Bekennende Evangelisch-Reformierte Gemeinde in Gießen (BERG) Wortverkündiger: Dr. Jürgen-Burkhard Klautke (03.01.2021) Wortverkündigung: Matthäus 5,1–3 Thema: Das Reich Gottes, das Christus bringt, ist völlig anders als alle unsere Vorstellungen darüber Psalmen/Lieder: Psalm 23a,1–5; Psalm 38a,1–5.12; Psalm 42a,1–3.6.7; Psalm 108a,1–5.8–10 Gesetzeslesung: 2.Mose 20,1–17 Schriftlesung: Matthäus 28,1–20 Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus! Das Wort Gottes bringe ich Ihnen heute aus dem Matthäusevangelium, und zwar aus der Bergpredigt. Wir wollen uns stellen unter den Anfang dieser herrlichen Proklamation der Herrschaft Gottes. Bekanntlich beginnt die Bergpredigt mit den Seligpreisungen. Es geht heute um Matthäus 5,1–3, also nur bis zur ersten Seligpreisung. Um des Zusammenhangs willen lese ich zunächst ab Matthäus 4,12, und die Schriftlesung endet in Kapitel 5,12. Gemeinde unseres Herrn Jesus Christus! Der österreichische Schriftsteller Stefan Zweig schrieb im Jahr 1941, also mitten im 2. Weltkrieg ein Buch. Dieses Buch trägt den Titel: „Die Welt von gestern“. In diesem Buch berichtet Stefan Zweig von einem historischen Augenblick in seinem Leben. Es war ein Moment, in dem es ihm gleichsam wie Schuppen von den Augen fiel. Er schildert Folgendes (ich fasse es zusammen): In der Schweizer Grenzstadt Buchs [sie liegt an der Grenze zum Fürstentum Liechtenstein] habe ich im Herbst 1919 einige unvergessliche Augenblicke mitgemacht. Ich bemerkte eine merkwürdige Unruhe bei den Grenzbeamten und Polizisten. Es war, als ob sie auf etwas sehr Wichtiges warteten. Wir hörten die Klingel läuten, die die Ankunft eines Zuges aus der Richtung Österreich meldete. Die Beamten aus dem Stationsgebäude kamen schnell herbeigelaufen. Auf dem Bahnsteig stand eine kleine Gruppe Wartender. Unter ihnen war eine ältere, aristokratische Dame in schwarz gekleidet mit ihren beiden Töchtern. Sie war sichtlich emotionalisiert. Sie hatte immer ein Taschentuch vor ihren Augen. Langsam, etwas majestätisch rollte der Zug in den Bahnhof. Es war kein normaler Zug mit normalen Passagierwagen, sondern mit Salonwagen. Als der Zug zum Stillstand kam, kam Bewegung in die Reihen der Wartenden. Das war der Augenblick, so Stefan Zweig, dass ich hinter den Spiegelfenstern des Salonwaggons die hochaufragende Gestalt von Kaiser Karl sah, dem letzten Kaiser von Österreich, und neben ihm seine schwarzgekleidete Gemahlin Kaiserin Zita. Mich überfiel ein Schaudern: Der letzte Kaiser von Österreich, der Erbe der Habsburger Dynastie, die 700 Jahre lang regiert hatte, verließ nun für immer sein Land. Unter Zwang. Dort stand er als eine riesenhafte Gestalt am Fenster und starrte zum letzten Mal zu den Bergen, den Häusern, den Menschen seines Landes. Es war ein historischer Augenblick, den ich erlebte. Soweit Stefan Zweig in meiner Zusammenfassung. Der Grund, warum ich diese Begebenheit schildere, ist: Hier erfuhr jemand hautnah, was Geschichte ist. Stefan Zweig erlebte, wie wir menschliche Geschichte erfahren: als Vergänglichkeit, als Zeitlichkeit. Als ich dies las, erinnerte ich mich daran, wie ich zum ersten Mal den Dom in Speyer besuchte. Ich stieg hinab in die Kaisergruft. Sie liegt unterhalb des Gottesdienstraumes. Dort unten sind zahlreiche mittelalterliche deutsche Kaiser begraben, vorrangig aus dem Haus der Salier. Auf dem Weg dorthin sieht man an der Wand eine Statue. Sie stellt Rudolf von Habsburg dar, den ersten habsburgischen Kaiser. Er ist etwas nach vorne gebeugt dargestellt, offenkundig gebückt unter der Last, nun die Aufgabe zu übernehmen, das Heilige Römische Reich Deutscher Nationen zusammenzuhalten. Nach dem sogenannten Interregnum war es seine vorrangige Aufgabe, das Reich irgendwie vor dem Zerfall zu bewahren. Das Kaisertum (Imperium) und das Papsttum (Sacerdotium) hatten sich zuvor 200 Jahre lang gegenseitig bekämpft. Nun lagen beide Mächte erschöpft am Boden. In dieser Situation bestiegen die Habsburger den Kaiserthron. Stefan Zweig schildert, wie er das Ende der Habsburger Dynastie erlebte. Kaiser Karl I. von Österreich, gleichzeitig König Karl IV. von Ungarn hatte seine Herrschaft faktisch bereits 1916 verloren. Nach dem verlorenen 1. Weltkrieg musste er endgültig abdanken und für immer sein geliebtes Österreich verlassen. Das waren die Forderungen der linken Republikaner. Zweifellos war dies ein Einschnitt für Österreich. Es war ein Einschnitt für ganz Europa. In ihren Glanzzeiten hatten die Habsburger über ein Reich geherrscht, das sich über weite Teile Amerikas erstreckte, sodass sie behaupten konnten, in ihrem Reich gehe die Sonne niemals unter. Aber hier auf dem Grenzbahnhof in Buchs war im Jahr 1919 das endgültige, vergleichsweise unspektakuläre Ende des Kaiserreiches gekommen. So verläuft Geschichte. So geht Macht dahin und menschliches Vermögen versinkt. Jedermann war damals deutlich: Das Bisherige ist vorbei. Vermutlich muss man älter werden, um ein Verständnis von dem zu bekommen, was Vergänglichkeit, was Unbeständigkeit in der Zeit ist. Solange man jung ist, weiß man natürlich auch, dass man sterben muss. Aber es scheint noch so weit weg zu sein. Man schmiedet Pläne für die Zukunft. Man wirft seinen Anker in die Welt, will sie erobern im Sinn von: Was kostet die Welt?! Aber irgendwann ist für einen jeden von uns hier auf Erden Schluss. Vielleicht erfahren wir in besonderer Weise dies in den Tagen rund um den Jahreswechsel. In dem gelesenen Abschnitt aus dem Matthäusevangelium geht es ebenfalls um einen Einschnitt. Aber wir hören hier, wie jemand seine Herrschaft antritt und wie er sein Reich proklamiert. Es geht nicht um ein irdisches, um ein zeitliches Reich, sondern es handelt sich um ein himmlisches, ein ewiges Reich. Es ist Christus, der Sohn Gottes, der das Reich der Himmel verkündet, ja, der in seiner eigenen Person dieses Reich Gottes bringt. Ich verkündige Ihnen am ersten Sonntag des neuen Jahres das Wort Gottes unter dem Thema: Das Reich Gottes, das Christus bringt, ist völlig anders als alle unsere Vorstellungen darüber. Wir achten auf drei Punkte: 1. Jesus Christus, der das Reich Gottes bringt, hat es nicht eilig 2. Jesus Christus bringt ein Reich, das so niemand erwartet 3. Jesus Christus adressiert sein Reich an die geistlich Bedürftigen 1. Jesus Christus, der das Reich Gottes bringt, hat es nicht eilig Bis zu seinem dreißigsten Lehensjahr lebte Jesus in Nazareth. Zweifellos hatte er sich in diesen Jahren in Galiläa umgeschaut. Er war in dieser Zeit gewiss in der Gegend herumgekommen. Er hatte sich zweifellos auch umgehört. Man stelle sich vor: Bereits als Zwölfjähriger hatte Jesus die Wortführer des Judentums im Tempel in Erstaunen versetzt (Lk. 2,47). Was hätte Jesus im Lauf dieser Jahrzehnte nicht alles sagen können?! Aber nein. Bis dahin war sein Leben geprägt durch Zurückhaltung und durch Entsagung. Mit anderen Worten: durch eine gewaltige Selbstzucht. Vermutlich war es gerade das Wissen um die eigene Berufung, die ihn so diszipliniert sein ließ: Jesus Christus handelte nicht vor der Zeit. Offenkundig war er nicht von einer wuseligen Unruhe bestimmt oder von einer aufgeregten Nervosität. Der Herr schien es nicht eilig zu haben. Aber eines Tages ging Jesus dann zum Jordan. Dort wurde er von Johannes getauft. Aber gleich danach wurde er vom Geist Gottes in die Wüste geführt. Das heißt: Einsamkeit. Dort wurde er von dem Teufel versucht. In Matthäus 4,17 heißt es danach kurz und bündig: Von da an begann Jesus zu verkündigen und zu sprechen: „Tut Buße, denn das Reich der Himmel ist nahe herbeigekommen!“. Erst also jetzt tritt der Sohn Gottes an die Öffentlichkeit. Nach den Versuchungen in der Wüste war Jesus von Nazareth nach Kapernaum umgezogen. Das tat er, wie wir lasen, um die Schrift zu erfüllen (Mt. 4,13–16). In dieser Stadt predigte Jesus (Mt. 4,17). Er berief bald Jünger in seine Nachfolge (Mt. 4,18–22). Er zog danach in Galiläa umher und verkündete dort das Reich Gottes. Er heilte auch Krankheiten und Gebrechen, und er trieb Dämonen aus. Das lesen wir in Matthäus 4,23.24, und die gleiche Formulierung finden wir erneut in Matthäus 9,35. Dazwischen erfahren wir das, was das von Jesus Christus gebrachte Reich Gottes ist: In Matthäus 5 bis 7 wird uns der Verkündigungsinhalt mitgeteilt, und anschließend erfahren wir, wie er seine Botschaft durch Wunder unterstreicht (Mt. 8–9). Eine große Volksmenge folgte Jesus (Mt. 4,25): Menschenmassen waren auf den Beinen, um Jesus zu hören. Der Grundtenor seiner Verkündigung lautete: Das Reich Gottes ist nahe herbeigekommen (Mt. 4,17). So ging es eine geraume Zeit. Aber eines Tages trat insofern etwas Neues ein, als der Herr, der bis dahin vorrangig in den Synagogen gepredigt hatte (Mt. 4,23), nun auf einen Berg stieg und von dort das gekommene Reich Gottes verkündete. Nein, lesen wir bitte genau. Es heißt hier nicht: Jesus stieg auf einen Berg, sondern Jesus stieg auf den Berg (Mt. 5,1). Wir wissen nicht, welchen Berg Matthäus genau meinte. Aber es war offenkundig ein ganz bestimmter Berg: der Berg. Wir hörten vorhin auf das letzte Kapitel des Evangeliums nach Matthäus: Dort ordnete der Sohn Gottes nach seiner Auferstehung an, dass seine Jünger nach Galiläa kommen sollen, und zwar zu dem Berg (Mt. 28,6.10.16–20). Auf diesem Berg gab der Herr seinen Jüngern den Missionsbefehl. Offenkundig handelte es sich um denselben Berg, von dem aus Jesus die Bergpredigt hielt. Wenn wir diesen Zusammenhang im Auge behalten, dann begreifen wir, wie die Bergpredigt zu verstehen ist: Die Bergpredigt ist in komprimierter Form das, was später die Apostel allen Völkern zu verkünden haben. Aus der Bergpredigt erfahren wir, was Jesus Christus unter dem Reich Gottes verstanden wissen will. Mehr noch: In Wahrheit ist dieses Reich in der Person des Sohnes Gottes selbst gekommen. Von nun an wird das Reich der Himmel in die Welt der irdischen Reiche eindringen. Dabei wird immer wieder deutlich, dass dieses Hineinkommen des Reiches Gottes in diese Welt zu Konflikten führt. Aber auch abgesehen davon waren die Tage, in denen Jesus auf den Berg stieg und das Reich Gottes verkündete, eine spannungsvolle Zeit. Es war eine Zeit, die durch Zänkereien, Parteiungen und Zerwürfnisse unter den Menschen geprägt war. Es war auch eine Zeit der politischen Unruhen. Es wird noch eine Generation dauern, 40 Jahre, bis Jerusalem zerstört sein wird, bis der Tempel im Jahr 70 in Flammen aufgegangen sein wird und bis das alttestamentliche Bundesvolk untergegangen und in die Sklaverei verkauft sein wird. Mit anderen Worten: Als Jesus auf dem Berg seinen Mund öffnete, tat er dies in einer Zeit vorgefühlter Katastrophen. Jedermann ahnte: So kann es nicht mehr lange weitergehen. Es war aber auch eine Zeit, in der Menschen von der Frage bewegt waren: Wird der Messias jetzt kommen? Nicht wenige Menschen waren von dieser Thematik elektrisiert. Ich kann aus Zeitgründen das jetzt nicht ausführen. Aber innerhalb des Judentums gab es in jenen Jahrzehnten Überlegungen, dass eigentlich nun die Zeit gekommen sein müsse, in der der Messias erscheinen werde. Man folgerte dies aus verschiedenen Bibelstellen. Ausschlaggebend war Daniel 9,27. In den letzten Versen von Daniel 9 geht es um die sogenannten 70 Jahrwochen. Die Frage lag in der Luft: Wird in dieser Zeit der Messias auftreten und dem Israel das Reich wiederherstellen? Bei nicht wenigen herrschte Endzeitstimmung. Verschiedene Strömungen innerhalb des Judentums reagierten darauf, und zwar politisch, gesellschaftlich und auch religiös. Manche wiegelten ab, andere ließen sich durch ihre Erwartungen in ihrem Sinnen und Handeln bestimmen. Jesus selbst, nahm die geistigen Strömungen seiner Zeit sicher wahr. Aber das Erstaunliche ist: Jesus Christus selbst ließ sich selbst nicht von der ihn umgebenden Unruhe anstecken. Er zeigte keine Hast und keine Aufregung. Er hatte es nicht eilig. 2. Jesus Christus bringt ein Reich, das so niemand erwartet Fragen wir genauer: Was herrschten damals für Ansichten über das Reich Gottes? Wie erwarteten die Menschen das Kommen des Himmelreiches? Ich nenne einmal vier Auffassungen, die innerhalb des damaligen Judentums im Trend waren. Erstens gab es da die Sadduzäer: Die Sadduzäer bildeten die gesellschaftliche Oberschicht. Diese Leute gaben in der Öffentlichkeit den Ton an. Aus diesen Kreisen kamen die Hohepriester. Einer von ihnen war Kaiphas. Von diesem Mann ist ein ihn kennzeichnendes Wort überliefert. Als das höchste jüdische Gericht, das Sanhedrin, kurz vor der Kreuzigung Jesu zusammentrat, um seine Beseitigung in die Wege zu leiten, stand Kaiphas auf und erklärte: Macht euch doch einmal Folgendes klar: Es liegt in euer aller Vorteil, wenn für das Volk ein Mensch stirbt, sodass nicht das ganze Volk zugrunde geht (Joh. 11,49.50). Das Denken der Sadduzäer war von politischer Nützlichkeit bestimmt. Bei ihren Entscheidungen gingen sie berechnend und kalkulierend vor. Ihnen war klar: Jesus muss beseitigt werden: Aber lasst uns die Sache geschickt anpacken, sodass es aussieht, als hätten nicht wir die Hinrichtung veranlasst, sondern dass andere dafür verantwortlich gemacht werden. Dann sind wir nämlich fein raus (Mt. 26,4). Im Blick auf das Kommen des Reiches Gottes war ihre Einstellung von Gleichgültigkeit bestimmt: Wenn dieses Reich nicht allzu anders sein wird, als es in der Welt jetzt läuft – na ja gut, vielleicht alles auch ein bisschen besser – dann hatten sie nichts dagegen einzuwenden. Aber grundlegend, so waren sie überzeugt, darf sich dadurch nichts ändern. Zweitens waren da die Pharisäer. Das waren die Wortführer der religiösen Bevölkerung. Nach außen hin galten sie als fromme Menschen. Aber ihren Gehorsam gegenüber dem Gesetz Gottes vermischten sie mit Menschensatzungen und Menschentraditionen. Das Wichtigste des Gesetzes, die Liebe und die Barmherzigkeit fiel bei ihnen unter den Tisch (Mt. 23,23, siehe ab 23,13). Sie waren nicht geradlinig, nicht aufrichtig. Indem sie auf die Menschen schielten, ließen sie sich von der Überlegung bestimmen, unter allen Umständen in ihrer Umgebung einen frommen Eindruck zu machen. In gewissem Sinn waren sie näher an den Leuten dran als die Sadduzäer. Aber ihr Interesse war, die Religion mit äußeren, für sie vorteilhaften Umständen zu kombinieren. Sie wollten beidem dienen: sowohl Gott als auch sich selbst, sprich dem Geld, dem Mammon. Indem sie den Anschein zu erwecken suchten, sie würden sich eifrig um die Gebote Gottes kümmern, verachteten sie die, die das mit dem Frommsein nicht so hinbekamen, wie scheinbar sie selbst. In Wahrheit aber war ihre Frömmigkeit eine Maske, mit deren Hilfe sie sich von den anderen elitär abgrenzten… Dabei waren sie zutiefst von sich selbst überzeugt. Sie meinten: Das Reich Gottes ist genau für solche Leute vorgesehen, wie wir es sind. Wenn alle so leben würden, wie wir Pharisäer, dann wäre es für Gott unmöglich, das Kommen seines Reiches noch lange hinauszuzögern. Drittens waren da die Zeloten. Das waren Menschen, die das Unrecht und die Gewaltherrschaft der Römer sehr scharf in den Blick nahmen. Sie bildeten Partisaneneinheiten, die in Guerilla-Taktik gegen die Römer aufbegehrten. Vor allem wirkten sie im unwegsamen Bergland Galiläas. Zu ihren Gewalttaten fühlten sie sich berechtigt, indem sie auf die Geschichte Israels verwiesen. Diese deuteten sie in politischen Kategorien. Sie erinnerten an die Makkabäer, die knapp zweihundert Jahren zuvor gegen den hellenistisch-syrischen Herrscher Antiochus Epiphanes die Unabhängigkeit des Landes gewaltsam erstritten: Lasst uns entsprechend handeln und uns gegen die Römer empören! Ganz sicher hatte Jesus in seiner Jugendzeit aus der Nähe Zeloten miterlebt. Übrigens auch einer der Jünger Jesu kam aus diesen Kreisen: Simon der Zelot (Lk. 6,15; Mt. 10,4). Das Reich Gottes bricht an, so meinten die Zeloten, sobald wir uns politisch befreit haben und die Römer vertrieben sind. Viertens gab es noch die Essener. Über sie ist in den vergangenen Jahrzehnten durch Ausgrabungen in der Nähe des Toten Meeres einiges bekannt geworden. Angesichts der Verderbtheit der Gesellschaft hatten sie beschlossen, sich aus allem zurückzuziehen. Sie durchschauten, wie korrupt und verlogen das Volk geworden war. Aber sie selbst waren nicht bereit, irgendwelche Verantwortung für das Gemeinwesen zu übernehmen. Im Gegenteil: Ihre Lebenseinstellung lautete: sich absondern, sich separieren. Vielleicht dachte Jesus an sie, als er darauf hinwies, dass man sein Licht nicht unter den Scheffel stellen solle. Die Essener bezeichneten sich nämlich selbst als „Kinder des Lichtes“, und die anderen galten ihnen als „Kinder der Finsternis“. Ich fasse noch einmal zusammen: Die Sadduzäer meinten auf dem Weg diplomatischer Tricksereien dem Reich Gottes näherzukommen, wenn es denn überhaupt kommen wird. Die Pharisäer dachten: Denjenigen, die nach außen den Schein der Bravheit wahren, kommt das Reich der Himmel zu. Die Zeloten waren überzeugt, dass ähnlich wie sich einst David gegen die Philister erhob und gegen die Fremdherrschaft revoltierte, sie einen angemessenen Beitrag zum Kommen des Reiches Gottes leisten, wenn sie kräftig auf den Putz hauen. Die Essener hatten verinnerlicht, dass es alle falsch machen außer denen, die sich in Hinterzimmer verkrümeln. Sie meinten zu wissen: Es sind die Separatisten, die durch ihr Verhalten das Kommen des Reiches Gottes voranbringen. Im Grunde war keine dieser vier Gruppierungen besonders scharf auf Seligpreisungen. Für die Sadduzäer waren Seligpreisungen frommes Geschwätz. Ihnen erschienen Segensworte wie Schall und Rauch. Wir würden heute sagen: Sie waren liberal und diesseitsorientiert. Von daher waren sie überzeugt, dass man die eigene Zunge am besten einsetzen kann, wenn man hinter gesellschaftspolitischen Redefloskeln die Wahrheit verbirgt, um dann sein eigenes Scherflein ins Trockene zu bringen. Die Pharisäer hatten gegenüber Seligpreisungen Vorbehalte, weil ihres Erachtens in ihnen die Gefahr steckte, dass sich dann die Leute nicht genügend selbst anstrengen und sich mühen, das Reich Gottes voranzubringen. Den Zeloten erschienen Seligpreisungen als Opium für das Volk: Anstatt die Gesellschaft mit Seligpreisungen abzuspeisen, müsse die Bevölkerung gegen die Herrschenden mobilisiert werden. Die Essener hielten deswegen nichts von Seligpreisungen, weil derartiges ihnen zu positiv und zu wenig lebensverneinend vorkam. Seligpreisungen würden ihre so vertraute, trubselige Blickweise auf das Dasein in Frage stellen. Denn ihre eigene Abgeschiedenheit genossen sie im Geheimen viel zu sehr, als dass sie durch Glückseligpreisungen aus ihrer Isolierung heraustreten wollten. Ich verrate niemandem ein Geheimnis, dass es ähnliche Ideen nicht nur damals gab. Deswegen ist uns Jesus mit seiner Verkündigung des Reiches Gottes so nahe. Was er damals von diesem Berg sprach, ist außerordentlich aktuell. Ich vermute, dass wir alle die Bergpredigt schon einmal gelesen haben und auch schon die eine oder die andere Predigt über Abschnitte aus dieser Proklamation des Himmelreiches gehört haben. Aber ich will es einmal so sagen: In einem Krankenhaus hören Patienten mit offeneren Ohren auf das, was ihnen ein Arzt sagt, als wenn sie das gleiche auf der Straße allgemein vernehmen. Ich habe den Eindruck, dass dieser Jahreswechsel mehr der Situation in einem Krankenhaus gleicht. Der Grund liegt nicht darin, dass Krankenhäuser momentan offen sind, während man auf unseren Straßen inzwischen die Ausgangssperre zu beachten hat und bald wohl auch in seinem Bewegungsradius erheblich eingeschränkt wird. Ich meine es anders: Heute fühlt man eher als noch vor einem Jahr, dass es ernst geworden ist. Pausenlos wird uns durch die Staatsmedien mitgeteilt, Corona sei ein einzigartiges Killervirus, das weltweit eine Pandemie ausgelöst habe. Es werden Impfungen angepriesen, bei denen, wenn man genau hinhört, die Sachverständigen uns gleichzeitig mitteilen, dass die Injektionen gar nicht wirklich vor Corona schützen, sondern bestenfalls die Auswirkungen abmildern. Hinzu kommt der Lockdown, bei dem sich jeder ausrechnen kann, zu welchen wirtschaftlichen Verwerfungen er führt, und dass dadurch der eigene Arbeitsplatz gefährdet sein könnte. Am Horizont erscheint als Denkbarkeit eine bevorstehende Kollektivierung großer Teile unseres Privateigentums. Nicht zuletzt stehen die Migrationsströme, namentlich des politischen Islam nach Europa vor unseren Augen. Wie fragen: Was soll das alles werden? Wohin führt das? Wo man hinschaut: Ratlosigkeit, Fragen und Not! Dann haben wir noch nicht einmal unsere private Situation in den Blick genommen: Gibt es irgendjemanden unter uns, der in seinem engsten Umfeld nicht Ehen und Familien kennt, die total zerstritten und kaputt sind? Wie würden wir reagieren, wenn Jesus uns nun erklärt: Begreift diese Notzeit, in der ihr lebt, als Chance! Die Krise kann eine Chance sein, und zwar für jeden einzelnen von euch und für uns als Gemeinde. Sie kann dazu führen, dass wir einmal aufwachen, neu auf Gottes Wort hören, und alle Herren dieser Welt links liegen lassen, um sich allein auf Christus, den Herrn, den Kyrios zu besinnen. Als Johannes der Täufer auftrat, war seine Botschaft unmissverständlich: Tut Buße! Kehrt um! Die Axt ist an die Wurzel der Bäume gelegt. Auch bei den Propheten hören wir immer wieder die Donnerstimmer, die zur Umkehr ruft. Wir sollten bei diesen Aussagen nicht weghören! Aber ist uns schon einmal aufgefallen, dass bei diesen Verkündigern immer wieder auch die Frohe Botschaft mit gewaltigen Heilsverheißungen zu hören ist? Johannes der Täufer rief eines Tages: Siehe, das ist das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt! (Joh. 1,36). Jeremia verkündete in Kapitel 31 die bekannte Verheißung des Neuen Bundes. Unmittelbar danach, in Kapitel 32 wird uns die Eroberung und die Zerstörung Jerusalems durch die Babylonier geschildert. Also gerade in der dunkelsten Stunde erschallt die frohmachende Botschaft am erquickendsten. Gerade dann hören wir sie reicher als zuvor. Man hat geradezu den Eindruck: Dort wo die Sünde mächtig ist, da ist die Gnade viel mächtiger. Warum ist das so? Wie ist das möglich? Interessiert sich Gott nicht für unsere Sünde? Können wir also deswegen angesichts unserer Ungerechtigkeit einfach zur Tagesordnung übergehen? Nein, der Grund ist ein anderer: Das Geheimnis ist, dass Gott die Sündenstrafe an jemand anderem heimgesucht hat, an seinem eigenen Sohn. Wegen dieser Stellvertretung schenkt Gott der Herr einen Überfluss an Gnade jedem, der zu ihm umkehrt und sein Leben im Glauben auf Christus wirft. Als Jesus auf dem Berg seinen Mund öffnete, geht es genau darum. Es sind neun Seligpreisungen, in denen Christus auf eine so überreiche Weise die Gnade Gottes ausgießt: Selig, Glückselig, Glückselig, Glückselig… So als ob es mit unserer Glückseligkeit gar kein Ende hat. Welch ein Trost! Welch ein Halt in dunkler Zeit! Dabei ist das, was Jesus in der Bergpredigt verkündet, alles andere als „billige Gnade“. Bekanntlich kommt nirgendwo das Wort Hölle oder höllisches Feuer so konzentriert vor wie in der Bergpredigt. Wehe uns, wenn wir das wegstreichen! Aber Jesus beginnt seine Rede mit Seligpreisungen. Man könnte Jesus nun die Frage stellen: Herr, hast du dich nicht doch allzu sehr den berüchtigten Friede-Friede-Propheten angepasst? Johannes der Täufer hatte eine ähnliche Frage: Bist du der, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen anderen warten? Mit anderen Worten: Jesus, es ist ja prima, wenn du Heilungswunder praktizierst und dich vorzugsweise den Zöllnern, Huren und sonstigen gesellschaftlichen Außenseitern zuwendest. Aber, Herr, in deine Hand gehört doch auch die Worfschaufel, in der du wie auf einer Tenne zwischen Spreu und Weizen sichtest! Gebrauche auch einmal die Axt und dann ranklotzen, damit die großen Bäume endlich stürzen! Ihr Lieben, gehen wir einmal davon aus, dass sich unser Herr und Heiland bei den Seligpreisungen nicht im Ton vergriffen hat, sondern dass er genau wusste, was das Reich Gottes ist, auch wenn es in dieser herrlichen, trostvollen Weise von niemandem erwartet wurde. 3. Jesus Christus adressiert sein Reich an die geistlich Bedürftigen Das Reich Gottes, das mit und in Jesus Christus gekommen ist, und das der Herr hier verkündet, schlägt tatsächlich durch. Das erfahren wir aus dem Ende der Bergpredigt: Die Scharen entsetzten sich über seine Lehre, weil er mit Vollmacht sprach und nicht wie die Schriftgelehrten (Mt. 7,28). Und dieses Reich verkündet Jesus, indem er mit Ansagen beginnt, die alle mit glückselig anfangen. ^ Im Folgenden sehen wir dann, was außerdem noch zum Reich Gottes gehört. Das Reich Gottes besteht auch in dem, was die Nachfolger des Herrn in dieser Welt um Christi willen erleiden (Mt. 5,11). Nicht zuletzt besteht das Reich Gottes in einer neuen Lebensführung: Ich aber sage euch… (Mt. 5,22.28.32.34.39.44). Und als wenn das nicht ausreicht, fügt der Sohn Gottes mit Nachdruck hinzu: Nicht jeder, der zu mir sagt: „Herr, Herr!“ wird in das Reich der Himmel eingehen, und dann werde ich ihnen sagen: „Ich habe euch niemals gekannt“ (Mt. 7,21–23). Übrigens belegt gerade die Aussage, Ich habe euch niemals gekannt, dass sich die Frage, ob wir zum Reich Gottes gehören oder nicht, daran entscheidet, ob wir Jesus kennen: Kennst du Jesus Christus? Mehr noch: Kennt Jesus Christus dich? Diese Frage darf beim Hören auf die Bergpredigt niemals unterschlagen werden. Aber noch einmal: Die Bergpredigt beginnt nicht mit einem moralischen Tugendkatalog, sondern damit, dass das Reich der Himmel den Armen, den Trauernden, den Sanftmütigen verheißen wird. Das Reich Gottes beginnt damit, dass das Thema der Moral gewissermaßen ausgeblendet wird: Im Reich Gottes, das in Jesus Christus gekommen ist, werden diejenigen selig gesprochen, die dieses Reich am meisten benötigen, und zwar deswegen, weil sie am kläglichsten dran sind: die Armen, die Trauernden, die Hungernden, die Dürstenden, die Verfolgten und nicht zuletzt diejenigen, die nach dem Urteil vieler Zeitgenossen „das Leben nicht bewältigen“, also als lebensuntüchtig gelten, wie zum Beispiel die Sanftmütigen, also diejenigen, die nicht so clever sind, sich im Leben mit groß Macht und viel List durchzuboxen. Das Reich Gottes, das Jesus Christus bringt, macht alles anders. Es macht alles so anders, dass dadurch auch wir anders werden. Moralische Begriffe wie zum Beispiel „Gerechtigkeit“ bekommen damit einen neuen Sinn. „Gerechtigkeit“ meint im Reich Gottes mehr als äußerliche Bravheit und Anständigkeit, wie es von den Pharisäern und Schriftgelehrten gedacht war. Es geht bei der Gerechtigkeit im Reich Gottes nicht um unsere mehr oder weniger gute Pflichterfüllung, sondern die Gerechtigkeit des Reiches Gottes fließt aus der immer neuen, unerschöpflichen Kraft des Lebens Christi. Diese Gerechtigkeit ist eine Gabe. Sie ist ein Geschenk dessen, der gekommen ist, um das Gesetz und die Propheten zu erfüllen. Dabei verhält es sich keineswegs so, dass Jesus seine Seligpreisungen über alle, die gerade anwesend ist, gießkannenmäßig ausschüttet. Es heißt: Als Jesus die Scharen sah, ging er auf den Berg, und nachdem er sich gesetzt hatte, traten seine Jünger zu ihm. Die Scharen standen drum herum. Sie hörten mit. Aber adressiert ist das, was Jesus auf dem Berg sagt, an die Jünger Jesu. Ich las einmal, Jesus habe diese Rede deswegen auf einem Berg gehalten, weil er sich mit Mose vergleichen wollte, sodass er als der Erfüller von Moses Gesetzgebung aufgetreten sei. Ich bin mir da nicht so sicher. Halten wir auf jeden Fall fest, dass Mose selbst nicht von einem Berg zum Volk Israel sprach. Jesus ging wohl eher deswegen auf den Berg, weil man von einem erhöhten Flecken besser gesehen werden kann und dann auch leichter sprechen kann. Insofern war der Berg eine Art natürliche Kanzel. Während die Scharen mithörten, aber mehr aus der Distanz, traten die Jünger herzu, und Jesus richtete seine Botschaft an die Jünger. Damit wird noch etwas deutlich: Um Jünger des Herrn zu sein, ist eine Entscheidung erforderlich. Jesus schloss die Scharen nicht aus. Es war durchaus möglich, sogar wahrscheinlich, dass sich während seiner Predigt immer wieder der eine oder der andere aus der anonymen Schar löste, heranrückte und sich zu den Jüngern setzte, zu den Füßen Jesu. Der Sohn Gottes sprach zu allen, und doch zog er mit seinen Worten eine geistliche Grenze: Tatsächlich begriffen diejenigen, die die Bergpredigt hörten, sehr gut, dass die Worte Jesu einen jeden in eine Glaubensprüfung führen, in ein Entweder–oder. Genau da war dann die Worfschaufel des Christus aktiv. Oder so wie es Paulus später einmal sagen wird: Den einen ist das Wort Gottes ein Geruch zum Tod und den anderen ein Geruch zum Leben, zur Seligkeit (2Kor. 2,14). Um Jünger Jesu zu sein, musst du eine geistliche Trennlinie überschreiten, die zwischen geistlichem Tod und dem Leben aus Gott steht. Es handelte sich also gewissermaßen um ein Hören in Abstufungen: Die Scharen hören auf dem Berg mit (Mt. 7,28). Aber adressiert ist die Verkündigung des Reiches Gottes an die Jünger, also an die, von denen es heißt: Jeder, der meine Worte hört und sie tut… (Mt. 7,24). Dass die Bergpredigt sich an die Jünger richtet, wird überdeutlich in den Seligpreisungen. Von diesen wollen wir heute nur die erste genauer beachten: Glückselig sind die Armen im Geist, denn ihrer ist das Reich der Himmel. Lukas überliefert: Selig die Armen und er stellt sie den Reichen gegenüber (Lk. 6,20). Dadurch wissen wir, dass es sich um wirkliche Arme handelt, also um materiell Beengte. Wenn Matthäus überliefert, die Armen im Geist oder die Armen von Geist sollten wir darum die Armut nicht zu schnell auf eine private Innerlichkeit reduzieren. Wir sollten dieses Wort also nicht – im schlechten Sinn des Wortes – „vergeistlichen“. Jesus hat hier erkennbare Armut vor Augen. Es geht ihm um Menschen, die die Mittel nicht haben, um das Nötige für ihr Leben zu erwerben, also die wirkliche Not haben. Wenn wir das im Blick haben, dann ist es sicher gestattet, das Wort von der Armut auszubreiten: Man kann arm sein an Geld. Aber man kann auch arm sein an Gesundheit oder auch an sozialen Kontakten und Freundschaften. Man kann zu arm sein, um mit den Sadduzäern mitzuhalten, weil man nicht über das Repertoire ihrer Cleverness und List verfügt. Man kann zu arm sein, um zu den Pharisäern zu gehören, weil es einem nicht gelingt, deren Vorstellungen von Bravheit zu entsprechen. Man kann zu arm sein, um sich von den Zeloten rekrutieren zu lassen, weil man gar nicht in der Lage ist, zu kämpfen: Denken wir an Frauen oder Kranke. Nicht zuletzt kann man zu arm sein, um sich den Essenern anzuschließen, weil man gar nicht über die Möglichkeiten verfügt, aus der Gesellschaft auszusteigen, zum Beispiel, wenn man Sklave ist. Es sei noch einmal betont: Jesus spricht hier nicht generell alle Armen selig. Der Herr spricht hier über die Armen im Geist. Das sind die Armen, die mit ihrem Stolz, mit ihrem Hochmut und mit der Härtigkeit ihrer Herzen gebrochen haben. Im Griechischen gibt es zwei Worte für Arme. Der eine Begriff meint so viel wie die „Habenichtse.“ Der andere Begriff lässt eher an „Bedürftige“ denken. Nicht jeder Habenichts ist bedürftig. In dieser Seligpreisung geht es um die Bedürftigen. Es geht um die, die in sich selbst unvermögend sind und die das wissen und deswegen zur himmlischen Quelle eilen. Es geht um die, die es aufgegeben haben, ihre Rettung in sich selbst suchen. Es handelt sich um die Armen, die sich „Lazarus“ nennen lassen. Lazarus heißt: „Gott hilft“. Es sind also die Armen, die ihre Hilfe bei dem dreieinen Gott suchen. Es ist nämlich durchaus möglich, auf eine Weise arm zu sein, dass man dieselbe Mentalität an den Tag legt wie die Reichen. Man kann unterdrückt sein, aber im Fall, der Druck weicht einmal, sogleich selbst zum Unterdrücker werden. Diese Armen sind nicht gemeint. Um hier klar zu sehen, bedarf es geistlichen Unterscheidungsvermögens. Nicht zuletzt ist es für die Armen selbst unverzichtbar, sich die Frage zu stellen: Gehöre ich zu den selbstgefälligen und stolzen Armen, oder gehöre ich zu den Armen, die bei Gott dem Herrn allein ihre Hilfe suchen? Den Letzteren ist das Reich der Himmel verheißen. Denen gilt die Zusage: Gott ist für dich, wer ist dann noch gegen dich? Wer in Ehrfurcht und in Geduld von Gott dem Herrn große Dinge für sein Leben erwartet – und das Größte ist die Veränderung des eigenen Lebens – zu dem sagt der Herr: Selig bist du, denn du darfst große Dinge von mir erwarten. Zu dir kommt das Reich Gottes, das alle Dinge wiederherstellt. Hier in der Jetztzeit vollzieht es sich anbruchhaft, in der Auferstehung des Leibes, in der Vollendung dann in Vollkommenheit. Wenn du jetzt die Frage stellst: Wird also meine Bedürftigkeit hier auf Erden weggenommen, dann antworte ich dir: Warte einmal ab! Wage einmal dein Leben auf den Vater unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus zu werfen. Er ist ein Gott, der in vielfältiger Weise zu erretten vermag. Aber lege alles Zwangsdenken ab! Überlass es seiner Weisheit, wie Gott handeln wird! Lass ihn bestimmen! Genau diese Einstellung entspricht übrigens der von Jesus angesprochenen Armut im Geist. Glückselig: Mit diesem Fanfarenstoß der Freude kündigt Jesus in einer dunklen Zeit das herrliche ewige Reich Gottes an. Wer glaubt dieser Predigt? Was sind deine Vorstellungen, die dich daran hindern, dieser Zusage des Sohnes Gottes zu vertrauen? Wer ist so bedürftig, dass er heute aus der Gesellschaft dieser Zeit heraustritt, um als Jünger Jesu nach dem Himmelreich des ewigen Gottes zu trachten? Dem gilt das herrliche Wort: Glückselig sind die Armen im Geist, denn ihrer ist das Reich der Himmel. Amen. 2