Bekennende Evangelisch-Reformierte Gemeinde in Gießen (BERG) Wortverkündiger: Dr. Jürgen-Burkhard Klautke (16.08.2020) Wortverkündigung: 1.Korinther 11,23–26 Thema: Das herrliche Geschenk des Herrenmahls Psalmen/Lieder: Psalm 113a,1–3; 127,1–5; Psalm 114a,1–3; Psalm 118a,1.8–12 Gesetzeslesung: Jesaja 59,1–15 Erste Schriftlesung: Lukas 22,7–23 Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus! Das Wort Gottes bringe ich Ihnen aus 1.Korinther 11,23–26. Ich lese ab Vers 17 und dann bis zum Ende des Kapitels, sodass uns der Zusammenhang vor Augen steht. Gemeinde unseres Herrn Jesus Christus! Wir stellen uns heute unter die sogenannten Einsetzungsworte. Es sind die Worte, die wir zu Beginn jeder Abendmahlsfeier lesen. Warum machen wir das eigentlich bei jeder Abendmahlsfeier? Was meinen wir eigentlich mit dem Ausdruck „Einsetzungsworte“? Im Jahr 2012 erschien ein Sammelband unter dem Titel Gottesdienste zwischen Liturgie und Event. In diesem Buch wurden Beiträge von verschiedenen Autoren zusammengetragen, die sich alle mit der genannten Thematik beschäftigen. Im ersten Artikel dieses Sammelbandes berichtet der Schweizer Theologe David Plüss von zwei freikirchlichen Gottesdiensten, die er besuchte. Er wollte sich anschauen, wie man in Freikirchen Gottesdienst feiert. Ohne dass er es vorher wusste, so berichtet er, wurden an den jeweiligen Sonntagen, an denen er dort anwesend war, das „Abendmahl“ gefeiert. Er schildert dann, wie das ablief: In beiden Gottesdiensten wurde das Abendmahl angesagt, und dann wurden gleich die Elemente ausgeteilt, also ohne Einsetzungsworte. Das Abendmahl im ersten der beiden Gottesdienste beschreibt er folgendermaßen: „Es gab keine Einladung, keine Einsetzungsworte, keine Abendmahlsgebete oder -lieder, kein Vaterunser und keine Anamnese [das heißt, dass an das Heilswerk Christi in seinem Tod und in seiner Auferstehung erinnert wird]. Brot und Wein wurden von Jugendlichen in teils freizügiger Sommerkleidung gereicht, ohne Spendeformel, aber mit einem freundlichen Lächeln.“ Ich bin ziemlich sicher, dass David Plüss das gleiche in Deutschland hätte erleben können. Die Frage, die sich stellt, lautet: Was würde der Apostel Paulus dazu sagen? Ist das überhaupt ein Feiern des Heiligen Abendmahls? In der letzten Predigt zu dieser Serie – die Grundlage der Wortverkündigung war 1.Korinther 11,20 bis 22 – schreibt der Apostel (ich formuliere es einmal in eigenen Worten): Wenn ihr an einem Ort zusammenkommt und dann dort das esst, was ihr mitgebracht habt, wobei ihr damit eure hungrigen Brüder und Schwestern beschämt, dann ist das keineswegs das Mahl des Herrn essen (vergleiche 1Kor. 11,20). Wir hatten verstanden, dass der Apostel auf diesen Missbrauch seine Antwort in einem einzigen Begriff zusammenfasst. Er schreibt: Das Abendmahl ist Mahl des Herrn. Wenn das Abendmahl nicht in dieser dem Herrn angemessenen Weise gefeiert wird, also als Mahl des Herrn, dann feiert ihr überhaupt nicht das Abendmahl. Dann haben wir es nicht mit dem Mahl des Neuen Bundes zu tun. Die Grundvoraussetzung für das Feiern des Abendmahls ist nämlich, dass es der Herr Jesus Christus ist, der uns dazu einlädt, und natürlich, dass auch er es ist, der bestimmt, wie es am Abendmahlstisch zugeht. In dem oben angeführten Zitat legt David Plüss seinen Finger auf einige Aspekte. Ich formuliere sie einmal in Frageform: Singen wir im Rahmen der Abendmahlsfeier Dank- und Loblieder, in denen das Werk des dreieinen Gottes gepriesen wird? Werden die Einsetzungsworte gelesen? Wird Gott dem Herrn beim Abendmahl gedankt für das Heilswerk seines Sohnes Jesus Christus? (Übrigens bin ich davon überzeugt, dass am Abendmahlstisch keinerlei Bittgebete Platz haben. Es geht am Tisch des Herrn zentral um das Heilswerk Gottes in seinem Sohn Jesus Christus. Und angesichts dieses Werkes bleibt uns nur eines übrig zu bezeugen: „Lob und Dank sei Dir, Herr Jesus für das, was Du vollbracht hast.“) Wir hatten das letzte Mal einiges zur römisch-katholischen Messfeier gesagt, in der der Priester die Elemente „konsekriert“, also weiht. Wenn der Priester sagt, „Dies ist mein Leib“, werden nach Auffassung dieser Kirche die Elemente von Brot (bzw. die Oblate) und der Wein in die Substanz von Fleisch und Blut Christi verwandelt. In der Regel spricht der Priester diesen Satz auf Latein. Auf Latein heißt er: Hoc est meum corpus. Das verstanden die meisten Leute nicht. Sie sagten dann: Der Priester macht wieder sein Hokuspokus. Gegen eine substantielle Wandlung der Elemente nimmt der Heidelberger Katechismus unzweideutig Stellung. Er beurteilt das Feiern einer solchen „Messe“ als eine „verfluchte Abgötterei“. Wir hatten dies in der letzten Predigt kurz angesprochen und gehen heute nicht weiter darauf ein. Aber ich sage auch: Angesichts dessen, wie man in manchen Freikirchen offenkundig heute das Heilige Abendmahl meint feiern zu können, ist das Thema, das David Plüss mit seinem Artikel anspricht, für uns mindestens so drängend und so brisant, wie mittelalterliche römisch-katholische Substanzauffassungen. Hier, in diesem Abschnitt, führt der Apostel aus, was es heißt, das Abendmahl als Herrenmahl zu feiern. Wir werden sehen; dass das Empfangen von Brot und Wein im Abendmahl alles andere als eine Belanglosigkeit ist. Während wir in der letzten Predigt uns darauf besannen, wie das Heilige Abendmahl missbraucht wurde im Blick auf ärmere Glaubensgeschwister, so geht es heute und übrigens auch in der nächsten Predigt, so Gott will, mehr um die vertikale Ausrichtung. Es geht um die Frage: Was wird uns eigentlich im Heiligen Abendmahl geschenkt? Ich verkündige Ihnen heute Morgen das Wort Gottes unter dem Thema: Das herrliche Geschenk des Herrenmahls Wir sehen drei Punkte: 1. Die Einsetzung durch den Herrn (1Kor. 11,23–24a) 2. Die Verbindung mit dem Herrn (1Kor. 11,24b–25) 3. Die Proklamation des Herrn (1Kor. 11,26) 1. Die Einsetzung durch den Herrn (1Kor. 11,23–24a) Dass das Heilige Abendmahl nicht unser Mahl ist, sondern Mahl des Herrn, sahen wir bereits in der letzten Predigt. Der Abschnitt, auf den wir heute hören, ist sehr eng mit dem davorstehenden Abschnitt verknüpft. Vers 23 beginnt mit einem Denn: Denn ich habe von dem Herrn empfangen, was ich auch euch überliefert habe… Die Partikel denn begründet etwas. Der Apostel bleibt beim Thema. Er hatte gesagt: Das Abendmahl ist Herrenmahl. Aus dieser Perspektive schreibt Paulus nun: denn ich habe von dem Herrn empfangen. Paulus spricht hier nicht davon: Ich habe „von Jesus Christus“ empfangen. Natürlich wäre das auch richtig. Aber er betont weiterhin: vom Herrn. Bitte überhören wir das nicht. Dass das Abendmahl das Mahl des Herrn ist, ist gerade in Auseinandersetzung mit Missbräuchen des Abendmahls außerordentlich wichtig. Paulus führt weiter aus: Ich habe von dem Herrn empfangen. Damit legt er den Finger auf das Grundmuster des Abendmahls und auch auf seine eigene Aufgabe darin: Es geht um Empfangen und dann um Weitergeben. Wir nehmen uns das Abendmahl nicht selbst. Das Abendmahl ist kein Buffet. Schon gar nicht verfügen Menschen über das Abendmahl. Die Feier des Heiligen Abendmahls steht nicht in unserem Belieben, Ein jeder von uns empfängt hier Brot und Wein, und zwar letztlich nicht von dem, der es austeilt, sondern von dem Herrn Jesus Christus selbst, mit dem er durch diese Elemente Gemeinschaft hat. Indem derjenige, der das Abendmahl austeilt, die Einsetzungsworte spricht, bringt er genau das zum Ausdruck: Das Feiern des Abendmahls ist nicht ein menschliches Even. Es steht auch nicht in menschlichem Belieben. Vielmehr ist es ein herrliches Geschenk unseres Herrn Jesus Christus an uns. Es ist der Herr, von dem wir das Abendmahl empfangen. Indem Paulus schreibt, ich habe von dem Herrn empfangen, was ich euch überliefert habe, betont er auch, dass das Feiern des Heiligen Abendmahls nicht auf irgendeine menschliche Tradition zurückzuführen ist, die dann von Mensch zu Mensch weitergegeben wurde und sich im Lauf der Zeit an die jeweiligen Umstände anzupassen pflegt. Vielmehr schreibt der Apostel: Ich habe es vom Herrn empfangen. Nun könnte man natürlich einwenden und sagen: Eigentlich hat doch Paulus alles, was er schreibt, von dem dreieinen Gott empfangen. Es ist doch alles, was er schreibt, durch den Geist Gottes inspiriert! Ja, das stimmt. Aber hier legt der Apostel ausdrücklich Wert darauf, dass das, was er im Blick auf das Abendmahl schreibt, der direkten Aussage von Jesus Christus entstammt. Möglicherweise haben wir bei der Aussage ich habe vom Herrn empfangen sogar an eine direkte, persönliche Offenbarung zu denken. Immerhin fällt auf, dass der Apostel nicht schreibt: Wir haben vom Herrn empfangen, sondern er schreibt: ich. Aber ob Paulus hier eine persönliche Offenbarung meint, lasse ich offen. Natürlich könnte er es auch aus einem der Evangelien empfangen haben. Für uns bleibt auf jeden Fall unter dem Strich stehen: Wenn wir verstehen wollen, was das Heilige Abendmahl ist, haben auch wir das genau zu lesen, was die Evangelienschreiber uns über die Einsetzung des Heiligen Abendmahls berichten. Das ist auch der Grund, warum wir vorhin in der ersten Schriftlesung einen Bericht, nämlich den Bericht des Lukas, darüber gehört haben. Mit Lukas arbeitete Paulus ja zeitweilig sehr eng zusammen. Das erste, worauf Paulus seinen Finger legt, sind die Einsetzungsworte. Stellen wir uns einmal vor, an einem Abendmahlssonntag würde jemand zu uns sagen: „Du kannst schon einmal mit dem Abendmahl anfangen, ich komme dann später hinzu.“ Diese Person ist vermutlich der Meinung: Ich komme dann hinzu, wenn es endlich losgeht, also wenn das Brot und der Wein ausgeteilt werden. Aber hier liegt ein Missverständnis vor. Die Einsetzungsworte sind unbedingter Bestandteil der Feier des Herrenmahls. Darum gehören sie unverzichtbar zu jeder Abendmahlsfeier hinzu. In den Einsetzungsworten erinnert Paulus an die historischen Umstände: Es war in der Nacht, in der Jesus verraten wurde (1Kor. 11,23). Paulus hätte natürlich auch sagen können: „Es war am Vorabend der Kreuzigung“. Oder so ähnlich hätte er formulieren können. Das sagt er aber nicht. Vielmehr schreibt er: Die Einsetzung des Heiligen Abendmahls erfolgte in der Nacht, in der Jesus verraten wurde, nämlich bekanntlich von Judas. Also genau in der Nacht, als einer aus seinem engsten Jüngerkreis Jesus verriet und für dreißig Silberstücke verkaufte, also gewissermaßen an dem absoluten Tiefpunkt des Dienstes Jesu (so könnte man meinen), genau zu diesem Zeitpunkt stiftete der Herr Jesus im Abendmahl den Neuen Bund. Was passierte eigentlich an diesem Abend? Dazu müssen wir uns vor Augen halten, dass es nicht eine gewöhnliche Nacht war. Es war nicht nur deswegen eine besondere Nacht, weil Jesus genau zu dieser Stunde verraten wurde, sondern es war der Abend, an dem das Passahmahl verzehrt wurde. Das Passahfest war ja eines der drei im Alten Testament zentralen Feste (neben dem Fest der Erstlinge [zu Pfingsten] und dem Laubhüttenfest [im Herbst]). Das Passahfest rief in Erinnerung, dass Gott das Volk Israel einst aus der ägyptischen Sklaverei befreit hatte. Jahrhundertelang hatte das Volk Israel in Ägypten gelebt, und zuletzt waren die Israeliten dort versklavt worden, und sie mussten Zwangsarbeit leisten. Dann rief Gott Mose und durch eine Reihe von Plagen konnten die Israeliten endlich aus diesem Haus der Knechtschaft ausziehen. Die letzte Plage war die Tötung des Erstgeborenen einer jeden Familie. Die einzige Möglichkeit, dass die Israeliten der Tötung ihres Erstgeborenen entgehen konnten, bestand darin, dass sie ein makelloses, erstgeborenes Lamm schlachteten und dessen Blut an die Türpfosten sowie auf den oberen Türbalken strichen. Dann, so hatte Gott verheißen, wird der Todesengel „vorübergehen“ und an diesem Haus sein Gericht nicht vollstrecken. Das hebräische Wort für „Vorübergehen“ heißt „Passah“. Beim Passahfest erinnerte sich das Volk Israel also vorrangig daran, dass der Würgeengel angesichts des an die Türpfosten gestrichenen Blutes an dieser Familie sein Gericht nicht ausübt, sondern dass er an ihnen „vorübergeht“. Und Gott bestimmte: Ich will, dass ihr jedes Jahr, und zwar im April, euch durch ein Fest diese Befreiung aus Ägypten in Erinnerung ruft, und zwar dadurch, dass ihr ein geschlachtetes, ausgeblutetes Lamm esst. An dem Abend, an dem Judas Jesus verriet, setzte Jesus den Neuen Bund ein. Dazu stiftete er das Abendmahl. Wenn Pilger von weither zu diesem Passahfest nach Jerusalem kamen, benötigten sie selbstverständlich einen Raum, in dem sie das Passahmahl verzehren konnten. Natürlich gab es nicht genügend Räume für alle Pilger, zumal ja die Einheimischen ebenfalls das Passahmahl feiern wollten. Und so hatte es sich eingebürgert, dass die Menschen, die aus der Ferne nach Jerusalem gekommen waren, zum Beispiel aus Galiläa, das Passahmahl bereits am Donnerstag aßen, während die Einheimischen es am Vorabend des Sabbaths, also am Freitag feierten. Jesus kam mit seinen Jüngern aus Galiläa, und so feierten sie das Passahmahl bereits am Donnerstag. Diese Terminverschiebung lag also an einem allgemein bekannten Raumproblem. Man ging dann in Jerusalem herum und erkundigte sich, ob jemand der Einheimischen einen entsprechenden Saal zur Verfügung stellen würde. Dies war an sich nichts Besonderes, sondern es war üblich. Schließlich kam man in diesem Raum zusammen. Alle saßen rund um einen Tisch herum, und der Hausvater bzw. der Gastgeber eröffnete das Passahfest, indem er einen Segen sprach. Danach wurde ein Kelch herumgereicht. Aus diesem Kelch trank jeder. Darin war immer Rotwein, was an das Blut des Lammes erinnerte, das man in Ägypten gegessen hatte und dessen Blut damals an der Tür den Würgeengel vom Gericht an diesem Haus abgehalten hatte. Nach diesem ersten Kelch wurden als Vorspeise bittere Kräuter serviert. Diese pflegte man in eine Fruchtsoße einzutauchen, und dazu reichte man ungesäuertes Brot. Wichtig war, dass es bittere Kräuter waren, denn diese sollten an die leidvolle Zeit der Knechtschaft in Ägypten erinnern. Im Anschluss daran kam ein Vortrag, in der Regel vom Gastgeber, über die Bedeutung des Passahmahls. Danach wurde das Passahlamm aufgetischt, das man in Erinnerung an die Befreiung aus Ägypten aß. Nach diesem Essen wurde ein zweiter Kelch herumgereicht, und man sang Psalmen. Es wurden die sogenannten Hallel-Psalmen gesungen. Das waren die Psalmen 113 bis 118. Wie Sie sehen, singen wir heute einige dieser Psalmen. Dann betete der Gastgeber. Dann, nach dem Mahl, nach dem Singen wurde ungesäuertes Brot herumgereicht. Und als dies geschah, so berichtet Lukas, nahm Jesus das Brot, brach es, reichte es seinen Jüngern und sprach: Das ist mein Leib, der für euch gegeben wird… (Lk. 22,19). Im Anschluss daran, so war es beim Passahfest üblich, wurde ein weiterer Kelch herumgereicht. Dieser Kelch wurde bezeichnet als der Kelch nach dem Mahl. Bevor Jesus diesen Kelch herumreichte, sagte er: Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut, das für euch vergossen wird (Lk. 22,20). Dann wurden weitere Psalmen gesungen. Und damit kam die Passahfeier zu ihrem offiziellen Abschluss. In den Evangelien heißt es dann, dass Jesus daraufhin aufstand und mit seinen Jüngern zum Garten Gethsemane ging. Der Herr Jesus setzte also während der Feier des Passahmahls, in der an die Befreiung aus Ägypten gedacht wurde, den Neuen Bund im Abendmahl ein. Auf diese Weise machte er klar: Von nun an werdet ihr nicht mehr auf das Passahmahl in Ägypten zurückblicken: Ihr werdet nicht mehr daran denken, dass der Würgeengel wegen des an die Tür gestrichenen Blutes des geschlachteten Lammes an euch vorübergangen ist. Ihr werdet überhaupt nicht mehr an die Befreiung aus Ägypten denken, sondern ihr werdet von nun an auf mein Erlösungswerk blicken. Und ihr werdet erkennen, dass diese Befreiung, diese Rettung eine viel größere und eine viel herrlichere ist als die aus Ägypten. Die Erlösung, die wir aufgrund des gebrochenen Leibes und aufgrund des vergossenen Blutes von Jesus Christus empfangen, ist unvergleichlich wunderbarer. Denn Jesus Christus, unser Passahlamm ist das ultimative Opfer, sodass der Zorn Gottes gegenüber uns getilgt ist. Als Jesus das Abendmahl einsetzte, teilte er nicht nur Brot und Wein aus, sondern er gab auch eine Erklärung, und diese Erklärung ist für das richtige Feiern des Heiligen Abendmahls unverzichtbar. Indem Paulus hier in 1.Korinther 11 diese Worte Jesu wiederholt – Paulus zitiert Jesus nicht sehr häufig wörtlich, aber hier macht er es –, sagt er damit: Diese Worte gehören unverzichtbar zur Mahlfeier hinzu. Augustinus formulierte es kurz und knapp, als er in einem Kommentar einmal schrieb: „Es tritt das Wort zum Element, und es entsteht das Sakrament“ (Joh. tract. 80,3). Genau dies haben auch die Reformatoren gelehrt. Sie legten Wert darauf, dass die Gemeinde nicht irgendetwas verspeist oder trinkt, sondern dass sie versteht, was im Heiligen Abendmahl geschieht. Deswegen war es für sie sehr wichtig, dass die Einsetzungsworte in der jeweiligen Landessprache gesprochen werden und nicht etwa auf Latein. Und diese Einsetzungsworte sind nicht ein beliebig austauschbares Versatzstück bei der Feier des Heiligen Abendmahls, das man gegebenenfalls auch weglassen könnte, sondern sie gehören als das erläuternde und verkündigende Verheißungswort zu den Elementen von Brot und Wein unabdingbar hinzu. Sonst, so schreibt Paulus, feiert ihr nicht das Sakrament des Neuen Bundes. Wozu sollen wir nun das Abendmahl feiern? 2. Die Verbindung mit dem Herrn (1Kor. 11,24b–25) Der Apostel Paulus betont, dass das Abendmahl ein Mahl zum Gedächtnis ist: Dies tut zu meinem Gedächtnis. (So lasen wir es in der Schlachter 2000-Übersetzung.) Was heißt das eigentlich? Sollen wir beim Essen und Trinken am Abendmahlstisch an die vielfältigen Lehren und Praktiken des Christentums denken? Nein. Wir sollen an Jesus Christus denken: Dies tut zu meinem Gedächtnis. Oder wie man auch übersetzen kann: Dies tut im Gedenken an mich. Und dabei geht es in erster Linie um Christi Heilswerk am Kreuz von Golgatha. Denn dort wurde der Leib Jesu gebrochen und sein Blut vergossen. Wir erinnern uns beim Abendmahl an das herrliche Rettungs- und Heilsgeschehen, also daran, dass der Sohn Gottes den Himmel verließ, durch die Jungfrau Maria einen menschlichen Körper annahm, in Bethlehem geboren wurde, sich in seinem irdischen Verkündigungsdienst durch Zeichen und Wunder als der Messias Gottes erwies, der dann in den schrecklichen Kreuzestod ging, am dritten Tag aus den Toten auferstand, zum Himmel auffuhr und dort regiert bis er in Macht und Herrlichkeit wiederkommen wird. Es geht also beim Abendmahl um ein Sich-Erinnern an das ein für alle Mal geschehene Werk Christi. Wir erinnern uns an das nicht-wiederholbare Sühnopfer, das Christus vor den Toren Jerusalems am Kreuz darbrachte. Aber, ihr Lieben, das Feiern des Heiligen Abendmahls ist mehr als nur, dass wir über Vergangenes informiert werden und dass wir uns ein längst geschehenes Ereignis in Erinnerung rufen. Das Sakrament des Abendmahls ist mehr als ein Zeichen von etwas zeitlich lange Zurückliegendem. Es ist, wie der Heidelberger Katechismus über die Sakramente sagt: Zeichen und Siegel. Das Abendmahl ist also auch ein Siegel. Ein Siegel war etwas, mit dem man zum Beispiel einen Brief verschloss, etwa durch heißes Wachs, sodass der Brief nicht geöffnet werden konnte, ohne dass man das Siegel zerbrechen musste. Es war ein Schutz, damit der Brief sicher beim Adressaten ankam. So ist das Heilige Abendmahl uns auch dazu gegeben, damit das damals vor 2000 Jahren am Kreuz von Golgatha Geschehene zu uns kommt. Der Apostel Paulus schreibt einmal: Der Kelch des Segens, den wir segnen, ist er nicht die Gemeinschaft des Blutes des Christus, und das Brot, das wir brechen, ist es nicht Gemeinschaft mit dem Leib Christi? (1Kor. 10,16). Beim Abendmahl geht es also keineswegs nur um ein Erinnern an etwas, das früher einmal geschehen war und wir uns dann bei unserem Essen und Trinken ins Bewusstsein rufen. Das ist es auch, sodass wir das ein für alle Mal geschehene Heilswerk in unserem Herzen tragen. Wenn man in einer Familie, in der jemand gestorben ist, einen Trauerbesuch abstattet, gegebenenfalls bei diesem Anlass die Trauerfeier bespricht, dann fällt immer wieder auf, wie liebevoll, wie zärtlich, wie zugeneigt die Angehörigen über den Verstorbenen sprechen, etwa ein Ehemann über seine verstorbene Frau. Man fragt sich manchmal: Hat er das auch so getan, als sie noch lebte? Aber wie auch immer: Nun blickt er in Dankbarkeit auf die gemeinsame Zeit, die Gott ihnen geschenkt hatte, zurück. Ähnlich dankbar dachte man bei der Feier des Passahmahls zurück an die Erlösung vom Gericht des Würgeengels und an die Befreiung aus Ägypten. Als man dann endlich im verheißenen Land war, und sich auf die Befreiung zurückbesann, war alles nur noch Dank und Lob. Aber beim Abendmahl denken wir nicht nur zurück an die Vergangenheit. Wir versuchen keineswegs nur mit dem damaligen Geschehen in unserem Bewusstsein gleichzeitig zu werden. Vielmehr wird das damals Geschehene im Abendmahl zu einer Realität hier und heute: Du darfst im Abendmahl heute [!] Gemeinschaft mit dem Leib und dem Blut Christi haben (1Kor 10,16), und zwar insofern, als im Abendmahl die gewaltige Heilsverheißung Gottes in Christus zu dir kommt. Das, was damals am Kreuz geschah, wird dir am Abendmahlstisch gewiss gemacht, versiegelt: Du darfst wissen: Das Heil in Christus gilt für dich! Paulus zitiert hier unseren Herrn: Das ist mein Leib, der für euch gegeben wird. Was damals geschah, ist für euch. Somit ist das Abendmahl ein Essen voll von Verheißungen, voller Heil, voller Christus. Paulus schreibt einmal: Glaubwürdig ist das Wort und aller Annahme wert, dass Christus Jesus in die Welt gekommen ist, um Sünder zu retten. Aber Paulus macht hier nicht einen Punkt, sondern er fügt hinzu: von denen ich der größte bin (1Tim. 1,15). So geht es auch beim Feiern des Heiligen Abendmahls nicht nur darum, dass wir allgemein bekennen, Jesus Christus ist für Sünder gestorben, sondern es geht darum, dass dir gewiss wird: Jesus starb für mich. Ich möchte hier einmal aus dem Heidelberger Katechismus etwas ausführlicher zitieren, weil es dort so treffend formuliert ist: Frage 75: Wie wirst du im heiligen Abendmahl erinnert und gewiss gemacht, dass du an dem einzigen Opfer Christi am Kreuz und allen seinen Gaben Anteil hast? Christus hat mir und allen Gläubigen befohlen, zu seinem Gedächtnis von dem gebrochenen Brot zu essen und von dem Kelch zu trinken. Dabei hat er verheißen: Erstens, dass sein Leib so gewiss für mich am Kreuz geopfert und gebrochen und sein Blut für mich vergossen ist, wie ich mit Augen sehe, dass das Brot des Herrn mir gebrochen und der Kelch mir gegeben wird. Zweitens, dass er selbst meine Seele mit seinem gekreuzigten Leib und vergossenen Blut so gewiss zum ewigen Leben speist und tränkt, wie ich aus der Hand des Dieners empfange und leiblich genieße das Brot und den Kelch des Herrn, welche mir als gewisse Wahrzeichen des Leibes und Blutes Christi gegeben werden. Frage 76: Was heißt, den gekreuzigten Leib Christi essen und sein vergossenes Blut trinken? Es heißt nicht allein, mit gläubigem Herzen das ganze Leiden und Sterben Christi annehmen und dadurch Vergebung der Sünde und ewiges Leben empfangen, sondern auch, durch den Heiligen Geist, der zugleich in Christus und in uns wohnt, mit seinem verherrlichten Leib mehr und mehr vereinigt werden, sodass, obgleich er im Himmel ist und wir auf Erden sind, wir dennoch ein Leib mit ihm sind und von seinem Geist ewig leben und regiert werden. Frage 79: Warum nennt denn Christus das Brot seinen Leib und den Kelch sein Blut oder warum nennt er den Kelch den neuen Bund in seinem Blut, und warum spricht Paulus von der Gemeinschaft des Leibes und Blutes Jesu Christi? Christus redet so nicht ohne große Ursache: Er will uns damit lehren: Wie Brot und Wein das zeitliche Leben erhalten, also sind auch sein gekreuzigter Leib und sein vergossenes Blut die wahre Speise und der wahre Trank unserer Seele zum ewigen Leben. Darüber hinaus will er uns durch dieses sichtbare Zeichen und Pfand gewiss machen, dass wir so wahrhaftig durch seinen Heiligen Geist an seinem Leib und Blut Anteil bekommen wie wir diese heiligen Wahrzeichen mit unserem Mund zu seinem Gedächtnis empfangen. All sein Leiden und sein Gehorsam sind uns so gewiss zugeeignet, als hätten wir selbst das alles gelitten und vollbracht. Das Abendmahl bezeugt uns das ein für alle Mal am Kreuz von Golgatha geschehene Heil in Christus für uns. Damit ist das Abendmahl das Mittel, durch das das Heil in Christus zu uns kommt. Im Abendmahl speist Christus deine Seele mit seinem Leib und mit seinem Blut. Im Abendmahl wird dir Christus geschenkt, und in ihm wird dir geradezu eine Fülle von Verheißungen geschenkt. Denn dadurch hast du Gemeinschaft mit Christus. Das ist mein Leib, der für euch gebrochen ist. Dies ist die Heilsbotschaft Jesu. Ich umschreibe es einmal mit eigenen Worten, was Jesus hier sagt: Wenn ich nach drei Tagen aus den Toten auferstanden bin, dann ist mein Tod nicht etwas Vergangenes, sondern mein Tod hat Gültigkeit für alle Zeiten. Genau das bezeugt und besiegelt der Heilige Geist im Abendmahl. So konnte die Frühe Kirche beten: „Christe, du Lamm Gottes, der du die Sünde der Welt trägst (nicht: trugst!). Im letzten Buch der Bibel, der Offenbarung lesen wir, dass Johannes den erhöhten Sohn Gottes schaute, unter anderem auch als das geschlachtete Lamm. Aus einer bestimmten Warte ist der erhöhte Königspriester nach wie vor das geschlachtete Lamm. Dass wir durch den Empfang des Heiligen Abendmahls Anteil an Christus und an seinen herrlichen Verheißungen erhalten, veranschaulicht Paulus dadurch, dass er in 1.Korinther 10 das Abendmahl mit dem Götzendienst kontrastiert. Er sagt, wenn ihr in heidnischen Tempeln an Götzenopferessen teilnehmt, dann handelt es sich um wesentlich mehr als darum, dass man sich dort etwas in sein Bewusstsein ruft. Wenn es nur darum ginge, an was man dann denkt, dann könnte man als Christ ja an Götzenopfern in Tempeln teilnehmen und sich selbst dabei ins Bewusstsein rufen: Ich lasse das Geschehen innerlich nicht an mich herankommen. Ich fühle mich einfach nicht mit den bösen Geistern verbunden. Paulus sagt demgegenüber: Wenn ihr einen Götzentempel betretet und am Essen des Götzenopferfleisches teilnehmt, dann habt ihr Gemeinschaft mit den Dämonen. Eure Teilnahme verursacht Bindungen in eurer Seele. Da kommt ihr nicht einfach raus. Das ist kein Spiel, keine Lappalie. Ich lese einmal, was Paulus schreibt: Was sage ich nun? Dass ein Götze etwas sei, oder dass ein Götzenopfer etwas sei? Nein, sondern dass die Heiden das, was sie opfern, den Dämonen opfern und nicht Gott! Ich will aber nicht, dass ihr in Gemeinschaft mit den Dämonen seid. Ihr könnt nicht den Kelch des Herrn trinken und den Kelch der Dämonen; ihr könnt nicht am Tisch des Herrn teilhaben und am Tisch der Dämonen! Oder wollen wir den Herrn zur Eifersucht reizen? Sind wir etwa stärker als er? (1Kor. 10,19–22). Wenn du an spiritistischen Sitzungen teilnimmst, oder okkulte Praktiken treibst, dann ist das keine Bagatelle. Vielmehr bewirkt es Bindungen, Versklavungen. Was Paulus hier genau mit „Gemeinschaft“ meint, lasse ich offen. Aber so viel bleibt deutlich: Es ist kein unverbindliches Spielen. Paulus sagt: Entsprechend zum Götzenopferfleisch verhält es sich beim Abendmahl. Durch das Essen und Trinken am Abendmahlstisch haben wir reale Gemeinschaft mit Christus durch den Geist Gottes. Es entsteht eine Verbindung von ihm zu uns, also Gemeinschaft, Anteilhaben. Die Aussage von Jesus, die Paulus hier zweimal zitiert: Dies tut zu meinem Gedächtnis besagt tatsächlich zum einen, dass wir uns die vor 2000 Jahren geschehenen Heilstatsachen vergegenwärtigen. Und zum anderen, dass wir diese Tatsachen im Glauben so gewiss empfangen, wie wir das Brot essen und aus dem Kelch den Wein trinken, sodass wir durch das Essen und durch das Trinken Gemeinschaft mit dem Leib und dem Blut Christi haben. Aber die Aussage, Dies tut zu meinem Gedächtnis oder Dies tut in Erinnerung an mich, kann man noch anders übersetzen, nämlich: um mich in Erinnerung zu bringen. 3. Die Proklamation des Herrn (1Kor. 11,26) So wurde dieser Satz in der Regel in der Frühen Kirche verstanden: um mich in Erinnerung zu bringen. Und zwar, um mich in Erinnerung zu bringen vor Gott dem Vater, der uns in Jesus Christus aus der Welt gerettet hat. Wir bringen in der Feier des Abendmahls den Tod Christi der unsichtbaren Welt in Erinnerung. Insofern ist das Abendmahl ein Verkündigungsmahl. Es ist die Proklamation des Todes Christi (1Kor. 11,26). Das Feiern des Abendmahls ist ein Kundgeben an die unsichtbare Welt, dass durch den Tod Christi die Finsternismächte besiegt sind. Im zweiten Kapitel des 1.Korintherbriefes hatte Paulus dies bereits erwähnt. Er hatte geschrieben, als Christus am Kreuz starb, da meinten diese Finsternismächte: Jetzt haben wir es geschafft. Jetzt haben wir gesiegt. Jetzt ist er tot. Ich lese es Ihnen einmal vor: Wir reden Gottes Weisheit im Geheimnis, die verborgene, die Gott vor den Weltzeiten zu unserer Herrlichkeit vorherbestimmt hat, die keiner der Herrscher [Machthaber] dieser Weltzeit erkannt hat, denn wenn sie sie erkannt hätten, so hätten sie den Herrn der Herrlichkeit nicht gekreuzigt (1Kor. 2,7.8) Diese Mächte dachten, der Tod Christi ist unser Triumph. In Wahrheit aber war sein Tod ihre größte und endgültige Niederlage. Indem wir das Abendmahl feiern, verkündigen wir diesen Mächten ihre Niederlage. Diese geschah im Tod Christi am Kreuz auf Golgatha. Insofern ist jedes Abendmahl eine Siegesfeier. In der Zeit der Frühen Kirche ging keine Abendmahlsfeier vorbei, in der nicht proklamiert wurde: „Christus regnat! Christus vincit! Christus imperat!“ Das heißt auf Deutsch: „Christus regiert! Christus siegt! Christus herrscht!“ Genau diesen Sieg feiern wir im Abendmahl, und durch unser Essen und Trinken verkündigen wir es, und zwar solange bis die Posaune des Erzengels erschallt und Christus sichtbar wiederkommt. Bis zum Anbruch dieses Tages dürfen wir im Blick auf die unsichtbare Welt proklamieren: Du bereitest uns einen Tisch im Angesicht unserer Feinde und unser Becher fließt über. Amen. 8