Erziehungsziele und ihre Verwirklichung

 

Prof. Dr. Jacob Thiessen, STH Basel

 

Inhaltsverzeichnis

Einführung. 2

1. Gott als Vater kennen lernen.. 4

2. Die Entfaltung der Ebenbildlichkeit Gottes. 7

2.1 Die Gemeinschaftsfähigkeit. 7

2.2 Die Verantwortlichkeit. 11

2.3 Das Denkvermögen.. 12

2.4 Die Kreativität (schöpferische Fähigkeit). 15

2.5 Die Emotionalität (Gefühlswelt). 16

3. Die Verwirklichung der Gottesebenbildlichkeit. 18

3.1 Die Vermittlung biblischer Grundlage. 18

3.2 Die Hinführung in die lebendige Beziehung zu Jesus Christus  19

3.3 Umgestaltung ins Bild Jesu.. 20

3.4 Die Erziehung für die Gemeinde Jesu.. 22

4. Literaturverzeichnis. 25


 

Einführung

Die Fragen nach den Zielen unserer Erziehungsarbeit, sei es als Eltern oder Lehrer, ist von größter Bedeutung. Auf die Frage, wie wir unsere Kinder erziehen sollen, können wir erst dann antworten, wenn wir wissen, wohin wir sie erziehen sollen und wollen.

In der heutigen Erziehungswissenschaft sind es u. a. folgende Ziele, die die Erziehungsarbeit prägen: Emanzipation (Befreiung aus vermeintlicher Unterdrückung), Selbstbestimmung, Selbstverwirklichung, kritisches Denken, Fähigkeit zum Widerstand, Chancengleichheit, enthemmte Sexualität und Sozialisation (z. B. Behaviorismus). Dabei ist der Mensch das „Maß aller Dinge“. Die Frage ist, ob der Mensch wirklich zu einer gesunden, harmonischen Entwicklung gelangt, wenn er keinen absoluten Maßstab mehr kennt. Selbst bei der Sozialisation steht die Erziehung in Gefahr, leer zu werden. Das Ziel ist dabei nämlich, dass der Einzelne befähigt wird, sich an die bestehende Gesellschaft anzupassen. Auch da gibt es keinen absoluten Maßstab für das Gute oder Böse und so keine verbindlichen Grundwerte. Was für die Gesellschaft „nützlich“ ist, wird zur Norm. Zweifelsohne können Christen so nicht „Salz der Erde“ und „Licht der Welt“ sein (vgl. Matthäus 5, 13-16), wenn sie immer „tolerant“ sind und sich der Meinung der Mehrheit anpassen. Wenn wir auf der anderen Seite zu einem „kritischen Denken“ erziehen, stellt sich die Frage, wie ich erkennen kann, dass mein kritisches Denken auch richtig ist.

Die Erfahrung zeigt, dass alle diese Erziehungsziele, gelöst von der Bibel, die Erziehung leer zurücklassen.[1] Das führt bei den Heranwachsenden zu einer Identitätskrise, zu Neurosen und Psychosen, Suchtverhalten, Terrorismus und (in Europa) auch immer mehr zu Jugendsekten. So wird die Unfreiheit, die man abschütteln möchte, auf dem Weg der Emanzipation nur vergrößert, wie Armin Mauerhofer richtig feststellt.[2]

Wollen wir also dem Heranwachsenden zu einer gesunden Entwicklung verhelfen, so gibt es nur die eine Möglichkeit, dass wir nach wie vor die Bibel als absoluten Maßstab für unsere Erziehungsziele anerkennen.[3] Die Bibel zeigt uns Gottes Plan für die Menschheit auf. Gott möchte zuerst die harmonische Gemeinschaft mit dem Menschen erreichen. Aus dieser Gemeinschaft heraus soll der Mensch Gott in seiner Schöpfung dienen. Wie die Bibel zeigt, ist das Ziel dabei weder der autonome noch der unselbständige Mensch, sondern der mündige Christ, der geistlich gereift ist und doch in völliger Abhängigkeit von Gott lebt, der aus der Fülle Christi lebt, in der biblischen Lehre verwurzelt ist und seine von Gott geschenkten Fähigkeiten zum Dienst am Nächsten und zur Erbauung der Gemeinde Jesu einsetzt (vgl. z. B. Epheser 4, 12-14).

Erziehung geschieht somit im Auftrag Gottes und für Gott. Der Mensch soll angeleitet werden, Gottes Plan für sein Leben und für die Menschheit zu verwirklichen. Weil der Mensch auf Gott hin angelegt ist und weil Erziehung im Auftrag Gottes geschieht, ist das erste Ziel jeglicher Erziehung, dass der Mensch durch die Erziehung Gott als Vater und eigentlichen Erzieher erkennt und kennen lernt.

 

1. Gott als Vater kennen lernen

Paulus schreibt in Epheser 3, 15, dass vom himmlischen Vater her „jegliche Vaterschaft im Himmel und auf der Erde benannt wird“. Das heißt, dass jegliches Vatersein auf der Erde Gottes Vatersein als Vorbild haben muss. Vatersein wird in der Bibel aber nicht nur im Sinn einer Zeugung verstanden, sondern auch im Sinn geistlicher und geistiger Erziehung. Jegliche Erziehungsarbeit soll dementsprechend dazu dienen, dass der Heranwachsende Gott als Vater kennen lernt. Das ist eine sehr große Verantwortung, vor allem wenn wir bedenken, dass wir als unvollkommene Menschen das Gottesverständnis der Kinder prägen. D. h. dass die Kinder durch unsere Erziehung ein Begriff vom Vatersein Gottes erhalten. So müssen wir als Erzieher (und vor allem auch als Väter) ständig bestrebt sein, uns von Gottes Vatersein prägen zu lassen und ihm ähnlicher zu werden. Das erreichen wir nur in einer völligen Abhängigkeit von ihm.

In Psalm 103, 13 lesen wir: „Wie sich ein Vater über Kinder erbarmt, so erbarmt der Herr sich derer, die ihn fürchten.“ Ebenso sagt uns Jesus in Lukas 6, 36, dass wir barmherzig sein sollen, wie unser Vater im Himmel barmherzig ist (vgl. auch Matthäus 6, 44-48). Vatersein heißt nicht nur Autorität ausüben (das schließt es natürlich mit ein), sondern vor allem auch ein Verständnis von der unaussprechlichen Liebe Gottes zu uns Menschen zu vermitteln. Ein Kind, dass ständig den Eindruck hat, dass es nur dann geliebt, wenn es sich diese Liebe „verdient“, wird Mühe haben, Gottes bedingungslose Liebe anzunehmen und in ihr geborgen zu sein. Wenn es sich zu Jesus Christus bekehrt, wird es mit der Heilsgewissheit seine Schwierigkeiten haben. Es weiß ja nie, ob es der Liebe Gottes und des Heils „würdig“ ist.

Wir müssen also von Gott lernen, bedingungslos zu lieben. Das heißt keineswegs, dass wir alles tolerieren. Gott zeigt uns seine Liebe nicht dadurch, dass er der Sünde gegenüber einfach ein Auge zudrückt, sondern indem er die Strafe für unsere Schuld auf seinen Sohn Jesus Christus legt und uns die Vergebung anbieten (vgl. 1. Johannes 4, 9f.). Es ist unsere Aufgabe, unsere Kinder bedingungslos zu lieben. Liebesentzug ist keine erlaubte Strafmethode! Auch nicht mit dem Liebesentzug Jesu dürfen wir drohen, indem wir z. B. sagen: „Wenn du das tust, dann liebt Jesus dich nicht!“ Ein solches Kind wird sich nie wirklich von Gott geliebt fühlen und in der Gemeinschaft mit Gott geborgen sein, außer wenn Gott die Gefühle durch sein heilendes Eingreifen verändert und das Kind durch die Bibel erkennt, dass Gott anders ist.

Weil die Geborgenheit des Kindes und die körperliche Nähe vor allem auch im Leben des Kleinkindes sehr stark die spätere Gottesbeziehung mitprägen, wie uns bereits die Psalmen zeigen (vgl. Psalm 22, 10; 131, 2), sollten sich die Väter einmal selbst viel Zeit für den körperlichen Kontakt mit den Kindern nehmen, andererseits die Mütter darin unterstützen. So lesen wir in Psalm 22, 10: „Du hast mich aus meiner Mutter Leib gezogen; du führtest mich zum Vertrauen (oder: zur Sicherheit) an der Brust meiner Mutter.“ Ein Kind, dass die Geborgenheit in der körperlichen Berührung mit der Mutter und auch mit dem Vater erlebt, wird leichter Gott vertrauen und so in Gott Sicherheit erleben können. So lesen wir auch in Psalm 131, 2: „Fürwahr, meine Seele ist still und ruhig geworden wie ein entwöhntes [d. h. gestilltes] Kind bei seiner Mutter; wie ein entwöhntes Kind, so ist meine Seele in mir.“ Auch hier haben wir das Bild vom Kind, dass von seiner Mutter gestillt wurde und jetzt seine Seele in Gott zur Ruhe bringen kann. Forschungen haben gezeigt, wie entscheidend die intensive Betreuung vor allem der Kleinkinder durch die Mutter für das gesamte spätere Leben ist. Dazu schreibt Werner Neuer:

„Wie ausschlaggebend für das gesamte spätere Leben die intensive Betreuung vor allem von Kleinkindern durch ihre Mutter ist, haben die psychologischen und verhaltensbiologischen Forschungen zur Genüge erwiesen … Die Kinder brauchen den vollen personalen Einsatz ihrer Mutter, wenn nicht schwere geistige und körperliche Beeinträchtigungen riskiert werden wollen. 7, 5mal so häufig als aus irgendeinem anderen Grund wird der Mensch im Jungendalter kriminell, wenn er in den ersten Lebensjahren nicht in der konstanten Nähe einer Mutter gelebt hat.“[4]

Das Vatersein Gottes schließt nach der Bibel mit ein, dass Gott unser Schöpfer ist und wir in seinem Bild geschaffen sind. Deshalb muss das eigentliche Ziel der Erziehung sein, diese Ebenbildlichkeit Gottes zur Entfaltung zu bringen.

 

2. Die Entfaltung der Ebenbildlichkeit Gottes

Weil Gott den Menschen in seinem Ebenbild (Abbild) geschaffen hat, darf der Mensch den Menschen nicht nach seinem eigenen Gutdünken erziehen. Der Mensch wird erst in seiner Bestimmung als Ebenbild Gottes zu seiner Erfüllung und zu einem tieferen Sinn im Leben kommen. Zu dieser Ebenbildlichkeit Gottes gehört, dass der Mensch befähigt ist, mit seinem Schöpfer in Gemeinschaft zu leben und aus dieser Gemeinschaft heraus Gottes Stellvertreter in seiner Schöpfung zu sein. Er soll ein Spiegel der Herrlichkeit Gottes sein (wozu er allerdings durch die Sünde ohne die Erlösung in Jesus Christus nicht fähig ist, wie u. a. Römer 3, 23 zeigt). Zur Gottesebenbildlichkeit gehören die Gemeinschaftsfähigkeit, die Verantwortlichkeit, das Denkvermögen, die Kreativität, die Körperlichkeit und die Emotionalität. Alle diese Bereiche müssen in die Erziehungsarbeit mit einbezogen und beachtet werden, wenn sie zu einer harmonischen Entwicklung führen soll.

 

2.1 Die Gemeinschaftsfähigkeit

Auch Gott, in dessen Ebenbild wir geschaffen sind, lebt in Gemeinschaft. Da ist zuerst die Gemeinschaft innerhalb der göttlichen Dreieinigkeit zu erwähnen. Gott hat aber auch den Menschen geschaffen, um mit ihm Gemeinschaft zu haben. So gründet alle Gemeinschaft auch im zwischenmenschlichen Bereich letztendlich in der Gemeinschaft mit Gott.[5] Die Gemeinschaft mit Gott befähigt den Menschen für die Gemeinschaft im zwischenmenschlichen Bereich. Diese Gemeinschaft mit Gott ist aber durch die Sünde zerstört worden (vgl. z. B. Jesaja 59, 2; Epheser 2, 1-3.11) und wird erst durch den Glauben an Jesus Christus und sein Erlösungswerk wieder hergestellt (vgl. Römer 5, 1; Epheser 2, 14). So ist es die erste Aufgabe des Erziehers, das Kind durch den Glauben an Jesus Christus in die Gemeinschaft mit Gott zu führen. Wer durch Jesus mit Gott im Frieden lebt, wird vom Egoismus befreit (vgl. 2. Korinther 5, 15) und befähigt, den Nächsten zu lieben (vgl. Römer 5, 5). Erst diese aufrichtige Nächstenliebe, zu der wir durch die Gemeinschaft mit Gott befähigt werden, ermöglicht echte und erbauende Gemeinschaft auch im zwischenmenschlichen Bereich.

Wie Armin Mauerhofer richtig betont, ist das Gespräch ein wichtiger Teil der Gemeinschaft.

„Aus diesem Grund ist Erziehung zur Gemeinschaftsfähigkeit auch Spracherziehung. Wir gehen davon aus, dass das Kind, weil es Geschöpf Gottes ist, die Fähigkeit der Sprachlichkeit, also eine Sprachveranlagung, in sich trägt. Wir helfen ihm beim Erlernen der Sprache. Wir suchen seine Ausdrucksfähigkeit zu fördern. Im Mittelpunkt der Spracherziehung steht aber das Gebet, das Reden mit Gott, da uns die Sprache letztlich dazu geschenkt worden ist.

Diese ist uns zudem im zwischenmenschlichen Bereich zur Verständigung gegeben. Mit Hilfe der Sprache können wir ermutigen, trösten, zusammenführen und aufbauen oder aber verwunden, entzweien und zerstören. Unsere Hauptaufgabe im Bereich der Sprache besteht darin, dem Kind zu helfen, so zu reden, dass die Gemeinschaft gefördert wird. Es muss lernen, wann man spricht, wie man redet und was man sagt (Jakobus 3, 2-12). Das vorbildliche Reden der Eltern ist in diesem Zusammenhang sehr wichtig.

- Wie reden Vater und Mutter miteinander?

- Wie reden die Eltern mit den Kindern?“[6]

Ein Kind, das sich angenommen fühlt, so wie es ist (ohne Konkurrenzdenken), und das gelernt hat, mit Konflikten konstruktiv (aufbauend) umzugehen, ist fähig, in gesunder und erbaulicher Gemeinschaft zu leben. Konkurrenzdenken in der Erziehung führt oft zu Eifersucht und Neid und damit zu aggressivem Verhalten und Pflichtvergessenheit, wodurch die Gemeinschaft zerstört wird. Ein Kind, dass sich zurückgedrängt fühlt, setzt oft zerstörerische Waffen wie Willensschwäche oder Rebellion ein, um beachtet zu werden.[7]

Zur Gemeinschaftsfähigkeit gehört die Fähigkeiten, Konflikte zu bewältigen. In einer Gemeinschaft kommt es immer wieder mal zu Spannungen. Wer sich egoistisch selbst behauptet, wird diese Spannungen nur fördern. Konflikte können nur durch Rücksichtnahme auf den anderen gelöst werden. Dazu braucht es eine versöhnende Haltungen und die Bereitschaft, Verständnis für den anderen aufzubringen und um Vergebung zu bitten.[8] Dazu gehört auch, dass der Heranwachsende lernt, sich Autoritäten wie Eltern und Erziehern zu unterordnen, sie zu achten und zu respektieren; dieses in erster Linie nicht deshalb, weil die Eltern oder Erzieher es wollen, sondern weil es der Wille Gottes ist (vgl. z. B. Epheser 6, 1ff.). Im Grunde genommen geht es darum, dass er lernt, sich Gott zu unterordnen.

Zur Gemeinschaftsfähigkeit gehört ferner die Wahrhaftigkeit. Wie Gott in allem seinen Reden und Tun völlig wahrhaftig und zuverlässig ist (vgl. z. B. Psalm 119, 160), so sollen auch wir total wahrhaftig sein (vgl. z. B. Matthäus 5, 33-37). Selbst wenn man nur ab und zu die Unwahrheit sagt, wächst Misstrauen, und Misstrauen zerstört echte Gemeinschaft. Echte Gemeinschaft mit Gott ist nur deshalb möglich, weil wir uns ganz auf sein Wort verlassen können. Ein Kind muss lernen, dass wir mit Unwahrheiten nicht gut durchs Leben kommen. Es braucht einerseits das Vorbild des Erziehers, muss andererseits aber auch lernen, dass es immer vom Vorteil ist, wenn wir absolut die Wahrheit sagen, selbst da, wo es uns schwer fällt.

Zur Gemeinschaftsfähigkeit gehört auch die Fähigkeit, mit der Sexualität und mit dem anderen Geschlecht richtig umzugehen. Schließlich stellt die Ehe das engste Gemeinschaftsverhältnis unter den Menschen dar. Wichtig ist, dass der Heranwachsende lernt, seine Sexualität als gute Gabe Gottes anzunehmen. Eine Verpönung der Sexualität als etwas Dreckiges führt nur zu größeren Spannungen. Eine gute Aufklärung wird auf jeden Fall eine große Hilfe sein. Diese Aufklärung muss unbedingt gekoppelt werden mit dem Hinweis auf den göttlichen Zweck der Sexualität und die eigene Verantwortung Gott und dem anderen Geschlecht gegenüber. In Bezug auf den Umgang mit dem anderen Geschlecht schreibt Armin Mauerhofer:

„Eine zu baldige enge Freundschaft kann die Persönlichkeitsentwicklung hemmen, weil der Kontakt zu Gleichaltrigen des eigenen Geschlechts zu sehr vernachlässigt wird. Andererseits ist es aber auch nicht wünschenswert, wenn Jugendliche überhaupt keine Beziehung zum andern Geschlecht haben. Grundsätzlich ist es nötig, dass der Teenager lernt, höflich und respektvoll mit anderen umzugehen.

Da die sexuelle Gemeinschaft in die Ehe gehört, haben wir den Jugendlichen zu helfen, bis zur Heirat damit zu warten. Der Verzicht auf eine sexuelle Verbindung vor der Ehe, der natürlich mit großen Spannungen verbunden ist, fördert eine spätere Anpassungsfähigkeit und ist demzufolge Gemeinschaft fördernd. Aus Liebe zu Gott und zum andern kann ein Jugendlicher diesen Verzicht auf sich nehmen.“[9]

 

2.2 Die Verantwortlichkeit

Gott vertraute dem ersten Menschen den ganzen Schöpfungsbereich auf dem Erdkreis an. Damit ist für den Menschen eine große Verantwortung verbunden. Statt die Schöpfung weiter aufzubauen, kann er sie zerstören. Noch mehr: Gott hat den Menschen als seinen Ebenbild mit der Fähigkeit ausgerüstet, dass er sich selbständig entscheiden kann und sich sogar gegen seinen Schöpfer entscheiden kann. Aber Gott hat ihn auch vor den Folgen gewarnt. Der Mensch ist das einzige Wesen auf dem Erdkreis, dass für seine Entscheidungen zur Verantwortung gezogen werden kann. Entscheidet er sich gegen den Willen Gottes, so muss er die Folgen tragen.

Damit ist klar, dass es in der Erziehung zur Verantwortlichkeit im Grunde genommen darum geht, dass der Mensch lernt, Gott und seinem Wort gegenüber verantwortlich zu handeln. Wir gehen dabei von einem absoluten Maßstab auf, wie Gott uns ihn in der Bibel offenbart hat.[10] Die Formung des Gewissens nach dem Wort Gottes unterstützt uns in unserer Verantwortlichkeit. Deshalb ist es entscheidend wichtig, dass das Gewissen im biblischen Sinn geprägt wird. Während das abgestumpfte Gewissen keinen Maßstab kennt und so zerstörerische Auswirkungen hat, kann auch das überempfindliche Gewissen zerstörerische Auswirkungen auf die eigene Persönlichkeit haben.

Erziehung zur Verantwortlichkeit kommt nur dann wirklich zum Ziel, wenn der Mensch lernt, seinem Schöpfer (nicht in erster Linie dem Geschöpf!) und dem Wort Gottes gegenüber verantwortlich zu handeln. D. h. der Mensch handelt dann verantwortlich, wenn er im Gehorsam Gott gegenüber handelt, wobei natürlich gesagt werden muss, dass Gott uns innerhalb des Rahmens, den er uns in seinem Wort mitgeteilt hat, einen bestimmten Freiraum lässt, um in eigener Entscheidung verantwortlich zu handeln. Erziehung zur Verantwortlichkeit wird deshalb auch Freiräume für die eigene Entscheidungen schaffen. Wer sein Kind gelehrt hat, in allem Gott und seinem Wort gegenüber verantwortlich zu handeln, wird wohl nicht große Schwierigkeiten haben, das Kind selbständig werden zu lassen, wenn es herangewachsen ist.

Zur Verantwortung erziehen wir dann, wenn wir jemandem etwas anvertrauen. Das Vertrauensverhältnis wird die Verantwortlichkeit fördern. Wenn einem Kind, das in einer harmonischen Beziehung mit den Eltern lebt, etwas anvertraut wird, so wird es bestrebt sein, seine Eltern nicht zu enttäuschen. Dadurch wird das Verantwortungsbewusstsein gestärkt. Grundsätzliches Misstrauen prägt dagegen keineswegs das Verantwortungsbewusstsein.

 

2.3 Das Denkvermögen

Heute wird das Denkvermögen des Menschen allgemein überschätzt. Der Mensch will ohne Gott durch das von Gott geschenkte Denkvermögen ein Paradies auf Erden aufbauen. Wenn aber das Denken Gott und sein Handeln ersetzen soll, wird der Mensch grundsätzlich irre geführt. Wenn das Denken auf sich selbst gestellt ist, merkt der Mensch oft nicht einmal, dass er falsch denkt. Die Bibel spricht von einer Verfinsterung des Verstandes (Epheser 4, 18), von nichtig gewordenen (d. h. entleerten) Gedanken (Römer 1, 21) und von einem unbewährten Verstand, dessen Folge ein verkehrtes Leben ist (Römer 1, 28ff.). Wird der Inhalt des Denkens nicht ständig mit dem absoluten Maßstab der Bibel geprüft und ist der Verstand auf sich selbst geworfen, so zerstört es sich selbst. D. h. gerade dem Denken, das alles infrage zu stellen wagt, bleibt nichts anderes übrig, als auch sich selbst und damit auch den Pluralismus, der eine Folge des auf sich selbst geworfenen Denkens ist, infrage zu stellen.[11] Ein klares Beispiel des verkehrten Denkens, das sich von Gott und seinem Wort getrennt hat, ist die Evolutionslehre. Die tatsächliche Wissenschaft zeigt die Absurdität dieser Idee.[12]

Der Mensch braucht deshalb eine Erneuerung des Denkens (vgl. Römer 12, 2). Das muss betont werden, denn der Glaube an Jesus Christus und an die Bibel ersetzt keineswegs unser Denken. Der Glaube ist allerdings dem richtigen Erkennen vorgeordnet (vgl. Hebräer 11, 3). In Kolosser 2, 3 lesen wir, dass in Jesus Christus „alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis verborgen“ sind. Treffend schreibt Armin Mauerhofer:

„Weil alle Erkenntnis allein durch Jesus Christus möglich ist, ordnen wir den Glauben an ihn, welcher sich in der Aneignung seiner Rettung zeigt, der Erkenntnis vor. Diese Überzeugung legen wir allem wissenschaftlichen Denken zugrunde, indem wir ‚jeden Gedanken gefangen nehmen unter den Gehorsam Christi’ (2. Korinther 10, 5). Dies bedeutet, dass wir unser Denken bewusst der uns von Gott in seinem Wort vorgegebenen Offenbarung unterordnen. Gott hat uns in seiner Offenbarung, die uns in sprachlicher Form in der Bibel vorliegt, die Wahrheit über sich selbst, die Menschen, die Geschichte und die Welt mitgeteilt. Nur wer in den Natur-, Human- oder Geisteswissenschaften von der Grundlage der Bibel ausgeht und sich durch den innewohnenden Christus erleuchten lässt, kommt zu Aussagen, die der Wahrheit, der Wirklichkeit entsprechen. Das Ziel einer vom Verhältnis zu Jesus und zur Bibel geprägten wissenschaftlichen Forschung dient schließlich zum Lobpreis Gottes.“[13]

Um das Denkvermögen des Kindes zu entfalten, ist das emotionale (gefühlsmäßige) Umfeld von Bedeutung. Eine harmonische Atmosphäre in der Familie fördert das Denkvermögen des Kindes. Außerdem wird ein Kind, das sich geliebt und angenommen fühlt, eher den Wortschatz und den Sprachstil des Erziehers und damit auch sein Denkinhalt übernehmen, weil wir Sprache und Denken nicht trennen können. Ein solches Kind wird auch auf seine vielen Fragen im täglichen Gespräch Antworten finden, die sein Denkvermögen erweitern und fördern. Wir sollten darauf achten, dass Worte und Begriffe von Anfang an richtig gefüllt werden, weil dadurch auch das Denkvermögen bzw. das richtige Denken gefördert wird. Begriffe wie Gott, Schöpfung, Gerechtigkeit, Sünde, Glaube, Liebe sollten im biblischen Sinn gefüllt werden, damit das Kind zu einem richtigen Denken im Sinn der Bibel gelangt.

Eine Überfülle von akustischen und optischen Reizen (d. h. von Hör- und Sehreizen) wie das ständige Hören lauter eintöniger Musik und langes unkontrolliertes Fernsehen schwächt die Konzentrationsfähigkeit und führt zur Passivität des Geistes.[14] Dadurch wird unbewusst unser Denken, Fühlen und Handeln mitgeprägt. Außerdem ist der passive Geist nicht in der Lage, falsche Einflüsse zu prüfen und zu verwerfen.

Andererseits können wir die Konzentrationsfähigkeit und damit das Denkvermögen durch einen geordneten Tagesablauf, genügend Schlaf, körperliche Betätigung, Auswendiglernen (z. B. Bibelverse und Lieder), Erzählen von Geschichten, durch gemeinsame Vertiefung nach der Darbietung einer Unterrichtsstunde, durch gezielte Fragen und durch das Lesen von dem Alter entsprechenden Büchern fördern.[15]

 

2.4 Die Kreativität (schöpferische Fähigkeit)

Gott hat durch Jesus Christus in sechs Tagen Himmel und Erde und alles, was darin ist, geschaffen (siehe 1. Mose 1, 1ff.; Johannes 1, 3; Kolosser 1, 16f.). Auch der Mensch als Ebenbild Gott soll schöpferisch tätig sein. Der Unterschied zwischen Gott und dem Menschen besteht darin, dass der Mensch nicht etwas schaffen kann, was vorher nicht da war, bzw. nicht etwas aus dem „Nichts“ schaffen kann. Er kann keine Materie, aber auch keine neue Information schaffen.

Und doch hat Gott den Menschen auf diese Erde gestellt, damit er darin schöpferisch tätig wird. Arbeit ist deswegen nichts Verwerfliches, sondern wir sollten uns in unserer Arbeit immer als Mitarbeiter Gottes verstehen. Weil Gott schöpferisch tätig ist, soll der Mensch es auch sein.

Die schöpferische Fähigkeit können wir z. B. durch Bastelarbeit, Spielen von Musikinstrumenten, lustige Familienspiele, bildhafte Darstellung, Aufführungen oder journalistisches Nachgestalten (z. B. Interview) einer Lektion fördern. Ein Kind, das innerlich ausgeglichen ist, kann kreativ tätig sein.[16]

 

2.5 Die Emotionalität (Gefühlswelt)

Auch unsere Gefühle sind ein Teil unserer Persönlichkeit und sind uns von Gott geschenkt. Es ist wichtig, dass wir lernen, mit den Gefühlen richtig umzugehen. Eine große Hilfe ist es, wenn wir uns von Gott bedingungslos geliebt und angenommen fühlen. Das werden wir dann eher erfahren, wenn wir uns von der eigenen Familie auch mit unseren Schwächen und Fehlern geliebt und angenommen fühlen. So fordert Paulus die Christen auf, sich einander anzunehmen, wie Christus sie angenommen hat (Römer 15, 7). Das heißt natürlich keineswegs, dass wir immer angesichts der Schwächen des anderen einfach die Augen zudrücken sollen. Das bedeutet aber, dass wir uns bedingungslos lieben und in Liebe einander die Wahrheit sagen sollen (vgl. Epheser 4, 15). Die Liebe zeigt sich darin, dass wir dem Kind mit Verständnis begegnen und für es Zeit haben.

Auch wenn wir unsere Gefühlswelt nicht direkt beeinflussen können, so doch indirekt. Sie steht im engen Zusammenhang mit unserer Gesinnung, da unsere Gesinnung sehr stark unsere Gefühle beeinflusst. Die Veränderung der Gesinnung ist nicht eine Frage des Könnens, sondern des Wollens.[17] Natürlich müssen wir dabei davon ausgehen, dass wir ganz auf Gottes Hilfe angewiesen sind. Aber diese Hilfe hat er uns versprochen.

Ich kann z. B. meine Hassgefühle gegen den anderen abbauen, indem ich meine Gesinnung ihm gegenüber ändere, wenn ich lerne, ihn mit anderen Augen zu sehen. Wenn ich meine Gesinnung ändere, werden meine Gefühle nicht automatisch von heute auf morgen auch total verändert werden. Aber die Hassgefühle haben ihren Nährboden unter den Füßen verloren und werden infolgedessen ersticken.

Besonders der Pubertierende braucht Hilfe, um mit seiner „Launenhaftigkeit“, die zum Teil durch die Hormone und den schnellen Wachstum verursacht werden, fertig zu werden.[18] Eine große Hilfe dabei ist das offene Gespräch, in denen über Niedergeschlagenheit, Trauer, Ängste und Ärger offen gesprochen werden darf. Der Heranwachsende muss lernen, über verletzte Gefühle und aufgestauten Ärger so zu reden, dass der andere dadurch nicht verletzt wird.[19] Er darf diesen auch nicht an Unschuldige auslassen. Ermutigung spielt im Umgang mit den Gefühlen eine wichtige Rolle. So fordert Paulus die Väter (und Erzieher im allgemeinen) auf, ihre Kinder nicht (zum Zorn) zu reizen, „damit sie nicht mutlos werden“ (Kolosser 3, 21; vgl. Epheser 6, 4).

Es ist auch wichtig, dass der Pubertierende lernt, mit seinen „Liebesgefühlen“ umzugehen.[20] Er muss lernen, mit dem anderen Geschlecht offen und respektvoll umzugehen und sich nicht nur von seinen oft egoistischen Gefühlen führen zu lassen. Eine dem Alter entsprechende Aufklärung und helfende Gespräche mit Hinweis auf die biblischen Normen sind dabei eine Hilfe.[21]

 

3. Die Verwirklichung der Gottesebenbildlichkeit

3.1 Die Vermittlung biblischer Grundlage

Da die Bibel der absolute Maßstab sein muss, an dem wir unsere Ziele messen, ist es von entscheidender Bedeutung, dass wir dem Heranwachsenden eine gute biblische Grundlage vermitteln, die ihm in seinem Leben als Maßstab für sein Handeln dient. Zuerst sollten wir im Kind eine Liebe zur Bibel, dem Wort Gottes, wecken. Das setzt unsere Liebe zum Wort Gottes voraus. Liebe zu Jesus schließt die Liebe zu seinem Wort mit ein.

Wichtig ist, dass wir einen Einblick in Gottes Heilsplan und einen Überblick über die zentralen Lehren der Bibel vermitteln. Dieser Einblick lässt uns über die Größe Gottes und seinen Plan für uns staunen und die Liebe zu ihm wachsen. Außerdem erkennen wir dadurch Gottes Plan auch für unser Leben. Wir dürfen allerdings nicht nur ein biblisches Wissen vermitteln, sondern aufzeigen, wie die Bibel die Grundlage für unser Denken und Handeln sein kann. Da das in Wirklichkeit nur durch Jesus möglich ist, ist es von entscheidender Bedeutung, dass das Kind in die lebendige Beziehung zu Jesus geführt wird.

 

3.2 Die Hinführung in die lebendige Beziehung zu Jesus Christus

Die Bibel zeigt uns klar, dass der Mensch seit dem Sündenfall (1. Mose 3, 1ff.) geistlich tot ist (vgl. z. B. Römer 5, 12ff.; Hiob 14, 4; Psalm 51, 7) und deshalb ohne Christus nicht mehr imstande ist, die volle Gottesebenbildlichkeit zu verwirklichen. Paulus teilt uns mit, dass der Mensch die Herrlichkeit Gottes verloren hat (Römer 3, 23). Will der Mensch Gottes Ziel mit seinem Leben verwirklichen, so ist das nur möglich, wenn er durch das Erlösungswerk Jesu und durch den Heiligen Geist wiedergeboren wird. Dazu schreibt Armin Mauerhofer:

„Im Blick auf die Hinführung der Kinder zu Jesus bemühen sich an Christus glaubende Eltern und Lehrer, zunächst ein Leben mit Jesus vorbildlich vorzuleben. Dieses Leben mit Jesus wird für das Kind vor allem darin sichtbar, dass sie ihm mit Liebe begegnen. Diese Liebe zeigt sich darin, dass sich das Kind von ihnen angenommen fühlt. Genau dieses Angenommensein macht das Kind offen für das, was den Erziehern wichtig erscheint.

Eltern und Erzieher suchen dem Kind, seinem Alter entsprechend zu erklären, wie es die ihm in Christus angebotene Rettung im Glauben annehmen kann.

- Sie ermutigen das Kind, seine Sünden in Reue Jesus, der stellvertretend für sie am Kreuz gestorben ist, zu bekennen (1. Johannes 1, 9). Sie erklären ihm auch, wie es das ganz praktisch machen kann.

- Sie haben ihm zudem von der Bibel her klarzumachen, dass es im selben Zusammenhang Jesus, der am dritten Tag auferstanden ist und heute lebt, als Herrn in sein Leben aufnehmen soll (Johannes 1, 12; Offenbarung 3, 20). Auch hier ist die Erklärung des ‘Wie’ unerlässlich.

Weil ihnen die Annahme der in Jesus Christus angebotenen Rettung durch die Kinder von größter Wichtigkeit ist, beten sie immer wieder dafür, dass sie bereit werden, diese Rettung anzunehmen.

Gerade die Hinführung eines Kindes zu Jesus Christus als seinem Retter braucht von Eltern und Erziehern viel Einfühlungsvermögen.

Wichtig ist, dass das Kind aus sich heraus, in einer persönlichen Entscheidung, Jesus als Retter annimmt. Wir dürfen also im Blick auf die Entscheidung eines Kindes keinen Druck ausüben.

Entwicklungspsychologisch gesehen kann ein Kind ab dem Zeitpunkt, da es zwischen Gutem und Bösem unterscheiden kann, also weiß, was Sünde ist, die ihm von Jesus angebotene Rettung durchaus annehmen. Dies ist etwa ab sechs oder sieben Jahren der Fall … Es ist klar, dass das Kind in diesem Alter nicht umfassend versteht, was Sünde alles mit einschließt. Dies ist aber im Blick auf die Annahme der Rettung, die Jesus ihm anbietet, auch nicht nötig.“[22]

Erst der Mensch, der durch Jesus Kind Gottes geworden ist, erlebt eine tragende Geborgenheit in seinem Leben und eine innere Ruhe und kann die von Gott geschenkten Anlagen richtig zur Entfaltung bringen und seine Fähigkeiten so einsetzen, wie es Gott gefällt.

 

3.3 Umgestaltung ins Bild Jesu

Obwohl die Bibel mit keinem Wort sagt, dass der Mensch nach dem Sündenfall nicht mehr Ebenbild (Abbild) Gottes ist oder dass das Bild Gottes zerstört worden sei, so zeigt sie uns doch, dass die Zielbestimmung Gottes durch die Sünde nicht erreicht werden kann. Der Mensch ist immer noch Ebenbild Gottes, aber er braucht seine damit verbundenen Fähigkeiten wie z. B. sein Denken falsch. Der Mensch, der als Ebenbild Gottes die Herrlichkeit Gottes in der Schöpfung widerspiegeln sollte, ist sozusagen stumpf geworden und kann diese Herrlichkeit Gottes nicht mehr aufnehmen (vgl. Römer 3, 23). Erst der durch Jesus Christus und durch den Heiligen Geist wiedergeborene Mensch kann durch den Prozess der Heiligung wieder zu dieser Zielbestimmung kommen. Das zeigt uns das Neue Testament, wenn es davon spricht, dass wir umgestaltet werden sollen ins Bild Jesu (Römer 8, 29; 2. Korinther 3, 18). Weil Jesus, der mit Gott identisch ist (vgl. Philipper 2, 6), das eigentliche Ebenbild Gottes und der Schöpfer aller Dinge ist, bedeutet die Umgestaltung ins Bild Jesu die Umgestaltung in das Bild unseres Schöpfers (Kolosser 3, 10). Dazu gehören alle Bereiche der Gottesebenbildlichkeit, wie sie oben ausgeführt wurden.

Es ist der Heilige Geist bzw. Christus in uns, der unser Leben als Christen neu gestaltet in sein Bild (vgl. 2. Korinther 3, 18; Galater 2, 20; 4, 13). Der Erzieher darf seine Hände jedoch keineswegs in den Schoß legen, wenn er das Kind zum Glauben an Jesus geführt hat. Es ist seine Aufgabe, dass Wirken des Heiligen Geistes von außen zu unterstützen (vgl. auch Epheser 4, 11-14). Dazu schreibt Armin Mauerhofer:

„Dieses unterstützende Handeln kann als Erziehung, aber auch als Bildung verstanden werden, da es darum geht, das bildende Handeln Gottes mitzutragen. Das Kind hat zu lernen, Jesus als höchste Autorität in seinem Leben anzuerkennen. Aus dieser Anerkennung wächst die Bereitschaft, Gott zu gehorchen. Das Kind muss aber trotzdem zum Gehorsam angeleitet werden.“[23]

Es geht also in diesem Umwandlungsprozess darum, dass Jesus immer mehr das Leben bestimmt und zu seiner Bestimmung bringt. Die von Gott geschenkten Fähigkeiten müssen entfaltet werden und sollen im Dienst für Gott und Menschen zum Tragen kommen. Da Gott jeden Menschen anders befähigt, je nach dem, welchen Plan er mit ihm hat, dürfen wir das Kind nicht in unserem Bild oder nach unseren Wünschen formen. Vielmehr ist es unsere Aufgabe zu fragen, welchen Plan Gott für dieses Kind hat. Gott hat die Vielfältigkeit der Begabungen gewollt, damit seine Kinder in der Gemeinde Jesu sich gegenseitig ergänzen und gemeinsam Gottes Werk auf dieser Erde erfüllen können. Kinder Gottes gehören zum Leib Christi, der Gemeinde Jesu, und sollen in diesem Leib ihre Fähigkeit zur gegenseitigen Erbauung einsetzen. Damit ist klar, dass Gott keine Individualisten wollte, sondern in seiner Gemeinde eine „neue Menschheit“ geschaffen hat (vgl. Epheser 2, 15), die sein Werk ausführt. So ist es eine wichtige Aufgabe, Kinder nicht nur zum Glauben an Jesus zu führen, sondern auch gezielt auf das Leben und Wirken in der Gemeinde vorzubereiten.

 

3.4 Die Erziehung für die Gemeinde Jesu

Die Gemeinde Jesu ist keine menschliche, sondern eine göttliche Einrichtung. So erscheint im Neuen Testament zwölfmal der Ausdruck „Gemeinde Gottes“ (z. B. 1. Tim 3, 15). Jesus hat die Gemeinde bestimmt, „Salz der Erde“ und „Licht der Welt“ zu sein (Matthäus 5, 13-16). Sie ist „ein Pfeiler und eine Grundfeste der Wahrheit“ (1. Tim 3, 15). Hier wird Gottes Wahrheit nicht nur gelehrt, sondern auch gelebt, indem Gottes Wort die Norm für das alltägliche Leben der Glieder ist.

Durch die Wiedergeburt fügt uns der Heilige Geist in den Leib Christi ein (vgl. 1. Korinther 12, 13). Innerlich gehört der wiedergeborene Christ also zur Gemeinde Jesu. Äußerlich muss das auch sichtbar werden, indem er bereit ist, verbindlich im Gemeindeleben mitzumachen. In der Gemeinde fühlen sich die Glieder gegenseitig angenommen und durch das Band der Liebe getragen (vgl. Kolosser 3, 12-15).

Wie können wir Kinder zu einem verbildlichen Gemeindeleben führen?[24] Eine wichtige Voraussetzung ist, dass wir selbst die Gemeindeanlässe treu besuchen und verbindlich am Gemeindeleben teilnehmen. Wer ständig über die Gemeinde schimpft, wird die Kinder nicht für sie begeistern können. Wer aber trotz Fehler und Schwächen der Gemeinde aus Liebe zu Jesus und zu seiner Gemeinde durch sein vorbildliches Verhalten eine positive Einstellung zur Gemeinde äußert, der wird durch sein Vorbild das Verhältnis des Kindes zur Gemeinde positiv prägen. Außerdem zeigen Untersuchungen, dass Kinder dort der Gemeinde den Rücken zuwenden, wo Eltern nur aus Gewohnheit an den Anlässen teilnehmen, ihr Alltagsleben aber nicht vom Glauben geprägt wird. Damit Kinder und Jugendliche gerne im Gottesdienst mitmachen und so auch gerne am Gemeindeleben teilnehmen, sollten die Predigten auch in ihren Alltag hineinsprechen und sollten die Kinder- und Jugendprogramme attraktiv gestalten werden. Weiter sollten Kinder und Jugendliche die Möglichkeit haben, selbst aktiv im Gemeindeleben mitzumachen.[25]

Am Schluss dazu noch ein Zitat von Armin Mauerhofer:

Wenn Kinder das Jugendalter erreicht haben, bleiben sie oft der Gemeinde fern oder besuchen sie nur noch unregelmäßig. Die am meisten von ihnen genannten Gründe sind:

- Die Auslegung der Bibel ist lebensfremd.

- Die Gemeinde kümmert sich nicht um die persönlichen Probleme.

- Wir dürfen in der Gemeinde keine Verantwortung übernehmen.

- Wir sehen im Leben der Gemeindeglieder Widersprüche zwischen Lehre und Leben.

Diese Gründe machen deutlich, dass es viele junge Menschen gibt, die sich nicht in die Gemeinde integriert fühlen. Dies ist sehr tragisch, wenn wir bedenken, dass sie dieses Eingebundensein dringend brauchen, um in unserer vom Wertezerfall geprägten Zeit bestehen zu können. Sie benötigen die wichtige Stützfunktion der Gemeinde.

Integration der Kinder ins Gemeindeleben ist nur dort möglich, wo die Gemeinde die Arbeit an den Kindern und den Familien, aus welchen sie kommen, wirklich ernst nimmt und in ihrer Fürbitte treu begleitet.

Die Kinder, Teenager, Jugendlichen und ihre Eltern müssen spüren, dass man sie liebt und ihnen in der Gemeinde Beachtung schenkt.“[26]

Paulus schreibt in 1. Tim 4, 12 an seinen langjährigen „Schüler“ und Mitarbeiter: „Niemand verachte deine Jugend, sondern sei ein Vorbild der Gläubigen im Wort, im Wandel, in Liebe, im Glauben, in Keuschheit.“

 

4. Literaturverzeichnis

Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Bekenntnisschulen (Hg.), Schule auf biblischer Grundlage, 3. Aufl. 2000

Bühne, W., Kann denn Liebe Sünde sein?, Freundschaft, Liebe, Sexualität – und die Nachfolge Jesu, Bielefeld: CLV, 1995

Collins, G., Vom Kind zum Erwachsenen. Psychologie der persönlichen Entwicklung, Witten, 1980

Davis, K., Wie kann ich mit meinen Eltern leben ohne durchzudrehen?, Aßlar: Schulte & Gerth, 2. Aufl. 1992

Dobson, J., Die Macht der Gefühle, Kehl: Editions Trobisch, 3. Aufl. 1988

LaHaye, T., Aufklären – aber wie, Ein Ratgeber für Eltern, Aßlar: Schulte & Gerth, 5. Aufl. 1995

Mauerhofer, A., Pädagogik auf biblischer Grundlage, Nürnberg: VTR, 2. Aufl. 2009

Naujokat, G., Liebesbeziehungen vor der Ehe, Eine geistliche Orientierung, Vellmar-Kassel: Weißes Kreuz (ohne Jahr)

G. Naujokat, Können wir unsere Kinder zum Glauben erziehen? Neuhausen-Stuttgart: Hänssler und Vellmer-Kassel: Weißes Kreuz, 1986

Neuer, W., Mann und Frau aus christlicher Sicht, Gießen/Basel. Brunnen, 4. Aufl. 1988

Ruthe, R., Elternbuch, Wuppertal: Brockhaus, 1986

Wilder Smith, E., Naturwissenschaften kenn en keine Evolution, Basel/Stuttgart: Schwabe & Co. AG, 5. Aufl. 1985

Stückelberger, A., Die pädagogische Lage der Gegenwart, Basel/Gießen: Brunnen, 1971



[1] Vgl. Stückelberger, Die pädagogische Lage der Gegenwart, S.7–9.

[2] Mauerhofer, Pädagogik auf biblischer Grundlage, S. 107ff. Da ich selbst nicht Pädagoge bin (sondern Bibel-Exeget), halte ich mich im Folgenden in mancher Hinsicht an die Ausführungen von Armin Mauerhofer, bei dem ich im Theologiestudium die pädagogischen Vorlesungen besucht habe, in dem Buch.

[3] Vgl. Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Bekenntnisschulen, Schule auf biblischer Grundlage, 3. Aufl. 2000, S. 20.

[4] Neuer, Mann und Frau aus christlicher Sicht, S. 139.

[5] Vgl. Mauerhofer, Pädagogik, S. 162ff.

[6] Mauerhofer, Pädagogik, S. 163.

[7] Vgl. dazu Ruthe, Elternbuch, 1986.

[8] Vgl. Mauerhofer, Pädagogik, S. 162ff..

[9] Mauerhofer, Pädagogik, S. 162; vgl. Collins, Vom Kind zum Erwachsenen, S. 84–85.

[10] Vgl. Mauerhofer, Pädagogik, S. 167ff.

[11] Vgl. Mauerhofer, Pädagogik, S. 171ff.

[12] Vgl. z. B. Wilder Smith, Naturwissenschaften kennen keine Evolution, 1985.

[13] Mauerhofer, Pädagogik, S. 172 (Hervorhebung im Originalen).

[14] Vgl. dazu ebd.; Naujokat, Können wir unsere Kinder zum Glauben erziehen?, S. 37ff.

[15] Vgl. Mauerhofer, Pädagogik, S. 171ff.

[16] Vgl. ebd., S. 179ff.

[17] Vgl. Davis, Wie kann ich mit meinen Eltern leben, S. 89ff.

[18] Vgl. Mauerhofer, Pädagogik, S. 184ff.

[19] Vgl. Dobson, Die Macht der Gefühle, S. 70ff.

[20] Vgl. dazu ebd., S. 44ff.; Naujokat, Liebesbeziehungen, ohne Jahr; Bühne, Kann denn Liebe Sünde sein?, 1995.

[21] Vgl. Mauerhofer, Pädagogik, S. 184ff.; LaHaye, Aufklären, 1995.

[22] Mauerhofer, Pädagogik, S. 159.

[23] Mauerhofer, Pädagogik, S. 160f.

[24] Vgl. dazu ebd., S. 188ff.

[25] Vgl. dazu ebd., S. 342ff.

[26] Ebd., S. 344f.