ist; daß er verloren ist und nicht daß er weiß, daß er verloren ist. Natürlich wird er nicht kommen, bis er weiß, aber das ist nicht der Grund, warum er kommt. Es ist ein geheimer Beweggrund, aber nicht der offensichtliche Grund, den er versteht. An diesem Punkt war ich jahrelang zu ängstlich, um zu Jesus zu kommen, weil ich dachte, nicht genug zu empfinden. Als ich an Christus glaubte, dachte ich, gar nichts zu empfinden. Jetzt, wenn ich zurücksehe, merke ich, daß ich die ganze Zeit schmerzlich und intensiv empfunden hatte, und am meisten, weil ich dachte, daß ich nichts fühlen könnte. Im allgemeinen denken die Menschen, die am meisten Buße tun, sie wären unbußfertig, und Menschen empfinden ihre Nöte am deutlichsten, wenn sie denken, sie würden gar nichts mehr fühlen, denn wir können unsere Gefühle nicht beurteilen. So erfolgt auch die Einladung des Evangeliums nicht aufgrund von irgend etwas, das wir beurteilen können, sondern steht auf dem Grund unserer absoluten Sündhaftigkeit.

 

„Gut“, sagt jemand, „aber es heißt doch ’Kommt her zu mir, alle ihr Mühseligen und Beladenen, und ich werde euch Ruhe geben’ (Matthäus 11, 28) – also müssen wir doch mühselig und beladen sein.“ Genauso sagt es dieser Text, aber es gibt viele andere Einladungen zum Glauben in der Bibel, die nichts von „Mühseligen und Beladenen“ sagen.

 

Übrigens, auch wenn die Einladung hier den Mühseligen und Beladenen gilt, wirst du erkennen, daß ihnen die Verheißung nicht als Mühseligen und Beladenen gilt, sondern als zu Christus Kommenden. Sie wußten gar nicht, daß sie mühselig und beladen waren, als sie kamen, sie dachten nicht daran. Sie waren es, aber Teil ihrer Mühsal war, daß sie nicht so mühselig sein konnten wie sie wollten, und Teil ihrer Last war, daß sie ihre Last nicht genug fühlten. Sie kamen so wie sie waren zu Christus, und er rettete sie, nicht weil ihre Mühsal irgendeine anerkennenswerte Leistung war oder ihre Belastung irgendeine Wirksamkeit hätte, sondern er rettete sie als Sünder, als totale Sünder, und so wurden sie in seinem Blut gewaschen und gereinigt. Lieber Leser, diese Wahrheit möchte ich dir deutlich machen. Wenn du als totaler Sünder zu Christus kommen willst, wird er dich nicht ausstoßen. Ein alter Prediger sagt im Gottesdienst zu genau diesem Punkt: „Ich behaupte, ganz egal, wer du bist, wenn du zu Christus kommst, und er dich nicht annimmt, dann hält er sich nicht an sein Wort, denn er sagt: „Wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinausstoßen“ (Johannes 6,37). Wenn du kommst, kümmere dich nicht um Voraussetzungen und Vorbereitungen. Er braucht keine Vorarbeit an Taten oder Gefühlen. Du sollst nur kommen, wie du bist. Und wenn du der größte Sünder der Hölle bist, kannst du doch genauso zu Christus kommen, wie der moralisch hochstehendste und hervorragendste Mensch.

 

Dort ist ein Bad. Wer ist zum Waschen bereit? Der Schmutz eines Menschen spricht nicht dagegen, daß er gewaschen wird, sondern ist ein klarer Grund dafür. Als unser Stadtrat die Armen unterstützte, sagte niemand: „Ich bin so arm, ich bin gar nicht darauf vorbereitet, die Unterstützung zu bekommen.“ Deine Armut ist deine Vorbereitung. Der Schwarze ist hier weiß. Welch seltsamer Widerspruch! Alles, was du Christus bringen kannst, sind deine Sünde und deine Bosheit. Ales, was er verlangt, ist, daß du mit leeren Händen kommst. Wenn du nichts zu bieten hast, mußt du genau so bleiben, bevor du kommst. Wenn etwas Gutes in dir ist, kannst du Christus nicht vertrauen, du mußt mit leeren Händen kommen. Nimm ihn als dein ein und alles an. Das ist der einzige Grund, auf dem eine verlorene Seele gerettet werden kann – als Sünder und nur als Sünder.

 

 

Die Garantie des Glaubens

oder warum der Glaube

auf Christus vertrauen darf

 

Ist es nicht unklug von einem Menschen, Christus zu vertrauen, daß er ihn rettet, wenn er gar nichts Gutes zu bieten hat? Ist es nicht pure Überheblichkeit, so auf Christus zu vertrauen? Nein, das ist es nicht. Es ist die unvergleichlich große Tat des Heiligen Geistes, wenn ein Mensch all seine Sünden als solche erkennt und trotzdem glaubt. Wenn er unterschreiben kann, daß Gott wahrhaftig ist, und an die Kraft des Blutes Jesu glaubt. Aber warum traut sich überhaupt jemand, an Christus zu glauben? Das frage ich dich jetzt. „Nun“, sagt ein Mann, „ich habe all meinen Glauben an Christus zusammengenommen, weil ich fühlte, daß der Geist in mir arbeitete.“ Du glaubst überhaupt nicht an Christus. „Nun“, sagt ein anderer, „ich dachte, ich hätte das Recht, an Christus zu glauben, weil ich etwas fühlte.“ Auf solch eine Garantie hin hattest du kein Recht, überhaupt an Christus zu glauben.

 

Was ist denn die Garantie eines Menschen, der an Christus glaubt? Hier ist sie: Christus befiehlt ihm, es zu tun! Das ist seine Garantie. Christi Wort ist die Garantie für den Sünder, der an Christus glaubt – weder was er fühlt, noch was er ist, sondern daß Christus ihm befohlen hat, es zu tun. Das Evangelium lautet: „Glaube an den Herrn Jesus und du wirst errettet werden“ (Apostelgeschichte 16, 31) und: „Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet“ (Johannes 3, 18).

 

Der Glaube an Christus ist also gleichzeitig Auftrag und Vorrecht. Und es ist wirklich eine Gnade, daß er Pflicht ist, denn so kann die Frage nie aufkommen, ob ein Mensch das Recht hat, seine Pflicht zu tun. Auf dieser Basis, daß Gott mir befiehlt zu glauben, habe ich das Recht zu glauben, egal wer ich bin. Das Evangelium gilt allen, und zu allen gehöre auch ich. Das Evangelium befiehlt mir zu glauben, und das tue ich. Es kann kein Fehler gewesen sein, es zu tun, denn ich habe den Befehl bekommen, so zu handeln. Ich kann nichts falsch machen, wenn ich einem Befehl Gottes gehorche.

 

Es ist also ein Gebot Gottes für alle Menschen, an Jesus Christus zu glauben, den Gott gesandt hat. Dies ist deine Garantie als Sünder und eine gesegnete Garantie dazu, denn die Hölle kann sie nicht anfechten und der Himmel nicht zurücknehmen. Du brauchst nicht in dich hineinzuschauen, auf die vernebelten Garantien deiner Erfahrung, du brauchst nicht auf deine Werke zu schauen oder auf ein Gefühl, um einige trübe und unzulängliche Garantien für dein Vertrauen auf Christus zu bekommen. Du kannst an Christus selbst glauben, weil er es dir sagt. Das ist sicherer Boden, auf dem man stehen kann und gleichzeitig einer, der keinen Zweifel zuläßt.

 

Ich stelle mir vor, wir wären alle am Verhungern, unsere Stadt würde belagert und eingeschlossen und es gäbe eine lange Hungersnot. Wir sind kurz davor zu verhungern. Da erhalten wir eine Einladung, uns sofort zum Palast des Königs zu begeben, um dort zu essen und zu trinken; aber wir sind Narren geworden und nehmen die Einladung nicht an. Stell dir vor, was für eine schreckliche Verwirrung uns ergriffen hat, daß wir es vorziehen zu sterben und lieber verhungern als zu kommen. Stell dir vor, der Herold des Königs sagt: „Kommt und eßt, ihr armen, hungrigen Menschen. Ich weiß, daß ihr nicht kommen wollt, deshalb warne ich euch, daß, wenn ihr nicht kommt, meine Soldaten auf euch losgehen werden; sie sollen euch die Schärfe ihrer Schwerter spüren lassen.“ Ich denke, wir sollten dem König für diese Drohung dankbar sein. Wir können nun nicht mehr sagen: "„Ich will nicht kommen“, weil wir nicht mehr wegbleiben dürfen. Ich kann also nicht sagen, daß ich noch nicht darauf vorbereitet bin zu kommen, denn ich habe den Befehl zu kommen, und ich werde bestraft, wenn ich nicht komme; deshalb gehe ich.

 

Der schreckliche Satz „Wer aber nicht glaubt, ist schon gerichtet“ (Johannes 3,18), ist nicht aus Wut ausgesprochen worden, sondern weil der Herr unsere grundlose Verwirrung kennt und weißt, daß wir unser Glück ablehnen würden, wenn er nicht gegen uns wettern würde, um uns zum Kommen zu bewegen. „Nötige sie hereinzukommen“, hat der Herr von Anfang an gesagt und dieser Text zeigt, wie er die Ermahnung durchführt, „Nötige sie hereinzukommen“.

 

Du kannst nicht verlorengehen, indem du Christus vertraust, aber du wirst verlorengehen, wenn du ihm nicht vertraust, und zwar weil du ihm nicht vertraust. Ich betone es nochmals: Komm! Ich bitte dich, setze dich nicht dem Zorn Gottes aus, indem du es ablehnst zu kommen. Das Tor der Gnade steht weit offen, warum willst du nicht kommen? Warum willst du nicht? Warum so stolz? Warum willst du immer noch seine Stimme zurückweisen und in deinen Sünden umkommen? Schau, wenn du umkommst, ist das weder die Schuld Gottes, noch die Schuld Christi, sondern deine eigene. Er sagt dann über dich: „Ihr wollt nicht zu mir kommen, damit ihr ewiges Leben habt“ (Johannes 5,40). Du armer Zweifler, wenn du kommen möchtest, dann gibt es nichts in Gottes Wort, das dich davon abhält. Es ist nämlich gleichzeitig die Drohung, die dich antreibt, und die Kraft, die dich zieht. Immer noch höre ich dich sagen: „Ich darf Christus nicht vertrauen.“ Doch, du darfst, sage ich, weil es aller Kreatur unter dem Himmel befohlen ist, und was dir befohlen ist, das darfst du auch tun. „Na gut“, sagt jemand, „aber ich fühle immer noch nicht, daß ich es darf“. Damit bist du wieder am Anfang. Du sagst, daß du deiner dummen Gefühle wegen Gott nicht gehorchen willst. Du sollst Christus doch nicht vertrauen, weil du etwas fühlst, sondern einfach, weil du ein Sünder bist.

Jetzt weißt du, daß du ein Sünder bist. „Ich weiß“, sagt jemand, „und genau das macht mir Sorgen.“ Warum sorgst du dich? Das ist ein Anzeichen dafür, daß du fühlst. „Aber“, sagt jemand, „ich fühle noch nicht genug und deshalb sorge ich mich. Ich fühle nicht das, was ich sollte. Nun, egal ob du fühlst oder nicht fühlst, du bist ein Sünder, und „das Wort ist gewiß und aller Annahme wert, daß Christus Jesus in die Welt gekommen ist, Sünder zu erretten“ (1. Timotheus 1,15).

 

„Oh, aber ich bin ein alter Sünder und lebe schon seit sechzig Jahren in Sünde.“ Wo steht geschrieben, daß du nach sechzig Jahren nicht mehr gerettet werden kannst? Christus könnte dich noch mit Hundert retten – ja, selbst wenn du ein Methusalem an Schuld wärest. „Das Blut Jesu Christi, seines Sohnes, reinigt uns von jeder Sünde“ (1. Johannes 1,7), - „Daher kann er auch völlig erretten, die durch ihn Gott nahen“ (Hebräer 7,25).

 

„Schon“, meint jemand, „aber ich war ein Trinker, ein Flucher oder ein Lüstling oder ein Weltmensch.“ Dann bist du ein Sünder. Du konntest auch nicht weiter als bis zum Äußersten gehen, und Jesus kann dich immer noch retten. „Tja“, sagt ein anderer, „aber du weißt ja nicht, wie schlimm meine Schuld ist.“ Das beweist doch nur, daß du ein Sünder bist, und daß genau dir der Befehl gilt, Christus zu vertrauen, um gerettet zu werden. „Aber“, ruft ein anderer, „du weißt ja nicht, wie oft ich Christus schon abgelehnt habe.“ Stimmt, aber das macht dich doch nur noch deutlicher zum Sünder. „Du weißt auch nicht, wie hart mein Herz ist.“ Stimmt wieder, aber das bestätigt nur deine Sündhaftigkeit und daß du einer derjenigen bist, für die Christus als Retter kam.

 

„Aber an mir ist nichts Gutes. Wenn wenigstens etwas da wäre, hätte ich etwas, was mich ermutigt.“ Die Tatsache, daß du gar nichts Gutes aufzuweisen hast, zeigt nur, daß du genau der Mensch bist, zu dem ich reden soll. Christus kam, um zu retten, was verloren war. Alles, was du gesagt hast, hat nur bewiesen, daß du verloren bist. Also kam er, um dich zu retten. Vertrau ihm!

 

„Aber wenn ich gerettet werde“, sagt jemand, „werde ich der größte Sünder sein, der je gerettet wurde.“ Umso gewaltiger wird die Musik im Himmel sein, wenn du hinkommst; umso mehr Ehre wird Christus bekommen, denn je größer der Sünder, desto mehr Ruhm gebührt Christus, wenn dieser nach Hause kommt. „Ja, aber meine Sünden sind sehr zahlreich geworden.“ Dann ist seine Gnade umso größer geworden. „Aber meine Sünde reicht sogar bis zum Himmel.“ Schon, aber seine Gnade reicht bis über den Himmel hinaus. „Meine Schuld ist so breit wie die ganze Welt.“ Schon, aber seine Gerechtigkeit ist breiter als tausend Welten. „Ja, aber meine Sünde ist scharlachrot.“ Ja, sein Blut ist aber röter als deine Sünden, und es kann sie durch ein stärkeres Rot auswaschen. „Ich verdiene es aber verlorenzugehen, und Tod und Hölle fordern meine Verurteilung.“ Ja und sollen sie auch, aber das Blut Christi redet lauter als Tod und Hölle, und es ruft heute: „Vater, laß den Sünder leben.“

 

Oh, ich wünschte, ich könnte dir diesen Gedanken begreiflich machen. Wenn Gott dich rettet, dann liegt das überhaupt nicht an dir, sondern einzig an ihm selbst. Gottes Grund, warum er einen Sünder begnadigt, liegt in seinem eigenen Herzen begründet und nicht in dem des Sünders. Für deine Rettung sprechen genauso viele Gründe, wie für irgend jemanden sonst, nämlich keine. Du lieferst keinen Grund, warum Gott dir gnädig sein müßte, aber er erwartet keinen Grund, denn der Grund dafür liegt in und in Gott allein.

 

 

Die Folge des Glaubens

oder was der Glaube an Christus bewirkt

 

Ein Mensch, der gerade erst geglaubt hat, wird nicht verurteilt. Lebte er auch fünfzig Jahre in Sünde und steckte in jeder Art von Laster, seine Sünden - und zwar alle - sind ihm vergeben. Aus Gottes Sicht steht er nun so unschuldig da, als hätte er nicht gesündigt. So gewaltig ist die Kraft des Blutes Jesu, daß gilt: „Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet“ (Johannes 3, 18). Bezieht sich das auf das geschehen am Tage des Gerichts? Bitte, schau selbst in Gottes Wort, und du wirst herausfinden, daß es nicht heißt: „Wer an ihn glaubt wird in Zukunft nicht gerichtet werden“, sondern er wird nicht, er wird es jetzt nicht. Und wenn er es jetzt nicht wird, folgt daraus, daß er es niemals werden  wird; weil er an Christus geglaubt hat, gilt das versprechen “Wer an ihn glaubt wird nicht gerichtet.“  Ich glaube heute, daß ich nicht gerichtet werde, und nach Ablauf von fünfzig Jahren wird das Versprechen noch genauso bestehen: „Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet.“ Von dem Moment an da ein Mensch auf Christus vertraut, ist er von jeder Verurteilung freigesprochen. Von vergangener, gegenwärtiger und zukünftiger. Und von dem Tag an steht er in den Augen Gottes so da, als hätte er keine Flecken, keine Runzeln, nichts in der Art. „Aber er sündigt“, sagst du. Das tut er tatsächlich, aber seine Sünden werden ihm nicht angelastet. Sie würden Christus zugerechnet, und Gott kann das Vergehen niemals doppelt anrechnen .- erst Christus und dann dem Sünder. „Nun, er fällt aber oft in Sünde.“ Das ist möglich, obwohl, wenn der Geist Gottes in ihm wohnt, er nicht mehr so sündigt, wie er es gewohnt war. Er sündigt, weil er schwach ist, nicht weil er die Sünde liebt, denn er haßt sie jetzt.

 

Ich möchte versuchen deine Fragen hierzu zu beantworten:

Auch wenn er sündigt, ist er doch in Gottes Augen nicht mehr schuldig, denn seine Schuld ist von ihm genommen und auf Christus gelegt worden - sie ist wirklich, wörtlich und wahrhaftig von ihm genommen und auf Christus gelegt worden.

 

Siehst Du das jüdische Volk? Sie führen einen Sündenbock heraus; der Hohepriester bekennt die Sünden des Volkes über dem Kopf des Sündenbocks. Die Sünde ist ganz vom Volk weggenommen und auf den Sündenbock gelegt worden. Er geht fort in die Wüste. Ist noch irgendeine Sünde beim Volk geblieben? Wenn ja, dann hat der Sündenbock sie nicht weggetragen. Weil sie nicht gleichzeitig hier und dort sein kann. Sie kann nicht gleichzeitig weggetragen und zurückgelassen worden sein. „Nein“, sagst du, „die Bibel sagt, daß der Sündenbock die Sünden wegtrug, keine einzige war beim Volk geblieben, nachdem der Sündenbock die Sünde weggebracht hatte.“

 

Wenn wir so im Glauben unsere Hände auf den Kopf Christi gelegt haben, nimmt er unsere Sünde dann weg oder nicht? Wenn er es nicht tut dann nützt unser Glaube nichts. Wenn er aber unsere Sünde wirklich wegnimmt, dann kann unsere Sünde nicht gleichzeitig auf ihm und auf uns liegen. Wenn sie auf Christus lag, dann sind wir frei, rein angenommen, gerechtfertigt: das ist die wahre Lehre der Gerechtigkeit aus Glauben. Sobald ein Mensch an Jesus Christus glaubt, sind ihm seine Sünden weggenommen und zwar für immer. Sie sind jetzt ganz und gar ausgelöscht.

 

Wenn ein Mensch noch hundert Pfund bezahlen muß, aber schon die Quittung dafür bekommen hat, ist er frei; die Schuld ist ausgelöscht, im Buch ist sie getilgt, sie ist beglichen. Ein Mensch sündigt, doch seine Schulden sind schon bezahlt worden, bevor er sie gemacht hat, nach dem Gesetz Gottes ist er kein Schuldner mehr.

 

Sagt die Bibel nicht von Gott: „Du wirst alle ihre Sünden in die Tiefen des Meeres werfen?“ (Micha 7, 19) Nun, wenn sie in den Tiefen des Meeres sind, können sie nicht gleichzeitig auf seinem Volk liegen. Gepriesen sei sein Name! Von dem Tage an, wo er unsere Sünden in die Tiefen des Meeres warf, sind wir in seinen Augen rein und um seines geliebten Sohnes willen angenommen. Weiter sagt er: „So fern der Osten ist vom Westen, hat er von uns entfernt unsere Vergehen“ (Psalm 103, 12). Sie können nicht entfernt und doch noch hier sein.

 

Wenn du nämlich an Christus glaubst, bist du in Gottes Augen kein Sünder mehr; du wirst angenommen, als ob du vollkommen wärest, als ob du das Gesetz gehalten hättest, denn Christus hat es gehalten, uns seine Gerechtigkeit ist deine. Du hast es gebrochen, aber deine Sünden ist seine, und er ist dafür bestraft worden. Täusche dich nicht länger: du bist nicht mehr, was du einmal warst. Wenn du glaubst, stehst du an der Stelle Christi, genauso wie Christus vorher an deiner Stelle stand. Die Verwandlung ist vollständig, der Austausch ist real und ewig. Diejenigen, die an Christus glauben, werden von Gott, dem Vater, genauso angenommen, wie sein ewiger Sohn angenommen ist; diejenigen die nicht glauben, können tun, was sie wollen, sie können versuchen, sich ihre eigene Gerechtigkeit zu erarbeiten, aber sie bleiben unter dem Gesetz und damit unter dem Fluch. Ihr, die ihr an Jesus glaubt, lebt durch diese Tatsache. An sich seid ihr Sünder, doch ihr seid gewaschen im Blut Christi.

David sagt: Wasche mich, und ich werde weißer sein als Schnee“ (Psalm 51,9). Du hast schon Schnee fallen sehen, so rein und weiß. Was könnte weißer sein? Nun, ein Christ ist weißer. Du sagst: „Schwarz ist er.“ Es stimmt, er ist so schwarz wie irgend jemand sonst, so schwarz wie die Hölle, aber durch das Blut auf ihm wird er weiß, „weißer ... als Schnee“.

 

Nächstes Mal, wenn du die schneeweißen Kristalle vom Himmel fallen siehst, schau sie an und sage : “obwohl ich bekennen muß, daß ich unwürdig und unrein bin, hat Christus mir, weil ich an ihn glaube, seine vollkommene Gerechtigkeit gegeben. So bin ich sogar weißer als der Schnee, der vom Himmel fällt.“

 

Wo ist der Glaube, der das ergreift? Wo ist der Überwinderglaube, der den Sieg über Zweifel und Ängste erringt und uns die Freiheit genießen läßt, zu der Christus Menschen befreit? Du, der du an Christus glaubst, sage dir heute nacht, wenn du ins Bett gehst: „Wenn ich im Bett sterbe, kann ich nicht gerichtet werden.“ Wenn du am nächsten Morgen aufwachst, geh in die Welt hinaus und sag: „Ich werde nicht gerichtet.“ Wenn der Teufel dich anschreit, sag ihm: „Du magst mich anklagen, aber ich werde nicht gerichtet.“ Und selbst wenn manchmal deine Sünden wachsen, sag du: „Ja, ich kenne euch, aber ihr seid für immer weggenommen; ich werde nicht gerichtet.“ Und wenn du schließlich im Sterben liegst, schließe deine Augen in Frieden.

 

Völlig freigesprochen, begnadigt, wirst du am Schluß erfunden, und der gewaltige Fluch der Sünde und alle Schuld wird weggetan sein, obwohl du nichts dafür getan hast . ich bitte dich, tu alles, was du kannst, für Christus – tu es aus Dankbarkeit. Aber selbst, wenn du alles getan hast, ruhe dich nicht darauf aus. Ruhe in dem stellvertretenden Opfer Jesu . Sei, was Christus in den Augen des Vaters war. Und wenn dich dein Gewissen anklagt, sag ihm, daß Christus all das für dich war, was du hättest sein sollen, daß er all deine Strafe erlitten hat. Sag ihm, daß dich nun weder Gnade noch Gerechtigkeit schlagen können, seit sich Gerechtigkeit und Gnade fest in die Hände gegeben haben, um den Menschen zu retten, der an den gekreuzigten Christus glaubt.

 

 

Die einleuchtende Erklärung,

die die Bibel über Gläubige abgibt

 

Wie du weißt, kommt in unseren Gerichten das Urteil „nicht schuldig“ einem Freispruch gleich, und der Gefangene wird sofort entlassen. Dasselbe gilt in der Sprache des Evangeliums; der Urteilsspruch „nicht verdammt“ beinhaltet gleichzeitig die Rechtfertigung des Sünders. Das bedeutet, daß jeder, der an Christus glaubt, eine jetzt gegenwärtige Rechtfertigung empfängt. Der Glaube bringt seine Früchte nicht erst nach und nach, sondern schon jetzt. Rechtfertigung als Ergebnis des Glaubens wird in dem Moment gewährt, wo man auf Jesus eingeht und ihn als ein und alles annimmt. Sind die, die heute vor Gottes Thron stehen, gerechtfertigt? Genauso sind wir es auch, wirklich und wahrhaftig gerechtfertigt, wie die ihm oben in weißen Kleidern ihr Loblied singen. Der Dieb am Kreuz war in dem Moment gerechtfertigt, als er im Glauben auf Jesus sah, der gerade neben ihm hing. Selbst der alte Paulus war nach Jahren des Dienstes nicht gerechtfertigter, als dieser Dieb ohne jeden Dienst.

 

Schon heute sind wir im Herrn Jesus angenommen, schon heute freigesprochen von Sünde, schon heute unschuldig in Gottes Augen. Was für ein atemberaubender, tröstlicher Gedanke! Einige Trauben diese Weinstocks können wir erst sammeln, wenn wir im Himmel sind; dies aber ist eine der frühreifen Trauben, die schon hier gepflückt und gegessen werden sollen. Es ist nicht wie das Korn des Landes Kanaan, das wir erst essen können, wenn wir den Jordan überquert haben, sondern es ist Teil des Manna in der Wüste und auch teil unserer täglichen Kleidung, mit der Gott uns auf unserem Weg versorgt.

 

Wir sind jetzt - schon jetzt begnadigt; schon jetzt sind unsere Sünden weggetan; schon jetzt stehen wir in Gottes Augen so da, als wären wir nie schuldig gewesen; unschuldig wie Adam in seiner Rechtschaffenheit, bevor er die Frucht des verbotenen Baumes gegessen hatte; rein , als ob wir uns nie an der Sünde beschmutzt hätten. „Also gibt es jetzt keine Verdammnis für die, welche in Christus Jesus sind“ (Römer 8, 1). Keine Sünde steht im Buch Gottes, auch jetzt nicht, bei keinem von seinem Volk. Nichts wird ihnen zur Last gelegt. Es gibt weder Fluch, noch Makel, noch Runzeln, noch irgend etwas, das die Gerechtigkeit eines Gläubigen aus der Sicht des Richters der ganzen Welt beeinträchtigen könnte.

 

Aber um fortzufahren: Die Rechtfertigung ist nicht nur gegenwärtig, sondern andauernd. Von dem Moment an,. wo du und ich geglaubt haben, gilt für uns: Er „wird nicht gerichtet“ (Johannes 3, 18). Viel Zeit ist seitdem vergangen, vieles hat sich geändert, aber es gilt uns noch heute: Er „wird nicht gerichtet“. Der Herr allein weiß, wie lange unsere festgesetzte Zeit sein wird – wir lange es dauert, bis wir wie ein Schatten verschwinden. Aber das eine wissen wir, weil jedes Wort Gottes wahr ist und Gott seine Geschenke nie bereut: auch wenn wir noch einmal fünfzig Jahre leben, steht es immer noch geschrieben: „Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet“ (Johannes 3, 18). Nein, und selbst wenn durch eine geheimnisvolle Behandlung unserer Nahrung unser Leben um das Zehnfache des Normalen verlängert würde und wir die acht- bis neunhundert Jahre eines Methusalem erreichen würden, würde es unverändert stehen bleiben: „Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet.“ - „Ich gebe (meinen Schafen) ewiges Leben, und sie gehen nicht verloren in Ewigkeit, und niemand wird sie aus meiner Hand rauben“ (Johannes 10, 28). - „Der Gerechte aber wird aus Glauben leben“ (Römer 1,17). – „Wer an ihn glaubt, wird nicht zuschanden werden“ (1,Petrus 2,6). 

 

All diese Verheißungen wollen deutlich machen, daß die Rechtfertigung, die Christus unserem Glauben gibt, eine dauernde ist, die so lange anhält, wie wir leben. Denk daran, sie hält für Zeit und Ewigkeit. Wir werden im Himmel keine anderen Kleider tragen, als jetzt. Heute steht der Gerechte in der Gerechtigkeit Christi bekleidet da. Das gleiche Hochzeitskleid wird er beim großen Hochzeitsmahl tragen. Aber was, wenn es abgetragen wäre? Was, wenn die jetzige Gerechtigkeit in der kommenden Ewigkeit ihre Kraft verliert? Diese Furcht brauchen wir nicht zu nähren. Himmel und Erde werden vergehen, aber sein Gerechtigkeit wird niemals veralten. Keine Motte kann sie fressen, kein Dieb kann sie stehlen, keine Hand eines Trauernden und Weinenden kann sie entzwei reißen. Sie ist ewig, ja sie muß es sein, denn Christus selbst, Gott ist unsere Gerechtigkeit. Weil er unsere Gerechtigkeit ist, der unerschaffene, der ewige, der unveränderliche Gott, dessen Jahre nie zu Ende gehen und dessen Kraft nicht nachläßt, deshalb geht auch unsere Gerechtigkeit nie zu Ende, und ihre Vollkommenheit und Schönheit vergeht nie. Die Bibel, denke ich, lehrt uns sehr klar, daß derjenige, der an Christus glaubt, eine für immer andauernde Rechtfertigung empfangen hat.

 

Nochmals, denk für einen Moment darüber nach: diese Rechtfertigung ist vollständig. „Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet“ (Johannes 3, 18). Das besagt: in keinster Weise. Ich weiß, einige halten es für möglich, daß wir in einem halb verlorenen und halb erretten Zustand sein können. Soweit wir Sünder sind, soweit sind wir verdammt, so weit wir Gerechte sind, so weit sind wir erlöst. Ihr Lieben, so etwas steht nirgends in der Bibel. Es widerspricht total der Lehre des Evangeliums. Wenn aus Werken, dann nicht aus Gnade, und wenn aus Gnade, dann nicht aus Werken. Werke und Gnade können nicht miteinander vermischt werden, genausowenig wie Feuer und Wasser. Entweder ist das eine da oder das andere, beides zusammen ist unmöglich, die beiden können niemals verbunden werden. Es kann keine Mischung von beidem geben, keine Verdünnung des einen mit dem anderen.

 

Wer glaubt, ist frei von aller Schlechtigkeit, von aller Schuld, von allem Makel. Wenn auch der Teufel eine Anklage vorbringt, ist es doch eine falsche, denn wir sind sogar frei von jeder Anklage, seit es mit Macht feststeht: „Wer wird gegen Gottes Auserwählte Anklage erheben?“ (Römer 8, 33) Es heißt nicht „Wer kann etwas beweisen?“, sondern „wer wird Anklage erheben?“ Sie sind so vollständig von der Verdammnis befreit, daß nicht der Schatten eines Makels an ihrer Seele gefunden wird, nicht einmal das leiseste Vorbeiziehen einer Untat kann seinen schwarzen Schatten auf sie werfen. Sie stehen nicht nur halb, sondern vollkommen unschuldig vor Gott; nicht nur halb gewaschen, sondern weißer als Schnee. Ihre Sünden sind nicht einfach durchgestrichen, sondern ganz ausgelöscht; nicht nur außer Sichtweite gebracht, sondern in die Tiefen des Meeres geworfen; nicht einfach entfernt, sondern so weit entfernt, wir es der Osten vom Westen ist; sie sind für immer weg, ein für allemal.

 

Ein Jude hatte trotz aller zeremonieller Reinigung nie ein von Sünde befreites Gewissen. Nach einem Opfer brauchte er immer noch eines, denn diese Opfer konnten Ihre Überbringer nie vollkommen machen. Schon eine Sünden am nächsten Tag machte ein neues Lamm erforderlich, und wegen der Missetaten des nächsten Jahres war ein neues Sühnopfer nötig. „Dieser aber hat ein Schlachtopfer für Sünden dargebracht und sich für immer gesetzt zur Rechten Gottes“ (Hebräer 9, 12). Keine Brandopfer sind mehr nötig, keine Waschungen, kein Blutvergießen, keine Sühnopfer, überhaupt kein Opfer mehr. Hör doch, wie dein Retter im Sterben ruft: „Es ist vollbracht!“ (Johannes 19, 30) Deine Sünden haben ihren Todesstoß empfangen, das Gewand deiner Gerechtigkeit hat seinen letzten Faden erhalten, es ist fertig, vollständig, vollkommen. Es braucht nichts hinzugefügt werden; es darf nichts davon genommen werden.

 

Ergreife diesen kostbaren Gedanken. Ich bin vielleicht nicht dazu fähig ihn richtig darzulegen und gebrauche nur schwache Ausdrücke dafür; laß du dich aber nicht von meiner Schwachheit abhalten, den Wert dieses Gedankens zu verstehen.  Er reicht aus, um einen Menschen springen zu lassen, obwohl seine Beine bleischwer sind, um ihn singen zu lassen, obwohl sein Mund geknebelt ist. Das bewirkt der Gedanke, das wir in Christus vollkommen angenommen sind, daß unsere Rechtfertigung nicht nur zum Teil gilt; sie reicht nicht nur bis zu einem bestimmten Punkt, sondern für den ganzen Weg. Unsere Ungerechtigkeit ist bedeckt; von der Verdammnis sind wir völlig und unwiderruflich frei.

 

Noch einmal. Diese Nicht-Verurteilung ist wirksam. Das königliche Vorrecht der Rechtfertigung kann nie fehlschlagen. Sie erreicht jeden Gläubigen. Unter der Regierung von Georg III. wurde der Sohn eines meiner Gemeindeglieder wegen Fälscherei zum Tode verurteilt. Mein Vorgänger, Dr. Rippon, erreicht nach unwahrscheinlichen Anstrengungen, daß das Urteil zurückgenommen werden sollte. „Zufällig“ erfuhr der jetzige leitende Älteste - damals ein junger Mann – vom Gefängnisdirektor, daß die Begnadigung noch nicht eingetroffen war. Der unglückliche Gefangene wäre am nächsten Morgen hingerichtet worden, wenn  nicht Dr. Rippon auf dem schnellsten Wege nach Windsor gefahren wäre, eine Audienz beim König in dessen Schlafzimmer erhalten hätte und von des Königs eigener Hand eine Abschrift der Begnadigungsurkunde erhalten hätte, die nachlässigerweise von einem gedankenlosen Offizier zur Seite gelegt worden war. „Ich erwarte von Ihnen, Doktor“, sagte der König, „daß Sie sich beeilen“.  – „Vertrauen Sie mir darin, Majestät“ antwortete der Doktor, und er kehrte rechtzeitig nach London zurück, gerade noch rechtzeitig, denn der Gefangene war schon zusammen mit anderen auf dem Weg zum Schafott.

 

Die Begnadigung war schon ausgesprochen, und doch wäre der Mann fast hingerichtet worden, wenn sie nicht wirksam geworden wäre. Aber Gott sei dafür gepriesen, daß unsere Nicht-Verurteilung wirksam ist. Sie hängt nicht von einem Brief ab, sondern ist eine Tatsache. Als du und ich Seelenqualen gelitten haben und unter der schweren Hand des Gesetztes waren, fühlten wir, daß sein Fluch nicht nur Theaterdonner ist, wie der Zorn des Vatikan, sondern real; wir fühlten, daß der Zorn Gottes wirklich zu fürchten, daß er eine Tatsache ist.

 

Nun, genauso real wie die Verurteilung durch die Gerechtigkeit Gottes, ist die Rechtfertigung, die er durch seine Gnade schenkt. Du bist nicht nur dem Namen nach schuldlos, sondern du bist es wirklich, wenn du an Christus glaubst; du stehst nicht nur dem Namen nach anstelle des Unschuldigen, sondern du bist es wirklich dort, von dem Moment an, wo du an Jesus glaubst. Es ist nicht nur die Rede davon, daß deine Sünden weg sind, sondern sie sind tatsächlich weg. Gott tut nicht nur so, als ob du angenommen wärest, sondern du bist angenommen. Das sind Tatsachen, genauso wie es eine Tatsache ist, daß du gesündigt hast. Du bezweifelst nicht, daß du gesündigt hast, du kannst es gar nicht; bezweifele dann auch nicht, daß deine Sünden weggenommen sind, wenn du glaubst. Denn so sicher, wie du dich schwarz gemacht hast, als du gesündigt hast, genauso sicher und bestimmt ist alles durch das Bad der Wiedergeburt abgewaschen worden.

 

Denk einmal darüber nach. Du bist tatsächlich aus deinem Gefängnis herausgeführt worden. Du bist nicht mehr gefesselt wie ein Kettensklave. Du bist jetzt von der Sklaverei des Gesetztes erlöst. Du bist befreit von Sünde und kannst dich als freier Mensch frei bewegen. Das Blut deines Retters hat deinen vollen Freispruch bewirkt. Dadurch hast du jetzt Zugang zum Vater. Kein rächendes Feuer darf dich jetzt dort ängstigen, kein flammendes Schwert; das Gericht kann dem Unschuldigen nichts anhaben. Komm, deine Unfähigkeit ist beendet. Es war dir einmal unmöglich, deinem Vater ins Gesicht zu sehen – jetzt kannst du es. Du konntest nicht mit ihm reden und er nicht mit dir; aber jetzt hast du freien Zugang zu dieser Gnade, in der wir stehen. Du hattest einmal Angst vor der Hölle; es gibt keine Hölle mehr für dich. Wie könnte auch ein Schuldloser bestraft werden? Wer glaubt, ist schuldlos, wird nicht gerichtet und kann nicht bestraft werden. Keine Mißbilligung eines rächenden Gottes mehr. Wie sollte Gott als Richter einen Schuldlosen mißbilligen? Wie sollte ihm ein Freigesprochener mißfallen?

 

Mehr als alle Vorzüge, die du vielleicht genossen haben könntest, wenn du nie gesündigt hättest, hast du jetzt empfangen, wo du gerechtfertigt bist. Alle Segnungen, die du hättest und noch mehr, hast du heute, weil Christus es für dich hielt.

 

Alle Liebe und Annahme, die ein vollkommen gehorsames Wesen von Gott hätte empfangen können, gehört dir, weil Christus an deiner Stelle vollkommen gehorsam war, das schreibt dir all seine Verdienst gut, damit du durch den äußerst reich würdest, der für dich äußerst arm wurde.

 

Möge der Heilige Geist unsere Herzen erleuchten, damit wir das verstehen! Es gibt kein Gericht. Mehr noch, es wird nie mehr ein Gericht geben. Die Vergebung gilt nicht nur zum Teil, sondern sie ist vollständig; sie ist so wirksam, daß sie uns von allen Strafen des Gesetzes erlöst, uns alle Vorrechte des Gehorsams gibt und uns tatsächlich viel höher stellt, als wir gestanden hätten, wenn wir nie gesündigt hätten. Sie befestigt unseren Stand so sicher, wie es noch nicht einmal vor unserm Fallen war. Wir sind nicht da, wo Adam war, denn Adam konnte fallen und umkommen. Wir sind vielmehr da, wo Adam hingekommen wäre, wenn Gott ihn – einmal angenommen – für sieben Jahre in den Garten gesetzt und gesagt hätte: „Wenn du sieben Jahre lang gehorchst wird deine Bewährungszeit um sein, und ich werde dich belohnen.“

 

Man sagt von Kindern Gottes, daß sie in gewissem Sinne in einem Stadium der Bewährung sind. Es gibt keine Bewährung, nach der ein Kind Gottes gerettet werden soll. Es ist schon gerettet. Seine Gerechtigkeit ist vollkommen. Selbst wenn diese Gerechtigkeit eine Million Jahre lang erprobt würde, würde sie nie verunreinigt werden. Tatsächlich steht sie in Gottes Augen absolut unveränderlich da und wird auch in alle Ewigkeit so stehenbleiben.

 

 

Irrtümer in bezug auf den Glauben,

die Christen schwer zu schaffen machen

 

Was für Einfaltspinsel sind wir doch! Egal wie alt wir sind, sind wir kindisch, wenn es um geistliche Dinge geht. Welch große Einfaltspinsel sind wir, wenn wir beginnen, an Jesus zu glauben! Wir denken, daß unser Begnadigtsein viele Dinge mit einschließt, von denen wir später herausfinden, daß sie gar nichts mit unserer Begnadigung zu tun haben. Zum Beispiel denken wir, daß wir nie mehr sündigen; wir bilden uns ein, daß die Schlacht geschlagen ist, daß wir ein befriedetes Gebiet betreten, auf dem wir keinen Krieg mehr führen brauchen, daß wir tatsächlich den Sieg erlangt haben und nur noch mit dem Palmzweig zu winken brauchen, daß alles vorbei ist, daß Gott uns nur noch zu sich zu rufen braucht und wir in den Himmel kommen, ohne irgendwelche Feinde auf der Erde bekämpft zu haben.

 

Nun, all das sind offensichtlich Fehler. Beachte, obwohl es feststeht, „wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet“ (Johannes 3, 18), heißt es doch nicht, daß dieser Glaube nicht auf die Probe gestellt werden soll. Dein Glaube wird erprobt werden. Ein unversuchter Glaube ist überhaupt kein Glaube. Gott hat keinem Menschen Glauben gegeben, ohne ihn auf die Probe zu stellen. Das Ziel des Glaubens, den wir bekommen, ist Ausdauer. Genauso wie Schützen das Ziel aufstellen, um darauf zu schießen, gibt Gott uns den Glauben mit der Absicht Versuchungen und Schwierigkeiten, Sünde und Satan ihre Pfeile darauf richten zu lassen. Wenn du Glauben an Christus hast, ist das ein großes Vorrecht, aber erinnere dich daran, daß er auch große Versuchungen beinhaltet. Vielleicht hast du noch gestern abend um großen Glauben gebetet.

 

Hast du bedacht, daß du damit gleichzeitig um große Schwierigkeiten gebetet hast? Du kannst keinen großen Glauben haben, nur um ihn zu lagern und verrosten zu lassen.

 

Herr Mutherz aus Bunyans „Pilgerreise“ war ein sehr starker Mann, aber er hatte auch eine harte Aufgabe zu bewältigen. Viele Male mußte er mit den ganzen Frauen und Kindern hinauf zur Himmlischen Stadt und wieder zurück gehen; er mußte mit all den Riesen kämpfen und die Löwen verjagen, den Riesen Verzweiflung töten und seine Zweifelburg zerstören. Wenn du viel Glauben hast, wirst du ihn auch ganz brauchen. Du wirst nie auch nur ein kleines Stückchen übrigbehalten. Wie die Jungfrauen im Gleichnis unseres Herrn wirst du sein. Selbst wenn du eine weise Jungfrau bist, wirst du anderen sagen müssen, die von dir borgen wollen: „Nein, damit es nicht etwa für uns und euch nicht ausreiche“ (Matthäus 25, 9). Wenn nun dein Glaube durch Versuchungen auf die Probe gestellt wird, denk nicht, daß du für deine Sünden ins Gericht kommst. Nein. Es gibt viele Prüfungen für dich als Gläubigen, aber nicht zur Verurteilung; es gibt viele Versuchungen, aber wir sind immer noch gerechtfertigt; wir können richtig durchgeschüttelt werden, aber wir stehen nicht unter dem Fluch; wir können manches Mal niedergeworfen werden, aber das Schwert des Herrn kann und wird unser Herz nicht treffen.

 

Ja, mehr noch, vielleicht wird nicht nur unser Glaube erprobt, sondern wir erleben noch eine geistliche Ebbe; trotzdem werden wir nicht gerichtet. Wenn dein Glaube so klein wird, daß du ihn nicht mehr sehen kannst, wirst du trotzdem noch nicht gerichtet. Wenn du je an Jesus geglaubt hast, dann mag dein Glaube doch wie das Meer aussehen, das sich weit von der Küste entfernt und nur eine gewaltige Schlammspur hinterläßt. Mancher meint vielleicht schon, daß das Meer fort oder ausgetrocknet ist. Aber du wirst nicht gerichtet, selbst wenn dein Glaube fast ausgetrocknet ist. Ja, ich behaupte sogar, daß du Gott nicht lieber bist, wenn dein Glaube überströmt, als wenn dein Glaube gerade seine tiefste Ebbe erlebt. Daß er dich annimmt, hängt nämlich nicht von der Größe deines Glaubens ab, sondern von seiner Echtheit.

 

Wenn du wirklich in Christus Ruhe gefunden hast, sei dein Glaube auch nur wie ein Funke, den tausend Teufel auslöschen wollen, dann wirst du doch nicht gerichtet - du bleibst in Christus angenommen. Obwohl du natürlich deine Zuversicht verlierst, wenn dein Glaube abnimmt, bleibst du doch angenommen. Obwohl der Glaube steigen und fallen kann wie ein Thermometer, obwohl er wie Quecksilber in der Röhre von jedem Wetter verändert wird, bleibt Gottes Liebe doch unbeeinflußt von dem Wetter auf der Erde und dem Lauf der Zeit. Erst wenn die vollkommene Gerechtigkeit Christi veränderlich oder beweglich wird wie ein Fußball, der von den Füßen der Gegner weggeschossen wird, kann sich dein Angenommensein vor Gott ändern. In seinem geliebten Sohn bist du vollkommen angenommen, ja, du mußt es sogar sein.

 

Etwas anderes wird dem Kind Gottes auch oft zum Problem. Manchmal verliert ein Christ das Licht vom Antlitz des Vater. Nun denke daran, es heißt nicht: „Wer glaubt, soll nicht das Licht von Gottes Antlitz verlieren“. Das kann ihm passieren, aber er wird deshalb nicht verurteilt. Vielleicht befindest du dich nicht nur tagelang, sondern monatelang in solch einem Zustand, daß du nur wenig Gemeinschaft mit Christus hast. Du hast keine Freude am Gespräch mit Gott, seine Versprechen schienen dir gebrochen, die Bibel bietet dir nur wenig Trost, und wenn du deine Augen zum Himmel erhebst, fühlst du den Schmerz, der vom Stock deines Vaters verursacht wurde. um so mehr. Du magst seinen Geist geärgert und betrübt haben, und er mag sein Angesicht deshalb von dir abgewandt haben, aber deshalb wirst du noch lange nicht gerichtet. Selbst wenn dein Vater dich schlägt und jeder Streich einen blutigen Striemen hinterläßt, steckt nicht das kleinste bißchen Verurteilung in den Schlägen. Nicht aus Zorn, sondern aus seiner verantwortlichen Liebe schlägt er dich. Die Züchtigung von der Hand deines Vaters zeigt die gleiche unvermischte und ungetrübte Zuneigung in jedem Schlag aus Liebe, wie sie in den Küssen von Jesu Lippen steckt. Glaube es, es wird dein Herz erheben, es wird dich froh machen, auch wenn weder Sonne noch Mond scheinen. Es wird deinen Gott ehren. Es wird dir zeigen, wo dein Glaube wirklich steht. Wenn sein Gesicht abgewandt ist, glaube immer noch an ihn und sage: „Er bleibt doch treu, auch wenn er sein Gesicht vor mir verbirgt.“

 

Ich will noch ein bißchen weitergehen. Ein Christ mag von Satan so angegriffen werden, daß er nahe davor ist, aus lauter Verzweiflung aufzugeben. Und doch wird er nicht gerichtet. Die Teufel mögen die große Höllentrommel in seinem Ohr anschlagen, bis er denkt, daß er am Rande der ewigen Verdammnis stehe. Er mag die Bibel lesen und denken, daß jede Warnung ihm allein gilt und keine Verheißung zu ihm redet und ihn erfreut. Am Ende mag er verzweifeln, wieder und wieder verzweifeln, bis er bereit ist, die Harfe zu zerbrechen, die so lange an der Weide hing. Vielleicht sagt er: „Der Herr hat mich verlassen, mein Gott ist mir nicht länger gnädig.“ Aber das ist nicht wahr. Vielleicht ist er bereit, tausendfach zu beschwören, daß Gottes Gnade eindeutig von ihm gegangen ist, und daß er seine Treue aufgegeben hat; aber das ist nicht wahr, es ist einfach nicht wahr. Selbst tausend Lügner, die einen Meineid schwören. können ihn doch nicht wahr machen; und unsere Zweifel und Ängste sind solche Lügner. Selbst wenn es zehntausend wären, und sie alle das gleiche erklären würden, ist es trotzdem unwahr, daß Gott jemals sein Volk verließ oder daß er jemals einen unschuldigen Menschen von sich stieß, und du bist unschuldig, wenn du an Jesus glaubst, denke daran. „Aber“ , sagst du, „ich bin voller Sünde.“ Ja, aber diese Sünde ist auf Christus gelegt worden. „Oh“, sagst du, „aber ich sündige täglich.“ Richtig, aber deine Sünde lag schon auf ihm, bevor du sie begangen hast, schon vor Jahren. Es ist nicht mehr deine, Christus hat sie ein für allemal weggenommen. Durch den Glauben bist du ein gerechter Mensch, und Gott wird den Gerechten nicht verlassen und den Unschuldigen nicht ausstoßen.

 

Ich halte noch einmal fest: das Kind Gottes kann im Glauben eine tiefe Ebbe erleben, es kann das Licht vom Angesicht seines Vaters verlieren und sogar in tiefe Verzweiflung fallen, aber all das kann Gottes Wort nicht widerrufen. „Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet.“

 

„Aber was passiert“, fragst du, „wenn das Kind Gottes sündigt?“ Das ist ein tiefgründiges und heikles Thema, und doch müssen wir uns mutig damit auseinandersetzen. Ich kann bei Gottes Wahrheit kein Blatt vor den Mund nehmen, auch wenn jemand das mißbraucht. Ich weiß, es gibt einige - nicht aus Gottes Volk - die sagen werden : „Laßt uns sündigen, damit die Gnade umso größer wird.“ Ihre Verurteilung ist sicher. Ich kann nichts dafür, wenn die Wahrheit verdreht wird. Es wird immer Menschen geben, die das beste Essen wie Gift behandeln und aus der besten Wahrheit eine Lüge machen und sich dadurch selbst verurteilen.

 

Du fragst: „Was passiert, wenn ein Kind Gottes in Sünde fällt?“ Meine Antwort darauf ist, daß jeder Gläubige in Sünde fällt. Täglich jammert und klagt er darüber, denn sobald er etwas Gutes tun will, ist das Böse stets gegenwärtig. Aber auch wenn er in Sünden fällt. wird er trotzdem nicht gerichtet, nicht wegen einzelner Sünden und nicht wegen allen zusammen, weil sein Angenommensein nicht von ihm selbst abhängt, sondern von der vollkommenen Gerechtigkeit Christi. Und diese vollkommene Gerechtigkeit kann nicht durch irgendwelche Sünden entkräftigt werden. In Christus ist er vollkommen, und solange Christus nicht selbst unvollkommen ist, kann die Unvollkommenheit des Menschen die Rechtfertigung des Gläubigen in Gottes Augen nicht trüben. Aber wenn er in himmelschreiende Sünde fällt - Gott bewahre uns davor - selbst wenn er in himmelschreiende Sünde fällt, wird er sich die Knochen brechen, den Himmel aber wird er trotzdem erreichen. Obwohl Gott zuläßt, daß er weit vom richtigen Weg abkommt, um ihn auf die Probe zu stellen und ihm seine eigene Niederträchtigkeit zu zeigen, wird der, der ihn erkauft hat, ihn doch nicht verlieren; er, der ihn erwählt hat, wird ihn nicht verstoßen. Er wird ihm sagen: „Ich, ich bin es, der deine Verbrechen auslöscht um meinetwillen. und deiner Sünden will ich nicht gedenken“ (Jesaja 43, 25). David ist weit weggegangen, aber David ist nicht verloren. Weinend ist er zurückgekommen: „Sei mir gnädig, o Gott, nach deiner Gnade“ (Psalm 51, 3). Genauso wird es jedem Glaubenden ergehen. Christus wird ihn zurückbringen. Auch wenn er ausrutscht, soll er gehalten werden. Alle Erwählten werden sich einmal vor dem Thron treffen. Wenn das nicht wahr wäre, würden nur manche durchhalten - was würde aus dem übrigen Volk Gottes? Es wäre der Verzweiflung hingegeben. Falls du, lieber Leser, so zurückgefallen bist, bitte ich dich, das nicht zu mißbrauchen, was ich gesagt habe. Laß es dir sagen, du Armer, dein Vater trauert tief um dich. Er hat deinen Namen nicht aus dem Buch gestrichen. Komm zurück, komm jetzt sofort zu ihm zurück und sage: „Nimm mich gnädig an, und schenk mir neu deine Liebe.“ Und er wird antworten: „Du bist mein Kind!“ Er wird dein Zurückfallen übergehen und wird deine Übertretungen heilen, und du sollst wieder in seiner Gunst stehen und darfst wissen, daß du immer noch aufgenommen bist durch die Gerechtigkeit deines Erlösers; und daß du immer noch gerettet bist durch sein Blut. Gottes Ziel ist nicht, daß sein Kind nie auf die Probe gestellt wird oder daß es nicht in Versuchung fällt, aber das eine hält er fest: „Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet.“ Nie und nimmer steht er unter dem Urteil der Verdammnis, sondern er ist aus Gottes Sicht in alle Ewigkeit gerecht gesprochen.

 

 

Was der Glaube einschließt

 

Wenn wir nicht gerichtet werden, dann betrachtet Gott uns, seine Kinder, die an Christus glauben, zu keiner Zeit so, als wären wir schuldig. Überrascht es dich, daß ich es so ausdrücke? Ich sage es noch einmal: Von dem Moment an, wo du an Christus glaubst, läßt Gott davon ab, dich als schuldig anzusehen, denn er schaut dich nie getrennt von Christus an. Du betrachtest dich selbst oft als schuldig und fällst auf die Knie - das sollst du auch tun! - und du weinst und klagst. Aber selbst während du über dein sündiges Wesen und deine begangene Sünde weinst, sagt er dir vom Himmel her: „Was deine Rechtfertigung betrifft, bist du gerecht und herrlich.“ Du bist schwarz wie die Zelte von Kedar - das bist du von Natur aus. Du bist schön wie die Zeltdecken Salomos - das bist du in Christus. Du bist schwarz - das bist du in Adam. Aber wohlgestaltet - das bist du im zweiten Adam.

 

Bedenke das, daß du aus Gottes Sicht immer schön bist, daß du aus Gottes Sicht immer so aussiehst, als wärest du vollkommen. Denn du bist in Jesus Christus zur Fülle gebracht und vollkommen gemacht (vgl. Kolosser 2, 10), wie es Pau1us betont. Immer stehst du in Christus ganz gewaschen und völlig bekleidet da. Erinnere dich daran, denn genau das ist in den Worten enthalten: „Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet“ (Johannes 3, 18). Eine andere wichtige Tatsache ist die, daß du als Gläubiger niemals für deine Sünden bestraft wirst. Du wirst ihnen entsprechend gezüchtigt, wie ein Vater sein Kind züchtigt; das ist so im Zeitalter der Gnade, aber du wirst nicht so für deine Sünden geschlagen, wie der Gesetzgeber den Verbrecher schlägt. Dein Vater mag dich oft genauso strafen, wie er die Bösen straft. Aber nie aus dem gleichen Grund.

 

Die Gottlosen stehen auf dem Boden ihrer eigenen Fehler;  ihr Leid ist ihre verdiente Strafe. Deine Sorgen jedoch sind kein Werkzeug zur Strafe, sie sind Werkzeug der Liebe. Gott weiß, daß deine Sorgen in diesem Sinne solch ein Vorrecht sind, daß du sie als einen unverdienten Segen ansehen kannst. Daran mußte ich oft denken, wenn ich in ernsten Schwierigkeiten war. Ich weiß, manche Leute sagen: „Du hast deine Schwierigkeiten verdient.“ Ja, meine Lieben, aber alle Christen zusammen leisten nicht genug, um so etwas Gutes, wie die liebevolle Zurechtweisung unseres himmlischen Vaters zu verdienen. Vielleicht kannst du das nicht einsehen, daß Probleme als ein wirklicher Segen in deinen Bund mit Gott hereinkommen können. Aber ich weiß, daß der Stock des Bundes genauso ein Gnadengeschenk ist, wie das Blut des Bundes. Das ist gar keine Frage der Strafe oder Leistung. Wir bekommen ihn, weil wir ihn brauchen. Aber frage einmal, ob wir je so gut waren, ihn zu verdienen. Wir haben es nie geschafft, nach so einem hohen Maßstab zu leben, daß wir solch reiche, gnädige Versorgung verdient hätten wie diesen Segen - den Stock unseres züchtigenden Gottes. Nie, zu keiner Zeit in deinem Leben, ist ein Gesetzesstreich auf dich gefallen. Seit du an Christus glaubst, bist du außerhalb des Zuständigkeitsbereiches des Gesetzes.

 

Das englische Gesetz kann einem Franzosen nichts anhaben, solange er unter dem Schutz seines Herrschers lebt. Du bist nicht unter dem Gesetz, sondern unter der Gnade. Das sinaitische Gesetz kann dir nichts anhaben, weil du außerhalb seines Einflußbereichs bist. Du lebst nicht in Sinai oder Arabien. Du bist nicht der Sohn Hagars oder der Sohn einer Magd, du bist der Sohn Saras und bist nach Jerusalem gekommen und bist frei. Du bist aus Arabien heraus in Gottes wunderbares Land gekommen. Du gehörst nicht zu Hagar, sondern zu Sara unter Gottes Gnadenbund, und du sollst Gottes Erbe sein.

 

Glaub es doch, daß dich das Gesetz niemals schlagen kann, niemals kann Gottes Zorn im Gericht auf dich kommen. Er mag dir einen züchtigenden Schlag geben, nicht aufgrund deiner Sünde, sondern aufgrund seiner reichen Gnade, die die Sünde aus dir herausbekommen möchte, damit du vollkommen heilig wirst, auch wenn du jetzt schon vor ihm vollkommen und vollendet bist, im Blut und der Gerechtigkeit Christi.

 

 

Was der Glaube ausschließt

 

Was schließt er denn aus? Nun, ich bin sicher, er schließt eigenen Ruhm aus. „Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet“ (Johannes 3, 18). Wenn es jetzt hieße „wer arbeitet, wird nicht gerichtet“, dann würden du und ich uns unserer Größe rühmen. Aber weil es heißt .. „wer an ihn glaubt“, ist da kein Platz, wo wir auch nur ein halbes Wort für unser altes Ich einlegen k6nnen. Nein, Herr, wenn ich nicht gerichtet werde, ist das deine freie Gnade, denn ich habe es tausendfach verdient, gerichtet zu werden, seit ich mich hingesetzt habe, um dies hier aufzuschreiben. Wenn ich auf den Knien bin und nicht deswegen gerichtet werde, dann ist das reine Gnade, denn sogar wenn ich bete, verdiene ich es noch, gerichtet zu werden. Selbst wenn wir Buße tun, sündigen wir, und fügen noch mehr zu unseren Sünden hinzu, während wir doch eigentlich von ihnen umkehren. Unsere sündige Natur läßt uns bei allem, was wir tun, wieder sündigen. und unsere besten Taten sind so sehr mit Sünde befleckt, daß nur schwer erkennbar ist, ob es gute oder schlechte Taten sind. Soweit es unsere eigenen sind, sind sie schlecht, und so weit es Werke des Geistes sind, sind sie gut. Dann aber ist das Gute nicht unsere Leistung, der Heilige Geist hat es bewirkt; uns bleibt nur das Böse. Nun, damit können wir uns jedenfalls nicht rühmen! Fort mit dir, Stolz! Fort mit dir!

 

Ein Christ muß ein demütiger Mensch sein. Wenn er sich erhebt, um etwas zu sagen, dann ist er tatsächlich nichts. Er weiß nicht, wo er ist oder wo er steht, wenn er zu prahlen beginnt, als ob er den Sieg aus eigener Kraft errungen hätte. Laß das Rühmen, lebe demütig vor deinem Gott, und laß nie ein Wort des Eigenlobs über deine Lippen kommen. Opfere dein stolzes Ich und laß dein Lied vor dem Thron Gottes erklingen: „Nicht uns, Herr, nicht uns, sondern deinem Namen gib Ehre“ (Psalm 115, l ).

 

Was schließt der Glaube noch aus? Ich denke mir, daß er - und nun bin ich dabei, mir selbst eins auszuwischen - Zweifel und Ängste ausschließen sollte. „Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet.“ Wie können du und ich es wagen, so lange Gesichter zu ziehen und so herumzugehen, wie wir es manchmal tun, als ob wir eine Welt voller Sorgen auf unserem Rücken zu tragen hätten? Was hätte ich vor gut zehn Jahren für das sichere Wissen gegeben, daß dieser Text mir gilt und ich nicht gerichtet werde. Nun, ich dachte, wenn ich fühlen könnte, daß mir einmal vergeben wurde, hätte ich es dafür froh in Kauf genommen, von Brot und Wasser zu leben, in einem Kerker eingesperrt zu sein und täglich mit der neunschwänzigen Katze ausgepeitscht zu werden. Alles, wenn ich nur einmal das Gefühl hätte haben können, daß meine Sünden vergeben sind.

 

Nun ist dir vergeben, und doch wirst du wieder niedergeworfen! Schäm dich! Nicht verurteilt und doch unglücklich? Das ist ja ein schöner Christ! Steh auf und wisch dir die Tränen aus den Augen. Wenn jemand jetzt im Gefängnis säße, der nächste Woche hingerichtet werden sollte und du könntest zu ihm hingehen und sagen: „Du bist begnadigt“, würde er nicht freudig von seinem Sitz aufspringen, selbst wenn er seinen Besitz verloren hätte und wenn er vielleicht nach der Begnadigung noch vieles zu erleiden hätte? Was würde das schon für ihn bedeuten, wo doch sein Leben gerettet wäre? Er würde es für weniger als nichts achten.

 

Nun, du als Christ bist begnadigt, all deine Sünden sind vergeben. Christus hat zu dir gesagt: Deine „vielen Sünden sind vergeben“ (Lukas 7, 47) - und du bist immer noch unglücklich? Gut, wenn wir es schon manchmal sein müssen, dann laß es uns wenigstens so schnell wie möglich hinter uns bringen. Wenn wir manchmal niedergeschlagen sein müssen, laßt uns den Herrn darum bitten, uns wieder aufzurichten. Ich fürchte, einige von uns entwickeln hier schlechte Angewohnheiten und machen es sich zur Gewohnheit, niedergeschlagen zu sein. Sei vorsichtig, er wächst schnell, dieser mürrische Geist, wenn du ihm nicht direkt widerstehst, wird es noch schlimmer mit dir werden. Wenn du nicht zu Gott kommst, damit er diese Zweifel und Ängste austreibt, werden sie bald in Scharen auf dir sitzen, wie die Fliegen in Ägypten. Wenn du den ersten großen Zweifel töten kannst, tötest du wahrscheinlich hundert, denn ein großer Zweifel brütet tausend andere aus. und die Mutter töten heißt, die ganze Brut zu töten.

 

Halte deshalb Ausschau nach dem ersten Zweifel, damit du nicht in deiner Mutlosigkeit bestärkt wirst und deine Verzweiflung nicht noch wächst. „Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet.“ Wenn das unser Rühmen ausschließt, sollte es auch unseren Zweifel ausschließen.

 

Weiter. Der Glaube schließt weiteres Sündigen aus. Lieber Herr, habe ich nicht oft gegen dich gesündigt und du hast mir doch großzügig vergeben? Was könnte mich stärker dazu motivieren, nicht mehr zu sündigen? Ja, es gibt einige, die behaupten, daß diese Lehre zur Ausschweifung führt. Aber was soll dabei lasterhaft sein? Gehe ich weiter und sündige, weil mir vergeben ist? Gehe ich weiter und lebe in Schuld, weil Jesus Christus meine Schuld vergeben hat und an meiner Stelle litt? Die menschliche Natur ist verdorben genug, aber ich denke, dies ist ihr schlimmstmöglicher Zustand, wenn sie versucht, Sünde mit der großzügig gewährten Gnade Gottes zu begründen.

 

So schlecht ich auch bin, fühle ich doch, daß es schwer ist, gegen den begnadigenden Gott zu sündigen. Es ist weit schwerer, gegen das Blut Christi und das Bewußtsein der Vergebung zu sündigen, als gegen die Schrecken des Gesetzes und die Furcht vor der Hölle. Ich weiß es von mir, wenn meine Seele am meisten Angst vor dem Zorn Gottes hat, kann ich in aller Ruhe sündigen, verglichen mit dem, was ich tue, wenn mir seine Liebe bewußt ist, die in mein Herz ausgegossen ist. Wieviel ungeheuerlicher ist es, deine Stellung zu kennen und doch zu sündigen? Wie verwerflich. Du stellst dich so an den Rand der tiefsten Hölle. Aber ich bin sicher, wenn du ein Kind Gottes bist, dann wirst du deiner Stellung entsprechend jeden falschen Gewinn dahingeben, weil dich Jesus Christus gerechtfertigt hat.

 

Ja, ich muß und ich will alle Dinge um Jesu willen für Schaden achten. Hauptsache ist, daß ich in ihm erfunden werde, vollkommen in seiner Gerechtigkeit! Das wird dich veranlassen, nah bei ihm zu leben, und dich ihm ähnlicher machen. Denk doch nicht, daß diese Lehre dich auf Dauer dazu bringen wird, Sünde leichtzunehmen. Sie wird dir vielmehr zeigen, daß deine Sünde der Henker ist, der Christus tötet.

 

Diese schreckliche Last könntest du nie loswerden, wenn nicht Gott selbst eingreifen würde; und dann wirst du anfangen, Sünde zu hassen, von ganzem Herzen, weil sie Auflehnung gegen einen liebevollen und gnädigen Gott ist. Das soll dich weit besser als irgendwelche Zweifel oder gesetzliche Haarspaltereien dazu führen, in den Fußstapfen unseres Herrn Jesus zu wandeln und dem Lamm nachzufolgen, wohin es auch geht.

 

Ich denke, daß dieses kleine Bändchen, obwohl ich es für Kinder Gottes geschrieben habe, genauso für Sünder geeignet ist. Ich wünsche mir, daß du genauso denkst, wenn du noch als Sünder lebst. Wenn du erkannt hast – „Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet“ (Johannes 3, 18) - und dann glaubst, wirst auch du nicht gerichtet. Möge das, was ich gesagt habe, dir zu diesem Glauben helfen. Oder fragst du noch: „Soll ich Christus wirklich vertrauen?“ Ich habe es schon gesagt, es ist nicht deinem Belieben überlassen, ob du glauben möchtest oder nicht, es ist dir befohlen. Die Bibel befiehlt, daß das Evangelium jedem Menschen gepredigt werden soll, und das Evangelium lautet: „Glaube an den Herrn Jesus, und du wirst errettet werden“ (Apostelgeschichte 16, 31). Ich weiß, du wirst zu stolz sein, das zu tun, bis Gott dich durch seine Gnade demütigt. Aber wenn du merkst, daß du nichts bist und hast, dann kannst du Christus froh als dein ein und alles aufnehmen.

 

Gott gebe es, daß es so geschieht, um seines Namens willen.

Amen.