Die Bibel oder die ganze Heilige Schrift mit in den Text eingefiigter Auslegung, ausführlichen Inhaltsangaben und erläuternden Bemerkungen, herausgegeben von K. August Dächsel Die Bibel Heilige Schrift Alten und Neuen Testaments nach der deutschen Übersetzung Dr. Martin Luthers mit in den Text eingefiigter Auslegung, ausführlichen Inhaltsangaben und erläuternden Bemerkungen, herausgegeben von K. August Dächsel, Pastor prim. zu Neusalz a. d. O. Band 5 Das Neue Testament Der ersten Hälfte oder der Geschichtsbiicher erste Abteilung: Die synoptischen Evangelien M Verlag der Lutherischen Buch dl ng Heinrich Harms — 29393 Gro ingen Das» War! matt» Fleifdj nnd woljnetc unter links, und mir sithcn seine Hertlichlieih eine Herrkicljtäeil als» des eingebornen Tsoljnes vom Unter, isocler Gnade nnd All-Unheil. Tun. Ins. l, H. Inhalt Seite Geschichtsbiichen Evangelium St. Matthäi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Evangelium St. Marci . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447 Evangelium St. Lucä . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 577 G 2004 by Verlag der Lutherischen Buchhandlung IsBN 3-86147-269-4 (Band 1—7) ISBN 3—86147—274—0 (Band 5) Herstellung: Druckhaus Harms — 29393 Grols Oesingen Telefon (0 58 38) 99 08 08 — Telefax (0 58 38) 99 08 09 Zu beziehen durch: Verlag der Lutherischen Buchhandlung Martin-Luther-Weg 1 — 29393 Grolå Oesingen Telefon (0 58 38) 990 880 — Telefax (0 58 38) 7 02 Vorrede. -»-«-«-« - Mit Gottes Hilfe ist es dem Herausgeber möglich geworden, binnen 10 Monaten das Mannscript zu den 20 das Evangelium St. Lucü enthaltenden Druckbogen fertig zu stellen, so daß, nach- dem erst im Februar dieses J. der IV. Band des Bibelwerks geschlossen worden, schon heute der V. Band seinen Abschluß erreichtz steht der HErr weiter mit seiner mächtigen Hilfe in dieser Weise bei, so dürfen wir hoffen mit dem Ende des Jahres 1878 auch das Ende des Gesammt- werkes zu erreichen —- die Vorbedingungem um ein solches Ziel zu erreichen, sind bereits erfüllt. Daß aber, ungeachtet der schnellen Förderung, die Arbeit darum doch keine leichtfertige ist, dafür glauben wir-dem geneigten Leser den Beweis gerade mit dieser Lukas-Schrift zu liefern: nicht nur ist ein selbstständiger Versuch gemacht, die so schwierige Frage, wie es mit dem sogen. Reisebericht in Kap· 9, 51 — 18, 30 sich verhalte, zu lösen, der wohl auch von Seiten der Wissenschaft Beachtung finden dürfte, sondern es sind auch in der Einzelerklärung nicht selten Auffassungen 1nitgetheilt, die besonders dem praktischen Geistlichen willkommen sein werden, so namentlich bei mehreren, dem dritten Evangelisten eigenthümlichen Gleichnisseih welche die Kirche ihrer Wichtigkeit wegen zu Sonntags-Perikopen verwendet hat. In der Vorrede zum IV. Bande hat der Unterzeichnete Gelegenheit nehmen müssen, dem Angriff einer politischen Zeitschrift zu begegnen, welcher mit den Waffen des weltlichen Spott- geistes gegen eine Aeußerung über die zunächst uns bevorstehende Zukunft der Kirche sich als gegen ,,frommen Wahnsinn« richtetez inzwischen aber hat derselbe auch Gegner auf Seiten bibel- gläubiger Amtsbrüder und in solchen Zeitschriften gefunden, welche christliches Leben zu fördern und der Erkenntniß der Wahrheit zu dienen sich zum Zweck gesetzt haben. Man nimmt da Anstoß an den eschatologischen Anschauungen, welche das Bibelwerks) vertritt, glaubt sie als seelengefährlich bekämpfen und als irrig ,,mit schlagenden Gründen«, wie man meint, widerlegen zu müssen, würde aber, wie der Herausgeber seinerseits überzeugt ist, damit nur das erreichen, daß die zu dieser unsrer Zeit so mannigfach geängsteten Herzen, welche Christum und sein Reich lieb haben und sich keinen Rath und Trost wissen, was aus der Zukunft werden soll, das rechte Licht des prophetischen Worts in dem dunkeln Ort verlieren, wenn es wirklich gelingen sollte, die Gemüther gegen die hier vorliegende Bibelauslegung einzunehmen und mit derselben zu entzweien. Hier gilt es eine Nothwehr, die Herausgeber und Verleger auch sich selber schuldig sind: nachdent dieselben mit vielen und schweren Opfern bei einem verhältnißmäßig nur geringen pekuniären Gewinn das Werk, das schon manchem Gnadensegen des HErrn zum Werkzeug gedient hat, nun soweit gefördert haben, können sie die Frucht ihrer Arbeit sich nicht durch dergleichen vorschnelle Urtheile verkümmern lassen. Es ist darum nothwendig geworden, das Buch der Offenbarung St. Johannes, obwohl es das letzte der Bibel und eigentlich für if) Ebenso ein vom Herausgeber durch den Druck für weitere Kreise veröffentlichter Conferenz- Vortrag: Schicket euch in die Zeit, denn es ist böse Zeit! Verlag von C. Dülfer in Vreslain 5 Er. VI Vorrede. längere Zeit noch nicht an der Reihe ist, schon jetzt in vollständiger Auslegung vor die Oeffent- lichkeit zu bringen; das soll denn gleichzeitig mit dem demnächst erscheinenden 1. Heft des VL Bandes, welches den LTheil des vierten Evangeliums enthält, geschehen. Weiter aber werden wir es nicht dabei bewenden lassen, das; wir zu Matth. 9, 34; 19, 2 u. 20, 19 schon eine Uebersicht über den Verlauf des Lebens Jesu nach den harmonistisch zusammengestellten Berichteu der vier Evangelisten beigebracht haben; diese Uebersicht läßt für den praktischen Gebrauch immer noch eine große Lücke, wir bedürfen vielmehr, wenn alles klar und anschaulich werden soll, auch einer eigenen Evangelien-HarInonie, welche zunächst für jede einzelne Geschichte die verschiedenen Berichte, wenn solche vorliegen, übersichtlich dem Auge. zur Vergleichnng vorführt, dann aber die Verschiedenheit zur Einheit erhebt und ans den niehrerlei Berichten einen einzigen zusam- menstellt, wie das in Betrefs der Passionsgesehichte ja schon für den kirchlichen Gebrauch gefchehen ist. Von dieser EvaugelieispHarmonie sind bereits mehrere Bogen im Druck vollendet, und wird denn das Ganze ebenfalls gleichzeitig mit dem 1(). Hefte ausgegeben werden; . diese Harmonie bildet den I. Llnhang znm VI. Bunde, der damit zu einem eigenen Heft zusammen- geschlossene IL Anhang bezieht sich auf die Apostelgesehichtcy die mit der zweijährigen Gefangenschaft des Apostel Paulus zu Rom abschließt, und setzt die Geschichte des apostolischen Zeit- alters unter Bezugnahme auf die Epistcln und die Apokalypse bis zu Ende fort. Um mehr- fach geänszerteri dringenden Wünschen von Subscribeiiten des Bibelwerks nach einer Epistel- bearbeitung zu entsprecheiy lassen wir aus die obengenannten Theile die Auslegung des Römer- briefs (Bd. V11»., Heft 1.) unmittelbar folgen. Da hier der in: Vorwort zum 1V. Bande genannte Mitarbeiter helfend eintritt, so werden zur Beschleunigung der Ausgabe die letzten beiden Bände (VI. n. V1I.) des Bibelwerks gleichzeitig hergestellt, doch sollen die einzelnen Theile derselben in geordneter Folge« erfcheinen Freilich gehört von Seiten des Unterzeichneten eine ungeheure Anspauniing Uller seiner Kräfte dazu, um in so rascher Weise das Bibelwerk seinem Abschlnß entgegenzufiihrem auf den er sich noch durch manche anderweite Erwägungen hingedrängt sieht; aber darum bittet er auch alle diejenigen, welche mit Briefen sich an ihn wenden, ihm es freundlichst tiachzusehem wenn er sehr spät und vielfach gar nicht darauf antwortet. Es ist eben nicht anders möglichz jeder Mensch hat nur über Eine Kraft zu verfügen, nur über Eine Zeit zu gebieten, und wo Zeit und Kraft schon vollständig in Anspruch genommen sind, da muß alles, was über das höchste Maß hin- ausgeht, zurückbleiben Eine Freude und Erholung sind aber diese Briefe immer; und ist der Empfänger einem jeden von Herzen dankbar, der mit Trost und Aufrichtung, mit Rath und Zuspruch ihm zu Hilfe kommt. Steinkirche, den 31. Dezember 1874. Deichsel, P. Wie heilige Schrift. Neues Testament. Evangelium St. gistlatthcii Wem die ganze heilige Schrift Wort Gottes ist, dem ist es gar lieblich, daß Matthäus sogleich zuerst auf das alte Testament folgt: er weiset vor allen Evangelien durchweg in vielen deutlichen und verdeckten Hinweisungen auf das alte Testament nach, daß die Geschichte Christi bis in die scheinbar kleinsten Details dort geweissagt und vorgebildet ist. Willst du dieses Evangelium recht anschaulich betrachten, so versetze dich im Geiste nach Paläsiina in die Stelle eines wahrheitsuchendem heilsverlam genden Juden, der die Weissagungen des alten Testaments von seinem Messias kennt und glaubt, nach deren Ersüllung sich sehnt, der von Jesu allerlei Widersprechendes gehört, und dem nun von Matthäus bezeugt wird: Er ist gekommen! Das 1. Kapitel. Christi gesohleahtsregisteh Empsängnisp Natur und Geburt. I- n. 1—17. (§. II) Sud-m St. neuern-iu- mit seinem, zunächst fiir Christen ans dem Iudenthttm bestimmten Evangelio den umfassenden Uaehweis zu fiihren beabsichtigt, daß an Jesu von Uazareth sich alle Meiste— und Kenn- zeichen vorfinden, die in den Schriften des alten Testa- ments in Beziehung auf den messias Jsraels angegeben sind, und er also in der That nnd Wahrheit dieser niemals, der oeeheißene Seligmacher seines Volkes ist, beginnt er mit einem Geschtechtsregister desselben, das ihn von Seiten des Joseph, des Ghegatten seiner Mutter, als einen Sohn Davids, des Sohnes Abraham-i, erkennen läßt. (Vgl. Eule. Z, 23-—38). c Evangelium am Tage lliariii Geburt: V. I ——16.) Der Tag fällt auf den 8. September und ist das erste Fest, welches von vornherein der Verherrlichung der Maria galt. In der lutherischen Kirche wurde er bald fiir ein ,,unreines« Fest erkannt, jedoch in einzel- nen Ländern (Nassau und Brandenburg) einstweilen noch beibehalten, weil er zu tief in das Volksleben verwachsen war, um ihn sofort beseitigen zu können. Jetzt ist er aber gänzlich verschwunden, und steht sein Name nur noch als Ruine aus älterer Zeit in unsern Vibelaus- gaben da. Die Epistel für den Tag ist sogar einem apokryphifchen Buche entnommen: Sirach 24, 22—31. (Ueber die Entwickelung des Perikopenwesens in der christlichen Kirche s. Anm. zu Luk. —1, 20.) 1. Dies sdas im Folgenden aufgestellte Ge- schIechtSregtsterJ ist das Buch von der Geburt [Her- Faust] Jesu Christi, der da ist lwie aus dem Buche selber sich ergeben wird] ein Sohn Davids, des Sohns Llbrahatws [der also auch durch seine mensch- ’«) Diese Angabe nach Paragraphen bezieht sich auf die Harmonie der vier Evangelien nach der Zeitfolge der Be- gebenheiten, welche den Schlußbetnerkungen zu den Evangelien beigegeben ist; der Leser, wird dadurch in den Stand gesetzt, sich in Hinsicht auf den chronologifchen Zusammenhang des jedesutaligen Abschnitts den er vor sich hat, zu orientiren und so das Verständnis; sich wesentlich zu erleichtern. DächsePs Btbelwerh Jesus ist unser Niesftas, und durch uns der Heiland aller Welt. (Richter.) liche Abstammnng als den rechten Messias Jsraeks sich ausweist; denn dieser sollte ja nach 1. Mos 12, 3 ein Sohn Abraham’s, und nach 2. Sam. 7, 12 ff. ein Sohn Davids sein]. Die wundervolle Geburt unsers HErrn Jesu Christi, des Sohnes Gottes und des Menschen Sohnes, die Er- fcheinungen und Zeugnisse der Engel, die seine Geburt verkündigten, das Zeugniß Johannis des Täufers, seine eigentlichen göttlichen Thaten während seines Wandel-Z anf Erden, die Stimmen vom Himmel, die Zeichen und Wunder, womit Gott von ihm zeugte, und feine Auf- erstehung vom Tode: das alles zusammen genommen hätte noch keinen vollständigen Beweis gegeben, daß dieser, unser hochgelobter HErr, der Christus, der den Vätern Jsrael’s, allermeist dem Abraham und dem David ver· heißene Messias sei, und man also die Erfüllung aller Gottesverheißungen von ihm und durch ihn zu erwarten habe; mit dem allen hätten doch auch die besten Israe- liten einen Zweifel behalten können, wenn ihm ein sehr wichtiges, über alles geltendes Merkmal gefehlt hätte, das zu jenem allen nicht nur hinzukommen, sondern fchon vorhergeheey fchon da fein mußte, sobald von ihm unter den Menschen die Rede war, nämlich die Erfüllung der heil. Schriften des alten Testaments, wenn es also mit seiner Abstammung, mit seiner Geburt, seinem Vater- lande und seinem ganzen Lebens- und Leidenswandel stch nicht genau der Schrift gemäß verhalten hätte. Darum zeigt der Apostel Matthäus, dessen Evangelium mehr als die übrigen zum Dienst der Jsraeliten der damali en und der zukünftigen Zeit eingerichtet ist, in demfel en durchgehends an der Person und den Schicksalen Jesu, des Messias, die Erfüllung der Schriften und weist, be- vor er die Geburt des HErrn selbst befchreibt, zuvbrderst feine Abstammung nach. Was nun das vorliegende genealogische Stück einem Juden sein muß, der das Christenthum prüft und sich nach Ueberzeugung von der Wahrheit desselben sehnt, das können wir Christen uns fchwerlich vorstellen; man lese aber einmal die »be- wunderswürdige Führung Gottes in der Lebensgeschichte des Rabbi Chr. Sal. Duitsch — Z. Ausg., Utrecht 1771, S. 77 ff. (Menken.) Die Geschlechtstafeln Jesu Christi waren siir die Zeit, in welcher die Evangelisten schrieben, darum besonders wichtig, weil man vor der Zerstörung Jerusalems und der Zerftreuung des jüdischen Volks an Ort und Stelle aus den ächten Urkunden, welche die Juden sorgsam aufbewahrten und aus denen se. T. I. 1 2 Evangelium Matthäi 1, 2—17. die Evangelisten ihre Geschlechtsregister entnahmen, die Abstammung Jesu von David ersehn konnte; in unsrer Zeit dagegen zeigt sich auch daran, wie vergeblich die Juden noch auf den Niessias hoffen, weil jetzt niemand mehr als den Sohn Davids sich würde ausweisen kön- nen. (v. Gerlach.) Mit dem Tode und der Auferstehung Jesu hört die Bedeutung der Genealogien (Geschlechts- relgister) auf; denn wie er selbst nur nach dem·Fleisch A raham’s nnd Adam’s Sohn ist, nach dem Geist aber der Sohn Gottes (Röni. 1, 3 f.; 9, 5), so daß in dieser geistigen Beziehung Melchisedek gerade als ,,ohne Ge- schlecht« sein Vorbild heißt (Hebr. 7, 3), so zeugt er, nachdem er das Fleisch in den Tod gegeben hat und zu lebendig machendem Geist geworden ist, ein neues Ge- schlecht aus göttlichem Samen, und hat dadurch die Be- deutung der leiblichen Zeugung aufgehoben. (Auberlen.) 2. Abraham zengete Jsaak [1. Mel. 21- 2 f«J« Jsaak zeugete Jakob [1. M 25, 25 f.]. Jakob zeugete Juda und seine Brüder [die 12 Stamm- väter des jüdischen Volks 1. M. 29, 31 ff; 35, 16 fs.; 1. Chiron. 2, 1 f·, unter welchen aber Juda, obwohl der Reihe nach erst der vierte Sohn, den- noch fiir die Geschichte des Reiches Gottes der wich- tigste ist, weil aus seinem Geschlecht der Messias hervorgehen« sollte I. M. 49, 8 ff.]. Z. Juda zeugete kdie ZwilIiUgeJ Pharez und Saram [oder SerahL von der Thamar [der nach- gelassenen Wittwe feines Sohnes Ger, die sich durch List die Schwagerehe von ihm zu erschleichen gewußt 1. Mos 38, 30 Anm.]. Pharez zengete Hezron [1. M. 46, 12]. Hezron zeugete Ram [vgl. Rath 4, 18 fs.]. 4. Ram zeugete Aminadab [2. Mos. s, 23]. Aminadab zeugete Nahasson [4. M» 1- 7; S, Z; 7- l2]« Nahasson zeugete Salma [Jos. S, 25 Anm.]. 5. Salma zeugete [mittelbar, durch einen seiner Nachkommen, s. Ruth 4, 21 Anm.] Boas, von der Rahab [der ehemaligen Buhldirlie zu Jericho]. Boas zengete Ob«ed, von der IjMoabitin] Rnth sRuth 4, 13 ff.]. Obed zeugcite [gleichfalls auf mittelbare Weise, durch seinen, dem Namen nach nicht näher bekannten Sohn] Jesse soder Jsai: Ruth 4, 22 Blum. 1]. Ei. Jesfe zeugete sals den stingsten von seinen 7 Söhnen 1. Sam. 16, 10 Anm.] den König David [Ruth 4, 22 Anm. 2]. — Der König David zengete Salomoty von sBathsebaj dem Weibe des Uria sdie er nach dessen gewaltsam herbeige- ftihrtein Tode sich selbst zum Weibe nahm 2. Sam. 12, 24]. 7. Salomo zeugete Roboam loder Rehabeam, vgl. 1. Chron Z, 1 ff.]. Roboaui zeugete Abia Abia zeugete Assa. 8. Assa zeugete Josaphat. Josaphat zeugete Joranr Joram zeugete [Ahasja. Ahasja zeugete Joas. Joas zeugete Amazia Amazia zeugete] Osia [oder Usia, auch Asarja genannt]. « Aehnliche Zusammenziehungen in den biblischen Ge- fchlechtsregistern finden sich auch sonst (vgl.Esra 7, 1-·—5 mit 1. Chron.7, 13); es kommt aber den heil. Schrift- stellern meist nur auf die Hauptglieder an, und dabei fassen sie gewisse bedeutsame cksahleu in’s Auge — so hier die Zahl vierzehn in a en 3 Reihen (l. Ehren. 1, 42 Anm.). Daß nun in unserm Verse gerade die Namen Ahasja, Joas und Amazia fortgelassen werden, ist gewiß nicht willkürlich; vielmehr sind dies die Nachkommen der götzeiidienerischen Jsebel von Sei- ten ihrer ebenso heidnisch gesinnten Tochter Athalja, und zwar bis in’s Z. u. 4. Glied. Au ihnen hatte sich die göttliche Drohung in 2. Mos. 20, 5 erfüllt, sie waren abgethan durch Gottes Gericht (2.Kön.9, 27; 12,20 f.; 14, l9); man sollte daher eigentlich nicht von Auslasi sangen reden, sondern der Evangelist übergeht nur die- jenigen Natuen, die der HErr fel er ausgelöscht hat, um sein Wort zu bekräftigen und seine Wahrheit ins hellste Licht zu stellen. 9. Osia zeugete Jotham. Jotbam zengete Achas [Ahas]. Achas zeugete Ezechia soder Hiskias 10. Ezechia zeugeteManasse. Manasse zeugete Amon. Amon zeugete Josia 11. Josia zeugete Jechonia [richtiger: Josa- kim"] und seine Brüder [Jojakim zeugete Jojachin over JechoUiaJ um die Zeit der babylonischen Ge- sangniß. » » 12. Nach der babylonisehen Gesangniß kals die Wegführung der Juden nach Babel nun ge- schehen, die Zeit des Erils aber noch keineswegs zu Ende war] zeugete Jechonia Sealthiel Seal- thiel zengete Zorobabeltt «) Nach 1. Chron. Z, 15—19 ist die hier in Be- tracht kommende Genealogie folgende: - Jvsia - Johanan, Jojakim, Zidelkszia(Mathanja), Salluni Jechanja (Jechonia) Zidekia Assir Tochter: N. N. Neri Machkomme D9i jz Senneazau Jekamja Zank-aber, Sinkt U« l— W« Ohne Zweifel nun sind es abermals theokratifche Gesichtspunkte, warum der Evangelist die Abstammung-s- verhältnisse nicht dem äußeren Thatbestande gemäß dar- gestellt, sondern an die Stelle des Jojakim den Jojachin (Jechouia oder Jechanja) gesetzt hat, unbekümmert da- rum, daß hierdurch des letzteren Batersbrtider als seine Brltder erscheinen. Den näheren Aufschluß darüber ge- ben uns die Prophetenstellem stetem. 22, 10 ff. u. Bis, 30 f. Daselbst wird dem Jojakim gedrohet, daß zur Strafe für seine Ungerechtigkeit kein ehrenvolles Begräb- nis; ihm solle zu Theil werden und keiner von den Sei- nen auf dem Stuhle David’s sitzen werde. Hat nun gleich diese Verkündigung sich nicht in streng wörtlichem Sinne an ihm erftillt , indem er allerdings, nachdem sein Leichnam eine Zeit lang im Freien gelegen, zuletzt noch beerdigt ward (2. Kön. 24, 6 A11m.) und sein Sohn Jechonia oder Jojachin ftir den Augenblick in der Re- gierung ihm folgte (2. K. 24, 8 sf.); so ist doch damit fein Name, den er in der hosfärtigen Einbilduu ange- nommen zu haben scheint (2. Köm 23, 34), as gälte ihm die dem David gegebene Verheißung: »Ich will deinen Samen nach dir erwecken DIE-I = hekimx Jesu Geschlechtsregisteta 3 der von deinem Leibe kommen soll, dem will ich sein Reich bestätigen« in ganz besonderem Sinne, aus dem Buche von Davids Geschlecht gestrichen. Gott hatte ihn nicht erweckt, sondern bei Seite geworfen, und seine Nachkommen des Thrones für immer verlustig erklärt; darum wird er vom Evangelisten nicht mehr genannt. Auf der einen Seite hat dann zwar sein Sohn Jojachin ebenfalls sein Urtheil empfangen; er ward nach nur 100 Tagen seiner Herrschaft in die babylonifche Gefan- Zcienfchaft geführt (2. Kön 24, 8 ff.) , und von seinen achkommen hat keiner mehr auf dem Stuhle David’s gesessen, da selbst der letzte König Judas, Zedekia, nicht sein Sohn, sondern sein Onkel war (2. Kön. 24, 17 ff.). Andrerseits jedoch war Jojachin derjenige, den der HErr in Treue gegen seine Verheißung (2. Sam. 7, 12 ff.) wirklich bestätigte oder wieder aufrichtete, wie sein Name besagte (T«;)«I1 = hechin); denn nicht nur ward er im 37. Jahr seiner Gefangenschaft aus dem Kerker entlassen (2. Kön. 25, 27 ff.), sondern durch ihn pflanzte fich auch das Geschlecht David’s fort, indem seine Enke- lin in eine Nebenlinie des königlichen Hauses hinüber heirathete. So zählt sein Name doppelt in unserm Stammbaum (s.V.17): ein Mal im geistlichen Sinne, anstatt des ausgetilgten Namens feines Vaters Jojakim (V.11), das andere Mal aber auch im leiblichen Sinne (V. 12), so daß wir wirklich an ihn zu denken haben. —- ’H«) Das Nähere über Serubabeks Abstam- mung, der bald als Sohn Sealthiel’s, bald als Sohn Phadajcks aufgeführt wird, ist zu 1. Chron. Z, 19 ent- w· elt worden. Indem dabei zwei Gesetze, das Gesetz von den Erbtöchtern und das von der Levirats- oder Schwagerehe, in Betracht kommen, giebt sich die viel- mannigfaltige Weisheit Gottes kund, der eines Theils sein Wort über Jojachin in Jer. 22, 30 aufrecht hielt: »Schreibet an diesen Mann für einen Verdorbenen« (d. i. für einen solchen, mit dem sein Geschlecht erlischt), und doch andrerseits durch ihn die königliche Geschlechtslinie des David wollte fortbestehen lassen, bis der Messias käme, damit die dem David gegebene Verheißung erfüllt würde. Wir sehen also, daß es keineswegs gleichgiltig ist, ob man über alle die Namen und Glieder schnell hinwegeilt oder tiefer auf sie eingeht. »O hätte Abraham, hätte David nur diesen Anfang vom Evangelio, dieses Stück, über welches wir so ring hinfahren, damals schon gehabt, wie hoch hätten sie es geschätztt (Bengel.) 13. Zorobabel zeugte »Abiud [1. »Chron. Z, 21 Anm.]. Abiud zeugete El1achim. Eltachim zeugete Asön 14. Asor zeugete Zadoch Zadoch zeugete Arbia. Achin zeugete Eliud is. Eltud zeugete Eleasar Matthan Viatthan zeugete Jakob. 16. Jakob zeugete Joseph, den Mann Maria [V. 18 ff.]. von welcher ist geboren Jesus, der da heißet [den von andern Männern dieses Namens V. 21 Anm. ihn unterscheidenden Amtsnamen führt :] Christus [d. i. der Gesalbte, weil er der feinem Volke verheißene Messias Ioh. 1, 41. 45 ist]. —- 17. Alle lin V. 2——6 aufgezählten] Glieder von Abraham bis auf David sind vierzehn Glied [1. Abraham , 2. Jsaak , Z. Jakob, 4. Juda, b. Pharez, S. Hezron, 7. Ram, 8. Aminadab, J. Nahassom 10. Salma, 11. Boas, 12. Obed, 13. Jesse, 14. Davids Von David bis auf die Eleasar zeugete babylontsche Gesangmß [V. 6—11] sind vierzehn Glied [1. Salomon, 2. Robeam, 3. Abia, 4. Asfa, 5. Josaphat, S. Forum, 7. Osia, 8. Jotham, 9. Achas, 10. Ezechia, 11. Manasse, 12. Anton, 13.»Josi·a, 1»4. JechomaJsp Von der babyloniskhen Gesangniß bis aus Christum [V. 12—16] sind vierzehn Glied [1. Jechonia, 2. Sealthiel, 3. Zoro- babel, 4. Abiud, b. Eliachim, 6. Asor, 7. Zadoch, 8. Achin, I. Eliud, 10. Eleasar, 11. Matthan, 12. Jakob, II. Joseph, 14. Jesus-J. Die ersten vierzehn Glieder zeigen uns nach den irdifchen Verhältnissen eine aufsteigende Linie: es geht aufwärts bis zum Thron. Die zweite Linie bildet einen geueigten Höhenzug königlicher Namen; die dritte Linie geht aus dem Gericht der babylonifchen Gefangen- schaft hervor und stellt eine absteigende Linie dar, welche zuletzt in dem Zimmermann Joseph sich verläuft. (P. Lange.) Unter den drei Perioden dieser Stammtafel enthält die erste die Patriarchen, es ist die Zeit der Verheißung; die zweite enthält die Könige, es ist die Zeit der den Messias näher schildernden Weisf a- gnug; die dritte enthält die Privatpersonen, es ist die Zeit der Erwartung. (Lisco.) Freilich begegnet uns in den beiden Gefchlechtsregistern hier und in Luk.3 nur ein kahler Stammbaum von Namen; ein Baum aber, der vor einer näheren Betrachtung zu grünen, ja sich iippig zu belauben beginnt und einem tieferen Ein- dringen gar mit tausend duftigen Blüthen und erquick- lichen Himmelsfrüchten lohnen wird. Schon das Regi- ster an sich, wie es in seiner, Jahrtausende durchreichen- den Gliederung vor uns liegt, nöt i t uns eine nicht geringe Verwunderung ab. Es giebxt Familien unter uns, die sich’s zu hohem Ruhm und Adel rechnen, ihre Geschlechtskette bis auf das 18. oder 20. Glied zurück- führen zu können. In dem Familienregister der Jung- frau Maria (Luk. Z) haben wir einen Stammbaum vor uns, der in gerader Linie durch 40 Jahrhunderte hin- dnrch auf 117 Ahnen zurückschaut und der mit seiner letzten Wurzelfaser an den Weltanfang rührend alle jene Altvordern namentlich aufführn Schon das ist etwas Unvergleichliches und unerhörtes; schon das ein Umstand, der mehr »als eine blos menschliche Veranstaltung durch- scheinen läßt. Treten wir aber nun den Ahnen unsers HErrn in V.2 ff. näher, so sind die Personen, die den Stammbaum bilden, sämmtlich solche, an denen die Gnade groß geworden; sie sind Menschen, die da erst anfingen etwas zu fein, als es Gott gefiel, etwas zu Lobe seiner herrlichen Gnade aus ihnen zu machen. Wodurch hatte doch ein Iuda es verdient, daß Gott ihn zum Stammherrn Christi erhub? Wodurch machte sich Abraham selber dessen würdig, daß er aus den Heiden berufen nnd zum Urahn des verheißenen Mittlers aus- ersehen ward? Wodurch erwarb sich’s David, daß ihm die Ehre ward, den Messias Davids Sohn genannt zu hören? Das soll uns offenbar zum Fingerzeig dienen, wie das geistliche Haus des HErrn aus lauter Gnaden- kindern bestehe, keine eigene Würdigkeit hier in Anschlag komme nnd kein anderes Verdienst, als das des Haup- tes, hier zugelassen werde. Blicken wir weiter, so be- gegnen uns in den Reihen der Ahnen Christi auch ein- zelne Heiden. Eine Heidin war die Moabitin Rath, eine Heidin die Cananäerin Rahab. Lieblicher Wink in diesem Umstand! Ja, der Verheißene wollte kommen, um mit seinem beseligenden Licht die Schranken des Judenthums zu durchbrechcn und auch von denen sich finden zu lassen, die ihn nicht suchten, und denen, die nichrnach ihm fragten, zuzurufem Hier bin ich! hier bin ich! (Jes. 65, l.) Und schauen wir jene Stamm- 117 4 Evangelium Matthai 1, 18—24. glieder nach der moralischen Seite an: was für Leute waren sie in dieser Beziehung? Nur Heilige und Son- derlinge an Unsteäslichkeit und Tugend? Man hätte es denken mögen; aber wie so ganz anders findet sichs! Seht, da ist Juda, und wahrlich nicht im Lichtgewande der Unschnld tritt er euch entgegen (1. Abs. 38); da ist Rahab, und ihr wisset ja, wohin sie zu stellen war, ehe Gott sich ihrer annahm (Jos. 2); da ist David, und sehr bedeutsam heißbs von ihm: er zeugete Salomon von Urias’ Weibe (2. Sam. 11 u. 12). Was sagt ihr zu dieser Gesellschaft? Seht, solche Sünder schämte sich der HErr vom Himmel nicht seine Brüder zu heißen! Und daß der Messias mitten im Hause solcher Leute steht, wie predigfs so laut die große Wahrheit: wo die Sünde mächtig worden ist, da ist die Gnade noch viel mächtiger geworden; wie veranschaulicht dieser Umstand so teöstlich, daß kein Sljnder, und wäre er der ärgste nnter den argen, irgend Grund und Ursach habe, seiner Sünden halber von dem Heil iu Christo sich für ans- geschlosseu zu erachten, und wie ruft er so herzandritts gend und ermuthigend den Bangen und Blöden in den Vorhöfen des Guadenreiches zu: Des Bienschen Sohn ist kommen, zn suchen und selig zu machen, das verloren istl (Krummacher.) II« V. 18—25. (§. 3.) Hatte der Evangelist tu dem vor- eingehenden Gesrlsleelstgregister Jesum in geuealogischer Hinsicht ganz wie einen leiblichen Sohn Iosephg behau- delt, obgleich er nur dessen sllstrgesohn war, so is! es nunmehr seine Aufgabe, aus der einen Seite die leib- liche Jtbuatutnung von Joseph dem ordiitürett Volke— glauben gegenüber Rad. Its, 55 s.) ebenso entschieden in Ztbrede zu stellen, alg auf der andern Seite die ge- nealogische Jugehijrigiteit zu Joseph gleich stark, wie wenn eine leibliche Abstammung vorhanden gewesen wäre, nachzuweisen. Diese zwiefache Aufgabe nun erfüllt er durch Miltheilung einer Familiengeschichty in welcher sich eine bestimmte Verheißung deg alten Gehn— mentg erfüllt hat. Jesus, noch im jungfräulichen Stand: seiner Mutter vom heiligen Geiste kais-fangen, M, wac- ualh dem hlropheteuwort des Jesajas der ltiinstige Wes— skag Israrlg sein sollte, im vollen Sinne, nämlich der Emanueh d. i. Gollmit uns; indem aber darnach Joseph die Maria sammt der noch nngeborenen Leibesfrncht dem göttlichen Befehl gemäß in dag ehrliche Verhiiltuiß ans- genommen und fär die ganze Zeit bis nach der Nieder- ltunst der ehelichen Beiwohiutug sich enthalten, hat damit tendeu Character als eines Sohnes David in einer Weise ncitgetheily welche dessen Character als Gmanuel nicht allrrirte (schädigte). is. Die Geburt Christi war aber also gethan smit dem Ursprung Jesu Christi aber, von dem vorhin V. 16 gesagt wurde, nicht daß Joseph ihn gezeugt habe, sondern nur daß er von äljliaria ge- boren sei, verhielt es sich, um jetzt näheren Auf- schluß über dies große Geheimnis; zu geben, folgen: dermaßen] Als Maria, seine Mutter, snur erst] dem Joseph vertrauet [anoerlobt] war,· ehe er sie szu seinem eigentlichen Weibe] heimholeth erfand sichs snacly ihrer Rückkehr vom Besuche der Elis - beth gegen Ende Juni des Jahres 5 v. Chr. Kap. 2, 2 Anm.1; Luk. I, bös, daß sie sbereits drei volle Monat] schwanger war sund zwar war sie das] von dem heiligen Geist swas aber Joseph, ihr Bräutigam, nicht wußte, vielmehr konnte er bei ihrem nun offenkundig gewordenen Zustande nur annehmen, daß sie ihm die schuldige Treue gebrochen]. » Was in Luk. 1, 35 der Maria gesagt worden war, und auch bald nach Weggang des Engels sich mit ihr ereignete, war viel zu zart und geheimnißvoll, als daß ste dem Joseph hätte Mittheilung davon machen können; sie eilete lieber zu ihrer Gefreundtin Elisabeth und fand dort schon ein Mitwissen um ihr Geheimnis; vor, so daß ste es nicht selbst erst zu entdecken brauchte (Luk.l,39sf.). Wie schwer aber wird ihr der Heimweg nach Nazareth nach dem dreitnonatlichen Aufenthalt in Heb ron gewor- den seinl Was sollte sie dem Joseph sagen? und wenn fiebs sagte, wie sollte sie sich Glauben bei ihm verschaffen? Da hat sie sich verhalten nach Psalm 39, l0 und ihr Wort in Luk. 1, uoch einmal bewährt. 19. Joseph aber, ihr Mann sihr Verlobten der nach der gemachten Entdeckung in demseben Rechtsverhältniß ihr gegenüber sich befand, wie ein Ehemanu in Beziehung aus sein treulos gewordeues Weib 5. Mos. 22, 13 fs.], war fromm [auf der einen Seite rechtschaffem der auf seine Ehre hielt und nicht eine vermeintlich Geschändete zum Weibe neh- men wollte, auf der andern Seite aber auch scho- nend, indem er bei der Art, wie er sich gegen sie verhalten wollte, ihre ihm sonst bekannte edle Ge- stnnung und die bisherige Reinheit ihrer Sitten in Anschlag brachte] und wollte sie nicht rügen snicht sein ganzes Recht gegen sie geltend erweisen, so daß er sie vor Gericht gestellt und öfsentlich als Ehe- brecherin hätte verurtheileu lassen], gedachle aber sie heimlich zu verlassen [ihr ohne Angabe des eigent- lichen Grundes der Eutlassung einen Scheidebries 5. Mos 24, 1 auszustellen]. 20. Indem er aber also gedachte snoch ehe er den Entschluß auch zur Ausführung bringen konnte) siehe, da erschien ihm ein Engel des HErru [der die Einfältigen behütet, aus daß sie nicht auf eine Thorheit gerathen Pf. US, G; 85, I] im Traum [l. Köln 22, 22 Aum.] und sprach: Joseph, dem ersten Sohn seines Weibes den ihm selber anhaf- ««" du Sohn Davws Dmd also ein Abkömmling des: jenigen Geschlechts, aus welchem der Niessias her- vorgehen soll], siirchte dich nicht, Mariae» dein Gemahl sdeine Verlobte Braut, wiewohl sie bereits schwanger ist], zu die zu nehmen; denn das in ihr geboten ist [die Leibesfruchh die sie noch ungeboren unter dem Herzen trägt], das ist [nicht, wie du meinst, von irgend einem Manne, sondern] von dem heiligen Geist. 21. Und sie wird sihrer Zeit] einen Sohn gebären, deß Namen sollst du sals der von Gott erkorene PsiegeVaterJ Jesus [d. i. der HErr hilft oder errettet 4. Mos. 13, 7«] heißen; denn er wird fein Volk [Jsrael, dem er zunächst als Erretter und Helfer zugedacht ist] selig machen von ihren Süudeutt «) Inwiefern Josua, der Sohn Nun, ein Vorbild Jesu Christi war, darüber vgl. Luther’s Wort ins der Ueberschrift zum Buche Josua. Außer diesem Josua konimeti Männer desselbeu Namens uoch voriu1.Sam. 6, 14 u. L. Kön. Z, 8.» In der Zeit nach dem Exil be- gegnet uns dafür die Namensform Josua Cnekjftir JZTHJHFIJ Esra, L, 2; Z, L; Reh. 8,17;Hagg.1,1 — griech. Tyztsosgl So heißt 1) der Hohepriefter Josua (Sach. Z, 1 ff.; 6, 11 ff.), der Sohn Jozadak’s, welcher bei der Entlassung der Juden aus der babylonischen Gefangenschaft iiach Jerusalem zurückkehrte und neben Serubabel an der Spitze» des Volkes stand (Esra Z, 2); 2) Jesus, der Sohn Sirach’s, ein zu Jerusalem woh- nender Jude, Verfasser der unter seinem Namen vor- hande1ien apokryphischen Sammlung von Sittenspriichen (Sir. 50, 29 ff.). Zur Zeit des neuen Testaments war der Name gar nicht ungewöhnlich (Matth.27, 16; Col. 4, 11); nachher aber wurde er niemand mehr beigelegt, denn den Christen war der Name zu heilig und hehr, den Juden dagegen zu verächtlich nnd verhaßt ge- worden. —- ") Erlöstwerden von den Sünden und Seligwerden von den Sünden ist Eins. (P. Lange) Der HErr Jesus ist nicht gekommen, Glückliche noch glücklicher, Gute noch besser zu machen; ist nicht zu einem Menschengeschlechte gekommen, das seiner auch allenfalls hätte entbehren, sich zur Noth auch ohne ihn hätte rathen und helfen können und das auch ohne ihn, wenngleich etwas weniger, gliicklich gewesen und selig geworden wäre. Nein! er ist zu einem Geschlechte ge- kommen, das, sich selbst gelassen, in seinem natürlichen Zustande, unheilbar verdorben, unwiederbringlich ver- loren, hilflos elend ist und in sich selbst und in der ganzen es nmgebenden Natur nichts hat, wodurch ihm geholfen werden könnte; so verderbt, daß es das Ver- derben nicht mehr als solches erkennt, soweit verirrt, daß es gar nicht mehr weiß, wovon es verirrt ist, und an gar keine Rückkehr mehr denkt und glaubt, so höchst elend, daß es sich an Elend und Jammer gewöhnt hat und in einem Zustande froh ist, worin eigentlich keiner froh sein kann, als nur wenn er nicht bei sich selbst ist. Denn wirklich sind Sünde und Tod zwei solche schreck- liche Dinge, daß man denken sollte, ein Mensch, der keine Erlösung davon hoffte und wüßte, könnte so lange keinen frohen Augenblick haben; nnd fürwahr, er würde ihn auch nicht haben, wenn er recht bei sich selbst wäre. Wenn nun aber der Mensch durch Jesus Christus von dem Verderben errettet und geheilt wird, wenn der das Unheil ans ihm hinwegnimmt, so gelangt er ebendamit zum Heil, so wird er eben damit selig gemacht; und also stehet hier das Wort ,,selig machen« ganz recht, denn daraus geht’s hinaus, das ist der Zweck und die Absicht (Menken.) 22. Das sdaß nämlich Maria schwanger ward, noch ehe sie von einem Manne wußte, und zwar, wie der Engel dem Joseph erklärte, von dem heil. Geiste, und daß nun der Sohn, den sie gebä- ren würde, nicht anders heißen sollte als Jesus] ist aber alles geschehen, auf daß erfullet wurde sdas Wort göttlicher VerheißungL das der HErr durch den Propheten lJefaias 735 Jahre zuvor] gesagt hat, der da [iii Kap. 7, 14 seines prophetischen Buchs] spricht: 23. Siehe, eine Jungfrau wird schwaii- get sein und einen Sohn gebaren, und sie werden seinen Namen Emanuel heißen, das ist verdolmetschet [in unsreMuttersprache übersetzt oder verdeutschet Matth. 27, 33], Gott mit Uns swas ja nicht blos auf den göttlichen Ursprung dieses Sohnes hinweist, sondern ihn auch Christi Empfängniß from, heil: Geist; sefinspflegebatgerg Joseph. 5 als denjenigen kennzeichiieh in welchem der HErr hilft]. Wenn die Eoangelisten in der Geschichte von dem Wandel des Sohnes Gottes auf Erden den Ausdruck gebrauchen: auf daß erfüllet würde, und dabei Stellen aus den Schriften des alten Testaments anfiih- ren, so ist nicht das ihre Meinung, was man ihnen jetzt fo häufig als ihre Meinung aufdringt, daß sie nur auf eine ungefähre, entfernte Aehnlichkeit zwischen jenen Aussprüchen der prophetischen Schrift, die sie anführen, und diesen Begebenheiten, die sie erzählen, hindeuten und etwa sagen wollten! »Hier kann man anwenden, was da oder dort geschrieben steht, hier mag man wohl sagen, was der Prophet spricht« —- nein! sie sehen viel- mehr diese Begebenheiten als durchaus nothwendige, bestimmte, längst vorhergesagte Erfolge an, die so ge- fchehen mußten, nicht anders geschehen konnten nnd nicht ausbleiben durften um der Wahrheit Gottes willen. Sie glaubten, daß bei jenen Aussprüchen fchon auf diese Begebenheiten gesehen sei; daß man, ehe diese Begeben- heiten geschehen, das Recht hatte, sie gerade so, wie sie sich zutrugen, zu erwarten, und daß man sie so habe erwarten müssen, wenn man jene Aussprüche für gött- lich hielt und an Gottes Wahrhaftigkeit nicht zweifelte. Oft aber führen sie Aussprüche der Propheten an, die zu der Zeit, als die Propheten sie vortragen, ohne Zweifel von damals gegenwärtigen oder sehr bald er- folgenden Begebenheiten erklärt wurden, und auch nach der Abficht Gottes davon erklärt werden sollten. Aber die göttliche Absicht, der Sinn Gottes bei einem solchen Worte Gottes reichte weiter in die Zukunft hinaus nnd verfaßte die Offenbarung also, daß sie damals nur im Kleinen und fast nur uneigentlich , durch die Geschichte des Messias aber im Großen und im eigentlichen Sinne erfüllt wurde, und das Nahe, das bald Erfolgende, das Kleine zum Symbol, Bild und Unterpfande des Fernem Zukünftigem Großen dienen konnte und sollte. (Menken.) Diese eigenthümliche Einrichtung nnd Anordnung der Schrift, daß das Leben und Sein des alten Testameuts ein Spiegel von dem neutestainentlichen Leben sein soll und namentlich in der Person Christi, als dem Reprä- sentanten des neuen Testaments , alle Fäden der altte- stamentlichen Gedanken und Einrichtungen sich als in ihrem Mittelpunkte knüpfen, spricht sich auch in der hier angeführten Stelle des Jesaias aus. Der unmittelbare Wortsinn der Stelle fordert allerdings eine Beziehung auf etwas Gegenwärtiges; die Jungfrau, von welcher in diesem Sinne die Rede, ist die in Jef. 8, 3 erwähnte Gattin des Propheten, und der von ihr in Folge außer- ordentlichen Eingreifens von Seiten Gottes (vgl. das Nähere zu Jes. 7, 16) geborne Sohn ist dem Könige Ahas ein nahes, erkennbares Zeichen, daß innerhalb bestimmter Frist die ihm gegebene Zusage in Erfüllung gehen werde. Jhre höhere Beziehung aber hat die Weisfagung auf den Messias, der dereinst als ein Zeichen für die ungläubige Welt, die Ahas repräsentirt, von einer Jungfrau im eigentlichen Sinne des Worts ge- boren werden und wesentlich und wahrhaftig ein Jm- mauuel fein sollte. (Olshausen.) 24. Da iiun Joseph vom Schlaf erwachte [und gar wohl sich bewußt war, daß das gehabte Traum: gesicht kein Erzeugnis; feiner eigenen Einbildungs- kraft gewesen sei, sondern eine göttliche Offenbarung], that er [in einfältigem Gehorsam], wie ihm des HErrn Engel befohlen hatte, und nahm sein Ge- mahl [5. Mos. 22, 27 Anm.] zu stch [in sein Haus, wodurch er nach damaligem Gebrauch, da 6 Evangelium åbiatthäi l, 25. 2, l. 2. es noch keine Trauung in der jetzt üblichen Weise gab 5. Mos. 25, 5 Anm., die Ehe mit ihr voll- zogL 25. Und erkannte sie nicht kwohnete ihr iedoch aus Ehrerbietung vor der heil. Leibesfruchh die sie unter ihrem Herzen trug, nicht ehelich bei], bis sie ihren ersten Sohn gebar [Luk. 2, 1 ff.], und hieß seinen Namen [bei Gelegenheit der Beschneidung des Kindes am achten Tage Luk. 2, II] JESUS fwie ihm des HErrn Engel das ebenfalls befohlen hatte]. Der Ausdruck: ,,bis sie ihren ersten Sohn gebar« will nur soviel besagen, daß Joseph bis zu dem ange- gebenen Zeitpunkte nicht in Geschlechtsgemeinschaft mit Maria getreten sei, ohne irgend etwas darüber anzu- deuten, ob hernachmals eine solche Gemeinschaft statt- gefunden habe oder nicht (l. Mos. 8, 7; Pf. 1l0, 1; l. Tini. 4, 13); an letzterer Sache war zur Seligkeit nichts gelegen, nur bis zur Geburt des Heilandes selber ist die Bewährung der Jungfrauschaft auf Seiten der Maria von Wichtigkeit. Während man nun anfangs in der christlichen Kirche meistentheils annahm, daß Maria. später den Joseph förmlich geehelicht und ihm Kinder geboren habe, fand bereits Basilius der Große (geb. 330 oder 331 n. Chr., s 379) in dieser Meinung einen Widerspruch gegen das fromme Gefühl, bald hernach aber bekämpfte Epiphaniits (geb. 439, s— 494 n. Chr.) die Anhänger derselben unter dem Namen Antidikomcp rianiten (Gegner der Maria) als Ketzer, und Hieronymus (geb. 33l, s— 420 n. Chr.) stellte den, derselben Anficht huldigenden Helvidius auf gleiche sittliche Raugstufe mit dem Zerstörer des Tempels zu Ephesus, dem Herostratus (1. B?acc.1, 4 Anm.); denn er entweihe durch seine Behauptung den Tempel des heil. Geistes, den Mutter- schooß der Maria. Jmmer mehr gewann so die Anficht Raum, es sei undenkbar, daß aus demselben Mutter- schooß, der Christum nach dem Fleisch geboren habe, noch eine andere Geburt hervorgegangen; die Ehe der Maria mit Joseph sei vielmehr nur eine Scheiiiehe gewesen, nach Origeiies (geb. 185, s— 255 n. Chr.) da- rum nothwendig, damit dem Fürsten der Welt das Ge- heimniß der jungfräuliehen Geburt Jesu verborgen bleibe, und dem Joseph dadurch möglich, daß ihm auf besondere Weise die Gabe der Keuschheit von Gott ver- ; I. v. 1—12. (§. 12.) Wie aber nach Kinn. 1 noch vor liehen worden. Aehnliche Gedanken haben denn auch viele protestantische Theologen bestimmt, eine beftändige Jungfrausehaft der Maria anzunehmen (darunter nament- lich auch Luther), womit dann die weitere Frage, ob die in Kap. is, 55 f. erwähnten Brüder Jefu seine leib- lichen Brüder gewesen seien oder nur seine Vettern, sich von selbst erledigt. Man faßt nun den Ausdruck: ,,ihren erstenSohn«, der allerdings zunächst nur in dem Sinne gemeint, in welchem er auch in 2. Mos.13,2 steht, wonach damit nur gesagt wird, daß vor ihm kein anderer aus dem Mutterschooße gebrochen, ohne irgend etwas darüber zu bestimmen, ob nach ihm noch andere Kinder gefolgt find oder nicht, zugleich in dem Sinne: ihren einzigen Sohn, und sagt etwa: »Es scheint ganz naturgemäß, daß die letzte Davidin des Geschlechts, aus dem der Messias geboren ward, nun auch mit diesem letzten ewigen Sprößling ihr Geschlecht beschloß« Andere dagegen geben den Gedanken einer beständigen Jung- frauschaft der Maria und einer bloßen Scheinehe des Joseph völli preis und fassen die Brüder des HErrn als seine leiglichen Brüder. Wir kommen darauf bei Kap. Z, 23 zurück, hier aber haben wir für’s Erste noch eine andere Frage zu erledigen. Wenn auf der einen Seite die Empfängniß Christi durch den heil. Geist mit seiner ganzen Bestimmung, der Arzt und Erlöser der kranken Menschheit zu sein, in nothwendigem Zusammen- hange steht, indem unmöglich jemand, der selbst aus der verlorenen Menschheit hervorging, den Schaden, aii dem sie leidet, zu heilen vermocht hätte; so entspricht auf der andern Seite diese Empfängniß allein der dem Glauben unerfchütterlich fest stehenden Thatsache, daß in Christo das Wort Fleisch geworden, indem der, der schon zuvor existirte, in keinerlei Weise, auch nicht seiner menschlichen Natur nach, erst noch erzeugt werden konnte. Hiermit ist der Gedanke, den man hin und wieder hat geltend machen wollen, daß eben so gut, wie bei der Empsäugniß der Uebergang des Sündlichen von der Maria auf Jesum abgehalten werden mußte, derselbe auch bei einer Zeu- gung durch Joseph hätte ab ehalten werden können, als ein rein unnlitzer und verkehrter erwiesen; zudem hätte Gott das, was hier ihm zugemuthet wird, nämlich den menschlichen Willen von aller sündhaften Lust im Akte der Zeugung zu befreien, nur auf magifche und gewalt- sanie Weise, wider die Natur der von ihm selbst gesetz- ten Freiheit, vollbringen können. Und auch abgesehen hiervon würde das Produkt elterlicher Zeuguug immer eine selbstständige, in sich abgeschlossene Persönlichkeit ge- wesen sein, mit welcher der Sohn Gottes nur in mysti- scher Weise sich hätte verbinden, mit der er aber nicht eine untheilbare gottmenschliche Personeneinheit hätte bilden können. Was fchließlich die richtige Vorstellung über die Empfängniß vom heil. Geiste betrifft, so haben wir daran zu denken, daß der Stoff für die Bildung eines neuen Menfchenlebens im Weibe liegt; dem Manne kommt zu, nur den im Weibe vorhandenen Keim zu erregen, zu beleben und zur individuellen Ent- wickelung zu bringen; diese Funktion des Erregens ist es also, welche der heil. Geist zu vertreten hat, während der Umstand, daß so der Stoff zur Bildung der Mensch- heit Christi allein vom Weibe genommen wird, die Wahrheit, Wirklichkeit und Vollständigkeit seiner Mensch- heit begründet. Das 2. Kapitel. Meist; aus dem Morgencanda nach Eghptea ckcucht Christi der Geburt, so finden auch alsbald nach der Geburt sieh an Iesu die erforderlieheii Kriterien oder Merkmale, nm in ihm den Llessiag anzuerkennen. Sollen nämlich nach vrovhetisctjeii Stellen wie Pf. 72, 10 f. n. Its. 60, 3 anth fremde Völker dem Könige Igraels huldigen und auch die Heiden in dem Lichte wandeln, das iiber Israel aufgeht, so hat sich dao in sehr bezeichnenderweise gar frühe schon erfüllt. direct) einen außerordentlichen Stern, den sie in ihrer Heimaih beobaehleh auf die jetzt erfolgte Geburt deg längst erwarteten Königs der Juden aufmerk- sam gemacht, siebten nämlich noch in deii Tagen den Königs ljerodes sich Weise aus dem Lllorgenlande in Jerusalem ein, fragen hier nach dein Kinde, dem sie ihre lljuldigung darbringen wollten, nnd wurden von Hemden, der von sieh selber nichts von demfelben wußte, aber auf Grund der prophetischen weisfagnng die Stätte seiner Geburt mit leichter Mühe in Erfahrung gebracht hatte, nach Zeihlehem gewiesen. Ztuf der Reise dahin erblich- tcn ste den Stern vom Ueuen imd wurden durch ihu glüciilich zu dem hause geleitet, da dao Kindlein innen war; nachdem sie ihre Jlnbetung verrichtet nnd ihre Geschenke dargebracht, liehrten sie jedoch nach einer göttlichen Weisung, die ihnen im Traum zu Theil ward, nirht nach Jerusalem zu tjerodeg zurück, der den! Kinde nach dem Leben trarhtete, sondern begaben Iich auf einem andern Wege wieder heimwärts in ihr Land. Evangelium am Fest der Erscheinung Christi od. Epiphiiniiij Das Epiphanienfest, d. i. Fest der Erscheinung oder Offenbarung Christi, gefeiert am S. Januar, war in der morgenlätidischen Kirche bis zur Zeit des Chrysostomus (geb. 347 zu Antiochieiy f— 407 n. Chr. in der Verban- nung) dasjenige Fest, welches den christlichen Festkreis eröffnete. Ein eigentliches Weihnachten oder Geburts- fest Christi gab es damals noch nicht in jener Kirche, sondern dies ist ein ursprünglich abendländisches Fest, welches hernach ebenso von Westen nach Osten drang, wie das Epiphanieufest umgekehrt von Osten nach Westen. Bei dieser Wanderung nahm letzteres eine andere Be- deutung an; es ward zu einem Fest der Offenbarung Christi für die Heiden und hatte zu seiner Unterlage die in unserm Abschnitt erzählte Geschichte, und da die kirch- liche Sage wegen der Stellen: Pf. 72, 10; Jes 49. 7; 60, Z. 10 diese Weisen als Könige bezeichnete und wegen ihrer dreisachen Gaben ihre Zahl auf drei festsetzte (Caspar, Melchior nnd Balthasar), so bekam es auch den Namen ,,Fest der heil. drei Könige« Aber der Begriff der Epiphanie oder Erscheinung der Herrlichkeit Christi wurde zugleich auf die erste Offenbarung seiner Wunderkraft in dem Zeichen zu Cana (Joh. L, 1 ff.) be- zogen. Da nuu der esttag ursprünglich, ehe man in der orientalischen Kir e noch ein Weihnachtsfest hatte, der Taufe Christi im Jordan (Kap. 3, i ff.) galt, so finden sich häufig, wie man aus Lutheus Bearbeitung des lateinischeu Hostie Herodes impie: »Was fürchtst du Feind Herodes sehr« erkennen kann, alle 3 Bezie- hungen (erfte Offenbarung für die Heiden, Taufe im Jordan und erste Offenbarung durch Wunder) mit ein- ander: verbunden, ja, die Ueberlieferung des Abeudlan- des behauptet sogar, daß alle drei Ereignisse auf dasselbe Datum (6. Januar) fallen, was aber, wie wir sehen werden, nnr in Beziehung auf die Taufe Christi richtig ist, während die beiden andern Begebenheiten dem Mo- nat Februar angehören. 1. Da Jesus [am 25. Dezember des Jahresö v. Chrcj geboren war zu Bethlehem im dischen Lande salso nicht in der andern Ortschaft dieses Namens, die im Stammgebiete Sebulon Jos. II, 15 lag, sondern in derjenigen, welche ehedem Ephrczta hieß s. Rath I, 22 Anm.], zur Zeit des Kontgs Herodis kdes Großen, auch bereits am 8. Tage nach der Geburt beschnitten und 33 Tage später dem HErrn dargestellt war im Tempel zu Jerusalem Luk. Z, 1—38], siehe, da kamen snoch in der ersten Hälfte des Februar a. 4 v. Chr., vgl. Schlußbem zu l. Macc. Nr. 11 e] die Weisen [vornehme, dem uralten Orden der Magier angehörige Männer"] vom Morgenland [aus den Ländern zwischen dem Euphrat und Tigris, s. Karte IV] gen Jerusa- lemsHW stießen tm kömgltchen Palast auf Zion, s. Plan v. Jerusalem: Kap. 21, 11 Anm., sich anmelden] und sprachen szu den Dienern des Königs, die ihre Ankunft demselben zu melden hatten]: » Z. Wo ist der neugeborne König der Juden sauf den mit Jsrael auch die Heidenwelt wartet]? Wir haben seinen sden die Geburt Die Weisen aus dem Piorgenlandc Z desselben anzeigenderd Stern-X- sbei uns] gesehen im Morgenland snach anderer »Deutung: im Aufgehen] und sind kommen, ihn anzubeten [ihm als dem Könige Himmels nnd der Erden die gebührende Ehre zu» erweisen und uns seiner Gnade und Gunst zu empfehlens V) Zu I. Chron. 25, 10 haben wir’s für eine schon so gut wie ausgemachte Sache erklärt, daß unsre her- gebrachte Zeitrechnung die Geburt Christi um 4——5 Jahr zu spät ansetzt, und in den Schlußbem zu 1. Mart. Nr. 8 Zus l u. Nr. I, e Zus. sowohl einen entschei- denden Grund für diese Behauptung als die Ursach der herkömmlichen Rechnungsweise angegeben. Hier nun geben wir uoch eine vergleichende Darstellung der Ansicht älterer nnd neuerer Chronologen über die drei wichtigsten Epochepunkte im Leben Iesu, welche zeigt, inwieweit wir uns bei unsrer eigenen Rechnungsweise mit ihnen iu Uebereinstimmung besindem . Name des GEIST« Taufe Jesu. Tod Iesu. Ehronologem « I ruhe. u. Chr. u. Ehr. Eusebins S. Jan. 2 29 33 Hieronymus 25. Dezb. 3 29 32 Baronius 25.Dezb.3 6. Januar 29 März 32 Scaliger Febr. oder 6. Januar 29 Z. April 33 März 2 Lamy 25.Dezb.4 8. Novbrx 30 3. April 33 Usher 25.Dezb.5 30 Z. April 33 Petavius 25.Dezb.5 29 23. März 31 Caldisius October 3 29 Z. April 33 Bengel 25.Dezb.4 8. Novbru 27 7. April 30 Sancleniente 25.Dezb.7 Ende d. J.25 25. März 29 Jdeler Ende 7 Ende » 2515. April 29 Anger vorApril4 Anfang 29 27. April 31 Wieseler Februar 4 Frühjahr· 27 7. April 3 Lichtenstein Juli 5 Januar 27 » 30 Eigene Ansicht 25.Dezb.5 6. Januar 27 » 30 Während über« das Geburtsjahr Jesu in der älte- ren Kirche sich keine fortlaufende und mit einiger Sicher- heit auftretende Ueberlieferung erkennen läßt, haben da- gegen in Beziehung auf den Geburtstag 2 Bestimmun- gen ziemlich allgemein Geltung gehabt: einerseits der 25. Dezember, andrerseits der S. Januar; da letzteres Datum, das urspriinglich der Taufe Christi galt, aus der oben berührten Zusammenlegung des Epiphanien- festes mit dem abendländischen Weihnachtsfeste sich er- klärt, so bleibt eigentlich nur der 25. Dezem r, den wir daher auch festgehalten haben. — «) Der Orden der Magier, wie die Weisen im griechischen Grundtext genannt werden, ursprünglich wohl bei den aramiiischs babylonischen Urbewohnern der Länder am Euphrat ein- heimisch, verbreitete srch von da aus auch nach Assyrieiz Medien, Persien nnd Parthietp beschäftigte sich mit Astronomie (Sternkunde), Medicin (Hetlkunde) und an- deren höheren Wissenschaften, trieb dabei aber auch Astrologie (Wahrsagung aus den Sternen), Traumdetk tung und andere Künste der Wahrsagerei. Ihm hatte einst Bileam, der Sohn Veor, angehört, den Balak von der Stadt Pethor am Euphrat kommen ließ, damit er ihm Israel verfluche (4. Mos. 22, b Anm.); und die Weissagung, die er damals gethan von dem Stern, der aus Jakob ausgehen, und dem Scepter, das aus Israel aufkommen werde (4. M. 24, 24 Anm.), war gewiß innerhalb des Orden-s von Geschlecht zu Geschlecht fort- 8 Evangelium Matthäi 2, Z. gepflanzt worden. Nun ward, als Jsrael in der habh- onischen Gefangenschaft sich befand, Daniel der Vor- siehet der dortigen Magier (Dan. Z, 48), und durch ihn wurden letztere noch vertrauter mit den seinem Volke gegebenen Verheißungem die auch den Heiden zu gute kommen sollten. Ohne Zweifel haben von der Zeit an diejenigen unter ihnen, welche für göttliche Wahrheit Sinn hatten und für das Bedürfnis; ihres Herzens in der heidnischen Weisheit, die sie pflegten, keine Befriedi- ung fanden, auf den großen König gewartet, der von Zion aus in der, ihrem Untergang immer mehr sich zu- neigenden Welt ein neues Reich der Herrlichkeit aufrichten und alle Geschlechter der Erde unter seinem Scepter glücklich machen werde. Von einer folchen Sehnsucht nach den Tagen des Messias, die um die Zeit der Ge- burt Christi selbst durch die heiduifchen Völker des Morgenlåndes ging, finden sich auch sonst Spuren bei außerbiblischen Schriststellerm und mittelst der dem Daniel gewordenen Offenbarung von den 70 Wochen (Dan. 9, 24 ss.) konnten jene Weisen auch mit ziemlicher Bestimmtheit die Zeit wissen, wann Christus erscheinen würde. Babyloniem um dies noch zu erwähnen, stand damals unter der Herrschaft der Parther, die noch unter den Seleuciden ein selbsiständiges Reich gegründet hatten; ihr Königsgeschlecht ist das der Arsaciden, im J. 226 n. Chr. aber ging deren Macht an die Sassaniden, die Könige des neupersischen Reichs, über. —- "·’I·) Nachdem wir ei Ruth I, 22 Ansichten von Bethlehem und dem Hirtenthah und bei L. Sam. 5, 9 u. I. Kön. 6,1 Ansichten von Jerusalem gebracht haben, geben wir hier eine dritte Ansicht der heiligen Stadt, und zwar -von Norden aus gesehen, also von derjenigen Seite, von welcher wahrscheinlich die Weisen in die Stadt ein- gezogen sind. —— f) Gleichwie Gott den Hirten bei Bethlehem die Geburt des Christkindes durch einen nach den Regeln ihrer, in anderer Hinstcht freilich sehr trügerischen Kunst (Jes. 27, 13) ein großes Gewicht ge- legt auf die, etwa alle 20 Jahre wiederkehrende Con- junction (Vereinigung) der beiden Planeten Jupiter und Saturn und dadurch eine wichtige Begebenheit an irgend einer Stelle des Erdkreises angezeigt geglaubt; auf welchem Punkte der Erde aber die Begebenheit sich zutrage, das schloß man aus demjenigen Sterubilde des Thierkreises, in welchem die Vereinigung stattfand, und da bezeichnete das Sternbild der Fische das jüdische Land. Nun fiel im J. 1603 n. Chr., zu einer Zeit, wo gerade unter den Gelehrten über das richtige Jahr der Geburt Christi viel gestritten wurde, auf den 17. Dezember eine Conjunction jener Planeten, im Frühjahr des näch- sten Jahres kam der Mars hinzu, und im Herbst noch etn fixsternartiger Körper, welcher sich in der Nähe des Jupiter und Saturn am östlichen Fuße des Stern- bildes des Schlangentreters befand, anfangs als Stern erster Größe sehr hell leuchtete, allmälig aber erlosch, bis er im October 1605 kaum mehr zu sehen war und im März 1606 völlig verschwand. Der berühmte Astronom Keppler (-s- 1630) kam durch diese Erscheinung auf den Gedanken, ob nicht eine solche Conjunction kurz vor der Geburt Christi, welche die Zeitrechnting des Dionysius auf den 25. Dezember 754 nach Rom’s Erbauung ver- legt (2. Kön. 15, 36 Anm.), ebenfalls möchte stattge- funden haben, und fand bei seinen Berechnungen das merkwürdige Resultat, daß eine Verbindung der beiden Planeten allerdings im J. 747 n. R. E. (7 v. Chr.), nnd zwar in der letzten Hälfte der Fische, nahe dem Widderpunkte, drei Mal (am W. Mai, I. October und 5. Dezember) stch ereignet habe, während im Frühjahr 748 (6 v. Chr.) noch der Planet Mars hinzutrat; diese Verbindung der drei oberen Planeten erklärte er dann für den Stern der Weisen und verlegte die Geburt Christi Jerusalem von der Wort-feste. Engel vom Himmel kund gethan (Luk. 2, 8ff.), so hat er jenen wartenden, hoffenden Seelen unter den Heiden diese Geburt durch ein Zeichen vom Himmel lassen offenbar werden, indem er sich dabei ganz an die astro- nomischen Kenntnisse und astrologischen Regeln des Ma- gierordens anschloß. Von jeher nämlich hat die Astrologie in das eben genannte Jahr. Jndessen hat er selbst schon die Vermuthung ausgesprochen, daß zu der Constellation gerade so, wie das zu seiner Zeit der Fall gewesen, noch ein besonderer Stern möge hinzugekommen sein. Diese Bermnthung hat darnach durch astronomische (auch von Humboldt im Kosmos Bd. l. S. 389 Anm. 12 und Der König Herodes erfchrickt über die Ankündigung der Geburt des Messias 9 Bd. lII. S. 561 als historisch anerkannte) Tafeln der Ehinesen, welche im J. 749 (5 v. Chr) einen Kometen im Kopfe des Steinbocks 70 Tage lang (vom Februar bis Anfang April), und dann wieder im folgenden Jahr (4 v. Chr.) während des April, nur jetzt etwas mehr nach Norden erückt, beobachteten, sich bestätigt. Wenn auch nicht vie eicht diesen Kometen selbst, doch jedenfalls ein ähnliches außerordentlich, in den J. 5 u. 4 v. Chr. zweimal sichtbar gewordenes Gestirn von besonderer Größe und Helle (etwa wie das, welches der Astronom Tycho de Brahe am 11. November 1572 in dem Stern- bilde der Cassiopeia bemerkte: er übertraf Jupiter und Venus an Glanz und war selbst am Tage sichtbar, ver- änderte während der ganzen Zeit seiner Sichtbarkeit seine Stellung nicht, nahm aber nach einem Jahre all- mälig an Glanz wieder ab und verschwand endlich ganz im März 1574) hält man gegenwärtig zumeist für den ei entlichen Stern der Weisen und verlegt die Geburt Christi in die Zeit von 749——750 n. R. E. (5——4 v. Chr.). Hiernach nun könnte man folgende Vorstellung von dem Hergang sich bilden: Jm J. 747 (7 v. Chr.) machte die dreimalige Conjunction des Jupiter und Saturn im Zeichen der Fifche die Magier zuvörderst aufmerksam, daß für Jsrael das längst erwartete Ereigniß der An- kunft ihres Messras bevorstehe; als aber im Frühjahr 748 (6 v. Chr.) zu dieser Verbindung noch der Mars hinzutrat, nahm in der That unmittelbar darauf die Erfüllung der Messiashoffnung ihren Anfang mit dem, was der Engel Gabriel dem Zacharias im Tempel ver- kündigte (Luk. I, 5 fs.), und dieser Zeitpunkt ist es denn auch, welchen die Weisen hernach dem Herodes als die erste Erscheinung des Sterns bezeichnen (V. 7 u. 16). Von da, noch gespannter in ihrer Aufmerksamkeit gewor- den, warteten sie auf ein weiteres Zeichen am Himmel; ihre Erwartung täuschte sie auch nicht, denn in der Zeit vom Februar bis April 749 (5 v. Chr.) erschien jener, von den Ehinesen beobachtete Komet zum ersten Mal, und im letzten Drittel dieser Zeit, am 25. März, ist unserer Annahme zufolge Jesus von seiner Mutter em- pfangen (Luk. 1, 26 fs.). Nun hätten allerdings die Weisen sofort sich können auf den Weg machen; aus Gründen jedoch, die sich nicht näher nachweisen lassen (vielleicht, weil es erst noch einer besonderen Zubereitung ihrer Herzen bedurfte, ehe sie Gottes Berufung deutlich erkannten und ihr Folge zu geben stch entschlossen) blie- ben sie noch 9—10 Monate in ihrem Vaterlande zurück, so daß sie erst im Februar des nächsten Jahres (4 v. Chr.) in Jerusalem ankamen, und zwar unmittelbar darauf, als Joseph und Maria nach der Darstellung des Kindes im Tempel wieder nach Bethlehem zurückgekehrt waren, um für die Zukunft dort zu bleiben, weil sie meinten, es sei Gottes Wille, daß der schon so viel be- zeugte Sohn Davids nun auch in der Stadt Davids heranwachse (Luk. L, 22 ss.). Mit dieser unsrer Auffas- sung stimmt freilich nicht, daß jener Komet der Chinesen das zweite Mal nicht im Februar, sondern erst im April des J. 750 (4 v. Chr.) erschien, und diese zweite Er- scheinung wäre ja die, von welcher in V. 9 f. die Rede ist; indessen ist die Berechnung nach den Angaben der Chinesen gerade hier sehr schwierig, weil sie die Regie- rungsjahre des damaligen Kaisers Gayti zu Grunde legen und auf die von ihm angeordnete neue Aera sich stützen, und außerdem wäre ja möglich, daß der Stern in Palästina früher gesehen werden konnte, als in China. Obgleich wir nun, wie schon zu i. Chron. 25, 10 an- egeben wurde, die Verkündigung des Engels an den acharias (Luk. I, 5 ff.) in die Zeit vom 17.—23. April 748 (6 v. Chr) verlegen, lassen wir doch die Empfäng- niß der Elisabeth nicht unmittelbar darnach erfolgen, sondern nehmen bis zu diesem Ereigniß erst noch eine Zwischenzeit von 5 Monaten (bis zum 24. September) an, während welcher Zeit Zacharias auf die Erfüllung der ihm gewordenen Verheißung in ähnlicher Weise warten mußte, wie Abraham auf die ihm gegebene Zu- sage hat 25 Jahre warten müssen (1. Mos. l2, I fs.; 21, 1ff.). Gottes Wege haben ja nichts mit jener Ungeduld der Menschen zu schaffen, wo alles Schlag anf Schlag gehen muß; es gilt auch hier, was zunächst in anderer Beziehung das Spriichwort von ihm sagt, seine Mühlen mahlen langsam, und oft genug, wenn er eben angefangen, die bedeutendsten Ereignisse in die Geschichte einzuführen, folgt erst wieder eine Pause stiller Zurüc- gezogenheit und scheinbaren Schweigens. Wir lassen uns bei unserer Annahme von der kirchlichen Tradition bestimmen, welche den 24. September für den Ta der Empfänguiß angesetzt hat. Wir müssen uns ja itten, ein wissenschaftliches Gebäude aufzurichten, welches die Symbolik der Kirche bei Seite schiebt, soust leichen wir Herodes dem Großen bei seinem Tempelbau FSchlußbem. zu 1. Matt. Nr. 11, d); und wie bedeutsam die Fest- setzungen der Kirche oft sind, zeigt sich z. B. darin, daß sie Johannis Geburt auf den 24. Juni, Christi Geburt aber auf den 25. Dezember angesetzt und damit, indem von Johanni ab die Tage wieder ab-, nach Weihnachs ten dage en zunehmen, jenes Wort des Täufers in Joh. s, 0 verkörpert hat: ,,Er muß wachsen, ich aber muß abneh1nen.« — Was bei unsern obigen Auseinans dersetzungen über den Stern der Weisen das Bedenken betrifft, wie Gott einer astrologischen Vorstellung sich habe als Mittels bedienen können, um den Weisen die Ankunft des erwarteten Königs der Juden kund zu thun, so müssen wir auf 1. Mos. I, 14 verweisen, wonach ja die Gestirne des Himmels auch die Vestimmung haben, Zeichen zu geben, nur nicht für alle möglichen Dinge, welche menschliche Neugier erkunden will, sondern nur für gewisse Ereignisse in seinem Reiche, die Gott den Menschen anzuzeigen für gut hält; und wie nun das Gleichmaß der 3 X 14 Gefchlechter, die der Evangelist in Kap. 1, 17 bemerklich gemacht hat, den Juden es augenscheinlich machen sollte, daß die Erfüllung der Zeit nunmehr vorhanden sei, so konnte billig auch eine r- scheinung am Himmel ein gleiches Zeichen für die Hei- den abgeben. »Das höchste Ziel der Alchemie (der Kunst, auf chemischem Wege unedle Metalle in edle zu verwandeln) ist in der früheren Zeit der Stein der Weisen, in der späteren die Kunst, Gold zu machen; das höchste Ziel der Astrologie wird für die Magier aus dem Morgenlande zuletzt das Bestreben, den Stern des Heils (4. Mos. 24, l7) zu entdecken, und in den Weisen unsers Kapitels läuft die orientalische Magie auf ihrem Höhepunkte in dieselbe Straße ein mit der Prophetie der theokratischen Offenbarung — ein Symbol der Wifsenschaft, die in ihrer höheren Richtung mit dem Glauben Eins wird« » » » 3. Da das der Kontg Herodes horete [daß ein neuer König da wäre, dessen Geburt so- gar ein Stern am Himmel angezeigt hatte], er· fchrack er [denn nicht nur fürchtete er für seinen Thron und seine Dynastie, in Beziehung ans welche gerade damals Antipaters Treulosigkeit ihn ganz rathlos gemacht hatte, sondern es wurde ihm auch bange vor dem Gerichte der Vergeltung, das mit der Erscheinung des Messtasz an die auch er glaubte, ob er gleich sich einredete, sie abwenden zu können, über ihn hereinbrechen würde, s. Schlußbenr zu 1. Macc. Nr. 11, d u. e], und mit ihm ker- schrak, als die Kunde von der Ankunft derJWeisen 10 Evangelium Viatthäi 2, 4——8. und von der Frage, mit der sie bei Hofe sich an- gemeldet, in der Stadt sich verbreitete] das ganze Jerusalem [weil man neue Blutbefehle und un- berechenbare Hinrichtungen von dem argwöhnischen Tyrannen befiirchtete und die ungliicksvollen Zeiten, die dem Anbruch des Messiasreichs vorangehen soll- ten Joel s, 3 f., gekommen meinte], 4- Und [nun] ließ [Herodes, der sofort ent- schlossen war, des neugebornen Königs sich zu ent- ledigen, dazu aber wissen mußte, an welchem Orte er nachzuspüren hätte] versammeln alle Hohe- priester Und Schriftgelehrten unter dem Volk [die sämmtlichen Mitglieder des Hohenraths, der höchsten Landesbehörda welche ihren Sitz zu Jeru- salem und in allen Sachen, welche irgendwie mit der Religion zusammenhingety das Urtheil zu fällen hatte] und erforschete von ihnen, wo [nach den Weissagungen der Propheten] Christus sder ver- heißene König Jsraelsj sollte geboren werden. Der Hoherath oder das Synedrium (so genannt nach einem griechischen Ausdruch der soviel als Raths- versammlung bedeutet nnd in der Form »Sanhedrin« auch in die hebräische Sprache übergegangen ist), in unsrer deutschen Bibel fchlechtweg der ,,Rath« heißend (Kap. 5, 22z Apostg. 5, 27. 41 u. s. w.), hatte seine vollständige Ausbildung wohl schon unter dem Hasmo- näerfiirsten Johannes Hyrkairus (136——105 v. Chr.) er- langt und war zur Zeit Jesu und der Apostel die höchste geiftlich-weltliche· oder kirchliclkbiirgerliche Behörde der Juden, bei denen ja Rechtspflege und Verwaltung uoth- wendig von der Religionslehre bestimmt ward. Sie bestand aus 70 Gliedern mit einem Präsidenten oder Vorsitzenden (hebr. Nasj, d. i. Fürst) an der Spitze, also zusammen aus 7l Personen, und hatte außerdem 2——3 Secretaire oder Schreiber und etliche Diener zur Verfügung. Die 3 Klassen ihrer Glieder sind in Mark. 15, 1 U. Luk. 22, 66 vollständig angegeben: Hohepriestey Aelteste und Schriftgelehrte; von den beiden letzten Klassen wird aber die eine oder die andere häufig weg- gelassen und bald, wie an vorliegender Stelle, gesagt: Hohepriefter und Schriftgelehrte, bald, wie in Kap. 27, 1: ohepriester und Aelteste, ja bisweilen werden auch alle lieder zusammen nach der vornehmsten Klasse fchlecht- weg als Hohepriester bezeichnet (Joh. 12, 10). Was nun zunächst die erste Klasse, die Hohenpriester be- trifft, so ist es eine unter den Gelehrten noch nicht ent- fchiedene z rage, was fiir Personen man darunter zu verstehen abe. Manche denken an den wirklichen Hohen- priester und an die, welche vor ihm das Amt bekleidet hatten; Andere an die Häupter der 24 Priesterordnungem die in I. Chron 25, 5 als Oberste im Heiligthum und Oberste vor Gott, und in Z. Chron. 36, 14 als Oberste unter den Priestern bezeichnet werden; Andere dagegen an diejenigen Mitglieder des Synedriums, welche von priesterlicher oder levitischer Herkunft waren; noch Andere endlich blos an die, welche dem» hohepriesterlichen Ge- schlecht angehörten und zur hohepriesterlichen Würde be- fähigt waren, also eine Art geistlicher Aristokratie im Volke bildeten. Sei dem nun, wie ihm wolle, so lassen sie jedenfalls als die priesterlichen Glieder des Hohen- raths sich bezeichnen, denen dann die weltlichen oder die Laien-Mitglieder in den sog. Aeltesten zur Seite standen, obwohl nach dem Zeugnis; des Talmud ein ganz aus Laien zusammengesetztes Synedrium nicht wider das Gesetz gewesen wäre; andrerseits meint frei- lich Abarbanel, der Hoherath habe vorherrschend aus Priestern bestanden, ja Manche haben ans 5. Mos. 17, 9 schließen wollen, er sei, wo es irgend habe geschehen können, allein aus Priestern und Leviten zusammengesetzt gewesen. Unter Aeltesten nun haben wir die Gefchlechtss und Familienhäupter zu verstehen, die in der ältesten Zeit der Geschichte Jsraels eine so hervorragende Stel- lung als Repräsentanten der Gemeinde einnahmen (2. Mos. Z, 16; 4. M. 11, 16), hernach, namentlich in der Zeit der Könige, etwas in den Hintergrund traten, während des Exils aber und in der Zeit nach demselben wieder zu größerer Geltung gelangten und an der Spitze des Volkes standen (Jer. 29, 1; Hesek. 8, l; Esra1,5; 10, 8 n. s. w.), auch in den Zeiten der Maccabäer als Rath der Aeltesten (1. Matt. 12, S) sich behaupteten und dann einen so wesentlichen Bestandtheil des Hohen- raths ausmachtexy daß dieser einfach auch mit dem Aus- druck: ,,Oberste des Volks« bezeichnet wird (Apostg.3,17). Die dritte Klasse endlich, die der Schriftgelehrtem möchten wir als die geistlichen Mitglieder bezeichnen; es waren das solche Gefetzesgelehrte und Gefetzeslehrer lEfra 7, 6 Anm.), die schon eine Richter- oder Raths- herrnstelle in den kleineren Synedrien auf dem Lande oder in einem von den beiden Untergerichten in Jeru- falen1 (Kap. 5, 22 Amn.) eingenommen hatten und nun zu Beisitzern des höchsten Gerichtshofs befördert worden waren. Erkennt man in den Hohepriestern die 24 Vor- steher der Priesterordnungen (und allerdings hat diese Ansicht von den oben mitgetheilten verschiedenen Mei- nungen über den Ausdruck am meisten für sich), so lassen sich ebensoviele Aelteste (vgl. Offenb. 4, 4) annehmen; für den Stand der Schriftgelehrten blieben dann noch übrig, und das ist wohl der Grund, warum Jose- phus die Zahl der heil. Schriften alten Testaments zu 22 bestimmte (5 Bttcher Mose, 13 Propheten —— Josua, Richter und Rath, Bttcher Samuelis, Bttcher der Könige, Bücher der Chronika, Esra und Nebenau, Esther, Jesaia und Jeremia nebst den Klageliedern, Hesekieh Daniel, die 12 kleinen Propheten, Hiob -- und 4 Bücher Ihri- schen und moralischen Jahaltsx Pfalter, Sprüchwörter, Prediger und Hohesliedl Der Präsident scheint ur- sprünglich nur der Stellvertreter oder Delegirte (Beauf- tragte) der hasmonäischen Fürsten, die zugleich Hohe- priester waren und eigentlich den Vorsitz hätten führen sollen, aber um ihrer anderweiten Obliegenheiten willen dies nicht konnten, gewesen zu fein; daraus erklärt sich sowohl der doppelte Name, daß er bald als Nafi oder Fürst, bald als Hoherpriester (Luk. 3, L; Apoftg. 4, 6 n. s. w.) bezeichnet wird, als auch der Umstand, daß bei Josephus die überlieferte Reihe der Präsidenten des Synedriums wesentlich anders lautet als die der fun- girenden Hohenpriester, beide Aemter also, wenn auch öfter in Einer Person vereinigt (Apostg.23, 1 ff.), doch an sich von einander verschieden waren. Seitdem Judäa unter einem römischen Landpfleger stand, nahm die jü- difche Verfassung die Gestalt einer Aristokratie an, getheilt zwifchen dem eigentlichen Hohepriester als Oberhaupt der Priester und des Tempels einerseits, und dem Präsiden- ten des Hohenraths, als der an der Spitze der volklichen Angelegenheiten stand, andrerfeits; dies müssen wir zur richtigen Auffassung des zwifchen Hannas und Kaighas in den Evangelien vorausgesetzten Verhältnisses (Luk. , 1'; Joh. 18, 13 ff.) festhalten. Dem Nasi zur Rechten saß der Ab-Beth-Din (zu deutsch: Vater des Gerichtshofs) als Vicepräsidentz immer eins der ältesten, unbefcholtesten und gelehrtesten Mitglieder des Collegiums; zur Linken dagegen hatte der Chacbam (d. i. der Weise) ein durch Schriftgelehrsamkeit ausgezeichneter Assessor, seinen Sitz, und halten Manche den in Joh. Z, I ff. erwähnten und von Jefu als ,,Meifter in Israel« bezeichneten Nicvdes Herodes und die Schriftgelehrten weisen die Weisen nach Bethlehem 11 mus für den damaligen Oben-heim. Die übrigen Mit- glieder saßen dann weiter dem Präsidenten zur Rechten und Linken in Form eines Halbkreises; zwei Schreiber hatten stehend, und zwar der zur Rechten die losspre- chenden, der zur Linken die vernrtheilenden Stimmen aufzuschreibeiy wie denn auch hernach die Freigesproche- nen zur Rechten, die Verurtheilten zur Linken gestellt wurden (Kap. 25, 33 fs.), ein dritter aber notirte bei- derlei Stimmen. Außerdem wohnten auch Candidaten der Rathswürde in 3 Reihen zu je 23 Mann den Sitzungen bei, durften jedoch nur für, nicht auch gegen den Angeklagten das Wort ergreifen. Der Präsident berief durch die Diener, die in verschiedene Klassen ein- getheilt waren (in Luk. 12, 58 ist von dem Stockmeister die Rede) zu den Sitzungeiy hatte die Verhandlung zu leiten, das Verhör anzustellen und die Abstimmung vor- zunehmen. Die Wahl desselben und die Ergänzung neuer Mitglieder aus denen der kleineren Synedrien geschah durch Abstimmung oder durch’s Loos, die Weihe der Neugewählten erfolgte durch Handauslegung und feierlichen Ausruf; zum Präsidenten wurde vorzugsweise ein Mann gewählt, der zu präsidiren und zu repräsen- tiren verstand, auch durch vorherige Stellung oder edle Abkunft imponirte, wenn er stch auch nicht immer durch Schriftgelehrsamkeit auszeichnete Die Sitzungen selbst fanden ordentlicher Weise nach dem täglichen Morgen- opfer, mit Ausnahme des Sabbaths und der hohen este, an denen wenigstens keine Gerichtssitzungen ge- alten werden sollten, an jedem Tage statt und endeten um 3 Uhr vor dem Abendopfeu Bis zu der Zeit, wo Christus sein Lehramt antrat, geschahen die Zusammen- llinste in der sog. Quaderhalle (Gasith), die an der Mit- tagsseite des Tempelvorhofs sich befand (Kap. 4, 5 Anm.); nachher aber wanderten in Folge der vielen Bluturtheile die Sitzungen weiter nach außen und wur- den auf der Ostseite des Tempelbergs in den dortigen Tabernen oder Sälen abgehalten. Die Schriftgelehrten im Hohenrath gehörten vorzugsweise zur Schule der Pharisäer; die übrigen Mitglieder hingen theilweis der- selben Partei an, theils waren sie Sadducäer, was na- mentlich von den Reichen und Vornehmen gilt, denen die freisinnigen, dem Weltleben angepaßten sadducäischen Grundsätze esser zusagten, als die scrupulösen Ansichten der Pharisäer. Z. Und sie sdas Richtige auch ohne göttliche Erleuchtung trefsend, da es sich hier zunächst nur um eine buchstäbliche Erkenntniß der Wahrheit handelte Jak.»2,· 19 f] sagten ihm: Zu Beth- lehem im judischen Lande-«« ·sJoh. 7, 41 f.]. Denn also stehet [wenn auch nicht wörtlich, doch dem Sinne nach 2. Mos. 20, 6 Anm.] geschrie- ben durch den Propheten sMicha 5, 1]: 6. Und du Bethlehem im giidischen Lande [wörtlich: Und du Bethlehem, and oder Stadt Juda] bist mit nichten [wie es den Anschein hat, wenn man auf deinen äußeren Umfang und die unbedeutende Zahl deiner Einwohnerschaft siehet, um deretwillen du nicht einmal eine Stadt, son- dern nur ein Flecken heißest] die kleinste uiiter den Fürsten sStammsitzen oder Geschlechtsorten] Judas« denn aus dir soll mir lzu meines Namens Ehre und zu meines Volkes Wohlfahrt] kommen der erzog, der über mein Volk Israel ein err sei [genauer: der mein Volk Jsrael weide als der ihm verheißene König und Nachkomme Davids 2. Sam. 5, 2]. V) Die gegebene Antwort war an sich richtig, die Leute aber, die sie gaben, blieben doch zu Hause; ste verstanden wohl ihre Grammatik nnd konnten also sagen: ,,das bringt der Text mit sich«, aber das blieb durch ihre Schuld bei ihnen ein todtes Wesen. Der Text war kein todter Buchstabe, sondern sie waren todte Leute. (Starke.) Die Orthodoxen, wenn sie auch selbst den Weg nicht gehen, wissen doch den Weg, erhalten die Erkenntniß des Wegs und können ihn Anderen zeigen, die ihn betreten und darauf zur Seli keit gelangen. Solche Leute sündigen, wenn sie es bei lgloßem Wissen bewenden lassen, an sich selbst; das sadducäische Gesindel aber, das mit seiner nachgebeteten Heterodoxie (Jrr- gläubigkeit) so groß thut, das in seinem Unglauben alles Göttliche zertritt und es darauf anlegt, alles Göttliche unter den Menschen hinwegzubringen, siindigt an Gott und an der Menschheit. (Menken.) H) Mhconius erzählt von dem kleinen Augustin»- kirchlein zu Wittenberg (Luther’s Werke XV., S. 468 fs.): Zu Wittenberg war das Augnstinerkloster neu angefan- gen zu bauen; mitten in den neu angelegten Funda- mentis der Kirche· stund ein alt Kapelleiy von Holz e- bauet und mit Leimen bekleibt, das war sehr aufä ig und gestützt aus allen Seiten, und hatte es allenthalben das Aussehen, wie die Maler den Stall zu Bethlehem malen, darin Jesus geboren war. So hat das Kirch- lein, darin» Johannes Haß zu Prag predigte», auch Beth- lehem geheißen« Jn dieser armen, elenden, Jämmerlichen Kapellen hat Gott zu diesen letzten Zeiten sein heiliges Evangelium und das liebe Kindlein Jesus lassen neu geboren werden; denn in ihr predigte erstlich D1-.Mar- tinus und that die Predigt wider den Ablaß. 7. Da snachdem er so von seinen Gelehrten den Ort erkundet, wo der verheißene König der Juden sollte geboren werden] berief Herodes die Weisen sum Von diesen nun auch die Zeit der bereits erfolgten Geburt zu erfahren und darnach seine Maßregeln zu treffen V. 16., noch zur Nacht- zeit] heimlich sin die inneren Gemächer seines Palastes, indem er damals schon schwer krank dar- nieder lag, zugleich aber bei der Gefahr einer all: gemeinen Volksempörung, die seine letzten Lebens: tage bedrohte, alles Aufsehen vermeiden mußte] und erlernete [nun] mit Fleiß von ihnen, wann der Stern svon dem sie erzählt hatten V. 121 erfchienen wäre [denn daraus konnte er einen Schluß auf das ohngefähre Alter des Kindes machen, konnte aber nunmehr auch seine eigenen Astronomen befragen, ob wirklich um diese Zeit ein besonderer Stern am Himmel sich gezeigt hätte] 8. Und weifete sie [nachdem sie in argloser Aufrichtigkeit ihm Rede und Antwort gegeben und er mit scheinbar gleicher Einfalt wiederum ihnen gesagt, was er von den Hohepriestern und Schrift- gelehrten erforscht hatte«] gen Bethlehem [etwa 2 Stunden südlich von Jerusalem, s. Karte zu 1· Sam. 9,· H] und sprach: Ziehet hin und forschet fleißig nach dem Kindlein sbis daß ihr auch das Haus entdecket, in welchem es zu finden ist]; und wenn ihr’s findet kund euch 12 Evangelium Matthäi Z, 9—12. dessen versichert habt, daß eswirklich dasgefuchte Kind ist], so faget mir’s wieder, daß ich auch komme und es anbeteski -1·) Die heidnifchen Magier und die jiidifchen Schrift- gelehrten: 1) Die einen gewinnen mit ihrem Stern auch die Schrift, die andern verlieren mit ihrer Schrift auch,- den Stern; 2) die einen werden Schriftgelehrte im besten Sinne, die andern werden Magier im schlimmften Sinne. (P. Lange) Die Weisheit, welcher fich die Herr- lichkeit des HErrn offenbart: es ist die, welche 1) nach dem HErrn fragt, 2) nach Anleitung feines Wortes ihn fucht, 3) durch seine Niedrigkeit sich nicht abhalten läßt, ihn anzubeten (Thomasius.) H) Das ist des Teufels und seines Anhanges Art, daß, wenn sie nicht können mit der Löwenhaut fortkom- men, so legen sie einen Fuchsbalg an: I. Sam. Z, 27. Der Teufel verstellet fich zum Engel des Lichts; darum ist es kein Großes, ob sich auch seine Diener ver-stellen: L. Cor. 11, 15. (Cramer.) Die Welt redet den From- sinen nach, das ist bald gelernt; aber recht fromm zu sein, ist nicht bald gethan: Efra 4, 2; Matth. 7, 15. M. (Starke.) 9. Als sie nun den König gehöret hatten [ihm auch, weil sie ihn nach feinen guten Worten beurtheilten, von seiner eigentlichen Absicht aber nichts ahiietenf das Verfprechen gegeben, wieder zu kommen], zogen sie [noch in derfelbigen Nachh wie man ja im Morgenlande gern des Nachts reist] hin szum westlichen Thor von Jerusalem hinaus, durch das Thal Gihon hindurch, über die Bergebene Rephaim hinweg, nach dem Städtchen Bethlehem zu, Ruth 1, 22 Anat. —- einen Begleiter hatte Herodes klüglicher Weise ihnen nicht mitgegeben, wohl aber hatte er selber den Weg ihnen so genau bezeichnet, daß sie nicht fehl gehen konnten "]. Und siehe, der Stern, den sie svor Jahresfrist 70 Tage lang] im Morgenland gesehen hatten [der aber dann am Himmel wieder verschwunden war, vgl. Anm. zu B. 2], ging [indem er sich jetzt, bei ihrem Austritt aus Jerusalem, zum zwei: ten Mal ihren Augen zeigte Pf. 97, 11., wie ein himmlifcher Wegweifer während der ganzen Reife] vor ihnen hin, bis daß er kam und [siille] stund oben über kdem Hause V. 11J, da das Kindlein warst« «) Also ergehet es mancher Seele, daß, je aufrich- tiger und einfältiger sie selbst auf’s Gute ist, desto schwe- rer gehet es ihr ein, von Andern Böses zu argwöhnen, zumal bei einem gegebenen guten Schein. Nun wird zwar Mancher auf solche Art zu seinem Nachtheil hinter das Licht geführt; jedoch ist Gott dabei so getreu, daß er die ihm aufrichtig ergebene Seele durch feine beson- dere Regierung bewahrt: V. 12; Pf. 97, 10. (J.Lange.) M) Die Weisen sind auf dem Wege nach Bethlehem, und wer weiß, ob ihnen nicht doch ein wenig fremd und unheimlich gewesen ist im Lande des großen Königs! Dazu wissen sie nun zwar die Stadt, wo er zu suchen, aber wo in der Stadt wird er nun zu finden sein? Doch harre! Der Gott, der sie, wie einst Abraham, in ein Land eleitet, das sie nicht wußten, der sie aus dem fernen Hei enlande sicher bis zur Stadt des Erfehnten geführt hat, wird sie nun nicht unberathen lassen; der den Hirten das« Wahrzeichen der Windeln und der Krippe gegeben, wird auch ihnen ein Zeichen geben, das sie ihres Heilands gewiß machen kann. (Löhe.) Mk) Um dieser Stelle willen nimmt man vielfach an, daß wir bei dem Stern der Weisen nicht, wie zu V. 2 gefcheheiy an einen wirklichen Stern, sondern an ein außerordentliches, für eine vorübergehende Zeit über- natürlich gefchaffenes Meteor (Luftzeichen) zu denken habe; denn, so sagt man, was oben im Texte ausgefagt wird, das thut kein gewöhnlicher Stern, der steht vielmehr oben am Himmel fest und kann nicht als Führer vor jemand hergehen, auch zeigt er entweder gar kein Haus oder viele auf einmal. Das; nun aber gleichwohl an einen eigent- lieben, also mittelst der Astronomie zu berechnenden Stern gedacht werden müsse, ergiebt sich aus folgenden Grün- den: 1) Es sind Magier, also nach dem damals herr- schenden Sprachgebrauch des Worts Astronomen oder Aftrologen von Fach, welche den Stern und feine Be- deutung zuerst wahrgenommen haben: warum nun Magier? und warum wird, daß sie es waren, so aus- drücklich hervorgehoben, während von ihnen sonst nicht einmal die Namen genannt sind, wenn es fich um eine Himmelserscheinung handeln follte, die jeder Laie eben so gut beobachten konnte! L) Wäre der Stern eine singuläre wunderbare Erscheinung gewesen, so wäre noch eine außerordentliche Erleuchtung der Magier erforder- lich gewesen, um ihn für das zu erkennen, was er fein follte, für einen Boten der Geburt des jüdifchen Meffias; von einer folchen Erleuchtung steht aber kein Wort im Texte Dagegen heißt der Stern ausdrücklich der Stern des Meffias oder des Königs der, Juden, auf dessen Geburt durch das Erscheinen des Sterns die Magier den Schluß ziehen; er steht also zu dieser Ge- burt in einer aftrologifchen Beziehung, und auch Herodes äußert über die Nothwendigkeit seines Zusam- menhangs mit der Geburt des erwarteten Judenkönigs nicht den geringsten Zweifel. s) tir die gewöhnliche Natur des Sterns spricht der Aus ruck in V. 2 n. 9: ,,beim Aufgehen«, wofür Luther weniger gut: ,,im Mor- genlande« hat (das Wort des Grundtextes steht hier im Singular, nicht wie in V. 1 im Plural); aber auch die Ausdrücke in V. 9 kommen von gewöhnlichen Sternen vor: der erstere (,,ging vor ihnen hin« bei Luther) be- zeichnet das Vorriicken am Himmel in der Richtung nach Bethlehem, wohin die Magier gingen; nnd das Stehen über einer Gegend oder einem Orte, denselben dadurch markirend, wird ganz ebenso bei Josephus (de hell. Jud. VL 5. Z: III-s(- srffsi näh» Eurem» Furt-f Hof«- qyaloi 7ea9o«klsia-or), von einem Sterne ausgefagt. Es ist dabei natijrlich der Augenschein im Spiel, und nur das ist Gottes besondere Fiigung, daß der Augenschein so bezeichnend und wirksam war, als ob die Magier wie mit Fingern auf die rechte Stätte hingewiesen wür- den; aber auch ein außerordentlicher, wunderbarer Stern, wenn man ihn nicht geradezu in widernatürlicher Weise fich denken will, hätte doch eben nur auf solche Art die Weisen an Ort nnd Stelle leiten können. 10. Da sie [die Weisen] den Stern sahen, wurden sie hoch erfreuet [ob dieses so unzwei- deutigen Zeugniffes, daß der Gott Himmels und der Erde Wohlgefallen an ihrem Wege habe und sie das Ziel gewißlich werde erretchen laffen], 11. Und gingen in das lvom Stern be- zeichnete] Hausss und funden [darin] das Kindlein mit Maria, feiner Mutter kund Joseph, dem Mann der Maria] und fielen nie- der kvor dem Kinde] und beteten es any« und thaten [nach der Sitte des Morgenlandes, Der HErr besiehlt den Weisen im Traum nicht wieder zu Herodes zu gehen. 13 eine Huldigung allemal mit Darbringung von Ge- schenken zu verbinden 1. Mos 43,— 11] ihre Schatze [Schatzbeh·älter] auf, und schenkten ihm Gold , Weihrauch und Myrrhen IN· s3. Mos 30, 23 u. 34 Anm.]. V) ,,Der im Stalle geboren war, scheint es indeß vom Stalle bis zu einem ordentlichen Hause gebracht zu haben; aber hat er mit einem Stalle angefangen, so hat er doch nicht mit einem königlichen Schlosse fortge- fahren, das war zu stolz siir seine Niedrigkeit« «) Merke wohl: »Sie fanden das Kindlein mit Maria, feiner Mutter;« aber nicht heißt es, wie nach der Lehre der katholischen Kirche hätte geschrieben wer- den müssen: »Sie fanden Maria, die Mutter, mit ihrem Kinde.« — Jm ganzen Bibelbuche lesen wir von keinem größeren Glauben als dieser war; es ist ein Glaube, welcher dem des bußsertigett Schächers an die Seite gestellt zu werden verdient. Der Schächer sah Einen den Tod eines Missethäters sterben, und doch betete er zu ihm und nannte ihn einen Herrn; die Weisen sahen einen Säugling auf dem Schooße eines armen und ge- ringen Weibes, und doch beteten sie ihn an und be- kannten, daß er der Christ sei. Wahrlich, selig sind, die so glauben können! (Ryle.) Vernünftige Leute, wenn sie dieser Anbetung zugesehen, würden wohl zu den Weisen gesagt haben: « Was macht ihr? Dies kleine hilssbedürftige Kind der armen Frau betet ihr an? Was ist das für eine Abgötterei, für ein Wahn- sinn! Die Weisen aber würden vielleicht den vernünf- tigen Leuten geantwortet haben: »Wir haben seinen Stern gesehen im Morgenlandz und find gekommen ihn anznbeten; und wie wenig das auch eine gründliche Ant- wort geschienen hätte, so hätte es doch an Grund und Wahrheit alle Theorie und Kritik und Demonstration der vernünftigen Leute überwogen. Göttliche Dinge smd wahrhaftige Dinge; und es giebt eine Ueberzeugung von göttlichen Dingen, wie Fleisch und Blut sie nicht geben kann, auch mächtiger ist als alles, was von Fleisch und Blut kommt. (Menken.) H« ) Wir müssen uns nicht denken, daß alles so kurz und rasch zu Ende ging, wie es hier erzählt wird; ehe sie die Schätze aufthaten, werden sie wohl die Her- zen aufgethan haben. Es ging an’s Erzählen von bei- den Seiten, von Seiten Maria’s und von Seiten der Weisen: welch ein vornehmer Palast wurde da dieses Haus, mit den alleredelsten Kleinodien ans dem Herzen der Maria, ja dem Herzen Gottes gestillt! Dabei wa- ren ihre Augen unverwandt aus das Kindlein gerichtet; es wuchs ihnen unter dem Erzählen, fing an zu leuch- ten mit dem Licht der Verheißungen Gottes und saß in seiner Mutter Schooß wie aus dem Throne des himm- lischen Vaters. Sie lernten des Kindes Armuth und Niedrigkeit verstehen, und je mehr sie dieselbe verstehen lernten, desto mächtiger kam über sie ein Geist der Beu- gung und Anbetung, daß sie Gott im hohen Himmel lobten und sich in diese Tiefe der Erniedrigung senkten, als wollten sie hier ewig Hütten bauen. (Münkel.) Durch: das Gold wird Christi Königthum, durch den Weihrauch sein Hohepriesterthuny durch die Myrr- hen sein Tod angedeutet. (Fulgentius.) Gold dem Könige, Weihrauch dem Gotte, Myrrhen dem, der den Tod schmecken sollte. (Theophylakt.) Sie zeigen mit den Gaben drei, dies Kind Gott (Weihrauch), Mensch (Myrrhen) und König (Gold) sei. (Was fürchrst du, Feind Herodes it. V. 2.) Nimm das Gold des Glaubens hin — nimm den Weihrauch des Ge- bets — nimm die Myrrhen bitterer Ren. (Jesu, gro- ßer Wunderstern 2c. V. 2———4.) Vergiß der armen Hei- den nicht mit Gaben und Gebet, und laß: dich Jesum durch die Mission zur Buße führen. (G. Lang.) 12. UndGott [von dem sie auch in Betreff ihrer Heimreise sich berathen ließen, nachdem er ihrer bei ihrer Herreise so freundlich sich angenom- merk« V. 9] befahl ihnen im Traum, daß sie fiel) mcht [wie sie versprochen hatten« V. 8] sollten wieder zu Herodes lenken. Und [sie] zogen Demgemäß, den nächsten und bequemsien Weg über Jerusalem vermeidend] durch einen andern Weg swohl znerst südlich, und dann ösilich nach dem ehemaligen Gebiet der Moabiten wo einst die Weissa- gnug: 4. Mos. 24, 17 geschehen, sich wendend] wieder m ihr Land-W« sund verbreiteten dort die Kunde von dem, dessen Herrlichkeit sie erkannt-H. ) Aus dem im Grundtext stehenden Wort Manna-ra- «9.H»reg, d. i. sie empfingen einen göttlichen Bescheid) kann man schließen, daß die anfängliche Arglosigkeit und Einfalt, welche dem Character edlerer Weisen so wohl ansieht, durch den Contrast zwischen dem unheimlichen Wesen des despotischen Königs und dem reinen Eindruck der heiligen Familie schon vor ihrem Traumgeficht ge- wichen war nnd dem gerechten ålliißtrauen gegen die Absichten des Herodes Platz gemacht hatte. (P. Lange.) H) Die Pflicht des Erfüllens eines Versprechens löst sich durch die nicht oorausgesehene sittliche Unmöglichleit desselben. Daß die Magier nicht wieder nach Jerusalem zuriickkehrtem war nur scheinbar ein Wortbruch; denn das von ihnen arglos Versprochene sollte dem Kinde zum Guten sein, im Sinne des Herodes aber war es ein Mittel zu einem Frevel, darüber belehrt, vollbrach- ten sie das Gute, was sie im Sinne hatten, gegen den Wortlaut ihrer Zusage, weil deren wörtliche Ersüllun das Gegentheil ihrerVoraussetzung gewesen wäre. (Wuttke.g Eis) Einer Seele, die ihr Heil in Christo efunden, wird das Leben ein seliger Heimgang, ein ang auf einem ,,andern« Wege, nicht mehr auf der breiten Heer- straße der Welt, sondern aus dem verborgenen Pfade des Friedens, ein Gang an Gottes Hand, im Lichte seiner Gnade, unter der Hut und Führung seines heil. Geistes, bis zu dem Stündleiu, da man sprechen darf: HErr, nun lässest du deinem Diener in Frieden fahren, denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen. (Gerok.) s) Von Babylon aus hat hernach der Apostel Petrus seinen ersten Brief geschrieben (l. Petri 5, 13) und dort der Apostel Thomas gewirkt. II· V. 13——23. (§. 13.) Karl) im weiteren Verlauf der Geschichte hat mehr alg Ein prophetischer Ausspruch an Iesu nnd an denen, die seine Ältere-genossen waren, sich erfüllt; es ist aber der weitere Verlauf dieser: Uach der Abreise der Weisen von Bethlehetn empfängt Joseph in einem ciraltmgesirtjl Befehl von Gott, mit dem Kindlein und seiner Ljkltttter sofort aufzubreohetc nnd uath Temp- tenlaud zu fliehen, um des tjerodeg Uarhsielluugcu zu— oorznltottcmctiz er thut, wag ihm geheißen, und herodeo vollbringt with, wag Zoruegwutlj und verfolgnngssucht ihm eingehen, ohne jedoch seinen Zweck: zu erreichen. Bald darauf erfolgt seiuEndtz und nun kann der HGrr seinen Sohn ang Ggyutetc rufen, wie er einst Israel von daher berufen; und er weist die heilige Familie nach Uazareth als ihren weiteren Bestimmungsort, damit der, den die Propheten längst schon alo Uazarenng ge— . leenuzeichnct haben, ltiinstig »auch wirklikh so heiße, wenn er nun wird herangewachsen sein und sein wert: voll- bringen. 14 Evangelium Matthäi L, 13-—20. Evangelium am Sonntage nach dein ReUjaHtHIageJ Das vorangegangene Neujahrsfest war ein Sabbaths- tag für den, der Jesum liebet, ein Tag süßer, seliger Ruhe in dem theuren Jesusnamen , welchen das Neu- jahrsevangeliuin über die Pforte des neuen Jahres ge- fchrieben; das war ein Tag der Freude für alle Kinder Gottes, an welchem sie vergessen, aus welchem Kreuz des alten Jahres sie gekommen, an welchem ihnen der Gedanke kommender Trübsal so fern lag, wie fröhliche Kinder, von der Liebe behütet, sich wenig bekümmern nm das, was war nnd was sein wird. Heut ist es anders: auf den bräutlichen Sabbathstag folgten nun fchon die ersten Werktage; da hat vielleicht fchon Man- cher seit Nenjahr einen schweren Anfang gemacht in Kampf und Noth, da sieht fchon Mancher heut klar und unverhüllt, auf welche Trübsal dieses Jahres er stch vorzubereiten habe, und kostet nun schon die ersten Tropfen dieses Triibsalskelches; wir alle aber, wir mö- gen im Leiden stehen oder nicht, wir wissen es, das; auch dieses Jahr nicht ohne Leiden fiir uns sein kann. Und dies drückt uns und verkümmert uns heute die Freude an unserm Jesusnamem der uns in’s neue Jahr begleitet; die Neujahrsrnhe ist dahin, der Neujahrstrost will schwinden, das Herz will zagen. Mein Christ, hier ist kein anderer Rath als der, den das heutige Evangelium dir giebt. Ein Evangelium von leidenden Kindlein, unter denen das himmlische Weihnachtskind selbst, bringt dir heute den wahren Trost über alles Leid, womit dies neue Jahr dir droht, nämlich den Trost, daß gerade die Leiden in unsern christlichen Beruf gehören, daß ohne Leiden ein Christ nicht sein könne, daß ein recht christlich Wesen im Leiden stehe. Gottes Wort will in dir wirken, daß nicht dein Leben dir leid, sondern dein Leiden dir lieb werde: das ist sein Trost. (Maydorn.) » · 13. Da sie aber [oon Bethlehem] hinweg gezogen waren [die Eltern Jesn nicht ohne mancherlei Besorgnisse wegen dessen, was da kom- men könne, daselbst zurücklassendL siehe, da er- schien der Engel des HErrn kwohl derselbe, von dem» in Katz. 1, 20 die Rede war] dem Joseph im Traum und sprach: Stehe auf [vom Schlaf] und nimm lnoch in dieser NachtJ das Kindlein und· seine Mutter zu dir nnd fleuch [ms.·t ihnen] in Egyptenlaiid und bleibe allda, bis ich dir sage ldaß du ohne Gefahr wieder zurückkehren kannst V. 19 f.]; denn es ist vorhanden les steht diese Gefahr bevor] daß erodes das Kindlein suche, dasselbe umzu- ringen [V. 16]. Der HErr weiß die Seinen zu rechter Zeit der Ge- fahr zu entziehen nnd den Feinden zuvorzukommenx Apostg. 12, 1 ff.; 2. Petri L, 9. (Starke.) Wie der Erlöser in seinem vollendeten Gottesbewußtsein nichts: that, nichts redete von ihm selber, sondern nur ans Anregung des Vaters (Joh. 8, 28), so waltete das göttliche Wirken vor der Vollendung seines Bewußtseins in seinen Umgebungem Die Geschichte, auch des Kin- des, ist eine göttliche Geschichte; aus göttlicher Anregung führt daher Joseph auch wieder das heilige Kind mit seiner Mutter nach Eghpten (Olshausen.) Egyptem römische Provinz und dem erodesinicht unterthaiy bot eine nahe und sichere Zuflu t dar; es befanden sich da- selbst viele Juden (und führten dahin bekannte Reise- wege, freilich durch eine weite Wüste) Als Aufenthalts- ort Josephs giebt die Sage Matarea in der Nähe des Oniastempels (bei Leontopolis Jes. 19, 19 f. Anm.) an. (De Wette.) Auf dem Wege von Ramleh nach Jerusalem liegt dem Orte Anwås oder Nicopolis (1. Matt. 3, 40 Anm.) auf einem Hügel eine Ruine gegenüber, Latrun genannt, ehemals ein Kastell; die Mönche halten es für ein Kastell des guten oder be- gnadigten Schächers (b0ni latronjæ Luk. 23 , 40 ff.), der hier seinen Wohnsitz gehabt habe. Sie nennen ihn Disma und erzählen von ihm, er habe die heilige Familie auf der Flucht nach Egypten berauben wollen, sei aber durch ihren Anblick gerührt worden. Von dem spanischen Dichter« Lope de Vega (—]- 1635) besitzen " wir ein Wiegenlied der Jungfrau Maria, das sie ihrem Kinde auf der Flucht gesungen; der Cardinal, Urst- bischof von Breslau, Melchior v. Diepen rock (-s— 1853) hat es in’s Deutsche übertragen: Die ihr dort wallet unter den Palmen et. (Unverf. Liedersegen Nr. 542.) 14. Und er [Joseph, feinen Beruf als Pflegevater treulich wahrnehmend] stund lohne Verzug] auf und nahm das Kindlein nnd seine Mutter zu sich, bei der Nacht [d. i. noch in selbiger Nacht], und entwich lzunächst nach Hebron sich wendend l. Sam. 9, F) Anm. und dann weiter nach Bersaba 1. Mos. 46, 1 Anm. und Rhinocolura, an welchem Grenzorte er in 3——4 Tagen anlangte] in Egyptetv land, 15. Und blieb allda [etwa 8 Wochen lang] bis nach dem Tod Herodis [wo der Ruf in V. 20 an ihn ergiUgL auf daß sauch an dem, der Gottes» Sohn eigentlichen Sinne des Worts war] ersullet wurde, das der HErr durch den Propheten [Hos. II, l] gesagt hat, der da lzunächst in Beziehung auf das Volk Israel 2. Mos. 4, 22; Jer. 31, g] spricht: Aus Egypten hab ich meinen Sohn gerufen. Die Eltern in ihrer Angst um das heilige Kind mußten weit davon entfernt sein, eine Reise vorzuneh- men, um einen Prophetenspruch zu erfüllen, zumal einen solchen, der im buchstäblichen Verstande auf die Aus- führung Jsraels aus Egypten sich bezog; als aber die Flucht und Wiederkehr wirklich erfolgt war, da konnte der Evangelist, der überall die Erfüllungen in’s Auge faßte, die Bemerkung machen, daß auch dieser Spruch des Hosea sich erfüllt habe. Er hat sich wirklich erfüllt, freilich nicht als Verbalprophetie (buchstäbliche Weissa- gnug) , sondern als typische Prophetie (vorbildliche Weissagung). Jsrael wurde zuerst aus Eghpten als der Sohn Gottes berufen, sofern es den Sohn Gottes impljcjie (in sich eingeschlossen) enthielt; jetzt wird der Sohn Gottes im eigentlichsten Sinne aus Eghpten ge- rufen, der aus Jsrael hervorgegangen ist, wie der Kern aus der Schale. Als Gott Israel ans Egypten berief, war es ihm nm seinen Sohn in dem Jsrael zu thun, d. h. um Jsraels theokratische Bestimmung. (P.Lange·) Wie Gott mit Liebe seinen Gesalbten, den Messias, auf dem all’ sein Wohlgefallen ruhte, und um des Messias willen auch das Volk des. Messias Umfaßte, so hat er auch von beiden mit« gleichem Ausdruck und Namen der Liebe geredet; wie er über beiden in ihrer Kindheit mit Liebe, Schutz und Hilfe waltete, so hat er auch durch den Geist der Weissagung in Einer Prophezeiung Beider Schicksal angedeutet und dargestellt und eben damii fchon in den friihesten Zeiten darauf hindeuten wollen, daß Joseph flieht mit Maria und dem Kinde nach Egypten Vethleheinitischer Kindermord 15 der König Jsraels bei seiner Erscheinung in der Welt, ehe seine Herrlichkeit offenbar werde, seinem Volke Israel in seiner Geschichte, besonders in seinen Leiden, Niedrigkeiten und Drangsalen werde gleich werden müs- sen, sowie sein Volk auch ihm in seiner Geschichte, und dann auch besonders in Sieg und Segen, in Seligkeit und Herrlichkeit gleich werden soll. (Menken.) Da Israel vormals in Egypten zog, versorgte ihn Joseph: da Christus in Egypten fliehen muß, einen Pflegevater geordnet. Wie Moses vor Zeiten vor dem Kindermorde Pharaos mitten in Egypten bewahret ward, also auch Jesus bei ersolgtem Kindermord (Starke.) 16. Da Herodes nun sahe, daß er smit seinen Hoffnungem das Kind, welches ihm als neugeborener König der Juden bezeichnet worden war, sicher in Bethlehem auszumittelnj von den Weisen betrogen war [weil diese weder an dem einen, noch an dem andern Tage zu ihm zurück: kehrten, und also durch einen andern Weg wieder in ihr Land gezogen sein mußten V. 8 u. 12], ward er sehr zornig sdaß man ihn so, wie er meinte, zum Narren gehalten habe] und schickte [wie es scheint heimlich V. 7., feine Schergen] aus und ließ lum doch ·noch zu seinem Zwecke V; 13 zu kommen] alle Kinder zu Bethlehem tödten und an ihren sdieser Stadt] ganzen Grenzen [d.·i»; innerhalb des Weichbildes derselben] die da zweijahrig nnd drunter waren, nach der Zeit [der ersten Erscheinung des Sterns V. 2 Anm.], die er mit Fleiß von den Weisen erlernt hatte sund darnach konnte ja das Kind, um das es ihm eigentlich zu thun war, höchstens zwei Jahr alt sein] Der Einwand gegen die Glaubwürdigkeit unsrer Ge- schichte, daß andere Geschichtfchreiber von dem Greuel dieses Kindermords nichts berichten, ist dadurch genü- gend beseitigt, daß es doch immer nur eine geringe Zahl von Kindern dieses Alters in einem Oertchen wie Beth- lehem zu ein und derselben Zeit gegeben haben wird, die Ermordung etlicher Kinder aber unter den übrigen weit größeren Greueln Herodes verschwand wie ein Tropfen im Meer. (Ebrard.) Josephus konnte diese Geschichte nicht erzählen, ohne der messianifchen Hoffnung seines Volkes zu gedenken; er vermeidet aber geflissent- lich alles, was ihn aus jene, angesichts der römischen Herrscher so bedenkliche Erwartung bringen konnte. (Hosmann.) Merkwürdig ist, daß der Heide Macros bius (um 400 n. Ehr) den bethlehemitischen Kinder- mord mit der Hinrichtung des Antipater (Schlußbem. zu 1. Mart. Nr· 11, e) zusammenstellt, indem er be- richtet: »Als Augustus gehört hatte, daß unter den Knaben, welche Herodes in Syrien unter 2 Jahren tödten ließ, auch sein Sohn Antipater getödtet worden, sagte er: Es ist besser, Herodis Schwein als sein Sohn zu sein;« denn chronologisch müssen beide Facta in der That etwa zusammengefallen sein. (Wieseler.) » 17. Da ldurch diesen Kindermordj ift er- sulletki das gesagt ist von dem Propheten Jeremia [in Kap. St, 15 seines Weissagungs- buches], der da [wenn auch nicht genau mit den- selben Wortem doch mit dem Sinne seiner Rede völlig übereinstimmend, also] spricht: hat ihm Gott auch « 18. Auf dem Gebirge [beim Propheten ist dieGegend von Rama im Stamme Benjamin 2.Kön. 25, 11., beim Evangelisten aber die Ge- gend von· Bethlehem»gemeint] hat man ein Geschrei ehoret, viel Klageus, Weinens Und Heu ensz Rahel sbeim Propheten als Stammmutter Josephs und Benjamins, beim Evangelisten als die, welche bei Bethlehem begra- ben lag 1. Mos 35, 19 f. Anm. und die dasigen Mütter, von deren Schmerz gleichsam mitbetrossem repräsentirt] heweinete ihre Kinder und wollte sich nicht trosteii lassen, denn es war aus mit ihnenäii «) Es ist ein Gesetz der Heilsgeschichte, daß die Er- füllung einer Weissagung, wenn sie das eine Mal nicht erschöpfend war, so lange in immer neuen Schwinguni gen sich sortsetzt, bis der Thatbestand des Verwirklichten sich völlig deckt mit Sinn und Wort des Geweissagten (Delitzsch.) — VII) Von diesen bethlehemitischen Kindlein sagt ein ehrwürdiger Bischof im 5. Jahrhundert: »Die Christo geweihten Streiter fangen eher an zu streiten als zu leben, eher zu kämpfen als zu spielen, eher Blut zu vergießen als Milch ans der Brust zu trinken. Sie empfangen eher Tapferkeit als Liebkosungem eher Wun- den als Küsse, eher Schwert als Salben, daß sie den Himmel eher als die Erde bewohnen. Sie sind die— wahren Märtyrer der Gnade; sie bekennen schweigend, kämpfen nnd siegen, ohne es zu wissen, sterben ohne Bewußtsein, schwingen die Palme, ohne sie zu kennen, greifen nach den Kronen, ohne eine Ahnung davon zu haben« 19. Da aber Herodes sin den ersten Tagen des April a. 4. v. Chr. unter fiirchterlichen Schmerzem wie in den Schlußbern zu 1. Macc. Nr. 11, e erzählt worden ist] gestorben wars« siehe, da erschien der Engel des HErrn der in V. 13 gesagt hatte: ,,bleibe, bis ich dir sage-«] Joseph im Traum in Egyptenland sdas Ereigniß, mit welchem die Zeit der Flncht nun zu Ende gehen sollte, ihm kund zu thun] 20. » Und sprach: Stehe auf und nimm das Kindlein und· seine Mutter Ozu dir [P. 1.3] und zeuch hin in das ·Land Jsraelz sie sind gestorben, die dem Kinde nach dem Leben stunden« lund ist fortan keine Gefahr mehr für dasselbe vorhanden Richr 5, 31]. «) Ueber dem Unglück von Bethlehem wollen wir doch das Unglück Herodis nicht so gar vergessen, wie es gewöhnlich geschieht; laßt uns dem armen, armen Manne auch einen Blick voll Theilnahme zuzuwenden suchen —- tver weiß, ob wir’s bis zur wahren, rechten Theilnahme bringen, ob wir schon wollen! Jst es nicht der größte Jammer, welchen es in der Welt giebt, vor Gott so verschuldet zu werden, wie es Herodes war? sich seine Hölle so wie Herodes zu schüren? Das Blut der unschuldigen Kindlein schrie wider Herodes gen Himmel, und dieses vervielfachte Geschrei von Abel’s Blute soll kein Unglück für diesen Kain gewesen sein? Dazu war diese Blutschuld Herodis nicht die einzige, welche im Schuldregister stand. Herodes war damals schon 70 Jahr alt und hatte dies Alter mit Sünden erlangt. Seinen Schwager Aristobulus, der ein Macca- bäer war und ein Jahr zuvor Hoherpriester geworden, 16 Evangelium Matthäi 2, 20 (Anni.). atte er vor seinen Augen im Bade ersäufen lassen, los weil er besser und eliebter war, als er selbst. Und das wäre kein Unglück für den. welcher es that? Seinen sljährigen Schwiegervater Hyrkan hatte er ehrenvoll aus dem Lande der Parther herführen lassen und den Greis darauf schändlich und treulos umge- brachn und eine solche Schuld soll kein Unglück sein? Er schonte seiner Frauen nicht; er ließ sie umbringen, selbst wenn er sie leide1ischastlich liebte, selbst wenn er voraus wußte, was sich hernach ergab, daß er nicht ohne sie leben konnte, daß ihn die Sehnsucht nach den- selben verzehren würde. Seine eigenen Söhne ließ er hinrichten, deren Bekannte und Freunde durch die Fol- ter erwürgen. Der Kaiser Augustus in Rom sagte (wie oben schon benierkt): es sei besser Herodis Schwein, als sein Sohn zu sein — weil die Schweine, deren Fleisch er als Bekenner des Judenthums nicht aß, vor ihm sicher waren, aber nicht seine Söhne. Und ein Mensch, der solche Lasten aufgeladen hat, sollte nicht unglücklicher sein, als die unfchuldigen Kindlein von Bethleheni, die im Bunde und Frieden Gottes dahin- starben und durch kurzes Leid zu einer ewigen Herrlich- keit kamen? Man müßte doch sonderbare Begriffe von Glück und Unglück haben, wenn man glauben wollte, daß ein Mensch, der neben zahllosen andern Missethaten Vatermord, Frauenmord, Kindermord auf dem Gewissen hat, auch nur Eine vergnügte und glückliche Stunde haben könne. Könnte aber irgend jemand noch einen leisen Zweifel an Herodis Unglück übrig haben, der sehe auf das Ende, auf die Ernte aller der bösen Thaten erodis, welche in seinem Tode für ihn reif wurde. ie Kinder von Bethlehem starben unter Martern; aber diese Martern waren klein im Vergleich mit denen, welche Herodes in Bälde auszustehen hatte. Jene Kind- lein starben unter dem Mordstahl der Kriegskiiechtex das war etwas Leichtes, wenn man es mit dem Tode Hero- dis vergleicht, der in Gottes Hände fiel, von denen ge- schrieben steht (Hebr. 10, 3l): ,,es ist schrecklich, in die Hände des lebendigen Gottes zu sallen.« Sein Sohn Antipater wollte ihn umbringen, aber dieser Tod war für einen Herodes zu gut; Herodes ließ, nachdem er Nachricht von dem Plane seines Sohnes bekommen, den- selben 5 Tage vor dem eigenen Tode hinrichten. Was für einen Tod hatte ihm aber Gottes Gerechtigkeit zu- ? esprocheUP Das höretl Seine Eingeweide waren in ntzündung, seine verborgenen Theile verfaulten, die Würmer nagten an dem lebendigen Leichnam, ein furcht- barer Gestank ging von ihm aus; dabei schrumpfte er zusammen, und sein Odem ging schwer aus und ein. Er hätte sich gern selbst umgebracht, wenn es ihm nur gelungen wäre; er mußte aber ausharren, bis seine Seele aus dem bereits verwesenden Leichnam fuhr. Er wußte es, daß kein Mensch um ihn weinen würde; die Leute warteten in Jericho, wo er starb, mit Ungeduld auf seine Todesbotschaft, jedermann sehnte sich nach der Erquickung, ihn todt zu wissen. Vornehmsten des Reichs bei Todesstrafe zusamnienge- fordert und befohlen, daß man sie alle in seiner eigenen Todesstunde gleichfalls umbriiigen sollte, damit er we- wenigstens unter Klagen stiirbe, wenn auch keine Klage um ihn, sondern alle nur über ihn zu Gott ausstiegen. Man vollzog aber den Befehl nicht, man ließ die Großen heim und alles war vergnügt, als es endlich hieß: Herodes ist an seinen Ort gefahren. Es gab Thränen, aber es waren keine Thränen des Jammers, sondern nur der Freude. Und das, um noch einmal zu fragen, das soll ein Unglück sein? Eines ist wahr: das Unglück der unschuldigen Kinder fand und findet Erbarmen, und Herodis Unglück findet keins; aber das ist ja vollends der Gipfel des Unglücks, das kann doch unmöglich den Darum hatte er die « Satz umstoßen, daß niemand unglgcklicher ist als der Gottlose, welcher Gott zum Feinde at. (Löhe.) M) Die Worte enthalten eine Beziehung auf 2. Mos. 4, 19; was dort von Moses und feiner Flucht vor Pharao gesagt war, faßt Matthäus hier in Beziehung auf Jesum aus, so daß Moses als Vorbild auf ihn er- scheint. (Olshausen.) Es kann sein, daß der Engel in der Mehrzahl redet, um zu versicheru, jetzt sei Herodes hinweggeräumt und nun seien auch alle Andern, die man sonst hätte fürchten mögen, nicht mehr zu fürchten; vielleicht ist aber bei diesem Ausdruck, außer auf ero- des, auch eine spezielle Rücksicht auf seinen Sohn nti- Pater genommen, den er wenige Tage vor seinem Tode, weil er den Vater hatte vergiften wollen, im Gefängniß ermorden ließ und der vormals von ihm im Testamente zu seinem Nachfolger bestimmt gewesen. (Menken.) Zum Verständnis? des Folgenden, sowie überhaupt der Evaugelien und der Apostelgeschichte, führen wir hier die in den Schlußbem zu l. Macc. mit dem Tode Herodis des Großen abgebrochene Geschichte der He- rodianer unter Bezugnahme auf den dort mitgetheil- ten Stammbaum bis zur Zerstörung Jerusalems weiter sort.—Jnseinem letzten Testamente hatte Herodes über seine Nachfolger in der Regierung folgendermaßen verfügtt Archelaus HerodesAntipas Phili us (B. II. 4. u) (I3.11.4. «) B. ILPZF u) König Vierfürst Vierfürst über Jduniäa, über Galiläa und über Jturäa, Gau- Iudäa und Peräa. lanitis, Aurauitis, Samaria. Trachonitis und Batanäa. Außerdem vermachte er seiner Schwester Salome (A. 5.) die Städte Jamnia, Asdod, Phasaälis und Archelais, die diese dann wiederum bei ihrem Tode auf die Kai- serin Livia vererbte. —— Archelaus nun, nachdem er dem Vater das Leichenbegängniß ausgerichtet hatte, begab sich nach Jerusalem und empfing auf dem Tempelber die Huldigung des Volks, wobei er einen Steuererlag bewilligte; das Volk aber forderte noch so vieles An- dere, daß Archelaus zur Gewalt griff und ein großes Blutbad anrichtete, in welcheni 3000 Juden uni’s Leben kamen. Nach hergestellter Ruhe begab er sich nach Rom, um von Augustus die Bestätigung in seiner Würde sich zu holen; mit ihm zugleich erschien dort sein Bruder Antipas, der ihn ganz verdrängen wollte, desgleichen Abgeordnete der Juden, die uin Befreiung von der Herrschaft der Herodier nachsuchten. Augustus, nach längerem Zögern, bestätigte das Testament des Herodes, gestattete jedoch dem Archelaus für’s Erste nur den Titel eines Ethnarchen (Schlußbem. zu 1.Macc. Nr.5 Zus.). Nach seiner Rückkehr heirathete derselbe die Wittwe sei- nes Halbbruders Alexander, die Glaphyra, mit der er auch Kinder zeugte; in seiner weiteren Regierung setzte er dann Hohepriester willkürlich ein und ab und verfuhr im höchsten Maße despotisch und grausam, so insbesondere gegen die Samarctaney daß er zu wiederholten Malen beim Kaiser verklagt wurde, dieser im J. 6 n. Chr. ihn ab- setzte und in·die Verban1iung nach Vienne in Gallien schickte, von seinem Lande aber Judäa und Samaria zu Syrien als unmittelbar römisches Gebiet schlug. Unter der Oberhoheit der dortigen Statthalter, deren Aufein- anderfolge zur Zeit der biblischen Geschichte des neuen Testaments diese ist: I) P. Quintiliiis Varus v. 6—l v. Chr. ·2) M. Lollius v. 1 v. Chr. —- 3 n. Ehr. Z) C. Marcius Censorinus (?) 3 4) L. Volusius Saturninus 4 Z) P. Sulpicius Quirinus t’)—11 6) Creticus Silanus. . . . I1——17 « Geschichte der Herodianer nach Herodis d. Gr. Tode. 17 73 Cn. Calpurnius Piso . . . . . 17-—19 n. Chr. 8 Cn. Sentius Saturninus (?) 19 » B) Anlius Lamia . . . . . . . . . . 20—22 » 10) Pomponius Flaccus.....22—33 » 11) Zwischenzeit ohne Statthalter 33—35 » 12) Lucius Vitellius . . . . ...35——39 » is) Publius Petronius . . . . . 39—42 » 14) C. Tibius Marsus . . . · . . 42—44 » 15) C. Cassius Longinus . . . . 45——50 16) Ummidius Quadratus . . . 50——60 » 17) Domitius Corbulo . . . . . . 61—65 » 18) Cestius Gallus . . . . . . . . .65—66 » 19) Licinius Mucianus . . . . . 66——69 » standen beide Landschaften zunächst bis zum J. 41 n. Chr., wegen der weiten Entfernung vom Hauptlande erhielten sie jedoch besondere Landpfleger, die für gewöhnlich in Cäsarea am Nieer (Schlußbem. zu 1.» Matt. Nr. 11, o) residirten, zur Zeit der hohen Feste jedoch nach Jeru- salem kamen und dort den Palast des Herodes bewohnten. Bis zum genannten Jahre folgten sie also auseinander: I) Coponius 2) Markus Ambivius 6—14 n. Chr. 3) Annius Rufus 4) Valerius Gratus . . .14—25 » s) Pontius Pilatus . . . 26-—36 » s) Marcellus . . . . . . . 86—37 » 7) Marullus . . , . . . . 37——41 » und sei hier zur Erläuterung von Apostg. S, 37 nur noch Folgendes mitgetheilk Gleich nach des Archelaus Verweisung folgte des Quirinus Sendung nach Syrien (etwa im Sommer a. 6 v. Chr.), während die spezielle Verwaltung Judäa’s der obengenannte Coponius erhielt. Jm Jahre darauf kam Quirinus selbst nach Judäa, die Abschätzung dieses Landes zu unternehmen. Die Juden waren schon durch das bloße Gerücht von der drohenden Schätzung, dienur als Einleitung für eine Brandscha- tzung dienen konnte, sehr aufgeregt, wurden aber beson- ders durch das Zureden des Hoheupriesters Joazar, des Voöthus Sohn, bewogen, derselben keinen Widerstand entgegenzusetzem ein unbesonnener Theil des Volkes jedoch schloß sich an Judas aus Gamala (südöstlich vom See Genezareth) und den Pharisäer Zadok an, die zum offenen Ausstand reizten und damit viel Elend herbei- führten. — Gehen wir nunmehr zu Herodes Antipas über, der von seinen Unterthanen ebenfalls mit dem Königs- titel beehrt wurde, obgleich er nur Vierfürst war (Mark. 6, 14; Luk. 3, 1), so· hatte er fein Gebiet auf beiden Seiten des Jordan und residirte für gewöhnlich zu Ti- berias am See Genezareth (Kap. 4, 25 Anm.), im Sommer jedoch, wegen des heißen und ungesunden Klimcks jener Stadt, zu Livius, östlich von Jericho (s. Karte V.). Des Antipas Einkünfte betrugen 200 Talente G» 2618 Thlr., s. Z. Mos. 30, 13 Anm.), und wird sein Haushofmeifter oder Rentenverwalter (Luther: ,,Pfleger«) in Luk. 8, 3 erwähnt. Er war ein leichtstnnigey dem Lebensgenuß verschwenderisch ergebener, hinterlistiger und Gewaltthaten nicht abgeneigter Fürst, doch mehr characterlos als grausam. Vermählt mit der Tochter des arabischen Königs Aretas, verliebte er sich, als er einst auf einer Reise nach Rom bei seinem Zalbbruder Philippus (Herodes c» s. den Stammbauim . I1.3), der im Privatstande lebte, einkehrte, in dessen Weib, die Herodias (B.1. 2.e, 4), und machte mit ihr den Vertrag, daß sie nach seiner Rückkehr von Rom zu ihm ziehen solle, er aber seine Gattin, mit der er schon lange in der Ehe gelebt, verstoßen wolle. Letztere, die noch während des Antipas Abwesenheit Kunde von des- sen Einverständniß mit Herodias erhielt, entfloh über Machärus zu ihrem Vater nach Petra, der damaligen Hauptstadt der arabischen Könige; die beabsichtigte Ver- Dächstlw Bibe1weri. bindung der beideii kam dann wirklich zu Stande. Wir kommen auf diese Geschichte zu Kap. 4, 12 ff. zurück, Im J. 36 n. Chr. gerieth Herodes mit seinem ehema- ligen Schwiegervater Aretas in Grenzstreitigkeiteu und wurde in dem daraus sich entspinnenden Kriege gänzlich aus’s Haupt geschlagen; das Volk erblickte darin schon Gottes Strafgericht für die Enthauptung Johannis des Täufers. Nun wandte er sich zwar an seinen Gönner, den römischen Kaiser Tiberius, mit der Bitte um Hilfe, und von diesem erhielt auch der syrische Statthalter Vitellius den Befehl, den Aretas lebend oder todt aus- zuliefern; doch ehe der Auftrag vollstreckt werden konnte, starb Tiberius am 16. März 37 n. Chr., und Vitellius, der erst bis Jerusalem vorgerückt war, wo er während des Passafestes rasiete, setzte den Krieg nun nicht weiter fort. Härter ereilten Gottes Schläge den Herodes unter dem nun folgenden Kaiser Cajus Caligula Bei diesem gewann sein Neffe Herodcs Agktppa I. (B. I. 2. o, 1), dem er früher aus großer Verlegenheit geholfen, so be- deutenden Einfluß, daß er die vormalige Tetrarchie des Philippus, die nach dessen Tode zu Ende des J. 33 oder zu Anfang 34 n. Chr. zu Shrien geschlagen wor- den war, nebst der Tetrarchie des Lysanias (Luk. Z, l) unter dem Titel eines Königs zum Besitz erhielt; weiter- hin aber wußte Agrippa seinen Onkel, den Herodes Antipas, so wirksam bei dem Kaiser zu verdächtigen, daß Antipas, der auf Betrieb der ehrgeizigen Herodias und iu ihrer Begleitung nach Rom gekommen war, um ebenfalls den Königstitel zu erlangen, im J. 39 n. Chr. der Regierung entsetzt und nach Lyon in Gallien ver- bannt wurde. Gestorben ist er dann später in Spanien; seine Tetrarchie kam im folgenden Jahre an Agrippa I., ja dieser stieg noch im Ansehn bei dem nun folgenden Kaiser Claudius, der ihm zu großem Dank verbunden war, und so erhielt er zu feinem bisherigen Reiche im J. 41 noch Judäa und Samaria hinzu, wodurch ganz Palästina jetzt wieder unter Einem Scepter (v. 4l——44 n. Chr.) vereinigt war. Wir erwähnen aus dieser Zeit noch einen interessanten Vorfall unter dem syrischeii Statthalter Petronius Derselbe hatte vom Kaiser Ca- ligula den Auftrag erhalten, das kaiserliche Standbild mit Gewalt im Tempel zu Jerusalem aufzustellen, die Widerstrebenden hinzurichten und nöthigenfalls das ganze , Volk in die Sklaverei zu verkaufen. Ehe nun die Juden es glauben wollten, daß es mit: solchem Befehl ernft gemeint sei, stand Petronius schon mit der Z. Legion und seinen Bundesgenossen bei Ptolemais; da an be- waffneten Widerstand nicht zu denken war, so versam- melten Männer, Weiber und Kinder sich schaarenweise als Flehende in der Ebene von Ptolemais, von dem Statthalter Schutz« für den Glauben ihrer Väter erfle- hend, und dieser, von ihren Bitten gerührt, leitete Un—- terhandlungen mit den Vertretern des Volks zu Tibe- rias ein. Hier suchte er den Juden zu beweisen, wie unverständig ihre Bitte sei: alle Völker ohne Ausnahme hätten die Bilder der Kaiser neben die Bilder ihrer heimischen Götter gestellt; sie allein wollten eine Aus- nahme machen und beleidigten durch den Ungehorsam in diesem Punkte den Kaiser persönlich. Die Juden dage- gen beriefen sich auf ihr Gesetz: sie hätten nicht einmal ein Bild ihres eigenen Gottes im Tempel, geschweige, daß sie das Bild eines Menschen darin dulden könnten. Petronius erklärte, er müsse seinem errn aber Gehor- sam leisten und werde deshalb den efehl mit Gewalt ausführen; worauf das ganze Volk erklärte, es sei be- reit zu sterben. Der Statthalter wußte nicht recht, was er solchem Muth gegenüber anfangen sollte, und ver- tagte deshalb die Unterhandlungen; am nächsten Tage versuchte er es vom Neuen mit Bitten und Drohungen, doch mit demselben Erfolge. Einsehend, daß das Land N. T. I, 2 18 Evangelium Matthäi 2, 21——23. dem Untergang entgegen ginge, wenn« er den Befehl des Kaisers jetzt ausführe —- die Saatzeit war fast vorüber, und noch hatte niemand wegen des ungewissen Aus- gangs das Feld bestellt —, gab er nach, rief das Volk noch einmal zusammen und verkündigte ihnen den Ent- schluß, der seinen Kopf kosten könnte: er wolle seinen Herrn bitten, ihm die Ausführung des Befehls zu er- lassen; gelänge es ihm nicht, den Zorn desselben zu stillen, so wolle er sein Leben für das Volk opfern. Von des Volkes Segenswünfchen begleitet, reiste er nach Ptolemais zurück und führte seine Truppen nach Antio- chia. Von dort meldete er dem Kaiser, was er gethan, und bat denselben dringend , das Volk nicht um dieses Befehls willen zu verderben, da es nicht Trotz, sondern religiöse Scheu wäre, welche die Juden zum Aeußersten triebe. Als Antwort drohte ihm Caligula mit dem Tode; ehe aber der Drohbrief in des Petronius Hände kam, war Caligula bereits ermordet und an seine Stelle unter des in Rom gerade anwesenden Agrippa Mitwir- kung Claudius zum Kaiser ans-gerufen. —- Von dem Tode des Agrippa, der ganz ähnlicher Art wie der Herodis des Großen war, hören wir in Apostg 12; von da an aber, weil sein Sohn Agrippa II. erst 17 Jahr alt war und noch nicht zur Regierung gelassen wurde, kam der größte Theil des Landes wieder zu Syrien, und Judäa und Samaria standen bis zum letzten jtidischen Kriege abermals unter Landpflegern, von denen wir hier noch nicht die Amtszeit (diese ist sehr schwierig zu bestimmen und kann erst bei Behandlung der Apostel eschichte näher erörtert werden), sondern vorläufig. nur ihre Namen an- geben: 8) Cuspius Fadus, 9) Tiberius Alexander, 10) Ventidius Cumanus, 11) Antonius (nach Andern: Claudius) Felix, 1·2) Porcius Festus, 13) Albinus, 14) Gessius Florus. —- Was den Vierfürsten Philip- pus betrifft, der wohl zu unterscheiden von dem frühe- ren Gemahl der Herodias,iso Umfaßte dessen Gebiet das alte Basan oder die weite offene Hochebene, die vom Fuß des großen Hermon bis nach dem Haurangebirge im Siidosten und dem Hieromax im Süden sich aus- breitet. Der westliche Theil dieser großen Ebene, wel- cher an den See Tiberias und den Jordan stößt, ist die Landschast Gaulanitis (jetzt Dsch01an); der nördliche Theil oberhalb der Stadt Cäsarea Philippi hieß Ita- räa (jetztDsehedu1-); der östliche ist Auranitis (jetzt Hauran); der nördlich davon liegende, niedrige nnd steinige Distrikt ist Trachonitis (jetzt el Lecjscha), und südlich davon, nach dem Haurangebirge zu, liegt Batanäa. Wie Philippus noch bei Lebzeiten des Vaters, als er bei diesem von Antipater verdächtigt worden war, für nnschuldig erkannt wurde, so erwies er sich auch hernach als den bei weitem besten von He- rodis des Großen Söhnen, als einen milden, seinen Regentenpflichten eifrig obliegenden Fürsten von einfa- cher, schlichter Lebensweise. Die Stadt Cäsarea, nach ihm mit dem Beinamen Philippi belegt, ursprünglich Panias von dem nahe gelegenen Berge Panius genannt, woselbst Herodes der Große dem Augustus einen Tem- pel errichtet hatte, bauete er um das J. 6 n. Chr. wei- ter aus (Kap. 16, 13). Sie liegt auf der Höhe einer schönen Kalksteinterrasse, etwa 1147 Fuß über dem Meer, und verbindet in ihrer Lage, eingeschmiegt wie in einen Winkel am Südfuße des mächtigen Hermon, der majestätisch dahinter sich emporstreckt, in hohem Grade das Großartige mit dem Schönen. Eine andere, von Philippus erbaute Stadt, das 5 Meilen weiter siidlich gelegene Bethsaida, nannte er der Tochter des Kai- sers zu Ehren Julias Hier errichtete er sich ein Grab- mal und ist auch nachmals daselbst beigesetzt worden. Da er von seiner Frau, der Salome, Tochter der Hero- dias, keine Erben atte, so gehörte von 34——37 n. Chr. die von ihm besessene Tetrarchie zur« Provinz Shrien, fiel aber, wie vorhin erzählt, in dem letztgenannten Jahre an Agrippa I. Dessen Sohn Agrippa II. erhielt erst um das J. 48 oder 49 vom Kaiser Claudius das kleine Fiirstenthum Chalcis am Libanon, welches bis dahin sein Onkel Herodes (B. I. 2. c, Z) besessen hatte, nebst der, seit 46 n. Chr. von diesem ebenfalls verwal- teten Aufsicht über den Tempel zu Jerusalem, womit das Recht, die Hohenpriester einzusetzen, verbunden war. Um diese Zeit knüpfte sich auch das blutschänderische Ver- hältniß zwischen ihm und des Vorgängers Wittwe, fei- ner leiblichen Schwester Berenice an (Apostg. 25, 13 Anm.). Vier Jahre später (etwa 53 n. Chr.) ward ihm unter dem Titel eines Königs statt jenes Fürstenthums die Tetrarchie des Philippus mit der des Lysanias zu Theil, wozu dann Kaiser Nero noch 3 Städte und 14 Dörfer in Galiläa fügte, während der bei weitem grö- ßere Theil des jüdischen Staats römische Provinz blieb. Die durch den Druck der oben mit Namen genannten Statthalter von Syrien, sowie der eigenen Landpfleger bewirkte Gährung im jüdischen Volke und die immer drohender sich ankttndigende Krisis (Apostg. 28, 31 Anm.) suchte Agrtppa II. möglichst abzuwenden; obwohl er aber viel zur Verschönerung Jerusalems, namentlich auch dnrch Vollendung der Außenwerke am Tempel beigetra- gen, stand er doch in keinem besonderen Ansehen beim Volke. Als dann der Krieg gegen die Römer ausbrach, schloß er sich fortdauernd an diese an, blieb nach Been- digung des Kriegs noch an 30 Jahre im Besitz seiner kleinen Herrschaft und starb als 70jähriger Greis unter der Regierung des Kaisers Trajan (im J. 10l n. Chr.). 21. Und er [der also von Gottes Hand Schritt für Schritt geleitete Joseph V. 13 Anm.] stund» auf [doch dies Mal wohl nicht noch in derselbtgen Nacht], und nahm das Kindlein und seine Mutter zu sich, nnd kam m das Land Israel [zunächst bis an die Grenze dessel- ben bei Rhinocolurm ohne noch zu wissen, an wel- chem Orte er sich niederlassen sollte V. 20]. 22. Da er aber hörete, daß sder seinem Vater an Argwohn und Grausamkeit ganz ähn- IicheJ Archelaus im jiidischen Lande [in der Provinz Judäa, in welcher Bethlehem lag] König war anstatt seines Vaters Herodts [von des: sem Wüthen gegen die bethlehemitischen Kinder V. 16 er jetzt ebenfalls Kunde bekam], fürchtete er sich dahin zu kommen [so bestimmt er auch seinerseits die Meinung hatte, daß Bethlehem, die Stadt Davids, der Ort sei, wo er Davids Sohn großziehen müsse]. Und im Traum lnachdem er zuvor betend und fragend sich an den HErrn ge- wandt, wie er bei dem Widerstreih da er auf der einen Seite es für seine Pflicht hielt, nach Beth- lehem zu ziehen, unddoch auf der andern Seite die Lage der Umstände ihm das entschieden ver: wehrte, sich verhalten soll·e]» empfing er Befehl vvn Gott, nnd zog sdieser Weisung gemäß] m die Oerter [Gebietstheile] des galilaischen Landes ldas unter der Herrschaft des weniger gefährlichen Herodes Antipas stund], 23. Und kam lnicht bis zu dem eigentlichen oder nördlichen Galiläa fortziehend, sondern gleich Die heilige Familie kehrt aus Egypten zurück und nimmt wieder Wohnung zu Nazareth. 19 in Niedergaliläa Halt machend Kap. 4, 25 Anm.] und wohnete in der Stadt, die da heißt Nazareth [und die schon vor der Geburt des Jesus- kindes sein Wohnort gewesen war Kap. 1, 18 ff.; Luk. I, 26 ff.; 2, 4]; auf daß sdurch solche Leitung Gottes, die ihm für die Lluferziehung des Jesuskindes gerade diese unscheinbare Stadt anwies] erfüllet würde, das da lzwar nicht an einer bestimmten einzelnen Stelle des alten Testaments, wohl aber in verschiedenen Andeutungen und Aus- sprüchen über die geringe Abkunft und die miß: achtete Erscheinung des künftigen MessiasJ gesagt ist durch die Propheten [ogl. unten die Amn.]: Er soll Nazarenus [d. i. »der von Nazareth« Mark. 1, 24; Joh. l, 45; 18, Z; 19,19; Apostg L, 22 u. s. w.] heißen. Der Ort Nazareth ist weder im alten Testament noch bei Josephus erwähnt; der Name (von H; = name-«, d. i. Zweig, Wurzelschosk herkommeud) bezeichnet entweder ihn selber als ein schwaches Reis, als einen kleinen Flecken, oder war ihm beigelegt von dem Gestrüpp und Buschwerk seiner nächsten Umgebung. Seit »Jesu von Nazareth« ist der frijherhin nicht einmal erwähnte Ort der gefeiertsten einer auf dem ganzen Erdkreis ge- worden. Er gehörte zu Niedergaliläm zum ehemaligen Stammgebiete von Sebulon und lag auf einem Berge (Luk. 4, 29), IV, Stunden westlich vom Thabor, 8 St. von Tiberias und 3 Tagereisen von Jerusalem, in schö- neu, ebenso ernsten als lieblichen Umgebungenx das jetzige eipNäzirah dagegen liegt auf der westlichen Seite eines schmalen, länglichem von Siidsüdwest nach Nordnordost sich erstreckenden Thalbeckens am unteren Theil des Absalls des westlichen Berges, der sich hoch und steil über der Stadt erhebt und von dessen Gipfel bei einem verfallenen Welt) (Grabmal) man eine pracht- oolle Aussicht auf die Ebene Jesreel und Sebulon, die Berge Thabor, Gilboa, Karmel, Hermon und das Mit- telmeer genießt. Sie erstreckt sich mit ihren wohlge- bauten steinernen Häusern bis in’s Thal hinunter· und zählt etwa 3000 Einwohner, die meistentheils Christen — sind; unten ist sie von Westen ans dargestellt. Das Hauptgebäude des Orts ist das festungsartig ummauerte, auf der vorliegenden Ansicht rechts nach der Stadtmauer hin frei liegende lateinische Kloster, dessen kleine zur linken Seite liegende Kirche, nächst der des heil. Grabes die schönste in Syrien, die Stätte bezeichnet, wo der Sage nach das Haus der Maria ge- standen habe; unter dem Chor derselben, 17 Stufen hinab, wird in einer Höhle die Stelle der Ver- kündigung (Luk. 1, 26 fs.) gezeigt— eine Säule giebt den Ort an, wo der Engel, eine zweite, wo die Maria stand, doch ist von der letzteren das Mittel- stück herausgebrochen, der obere Theil hängt an der Decke und nur die Basis steht noch fest. Das Haus der Maria selber ist, der Legende zufolge, im J. 1291 von Engeln nach Dalmatien, im J. 1394 weiter in einen Wald von Recanati, hernach auf einen Hügel, welchen 2 Brüder befassen, und zuletzt nach Loretto in Italien an die Stelle, wo es noch immer gezeigt wird, getragen worden(!). Jn Nazareth dagegen soll sich noch der Brun- nen der Maria und die Wohnung Josephs befinden; auch wird dort eine große Steinplatte aufbewahrt, an welcher der HErr mit den Jüngern gegessen haben soll. Endlich zeigt man am Ausgange des Thales von Na- zareth, nach der Ebene Jesreel zu, den Felsabhang, von welchem die Nazarener Christum herabstiirzen woll- ten (Luk. 4, 29); er ist jedoch beinahe eine Stunde von der Stadt entfernt, während der Evangelist als die Lo- kalität des beabsichtigten Herabstiirzeiis den Hügel des Berges bezeichnet, darauf ihre Stadt gebaut war. »Willst du meine Ansicht wissen, schreibt van de Velde, so inuß Nazareth. 28 20 Evangelium Matthäi Z, l. L. ich bekennen, daß ich mir die Sache nicht anders zu er- klären weiß als durch die Annahme, daß das alte«Na- zareth auf einem Plateau des Berges lag, und dieser früher eine senkrecht abfallende Wand gehabt haben muß, deren steile Felsen im Lauf der Jahrhunderte hinabge- stürzt und zerbröckelt sind, etwa durch Erdbeben, die hier zu Lande sehr häufig sind; demnach wäre der Ort, von dem man den Heiland hinabzuwerfen gedachte, jetzt ganz verschwunden« Durch Sultan Bibars im J. 1263 völlig in Ruinen verwandelt, wurde Nazareth erst nach mehreren Jahrhunderten wieder aufgebaut, blieb aber lange Zeit nur ein kleines Dorf, bis die Franziskaner a. 1620 auch die Verkündigungskirche wieder erstehen ließen und ein Kloster damit verbanden. Was nun die vorliegende Stelle bei Matthäus betrifft, so glaubt man gewöhnlich, der Evangelist beziehe sich auf die Worte: Jes. 1l, 1., wo Christus als nezer bezeichnet wird, welches Wort auch dem Namen der Stadt Nazareth, wie wir gesehen haben, zu Grunde liegt. Andere mei- nen, Matthäus beziehe sich auf solche Stellen, wo auf die Niedrigkeit des Messias, auf die Verachtung, in der er beim Volke stehen werde, hingedeutet wird (z. B. Pf. 22; Jes. 53); der Name Nazarenus aber, den Jesus zunächst von seinem Erziehungsorte erhielt, bezeichne eben einen verachteten ålltenschem Noch Andere halten dafür, es liege hier in ähnlicher Weise eine, in den uns bekannten prophetischen Büchern nicht vorkommende Weissagung zu Grunde, wie Paulus iu Apostg. 20, 35 auf einen, in den Evangelien nicht aufbewahrten Aus- fpruch Christi, und der Apostel Judas ·in V. 14 f. seiner Epistel auf eine, uns sonst nirgend berichtete Prophezep ung Henockys sich bezieht, so daß wir es also miteiner mündlichen Ueberlieferung zu thun hätten, durch die der Ort des Privatlebens des Messias schon längst zuvor ebenso bestimmt bezeichnet war, wie der Ort seiner Ge- burt durch Micha 5, l. »Diese Weissagutig sagt Menken, hatte selber ein ähnliches Schicksal, wie der, von dem sie zeugte: eine lange Verborgenheit bedeckte sie, als ob sie etwas Menschliches gewesen wäre, bis sie, als ein durch den Erfolg bestätigtes unvergängliihes Gottes-work, aus ihrer Verborgenheit hevorgezogen und aller Welt bekannt gemacht wurde« » » · Wir halten es » für zweckmäßig, hier gleich noch Einiges über die verwandtschaftlichen Verhältnisse, unter denen Jesus in Nazareth heranwuchs, beizubringen. Nach Kap. 13, 55 f. hatte er zu Brüdern die vier: Ja- kobus, Joses, Simon und Juda; außerdem aber auch S ch western, nur ist deren keine beiNamen genannt. Wie steht es nun, waren das leibliche Gefchwister des Errn in sofern, als Joseph und Maria nach seiner eburt auch mit einander Kinder zeugten? Der Wort- laut der Schrift, wie wir zu Katz. 1, 25· gesehen, steht dieser Annahme nicht entgegen; Ja, er sieht sogar wie ein positives Zeugniß gegen die gegentheilige Annahme, als wäre die Ehe der beiden eine bloße Scheinehe ge- wesen, aus. Dennoch hat die Kirche sich nicht zu einer solchen Auffassung verstanden, sondern ist bei dem Satze Augustin’s stehen geblieben: Ob wohl Maria noch ein- mal goboren hat? das sei ferne! Mutter konnte jene Frau sein, aber Eheweib konnte sie nicht fein.« Und in der That: hatte Maria einmal den Gotterzeugten ge- boren, so mußte das Grauen vor dem Wunderbaren, die Scheu vor derjenigen, die unmittelbar von der Kraft des Höchsten berührt worden war, den Joseph für im- mer abhalten, ihr ehelich beizuwohnen; und auch ihr « eigener Organismus, nachdem er zum Blüthenkelch der neuen Menschheit geworden, zum Mutterschooß für die Erscheinnng des ewigen Lebens, war fortan zu stolz und zu sestlich gestimmt, um noch zu Zeugungen für die Sphäre des Alltagslebens und des alten Weltwesens sich herzugebeu. Von diesen Anschauungen aus ist nur die andere Auffassung möglich, daß wir bei den Brü- dern und Schwestern des HErrn lediglich mit Ges chwi- sterkiudern, mit Vettern und Busen zu thun haben; und zwar, um andere Erklärun sweisen, die wenig Wahrscheinlichkeit für stch haben, oFne Weiteres zu über- gehen, wäre dies der Sachverhaln Joseph, der Mann der Maria, hatte einen Bruder an jenem Kleophas in Joh. 19, 25., der mit griechischer Namensform auch Alphäi heißt (Matth. 1(), Z; Mark. B, 18; Luk. s, 15; Apostg. l, 13) und wohl zu unterscheiden ist von einem andern Manne, dessen im Deutschen gleichlautender Name nur eine Zusammenziehung aus dem griech. Kleo- patros ist (Luk.24, 18); derselbe starb frühzeitig, Joseph nahm die Wittwe sammt den Kindern in sein Haus auf, und bildeten nun beide Theile, Joseph mit Maria und Jesus auf der einen, und diese Wittwe des Kleophas mit ihren Söhnen und Töchtern auf der andern Seite, eine einzige Familie. Die Namen der 4 Söhne kennen wir bereits, die der Töchter lassen wir auf sich beruhen, da die Schrift keine Andeutung darüber giebt: wie aber hieß die Mutter, des Kleophas Wittwe? Da geben uns denn die Stellen: Kap. 27, 55 f. ;s Mark. 15, 40 f.; Joh. 19, 25 die nöthige Auskunft, indem sie die eine von den dreien Marien, die unter dem Kreuze Jesu stunden, bald als des Kleophas Weib, bald als die Mutter des Jakobus und Joses bezeichnen; diese Maria heißt nun aber deshalb, weil sie durch die Aufnahme in des Joseph Haus mit diesem zu Einer Familie ver- schmolzen war, bei Johannes die Schwester der Maria, der Mutter des HErriy was denn soviel bedeutet als: die in schwesterlichem Verhältuiß zu ihr stehende Schwä- gerin. Aber auch Joseph, der Pslegevater Jesu und seiner Adoptivgeschwister, muß frühzeitig gestorben sein, da er seit dem 12. Lebensjahr seines Pflegesohues nicht mehr erwähnt wird und dieser dann beim Kreuzestode die Mutter dem Lieblingsjünger (Joh. 19, 26 f.) zur Versorgung tibergiebt. P. Lange sagt: »Jesus wuchs auf in einem merkwürdigen Hanswesem das die Stürme des Lebens, das Noth und Liebe so gebildet hatten. Zwei Schwägerinnen gleiches Namens, zwei Marien waren die Matronen in diesem Kreise; die Kinder des Kleophas aber, mit denen Jesus geschwisterlich zusammen lebte, scheinen dieselbe biedere, verständige und entschlossene Characterart zu offenbaren, welche auch den Joseph auszeichnen, doch große Gemtithsfijlle und Tiefe hatten sie nicht.« Daß nun Jesus in seiner Jugend selber das Handwerk des Pflegevaters betrieben habe, wie die Ueber- lieferung der ersten christlichen Zeit behauptet, findet in Mark. s, 3 seine Bestätigung, wo er selber ein Zimmer- mann genannt wird und nicht blos, wie in Matth.13,55., des Zimmermanns Sohn; Justinus der Märtyrer be- merkt dabei, er habe Pfltige, Joche und Wagschalen ge- inacht, und damit Symbole der Gerechtigkeit dargestellt und ein thätiges Leben gelehrt. Das 3. Kapitel. Christus non Johannes getauft. I. v. 1—l2. (§. 15.) Jllg einerseits Jesus nunmehr sein 30. Lebensjahr erreicht hat und andrerseito für dar voll: Israel niit Beginn eines Sabliathjahreo eine Zeit der Ruhe und der Freiheit von laudmirthschaftlichen Geschäften herlietgeliomniem ist nach Gottes Rath für Johannes den Täufer die reihte Stunde da, sein Werk in Eingriff zu nehmen. Ei: tritt denn in der Wüste des jüdisiheu Eandeo am Jordan mit der Predigt der Buse und mit Johannis des Täufers Yugßptredigt in der Wüste: g 21 der Verständigung der Uähe des Himmelreichs aus, und die Kunde von seiner Erscheinung zieht allentljalben ans den kleineren Orten Indiiabz sowohl, als aug der stimmt— stadt selbsi, Ernte herbei, die suh seiner Taufe unter seltenutniß ihrer Sünden unterwerfen. Jlurh die Phari- säer und Sadduzäer stellen sich liei ihm ein; doch Sto- hanneo kann diese und alle, die ihre ljerzengrichtung theilen, nicht so, wie sce sind, zur Taufe Massen, sondern muß ihnen zuvor mit schneidendey ans den Grund des Herzens; gerichteter Strafpredigt begegnen, unt sie wo möglich zu rechter Erkenntnis ihrer selbst und zu durch— greifender Bekehrung zn erwecken. Mark. I, 1—8; Eule. Z, 1——18.) I. ZU der Zeit [da Jesus noch zu Nazareth in der Verborgenheit lebte Kap. 2, 23., aber nun schon das 30. Jahr seines Alters erreicht hatte Luk. Z, 23* —- nach der genaueren Angabe in Luk. 3, I f. im Herbst des J. 26 n. Chr-E] kam Johannes [des Zacharias und der Elisabeth Sohn Luk. 1, 5 ff. 57 ff» hernachmals unter dem Namen] der Täufer [allgemein bekannt, indem Gottes Befehl an ihn ergiug, daß er jetzt sollte hervortreten vor das Volk Israel Luk. 1, 80], und predigte in der [oberhalb des todten Meeres am Jordan gelegenen] Wüste des jüdischen Landes-sit T. Und sprach [um hier den Inhalt seiner Predigt in eine kurze Summa zusammenzufasseiqz Thut Buße, das Himmelreich kwelches Mose und die Propheten als zukünftig verkündigt haben, das Königreich, welches Gott vom Himmel durch seinen Sohn, der zugleich Davids Sohn ist, unter seinem Volke aufzurichten verheißen und das ein Reich der Heiligkeit und Gerechtigkeit, der Herrlichkeit und Seligkeit sein soll Pf. 85, 9 ff.; Jes. L, 2 ff.; J, 6f.;11, 1 ff; Jer. 23, 5 ff; 31, 31 ff.; 32, 37 fs.; 33, 14 ff.; Hesek. 34, 23 fs.; 37, 24 ff; Dan. L, 44; 7, 14. 27] ist [nunmehr, da die für seine Offenbarung lsestimmte Zeit sich erfüllet hat] nahe herbei tommens kohne Buße und Sinnesänderung aber würdet ihr nicht nur des euch bevorstehenden Heils verlustig gehen, sondern auch noch rößeren Zorn Gottes, als unter welchem ihr bisher Zabt seufzen müssen, auf euch laden] ·) Der Zeitraum zwischen dem, was der Evangelist jetzt erzählt, und dem, was er vorhin gesagt hat, ist zwar kein kurzer, wohl aber tru sich in der ganzen langen Zeit eine wesentliche und gemerkenswerthe Ver- itnderung uicht zu. (Bengel.) Nach den Gefahren und Unruheu seiner ersten Kindheit lebte Jesus nun ruhig und still, unbemerkt und unbekannt zu Nazareth bei sei- ner Mutter Maria und seinem Pflegevater Joseph und deren Kindern (?). So wunderbar, so ausgezeichnet seine Geburt und der Anfang seines Lebens war, so gewöhn- lich, -so von allem Wunder-baten, was die Aufmerksamkeit der Menschen .auf ihn hätte hinleiten können, entledigt war sein nachheriges Leben als Jüngling und als Mann. Der Engel, der seine Geburt verkündigh die Heerschaar der Himmlischety die diese Geburt mit Lob Gottes ge- feiert hatte, beobachtete jetzt über ihn ein tiefes Still- schweigen; aus fernen Ländern kamen keine Weisen ihn anzubeten, es geschah nun seinetwegen keine weitere Nachfrage, keine Verfolgung von der Re ierung und der Priesterschaftz kein Simeon zeugte von ihm als dem Heiland, keine Prophetin redete von ihm als dem Erlöses; Himmel und Erde, Engel und Menschen schienen sich um ihn nicht mehr zu bekümmerm als sie sich um jeden andern Knaben und Jüngling und Mann in Nazareth bekiimmerten. Er selbst that in der ganzen Zeit der 30 Jahre nur einmal, als Knabe, etwas Auffallendes das die Aufmerksamkeit feiner Zeitgenossen und Lands- leute auf ihn richten konnte , und nach dem Rathe des über ihm und über ihnen waltenden Gottes richten sollte; sonst war er wie ein anderer Mensch und ließ sich in seinen Geberden und in seinem Thun und Lassen, soweit es der Ansicht menschlicher Augen blos lag, als ein anderer Mensch ersinden. (Mcukeu.) - its) St. Lukas giebt in der angeführten Stelle an, 1) wer zur Zeit des Auftretens des Johannes die welt- liche Gewalt über Palästina und dessen einzelne Theile hatte: a) in Rom herrschte damals statt des Augustus, unter welchem Christus geboren ist, sein Nachfolger Tiberius (die Zeit feiner Mitregentschaft in Aufchlag gebracht v. 12—37 n. Chr.); b) in Judäa und Sa- Maria, die seit dem J. 6 n. Chr. unter unmittelbarer römischer Herrschaft standen, war Pontius Pilatus Land- pfleger (v. 26——36 n. Chr.); c) in Galiläa und Peräa regierte Herodes Antipas als Vierfürst (v. 4 v. Chr. —— 39 n. Chr.); d) in Jturäa und Tracho- nitis jenseit des Sees Genezareth war dessen Bruder Philippus Vierfürst (v. 4 v. Chr. -— 34 n. Chr) Außerdem nimmt der Evangelist noch e) Rücksicht auf das Fürstenthum Abilene im Norden von Jturäa und Trachonitis das zu der Zeit, in welcher er sein Evan- gelium schrieb, mit zum jtidischen Reiche gehörte (Kap. Z, 20 Anm.) , damals aber, als Johannes der Täufer austrat, seinen eigenen Fürsten an einem gewissen Lhsa- nias hatte. Weiter berichtet St. Lukas, 2) welches die geiftliche Obrigkeit des Landes gewesen sei; nämlich: a) der Vorsitzende im Hohenrath war Hannas, der von 7—14 n. Chr. das Hohepriesteramt bekleidet hatte, b) der gegenwärtige Jnhaber des Hohepriesterthums dagegen war dessen Schwiegersohn Caiphas (v. 17—36 n. Chr.), beide zu der Sekte der weltlich gesinnten, in Sitte und Denkart den heidnischen Vtachthabern zuge- neigten Sadduzäer gehörend. Nun wird gleich zuerst der Termin des Auftretens Johanuis noch bestimmter als das 15.Jahr des Kaiserthums des Kaisers Tiberius bezeichnet; das ist das J. 26 n.Chr., das- selbe, in welchem Pontius Pilatus sein Amt als Land- pfleger antrat, um es bis zu demselben Jahre zu ver- walten, in welchem auch Caiphas vom Hohepriesterthum abtreten mußte. Es war aber dies J. 26 u. Chr» wie wir zu 1. Matt. 6, 54 gesehen haben, von seinem letzten Vierteljahr, dem Monat Tisri Oktober) an bis zum Herbst des folgenden Jahres ein Sabbathjahr, und als solches ganz geeignet für die Wirksamkeit des Täufers; und wieleicht ist es nun möglich, daß das Jahr vom Herbst 27 bis dahin 28, in dessen zweiter Hälfte Jesus seine Wirksamkeit in Galiläa eröffnete (Kap. 4, 12 ff.), ein JUbel- oder Erlaßjahr gewesen, da ein solches alle- mal als das 50. Jahr auf die 7 X 7 Jahre einer Sabbathjahr-Periode folgte (3. Mos. 25, 8 ff.). Ein Jubel- oder Erlaßjahr aber muß das Jahr jener Wirk- samkeit Christi gewesen sein, weil erst so sein Wort in Luk. 4, 21 (vgl. V. 19 mit Jef. 60, ·2) die rechte Unter- lage in den gefchichtlichen Zeitumständen bekommt; denn hat die Stiftung des Erlaßjahres gleich von vornherein hauptsächlich darauf gezielt, die messianische Heilszeit oder die Wiederherstellung alles dessen, was durch die Sünde im Laufe der Zeit verdorben, die Aufhebung aller Knechtschaft durch den Erlöser und die Aufrichtung der wahren Freiheit der Kinder Gottes vorzubilden und als göttliche Verheißung für die Zukunft im Bewußtsein 22 Evangelium Matthäi Z, 3——7. des Volkes lebendig zu erhalten, so konnte der Anfang snit der Erfüllung dieser Berheißung nur in einem Er- laßjahre gemacht werden, Und wie wenig auch die das Jubeljahr speziell betreffenden Gesetze nach dem Exil wieder aufgenommen wurden, so wirkte doch die Jubel- ordnung in einzelnen Bestimmungen des bürgerlichen Rechts noch immer nach und blieb in lebendi em An- denken. Wir werden freilich zu Kap. 4, 17 sehen, daß das ,,angenehme Jahr des HErrn«, das Christus seinem Volke in Wirklichkeit brachte, noch einen weit größeren Zeitumfang hatte, als den eines eigentlichen Jahres, und nach einer bestimmten prophetischen Weissagung sich bemaß; indessen bleibt es doch von Wichtigkeit, daß ein Theil dieser Zeit, und zwar ein characteristisch hervor- tretender Theil ff. §. 23—41 unsrer Evangelien-Har- monie), in der That den Umfang eines Gnaden- oder Falljahres ausfällt. — IN) Mit diesem Ausdruck ist ier der südliche Theil des unfruchtbaren Gebirges be- zeichnet, welches den Jordan entlang aus der Westseite desselben von der Gegend von Scythopolis oder Beth- sean bis Jericho, und dann von Jericho bis an das Ende des todten Meeres reicht (Jos.3, 1; 16, 7 Anm.); es ist also die nämliche Wüste gemeint, von der auch in 2. Sam. 15, Es; 16, 14 die Rede ist. Jn dieser unteren Jordangegend am Nordende des todten Meeres, und zwar an den Furten des Stromes (Jos. 2, 7 Anm.) trat Johannes zuerst predigend und tausend auf; dabei ist jedoch in Beziehung auf beide Thätigkeiten ein Unter- schied in der Zeit zu machen. Jn der letzten Hälfte des Oktober oder im Anfang des November fangen die Herbstregen (in der Bibel der Frühregen genannt) an, nicht plötzlich, sondern nach und nach, und fallen dann während der Monate November und Dezember meist in starken Güssen; später kehrt er nur nach längeren Zwi- schenräumen zurück und fällt weniger stark. Aber auch in der Hauptregenzeit bringen die Südwestwinde wieder so n1ilde Tage, daß die Zeit um Weihnachten öfters zu den lieblichsten Zeiten des ganzen Jahres gehört; gegen die Mitte des Januardagegen fängt es an, anhaltender kalt zu werden, und sel st im Februar gefriert es zu- weilen. Hiernach dürften die ersten Monate der Thätigs keit des Johannes zunächst durch die Predigt der Buße und die Verkündigung der Nähe des Himmelreichs in Anspruch genommen gewesen sein, ohne daß er stir’s Erste schon taufte; um die Weihnachtszeit konnte er aber dann auch mit der Taufe vorgehen, und noch in den ersten Tagen des Januar, wie wir zu V. 13 sehen werden, stellte sich auch Jesus bei ihm ein — die klima- tischen Verhältnisse Palästinas gestatten sehr wohl diese Annahme. —- f-) Wenn Josephus in seinem Vericht vom Johannes (Antt-. XVIII, 5. Es) sagt: ,,Herodes hatte den Johannes, welcher den Beinamen der Täufer führte, hinrichten lassen —- einen guten Mann, welcher die Juden aufgefordert hatte, der Tugend sich befleißi- gend, gerecht unter einander und gottesfürchtig lebend, seiner Taufe sich zu unterziehen; denn nur dann, sagte er, würde ihre Taufe Gott wohlgefällig sein, wenn sie dieselbe nicht blos brauchten, um damit Vergebung ein- zelner Vergehungen zu erlangen, sondern damit zwar ålieinhaltungdes Leibes bezweckten, aber nur insofern sie zuvor auch die Seele durch Gerechtigkeit« gereinigt hätten« — und darin keine ansdrückliche Hinweisung auf den Messias sich findet, so liegt dieselbe Ursach zu Grunde, wie beim Schweigen über den bethlehemitischen Kinder- Mord (V. 16 Ann1.), nämlich die Rücksicht aus die Römer; dazu kommt aber noch seine eigene Unempsäng- lichkeit für das höhere Wesen des Christenthums S. Und er [dieser Johannes, der mit solcher Predigt seine Wirksamkeit jetzt eröffnete] ist [in dem Leben Jesu, das wir hier vor uns haben, auch keine zufällige oder eigenmächtige Erscheinung, sondern abermal die Erfüllung einer alttestamentlichen Weis- sagungz er ist nämlich] der, von dem der Propbet Jesajas kikk Kqp. 40, 3 seines Buchsq gesagt hat und gesprochen: Es ist släßt sich hören] eine Stimme eines Predigers in der Wüste sdie da ruft]: Be- reitet dem HErrn den Weg und machet richtig [eben und gerade oder so, wie sichs gehört] feine Steige [damit er zu seinem Volke kommen und aus der Gefangenschaft, darin dasselbe sich befindet, es her- ausführen kann]. 4. Er aber, Johannes [der dieses Wort der Weissagung zu erfiillen berufen war], hatte [um nicht blos mit Worten, sondern auch durch seine ganze äußere Erscheinung zur Buße und Weitem- sagung aufzufordern] ein Kleid von Kameelhaaren fein häreiies , ans grobem Stoff gefertigtes Ober- kleid] und fganz dem Kosiüm des Propheten Elias L. Kön. I, 8 entsprechend] eitlen ledernen Gürtel um seine Lenden [der den sackähnlichen Propheten- mantel zusammenhielt]; seine Speise aber [damit außer dieser Kleidung auch die übrige Lebensweise Buße und Entsagung predigeJ war Heuschrecken [wie arme Leute sie aßen 3. Mof. 11, 22 Anm.] und wilder Honig swie er in den Wüsten des Morgen- landes aus Felsenritzen hervorfließt Nicht. 14, 8Anm.]. Der Gegensatz, in welchem Johannes, der strenge Bußprediger, steht zu Christo, dem leutseligen Prediger des Himmelreichs, tritt uns unter den alttestamentlichen Propheten schon vor Augen in seinem Vorspiel, dem Gegensatz nämlich des Elias und Elisa. Elias vollbringt größtentheils G e r i ch ts Wunder, und die Conseqnenz seines gesetzlichen Strasamts wäre das Feuergerichtz das Welt- ende, daher wird er im Feuer der Erde entrückt; Elisa vollbringt größtentheils Rettungswunder und bereitet so auf die messianischen Propheten vor. Jener Wende- punkt in dem Doppelbilde des Elias und Elisa war ein Vorzeichen, das in dem großen Wendepunkte der alten und neuen Zeit, der Doppelerscheinung des Täufers und des Christus seine Erfüllung findet. (P. Lange.) 5. Da [als so zum ersten Mal wieder nach so langer Zeit Nehem. is, 6 Anm. 1 ein Prophet in Jsrael aufstund, und zwar ein Prophet in so auffälliger Erscheinung und mit so wundersamer Predigt] ging zu ihm [in die Wüste am Jordan] hinaus« die Stadt Jerusalem und das ganze jüdische Land und alle Länder am Jordan [die Bewohner: schaft von Jerusalem und der Landschaft Judäa, sowie die der ganzen Umgegend zu beiden Seiten des Jordan], 6. Und ließen fzur Versiegelung ihres Antheils an dem, als nahe bevorstehend angekündigten Himmel: reich V. 21 sich taufen« von ihm im Jordan, und bekannten [zu der von ihm geforderten Buße sich verstehend] ihre« Sünden [womit sie, ein jeder für sein Theil und nach seinem besonderen Stand und Beruf, Gottes Gebot übertreten und den Bund mit ihm gebrochen hätten] Viele aus allen Gegenden des Landes kommen zu Johannes und begehren die Taufe. 23 V) Wenn Lukas (3, Z) sagt: »Johannes kam in alle Gegend um den Jordan«, so faßt er die Schauplätze der ganzen, auch späteren Thätigkeit des Täufers zusam- men; wenn aber nach unsrer Stelle und nach Mark. l, 5 ganz Judäa und Jerusalem hinaus strömte, so hat Johannes der Täufer seine Thätigkeit jedenfalls am Stidende des Jordanlaufes begonnen. Was nun seine spätere Thätigkeit betrifft, so war sein·Aufenthalt nach Jesu Taufe (V. 13 fs.) Bethabara, östlicls vom·Jordan (Joh. 1, 28); da von da bis Cana in Galiläa nur 272 Tagereisen waren (Joh. I, 44 u. L, 1), so muß Bethabara nördlicher, wahrscheinlich an der Furt der von Sichem nach Ramoth-Gilead führenden Straße (320 6« nördl. Br.) gelegen haben, und war ohne Zweifel einerlei mit dem in Richt. 7, 24 erwähnten Bethbara, wo den Midianitern die Rückkehr in ihr Land abgeschnitten wurde. Wiederum später, nämlich nach dem Osterfest (Joh. 2, 13 — Z, 24) finden wir den Täufer zu Enon, nahe bei Salim (320 24t n. Br.): so ist er in der That in ,,alle Gegend um den Jordan« gekommen. (Ebrard.) Sehr nahe liegt die Vermuthung, daß Johannes unmittelbar vor dem Laubhüttenfefh wel- ches immer in die Zeit zwischen Ende September und Mitte Oktober fällt, in der Einöde am untern Jordan zuerst angefangen habe, von der Nähe des Himmelreichs zu predigen und zur bußfertigen Annahme der Taufe aufzufordern. Durch jene Gegend führte der Weg nach Jerusalem, welchen sowohl die peräischen als die gali- läischen Festpilgey wenn letztere die ihnen unangeuehme Reise durch Samaria vermeiden wollten, ziehen mußten; da konnten sie nun leicht in der Hauptstadt, wo die Menge des jüdischen Volks sich versammelte, sowie aus ihrer Heimreise den Ruf des eben aufgestandenen Pre- digers in der Wüste verbreiten, so daß gar bald die im J. 26 n. Chr. als in einem Sabbathjahr durch Feld- arbeit nicht in Anspruch genommenen Leute von allen Seiten zu der merkwürdigen Erscheinung hineilten. (Lichtenste1n.) — Die Taufe des Johannes ist mit Unrecht als modisicirte (nach den Umständen näher bestimmte) Anwendung der jiidischen Proselytentaufe an- gesehen worden; denn diese ist erst nach der Zerstörung Jerusalems aufgekommen, während die Aufnahme der Proselyten (3. Mos. 17, 9 Anm.), solange der Tempel stand, durch Beschneidung und Darbringung eines Opfers geschah, welchem letzteren, wie jedem Opfer, eine Lustw- tion (seierliche Waschun ), die der Proselyt an sich selbst verrichtete, als levitis e Reinigung voranging. Nicht aber blos an dieser Lustration, sondern überhaupt an den religiösen Waschungsgebräuchen der Juden und deren symbolischer Bedeutun (3. Mos. 14, 7; 4. M. 31, 19 ss.; Z. Kön. 5, 10) at die Johannestaufe ihren allgemeinen volksgeschichtlichen Ankniipfungspunkh obwohl sie in ihrer Eigenthümlichkeit, eben als Taufe (Hebr. 9, 10 Anm.) und unter Ablegung des Sitndenbe- kenntnis es, nur als etwas völlig Neues, unter der Leitung u d Erregung der göttlichen Offenbarung, deren Träger Johannes für seinen großen Beruf war, dieser Anbruchszeit des Mesfiasreichs wie schöpferisch Gegebenes erscheint. Altheilige prophetische Bilder und Andeutungen, wie Jes. 1, IS; 4, 47 44, s; Hesek. 86, 24 sf.; Sach. 13, 1., konnten dabei in der Seele diese; letzten Pro- pheten zur weiterführenden Entwickelung dienen. (Meher.) Jndem Johannes, im Anschlusse an solche Stellen, mit Wasser taufte, behielt er jedoch die in Hesek 36 verhei- ßene Geistestaufe ausdrticklich dem Messias vor (V.11); auch insofern Jesus während seiner irdischen Wirksamkeit durch seine Jünger taufen ließ (Joh. Z, 26), konnte diese nicht über den vorbereitenden Character der Johannes- taufe hinausgehen, wohl aber ist der letzte Zweck der von Christo nach seiner Auferstehung gestisteten Taufe (Kap.28, 18 sf.; Mark. 16, 16) die schon von Johannes verkündigte Geistestaufe, daher auch sämmtliche Berichte der Apostelgeschichte (vgl. z. B. Apostg. 2, 38) die Gei- stesmittheilung mit der christlichen Taufe iu die engste Verbindung setzen. (Steitz.) Kein Sacrament im kirch- lichen Sinne, und also unvermögend, den Empfänglichen die thatsächliche Mittheilung des nur erst noch verheiße- nen Heils zu vermitteln, war die Johannestaufe nichts desto weniger als Veranstaltung für alles Volk die un- endlich kühne Erklärung des allgemeinen Abfalls vom Gottesgrund des wahren Jsraelitenthums (Joh. 1, 25), als Akt der Einzelnen, vermöge dessen sie sich ihr unter- zogen, das feierliche Eingeständniß ihrer persönlichen Verschuldung, und als Handlung des Täufers der sym- bolische Vollzug der erforderlichen Reinigung zum Ein- tritt in das La er der Erwartenden und zur Erwartung Berechtigten ( üder.) Die Form dieser Taufe bestand nicht blos in einer Lustration oder Waschung, und war folglich nicht blos Sinnbild einer Reinigung; sondern sie bestand in einer Untertauchung oder Versenkung, und war Sinnbild des Untergangs und Todes des alten Men- schen und des Hervorgehens eines neuen Menschen. Und nun war die Johanneische Taufe der christlichen höchst wahrscheinlich nicht nur darin ähnlich, daß in ihr der Tausende die Untertauchung an dem Täufling vollzog, wodurch sie wesentlich von allen Lustrationen sich unter- schied; sondern daß auch eine Formel (etwa die: ,,ich taufe dich auf den Kommenden« Apostg 19, 3 f.) beim Untertauchen gesprochen ward. Der Unterschied zwischen der Johannistaufe und der christlichen Taufe dagegen stellt sich so: Jn der Johannistaufe hieß es: ,,wie du jetzt versenkt wirst, so hast du verdient, unterzugehen im Tode, und wie du jetzt emportauchst, so solltest du als ein neuer Mensch auferstehn;« in der christlichen Taufe dagegen heißt es: ,,wie du jetzt versenkt wirst, so bist du jetzt in den stellvertretenden Tod Christi begra- ben, und wie du jetzt emportauchst, so bist du nun zu einem neuen Menschen wiedergeboren. (Olshausen u. Ebrard.) 7. Als er nun [unter denen, die massenhaft zu ihm hinausströmtem auch] viel Pharisäer und Saddueäer [s. Schlußbenu zu l. Lijiaæ Nr. 4, c] sahe zu seiner Taufe kommen kund wohl wußte, das; diese von Siindenerkenntniß und Buße nichts mitbrachten, erstere vielmehr, in stolzer Selbstge- rechtigkeit sich für die Nächstberechtigten zum Him- melreich haltend, sich nur herzudrängtem um ihre vermeintlichen Ansprüche geltend zu machen, letztere hingegen bei ihrem grundsätzlichen Unglauben der allgemeinen Bewegung sich nur anschlofsen, um nicht alles Ansehen beim Volk, das ohnedies gering war, an ihre Nebenbuhler, die Pharisäer, zu verlieren], sprach er ssie für jetzt von der Taufe, die ja auch die Verheißung der Vergebung der Sünden in sich schloß Mark. 1, 4., noch ausschließend] zu ihnen: Ihr Otterugeziichte lMenschen voll Bosheit und Hinterlist Kap. 12, 34; 23, 33; Jes. 14, 2»9; 59«, 5; Pf. 58, 5], wer hat denn euch geweiset [zu der thörichten Einbildung, mit der ihr euch tragt, irgendwie eine Berechtigung gegeben], daß ihr [so, wie ihr jetzt beschaffen seid] dem künftigen Zorn [dem, dem Anbruch des Reiches Gottes vorange- henden Gericht über die Gottlosen und Frevler Mal. 3, 1 ff] entrinnen werdet kund also keine Ver- 24 Evangelium Matthäi Z, 8—13. anlassung hättet, Buße zu thun und euren Sinn zu ändern]? 8. Sehet [vieltnehr] zu sdaß ihr nicht am allerersten und allerschwersten diesem Zorn oerfallet, und] thut [damit ihr ihm wirklich entrinnen möget] rkchtschaffcltc Früchte der Vllßc sthut von Grund eures Herzens Buße und beweiset eure völlige Sinnesänderung durch einen Dienst Gottes in Heiligkeit und Gerechtigkeit, die ihm gefällig ist Luk. I, 74 f.; Apostg 26, 20]. 9. Denket nur nicht, das; ihr [solchen meinen Warnungen und Ermahnungen gegenüber auch fer- ner, wie ihr bisher gethan] bei euch wollt sagen: Wir haben Abraham zum Vater [darum muß uns das Himmelreich zu Theil werden; denn dem Samen Abrahams ist es ja verheißen Joh. 8, 33. 39]. Ich sage euch: Gott sist mit seiner Berheißung ganz und gar nicht an das bloße Jsrael nach dem Fleisch gebunden, daß er unter jeder Bedingung dasselbe seines Reichstheilhaftig machen müßte, weil er sonst keine Bürger dafür hätte; er] vermag [wenn Abra- hams Kinder nach dem Fleisch sich gegen ihn ver: stocken, und er nun sie verwerfen muß] dem Abra- ham ans diesen Steinen [die hier am Ufer des Jordan. herum liegen] Kinder zu erwecken kwie e: ja einst aus dem schon erstorbenen Leibe der Sarah Röm 4, 19 in Jsaak ihm Samen erweckt und also schon mit eurer eigenen Erwählung feine freie, allmächtig schaffende Gnade genugsam bewiesen hat Jes. 51, 1 f.]. 10. sEure Erwählung kann aber auch eure Verwerfung zur Kehrseite haben, ja wird sie binnen kurzer Zeit zur Folge haben, wenn ihr so bleibt, wie ihr jetzt seid]. Es ist schon die Axt den Bäumen [von eurer Art und Beschaffenheit, die innerlich faul sind und äußerlich arge Friichte bringen Kap. 7, 17 ff] an die Wurzel gelegt kund wartet gleichsam auf den Wink, wo sie einschlagen soll]; darum, welcher Baum, nicht Uetzt noch, da es schon die letzte Stunde ist l. Joh. 2, 18., sich verändert durch Verneuerung seines Sinnes und in Kraft solcher Umwandlung seines innersten Wesens] gute Früchte bringet, wird abgehauen und in’s Feuer geworfen [daß er da verbrenne und verderbe] 11. Ich [freilich kann eine Umwandlung eurer jetzigen Natur, eine völlige Wiedergeburt, wie sie euch noth thut, nicht bewirken und also auch die Kraft, gute Früchte zu bringen, euch nicht mit meiner Taufe verleihen: ich] taufe euch mit Wasser zur Buße [die Taufe, zu der ich euch fordere, ist ein bloßes Zeichen und Sinnbild, daß die Buße nun da sei, die bei euch zu erwecken ich von Gott gesendet bin]; der aber nach mir ldicht hinter mir, seinem Vorläufer, drein-J kommt, ist stärker denn ich fund im Vergleich zu mir ein Herr], dem ich auch nicht genugsam bin, [den geringsten Sklaven- dienst zu erzeigen und etwa] seine Schuhe zu tragen [vgl. Mark. I, 7; Luk. 3, 16]; der [wenn er nun da ist und sein Heilswerk vollbringt] wird [zu eurer Erneuerung und Heiligung] euch mit dem heiligen Geist nnd mit Feuer svom Himmel] taufen stvelches alles Unreine am Menschen verzehrt und ihn selber in’s höhere Leben verklärt] 12. Und sgleichwie dieser das Heil wirklich bringt, das ich nur als nahe bevorstehend zu oerkündigett habe, so ist er auch andretseits der, der das Gericht vollzieht, vor dem ich euch so gerne bewahren möchie:] er hat feinem Landmanne gleich, der den Ausdrusch bereits vollbracht5.Mos. 25, 4; Rath 3, 4 Auen] seine Worfschaufel in der Hand; er wird sinit Hilfe derselben] seine Tenue [deren Ausgangspunkt Judäa, und deren schließliche Ausdehnung der ganze Erdkreis ist] fegen fKorn und Spreu, die noch in ungeschiedener Mischung auf der Tenne daliegen, von einander sondern] und den Weizen in seine Scheune sammeln, aber die Spreu wird er verbrennen mit ewigem [genauer: unauslöschlichcm] Feuer [so daß es mit euch geht— entweder in die ewige Scheuer oder in’s ewige Feuer]. Wenn Lukas (3, 7 ff.) die Strafpredigt des Johan- nes nicht speziell an die Pharisäer und Sadduzäey son- dern an die zu seiner Taufe kommenden Volkshaufen gerichtet sein läßt, so hat dies darin seinen Grund, daß l) die Pharisäer und Sadduzäer nicht zwei aus dem übrigen Volk ausgeschiedene und für sich bestehende Sekten bildeten, sondern mitten im Volke lebten und also ihre Schaaren ganz fliglich auch als Volkshaufen bezeichnet werden konnten, und daß 2) zu damaliger Zeit das ganze Volk in jene beiden Richtungen gespal- ten (vgl. Apostg.23, 6), und wenn auch nicht durchweg entweder zu der einen oder zu der andern Partei ge- hörig, doch von dem unseligen Sauerteig theils der Pharisäer, theils der Sadduzäer (Kap. 16, 6. l2) an- gesteckt war; die diesen im Besonderen geltende Straf- predigt traf also das Volk in Masse überhaupt, und nur ein geringes Häuflein derer blieb übrig, welche, keiner der beiden fittlich-unwahren Richtungen zugethary das Heil Jsraels in redlicher Gesinnung erwarteten. An das Volk in diesem letzteren Sinne des Worts wen- det sich denn Johannes in Luk. Z, 10 ff. Die Phari- säer in ihrer damaligen Befchaffenheit waren der leben- dige Ausdruck des äußerlichen, traditionellen, satzungs- mäßigen Judenthums; ihre Absonderung, davon ie den Namen führten, galt den Heiden, Samariterm Zollnern und Sündern, die sie vom Himmelreich und darnm auch von aller Gemeinschaft mit ihnen, den vermeintlich vornehmsten Genossen desselben, ausschlossem und drückte fich aus in der Beobachtung der Meidungs- und Reini- gungsgesetze nach den strengsten Vorschriften des in der Satzung verendlichteiy mißdeuteten Gesetzes , ihr Cert- moniell aber, d. i. den Inbegriff ihrer religiösen Ge- bräuche, werden wir im weiteren Berlaufe unsrer Be- trachtungen näher kennen lernen. Die S adduz ä er lassen im Gegensatz zu jenen, den Repräsentanten des heuchs lerifchen Aber laubens, als die Repräsentanten des fleisch- lichen Unglau ens fich bezeichnen und stellten in Gesin- nung und Lebensweise die reine Weltlichkeit dar, die in« deß nicht selten mit einem gewissen Grad von Gutmü- thigkeit verbunden erscheint; indem sie die Entwickelung der alttestamentlichen Offenbarung, welche die Pharisäer mit ihren Satzungen und Observanzen nach Art des Kathokicismus überwucherten, sogleich hinter den An- fängen derselben, den 5 Btichern Mose, abschnitten und nicht nur die Satzungen der Tradition, sondern auch die Johannis Strafpredigt an die Pharisäer und Sadduzäeu Hinweisung auf Christum. 25 Auctorittit der über das Gesetz hinausgehenden prophe- tischen Schriften bestritten, verflachten sie deii mosaischen Glauben zur rationalistischmiosaischen Gesetzes-gerechtigkeit. Neben diesen beiden Verderbnissem die nach der einen Seite als Vermehrung, nach der andern als Verminde- rung der Offenbarung sich characteristrem war allcrdings noch eine dritte möglich, nämlich die Veränderung der Offenbarung; sie stellte sich dar in dem System der Essäer (Schlußbem. zu « l. Macc. Nr. 4, o Zusatz), welche ihre Heiligkeit darin suchten, daß sie die geistigen Elemente der Theokratie aus ihrem Zusammenhang rissen und dieselben, mit heidnischen Ansichten vermengt, in einem unhistorischen, möglichst unleiblichen, geweihten Leben ausprägen wollten. Sie lebten in einer freiwilligen Excommunicatiom die sie durch ein begütigendes Ver- halten gegen das Volksheiligthum zu beschönigen suchten. Es ist ganz dem Character dieser Sekten gemäß, be- merkt Pet. Lange, dem wir auch sonst Manches für unsre Auseinandersetzungeu entlehnt haben, daß die Pharisäer vorzüglich die Kreuzigung Christi betrieben, daß die Sadduzäer die Verkündigung seiner Auferste- hung zu unterdrücken suchten, während die Efsäer dem Schauplatz und den Ereignissen des Lebens Jesu so fern blieben, als wären sie nicht dagewesen, und auch über die einmalige Taufe des Johannes mochten sie um ihrer religiösen Waschungen willen, die sie als tägliche Satzung beobachteten, sich weit erhaben dünken. Wir glauben nicht fehlgegriffen zu haben, wenn wir Vers 7 dahin erklärten, daß Johannes die Pharisäer und Sadduzäer und Jhresgleichen für’s Erste zu seiner Taufe nicht zuließ; vielleicht stnd seine so scharsen Worte dadurch veranlaßt, daß sie des Bekenntnisses der Sün- den, dem die andern Täuflinge sich willig unterzogen (V. 6), ihrerseits überhoben sein wollten; die einen hielten sich für zu gut dazu, die andern für zu vornehm, und so wollten beide dem gemeinen Volk nicht gleichge- stellt sein. Johannes konnte da nur mit scharfem Messer in das faule Fleisch fchneiden; doch die Patienten wollten sich nicht schneiden lassen, das Herbeiströmen dieser Parteien und ihres Gelichters gerieth sehr bald wieder in’s Stocken und hörte zuletzt ganz auf, daher die Stelle Luk. 7, 80 nicht mit der vorliegenden in Widerspruch steht, wenn es dort heißt, die Pharisäer und Schriftgelehrten hätten Gottes Rath wider sich selbst verachtet und sich nicht von Johannes taufen lassen. II— V· 13—17. s(§. 16.) hatte im vorigen Abschnitt Je— hannegdie Pharisäer und Saddtizäer von seiner Taufe abgerochen weil diese in nnbnstsertiger Gesinnung kainen und sie also zu schlecht dazu waren, so kommt ihm jetzt ein Minfling unter die Hand, bei wetehem das Gegen- theil gilt, den er für der Bube nicht bedijrflig und so- mit fiir zu gut erkennt, als daß er ihn zu taufen ver- möchtn eo ist derselbe, auf den er vorhin als den Täufer mit dem heil. Geist und mit Feuer hingewiesen und in Beziehung ans welchen er erklärt hat, er seithin auch nirht genug am, seine Srhuhe zu tragen. Kber dieser Jesus von azareth, das gerade widerspiel der hosfärligen Pharisäer und der weltförmigen Saddnzäek die unge- tauft von dannen gegangen, weil sie nirht Buße thun nnd der Welt entsagen wollten, beharrt dabei, als der stärker: unter den schwächeren sieh zu deniiilhigen und, der eigenen Reinheit nnd Heiligkeit vergessend, der Wassertaufe seines sündigen Volkes sitt) zu unterziehen. Da hebt ihn denn, alg nun die Wassertaufe vor sieh geht, der Vater im Himmel aus der Gemeinschaft der Sünder: in die Gemeinschaft der Dreifaltigkeil empor, vollzieht unter einem sinnbildlichen wahrzeirtsen die Gei- Ieetanfe kostbar an ihm nud setzt ihn in sein messlanistheg Leut ein. Akkord. l, 9-—11; kalt. Z, 21 n. 22.) Evangelium am Fest der Taufe Christi) Die orientalische Kirche, wie schon in der Vorbemer- kung zu Kap. 2, I ff. angegeben wurde, begiug den Tag am 6. Januar, und wurde an diesem Tage auch im Abendlaude die Beziehung auf Christi Taufe festgehalten (vgl. Was fltrcht’st du, Feind Herodes, sehr &c. V. 3). Die lutherische Kirche nun, in dem gerechten Wunsche, für das ihr so theure Sacrament der heil. Taufe einen besonderen Tag für die Predigt desselben zu haben, stellte dafür die nicht im Alterthum vorkommenden Peri- kopen: Matth. Z, 13 —- l7 u. Tit. 3, 4 — 7 auf; nun aber bestimmen die alten Kirchenordnungen verschiedene Tage für die Predigt über des HErrn und unsre Taufe, bald den Tag Johannis des Täufers, bald den Sonn- tag nach Nenjahy bald auch den Sonntag Quinquagesimä oder Estomihi, und zwar hatte man bei letzterer Be- stimmung die besondere Absicht, der aus dem Mittel- alter herstammenden Volkssitte, die ersten Tage der auf Estomihi folgenden Woche und namentlich den Fastnacht-Z- Dienstag in Lnstbarkeit zu verbringen, entgegenzuwirken Luther wünschte den Trinitatissonntag für vorlieg. Evg. 13. ZU der Zeit lals Johannes in der vor- hin beschriebeiien Weise die Nähe des Himmelreichs oerklindigte und die Leute durch Predigt der Buße und Einladung zur Taufe für dasselbe vorbereitete’] kam Jesus aus Galilåa snnd zwar näher aus der Stadt Nazareth. wo er bisher in der Stille und Unschcinbarkeit des Elternhaitses gelebl" Mark. 1 , 9] an den Jordan zu Iohaniih daß· er sich sebcnfallG wie Andere das thaten] von ihm taufen lteßeMk [nach unsrer Berechnung am S. Januar des J. 27 n. Chr.]. V) Nachdem Johannes seine Bußpredigt in der Wüste begonnen und damit Eingang gefunden hatte, be- ab er sich an den Jordan, um die durch die Wüste Ge- ommenen durch die Taufe symbolisch einzulassen in das heil. Land. (Nebe.) —— IV) Als 12jährigen Knaben haben wir unsern Heiland in dem Co. Luk. 2 , 41 —- 52 ver- lassen, wie er mit seinen Eltern von Jerusalem heim- kehrte nach Nazareth und die Thür der Zimmermann-S- hütte sich hinter ihn schloß: als 30jährigen Mann, voll- gewachsen in der Kraft Gottes und reif, das Kreuz des Welterlösers auf seine Schultern zu nehmen, tritt er uns hier wieder entgegen. Wie oft ein Bächlein in seinem Lauf in tiefer Waldesfiusterniß oder in dunker Felsen- klnft sich verliert, jedem Menschenaug verborgen, und weit landabwärts kommt es plötzlich wieder an’s Licht, aber nicht mehr als das schwache Bächlein, sondern als ein starker, prächtiger Fluß, so verliert sich das Leben unsers Heilandes dieser Quell der Gnade, dieser lautere Strom der Heiligkeit, auf 18 Jahre in die stille Ver- borgenheit des väterlichen Fauses zu Nazareth, um erst mit dem 30. Jahre wieder ervorzutreten in voller Kraft, als ein mächtiger Paradiesesfluß, stark· genug, um nun die Lasten· seines Amts zu tragen, wie ein schisfbarer Strom seine schweren Schiffslasten trägt, und reich ge- nug, um nun mit seinen Gnadenfluthen und Segens- strömen die ganze Welt zu speisen. (Gerok.) XIV) Die Kunde, daß ein Mann in Jsrael erschienen sei, welcher die Nähe des immelreichs weissage und auch dessen Offenbarung mit Wort und sinnbildlicher Handlung vorbereite, mußte Jesu als das erste Zeichen seines Vaters für ihn erscheinen, aus der stillen urück- gezogenheih in welcher er bisher gelebt, in die effent- lichkeit hervorzutreten Aber, Jesus scheint erst, nachdem ein großer, vielleicht der großte Theil des Volkes bereits sich hatte taufen lassen, auch an den Jordan gekommen 26 Evangelium Matthäi 3, 14. 15. zu sein; denn Johannes hat jedenfalls erst eine Zeit lang gewirkt, im Allgemeinen von der Nähe des Him- melreichs gepredigt und das Volk aufgefordert, die Taufe zur Buße an sich vollziehen zu lassen, ehe er mit bestimmten Worten auf den nahen Offenbarer des himm- lischeu Wesens selbst, auf den Täufer mit Feggispund heil. Geist, den Christ des HErrn hingewiesen. So wird denn Jesus dieser vorbereitenden Wirksamkeit Johannis eine Zeit« lang freien Raum gewährt haben, ehe er selbst hervortrat, sein Verufslebeii zu beginnen. (Lichtenstein.) Ganz irreleitend ist die Vorstellung, als sei Jesus in Folge eines genau berechneten und sorgsam entworfenen Plans öffentlich aufgetreten. Sein inneres Leben horchte nur auf die Winke seines himmlischen Vaters; was er ihn thun sah , das that auch der Sohn. Freilich war damit das klarste Bewußtsein über das, was er that, verbunden; aber jede Berechnung und menschliche Plan- macherei ist als ausgeschlossen zu denken, weil sie die unmittelbare Lebenseinheit Christi mit Gott beeinträchtigt. (Olshausen.) Nebensteh ende Abbildung zeigt die Tausstätte Der Max· Yuiiannei unterhalb der Mündung des Wad Kelt in den Jordan (1. Kön 17, 3 Anm. 2), eine klein Strecke nördlich Von der Furt Helu(Jos.3,1"iAnm.). »Der Strom machthier einenVug; schon von ferne erräth man seinen Lauf in der Tiefe, in- dem er von Biischen umschat- tet wie eine grüne Schlange sich die Ebene hinabwälzt; . Bäume und Gesträuche win-I drücklich; »ich kannte ihn nicht« — wie ist das zu verstehen? Man nimmt vielfach an, bei dem Verwandt- schaftsverhältniß und den gegenseitigen Beziehungen der beiden Familien, denen Jesus und Johannes augehörten, fand gewiß auch früher schon eine persönliche Be- kanntschaft zwischen ihnen statt; Johannes trug einen tiefen Eindruck von der heiligen Unschuld Jesu in seinem Herzen und hatte privatim oder für sich selbst die Ueber- zeugung, derselbe sei Gottes Sohn und der Heiland Jsraels, zumal seine Eltern nicht werden versäumt haben, ihm mitzutheilen, was ihnen selber durch gött- liche Erleuchtung bekannt geworden war (Luk. 1, 4l ff; 76 ff.). Solche Privatüberzeiigung reichte aber für Johannes nicht mehr aus, als nun die Zeit gekommen war, wo er Andere aus Jesuin hinweisen und ihnen bezeugen sollte: ,,Dieser ist’s, der mit dem heil. Geiste taufet; er ist Gottes Sohn und Gottes Lamm, welche-s der Welt Sünde trägt«; er mußte zuvor osfiziell oder von Axntswegen zu der Gewißheit, daß es wirklich also sich verhalte, wie er glaube, gelangen, und als nun durch das Ereigniß bei der Taufe (V. 16 f.), das ihm schon im Voraus angekündigt worden war (Joh. l, 33), die göttliche Bestätigung seiner persönlichcn Ueber- »» zeugung ihm zu Theil » ward, da schien ihm im «« Vergleich mit der Klarheit Es und Zuversichh mit der er nunmehr Jesum kannte, seine frühere Erkenntniß fortan so gut wie gar keine, weil sie doch nur menschlich vermittelt nnd blos subjek- den einen Kranz entlang dem " tiver Art war. Jndessen Ufer, Weiden »und Schling- · » - läßt sickzaiich die Annahme gewachse und üppig wachsen- » vertheidigewdaßJohannes de Tamarisken vom hellsten X» — Jefum bisher noch» gar I»r.kgsssiidiiex«sigkgi«gs e s kgskktixssiigeskesgsssrsszs « , -- »— - « - , a o er u - haushohes Schilf mischt sein «. druck in «"oh. I, 31 u. 33: Säuseln in das Rauschen der Tauf-W« «« Jordan· »ich kanntje ihn nicht« im Strömun». Es ist eine geweihete Stätte, welche der strengsten Sinne des Worts zu fassen sei. Nach Luk.1,80 Priestersohn zur Taufe erkor (Jos. 2, 7. As; B, 14 ff.; trieb ja der eigene Zug des Geistes den Knaben Jo- 2. Kön. 2, 8 14) , daher es im Talmud heißt: »Der Jordan ist nicht Jordan außer im Bereich von Jericho und von da abwärts. (Sepp.) 14. Aber Johannes [auf den erlien Blick erkennend, wen er hier vor sich habe, obgleich er Jesum bis dahin nicht einmal persönlich kannte«] wehrete ihm sindem er mit Ernst und Nachdruck sich weigerte, die Taufe an ihm zu vollziehen] und sprach: Ich lder ich dir, dem Heiligen und dem HErrn der Herrlichkeit gegenüber nichts bin als ein armer Sünder und ein geringer Knecht V. 11; Joh Z, 311 bedarf wohl, daß ich von dir getauft werde, und du kgleich als vermöchte ich dir etwas zu verleihen, eine himmlische Gabe dir zu vermitteln] kommst zu mir lwie will das sich fchickenTZ V) Die Worte, welche Johannes hernach an Jesum richtet, fetzen voraus, daß er in ihm den Sohn Gottes erkannte; er würde, sagt Calvin, Gott und seiner Taufe Unrecht gethan haben, wenn er zu irgend einem Andern außer zu dem Sohne Gottes also geredet hätte. Nun aber bezeugt der Täufer in Joh. 1 , 31. 33 aus- hannes schon frühzeitig in die Einsamkeit der Wüste; seine Eltern wollten weder diesem Zuge sich entgegen- sehen, noch sonst durch menschliche Veranstaltung ein Zu- sammentreffen der beiden Knaben oder Jünglinge klinsti lich herbeiführen, ohne daß eine göttliche Führung oder ein göttlicher Auftrag sie dazu veranlaßte, hegten viel- mehr die Ueberzeugung, daß Gott der HErr beide, einen jeden auf seine Weise, zu ihrem Berufe vorbereiten werde und dann zu seiner Zeit und Stunde sie auch selber einander bekannt machen könne· Als nun Jesus zu Johannes kam, um sich von ihm taufen zu lassen, da mußte dem Manne, der den Hunderten verschiedenartiger Leute so tief in’s Herz sah und den scheiiiheiligen Blick des Heuchlers so scharf zu entlarven wußte, das sünd- lose, heilige, sanfte, erhabene Antlitz Jesu ausfallen und den tiefsten Eindruck auf ihn machen. ,,Eine gewisse unerklärliche, aber mächtige mid sichere Sympathie (Zuneigung), »ein innerer geistlicher Takt sagte ihm: Dieser ist’s! wie sich zwischen Johannes und Jesus, als sie noch beide im Mutterleibe waren (Luk. l, 41 u. 44), schou eine solche Sympathie fand, Johannes schon da- mals einen solchen Eindruck erhielt. Es gab nie einen Menschen, bei dem es in so unvergleichbarem Sinne, wie bei Jesus, wahr gewesen wäre, was Claudius von Menschen sagt, die das Vergängliche unter ihren Füßen haben und in dem Unvergänglichen als in ihrem Ele- mente leben: sie fühlen sich unsterblich an, aber sie sind es auch; und es gab wenige Menschen, die in dem Maß, Andern das Unsterbliche, das Göttliche anzusehen und anzufühlen im Stande waren, wie Johannes der Täufer. So hat Luther, der von diesem Takt für das Unfterbliche , Geistliche und Göttliche im Menschen auch wohl wußte, diese Stelle ebenfalls verstanden. Er sagt: Es wird dem Johannes geahnet haben, dieser Jesus sei nicht ein schlechter (gewöhnlicher) Mensch, es werde etwas Höheres hinter ihm sein. Christus war ihm nicht gestalt’ wie andere Leute, es ging etwas Kräftigeres von ihm, denn von einem andern Menschen; er reucht (riecht) den Geist, denn es ging Saft und Kraft von" ihm. Und es ist auch wahr, daß, wo ein solch geistrei- cher Mann ist, so bediinkt einein, der bei ihm ist, es sei ihm besser denn bei andern Leuten; der Geist kann sich nicht verbergen, es geht eine sonderliche Kraft von sol- chen Leuten. Denn das ist die Natur und Art des Geistes, daß er sich spüren und merken läßt, er äuget sich (bringt sich vor das Auge, läßt sich sehen) mit Bli- cken und Geberden, giebt den Menschen eine andere Art, Sinn und Schmach Also ist es auch hier geschehen: da Christus kommt und Johannes sein gewahr wird, da sieht er ihn für einen besondern und heiligen Mann an, fällt gleich darauf und denket , es wird wahrlich Chri- stus sein.« 15. Jesus aber [obwohl das, was Johannes sagte, an sich ganz richtig war] antwortete und sprach zu ihm: Laß jetzt also sent« llaß es nur, auch wenn du noch nicht einsiehesy warum es geschieht, einstweilen geschehen, daß ich mich dir unterordne und mich ebenfalls »wie andere Leute zu deiner Taufe stelle]; glso gebuhrt es uns, alle Gerechtigkeit zu erfullensi ldenn wollte ich mei- nerseits mich nicht taufen lassen, oder wolltest du deincrfeits die Taufe nicht an mir vollziehen, so blieb etwas, das nach göttlichem Willen geschehen soll, unerfüllh und der eine oder der andere von unt; thäte nicht in vollem Maße seine Schuldigkeits Da sweil Johannes nun wußte, daß es hier um eine Pslicht des Gehorsams gegen Gottes Willen sich handle] ließ er’s [an die vorigen Bedenken sich nicht weiter kehrend Joh. 13 , 6 ff.; Z. Cotr 10, H] ihm zu fund Jesus stieg unter des Johannes Augen und Händen in die Fluthen des Jordan hinab"]. «) Er, der die Rathsherren des Synedriums Ottern- gezüchte gescholten hatte, sprach erschrocken zu dem geist- geweihten Nazarenerx Jch bedarf wohl, daß ich von dir etauft werde; und du kommst zu mir? So brach der Zichtglanz des neuen Testaments hervor aus der Spitze des alten; aber der Ernst des alten Testaments blitzte hervor aus der Morgenröthe des neuen, indem Christus sprach: Laß es jetzt also sein; also gebührt es uns, alle Gerechtigkeit zu erfüllen. Hier bilden die Stäbe der altteftamentlichen und der neutestamentlichen Gerechtigkeit ein Kreuz; Johannes vertritt das neue TestamentJesu gegenüber, Jesus vertritt das alte gegen- über dem Johannes. Die beiden Oekonomien offenbaren ihre Verwandtfchaft und Einheit durch diese Verkettung ihrer Grenzringe; man könnte sagen, die beiden Testa- mente grüßen und segnen einander in diesem heiligen Wettstreit, das eine verklärt sich im andern, und aus der Herrlichkeit des ersten bricht die größte Herrlichkeit des zweiten hervor. (P. Lange) Alle Gerechtigkeit wird er- Jesus kommt, um sich von Johannes taufen zu lassen. 27 süllet, wenn wir uns aller unsrer Gerechtigkeit und Ehre verzeihen, daß Gott allein ftir den gehalten werde, der gerecht sei und gerecht mache die Gläubigen Dies thut Johannes, da er sich seiner Gerechtigkeit äußert und will von Christo als ein Sünder getauft nnd ge- rechtfertiget werden; dies thut auch Christus, da er sich seiner Gerechtigkeit und Ehre nicht annimmt, sondern läßt sich taufen und tödten als ein anderer Sünder. (Luther.) —- 8-«"-) Die Frage, warum Jesus sich ebenfalls der Johannistaufe unterzog, wird verschieden beantwor- tet; wir heben das Wichtigste, was bei Beantwortung dieser Frage in Betracht kommt, hier hervor: i) Die Taufe Johannis hat mit der christlichen dies gemein, daß sie den Menschen, indem sie denselben unter das Wasser hinabtauchh als einen verdammlichen Sünder darstellt, der um seiner Sünde willen ganz und gar den Tod verdient hat; indem sie ihn aber dann aus dem Wasser wieder emportauchen läßt, zu einem neuen und heiligen Leben ihn erhebt, nur daß die christliche Taufe das wirklich giebt und zu Stande bringt, was die Johannistaufe blos vers innbildet und« verheißt. Diesen Vorzug vor der Johannistaufe hat die christliche Taufe eben dadurch erlangt, daß Jesus selber der erste- ren sich unterworfen und dann alles das auch wirklich geleistet hat, was ein Jude, der von Johannes sich taufen ließ, blos der Jdee nach an stch darstellen konnte. Christus, als er sich taufen ließ, hatte freilich keine eigene Sünde zu bekennen und um ihretwillen sich in den Tod dahin zu geben; wohl aber nahm er damit gleich am Anfang seines messianischen Amts die Sünde seines Volks und der ganzen Menschheit auf sich, ierklärte sich bereit, mit dieser Schuld beladen in den Tod zu gehen, und ließ stch jetzt vorbildlich, wie hernach that- sächlich, von Johannes, dem Manne des Gesetzes, für die von dem Gesetz verdammten Sünder in den Tod versenken (,,wie unsre Taufe eine Taufe ist in Jesu Tod, so war die seinige eine Taufe in unsern Tod«), um daruach, ebenfalls jetzt vorbildlich, bis es später that- sächlich geschehen würde, in selbsteigener Kraft (vgl. V. t6: ,,er stieg alsbald herauf«) als Tilger der Sünden und Ueberwinder des Todes wieder emporzusteigen (vgl.: Christ, unser HErr, zum Jordan kam -— V.1). L) Was die Zwischenzeit zwischen der jetzt vorbildlichen Erklärung und der nachmaligen thatsächlichen Ausführung oder die 3 Jahre des öffentlichen Lebens Christi bis zu seinem Kreuzestode betrifft, so verpflichtete er für diese durch seine Taufe sich dazu, daß die Gestalt des stindlichen Fleisches, die er nach Gottes Willen an sich trug (Röm. 8, Z) , dem Leben des Geistes bei ihm nicht solle ent- gegen stehen, vielmehr demselben schlechterdings unter- geordnet sein, um so von allem Wesen der Sünde selbst sich freizuerhalten; indem aber für die Tage seines Fleisches (Hebr. 5, 7), denen im besonderen Sinne des Worts er von nun an entgegen ging, er der Stärkung von oben sich bedürftig fühlte und sein Bedürsniß dem himmlischen Vater jetzt im Gebet an’s Herz legte (Luk. Z, 21), ward die Taufe auch für ihn, den Anfänger und Vollender des Glaubens, zu einem Gnadenmitteh das die Kräfte des Himmels in der Begabung mit dem heil. Geist ihm zufiihrtr. 3) Diese Begabung oder Salbung mit dem heil. Geist nun ist zugleich die Jnauguration (feierliche Einweihung) in das Messiasamt für den, der um seine Bestimmung zu diesem Amte, sowie um seine Gottessohnschaft allerdings schon wußte; seinem in sich vollendeten subjektiven Bewußtsein mußte aber noch das objektiv bekräftigende Siegel durch die Ausrüstung mit der Kraft aus der Höhe und durch die vom Himmel erschallende Stimme, von der wir hernach hören, auf- gedrtickt werden. Wenn es sonst ohne alles Widerspre- chen also ist, daß das Geringere von dem Besseren ge- 28 Evangelium Matthäi Z, 16. 17. 4, 1. segnet wird (Hebr. 7, 7), hier aber ein umgekehrtes Verhältnis; stattzufinden scheint, indem hier ja der Täuf- ling der Größere und der Täufer der Geringere ist, weshalb auch Johannes sich weigerte, an Iesu die Taufe zu vollziehen, so scheint dies eben nur so; denn zumal in diesem ganz außerordentlichen Falle ist der Tausende nichts als Werkzeug und Mittelsperson, es thut sich vielmehr alsbald der Himmel auf und ein unmittelbarer Verkehr zwischen Gott selbst und seinem Sohne tritt ein. Man kann darum auch nicht sagen, wie von mancher Seite geschieht, Johannes habe Jesum in das Reich Gottes auf Erden, welches zu stiften er vom Himmel gekommen war, durch die Taufe einleiten sollen; denn Johannes stand nur erst vor der Thtir dieses Reichs, konnte also unmöglich den Stifter in dasselbe einführen, es mußte vielmehr vom Himmel geoffenbart werden und an Iesu zuerst zur Erscheinung kommen, wobei denn Johannes lediglich der Augen- und Ohren- zeuge ist. Wohl aber konnte seine Taufe zum Mittel und Anlaß für die Eröffnung des Himmelreichs gebraucht werden, weil sie eine Stiftung Gottes und nicht feine eigene Erfindung war (vgl. Joh. I, As: »der mich sandte, zu taufen mit Wasser«). 16. Und da Jesus getauft [im Jordan untergetaucht] war, stieg er sals der, den der Tod nicht würde in seiner Gewalt behalten können] bald herauf aus dem Wasser sein Vorspiel seiner nachherigen Auferstehung am dritten Tage]; und siehe, da that sich [in Erhörung seines Gebets, unter welchem et; herauf stieg Luk. Z, 21] der Himmel auf« uber ihm [genauer: für ihn, so das; er von unten in denselben hinein- blicken, von oben aber der heil. Geist sich auf ihn herabsenken konnte] Und [er selbst, Jesus Mark. 1, 10., gleichwie auch sein Täufer] Johannes sder auf dies Wahrzeichen zur Bekundung des Messias schon vorbereitet war Joh. 1, 32 f.] sahe den Geist Gottes [in leiblicher Gestalt Luk. Z, 22], leich» als eine Taube, herab· fahren· und uber ihn kommen« sum eine Zeitlang, bis die Erscheinung dann wieder verschivand, auch über ihm zu bleiben Joh. l, 32» f. und so die Weisscu gung in Jes. 11, 2 shmbolisch darzustellen].» 17. Und siehe, eine Stimme vom Himmel herab snänilich die Stimme Gottes des Vaters 2. Petri I, 171 sprach: Dies sdieser Jesus von Nazareth, den ich jetzt gesalbt habe mit dem heil. Geist, damit er der Christ oder Messias Jsraels sei und alle Verheißung erfülle] ist mein lieber Sohn lseiner göttlichen Natur nach, die er hat von Ewigkeit, der Glanz meiner Herrlichkeit und das Ebenbild meines Wesens, aber auch von Seiten seiner menschlichen Natur, die er angenommen in der Zeit, ein Gegenstand meiner Liebe] , an welchem ich fwie in Jes. U, 1 von ihm geweissagt wor- den, im vollen Sinne des Worts] Wohlgefallen habest-«- «1·) Gott öffnet seinen Himmel, nicht als ob er diesen in Wirklichkeit sich auseinander thun ließe; wohl aber be- wirkt er durch die Beseitigung aller Hindernisse, daß die Au« en der Gläubigen bis zu feiner himmlischen Herr- lich eit hindurchdringew (Calvin.) IV) Allerdings, wie Dav. Strauß den Einwurf hier erhebt, um die ganze Erscheinung des heil. Geistes für ein Unding zu erklären, kann der heil. Geist sich nicht von einem Orte zum andern bewegen; wohl aber kann eine Erscheinung, in der das außerräumliche Kommen des Geistes sich räumlich-sichtbar versinnbildlicht, sich bewegen. (Ebrard.) In Gestalt, nicht aber in der Wirklichkeit einer Taube stieg der heil. Geist vom Him- mel herab; nicht eine Taube, sondern eine quasi Taube ließ sich sehen. (Ambrosius.) Gott wollte durch das Bild der Taube die Einfalt und Sanftmuth der neuen Erscheinung des Geistes anzeigeu. (Clemens von Alexan- drien.) Den Kommentar (die Erklärung) zu der Er- scheinung des heil. Geistes in Gestalt einer Taube bildet die Seligpreifuitg der Sanftmiithigeiy der Barmherzigem der Herzensreinen und Friedfertigen in Kap. Z, « ff. , bildet vor allem das Wort des HErrn in Kap. 10, is: Seid klug wie die Schlangen, und ohne Falsch wie die Tauben. (Hengstenberg.) Als Princip (Urgrnnd oder Quelle) des Lebens war der heil. Geist Jesu angeboren, als Geist des Amtes wird er ihm jetzt mitgetheiln das ist die Salbung mit dem heil. Geist, von der Petrus in Apostg. 10, 38 spricht; das ist die himmlische Handauf- legung, welche in der Geistesausgießung über die Jün- ger an Pfingsten ihr Gegenbild hat. Denn da doch diese schon gläubig waren, so hatten sie nicht den Geist erhalten, der Glauben wirkt, sondern der zum Dienste befähigt. (Luthardt.) Indem Jesus in Unterwerfung unter die Taufe seinen feierlichen Willen erklärt hatte, sich unschuldig und stir Andre dem Tode hinzugeben, so erklärte hier der Vater, daß dies die rechte Art der Er- lösung, daß dies der rechte Erlöser sei, der, der hinfort die Kraft und Befugniß, mit Geist zu taufen, d. i. den Geist neutestamentlich mitzutheilen, habe; er erklärte dies vor den Augen dessen, der als Schlußstein des alten Bandes noch einmal die ganze Bedeutung des alten Bandes, mit Wasser zu taufen, d. i. durch Gesetzespres digt Buße zu wirken und Sehnsucht nach dem Heil, in sich zusanimengefaßt hatte. Jm alten Bunde wirkte der heil. Geist zwar auch, aber nur vorbereitend, nur das Gesetz im Gewissen unterstützend, nur strafend und er- ziehend und auf Klinftiges weisend. Christus erst war es, der im vollen Sinne mit dem Geiste taufen, durch Mittheilung der Fülle des Geistes Menschheit und Gott- heit absolut (unumschränkt) einigen konnte. Der Anfangs-« punkt solch absoluter Einigung war das Pfingstfefy bei der Taufe aber geschah durch jene Erscheinung die feier- liche Erklärung, daß Jesu stellvertretende Hin abe in den Tod der Weg sei, diese Einigung zwischen ott und Menschheit durch den Geist möglich z1i machen. (Ebrard.) Eis) Was diese Stimme vom Himmel herab be- zeugte, das war von da an der eigentliche Jiihalt des Zengnisses Jefu Christi, daß er der Sohn Gottes sei, der Geliebte, in welchem der Vater sich uns angenehm emacht hat (Ephes.1, 6). An diesem Zeugnisse Gottes hielt der HErr unbeweglich, bis er seinen Geist in sei- nes Vaters Händen befahl, und das Evangelium von ihm, dein Sohne Gottes, ist zu keinem· andern Zwecke da (vgl. Joh. 20, 31), als daß auch wir diesem Zeug- nisse Gottes glauben und durch solchen Glauben das Leben haben mögen. (Menken.) Siehe, welche große Herrlichkeit die Taufe hat, auch wie ein großes Ding es sei, daß, da Christus getauft worden ist, sich der Himmel austhut, der Vater läßt sich hören in der Stimme, und der heil. Geist fährt herab, nicht wie ein Gespenst, son- dern in Form uud Gestalt einer natürlichen Taube. Wenn die Taufe ein menschlich Werk und Thun wäre. so würden solche hohe Dinge sich hier nicht zutragen Es stehen Gott Vater, Sohn und heil. Geist noch täglich um uns bei unsrer Taufe. (Luther.) Gott-Vaier sendet den heil. Geist über Jefum und« setzt so diesen in sein messianisches Amt ein. 29 Das 4. Kapitel. Christus tritt sein Eehramt an. III. v. 1--11. (§. 17.) Das erste Wert: des Geistes Gottes, der flber Jesum bei der Ta1ise genommen, ist nicht dies, daß er ihn ohne weiteres in die zu erliisende Welt hin— eintreibt; vielmehr treibt er ihn zuvor aus der Welt hinaus in die Wüste. Denn das Verderben der Welt wurzelt im kteiehe des Satans, und Christus kann den Satan nicht überwinden für die Welt, ohne ihn zuerst für sich selbst zu überwinden; seine eigentliche Wohnstätte aber, von welcher ans er die Welt beherrscht nnd Tod und Verderben siber sie bringt, hat der Teufel in der Wüste, dem Jlbbild seines eigenen inneren Wesens und dem Sinnbild der Verödung, die er in seinem Gefolge hat (3. Aus. Its, 22 Anm.). Dort nun bereitet sieh Jesus unter vierzigtcigigeni Fasten mit Gebet und an- däehtiger Versenkung in seinen Heilandsberuf auf den Kampf, den er zu bestehen hat, in einer Enge vor, welche das gerade Gegenlheil von derjenigen ist, in der an den ersten Zidam des Teufels Versuchung herantrat, und schlägt darauf den dreifachen Anlauf des Satan mit dem Schwerte des Geistes, welches ist das Wort Gottes, zu— euch, worauf die Enge! sieh bei ihm einfinden und ihre Dienste ihm leisten. Evangelium am Sonntage JnvocavitJ Es ist dies der erste Sonntag in der, mit Afchers Mittwoch beginnenden Fasteuzeitx seinen Namen hat er von dem für ihn verordneten Jntroitus (Eingangsspruch) Pf. 9l, 15 f.: »Er rufet mich an« (lat. invocavit-), als erster Fastensonntag heißt er aber auch quadragesimae mit Beziehung auf die 40tägigen Fasten, welche die Kirche in dieser Zeit nach Christi Vorbild hält. Von Aschermittwoch bis zum Sonnabend vor Ostern einfchließ- lich sind, die 6 Sonntage, die in diese Zeit fallen, ab- gerechnet (da an Sonntagen nicht gefastet wird), in der That 40 Tage; zur Vorbereitung auf diese Quadrage- stmalfasten pflegte man auch wohl die drei vorangehen- den Wochen zu fasten, und nannte nun die 3 Sonn- tage dieser Wochen Quinquagesimae, sexagesimaiz Septnagcsjniae (eine Woche gleich einem Zehner rechnend). 1. Da lalsbald nach der, bei der Taufe ein: pfangeneu Weihe zu seinem Niittlercimte Kap. 3, 16 f.] ward Jesus vom Geist Wortes, der über ihn gekoinmen war und nicht nur ihn lehren, welchen Weg er in seinem Amte zu gehen habe, sondern auch mit Kraft aus der Höhe zu jedem einzelnen Werke desselben ihn ausrüsteta von den Ufern des Jordan hinweg] in die Wüste loder- hglb der Oase von Jericho Jos. 6, 1 Anm.] ge- fahrt, auf daß er von dem Teufel [dem sten des Reichs der Finsierniß oder der gefallenen Geisterwelt Hiob 1, 26 Anm.] versucht würde sund seine Siegesmachtgleich von vornherein diesem Erzfeinde des Reiches Gottes Kap. 13 , 25. 39 gegenüber beweise-J. Wir sehen keinen rechten Grund, warum Einige unter der hier gemeinten Wüste die große arabische Wüste verstehen wollen, in der die Kinder Israel unter viel Versuchungen und Gnadenhilfen Gottes 40 Jahre lang wunderbar erhalten wurden (4. Mos. l9, 22 Anm.) und durch welche hernach Elias 40 Tage und 40 Nächte bis an den Berg Gottes Horeb ing (1. Kiste. 19, 8 Anm.); denn bei aller Verwandts aft unsrer Geschichte mit jenen beiden aus Jsraels Vorzeit, hat dieselbe doch einen uoch weit engeren Zusammenhang mit der Ver- fuchung Adams im Paradiese (1. Mos. 3), also mit der Urgefchichte der Menschheit. Gleich zu Anfang seines Mittleramts stellt sich Christus als Erlöser und Heiland des ganzen menschlich-en Gefchlechts dar; daß er dies werden will in der besonderen Form des Messias Jsraels, das drückt sich aus in seinem 40tägigen Fasten nach dem Vorbild des Mose (2. M. 24, l8) und in seiner wunderbaren Erhaltung während dieser Zeit nach dem Vorbild Jsraels (5. M. 8, 3 f.), wir dürfen aber darum die Geschichte nicht zu einer fo durchgreifend israelitifchen machen, daß wir auch dieselbe Oertlichkeit dafür in Anfpruch nehmen , müssen vielmehr eine Hin- weisung auf ihren Zusammenhang mit der Menschheitsi geschichte überhaupt ihr bewahren. Und so wird wohl die Tradition Recht haben, welche als Stätte der Ver- suchung Christi die Wüste Quarautania, östlich von der Wüste Bethaven und nordwestlich von Jericho (s. das Kärtcheii zii 1. Sam. l) , 5) , bezeichnet. Wie das Pa- radies der schönste Theil war der lieblichen und anmu- thigen Landfchaft Edeu, von deren Bodem Gott wohl auch den Erdenkloß genommen, aus dem er den Men- schen machte (1. Mos. Z, 7f.); so ist das Gebirge Qua- rantania (Jos. 2, 6 Anm.) die schauerlichste Einöde und der schroffste Felsen der an sich schon wilden und un- heimlichen Wüste am Jorden, in dessen Wassern Jesus die Weihe zu feinem Mittleramte empfangen. Der Berg, sagt Hasselquishist sehr fpitzigund hoch, und der Aufgang zu seinem Gipfel so gefährl1ch, als man es sich vorstelleu kann; zur Seite hat man einen tiefen Ab» grund, in den Wänden des Berges aber sind viele öhlen und Löcher, in denen jetzt Einsiedler leben. Am åriße des Berges befindet sich die Quelle, deren böses asser einst Elisa gesund gemacht (2. Kön. 2, 19 ff.»): wie sollten wir nicht darin das Gegenbild des Para- diefesftromes und ein Abbild dessen, was Christus durch seine Ueberwindung des Teufels geistlicher Weise an dem Menfchengefchlecht und dieser Erdenwelt gethan, erbli- cken? Wir wollen nun keine Zeit mit Widerlegung aller derjenigen Erklärungen verlieren, welche aus unse- rer Geschichte etwas Anderes, als einen wirklich so, wie er erzählt wird, geschehenen Vorgang macheu, etwa eine Parabel (Schleiermacher) oder einen Traum (Meher) oder ein Gesicht (H. E. G. Paulus) oder eine rein in- nerliehe Gefchichte, sei es ein Geiftesleiden (Olshausen) oder eine Geistesarbeit (Ullmann), sondern geben ohne Weiteres die dem Wortlaut entsprecheude Auslegung; und da haben wir es denn hier mit einer Begebenheit zu thun, dergleichen in unserm eigenen Leben niemals vorgekommen ist, auch keinenfalls je einmal vorkommen wird, daher dieselbe immer nur bis zu einem gewissen Maße unserm Verständnis; erreichbar ist und so Manches darin über unser Fasfungsvermögen hinausgeht. Zwar das erleben wir reichlich und täglich, daß wir zum Bösen gereizt und versucht werden durch unser Fleisch und Blut, durch die fündlichen Lüste und Begierden des Her- zens (Jak. l, 13 ff.). Auch die Btenschem mit denen wir in der Welt zusammenleben, werden uns zu Ver- führern durch ihr Wort und Beispiel, durch ihre List oder Gewalt; und wer recht darauf gemerkt hat, wie bisweilen in der Seele plötzlich ein fchändlicher, teufli- scher Gedanke aufsteigt, ohne daß man sich sagen könnte, woher er denn eigentlich kommt, wer sich erinnert, wie gar leicht eine böse Luft im Fleische zu solcher Hitze ent- vrennt, daß man fast wider feinen Willen zur bösen That hingerissen wird, wer die entsetzliche Macht bedenkt, mit der ein verflihrerifches Beispiel auf das Herz ein- 30 Evangelium Matthäi 4, Z. wirkt, der wird sich zu deuten wissen, was der Apostel von listigen Anlänfeti des Teufels nnd feurigen Pfeilen des Bösewichts sagt (Ephes. 6, 10 ff.). Bei alledem haben wir aber gleichwohl keine wirkliche Erfahrung, und deshalb auch keine klare Vorstellung davon, wie der Fürst der Finsterniß, der Satan (d. i. der Wider- suchet, Feind), wie er im alten Testament mit einem hebräischen Wort heißt (1. Chron. 22, l; Hiob l, 6.12;» 2, l. 7; Ps. l09, 6; Sach. Z, 1 f.), oder der Teufel (d. i. der Verleu1nder, Verkläger), wie er im neuen Testament mit einem griechischen Wort genannt wird (Joh. s, 44; 1. Pectri 5, 8; Offenb. 12, 10; TO, 2), einem Menfchen auf unmittelbare Weise als Ver- sucher gegenübertreten und fein Werk au ihm probiren kann; und das gerade ist das Eigenthtimliche an der Versuchungsgeschichte Christi. Der Heiland hat hier auf keinen Fall mit seinem eigenen Fleisch und Blut zu kämpfen, als ob dieses ihn zum Bösen gereizt hätte. Allerdings ist er ein Menfch gewesen wie wir, und der Sohn Gottes ist in der Gestalt des sündlichen Fleisches erschienen, d. i. er nahm, als er Menfch ward, Fleisch an, wie die sündigen, von Adam abstammenden Men- schenkinder es haben; aber es heißt auch von ihm, daß er war heilig, unschuldig, unbefleckt und von den Sün- dern abgesondert (Röm. 8, Z; Hebt. 2, 14; 7, 26), in seinem Fleische kann also nichts Böses gewohnt haben, aus seinem Herzen nichts Böses aufgestiegen sein. Ferner hat der Heiland hier auf keinen Fall zu streiten mit irgend welchem Menschen, etwa einem Mitgliede des Hoheurathes und der Priesterschaft, der ihn ausfor- schen und entweder für die fleischliche Messiasidee gewin- nen oder andernfalls verderben wollte. Allerdings sind während seines ganzen nachherigen Lebens sowohl seine Freunde wie seine Feinde zu Versuchern für ihn gewor- den und haben alle einzelnen Verfuchungem die hier an ihn herantraten, wieder aufgenommen (Kap. 27, 42 f., IS, 21 ff.; Ioh. S, l4 f.); aber hier in der Wüste war keine menschliche Seele bei ihm und weder von seinen nachherigen Jüngern, noch einer vom Volke oder vom Synedrium kannte ihn schon (Joh. 1, 26), er war eben mit sich allein. Sonach hat in dieser Geschichte unser Heiland ausfchließlich und auf unmittelbare Weise es zu thun mit dem, von dem alles Böse ausgeht und zu dem alles Böse zurückführt, mit dem Teufel. ,,Eine kühne Behauptung das, welche ein großer Theil der Gemeinde und am Ende auch der größte Theil der Theologen als Aberwitz und Unsinn sofort in die Acht und Aberacht thut, oder, wenn mildere Gesinnnngen walten, mitleidig als einen unglücklichen Versuch betrachtet. Wie haben sich doch die Zeiten seit einem halben Jahrhundert ge- ändert! Paulus (der vorgenannte Professor zu Hei- delberg, s— 1851), der, wenn irgend einer, es trefflich verstand, seinen Zeitgenossen den Puls zu fühlen, spricht sich 1800 in seinem Commentar so aus: Die gewöhnliche Hypothese (Annahme) ist, der Sinn der Erzähler setze äußere Erscheinungen des Teufels voraus, durch welchen Jesu jene drei Anträge unmittelbar gemacht worden seien. Und jetzt sagt Weiße: Gleich der Erzählung von der Johannistaufe, an toelche die gegenwärtige sich unmittelbar anschließt, hat auch diese letztere Erzählung fast allgemein längst aufgehört, selbst von übrigens wun- dergläubigen Auslegern, als sprecheud von einem äußer- lich thatsächlicheu Ereigniß betrachtet zu werden. Und leider ist es so! Wenn wir nun eine Revision des Prozesses vornehmen in der Ueberzeugung, daß die erste und älteste Auffassung allein die rechte ist, so haben wir einen schweren Weg vor uns, wo wir über Löwen und Ottern gehen müssen und mitten durch die Pfeile, die am Mittag fliegen. Darum stärken wir uns durch einen Rückblick. Wir stehen nicht allein: vor uns her zieht eine dichte Wolke von Zeugen — an ihrer Spitze die heiligen Evangelisten selbst; in ihre Fußtapfeu treten die größten Väter des Morgen- und des Abendlandes; die Reformatoren ziehen auch diese Straße (Luther und Melanchthon, nur Calvin ist nicht ganz schlüssig), und ihnen folgen uamhafte Theologen auch des vori en und gegenwärtigen Jahrhunderts« Was nun die edenken betrifft, welche die durchschnittliche Bildung unsrer Zeit gegen jene erste und älteste Auffassung vorzubringen hat, so kommen wir später (Kap. 9 , 34) auf die Frage zurück, ob es einen persöulichen Teufel giebt, und werden nach- her die Schwierigkeit, ob derselbe sichtbar erscheinen könne, erledigen; für’s Erste haben wir es mit der Frage zu thun: Warum war es nothwendig, daß Christus also von dem Teufel versucht würde? Denn daß diese Versuchung mit Gottes Rathschlüssen übereinstimmte, daß sie zum Werke unsrer Erlösung unbedingt gehörte, ist deutlich in den Worten unsers Verses ausgesprochem »Da ward Jesus vom Geist in die Wüste geführt, auf daß er von dem Teufel verfucht würde« Da müssen wir denn antworten: Jesus mußte die Entwickelung der Menschheit, welche durch die Sünde zu einer Ver- wickelung geworden war, in sich noch einmal, aber nunmehr als eine s ündlos e, von vorn anfangen; was das menschliche Geschlecht in seinen Anfängen nach Gottes Willen hätte leisten sollen, aber nicht geleistet hatte, —- nämlich von dem status integrjtatis oder dem Stande der Unversehrtheih in welchem der von Gott erschassene Meusch nach allen seinen Kräften, An- lagen und Eigenschaften noch rein und unverdorben war, durch den status explorationis oder den Stand der Prüfung hindurch, da er die Richtung aller seiner Kräfte zu Gott hin, die ihm auerschaffem nun auch zu bethätigeu und die Möglichkeit einer widergöttlichen Selbstbestimmung, die jetzt noch vorhanden war, von sich abzuweisen hatte, überzugehen in den status confirma- tjonis oder den Stand der Befestigung, so daß das posse non peccare (die Möglichkeit von der Sünde frei zu bleiben) ebenso wie bei den gut» gebliebenen Engeln für ihn geworden wäre zum non posse peccare Czur Unmöglichkeit, jemals noch zu fiindigen und von Gott abzufallen) —, mußte er nachträglich leisten und zunächst das Bild eines Menschen, wie er seiner gött- lichen Bestimmung nach sein soll, darstellen. Denn, schreibt Athanasius, wie wenn man ein auf Holz ge- maltes Vortraiy das mit Schmutz überdeckt und dadurch unfichtbar geworden ist, wiederherstellen will, das Ori- ginal selbst gegenwärtig sein muß, damit das Bild auf deniselbeii Stoff restaurirt werde (denu der Stoff wird riicht weggeworfen, weil das Bild auf ihm verzeichnet ist, sondern nur nmgebildet); so mußte der hochheilige Sohn des Vaters zu uns kommen, um den nach seiner Aehnlichkeit ebildeten ållienscheii zu erneuern. Insofern nun in Chricsxto Jesu die ganze Fülle der Gottheit leib- haftig wohnt, ist bei ihm freilich die Möglichkeit eines Eingehens aus den Willen des Versuchers schlechthin un- denkbar; seine Heiligkeit und Sündlosigkeit ist in Anbe- tracht seines gottmeiischliäfeti Wesens , da Gottheit und Elliensthheit zu Einer Person in ihm vereinigt sind und keine von den beiden Naturen mehr ohne die andern oder außer der andern gedacht werden kann, nicht blos eine thatsächliche, sondern auch eine naturnothwendige, so daß das, was er zu leisten unternimmt, auf einem Grunde ruht, der das Gelingen (hier die Ueberwindung des Satans) von Haus aus verbürgt Wir wissen nuu aber auch, daß Christus aus freier Gnade und ewig preis- würdigem Erbarmen auf sich genommen hat, was seiner mit der Gottheit geeinten Menschheit durchaus nicht von selber zukam, was dieser vielmehr ein ganz Fremdes, ihrem Begriff an und für sich Widersprechendes war: Der HErr Jesus wird vom Geist in die Wüste geführt »ktszlk«Tage.- 31 der Menschen Schuld und Sünde, ihre Strafwürdigkeit und Verdammniß Und wie er nun bei feinem Kreuzes- tod des non posse mori (der Unmöglichkeit zu sterben) der Menschheit zu gute fich entäußerh also daß er ster- ben konnte; gleicherweife, so meinen wir, hat er auch beim Antritt seines messianifcheu Amts des non posse- peccare (der Unmöglichkeit zu siiudigeu) fich entäußert, um versucht werden zu können, gleichwie wir. Das Bewußtsein wirklicher Versuchbarkeit giebt der HErr auch dentlich durch die mit einer gewissen Erre- gung gesprochenen Worte an Petrus in Kap. 16, Hebe dich, Satan, von mir &c. zu erkennen; es fpricht sich ferner aus in der Aeußerung, welche er vor seinem Eintritt in den Gebetskampf zu Gethsemane thut tWachet und betet &c. Katz. 26, 41), und in demselben Bewußt- sein hat er ohne Zweifel auch an unsrer Stelle 40 Tage und 40 Nächte gefastet, ehe er den Anläufen des Teu- fels sich preisgab. Nun ist freilich s eine Verfuchbarkeit noch eine andere, als die des gefalleneii Menschen, bei dem alle Bedingungen vorhanden sind , daß die Versu- chung auch allemal mit einer Niederlage für ihn endigt, wenn nicht Gottes Kraft außerordentlicher Weise ihn auf- recht hält; ste ist vielmehr die gerade gegeutheilige, in- dem bei Jesu alle Bedingungen vorhanden sind, daß die Versuchung jedesmal auch einen Sieg zur Folge hat. Nichtsdestoweniger sehen wir, daß in dem Geiste, mit welchem er bei seiner Taufe ausgerüstet worden, Gottes Kraft ihm ebenfalls außerordentlich zn Hilfe kommt: das macht, weil er unendlich mehr zu leisten hat, als der erste Adam im Paradiese zu leisten hatte, da er in die Slliacht der Versuchung dahin gegeben wurde. Die Wüste Quarantania mit ihrer steinigen und fchauerlichen Einöde und den wilden Thieren, die dort hausen (Mark. 1, 13), ist an fich selbst schon der reine Gegensatz zu dem Garten Eden mit allerlei Bäumen, lustig anzusehen und gut davon zu essen, und mit allerlei Thieren, die Gott zu dem Menschen bringt, daß er sähe, wie er sie neunete; aber nun geht hier zugleich der ersten Versu- chung ein Fasten voraus, nach welchen das nunmehr eintretende Hungeru mit desto furchtbarerer Gewalt sich gleitend macht, während die ersten Menfchen nur die s ufgabe hatten, in einem Stande allseitiger Befriedi- gnug des leiblichen Bedürfuisses der Frucht vom ver- oieneu Baum sich zu enthalten. Dem entsprechend ist dann auch die Wirkung des Sieges Christi eine unend- lich größere, als die für den etwaigen Sieg Adams über den Versucher in Aussicht genommen war. Adam sollte nur den Garten bauen und bewahren, damit nach und nach die ganze Erde in das Bild desselben fich ver· kläre; es hat aber der Garten müssen hernach vor ihm bewahrt werden durchspden Cherub mit dem Flammen- schwert, und er ist später verwüstet und zur Einöde ge- worden. Zu Christo in seine Wüste kommen die Engel und dienen ihm (V. l1) —— eine Weisfaguug auf das, was einmal aus unsrer Erde werden wird, wenn die dritte Bitte zu ihrer völligen Erfüllung gekommen ist (Osfenb. l, l ff.). »2. Und da er vierzig Tage und vier ig Nachte sim vollen Sinne des Worts] gefa et [d. i. nicht blos der gewöhnlichen, sondern überhaupt aller Nahrung, dazu auch des Schlafes und der Ruhe sich enthalten] hatte swähreud wel- cher Zeit von beinahe 6 Wochen das Wort Gottes seine Speise, die Vetrachtung des von ihm auszu- richtenden Heilandswerkes seine Beschäftigung und der Umgang mit dem himmlischen Vater seine Freude und Erquickung war], hungerte ihn ljetzt mit um so größerer Heftigkeih je länger das Be- dürfniß des Leibes von dem Leben des Geistes zu- rückgedrängt worden war]. Obwohl in Kap. U, 18 des Johannes Lebensweise, der allein von Heuschrecken und wildem Honig fich nährte, schon ein Fasten genannt wird und auch in der Kirche die Enthaltung von gewissen Speisen und die Beschräw kung auf ein geringeres Maß von Nahrungsmitteln für ein Fasten (abst-inentia, semijejunjurrd gilt, ist doch hier lediglich an ein gänzliches Nichtessen und Nicht- trinken zu denken, wie in Luk. 4, 3 ausdrücklich besagt wird. Ob es an und für sich, d. i. unter besonderen Umständen, in denen Gottes Wundermacht zu Hilfe kommt und de11 gewöhnlichen Lauf der Natur außer Wirkung setzt, möglich sei, daß des Leibes Leben» solange ohne jegliche Zusiihrung »von Nahrungsmitteln sich frisch und gesund erhält, dürfen wir nicht erst fragen, da das Wort in V. 4 schon die Antwort darauf gegeben hat. Was thäte alle Speise und Leibesnahrung, schreibt Luther , wenn Gott nicht durch sein Wort uns erhielte! Er wandelks erst in Fleisch und Blut, Mark und Bein; so kann er besser nähren, allein durch seinen Anblick, denn alles Brod nnd Speise auf Erden. Und was Luther schreibt, hat er selbst an fich erfahren, da er mehr als ein Mal, in tiefes Sinnen über Gottes Wort versunken, Tage lang hinter verschlossener Thür saß. Gleicherweise bezeugt Angelus Silesius im Cherubinischen Wandersmann: Das Brod ernährt dich nicht; was dich im Brode speist, ist Gottes ew’ges Wort,-ist Leben und ist Geist. Wir sehen ja alle Jahre die Zugvögel eine weite Reise über das Meer machen, ohne daß sie wäh- rend dieser Zeit sich auch nur einmal ausruhen, ge- schweige etwas zu fich nehmen könnten. Und so haben oft schon tiefe Denker, kontemplative Beter, leidtragende Büßer, exstatisch Begeisterte oder in ihrem Seelenlebeu krankhaft Gesteigerte eine auffallend lange Zeit gefastet; von Niclaus von der lüe z. B. wird erzählt, daß er die letzten 19——-20 Ja re vor seinem (a.1487 erfolgten) Tode ohne alle andere Speise gelebt habe, als die er monatlich einmal in dem Sacramente des Altars genoß. Auch ist uns aus eigenem Erlebniß ein Fall bekannt, wo zwei Männer, in einem Brunnen verschüttet, als man schon alle Versuche zu ihrer Rettung aufgeben zu dürfen meinte, weil es doch unmöglich sei, daß sie noch lebten, gleichwohl nach 11 Tagen lebendig daraus her- vorgezogen wurden. Wenn nun schon ein nngewöhnltch langes Fasten bei Menschen vorkommt, deren physische und pfychifche Entwickelung von der Sünde gestört ist, wie viel weniger ist es bei dem undenkbar, dessen kör- perlicher Organismus von keiner Sünde geschwächt war, dessen Geist mehr als bei irgend einem das Fleisch be- herrfchen und zum Gehorsam zwingen konnte! Es stehen aber die 40Tage und 40 Nächte, die Jesus fastet, eines- theils in Rückbeziehutig auf des Moses und Elias Fasten (2. Mos. "Z4, 18; 34, 28; l. Kön. 19, s) und auf Jsraels vierzigiäyrigen Zug durch die Wüste; anderntheils jedoch auch in Vorbeziehung auf die 40 Tage seines eigenen Verklärungslebens nach der Auferstehung (Apostg. l, 3). Man sieht, sagt Hofmann, wie an der Shmbolik(Sinn- bildlichkeit) der Thatsachen, daß der Geschichte göttliche Gedanken einwohneu, so an der Rhythmik (Ebenmäßig- keit) der Zeit, daß die Zeit und ihre Dauer nichts Zu- fälliges und Willkiirliches ist. Aus den Worten in Mark. 1, II: »und war allda in der Wüste vierzig Tage, und ward versucht von dem Satan« schließt man gewöhnlich, daß Jesus schon in den 40 Tagen selber den Versuchungen des Teufels fortwährend ausgesetzt gewe- sen sei, bis diese denn ihren Gipfelpunkt in 3 Haupt- versuchungen erreichten; alleiu jene Worte besagen nur, 32 Evangelium Matthäi 4, 3-—7. daß bei Gelegenheit (näher: am Ende) des 40tägigen Aufenthalts in der Wüste das Ereigniß der Versuchung eintrat. Denselben Sinn ergeben die Worte bei Lukas, wenn man, wie der Grundtext dazu berechtigt, übersetzt: ,,er ward vom Geist in die Wüste (nach andrer Lesartt in der Wüste) geführt vierzig Tage lang, und (bei dieser Gelegenheit) von dem Teufel versucht« Hieruach währete 40 Tage lang unter Fasten die oraiio und meditatio (Gebet und Betrachtung), und dann kam als drittes die tentiiijo (Anfechtung oder Versuchung) hinzu. Der HErr Jesus ist es selbst gewesen, der seine Jünger hernachmals über diesen Vorgang, der, wie einerseits den Endpunkt der Geschichte seines verborgenen, so an- drerseits den Anfang seines öffentlichen Lebens bildete, unterrichtet hat. Daß er dabei in Beziehung auf das Geschehene ihnen nicht mehr mitgetheilt, als sie zu tra- en im Stande gewesen (Joh. 16, 12) und also seine rztihlung in eine Form gekleidet habe, die für ihre Empfänglichkeit und ihr Bedürfnis; berechnet gewesen, so daß nun wir das Recht hätten, zwischen der Sache selbst und der Form der Darstellung einen Unterschied zu machen, ist eine ganz unzuläsfige Voraussetzung; denn nicht nur fällt die Mittheilung des HErrn an die Jünger jedenfalls erst in die Zeit der 40 Tage nach seiner Auferstehung, wo er mit ihnen redete vom Reich Gottes und sie der Ausgießung des heil. Geistes sehr nahe waren, sondern sie haben ja die Geschichte weiter erzählt und aufgeschrieben erst nach ihrer Erfüllung mit dem Geiste der Erleuchtung«, und wo sollten nun wir ein höheres Maß des Geistes, als sie zu dieser Zeit be- saßen, hernehmen, um an ihrer Verkündigung den Unter- schied zu treffen zwischen dem, was bloße Form und wirkliche Sache sei? Z. Und der Versucher sder Teufel, von dem alle Versuchung zum Bösen ausgeht 1.Thess. 3, b] trat zu ihm [den günstig scheinenden leiblichen Zustand, in dem er sich befand, da er eben das Bedürfniß nach Brod mit fast unwiderstehlicher Macht empfand, schlau benutzeiid] und sprach: Bist du Gottes Sohn [wie die Stimme vom Himmel bei deiner Taufe bezeugte Kap. s, 17], so sprich, daß diese Steine [die hier am Boden heruinliegeiq Brod werden sdamit du deinen Hunger stillen könneft und du auch für dich selber von der Wundermachh die dir bewohnt, einen Vortheil habest]. Ein Factum einzig in seiner Art steht hier als hei- lige Hieroglyphe (Vilderschrift, die schwer zu entziffern ist) vor uns. ,,Dem fleischgewordenen Gottessohn zuerst, und keinem weiter, ist der wider Gott streitende Geist als Erscheinung entgegengetreten; als der Mensch nun vorhanden war und seine Selbstbezeugung anheben sollte, welcher als der Sündlose und Heilige den Heils- rathschluß Gottes wesentlich vollbringen konnte, da war für den Widersacher Gottes der Augenblick der Ent- scheidung gekommen, ob es Gott gelingen sollte oder ihm. Er konnte nicht meinen, den Heiligen durch sün- dige Menschen zu einem wider. seinen Beruf streitenden Verhalten bestimmen zu können, und für eine innerliche Wirkung auf ihn gab es in dem Sündlosen keine Mög- lichkeit: Person wider Person mußte er es hier ver- suchen, erscheinen mußte er ihm, da eine Täuschung der Art, wie sie bei dem erstgeschassenen Weibe möglich war, bei dem in Völligkeit der Erkeuntniß stehenden Jesus nicht statthaben konnte. Daher treten hier Versucher und Versnchung unverhüllt und offen auf, wie nie zu- vor iind niemals wieder. (Hofuiann.) So gewiß als die Welt ihre Geschichte, hat Satan auch seine Geschichte: ie eignet ihm als einem, auch in oder mit der Zeit »e- chaffenen Wesen. An der dunkeln Pforte, wo seine e- Finlilite Fsjescgziclztckl anhebtdstelzt füsrfdas Erste sein Zigener «a « ·er eaene wir a er oort zum ersu er, er reißt, einenTheil der Engelwelt in seinen Fall, und da im Reiche in der Hohe sur ihn kein Raum mehr, tritt er auf den Schauplatz dieser Weltuiiid verführt das erste Menschenpaau Das Geheimnis; seiner Bosheit wirkt nun im Laufe der Jahrhunderte wie ein schleichend glfsttzhtSgiicsndkicixit Weitklsgekzmyilcskph . i — » ei en Zeugniß treten in »der» eoangelischen Geschichte die Damonischen»auf. Da ist die Zeit erfüllt, der Gottes- sohn kommt in das Fleisch; wenn nun dieserfauch nicht durch sein Fleisch »in der Gestalt des sündlichen Flei- sch«es,« durch seine menschliche Natur dem Satan eine ofsene Stelleangeboften hatte, die ihm die Möglichkeit ihnzu verstricken zeigte, so mußte sich der Satan doch I! kåercäiåmagetiiz Er» kanizib gen dMenschgewordeiien · r in ni ignoriren e an ein, a s wäre er gar nicht »da); denn er weiß, daß der HErr ihn nicht in Tit-FIEDLER»7FTTTTVBIkFZXTLI« z«E«22TiLIF2I-«"Eå Ykkåsjstkåä , , » . e spa Satan ist, der Ftirstdieser Welt und das böse, Princip (der Urgrund des Vosen),« so muß er, um die hochste Spitze der Bosheit zu erklimmen, den sündlosen Gottes- EkixirsclkciefrtjuikieiitgenundEijnthaihudasungethknBist« « e a Zlkkädek kzztztkden ZErrn vigsucht Eint) der Rezchteii und ou. er »in en. ort im arten et semane dringt er auf ihn ein als der König der Schrecken, den bitteren Leidenskelch in» seiner Hand, und· Tod und Verderben schnaubendä hier in unsrer Geschichte dagegen naht ex: sich ihm als der Furst dieser Welt, mit dem schäumen- den Becher der Weltlust in seiner Hand, und süße Ver- sprechuiigen fließen aus seinem Munde. Der HErr siegt und steht· beide Male: nun ist Satan gerichtet, und aus dem Zenith (·Schei«telpunkt) geht sein Weg zum Nieder- gang uiid beim· Niedergang iu den Abgrund. (Nebe.) Schwierig ist die Frage» iu welcher Art und Gestalt der Teufel dem HErrn erschienen sei, und wird nun auch diese Frage in ganz entgegengesetzter Weise von den Ausle ern beantwortet. Horen wir zuerst, was Eb rat» d »sag·t:· zzDeiii ersten Adam war der «Furst»der Fcnsterniß in Gestalt eines Thieres, eines nicht hohereiy sondern niedrigeren Wesens erschienen, und so mußte es sein, damit Adam nicht durch die vermeintliche Auctorität Tineålsngeäs getauschfckoderdgebxndet wkjrdeS; dem zwei- ·en unt· agegen er neu er atan as atan, d. i. Znfsderslknigsie Gåstaly in Flcher allfck Engel, gikticeh und oe, en en en zu er· einen p egen, nämi in Yitcesigschångedstaltsibsterl eben in dem Weisen des Scstans en re ·»en en e at nämi einer so chen iu eren Zügen sich alles Lockende der Sünde und zugleich alle drohende Tücke des Fürsten dieser Welt aussprach Hiergegen nun erheben sich Bedenken, wie die, welche åtlienken geltend machtx Trat»der Satan als solcher III: »Es-VIII Zeiss« giikssgssxr isskssixsuchss ist!- - a i r ung an ei- Fiesiti Fckll geh: skjlzttizersoielinklhrufso leicht gewesemNdaß sie aaugeor ae eine r"un u «. « scheint es hiernachszdas Kainszeichegu Terfsllztclerworsxlilihesili durfte der Versucher nicht schon an seiner Stirn tragen; iån Gxckhgkntheil erschieu er deni HErrn bei derlersten ersu ng etwa in Menschen estalt, als ute d und Rathgeber, bei der zweiizen aber kleigetererzskaehluiu das Gewand eines Engels szdes Lichts, als wäre er deren einer, denen befohlen ist, die Frommen auf ihren Händen zu tragen, bis er dann bei der dritten Versuchung nackt Jesus am Ende der 40 Tage dreimal vom Teufel versvugchtzä » g 33 nnd grob als Fürst dieser Welt hervortritt. Diese Auf- fassung ist ohne Zweifel, soweit sie den Satan betrifft, die richtige; derselbe verhüllte das erste und zweite Mal sein eigentliches, diabolisches Wesen und wollte des Menschen Sohn in ähnlicher Weise täuschen, wie er die Menschen täuscht (in Betreff der zweiten Erscheinung vgl. l. Kön. 13, 7 fs.) , zuletzt aber bleibt ihm iiichts übrig, als sein Visir auszuschlagen und die Verhüllung fallen zu lassen. Wenn man nun aber zugleich annimmt, Jesus hätte von Haus aus so wenig gewußt, mit wem er es ecgentlich zu thun habe, als er in Mark. 13, 32 ein Nichtwissen von sich für den Stand seiner Erniedrigung aussagt, so ist das entschieden falsch: ,,schon das fromme Volks efühl ist in solchen Sagen, welche die Blendwerke der aukler an den Augen nnschuldiger Kinder und reiner Jungfrauen zu Schanden werden lassen, über diese Anschauungsweise hinaus, die das Auge Christi abhängig macht von den Täuschungskünsten des Lügen- fürsten.« Er, der in den Herzen der Satansknechte die verborgensten Gedanken, ohne zu irren, las , erkannte stcherlich den Satan gleich auf den ersten Blick nnd an dem ersten Wort; die Macht des Verführers konnte wohl auch bis an ihn herandringen und dessen List sich an ihm wie an andern Menschenkindern versuchen, aber über eine wirklich berückende Macht, über eine, auch nur für einen Augenblick in Jrrthum bringende List des Höllengeistes ist der HErr schlechterdings erhaben. Der Teufel erscheint hier eben als ,,ditmmer« Teufel, wie des Volkes Mund ihn bezeichnet, wenn er nicht von Haus aus begreift, daß er Jesum nicht betrügen kann; und dieselbe Dummheit tritt zu Tage, wenn er hernach, wo er» sich zeigen muß als den, der er ist, und Jesu den hochsten Preis versprichh von ihm» voraussetzh auch er habe einen.Preis, für den er seine Tn end feil biete. Es ist ganz zntrefsend, was Nebe schrei t: »Wie ein Zittern und Zagen den HErrn übersiel, als Satanas in der andern Versuchungs estalt, den Kelch der Leiden in der Hand, stch ihm na ete, so hat auch hier bei dem Herantritt des Versuchers eine geheime Antipathie (Nati·irscheu) sich seiner ,bemächtigt,» der Gifthauch der satanischen Rede traf wie ein schneidend scharfer Wind die rein gestimmten Saiten seines Herzens; aber es war seine Aufgabe, in Niedrigkeit, und nicht durch Macht, den Teufel zu überwinden, darum ging er dem Ver- sucher nicht alsbald mit dem Worte entgegen: Jch kenne dich, Satan, weiche von mir! sondern ließ ihn ruhig an sich herankommen, ließ ihn in dem Wahne, er wisse nicht, mit wem er es zu thun habe, und unterzog sich willig der Versuchungll Schließlich sei noch bemerkt, daß die Pilger in der Quarantania-Wüste brodähnliche Steine aufheben; es sind nierenförmige Feuersteinknollem welche das Volk für oersteinerte Früchte aus der Kata- strophe von Sodom und Gomorrha hält, nnd heißen auch lapides judaici (Judensteine). 4. Und er— [ohne erst auf ein Disoutiren sich einzulassew wie vormals Eva gethan I. Mos. 3,2 f.] antwortete und sprach: Es stehet sin 5. Mos 8, s] eschriebent Der Mensch lebet nicht vom rod alleine, sondern von einem jeg- lichen Wort, das durch den Mund Gottes gehet [,,mein Amt erfordert, daß ich auf dies-Mal durch meinen Hunger Adams und Evas sündliches Essenbüßen und des menschlichen Geschlechts Seelen: hunger stillen soll; ich thue das Meine, wie es mein Amt mit sich bringt, und lasse meinen Vater für das Seine sorgen, wie er mich wird können und sollen erhalten:« Herbergers DächsePs Bibelwert Ueber den Sinn der Worte haben wir schon in der angeflihrten Stelle selbst gesprochen; für jetzt beachten wir nur noch eine Bemerkung von Oosterzee: Es ist merkwürdig, von welch hoher Bedeutung auch die Theile der Schrift sein können, die uns, oberflächlich betrachtetj weniger wichtig für christliches Glauben und Leben er- scheinen; alle drei Citate des HErrn sind aus einein und demselben Buche Oeuterononiium —- 5. B. Mose) entlehnt, und doch ist ihm das Wort Gottes aus diesem einen Buche genug, den Teufel mit seiner Macht in die Flucht zu jagen. 5. Da [weil ihm der erste Versuch, Jesum zu verführen, nicht gelungen war] führete ihn der Teufel mit sich [indem er ihn mit einer gewissen Gewalt in seine Arme nahm und aus übermensch- liche Weise mit sich entrückte, vgl. Aposig 8, 39] in die heilige Stadt lJerusalem Kap. b, Bd; 27, 53; Jes. 48, 2; 52, 1; Nehem. 11, 1., jetzt e1 Kuds genannt Jos.15, 63 8Anm.] und stellete ihn auf die Zinne des Tempels [s. Anna. zu V. 7 , wohl zu der Zeit, wo unten im Vorhof nun bald das tägliche Morgenopfer vor sich gehen sollte 4. Mos. 28, 8Anm. —- man halte dem ent- gegen, was etwa 3 Jahr 2 Monate später beim täglichen Abendopfer für ein Gotteswunder drinnen am Tempel-Vorhang geschah Kap. 27, Eil» und wie damals wenigstens Ein Augenzeuge zugegen war, der zu Jesu bekehrt wurde 2". Mos. so, 8 Anm.], b. Und [der Teufel] sprach zu ihm [nun zeigend, daß auch er von der Schrift etwas wisse, aber diese nicht im Dienste der Gerechtlgkeit ver: wendend, sondern zum Zweck seiner listigen Anläufe mißbrauchend]: Bist du Gottes Sohn [dem es ja darauf ankommen muß, gleich von vornherein für das, was er ist, anerkannt zu werden, der aber auch alle Zusagen, die Gott den Frommen gegeben, im besonderen Maße auf sich beziehen darf] so laß dich [vor den Augen derer, die jetzt im Heiligthum sich versammeln werden, durch einen jähen Sprung] hinab seine Gefahr hast du dabei nicht zu fürchten]; denn es stehet [wie du so wohl weißt, wie ich, in Pf. 91, 11 f.] geschrieben: Er [der deine Zuversicht und deine Zuflucht ist] wird seinen Engeln über dir Befehl thun, und sie werden dich auf den Händen tragen, aus daß du deinen Fuß nicht an einen Stein stoßest swie aber werden die da unten staunen nnd alsbald als dem rechten Messias dir zujauchzem wenn sie sehen, wie der jähe Sprung so gar nichts dir schadet]. 7. Da sprach Jesus [dem es nur darauf ankommen konnte, die Seelen zur Erkenntniß der Sünde und zum Suchen der Gnade zu erwecken, nicht aber die Augen der Leute zu blenden und ihre Herzen zu berücken, wie hier ihm zugemuthet wurde] zu ihm [dem Versucher, dem im Gegentheil gar viel daran lag, den rechten Weg zur Seligkeit den Menschen gleich anfangs zu verderben und Gottes Erlösungsabsichten zu Schanden zu machen]: Wie- derum [an einem andern Orte, von dem du frei- N. T. I. Z 34 lich nichts wissen magst, weil es deinen Absichten schnurstracks zuwiderläuft] stehet auch eschrieben fnamlxch m 5. Mosz 6, 16]: Du ollst Gott, deinen HErrm nicht versuchen sund ein Gott: versuchen ist es doch ohne Zweifel, auf einem an- dern Wege zum Ziele kommen wollen, als den Gott verordnet hat, sich ohne Noth und Beruf in Lebensgefahr stürzen und in frevelhaftem Uebermnth zu Wunderhilfen ihn herausforderns I. Wie wir in den Schlußbem. zum I. Maccabäerbuch Nr. 11, d schon angedeutet haben, hatte Herodes der Große im 18. Jahr seiner Regierung den Umbau des serubabelschen Tempels in Angriff enommen, aber auch bereits in H, Jahren das Tempel aus und in 8 Jahren die Vorhöse zu Staude gebracht; dabei ließ er zugleich die Burg Baris an der Nordweftseite der Moriasläche wiederherstellen und machte aus ihr die Zwingseste Antonia. Diese Gebäude, der Tempel mit der Burg Antonia, kommen nicht nur hier, sondern noch oft in der biblischen Geschichte des neuen Testatnents in Vetrachh und ist es zum rechten Verständniß der hierher gehörigen Begebenheiten durchaus erforderlich, daß wir eine klare Vorstellung davon haben, weshalb hier eine, von der Ostseite oder dem Oelberge ans (Luk.19,41ff.; Mark. 13, 3 ff.) aufgenommene Zeichnung folgt, so— gut siessnach den vorhandenen Hilfsmitteln sich hat entwerfen a en. Evangelium Matthäi 4, 7 (Anm.). ist es allerdings sehr schwer gemacht, eine bestimmte Anschauung sich zu verschafferr. —- Der Tempelplatz, der nach dem Talmud 500 Ellen iu’s Gevierte maß, nach Josephus einen Umfang von 4 Stadien (40 Sta- dien l deutsche Meile) hatte, war terrassenförmig angelegt, so daß ein Vorhof immer höher lag als der andere , .der Tempel selbst aber am höchsten, wes- halb er in der ganzen Stadt gesehen werden konnte und wegen der verschwenderisch angebrachten goldenen Zier- rathen an der Fronte besonders im Sonnenschein einen äußerst imposanten Anblick gewährte. Da dort, wo nicht Gold schimmerte, der weiße Marmor hervortrat, so glaubten Fremde, die ihn zum ersten Mal sahen, einen Schneeberg zu erblicken; so begreift man den Aus- ruf des Jüngers (Mark. 13, 1), der beim Herausgehen aus dem Tempel nicht umhin konnte, zu Jesn zu sagen: ,,Meister, welche Steine und welch ein Bau ist das!« Denn Josephus berichtet, daß manche von den Steinen eine Länge von 45 E., eine Breite von 6 und eine Höhe von 5 E. gehabt haben. Der äußerste Vorhof (A) den auch Heiden und Unreine betreten durften, war auf allen 4 Seiten von einem Siiulengange umschlossen. Der auf der Ostseite (a) ist die in Ioh.10, Es; Apostg 3,1l; S, 12 erwähnte Halle Salomonis (l), so genannt, weil sie auf Substructionen oder Unterbauten ruhte, die noch aus Salomos Zeit sich herschrieben; sie bestand aus 3 Reihen von 25 Ellen hohen Marmorstiulem die vorderste (nach Osten zu) mit der halben Dicke in die äußere Umfassungsmauer (wir haben diese auf unsrer Der herodianische Ceknpet Obgleich nämlich Josephus über des Herodes Tem- pelbau ausführlich berichtet, ist seine Darstellung im Einzelnen doch nicht ohne Uebertreibung nnd nicht klar und deutlich genug; dazu kommt, daß die des jiidischen Traktats Middoth mehrfach von ihr abweicht, und so Zeichnung nicht mit angegeben, um die Durchsicht frei zu lassen) eingebunden. Die beiden, dnrch die 3 Säulen- reihen gebildeten Gänge waren zusammen 30 Ellen breit ! und hatten ein Cederndach und einen Mosaikboden von bunten Steinen. Ganz gleiche Doppelhallen zogen sich auf der Nord (d)- und West (c)-Seite herum; auf der letzteren waren sie von 4 Thoren unterbrochen; von denen wir nur die beiden südlichen (4 u. Z) haben andeuten können, weil die beiden andern hinter das Tempel- gebäude in ähnlicher Entfernung von einander zu liegen kommen. Das südlichste (3) führte über eine Brücke nach dem Zion und dem Königspalast hinüber. (s. den Z. Grundriß zu 1. Kön. 7, 5: h). Dagegen befanden sich auf der Südseite (b) nicht blos Z, sondern 4 Reihen von Säulen, die mit einander drei Gänge bildeten; der mittelste (2) war 75 Fuß breit und über 100 Fuß hoch, während die beiden andern nur eine Breite von 30 F. und eine Höhe von 60 Fuß hatten. Die Decken bestan- den aus gekreuzten Cedernbalken und waren reich mit Schnitzwerk verziert; die Zahl der riesigen Marmor- säulen, welche einen Umfang von 12 F. und reiche korin- thische Kapitäle hatten, betrug nach Josephus l62, wo- für aber wohl 164 anzunehmen sein dürfte, so daß in jeder Reihe 41 Säulen standen· Diese Halle hieß die königliche: Josephus nennt sie das merkwürdigfte Kunstwerk, das je die Sonne sah, und bemerkt, wer Von ihrem Gipfel herabblickte, den wandelte wegen der Höhe des Baues und der Tiefe des unten sich hinziehenden Kidronthales der Schwindel an, und wird daher von den Auslegern unter der ,,Zinne des Tempels« in V. 5 entweder diese Stelle verstanden, oder aber das Dach über der Halle Salomonis auf der Ostseite, Ivo man ebenfalls in eine schwindelerregende Tiefe hiuabblicktq indem hier der von weißen Quadern aufgerichtete Unter- bau theilweis 400 Ellen maß. Unter der Außenmauer der Königshalle führteein doppelter gewölbter Thorweg (auf der Zeichnung nach der Jnnenseite mit 5 bezeichnev zu den unterirdischen Gewölben und Wafserbehältern (1. Kön. 7, 26 Anm.): s. die nachstehende Abbildung. Ein andrer unterirdifcher « Gang zog unter der Mauer der Nordseite (d) sich zur Burg Antonia G) in, von dessen hohem Thurm auf der Südostecke (Schlußbem. zu l. Matt. Nr. 11 d) der ganze Tempelplatz beobach- tet werden konnte. Betreten wir jetzt den Vorhof der Heiden selber (A), so be fanden sich in demselben au- ßer einer Synagoge, die bei Lnk. L, 46 in Betracht kommt, auch Zimmer fiir die Leviten, wo sie ihre Opfergefälle ver- zehrten, nnd die Baden, bei oder in welchen der Hohe- rath später seine Sitzungeii hielt; ihre Stelle vermögen wir nicht näher zu bezeich- ·» neu, vielleicht waren sie in die Hallen eingebaut. Eben- f « so wurde in diesem Vorhof ein Tempelmarkt gehalten, auf dem man theils Opfer- thiere (Ochsen, Schafe, Tauben) nebst Mehl und Salz « sei! bot, theils Gecdwechsiekgeschkifte trieb (Kap. 21, 12 f.; l Joh. 2, 14 f.), und war der Verkehr besonders um die Pafsazeit sehr stark, aber auch um so störender für die, welche dort ihre Andacht verrichteten. Vielleicht waren l auch einzelne Stellen des großen Heidenvorhoss mit Bäumen bepflanztz wie es gegenwärtig beim Harz-m ersah shcrrif (1. Köm S, l Anm. Z) der Fall ist, was eine Beziehung auf Pf. 52, 10; 92, 14 haben würde; sonst aber war der Fußboden gepflastert, und sind es i Veschreibung des herodianischen Tempels. wasserschtucht untern: Tenipekn 35 wohl die Steine dieses Pslasters, die bisweilen im Dienste des Fanatismus lJoh. 8, 59) oder zur Abwehr gegen einen stiirmenden Feind (-10sepl1. hell. Jud. VI, l. (s.) ausgerissen wurden. Nicht unmittelbar aus dem äußersten Vorhof, den wir eben beschrieben haben, ge- langte man zudem zweiten, dem Vorhof Jsraels, fon- dern zunächst trat einem einige Stufen höher ein 3 Ellen hohes Steingitter (7) entgegen, an dem sich in gewissen Entfernungen Säulen mit griechischen und lateinischen Inschriften befanden, welche den Nichtjuden und levitisch Unreinen das weitere Vordringen bei Lebensstrafe unter- sagten (Apostg. 21, 28 f.); weiter durfte sogar Herodes selbst nicht gehen, da er von Geburt ein Edomiter war. Man stieg 14 Stufen aufwärts und kam zu einer Fläche von 10 E. Breite (8), im Talmud der Zwinger ge- nannt, wo die Juden, wenn sie denselben heiraten, sich dreizehn Mal zu verneigen pflegten. Jetzt traf man auf die Mauer des eigentlichen Vorhofs, welche von ihrem Fundament an 40 Ellen hoch war, aber wegen der vorgelegten Treppenftufen viel niedriger erschien. Durch die 9 Thore dieser Mauer (s. den nachher folgen- den Grundrisx 9, 26, 28, 30, 32, 33, 31, 29 u. 27) kam man wieder auf einer Reihe von Stufen in den inneren Tempelraum, der 15 Ellen höher lag als der Zwinger. Wir treten durch das Ost-Thor (9), im Talmud das Nikaiiorthor genannt, aus korinthifchem Erz erbaut und durch größere Höhe und Breite, sowie durch reichere Verzierun mit edlen Metallen als Hauptthor gekennzeichnet tdaher in Apostg. Z, Z. 10: »die schöne Thür«), in den, 135 Ellen im Viereck messenden Vor- hof der Weiber (B), die nicht weiter als bis zu diesem nach ihnen benannten Raum vordringen durften. Aus dem Vorhof der Weiber gelangte man in den, durch eine Mauer davon geschiedenen, aber um 15 Stufen- erhöhten Vorhof der Jsraeliten (11), der 135 Ellen lang und l! E. breit war und die Bestim- mung hatte , diejenigen Israeliteii aufzunehmen, - welche unmittelbar« beim Gottesdienst betheiligt wa- ren mamentlich auch die sog. Standmänner 4. Mos. 28, 8 Anm.), während die andern im Frauenvorhof Z blieben (Joh. Z, i30), dersiir 15,000 Menschen Raum — bot· Dieser Vorhof der , Israeliten lag auf gleicher Fläche mit dem Vorhof , der Priester sc) von « demselben durch ein steiner- nes Geländer von l Elle Höhe abgeschnitten. Die aus dem Vorhof der Wei- ber in den der Männer sührenden Stufen des Ein- gangs (l0) waren halb- zirkelförmigx ihre Zahl betru funfzehn, und sollen von ihnen nach der Aussage der abbinen die sog. l5 Stufen-Psalmen (Pf. 120—— 134 — Luther: Lieder im höheren Chor) ihren Namen haben, indem am Abend des ersten Laubhüttentages bei der Freudenfeier des Wafserschöpfens (s.» Mos. Es, 43 Anm.) die Leviten auf diesen Stufen musicirten Da jedoch die in Rede stehende Treppe wohl erst im hero- dianischen Tempel angebracht war, so ist vielmehr um- gekehrt die Zahl ihrer Stufen nach der Zahl jener Psalmen bestimmt worden. Jn seiner ganzen Aus· Z? 36 Evangelium Matthäi 4, 7.-Anm. dehnung von Oft nach West maß der Priestervorhof 176 Ellen, von Süd nach Nord aber nur 135 E. Von jener Länge kommen 11 E. auf den Raum östlich vom Brandopferaltar (l·:2), 32 E. auf den Altar selbst, 22 E. auf den Raum zwischen Altar und Tempelhaus, 100 E. auf den Tempel und 11 E. auf den Platz hinter dem Tempel; von dieser Breite dagegen kommen 48 E. auf den Raum bis zu den Stufen des Vrandopferaltars, 62 E. auf die Rampe und den Altar, 25 E. auf den Raum nördlich vom Altar. Letzterer, viereckig und in dreifacher Abstufung (1. Kön 7, 23 Anm.) aus unbe- hauenen Steinen erbaut, war 30 E. lang und breit und 15 E. hoch; an der Südseite maß der, ebenfalls aus unbehauenen Steinen errichtete Aufgang (oder die Rampe) 32 E. Tiefe und 16 E. Breite. Mit dem südöstlichen Horn des Altars stand eine Röhre in Verbindung, welche durch zwei Oeffnungen das an die linke Seite des Altars gesprengte Blut der Opferthiere in einen unterirdischen Kanal zum Kidron hinabführtez ebenso war unter dem Altar eine Grube, in welche die Trankopfer abflossen. Zwischen Altar und Tempel, etwas füdlich, stand das W asch b e ck e n für die Priester (13). Sämmtliche Vorhöfe, auch der der Priester, waren mit Steinplatten belegt; da nun die Priester, weil sie barfuß dienen mußten, auf diese Weise sich leicht erkälten konnten , war für sie ein besonderer Arzt bestellt. Das Tempelh"aus, auf wel- ches wir nunmehr zu sprechen kommen, lag noch 12 Stufen höher als der innere Vorhof; es war auf neuen Fundamenten von weißen Marmorquadern, die zum Theil 45 Ellen lang, 5 E. hoch und 6E. breit gewesen fein sollen, mit reichster Vergoldung inwendig und aus- wendig erbaut. Die Länge und Höhe des ganzen Ge- bäudes betrug 100 Ellen; in Betreff der Breite aber müssen wir unterscheiden zwischen dem Raum für das Heilige nnd Allerheiligste (15), der nur 60 E. maß, und der Vorhalle, die in der Richtung von Süd nach Nord (I4—14) sich 100 E. h1nzog, so daß sie auf jeder Seite einen Vorsprung von 20 E. hatte und ihre Breite eigentlich ihre Länge war, während die wirkliche Breite auf 20 E. sich berechnete. Dies sind die Maße für die äußere Ausdehnung, wobei die 5 E. dicken Mauern mit in Anrechnung gebracht find. Von den 100 E. Länge der Vorhalle nun (in der Ausdehnung von S. nach N.) kommen« 2 X 5 = 10 E. auf die Umfassuugs- Mauern, 2 X 20 = 40 E. auf die beiden Flügel- kammern (16), in welche11 die Schlachtmefser aufbewahrt wurden, nnd 50 E. auf den eigentlichen Raum der Halle m der angeführten Ausdehnung (17); ihre Tiefe etrug l0——11 E., dxe Höhe dagegen 90 E. Sie hatte ein 70 E. hohes und 25 E. breites offenes Portal ohne Thüren (18), und war inwendig ganz mit Gold über- kleidetx von der Decke derselben frei herab hing als plasttsche Darstellung des prophetischen Symbols in Jerem. 2, 21; Hesek. 19, 10 eine goldene Riesenwein- rebe mit mannsgroßen Trauben, an den beiden Seiten links und rechts von dem Durchgang befanden sich 2 Tische, einer von Marmor und der andere von Gold, aus welche der Priester beim Hinein- und Herausgehen aus dem Heiligen jedesmal die neuen und alten Schau- brode ablegte, der Eingang in das Heilige (19) aber war durch einen vierfarbigen babhlonischen Teppich ver- s» hängt und mit zwei offenstehenden Fltigelthüren versehen (5o· hoch und 16 E. breit). Treten wir ein in das Heilige, fo maß der ganze, auch das Allerheiligste um- fasfende Raum (15) 60 E. Höhe und 20 E. Breite und 60 E. Länge; von dieser Länge kommen 40 E. auf das Heilige und 29 E. auf das Allerheiligste, beide Räume waren von einander geschieden durch eine hölzerne Zwifchenwand, mit einer Thür und einem Vorhang versehen (vgl. hier und fernerhin den nachher folgenden Grundriß, auf dem Nr. 20 den Eingang in’s Heilige, Nr. 21 den in’s Allerheiligste bezeichnet). Während das Allerheiligste ganz leer war, indem an Stelle der feh- lenden Bundeslade (2. Kön. 25, 17 Anm.) nur ein Stein (22) sich befand, enthielt dagegen das Heilige drei Geräthe: den Rauchopferaltar (23), den goldenen Leuchter (24) und den Schanbrodtisch (25). Ueber beiden Räumen waren Oberkammern (1. Kön 6, 2 Anm.) an- gebracht, welche die übrigen 40 E. der Gesammthöhe des Gebäudes ausfüllten; bei der Vorhalle hingegen blieben nur 10 E. übrig , diese nahm das Gebälke für das nach griechischem Muster schräge Dach ein. Das dahinter liegende Tempelhaus hatte ein niedriges Giebel- dach mit einem Geländer von 3 E. Höhe, und war auf dem Grate oder dem umlausenden Kranze mit vergol- deten Spitzstangen versehen zur Abhaltung der Vögel; hieran denken mehrere Ausleger bei der »Zinne des Tempels« in V. 5 unsers Kapitels Es bleibt nur noch übrig, auch die Anbauten des Tempelhauses in Be- tracht zu ziehen, welche ebensowenig fehlten wie beim salamonifchen Tempel (1. Kön S, 5——-10). Sie bestan- den in 3 Stockwerken, die das Heiligthum auf der Siid-, Weft- und Nordseite umgaben , inwendig 10 Ellen breit, zusammen aber nur 60 E. hoch, so daß das Hei- ligthum um 40 E. über diese Anbauten emporragte, was auf unsrer Zeichnung suh nicht darstellen ließ; Wendeltreppen führten aus dem unteren in den mittleren und oberen Stock, und alle drei Stockwerke enthielten nach der Angabe des Talmud 38 Kammern, was aber nicht genau zu fein scheint. Um aber alle, für die biblifche Gefchichte wichtigen Punkte gleich hier zu erledigen, müssen wir noch den oben bereits angezogenen Grundriß folgen lassen, auf welchem der Buchft M nach einem hinter dem Tempel liegenden Thore verweist. ss Grundrifl des Tempels nnd der inneren Vorhöfe Ueber die erste und zweite Versuchung 37 Wir fassen da hauptsächlich die, die inneren Vorhöfe (B u. G) umgebende Mauer in’s Auge, welche außer dem schon angeführten Ostthor (9) noch 4 Thore auf der Süd- (26, 28, ZU, 32) und ebensoviel auf der Nord- seite (·27, 29, 31, 33) zählte; außerdem kommt in Be- tracht das aus dem Vorhof der Weiber in den der Jsraeliten führende Thor (10), das ,,obere Thor« ge- nannt, bisweilen aber auch, anstatt des Ostthores, als Nikanorthor bezeichnet. Es hatte zu beiden Sei- ten Gemächer (34 und 35), in denen die levitischen Tempelmusiker ihre Cymbeln, Pa11ken nnd sonstigen Instrumente anfbewahften Sämmtliche 4 Thore des Frauenvorhofs (9, 10, 26, 27) waren mit Gemächern bis 40 Ellen Höhe überbaut, jedes derselben war mit 2 Säulen von 12 Ellen im Umfange geziert, mit Dop- pelthüren von 30 E. Höhe und 15 E. Breite versehen (bei Nr. 9 betrug die Höhe sogar 50 E. und die Breite 40 E.) und mit Gold- und Silberplatten belegt; inner- halb der Thore aber zogen sich an den Wänden des Vorhofs einfache, von hohen und schön gearbeiteten Säulen getragene Hallen (36 u. 37) herum, während in den 4 Ecken desselben Zellen (leschak0th) angebracht waren: Nr. 38 für die Nasiräer (4. Mos. 6, 1 ff.) be- stimmt, wenn sie das Haar sich schoren und das Weih- opferfleisch kochten (Apostg. 2l , 26); Nr. 39 die Holz- kammer, wo Priester, welche wegen eines Fehlers nicht fungiren konnten, das für den Altar untaugliche Holz aussonderten; Nr. 40 die Kammer für Opserwein und Opferöl; Nr. 41 die Kammer der Aussätzigem in welcher sie behufs ihrer Reinsprechung der vorgeschriebenen Prü- fung unterzogen wurden (Kap. 8, 4). Das Thor an der Nordseite (27) hieß das Frauenthoy indem die Frauen in den Vorhof hier eintraten, die Männer aber von diesem Thor sich fern hielten; auf derselben Seite befand sich dann auch der Gotteskasten (Joh. 5 , 20; Mark. 12, 41 ff.) , bestehend aus 13 Opferstöcken (s. s) , welche oben eine Art Trichter zur Aufnahme der Opfergaben hatten und von denen 9 für die gesetz- liche Tempelsteuer und für Geldgaben anstatt der Opfer und 4 für freiwillige Beisteuern zum Holz, Weihranch, Brandopfer, Tempelverzieriing u. s. w. bestimmt waren. Gleicherweise wie der Weibervorhof, war auch der Priestervorhof umbaut, ja hier gingen die Gebäude theilweise (44 , 45, 46, 47) über das Gebiet desselben hinaus und reichten bis an den äußeren Vorhof heran. Sie dienten den Zwecken des Gottesdienstes und den Amtsverrichtungen der Priester; besonders bemerkens- werth ist aber Nr. 46: der Sitzungssall Gasith. Jn Jerusalem, so heißt es im Talmud, waren 3 Gerichts- höfe; einer hatte seine Sitzungen am Eingange des Tempel- bergs (im Thale Tyropöon), einer am Thore des äußeren Vorhofs (Nr. 4 der obigen Ansicht des Tempels), einer im Palais Gastth (Nr. 46). Die Stelle ist wichti zum Verständniß der Worte in Kap. 5, 21 f. Jm Gasit nun, in welchem die Mitglieder des Hohenraths im Halbkreis um den, gegen Westen fitzenden Präsidenten auf Bänken saßen, würde auch das Gericht über Jesum gehalten worden sein (Kap. 27, 1), wenn nicht kurz vorher (vierzig Jahre vor der Zerstörung des Tempels, wie der Talmud angiebt, also im J. 30 n. Chr.) vom Hohenrath beschlossen gewesen wäre, diesen Sitzungssaal auszugeben, weil die Römer die Gewalt über Leben und Tod an sich gezogen hatten; das Synedrium wanderte nun aus nach dem Vazar oder den Buden im Vorhof der Heiden, ohne daß sich die Stelle näher bestimmen ließe. Vgl. das oben S. 352 Gesagte. —- II. Auf unsern Textesabschnitt zurückkommend,» haben wir zunächst mit der Frage es zu. thun: wohin der Teufel den HErrn stellte, ob aus die Höhe der könig- lichen oder der salomouischen Halle (2 oder 1), oder aber auf die Dachfirste des eigentlichen Tempelhauses (14)? An letztere Stelle haben nun die Juden hernach- mals, am Osterfeste des J. 62 n. Chr. Jakobus den Jüngeren, den Bruder des HErrn, gestellt und eine Er- klärung über die Würde und Lehre dessen, zu dem er sich bekannte, von ihm verlangt; als sie ihren Wünschen nicht entsprach , stürzten die Pharisäer und Schriftge- lehrten ihn hinunter, ließen ihn steinigen und schlngen zuletzt mit einem Walkerholz ihn völlig todt. Dieselbe Stelle dürfte denn wohl auch hier gemeint sein, indem die Versuchung des Teufels darauf ausgeht, Jesus solle durch ein Schauwunder vor den Augen der Priesterschaft und der Volksoberen sich diesen sozusagen in die Arme werfen und gemeinschaftliche Sache mit ihnen machen, um leichten Kaufs zur Anerkennung seiner Messiaswürde zu gelangen; denn diese Anerkennung wäre gewiß sofort und ohne alle Umstände erfolgt, weil gerade damals die Obersten des Volks vollständig darauf vorbereitet waren, daß der Messias nun erscheinen werde, und mit einer gewissen Hast und Ungeduld auf seine Erscheinung war- teten, wie aus der Gesandtschaft des Hohenraths an den Täufer (Joh. 1, 19 ff.) hervorgeht. Gleichwienun bei der ersten Versuchung an den leiblichen Hunger, so kann bei dieser zweiten Versuchung der Teufel an eine (wir wollen uns einmal dieses Ausdrucks bedienen in der Voraussetzung, daß wir nicht mißverstanden werden) schwache Seelenstimmung bei Jesu anknüpfen. »Für seinen Lebensberuf, zu dem» er bei der Taufe die Gottes- weihe empfangen, für die Ausgabe , der wahrhafte Messias Jsraels und die Erfüllung aller Hoffnungen dieses seines Volks zu werden, schlägt Jesu Herz hoch, als er in die Wüste eintritt und da unter Gebet und Betrachtung sich 40 Tage und 40 Nächte lang in die Tiefe seines Amts versenkt. Aber je länger je mehr dringt bei Erwägung seiner Ausgabe, bei Durchdenkung seines Berufs anges ein scharfes Schwert durch seiue Seele; er siegt, daß Gottes Gedanken nicht Jsraels Gedanken, und des Volkes Wege nicht Gottes Wege sind, erkennt, wie der Eckstein, den Gott in Zion gelegt hat, von den Bauleuten verworfen werden und der Aus- gang dahin führen wird, daß das alttestamentliche Zion, in dem der allmächtige Gott so lange gewohnt und ge- arbeitet hat, zusammenstürzt und das verblendete Volk in seinen großen Fall hineinreißt.« Eine gleiche Herzens- stimmung also wie die, als der HErr vom Oelberge aus der Stadt ansichtig wurde und über sie weinete (Luk. 19, 41 ff.), nimmt er auch jetzt von seinem vierzig- tägigen Sinnen und von der Vorbereitung zu seinem Amte mit hinweg; und diese gedrückte Gemüthslage, die dem Satan nicht weniger als vorhin der Hunger Jesu unbekannt war, scheint demselben Erfolg für seine Ver- suchung zu versprechen. Jesus, den Weg des Versuchers verwerfend und Gottes Wege, so schwer sie seinem, für Israel hochschlagenden Herzen werden mußten, mit ganzer Entfchiedenheit erwählend, hat denn auch bei der zwiefachen Reinigung des Tempels (Jöh. ·2, 14 fs.; Matth. 21, 12 f.) sowohl am Anfang als am Ende sei- ner prophetischen Wirksamkeit in den schroffsten Gegensatz zu der fleischlich und ungöttlich gesinnten Priesterschaft sich gestellt und damit thatsächlich die Antwort auf den eigentlichen Kernpunkt der satanischen Zumuthung gegeben. Es handelte sich da nm die Ueberwindung der sündlicheu Entwickelung des Menschengeschlechts in ihrer Mitte; denn wie die Geschichte der menschlichen Sünde ihren Anfangspunkt hat in dem Falle des ersten Adam und ihren Höhepunkt in der Teufelsvergötterung des Anti- christ, so hat sie auch ihren Mittelpunkt, nämlich in dem Zerrbilde, wrlches der fleischliche Sinn Jsraels aus dem prophetischen Messiasideal gemacht hatte. Weiter be- schäftigt uns die andere Frage: wie führte der Teufel 38 gägEvangelium Matthäi 4, 8. 9. den HErrn mit sich in die heilige Stadt und stellte ihn auf die Zinne des Tempels? Daß der Satan seinerseits durch die Luft fahren kann auf den Flügeln des Win- des, erregt keinen Anstoß: als ein höheres geistiges Wesen ist er, gleichwie die guten Engel (Ps. 104, Hi; Luk. 2, 9. 13. 15), deren Natur er ja ursprünglich theilt, nicht an die Scholle dieser Erde festgebannt. Wie seine persönliche Freiheit, so ist ihm auch der Besitz sei- ner höheren Kräfte nach feinem Falle geblieben; und wie es ihm unter besonderen Umständen , wo Gott es ihm zuläßt, nicht an der Macht fehlt, sich zu versicht- huren, so daß er in 1. Mos. 3, 1 ff. den Schlangenleib sich anorganisirt, in V. 3 unsers Kapitels aber dem HErrn in Gestalt eines frommen Pilgrims, eines theil- nehmenden Freundes, und hier in dem Aufzuge eines heil. Engels erscheint, so kann es um so weniger ihm an der Macht fehlen, sich frei durch die Luft zu bewegen, wohin er will, ist er doch der Fürst, der in der Luft herrschet (Ephes. 2, Z; s, 12). · Daß nun. aber auch Jesus seinerseits den Weg durch die Luft mit ihm macht, läßt sich auf zweierlei Weise erklären. Entweder war der Err jetzt ebenso, wie später bei der Kreuzigung in die ewalt der Knechte Satans, in die des Satan un- mittelbar dahingegeben, daß dieser ihn gleichsam in seine Arme nehmen und mit sich führen konnte, wohin er ihn haben wollte; oder aber, wie der Geist Gottes den Philippus auf eine tibernatürliche, geheimnißvolle Weise vor den Augen des Kämmerers aus Mohrenland ent- rückte und nach Asdod versetzte (Apoßg. 8, 249 f.) , so war es auch hier der Geist des HErrn, der Jesum dem Versucher nachführte, hatte er doch zuvor ihn in die Wüste geführt, auf daß er von dem Teufel versucht würde. ,,Satans und Gottes Willen liegen nicht immer aus einander, sie kreuzen sich sehr oft; und wenn ich mich nach Analogie (Aehnlichkeit) der über den concursus Gottes (die göttliche Mitwirkung bei den menschlichen Handlungen, auch den bösen) von der alten Dogmatik mit gutem Recht aufgestellten Formel: concurrit Deus ad mater-take, non ad formale actjonis (Gott wirkt mit in Hinsicht auf das Materielle einer Handlung, d. i. auf die Handlung an sich oder als bloße Handlung ge- faßt, nicht auf das Formelle derselben oder auf das, was sie zu einer bösen Handlung macht) ausdrücken darf, so trifft hier quoacl inateriam der Wille Gottes und der des Satans zusammen, beide wollen, daß der Err versncht werde, quoad form-im aber laufen sie immelweit auseinander, Gott will durch die Versuchung den HErrn bewähren, Satan dagegen begehrt ihn zu fällen« Was die zweite Versuchung in ihrem Verhält- niß zur ersten betrifft, so bemerkt Ebrard: In zwie- facher Weise verfeinert sich hier die Versuchung. Das erste Mal hatte Jesus für sich und sein Wohlsein ein Wunder thun sollen, beim zweiten Mal sieht es so aus, als würde er, wenn er dem Satan willfahrte, nicht für sich, sondern zur Bekehrung und Ueberzeugung des Volks das Wunder vollbringen; das erste Mal hat Jesus selbst das Wunder thun sollen, und hier will der Versuche-c selber nichts anderes, als was Jesus ihm dort entgegengehalten hat, er soll nämlich auf den Vater sich verlassen und ihm seine Wege befehlen. Allein auch durch diese Künste läßt der HErr sich nicht blenden: es war des Vaters Wille, daß er ein Volk sich sammeln solle durch Bekehrung der Herzen, nicht durch ein Schau- wunder vor der Menge; der unbußfertigen Menge sollte vielmehr kein Zeichen gegeben werden, denn das Zeichen des Propheten Ionas (Kap. 16, 4). Hier lagen klar die beiden Wege vor ihmzentweder die Masse als un- bekehrte an sich zu locken, ihrer Wuudersucht, Neugierde und Eitelkeit zu schmeicheln, oder auf die Gunst der Masse zu verzichten und nur diejenigen zu sammeln, die der Vater ihm gab oder durch die vorbereitende, ziehende Wirksamkeit des heil. Geistes an ihren Herzen ihm zuführte. Weil denn diese zweite Versuchung auf einen engeren Kreis als die erste sich bezieht, nicht aus das Menschen efchlecht überhaupt, sondern auf das Volk, dem vein Mesias verheißen war; so tritt sie aus dem Bereich der Wüste heraus und hat ihren Ort in der heil. Stadt, und zwar näher an der Stätte, um welcher willen sie eben die ,,heilige« Stadt heißt. Bei der fol- genden dritten Versuchung dehnt dann der engere Kreis sich wieder aus zu dem weiteren; der Ort, wo sie vor sichsz geht, ist daher eiu hoher Berg, von dem aus alle Reiche der Welt gezeigt werden. 8. Wiederum fauch durch das Mißlingen der zweiten Versuchung noch nicht muthlos gewor- den, daß er doch» endliclrgewinnen und den Sieg hehalten werde] fuhrete ihn der Teufel kin der- selben Weise, wie vorhin V. Z] mit sich auf einen sehr hohen Berg kauf den Gipfel des Quarantaniaberges V. 1, der eine Höhe von 2500 Fuß hat und für Menschen gewöhnlich nicht zu eesteigen istJ und zeigete ihm kin einem Augenblick Luk. 4, 5., mittelst eines Zaubergesichts] alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit [alles, was die Erde für die Augen Bezauberndes und für das Herz Hinreißendes hat]. 9. Und sprach sals er nun meinte, in dem Herzen des armen Zimmermannssohns die heftigste Begierde darnach erweckt zu haben] zu ihm: Dies alles [was du hier beisammen gesehen] will ich snach meinem Verfügungsrecht, das ich darüber habe] dir geben, so du sjetzt auf deine Kniee vor mir] niederfållst Und mich fals den Gott und Herren der Welt Z· Con 4, 4; Ephes 6,i12 mich anerkennend] aubetesh Es handelt sich hienweder darum, einen so hohen Berg auf Erden ausfindig zu machen, Von dem aus alle Reiche der Welt gesehen werden können; noch braucht man, weil es einen solchen in der Wirklichkeit nicht giebt, anzunehmen, der Satan habe ihn aus der Erde hervorgezaubert, sondern es genügt überhaupt ein hoher Berg, von dem aus man eine weite Aussicht hat, denn was auf gewöhnliche Weise nicht gesehen werden konnte, war eine magische Darstellung und ein plötzliches An- schauenlwie im Bilde. »Hat Satan die Macht, daß er das Bild einer Welt voll Lust und Herrlichkeit dem Menschenkinde in der cameisa obscura seines Herzens zeigen kann, daß er durch seine Knechte wahrhafte Wunder (? vgl. 2. Mos. 7, 22 Anm.) wirkt —- wie wollen wir dem Meister die Kunst absprechen, vor den Augen des HErrn ein Tableau (Gemälde) in die Luft hinzuzauberky ein Tableau, welches nicht, wie die Bil- der einer Bision, mit dem inneren Sinne (denn dann hatte Satan eine Pforte in das Herz Jesu gefunden), sondern mit dem äußeren Sinne wahrgenommen würde? Wie das Auge des Sohnes der Wüste auf einmal in blauer Ferne eine liebliche Oase schaut nnd er bald zu se·inem»Schrecken inne wird, daß es ein neckend Natur- bild, eine wesenlose Luftspiegelung war (Jes. 35, 7 Anm.), so vergrößerte Satan das Panorama, welches auf dem Berge sehon an sich dem Auge des HErrn fich darstellte, durch seine Gaukelbilder in der Luft und zauderte in die Wolken einen Thron, vor dem die Völker der Erde ihre Kniee beugten; wie aber vor des HErrn Auge es kein Dunkel giebt, sondern ein Blick seinesAuges Niitternacht Die dritte Versuchung. 39 zu Mittag macht, so giebt vor seinem Auge es auch kein täuschend Gaukelbild, es zerfließt vor ihm sofort in sein Nichts — sobald er nur hinsieht, da schwinden die luf- tigen Bilder, wie vor dem Strahle der Sonne die Nebel wallen und fallen« Unverkennbar findet hier eine Nach- äffung dessen statt, was Gott der HErr mit Mose auf dem Berge Nebo (5. Mos. 84, 1fs.) thut; und zu- gleich haben wir hier eine Carricattir dessen, was Gott der HErr in 1. Mos. 13, 14 ff. mit Abraham nach fei- ner Trennung von Lot auf dem Berge bei Bethel »ver- handelt, wie man denn auf dem Quarantaniaberge den Berg bei Bethel in ziemlicher Nähe hat und nach dem Gebirge Pisga und dessen höchster Spitze hinüberschaut Wenn man nun von hier aus nichts von Jerusalem sieht, wohl aber die Spitzen des Oelberges in einiger Entfernung wahrnimmt, so ist auch das nicht ohne Be- deutung. Jn Pf. 2, 8 spricht Gott zu seinem Sohne, der zugleich Davids Sohn ist: ,,Heische von mir, so will ich dir die eiden zum Erbe geben, und der Welt Ende zum Eigent um.« Nun wissen wir freilich aus Gottes Wort, aus welchem We e der Vater diese seine Verhei- ßuug hinausführen wo te, nnd Christus kannte diesen Weg von Anfang sehr wohl — er führte über den Calvarienberg bei Jerusalem, über den Marterhtigel Golgatha; wenn dann alles nach des Vaters Rath würde hinaus-geführt und Jesus wieder auferweckt sein von den Todten, sollte er bei der Auffahrt vom Oel- berge aus mit verklärtem Auge auf alle Reiche dieser Welt herniederschauen, als die nunmehr sein eigen waren und künftig auch s einer Herrlichkeit voll werden wür- den. Aber jetzt, wo der HErr noch vor dem Anfang feines Erlösungswerks steht, waren aller Menschen Herzen, auch die der Frommen und Heilsempfänglichem mehr oder weniger in dem Jrrthum befangen, als handle es sich für den Sohn Davids um ein Reich von dieser Welt und um ihre, der Welt Herrlichkeiy und daß nun da- hin zu gelangen es für den aus seinem Erbe verdräng- ten, nur den geringen Stand eines armen Zimmer- manns einnehmenden Davidssohn keinen andern Weg gab, als den eines gewaltsamen Umsturzes aller beste- henden Verhältnisse, einer nur im Bunde mit dem Reiche der Finsternis; zu bewirkenden Revolntion, das ist der Gedanke, der in dieser dritten Versuchung sozu- sagen sich verkörpert und sie mit der zweiten Versuchung in unmittelbaren Zusammenhang setzt. Wie Jesus dort durch Anbequemung an den fleifchlichen Sinn des Bei- falls der Oberen seines Volks und der großen Masse sich versichern soll, um ohne Weiteres als Biessias Jsraels im Sinne der Erwartungen, die man von diesem hegte, austreten zu können; so soll er hier den Beistand derjenigen Mächte und Gewalten, ohne die nun einmal eine Revolution nicht zu Stande kommt, durch einen Vertrag für sich gewinnen, um der Römer- herrschaft ein Ende zu machen, ja selber in die Stelle des weltbeherrschenden Roms einzutreten. Es fchließt aber die dritte Versuchung auch andrerseits, wenn wir ihre universelle Bedeutung und die letzte Absicht, warum sie über Jesum verhängt werden mußte, in’s Auge fassen, mit der ersten sich zusammen. Dort erneuert sich, wie wir oben auseinandergesetztshabem die Urgeschichte des Menschengeschlechts; der zweite Adam muß die Prüfung, die der erste Adam zum schweren Nachtheil des menschlichen Gefchlechts so schlecht bestanden, wieder aufnehmen und dem Versucher den Sieg wieder abge- winnen, den dieser gleich über das erste Menschenpaar davongetragen. Hier aber bereitet sich der letzte Ent- scheidungskampf, mit welchem die Weltgeschichte auf Erden endigt, vor;» dem Christ des HErrn steht ein Antichrist der Welt gegenüber, es wird noch einmal ofsenbaret werden der Mensch der Sünde, in welchem « diese diehöchste Stufe ihrer Entwickelung erreicht, der Widerwartige», der sich überhebt über alles, das Gott oder Gottesdienft heißt, und giebt sich vor, er sei Gott. Der wird seiner Zeit wirklich vor dem Satan nieder- fallen und ihn· anbeten, der Satan aber wird ihm wirklich alleReiche der Welt und ihre Herrlichkeit geben, indem er mit allerlei lügenhaftigen Kräften und Zeichen und Wundern und mit allerlei Verführung zur Uiige- reohtigkeit unter denen, · die , verloren werden, ihm zu Hilfe kommt, daß er sein Ziel erreiche (·2.Thess.2,1ff.; Offenb »1’2, l8 ff.). Soll nun der Christ des HErrn dFIs ftttliche Recht haben, den»Antichrist der Welt der- einst umzubringen mit dem Geist seines Mundes, und des Menschen Sohn als solcher mit der Macht bekleidet werden , durch die Erfcheinni1g feiner Zukunft dem Menschen der Sünde auf einmal ein Ende zu machen, so muß er der furchtbarsten Versuchung, die dieser er- legen ist, selber ausgesetzt gewesen fein, sie aber siegreich bestanden habetlz Es »muß ihm in den Tagen seines Fleisches selber die Mdglichkeit nahe getreten sein, eine Ausgeburt der Hölle und ein Boshaftiger bis zu dem Grade, den die sündliche Entwickelung in der Menschen- natur überhaupt zu erreichen vermag, für feine eigene Person zu werden. Es klingt das wie eine Blasphemie des Heiligen, ist aber in der That keine, sondern viel- mehr eitle vollständige Anerkennung des größten Wun- ders, das je geschehen, der Fleifchwerdung des einge- borenen Sohnes Gottes. Hat dieser einmal die Men- schennatur an sich genommen und dem Rathschluß seines himmlischen Vaters sich unterzogen, der die ganze Sünde der Meiischenwelt auf ihn legen wollte, so mußte ebensogut das»Ende des menschlichen Verderbens, wie der Anfang desselben, auf ihn einstürmeiix und sollte keine Sünde der »Mens»chen so groß und schwer sein, daß sie nicht um segietwillen vergeben werden könnte, so durfte auch keine Sünde so» groß und. schwer sein, daß sie ihn nicht versucht und ihre Abweifung durch ihii erfahren hatte. Und woher sollten die Jiinger Christi, wekche die Versuchung der letzten schweren Zeit zu bestehen haben, ·die Kraft nehmen, sie siegreich zu überwinden, wennnicht ihr HErr diese Versuchung allbereits in sei- ner eigenen Person überwunden hätte nnd auch in die- sem Stücke gältez daß der Fürst dieser Welt gerichtet ist? »Die unerhorte Frechheit der Zumuthung, welche der Satanhier an Jesnm stellt, die indessen in ver- deckter Weise auch schon der ersten und zweiten Versu- chung zum Grunde liegt, wird aufgewogen durch die satanische Logik, daß es für jeden Menschen einen Preis gebe, »Um den seine Tugend ihm feil sei; das Ver- fucherische für Jesum aber liegt in der Kühnheit des Grifss, womit der Satan dem aus seinem Erbe ver- drängten Davidssohn, dem wirklich alle Völker zum Erbe und der Welt Ende zum Eigenthum verheiße1i waren, mit Einem Male das Glanzbild der Weltherr- schaft und Weltherrlichkeit aufrollt und zum Eigenthum anbieten« Nicht genug können wir dabei die Weisheit Gottes bewundern, die den Heiland soweit in des Satans Gewalt dahingab, daß dieser ihm seine Lust- und Gaukelbilder vormachen durfte. Denn ,,soll Jesus dereinst ein Richter der Lebendigen und der Todten sein, so muß er ja auch die Sünde genetisch (bis in ihre Entstehung hinein) verfolgen und anschauen; beim Gericht wird er genug solcher satanischen Vorspie elungen zu erkennen und zu berücksichtigen haben« Wir erinnern noch an die Scene: »Hexenküche« in Göthe’s Faust (tv. Theil)·, wo diesem in einem Zauberspiegel auch ein Bild gezeigt, dann aber ein Trank gereicht wird, und nun Mephistopheles leise, ohne, daß Faust es hören darf, zu ihm spr1cht: »Du siehst, mit diesem Trank im Leibe, bald Helena in jedem Weibe« 40 Evangelium Matthäi 4, 10-—-16. 10. Da snachdem der Teufel alle Versu- chungsmittel von Seiten der List und Berlockung erschöpft und er nun kein Recht mehr hatte, den HErrn in dieser Weise noch weiter zu versuchen] sprach Jesus zu ihm sdem anmaßlichen Herr- scher mit wahrhaftigem Herrscherwort gegenüber- tretend]: Helk dich weg von mir, Satan sdaß ich dich nicht mehr sehe! Was ich dir aus deine Zumuthung zu erwiedern habe, kann keinen Augenblick zweifelhaft sein]; denn es stehet sals erstes Haupt: und Grundgebot in Z. Mos S, is] geschrieben: Du sollst anbeten Gott, deinen Errn, und ihm allein dienen swas aber deinen Antrag betrifft, so werden gerade dadurch, daß ich deine Werke auf Erden zerstöre und die Menschen von deiner Gewalt erlöse, alle Reiche dieser Welt mir vom Vater zu Theil werden Philipp. 2, 6 fs.]. 11. Da [weil er sahe, daß er nichts aus: richtete, auch dem Herrscherwort dessen, den er gar wohl als den Sohn Gottes kannte V. 3 u. S, keinen Widerstand entgegensetzen konnte] verließ ihn der Teufel seine Zeit lang Luk. 4, 13., bis ihm die Macht gegeben werden würde, Jesum in anderer Weise —- sdurch Leiden des Todes -—- auf’s Neue zu versuchen Joh. 12, 27; 14, 30; Mark. 14, 32 ff.]; und siehe, da traten die Engel sdie bisher als Unsichtbare Zeugen seines Kampfes und Triumphes im Hintergrund gestanden] zu ihm und dieneten ihm [zunächst, indem sie ihm, dem Hungernden V. 2 ff., Speise brachten Luk. 10, 40; I. Kön. 19, 5., dann aber, indem sie für seine Berufswege ihre Schutzmacht V. 6 ihm zu Gebote stellten Luk. 4, 28 fs.; Joh. 7,, so; 8, 20 und schon jetzt ihm ihre Huldigung brachten als dem Ueberwinder des Satans und der Hölle V. 9 f.; Joh. l, 515 Hebt l, 6]. Jn 5. Mos 6,13 steht nicht das Wort ,,allein«, wohl aber bei den 70 Dolmetschern (Septuaginta), wie es denn auch dem Verstande nach darin steckt, denn die Ehre der Anbetu1ig, als der höchste Ehrendiensh gebüh- ret Gott allein; nnd was der Kraft nach im göttlichen Worte steckt (1. Sam. 7, 3), ist soviel, als stünde es auch mit soviel Buchstaben da, und kann zur Erklärung mit gutem Gewissen dazu gesetzt werden, wie Luther in Röm. Z, 28 thut. (Starke.) Du hast wohl auch schon gesagt: Hebe dich weg von mir, Satan! Aber in dir war auch eine Stimme, die sprach: Gehe nicht gleich weg, bleibe noch ein wenig, wir werden doch wohl noch einig (4. Mof. 22, 7 ff.). Dafür hat er gar scharfe Ohren und weiß sehr gut, ob hinter deinen Worten ein halbes oder ein ganzes Herz steckt; und nur, wenn ein ganzes Herz dahinter steckt, weicht er (1.Sam.24,2ff.). Darum bete ernstlich: Pf. 51, 12; Sprüchm 18, 10. (G. Lang.) Die Versuchungsgeschichte verbreitet das hellste Licht über die Person des HErrnt einerseits ler- nen wir ihn hier ans seinem eigenen Wort (V. 4) als Menschen, den Brüdern in allem gleich (Hebr. L, 17), kennen, andrerseits Verkündigt ihn der Satan selbst als Gottes Sohn (V. 3 u. 6), und dies Mal wenigstens ist der Vater der Lüge ein Zeuge der Wahrheit geworden; die wahre Menschheit des HErrn offenbart sich nicht weniger in dem Hunger, den er fühlt, als in seiner Fähigkeit, versucht zu werden, feine göttliche Majestät aber zeigt sich in der Weise, in der er kämpft, in dem Siege, den er erlangt, in der Krone, die er erwirbt. (Oosterzee.) Schon von mancher Prüfungsgeschichte auf Erden waren die Engel Zeugen gewesen: die Schrift, das ist bemerkenswerth, erzählt keine einzige große Prüfungsgeschichtz in der sie nicht ausdrücklich der Engel als auf irgend eine Weise dabei thätig oder darum wissend, und also gewissermaßen als Zeugen, erwähnt. So in der Geschichte der Prüfung Adams, Abraham’s, Hiob’s, Jsrael’s, Jesu Christi in der Wüste und in Gethsemane Schon von manchen Prüsungen also waren diese Engel Zeugen gewesen; aber noch keine hatten sie edler, demüthiger, glaubensvolley erhabener auskämpfen und glorreicher enden sehen als diese. O wie anders durften sie hier hinzutreten und dienen, als nach dem unglücklichen Ausgang des ersten Adam im Para- diese, wo sie auch hinzutreten und dienen mußten —- aber wie anders! Auch unseren Kämpfen sehen sie zu, diese demüthigen, liebevollen Geister, mit dem Wunsche inniger Liebe, daß wir uns wohl halten und stark und fest treten und wandeln mögen in den Fußtapsen des Vaters aller Gläubigen, in einer Welt und in einer Zeit, wo alles in Gemeinheit versinkt, wo jedes Bild des wahrhaftig Großen und Heiligen, und jede Richtung dazu ebricht und versagt ist, immer vor Augen habend die Feschichte und das Bild der wenigen göttlichen Menschen, derer die Welt nicht werth war, die es ver- achteten und ausschlagen, groß und gelobt zu sein im Auge und Munde einer faden und geistlosen Mitwelt, und den schönen Kampf des Glaubens auskämpften, hinsehend auf die Belohnung, verlangend nach. der Ehre, die allein von Gott ist, vor allem aber unverwandt hin- sehend auf den Anfänger und Vollender des Glaubens, welcher um der Freude willen, die er vor sich hatte, das Kreuz erduldete und die Schande verachtete. Und wenn wir uns wohl halten, wenn wir bestehen , wenn wir überwinden, so werden sie einst auch zu uns hin- treten, wir werden die Freude haben, sie persönlich kennen zu lernen, und sie werden uns dienen, werden uns lieben und uns Freude machen. (Menken.) Merk- würdig, wie die höchsten Entwickelungsmomente des Reiches Gottes zu allen Zeiten von einer erhöhten Reaction Gegenwirkung) des Reiches der Finsterniß begleitet waren! Wo die Geschichte der Menschheit an- fängt, zeigt sich der Vater der Lüge; wo Israel ein theokratisches Volk werden soll, ahmt er die Wunder Mosis durch die egyptischen Zauberei: nach; wo der Sohn Gottes im Fleische erscheint, vermehrt er die Zahl der Besessenen und fucht ihn selbst zum Falle zu bringen; und wo die letzte Entwickelung des Gottesreichs sich nähert, da wüthet er am heftigsten, weil er eine kleine Zeit hat: Ofsenb. 21, 7. (Lichtenstein.) Der HErr, der jetzt sein Werk beginnt, kann nicht damit anfangen, daß er diesem und jenem Bösen sich entgegensetzt, mit dieser und jener Erscheinun sform des bösen Princips sich zer- arbeitet, wie er ja ei uns sein Werk nicht also treibt, daß er diese und jene Untugend uns abgewöhnt, sondern das Böse in uns an seiner Herzwurzel angreift. Er kommt, wie der Täufer ihn gesehen hat, und legt die Axt dem Baum an die Wurzel; denn nur durch Ueber- windung des Princips aller Sünde im Himmel und auf Erden, oder, um richtiger zu reden, nur durch Ueberwindung dieses leibhaftigen Princips, des Teufels, kann er mit gesegnetem Erfolge sein Erlöfungswerk in der Menschheit anfangen, fortsetzen und vollenden. So erhält die Versuchung Christi eine weltgeschichtliche, eine universelle Bedeutung und nimmt in den Propyläen Jesus eröffnet nach des TäuferstGesangennehmung seine Wirksamkeit» in Galiläa 4l (Vorhöfen) der evangelifchen Geschichte ihre nothwendige Stelle ein. -— Der Satan hat den HErrn gefaßt an der dreifachen Richtung des allgemein menschlich-per- sönlichen Lebens, an dem Lebenstrieb, dem Ehrtrieb, dem Herrschertriebx er hat die drei Hauptueigungen ftir den Nienschem Genuß, Ehre und Herrschaft, an ihn sherangebracht Drei Netz-e, sagt der Teufel in einem c« alten Werke über des Matthäus - Evangelium, habe ich ; über alle Welt ausgebreitet, daß, wer den Netzen des L Genusses entronnen, in das Netz eitler Ehre stürze, wer aber auch diesem Netze entgangen, in das Netz der E Fxrbsucht falle; der HErr aber hat alle Netze mit Gottes ort durchrissem Satan hat sich erschöpfh er muß nun weichen. (Nebe.) Zu gleicher Zeit mit der Versuchung Jesu in der Wüste (nach unsrer Berechnung vom s 7. Januar — 15. Februar des J. 27 n. Chr.) traf eine ähnliche Versuchung seinen Vorläufer Johannes in der Wüste am Jordan (Joh. I, 19——28: 15. Februar), indem die Abgeordneten des Hohenrathes es ihm nahe genug legten, sich selbst die messiattische Würde beizu- legen; derselbe wollte aber nicht einmal für einen Pro- pheten angesehen werdeu, um nicht falschen Meinungen und Erwartungen irgend welchen Vorschub zu leisten. Des andern Tages nun zeugt Johannes vor etlichen seiner Jtinger von Jesu, daß er das Lamm Gottes sei, welches der Welt Sünde trägt, und bekennt ihn für den Sohn Gottes (Joh. I, 29——34: 16. Februar); an den beiden folgenden Tagen aber findet der HErr bereits fünf Seelen (Johannes, Andreas, Petrus, Philippus und Nathanael), die der Vater zu ihm ziehet, nachdem er es dem Teufel gegenüber verschmähet hat, durch Schauwunder die Menge an sich zu locken (Joh. 1, 35 ——51: 17. u. 18. Februar). Dann geht es auf die Hochzeit zu Cana, und Jesus fängt schon· an, sein Reich einzunehmen, das n1cht von dieser Welt Ist, wie Satan ihmvorspiegeln wollte (Joh. 2, 1———l1: 21. Februar). Nach einem kurzen Besuche in Kapernaum folgt die erste Reise aufs Osterfest, wo die verderbte Priesterschaft und die Oberen des Volks durch die Reinigung des Tempels vielmehr in ihren bösen Werken gestört werden, statt daß ihnen geschmeichelt würde (Joh. 2, 12——25: März u. April» doch auch unter ihnen begegnet der HErr einer empfänglichen Seele in dem Pharisäer Nicodemus (Joh. 3,1——21). Nun beginnt eine längere Wirksamkeit in Judäa und Jerusalem von Seiten Christi, während Johannes zu Enon taust (Joh. s, 22——36: 8——9 Mo- nate), bis dann Christus sich veranlaßt sieht, diese vor- länfige Wirksamkeit wieder aufzugeben, und durch Sa- maria, wo er am Jakobsbrunnen bei Sichem das Ge- spräch mit der Samariterin hat, nach Galiläa zurück- kehrt (Joh. 4, 1——45); von Cana aus heilt er den Sohn des Königischen zu Kapernaum (Joh. 46——54), entläßt aber dann seine Jtlnger in ihre Heimath und zu ihrem Handwerk und zieht sich selbst in die Stille nach Nazareth zurück, so daß er das Osterfest des J. 28 n. Chr. (29. März —- 5. April) nur als gewöhnlicher Festpilger besucht. Wenige Wochen darauf wird Johan- nes der Täufer von Herodes Antipas gefangen gesetzt; Jesus findet sich auch auf das Pfingstfest (Mittwoch, den 19. Mai) in Jerusalem ein, heilt den Kranken am Teiche Bethesda, und da die Obersten der Juden bereits anfangen, ihm nach dem Leben zu trachten (Joh. 5, 1 —47), zieht er sich vom Mittelpunkt des jüdischen Volkslebens, von Jerusalem, in das abgelegene Galiläa zurlick, um daselbst als Nachfolger Johannis dessen Wirksamkeit in höherer Weise fortzusetzen. Dies ist der Zeitpunkt, mit welchem die drei ersten Evangelisten ihre weiteren Mittheilungen beginnen. I. v. 12——17. (§. ge) die ganze Zeit von Christi nee- suchung durch den Teufel big zmn Beginn seiner Lehr- thätigkeit in Galiläa, zwischen welchen beiden pntiklen ein Zeitraum von ca. V, Jahren liegt (Joh. l, 19- 5, 47), fassen die drei ersten Eoangelislen in eine kurze Stiluma zusammen, die eine Wirksamkeit deo iljGrrn in Jndäa mittelbar zwar andeutet, im Uebrigen aber die- selbe außer Betracht läßt und ohne weiteres zu seiner Wirksamkeit in Galiliia von der Zeit an übergeht, wo Johannes nun ins; Gefängniß gelegt und aus-er Thätigi lieit geseht war. Jnsofern das angenehme Jahr des Eltern, von dem Jesus in Bitte. 4, 16 ff. redet, die ganze letzte Woche von den 70 Jahrwokhen in Man. V, 24 ff. in sich begreift, beginnt jetzt, sozusagen, das zw eite Quartalz eg ist aber dies zweite Onartal für Galiläa selber jenes angenehme Jahr des hehren im besonderen Sinne des Worts und ntnfaßt einen Zeitraum von l Jahr u. 4 Monaten Wsiugsten a. 23 big Eaubrüsl a. 29 n. Ehr.); Stjklatthäug thararterisirt ihn alg die Erfüllung noch einer andern, anf das tland Zabnlon nnd das Land Uaphtalim bezüglichen Weiffagung (Vgl. Mark. 1, 14 f.; Lust. 4, 14 f.). 12. Da nun Jesus [bei seiner Reise auf das Zfångjxfjxttzoeess 2å»n.fChrti, ? ; hgretg »; er auer, rein a. , »— näher mitgetheilt werden wird, ins Gefängniß] überantwortet war, zog er [nach Beendigung des eintägigen Festes, die Landschaft Judäa für längere Zeit verlassend] in »das galilåische Land, 13. Und verließ lwtederum m Galiläa] die Stadt Nazareth fseinen Heimathsorh von wannen man ihn, nachdem er am 29. Mai als an einem Sab- bath in der dortigen Schule gepredigt hatte, ver- stieß Luk. 4, 16 ff.], kam und wohnete zu Kaper- naum [Kap. 4, 25 Anm.], die da liegt am [galk- IäischeUJ ålzteer , an den Grenzen [der beiden Stämme] abulon und Naphthalim [Joh. 19, 10 —16· u. 32—39., vgl. Karte Il1.], 14. Auf daß erfüllet würde, das da gesagt ist durch den Propheten Jesaiam, der da Ein Kap. 9, V. l 2 LseindesZQtäeissagungsbgichsjfL spdrizhik 15. as an a ulon un as an eph- thalim [die, eines an das andere grenzend, gelegen sind] am Wege des Meers [an der aus Judäa, am Berge Tabor vorüber und dem See Genezareth entlang, über den Jordan nach Damas- kns fiihrenden HauptstraßeL jenseit des Jordan sferner das Ostjordanland aus der andern Seite des Sees], und die heidnische Galiläa fder nördlichste Theil dieser Landschaft], Its. Das Volk, das im Fintterniß fder Ver- wahrlosung und der Verachtung] saß [so daß man sie fast den Heiden gleich rechnete], hat ein großes Licht gesehen sm dem Propheten mächtigvon Thaten und Worten, vor Gott und allem Volk, der unter ihnen Vornämlich seine Herrlichkeit ge- ofsenbaret hat Luk. 24, 19; Apostg 10, 37], und gleerusjiictentlvdliitdlödimthåeejitiptåkkfdtxm Ddtidl religiösen Lebens in Israel, und bei ihrer Vermenguug 42 Evangelium Matthäi 4, 17. g mit heidnischen Jnwohnern und NachbarUJ saßen am Ort und Schatten des Todes [so daß sie wie der dem Verderben preisgegebene Theil des auser- wählten Volkes erschienen], denen ist [in dem trief- stanischen Heil, das ihnen zuerst gebracht worden] em Licht aufgegangen. Es ist eins von den mancherlei Verdiensten van de Velde’s (s. 1. Kön. 18, 20 Anm. 2), die Straße am Meer wieder ermittelt und verzeichnet zu haben (vgl.«die Karte Vl.): am Thabor vorbei zieht sie sich in das Land Genezareth hinab, geht dann von Viedschdel dem Ufer entlang bis zum Khan Miniyeh, wo sie das Ufer verläßt, um die nördlich gelegene Hochebene zu er- reichen, und zieht sich nun in gerader Linie bis an die Jakobs-Mücke, wo sie über den Jordan führt. — Die Worte aus Jes. 9 , l f. hat Matthäus frei nach dem Gedächtniß wiedergegeben, indem er sich dabei haupt- sächlich an die griechische Uebersetzung des alten Testa- ments, die sog. Septuaginta hält; sie wird überhaupt im neuen Testament vielfach anstatt des Grnndtextes benutzt, ähnlich wie wir Luther’s deutsche Uebersetzung als die wirkliche, ächte Bibel brauchen und die Sprüche nach ihr anführen, obgleich die Gelehrten so vieles anders aussassen, als Luther. 17. Von der Zeit an [wo er so in Galiläa seine selbstständige Wirksamkeit begann] fmg Jesus an sdie Wirksamkeit seines Vorläufers, des Täufers, wenn auch in höherer Weise, doch in demselben Geiste und mit derselben Verkündigung fortsetzend] zu predigen und zu sagen: Thut Buße, das Him- melreich tst nahe herbei kommen [Kap. Z, 2]. Zwischen dem Evan elio Johannis und den drei ersten Evangelien beste t ein durchgreifender Unter- schied, sowohl was die Auswahl, als was die Art des Stoffes betrifft. Johannes faßt vor allem die Fest- reisen Jesu nach Jerusalem in’s Auge, während er von galiläischen Begebenheiten nur wenige berichtet, und die Reden des HErrn, die er wiedergiebt, tragen bei ihm einen eigenthitmlich erhabenen Character an sich; dies hängt mit der viel späteren Zeit, wo er sein Evangelium verfaßt hat, zusammen. Er hatte da die drei ersten Evangelien als längst schon fertig und als bereits all- gemein bekannt vor sich und verfolgte nur den Zweck, fte innerlich und änßerlich zu ergänzen —- äußerlich, indem er diejenigen Theile des Lebens Jesu recht eigent- lich nachholt, welche von den Aposteln vor der Gemeinde zu Jerusalem (weil dieser schon bekannt, wie die Fest- reisen, oder weil von minderer äußerer Augenfälligkeit, wie die Wirksamkeit des HErrii vor der Gefangenneh- mun des Täufers) seltener erzählt wurden und daher auch In den ersten sEvangelienübergajigen waren; inner- lich, indem er im Gegensatz zur falschen Gnosis (der einer höheren oder geheimen Erkenntuiß sich riihmenden falschen Lehre), die zu seiner Zeit schon sich geltend zu machen anfing und über die wir später Nähers mit- theilen werden, die wahre speculative Seite des Bildes Christi, wie sie ihm persönlich aus seiner mystisch-intui- tiven stibersinnlich-befchaulichen) Versenkung in Jesum erwachsen war, zur Darstellung bringt. Aus dem zu- letzt Gesagten erklärt sich denn auch der eigenthiinilicly erhabene Character, den die Reden Jesu bei ihm an sich tragen. Jn mehr als irdischem Brillantfeuer, sagt ein neuerer Ausleger, strahlen diese Reden; das kommt da- her, weil Johannes, an Christum receptiv (en1pfangend) sich hingebend, in Christi tiefstes Wesen mit bräutlicher Andacht sich . versenkend, auch die feinsten, zartesten Strahlen seines Wortes im eigenen Herzen sammelte. I Ausfprüche des HErrn, die, weil von minder auffälli- ger, drastischer, praktischer und augenblicklicher Wirkung, an den andern Jüngern vorübergingen, tbnten fort Und fort in seinem Herzen nach und prägten sich ihm unver- geßlich ein; und so vermochte er eine Seite des Bildes Jesu aufzufassen und wiederzugeben, welche ohne ihn verloren gegangen wäre und die gleichwohl die herr- lichste und erhabenste ist. Was dagegen die drei ersten Evangelisten betrifft, so lag es keineswegs in deren Absicht, eine vollständige, von Tag zu Tag, von Woche zu Woche fortfchreitende Geschichte des öffentlichen Wirkens Jesu, also gleichsam eine Chronik oder ein Tagebuch seines Lebens zu schreiben; die hätte der Natur der Sache nach zu einem Volumeu oder zu einem bände- reichen Schriftwerke werden müssen (Joh. 21, 25), viel- mehr begnijgten sie sich, ein jeder nach seinem eigen- thiimlichen Plan, aus dem reichen Stoff des Lebens und Wirkens Jesu eine Auswahl mitzutheilem wobei sie dann mit vollem Bewußtsein vieles übergingen, manches nur bruchstückweise in den Kreis ihrer Be- trachtung zogen. Jn Beziehung auf den Plan des Matthäus haben wir schon darauf hingewiesen, daß er für Juden und Judenchristen den Nachweis führen wollte, wie in Jesus vou Nazareth die. messianischen Weissagungen von dem Samen Abrahams, in dem alle Geschlechter der Erde gesegnet werden sollten, sowie von dem Sohne oder Sproß Davids, der ewig herrschen würde, ihre Erfüllung gefunden haben; bei ihm also ist das Hanptaugetimerk darauf gerichtet, die Thatsachen der evangelischen Geschichte in ihrer Uebereinstimmung mit der alttestamentlicheu Offenbarung darzustellen. Was dann die beiden Andern, Markus und Lukas, für einen Plan verfolgten, wird bei Betrachtung ihrer Evangelien zur Erörterung kommen. Wenn nun die drei ersten Evangelisten trotz der verschiedenen Anord- nung des Stoffs, die sie im Einzelnen, ein jeder nach seinem besonderen Plan, getroffen haben, dennoch in der Hauptsache derart in Uebereinstimmung mit einander stehen, daß man wegen ihres so nahen Verwandtschafts- verhältnisses sie unter dem Namen der Synoptiker begreift, weil eine iibersichtliche Zusammenstellung ihrer Berichte zu einer Evangelienharmonie keine besonderen Schwierigkeiten bereitet; so fragt es sich, ob auch der vierte Evangelist sich hinzunehmen nnd dessen Darstellung des Lebens Jesu derart sich in die Darstellung der Symp- tiker hineinarbeiten läßt, daß eine einzige fortlau- sende Erzählung oder aus den vier Einzelevangelien gewissermaßen ein Gesammtevangelium entsteht, welches eine Uebersicht aller Reden und Thaten des HErrn nach der Ordnung der Zeitfolge und in genauem geschtchtlichen Zusammenhange darbietetP Es ist klar, daß, wenn fämmtliche Evangelisten uns für treue, glaub- wtirdige, wahrheitsgemäßeBerichterstatter zu gelten haben, eine solche vollständige, sie alle vier zusammenfassende Evan- gelienharmonie an sich auch möglich sein muß; eine derar- tige Evangelienharmonie aber liegt wiederum dem Bedürf- mkz der christlichen Frömmigkeit so nahe, daß der Versuch dazu sich immer wiederholen muß, bis es gelungen ist, die entgegenstehenden Schwierigkeiten zu überwinden. lind dieser Schwieri keiten sind allerdings sehr viele: sie treten uns gleich ier entgegen, wo es sich um die Zeit der Gefangennehmung Johannis des Täufers und um die Stelle, an welcher der synoptische Bericht in den des Johannes eingreifh handelt. Hi: Kap. 2, 20 ha en wir die Geschichte von der Ver induug des Herodes Antipas mit der Herodias, dem Weibe seines Halbbrriders Philippus, bereits mit- getherlt. Es fragt sich jetzt, ob nicht auch die Zeit, in welche diese Geschichte fällt, sich mit einiger Sicherheit ermitteln läßt. Da hat denn Wieseler nachzuweisen Jesus nimmt Wohnung in Kapernaum und setzt Johannis Predigt fort. 43 versucht, daß die Reise des Herodes nach Rom, auf welcher er die Herodias kennen lernte und die Verbin- dung mit ihr anknüpfte, einestheils zum Zweck hatte, bei dem Tode der alten Kaiserin Livia, der Mutter des Tiberius, diesem sein Beileid zu bezeugen, anderntheils und vornehmlich aber, zu dem jetzt erledigten Erbtheile der Kaiserin, zu jenen 4 Städten, welche einst Herodes der Große seiner Schwester Selome und dann diese der Livia vermacht hatte (Kap. L, 20 Anm.), zu gelangen; das betr. Todesjahr nun ist das J. 29 n. Chr., in dieses fiele also die Verheirathung des Herodes mit der Herodias, darnach die Rüge , die wegen solcher widerrechtlichen Handlung Johannes der Täufer dem Vierfürsten ertheilte, und weiterhin des letzteren Gefan- gennehmung von Seiten des ersteren (Kap. 14, 3 f.). Indessen sieht Wieseler bei seiner Beweisführung sich genöthigt, den Tod der Livia bereits in den ersten An- fang jenes Jahres, die Gefangennahme des Täufers aber schon auf den 19. März desselben Jahres anzusetzen; und das ist, abgesehen von der reinen Willkür der er- steren Annahme, ein so kurzer Zeitraum, daß unmöglich alle dafür in Anspruch genommenen Begebenheiten auch wirklich in demselben können vor egallen sein. Wir haben vielmehr den Zweck der in e e stehenden Reise des Herodes nach Rom auf die Wiedergewinnung der Festung Machärus, welche er vermuthlich bei seiner Berheirathung mit des Aretas Tochter an den Schwie- gervater hatte abtreten müssen, zu beschränken; und diesen Zweck erreichte er auch wirklich, so daß er hernach den Täufer dorthin in die Gefangenschaft schicken konnte. Wann aber — die Frage tritt auf’s Neue an uns heran —— erfolgte diese Gefangenschaft? Sehen wir uns nach Andeutungen in den Evangelien selber um, so heißt es in Joh. 3, 24 von der Zeit unmittelbar nach dem Ofterfest des J. 27 n. Chr. ausdrücklich, Johannes sei damals noch nicht in’s Gefängniß gelegt gewesen; dagegen in Joh. Z, 31 ff. redet der HErr von seinem Vorläufer als einem solchen, dessen Wirkungszeit nun vorüber ist. Wenn nun die meisten Ausleger die in Joh. 4, 3 u. 43 f. mitgetheilte Reise nach Galiläa für diejenige ansehen, von welcher hier in Matth. 4, 12 ff. und in Mark. 1, 17 f.; Luk. 4, 14 f. die Rede sei, so halten wir das für verfehlt; statt dessen lassen wir auf jene Rückkehr nach Galiläa, die nach unsrer Rechnung auf Mitte Dezember des J. 27 fällt, erst eine Zeit von 4——5 Monaten folgen, während welcher Jesus in der Verborgenheit zu Nazareth zubrachte, die Seinigen mit seinem Handwerk versorgend und die Reise auf das Osterfest des J. 28 (29. März bis 5. April) nur als einfacher Festpilger mitmachend, indem auch die bis da- hin gesammelten Jünger wieder zu ihrer früheren Be- rufsthätigkeit zurückgekehrt waren. Jn dieser Zeit, so meinen wir, hat Herodes das ehebrecherische Verhältniß mit Herodias angeknüpft und verwirklicht, Johannes hat ihn dafür gestraft, und Herodes wiederum hat den Täufer in’s Gefängniß gelegt. Daß letzterer damals nicht mehr zu Enon bei Salim (Joh.3,23) seine Taufe verrichtete, sondern wieder an die Stätte seiner früheren Thätigkeit jenseit des Jordan (Joh.3, 26) sich begeben hatte, geht daraus hervor, daß er sich im Bereich der Herrschaft des Herodes befinden mußte, als die Sache vorfiel; in jener Gegend am unteren Jordan aber hatte dieser eine zweite Residenz zu Livias (Kap.2, 20 Anm.), die über- haupt bis zur Hinrichtung des Täufers den Vorzug bei ihm gehabt zu haben scheint (Kap. 14, 1f. Anm.). Das Fest der Juden, zu welchem Jesus bald nach des Jo- annes Gefangenfetzung hinauf zog gen Jerusalem, ist in Joh. 5 , 1 ff. nicht genannt, weil es dem Evan- gelisten nur darauf ankam, zu bemerken, daß nicht ohne urch ein Fest veranlaßt worden zu sein, der HErr diese Reise unternahm; wir haben aber schon zu s. Mos.23, 22 angedeutet, daß aller Wahrscheinlichkeit nach das Fest der Wochen oder das Pfingstfest gemeint ist, und fügen den dortigen Ausführungen hier uoch Einiges zur Be- gründung unsrer Ansicht hinzu. Nach 2. Mos. 23, 17; 34, 23; 5. M. 16, 16 sollte jeder männliche Jsraelit des Jahres 3 Mal, am Passah-, am Wochen- und am Laubhüttenfeste, am Ort des Heiligthums sich einfinden. Jn der Zeit von Jesu Beginn seiner Wirksamkeit bis zu seinem Todesleiden hat er auch das erste (·27 n. Chr) und das vierte Osterfest (a. 80) öffentlich in Jerusalem sich gezeigt und seines Amts als Messtas wahrgenom- men (Joh. 2, 13 ff.; 12, 12 ff.); beim zweiten Ostern (a. 28) ist er, wie vorhin bemerkt, als gewöhnlicher Fest- pilger in Jerusalem gewesen, ohne die unmittelbare Ab- stcbt einer messianischen Thätigkeit, beim dritten (a. 29) aber blieb er, wie dies in Joh. 7, 1 ausdrücklich ge- rechtfertigt wird , von Jerusalem ganz weg. Wenn er nun auch das dritte hohe Fest, die Laubriist, während des vorhin bezeichneten Zeitraums einmal, nämlich im J. 29, wo er zu Ostern sich nicht eingefunden, durch öffentliches Auftreten ausgezeichnet hat (Joh. 7, 2 ff.): wie käme es denn, daß Er, der doch alle Gerechtigkeit erfüllen wollte, das Fest der Wochen so ganz unberücks sichtigt gelassen hätte, wie ja der Fall wäre, wenn wir in Joh. 5 , 1 nicht eben dieses Fest, sondern irgend welches andere (und es giebt nicht ein einziges von den jüdischen Festen, das nicht von dem einen oder an- dern Ausleger hier gefunden würde) zu verstehen hätten? Nein! Pfingsten gerade, an welchem der Heiland im J. 30 hernach wirklich mit dem heil. Geist und mit Feuer getauft hat, wie sein Vorläufer von ihm voraus bezeugte (Kap. 3, 11), hat er gewiß ebensowenig während seiner prophetischen Wirksamkeit ohne Selbstzeugniß durch Wort und That gelassen, wie Ostern; und wie eine be- stimmte Wechselbeziehung besteht zwischen dem Osterfest des J. 27 und dem des J. 30 (vgl. Joh. 2, 19 ff. mit Matth. 26, 6l), so besteht eine solche auch zwischen dem Pfingstfest des J. 28 und dem des J. 30., indem das Heilungswunder am Teiche Bethesda (Joh. 5, 2 ff.) eine typische Vorbedeutung hat auf das Geistes wunder im Apostelsaal (Apoftg. 2, 1 ff.) und die Rede Christi an die ihm feindlich gegenüberstehenden Juden (Joh. 5, 10 ff.) wie eine Weissagung ist auf die Straf- nnd Er- weckungsrede Petri an die um ihn Versammelten (Apostg. Z, 14 ff.). Steht es aber so, dann verliert der Umstand, daß Jesus, als er nun in der uns vorliegen- den Stelle seine selbstständige Wirksamkeit eröffnete, nicht sofort das Wesen des Himmelreichs in der Taufe mit Feuer und dem heil. Geist offenbarte, jenes Befremdende, in welches Johannes sich nicht von selber zu finden vermochte (Kap. 11, 2 ff.): das Pfingstfest des J. 28., mit welchem er seine selbstständige Wirksamkeit beginnt, ist vermöge der angegebenen Beziehung zu dem Pfingst- fest des J. 30 eine Bürgschaft dafür, daß er in der That und Wahrheit der Bringer des Himmelreichs, der Täufer mit Feuer und dem heil. Geiste ist, und nun kann er für’s Erste, ohne seinem eigentlichen Berufe etwas zu vergeben, sich auf bloße Weiterführung der Thätigkeit seines Vorläufers bescl)ränken. Er mußte aber auch hierauf sich beschränken, weil der vorbereitende Ruf des Johannes diejenige Frucht nicht gebracht hatte, die er haben sollte; im Gegentheil war der Täufer jetzt an der Fortsetzung und dem Abschlusse seiner vorberei- tenden irksamkeit plötzlich gehindert und für immer zum Schweigen gebracht worden, und das war ein « eichen, daß Israel noch keineswegs bereitet sei, die ffenbarung des Himmelreichs zu empfangen, daß viel- mehr etwas in Jsrael sich angebahnt habe, was dies Volk der Berufung zuletzt vom Himmelreich ausschließen 44 Evangelium Matthäi 4, 18—22. würde. Dies nun, was sich so aubahnte, mußte sich erst weiter entwickeln und zu förtulicher Reife kommen; es mußte, wie Hofmcinn treffend bemerkt, sich ent- scheiden, ob die Offenbarung des Himmelreichs dem zu- nächst dazu berufenen Volke zum Heile oder zum Ge- richt ausschlagen würde (Kap. Z, 8 ff.). Allerdings war des HErrn Vorläufer zunächst nur von einem weltlichen, dem religiösen Volksleben von Haus aus eutfremdeten Fürsten außer Wirksamkeit gesetzt worden; aber bei dem unmittelbar darauf folgenden Vorfall am Vsingstfest des J. 28 (Joh. 5, 1 ff.) entspann sich jetzt auch die erklärte Feindschaft der geistlichen Leiter Jsraels wider den, der schon früher eine Zeitlang als Johanuis Gehilfe in Judäa thätig gewesen war (Joh. 2, 13 — 4, 3), und zwar allbereits so sehr eine Feindschaft auf Tod und Leben, daß Jesu schon jetzt das gleiche Schicksal durch die Oberen des Volks, wie seinem Vorläufer durch den Vierfürsten Herodes, widerfahren wäre, wenn er sich nicht aus Judäa zurückgezogen hätte (Joh. 7, 1). Haben wir schon damit einen Grund dafür erkannt, warum Jesus, der vordem Johannis Gehilfe gewesen, als er nun als dessen Nachfolger auftritt, den Schau- platz seiner Wirksamkeit sofort nach Galiläa verlegt, so giebt St. Matthäus im obigen Abfchnitt noch einen weiteren Grund dafür an: dort in Galiläa wohnte ein unwisseudes, sich selbst überlassenes Volk, und an dieses gerade war der HErr durch die prophetische Weissagung mit seinem Predigtamt gewiesen; sein nothgedrungenes sich Zurückziehen dahin war denn zugleich ein Vorspiel von dem, was künftig geschehen sollte, daß das Reich Gottes würde von den Juden genommen nnd den Hei- den gegeben werden (Kap. 21, 43). Merkwürdig! wenn in Dan. 9, 24 ff. von der letzten der 70 Wochen, die als über Israel bestimmt dem Propheten geofsenbaret werden, es heißt, daß mitten in derselben Christus wird ausgerottet werden und das Opfer und Speisopfer ein Ende nehmen soll, so theilt sich diese erste Hälfte des, einen Zeitraum von 7 Jahren umfassenden angenehmen Jahrs des HErrn wieder, wie in der Einleitung zu unserm Abfchnitt angedeutet wird, in zwei ziemlich gleiche Hälften: vom Herbst des J. 26 bis Anfang Mai 28 (1 Jahr 8 Monat) steht Johannes der Täufer im Vordergrund der evangelischen Geschichtex von da an aber bis Anfang April 30 n. Chr. (1 Jahr 10 Mo- nat) haben wir’s ausschließlich mit der Wirksamkeit Christi zu thun, während Johannes nur mit seiner Frage ans dem Gefängniß (Kap. 11, 2 ff.) und mit seinem Märtyrertod (Kap. 14, 6 ff.) in diese Zeit hin- eingreiit. Nach Wieseler’s chronologischen Berechuunxzen fiele jene Frage auf den 10. Nisan (I3. April) a. ’9. Wäre dieses Datum nur einigermaßen gesichert, so er- gäbe sich eine sehr willkommene Geschichtsparallelex denn am 10. Nisan u. 30 (also gerade 1 Jahr später) hielt Jesus seinen Einzug in Jerusalem (Kap. 21, 1 ff.) und gab in Veransehaulichung des Prophetenworts in Sach. 9, 9f. thatsächlich die Antwort auf die Frage: Bist du, der da kommen soll, oder sollen wir eines Andern warten? Jndessen bekunden sich Wiefeler’s Berechnungen gleich dadurch als falsch, daß nach ihm Johannes am 8. Nisan = 11. April, also zwei Tage vor der Absendung seiner Jünger an Jesuml hingerichtet sein soll; auch das erscheint als ungereimt, daß die Apostel schon am andern Tage nach ihrer Absendung (Kap. s, 35 ff.) wieder zu Jesu zurückgekehrt seien und ihm die Nach- richt von Johannis Tode hinterbracht hätten (13.—-14. Nisan = t6.——17. April), wie wir denn noch öfter die Annahmeu dieses sonst so scharfsinmgen Chronologen werden anfechten müssen (Kap.5, 1 Anm.). Nichtsdesto- weni er steht soviel fest , daß Johannis Gesandtschaft und ärthrertod iu die letzte Zeit vor Ostern 29 n. Chr. fallen (etwa auf den 6. u. 9. Nisan = 9. u. 12. April), zwei Ereignisse, die der Selbstdarstellung Christi am Palmsonntag und seinem Opfertode am Charfreitag des folgenden J. 30 n. Chr. (10. u. 15. Nisan = 2. u. 7. April) wie weissage11d vorausgehen; und da kommt denn erst in Beziehung auf Jesum und seinen Vorläuser zu vollem Recht und allseitiger Geltung, was einst («2. Sam. 1, 23) David in Beziehung auf Saul und Jonathan in dichterisch-prophetifcher Begeisterung ge- sungen: ,,Holdselig und lieblich in iksrem Leben, sind sie auch im Tode nicht geschieden« II. d. 18—25. (§. 29 u. 32.) Das Erste, wag Jesus that, nachdem er in Caperuaum einen Jlnggaugk und Mittelpunkt für seine galiläische Prophetenwirtisambeit silh erwählt hat, ist dies, daß er von den Jüngern, die er früher schon um sich versammelt, dann aber wieder in ihre ljeimath entlassen hatte, die beiden lsrüderpaare Simon und Andreas, Jakobus und Johannes von dleuem zu seiner dlachfolgg und zwar nunmehr zur bleibenden Genieinschaft mit ihm nnd zu Gehilfen an seinem Werke beruft (d1gl. Mark. I, 16——20; Kinn. s, 1-—11.) Den beiden ersten Cvangeliften (Matthäug und Karitas) kommt es hauptsächlich auf die Zeit und die Bedeutung, weniger auf die spezielle Veranlassung und die einzelnen Umstände dieser Berufung an; darum erzählen sie dieselbe viel ttiirzer und gedrängter, als der dritte Evangelist (tliitiag). Darnach eilt aber St. Mut— thäus, der vorerst ein Bild der Lehrwirksamkeit Christi geben will, ehe er dann seine Wunderthätiglieit im Einzelnen schildert, zu einer der bedeutsamsten und ge- waltigsten Reden überzugehen, zur 8ergpredigt. Damit greift er freilich hinein in’5 volle Leben des HErrm in die bewegteste Zeit seiner galiläischen provhetenthätigtteitz er vermittelt darum aber auch den Uebel-gnug durch einen zusammenfafsenden tseriklzt über den Zeitraum von etwa 4 Monaten, der zwiseljeii der vorhin erzählten Berufung von 4 Jüngern nnd der nachherigen Auswahl der 12 Apostel liegt. (Vgl. Mark. Z, 7——12.) Eoaiigelium am St. Andreas-Tage: V. l8—22.) Dieser auf den 30. November fallende Tag ist von den, in der evangelischen Kirche meist abgekommenen Aposteltagen der dem Gedächtniß des Apostel Andreas gewidmete. Ueber den letztereu s. zu Kap. 10, 4; was aber die Apofteltage betrifft, so gehören sie zu dem, in das Jahr des HErrn hineingestellten Jahr der Kirche, welches sich ebenso auf jenes gebauet hat, wie die Kirche selber auf den HErrn gebauet ist. Wie nun der St. Johannistag (Luk. 1, 57 ff.) die Gemeinde der aus Christum Hoffenden nnd in ihrer Hoffnung von ihm Zeugenden und aus ihn Zeigenden repräsentirt, so gelten die Aposteltage denjenigen Glaubensmännerm aus welche Christus seine Gemeinde gegründet hat; während dann der St. Michaelistag die triumphirende, der St. Ste- phanustag aber mit dem Tag der unschuldigen Kindlein, dem St. Laurentius- und einigen andern Tagen die streitende Gemeinde vertritt, ist auf den weiblichen Theil der Gemeinde in den Marientageu und dem Tage Mariä Magdalenä Rücksicht genommen. 18. Als nun Jesus [bald in den ersten Tagen nach seiner Niederlassung in KapernaunP V. 13, nach unsrer Berechnung Freitags, den 4. Juni a. 28 n. Ehre] an dem galilciischen Meere kund zwar an der zwischen Magdala und Bethsaida gelegenen Stelle V. 25 Anm.] ging [von einer Menge Volks begleitet, die sich zu ihm drang» zu hören das Wort Gottes-H, sahe er zween Bruder sdie schon Berufung der ersten 4 Jünger zu beständiger Nachfolge. 45 Vor mehr als 74 Jahren sich an ihn angeschlosfen hatten, seit 4——5 Monaten aber wieder zii ihrer früheren Berufsthätigkeit zurückgekehrt waren Joh. I, 35 — 4, 54J- Simon, der da heißt Petrus [d. i. Fels], nnd Andreas, feinen Bruder sSöhne eines gewissen Jonas , von Bethsaida gebürtig Kap. 16, 17; Joh« 1, 44]- die warfen ihre Netze itfs Meer lsie auszuwaschen und zu einem künf- tigen Fang zurecht zu machen]; denn sie waren Fischer sund hatten eben eine Nacht mit vergeblicher Arbeit zugebrachts II. Und er fprach zu ihnen knicht sofort, sondern nachdem er des Petrus Schiff bestiegen, von da aus das Volk am Ufer gelehret und dann dem Petrus einen reichen Fang bescheeret hatte, wie das alles ausführlicher in Luk. 5, 1 ff. zu lesen]: Folget mir nach, ich will euch zu Menschen: fisiheru machen. » 2l). Bald verließen sie [auch, dem Rufe ohne Bedenken geHorchendJ ihre Netze und folgeten ihm [als Jünger, die fortan sein Wanderleben mit ihm theilen follten und wollteii] nach.*’" 21. Und da er von dannen fiirbaß [d. i. weiter vorniärts L Sam. 10 , 3 Anm.] ging, sahe er zween andere Bruder sdie Geschäftsgenossen der vorhin Genannten], Jakobum, den Sohn Zehe- dai, und Johannem, seinen Bruder, im Schiff [mit dem sie, nachdem sie vorhin jenen beiden bei ihrem Fischzug Hilfe geleistet, sich wieder an den ein wenig entfernter gelegenen Landungsplatz zurück- gezogen hatten, um die unterbrochene Arbeit fort- zusetzen]», mit ihrem Vater Zcbedcio, daß sie ihre Nehc fticktenz und er rief ihnen sin derselben Weise, wie dem Simon Petrus und seinem Bruder An- dreas V. 19]. 22. Bald verließen sie [mit derselben Willig- keit wie diese» beiden] das Schiff und ihren Vater nnd folgetcn ihm nachs [so daß Jesus nun wieder vier Jünger um sich hatte, bis dann im weiteren Verlauf seiner Thätigkeit noch andere sich ihm an- schlossen Katz. 5, 1.]. «) Wenn irgend ein Ort passeud war, als Ausgangs- und Mittelpunkt für die Bernfswauderungeii Jesu in Galiläa zu dienen, so war es Kapernaum, ein Hauptort am See Tiberias , welcher durch Land- und Wasserstraßen iu der bequemsteu Verbindung mit den diesen See umgebendeu Landstraßen stand. Während Nazareth versteckt in deu Bergen und abseits von der Straße lag, befand sich Kapernaiini frei offen am See an der großen Verkehrsstraße von Gaza nach Damas- kus oder von Egypten nach Syrien, gleichweit entfernt vom nordöstlichen Cäsarea Philippi und Naiv, dem süd- westlichen Ort gegen Samaria, gleichweit von den Grenzen der phönizischen Städte Sidon nnd Tyrus im Nordwesten und von Gadara, dem südöstlichen Grerizort gegen Peräa. Diese vier Punkte waren denn auch die äußersten Grenzpunkte des Gebiet-s, welches Jesus als der Prophet Galiläcks durchzogz seit er nach Kapernaum übergesiedelt war, hieß dasselbe seine Stadt: Kap. 9,1. (Diese Worte Lichtensteins können wir der Hauptsache nach recht wohl uns aneignen, wenn wir auch anders, als er, die Stelle, wo Kapernaum am See gelegen, in der Anmerkung zu Vers 25 bestimmen werden). — IV) Die Jdeutität (Eirierleiheit) der beiden Erzäh- lungen in Matth. 4, 18 ff.; Mark. l, 16 ff. und Luk. 5, 1 ff. steht unzweifelhaft fest, da im Ganzen dasselbe Faktum (denii Lukas ist nur ausführlicher), und zwar ein solches Faktum, das sich seiner Natur wegen (es war die Berufung und Annahme zu dauernder Beglei- tung) nicht leicht wiederholen konnte, von denselben Personen, an demselben Ort, in derselben Zeit berichtet wird. (Wiefeler.) —— its-«) Wir haben in der Jünger- schaft des Petrus wie bei den übrigen Aposteln ganz deutlich verschiedene Berufungen zu unterscheiden. Die erste (Joh. 1, 42) vermittelt den allgemeinsten Anschluß; die zweite (Matth. 4, 18 sf.) vermittelt die «Gefolge- fchaft und Dienerschaftx die dritte (Matth. to) ist die Aussonderung zum Apoftelami, und daher sofort durch eine wirkliche Sendung bekräftigt Bei Petrus haben wir außer dieser bestimmten Folge von Berufungen noch die besondere Auszeichnung desselben (Matth. 16) und die feierliche Wiedereinsetzung in seinen Beruf, nachdem er den HErrn verleugnet hatte (Joh. 2l), zu unter- scheiden. (P. Lange) —— s) Wenn die Jünger wirklich, wie wir aus dem johanneischen Evangelio wissen, schon früher mit Jesu in näherer Berührung gekommen sind, ja eine Zeitlang sogar an seinem Werke sich betheiligt haben, warum habe1i sie jetzt nicht gleich selbst zu sei- nem Dienste sich angebotenTI Aber ab» esehen davon, daß Jesus bei seiner Riicktehr in den sti en Familien- kreis sie selbst entlassen haben wird (Joh. 4, 54), und sie Jesu sich nicht früher. wieder zur Narhfolge anbieten konnten, als bis sie erfahren hatten, daß er feine Wirk- samkeit wieder erössnei habe, so merken sie nun, als ihr alter Meister abermals auf dem Schauplatz der Oeffent- lichkeit erscheint, eine neue Weise seines Thuns Sie werden an seinem Gehaben inne, daß er es dies Mal nicht aus eine vorübergehende Thätigkeih etwa wie einst als Johannis Genosse, abgesehen habe: da können fie sich nicht selbst vordrängeiy sondern müssen erst seinen Ruf, ihm aufs Neue zu dienen, abwarten. Aber nicht blos vom Standpunkt ihres Gefühls , auch nach außen hin betrachtet erscheint eine neue förmliche Berufung der ehemaligen Jünger Jesu nicht nur gerechtfertigt, sondern auch unbedingt nothwendig. Jetzt, wo Jesus nach Auf- lösung aller Familienbande, welche ihn an Haus und Heimath fesseln, sich alles Eigenthums begeben und ein Leben der Unstetigkeit und unablässiger Wanderung (Kap. 8, 20) angetreten hat, müssen seine Jünger, wollen sie anders ihm nachfolgen und an seinem Berufe, als Prophet umherziehend sein Volk zii lehren, Theil nehmen, gleichermaßeu alle Familienverbindungeu auf- lösen und ihr Geschäft gänzlich und bleibend aufgeben. Damit übernimmt nun freilich Jesus als ihr HErr und Meister die Berpflichtung, für sie zu sorgen, weil sie von nun an seine Familie ausmachen (Kap. 12, 49; Luk. 22, 35). Es war aber für diese ehemaligen Jün- ger Jesu allerdings kein Geringes, sich ihm auf’s Neue und noch dazu so unbedingt anzuschließen: was kurz vorher auf dem Feste zu Jerusalem (Ioh. 5, I sf.) sich ereignet hatte, konnte ihnen, welche höchstwahrscheinlich auch dahin gewallfahrtet waren, sicherlich nicht unbekannt geblieben sein. Sie mußten also wissen, daß die Ober- sten uud Schristgelehrten des Volks in der Hauptstadt ihn bereits als einen todeswürdigen Gesetzesverächter haßten und auf Mittel sannen, ihn aus dem Wege zu räumen; da mußte die heilige Persönlichkeit Iesu schon einen tiefen Eindruck auf jemand gemacht haben, wenn er trotz alledem sirh entschließen konnte, all’ das Seine, Familie, Heimath, Beruf oder Geschäst aufzugeben-und 46 Evangelium Matthäi 4, 23——25. ihm, dem von Jsraels Führern gehaßten Lehrer, auf seinen unsteten Wanderungen nachzufolgen. (Lichtenstein.) — Da der Beruf der Jünger Christi ein ganz ei· e- ner und besonderer Beruf zu dem Zeugen- und Le r- amte von Christo war, welcher die Christen insgemein nicht angeht, so folget hieraus, daß man solange feinen richtigen und nngezweiselteii Beruf abzuwarten habe, bis man von eines andern Berufs ungezweifelter Gött- lichkeit überzeugt ist, daß folglich diejenigen hier keinen Vorwand finden, welche laufen, auch wenn sie der HErr nicht sendet. (Engl. Bibelw.) 23. Und Jesus [um hier seine Wirksamkeit in der nächstfolgenden Zeit bis zur Bergpredigt in Kap. 5, 1 — 7, 29 in ein Gesammtbild zusam- menzufassen, aus welchem dann in Kap. 8, 14 » - 9, 34 einzelne Züge nachgebracht werden sollen] ging umher im ganzen galiliiisihen Lande, lehrete in ihren Schulen sin den gottesdienstliclyen Ver- sammlungshänserm wo an Sabbathen und Fest: tagen die öffentlichen Gebete gehalten und Stücke ans dem alten Testament gelesen, in den Landes- dialekt übersetzt nnd in einem freien, erbaulichen Vortrag erklärt wurden Luk. 4, 16 Anm.] nnd predigte das Evangelium vom Reich [die frohe Botschast, daß das Reich Gottes nun nahe sei, das die Propheten in Aussicht gestellt hatten,] nnd hei- lete allerlei Seuche und Krankheit im Volk [jede Art von Krankheit und Gebrechen, die ihm vorkam] 24. Und sein Gerücht [wie große Zeichen und Wunder er zn verrichten vermöchte] erscholl ssogar über das Gebiet seiner Wirksamkeit hinaus] in das ganze Syrienlaiid sdas nordöstlich an Palästina grenztiy vgl. Z. Kön. 5], Und sie brachten [voii allen Seiten] zn ihm allerlei Kranke mit mancherlei Senchen fnach dem Sprachgebrauch der älteren Zeit s. v. a. sich lange hinzieheude Krank- heiten Joh. b, 4] Und Qual behaftet, [iiisbet«ondere] Y die Besessenen sKau 8, 28 ff.j, die Ytoiidsiichtigen [Kap. is, 14 ff] und die Gichtbrnchigen sszKatx I, I ff.]; und er machte sie alle gesund. Es ist diese Wirksamkeit verwandt mit der des Täu- fers und ihre Fortsetzung, insofern sie immer noch vor- bereiteudcr Nritur ist; bereits aber geht sie auch über dieselbe weit hinaus. Denn nicht nur sucht Jesus fein Volk jetzt selbst auf, während es sonst zum Täufer hin- auskoniineii mußte, sondern er stellt zugleich nicht blos eine Forderung an dasselbe, er theilt vielmehr ihm auch etwas mit; er Verkündigt nicht allein die Nähe des Reiches Gottes, dessen himmlisches Wesen er offenbaren wird, sondern stellt dies im Voraus in seinen Wunder- thaten als Erlösung von allem Uebel und Zerstörung der Werke des Teufels oder als Verklärung der mensch- lichen Natur in Heiligkeit und Seligkeit dar. (Lichtenstein.) Er spendete Segen nach alleii Seiten nnd wandelte um- her wohlzuthun, still und groß seine Bahn ziehend wie die Sonne. Er forderte nicht gleich dem Gesetz, sondern schüttete Wohlthaten über die Menschen aus; daß das Reich Gottes da sei, offenbarte er durch die That; lehren und heilen, Geist und Leib erneuen, das war fein großes Geschäft. (Olshausen.) Kein Kranker und Elender wurde vergeblich zu ihm geführt; es war nicht Einer, der unter- wegs oder daheim hätte sagen können: Jch bin auch zu dem Propheten nach Kapernaum geführt, aber es war vergeblich, mir konnte er nicht helfen! (Menken.) 25. Und es fvlgete [wie das bei einer solchen Thätigkeit sich von selbst erklärt] ihm nach viel Volks aus Galilaa [diesseit des Sees Genezareth], ans den zehn Stadien Uenseit des Sees], von Je- rusalem [wo er sa auch schon allerlei Zeichen und Wunder gethan hatte Joh. Z, Z; 4, 45; 5, 1 fs.], ans dem Iudischen Lande [wo er eine Zeitlang ge- predigt nnd durch seine Jünger getauft hatte Joh. 3,22 — 4, Z] nnd von jenfeit des Jordan saus der Landschaft Peräm dem ehemaligen Gebiet Raben, Gad und Ost-Manasse]. Wir müssen hier zunächst die Stätte der Wirksam- keit Christi, wie sie von den drei ersten Evangelisten hauptsächlich iu’s Auge gefaßt wird, genauer kennen lernen, weil sie gleichsam die Umrahmung ist, in der uns das Lebensbild des HErrn vorgestihrt wird, und wir dieses nur dann recht aufzufassen vermögen, wenn wir in Beziehung aus jene gehörigen Bescheid wissen. Was nun die Eintheilung Palästincks zur Zeit Jesu und der Apostel im Allgemeinen betrifft, so hat die Dreitheilung des Westlandesu Galiläa, Samaria und Judäa (Apostg. 9, 3I), seit dem babylonischen Exil nach und nachsich gebildet und findet sich bereits in LMaca 10, 30 vor, wenngleich eine bestimmte Abgrenzung der einzelnen Theile erst unter den Herodianern sich geltend machte; die Bezeichnung des Ostjordaulandes als Peräa (jenseitiges Land) findet sich im neuen Testa- ment zwar nicht als eigentlicher Name, wohl aber als geographischer Begriff, z. B. an vorliegender Stelle. Juden! wir fürs? Erste Galiläa näher in’s Auge fassen, geben wir unter Nr. VL eine Karte von demjenigen Theil dieser Lands-haft, welche den eigentlichen Schauplatz der Wirlsamkeit Christi ausmacht. Im alten Testament begegnete uns der Name ,,Galiläa« nur erst im appel- lativen Sinne, s. v. a. Kreis , Distrikt (1. Stdn. 9 , ll Anni.); iin Zeitalter Jesu Umfaßte er ganz Nordpalik stina diesseit des Jordan oder die ehemaligen Stamm- gebiete von Jsaschay Sebuloty Asser uud Naphthali, nnd erstreckte da das Land sich nördlich bis in die Ge- gend voii Tyrus und dein Libanon, im Südwesten bis au’s Vorgebirge Carmel (dieses und die Stadt Ptole- 1nais jedoch ausgeschlosseu), im Südosteu bis nach Beth- fean, im Osten bis an den Jordan uud den See Gene- zareth. Ober- oder Nord-Galiläa, etwa bis zu der Linie reicht-nd, die von Tiberias am See Genezareth bis zur Stadt Sebuloiy siidöstlich von Ptolemais (s. Karte V.), zu ziehen wäre, heißt dann inanchmal Galiläa im be- sonderen Sinne des Worts (Luk.4,31). Die Landschaft war ein Alpeiilauty dessen Kalkgebirga im Norden selsig und schroff, uiit dem Libanon in Verbindung stehen, siidöstlich und südlich aber in Httgelketteii auslaufen, welche gegen das niittelläiidische Ellteer zu einer, mehrere Stunden langen und breiten Ebene sich verflacheih im Süden dagegen mit der Hochebene von Jesreel endigen. Die nicht sehr hohen Berge und ihre romantischen Thaler gewährten reichen Wiesewachs und fruchtbares Acker- land; daher auch die Provinz überall angebaut und stark bevölkert war, so daß es gar nichts Befremdliches hat, wenn Josephus im jüdischen Kriege, nachdem schon viele Juden umgekommen waren, noch ein Heer von l0t),000 Mann zusammenbringt. Wenn derselbe aber angiebt, daß von den 204 Städten und Flecken, die es in Galiläa gebe, der kleinste 15,000 Einwohner zähle, so ist das stcher eine Uebertreibung Am fruchtbarsten und bevölkertsten waren die Gebirgsabhänge im Osten gegen den See Genezareth zu und das Thal selbst, in welchem dieser liebliche See liegt. Er ist ein etwa 6 Stunden langer und 172 Meile breiter, bedeutend unter’m Niveau (Wasserspiegel) des mittelländ Meeres ge- legener Landsee von fast ovaler (eirunder) Gestalt, den der Jordan von Norden nach Süden durchströmt (Jos.3, 1 Anm.); er hat süßes, kiihles, gesnndes und klares Wasser und ist ungemein fischreich. Der weite Bergkessel, worin der See liegt, rings von schönen Kalkstein- und Bafaltbergen umgeben, die sich am Süd- und Ostufer steil zu einer Höhe von 800—1000 Fuß erheben, begün- stigt durch seine Hitze viele Südgewächse, Dattelpalmem Citronen, Pomeranzen, Jndigo u. s. w» und Schnee gehört im Winter zu den seltenen Erscheinungen; auf dem rings eingeschlossenen Wasserspiegel entstehen aber auch ost Winstöße, und besonders von Südosten her brechen nicht selten Sturmschaner herein, die den Fahr- zeugeu gefährlich werden. Die Umgegend im Westen heißt in Kap. 14, 34 das Land Genezareth: in ganz Palästina, schreibt Seetzen, giebt es keine Gegend, deren Naturreize mit denen dieser Gegend zu vergleichen wä- ren. Jn ihr nun lag eine Reihe sehr volkreicher Städte, die jetzt alle in Trümmern liegen. Zunächst anf der südlichen Hälfte des Westufers stoßen wir auf Tib erias , heutzutage Tebarijeh genannt, von Herodes Antipas (Kap. 2, 23) erbaut und zwar, wie die Rabbinen be- haupten, an der Stelle, wo vormals das in Jos. 19,35 erwähnte Raketh gestanden. Jesusdurchzieht ganz Galiläa, predigend und Kranke heilend i i I i i i 47 für unrein; Herodes sah sich daher genöthigt, die Stadt zuerst mit heidnischen Einwohnern zu besetzen Er be- nannte sie nach dem Kaiser Tiberius und schmückte sie mit einem königlichen Palast, nirgend aber in den Evangelien wird etwas davon angedeutet, daß auch Jesus dahin gekommen sei; nur daß nach ihr der See Genezareth oder das galiläische Meer auch das Meer von Tiberias heißt, wird in Joh. 6,1; U, 1 erwähnt. Jn der Nähe befanden sich mehrere warme Quellen, die Schwesel, Salz und Eisen enthielten und als Heil- quellen benutzt wurden. Nach dem Untergange des jüdischen Staats befand sich in Tiberias mehrere Jahr- hunderte lang eine berühmte Akademie jüdischer Ge- lehrten; auch jetzt noch besteht der größte Theil der Einwohnerschaft aus Juden, welche die Stadt mit Jeru- salem, Hebron und Safed zusammen zu ihren vier heil. Städten rechnen, wie man denn von hier aus anch den Anbruch der messianischen Erlösung erwartet (Jes. 9, l Aruns. Am Neujahrstage 1837 wurde Tiberias durch ein Erdbebeu fast ganz verschüttet. Wenn man von hier aus nordwärts wandern so tritt bald das Felsge- birge so nahe an den See heran, daß am Ufer für die Straße nicht mehr Raum ist, sondern diese über einen Bergsattel ziehen muß; da aber, wo sie auf der Nord- seite des Hügels wieder an das Ufer herabsteigt, etwa 5X4St. von Tiberias, liegt das jetzige Medschdeh das biblische Magdala (Kap. l5, 39), von wannen Maria Magdalena stammte (Luk. 8, 2); jetzt ist es nur ein er- Es ist das ein Punkt, wo die Höhen sich eiu wenig vom Ufer zurückziehen und einen schmalen Streifen wellenförmigen Landes den See entlang zurücklassem hinter welchem dann der Bergrücken steil emporsteigt Tiberias wurde nun die Hauptstadt von Galiläa; Agrippa II. aber, der sie seiner Zeit vom Kaiser Nero zum Geschenk erhielt, zog ihr, gleichwie schon sein Vater Agrippa I. gethan, die Stadt Sephoris oder Diocäferea (3 St. nordwestlich von Nazareth), in welcher nach der Legende die Eltern der Maria ihren Wohnsitz gehabt haben, vor. Weil auf alten Grabstätten errichtet, galt Tiberias bei seiner Gründung den rechtgläubigen Juden Ilnsiiijt von Tiber-ins mit dem See Genezaretls J— ·biirmliches, kleines muhaiiiedanisches Dorf. Nördlich davon breitet sich in der Länge einer Stunde die halb« kreisrunde Ebene vCinnereth oder Genezareth (Jos. 19, 35) ans, welche wir vorhin als das Land Gen ezareth kennen lernten; an ihrem nördlichen Ende liegt der Chan liliniyety der ohne Zweifel die Stätte des gali- läischen Bethsaida, der Stadt des Andreas, Petrus und Philippus (Joh. I, 44), bezeichnet. Noch weiter nach Norden, etwa l St. vom Einfluß des Jordan in den See, liegen auf einer kleinen vorstehenden Spitze die merkwürdigen Ruinen von Teil Chum, die als Ueberreste eines großen und bedeutenden Orts sich zu 48 Evangelium Matthäi 4, 25. Anm. erkennen geben, alle von ungehauenen Steinen bis auf zwei, deren eine durch den Aufwand von Arbeit und Berzierun , der fie auszeichnet, als eine ehemalige Kirche stcg ausweist. Man hält meist dies für die Stätte des alten Kapernaum; dem entsprechend würde dann die, l St. nordwestlich in einem Thal ge- legene Rnine Kerazeh die von Chorazin fein. Andere dagegen suchen letzteren Ort im Süden von Tell Chum beim heutigen Ain Tabigaly Kapernaum an der Stelle des Khan Miniyeh und verbinden damit Bethfaida, welches nach der Bedeutung feines Namens (f. v. a. Ort der Fifcherei oder Fifchhaufen) nichts anderes als die unmittelbar am See gelegene Vorstadt von Kaper- naum oder das dazu gehörige Fifcherdorf gewesen sei, während die Stadt selbst mehr landeinwärts lag, 1f4—7, Stunde davon entfernt. Ruinen einer Stadt bis zur Quelle Ain Lludawaraly an der z. B. Caspari das alte Kapernaum fucht, sind bisher allerdings nicht nachgewiefen worden; nach Kap. II, sollte ja aber auch die Stadt spurlos von der Erde verfchwinden Wir schließen uns dieser Anficht hinsichtlich der Lage von Kapernaum an, lassen dann aber die Ruine Kerazeh für Chorazin gelten und erkennen in Tell Chum das von Josephus (b. Jud. I1I, 3. 1) erwähnte Thella wieder. — Wenden wir von letztgenannten Ort uns weiter nach Nordosten, so finden wir am jenfeitigen Ufer des Jor- dan, im Gebiete von Gaulanitis u. s. w., eine ungefähr 1 Stunde breite Ebene mit fruchtbaren Feldern; in ihr liegen die Ruinen von jenem Bethfaida, dessen wir oben beim Tetrarchen Philippus gedachten (Kap. 2, 20 Anm.) und das den Beinamen Julias führte (Mark. 8, 227 Luk. 9, 10). Für die weitere Umfchau im Lande des Philippus verläßt uns die Spezialkarte VI» wir nehmen daher die Generalkarte V. zur Hand, erinnern uns znvörderft der 5 Meilen nördlich von Bethfaida ge- legenen, ebenfalls von Philippns erbauten Stadt Cä- farea Philippi (Kap. 2, 20 Anm.) , deren reizende Umgebung die intereffanteste von ganz Palästina ist, darnach aber, nach dem eigeutlichen Peräa jenseit des Hieromax uns kehrend, fragen wir nach den, auch in Mark. 5, 20; 7, 31 erwähnten zehn Städten. Mit diesem Namen (griech. Dekapolis) wird ein Landstrich mit zehn, unter sich verbündeten Städten jenseit des Jordan bezeichnet, die ihre eigene Communalverfaffung hatten, mit vorübergehenden Ausnahmen einzelner un- mittelbar unter römischer Oberherrfchast standen und gewisse Privilegien befassen; ihre Einwohnerschaft bestand ursprtinglich ans Veteranen des Heeres Alexanders des Großen, die derselbe dort ansiedelte, seit der römischen Herrschaft über Palästitia aber gesellten sich Römer dazu. Die Namen dieser Städte werden schon von den alten Geographen verfchieden aufgeführt, die angeführten aber lagen zum Theil soweit auseinander, daß sie kein zu- sammengehöriges Gebiet bildeten; vielleicht haben nicht immer dieselben Städte zur Deka olis gehört, oder es sind später mehr als zehn in die erbindung aufgenom- men worden, obschon der ursprüngliche Name dafür blieb. Eine von diesen Städten lag auf der Weftseite des Jordan: das ist Scythopolis (Bethfean), iiber welche zu 1. Sam. 31, 10 das Nöthige gesagt ist; hier bemerken wir nur noch, daß die westlich von der Stadt gelegene Ruinenstätte Khan Mudsehjdeh vielleicht der Ort ,,Magadan« ist, den die bedeutendsten Handschriften in Kap. 15, 39 statt »Magdala« lesen, und daß nord- östlich von Scythopolis, jenseit des Jordan, das in Mark. 8, 10 dafür genannte ,,Dalmanutha« liegt. Ver- mittelst der letztgetiannten Ortfchaft grenzt dann das Gebiet von Scythopolis an das einer andern von den 10 Städten, nämlich an dasjenige von Gadara (Mark. S, 1-; Luk. 8, 26), dem jetzigen Dorfe 0m-Keis, auf der linken Seite des Hieromar, 213 St. vom füdöstlichen Ufer des Sees Genezareth auf einem Berge gelegen, der viel Grabhöhlen in sich birgt; nach Jofephus war sie die Hauptstadt von Peräa. Indessen wollten Ori- genes nnd Eufebius auch von einem Ort des Namens ,,Ger»efa« am Ostuser des galiläifchen Meeres wissen und erichten, daß man zu ihrer Zeit noch den Abhang ezeigt habe, von dem die Schweine sich herabgestürzt hätten; darnach wäre bei unserm Evangelisten in Kap. 8, 28 die richtige Lesart, weil aber bis jetzt von diesem Gergesa sich keine Spur mehr findet, so ziehen die Aus- leger meist die andern bei Markus und Lukas vor. Eine dritte Lesart weist uns mit der in Rede stehenden Ge- schichte nach Ger as a, dem östlichen Grenzort von Pa- lästina, der ebenfalls zu den 10 Städten zählt, jedoch bei 20 Stunden vom See Genezareth entfernt liegt und daher für sich selber nicht gemeint fein kann; vielleicht aber war er damals der Hauptort der Dekapolis, und wären dann die ,,Gerasener« (in unsrer deutschen Bibel findet sich diese Lesart nicht) in dem allgemeinen Sinne von Dekapolitaner oder Zugehörige der 10 Städte zu nehmen. Etwa 15 St. füdlich von Gerasa liegt Phi- ladelphia, das frühere Rabbath-Ammon (5. Mos Z, U; 2. Sam. 1«1, 14 ff.), anderthalb Stunden- nord- westlich aber das jetzige Dorf Suf mit der Quelle Ain Keikebe, worin wir aller Wahrscheinlichkeit nach die Stadt Dion, eine fünfte von den 10 Städten, wieder zu erkennen haben. Nördlich hinauf von Dion stehen auf unsrer Karte zwei andere: Eapitolias und Pella verzeichnet; letztere war die Zufluchtsftätte der Christen, als sie im letzten jüdifchen Kriege Jerusalem verließen (Apostg. 28, 31 Anm.), wird aber gewöhnlich nicht hier, sondern an der Stelle des jetzigen Tabakat Fuhil am Jordan gesucht, und ebenso verlegt man auch wohl Capitolias an die Stelle von Nowa in Hanran Zwei weitere Städte Adraa und Raphon (Raphana) liegen füdlich von dem alten Astaroth - Karnaim, und Hippos ist ohne Zweifel das ·j«eitzige el Hossn (d. i. Pferd) an der Südostfeite des Sees Genezareth-Wir kehren auf die Westseite des Sees zurück, sehen uns Karte VL wieder an und fassen da die Stadt Safed, welche bei Kap. 5, 14 in Betracht kommt (5. Mof 27, 3 Anm.), in’s Auge. Sie gilt, wie vorhin erwähnt, für eine von den 4 heiligen Städten der Juden, kommt aber in der Bibel selber nicht vor. An den Abhängen eines 3000 Fuß hohen Berges liegen die Häuser grup- penweis wie einzelne Stadtviertel zerstreut, und nehmen ihre platten Dächer wie Treppenstufen sich aus, über die man auch wirklich auf Maulthieren hinwegreitet; auf dem Gipfel des Berges hat man von der dortigen Kastellruine nach allen Seiten hin weite herrliche Aus- sichten. Durch das gewaltige Erdbeben im J. 1837 hat die Stadt entsetzlich gelitten, da sie gerade im Mittel- punkt des Erfchütterungskreises lag, seitdem-aber wie- der zu einem der bedeutendsten Orte in Galiläa sich erhoben. Von hier aus wenden wir uns 4—5 Meilen füdwestlich hinüber nach Kana el Dsehelil an der Nord- westgrenze der Ebene Sebulon (el Buttauf); dies ist der älteren Tradition zufolge das Cana in Galiläa, von dem in Joh 1, 47; Z, 1 ff.; 4, 46 ff.) die Rede, die spätere Legende dagegen suchte den Ort an der süd- öftlichen Grenze jener Ebene in Kefr Kennst, anderthalb Stunden nordöstlich von Nazareth. Jn der dasigen Töpferei werden immer vom Neuen Krüge verfertigt, welche man als die noch übrigen Reste der Wasserkrüge auf der Hochzeit zu Cana den Pilgern verabreicht, wie man auch noch das Haus zeigt, in welchem das Wunder der Wafserverwandluug soll geschehen fein. Von jenem wirklichen Cana (el Dfchelil) haben wir ziemlich 3 Stun- den bis Nazareth (Kap. 2, 23 Anm.), und von da Ueber die Wunder. 49 2 Stunden östlich bis zum Berge Tabor, der für den Ber der Verklärung (Kap. 17, 1 ff.) gilt, es aber schwerlichz gewesen ist. Etwa V« Meilen südlich von Tabor treffen wir auf den kleinen Hermon, der seinen Namen dem Bestreben der Mönchslegende ver- dankt, die beiden in Pf. 89, 13 neben einander genann- ten Berge auch örtlich zusammen zu bringen; er ist eine 2 Meilen lange Kette von Felsenhügelm weder groß noch hoch, weder schön noch fruchtbar, eine wüste, un- förmliche Masse, deren höchste Erhebung gegen Westen liegt (5. Mos. 27, 3 Anm.). Am nordwestlichen Ab- hange liegt in der Ebene Iesreel die Stadt Nain, be- kannt durch die Auferweckung des Jünglings (Luk. 7, 11 ff.); der Ort hat eine eigenthümliche Nachbarschaft in Endor, der Heimath der Todtenbeschwörerin (1. Sam. 28, 7 ff.) einerseits, und in Sunem, der Heimath von Elisa’s gastfreundlicher Wirthin (2. Köik 4, 8 ff.) an- drerseits. Von den Bewohnern Galiläcks haben wir noch zu bemerken, daß Josephus sie uns als fleißige, muthvolle nnd tapfere Leute schildert, die aber auch sehr reizbar waren und leicht zu Händeln und Unrnhen ver- leitet werden konnten; weil viele Heiden unter ihnen wohnten, galt ihr jüdisches Geblüt für weniger rein und ihr religiöser Glaube für weniger orthodox (Joh. 7, H2; Apostg P, 7·), und standen sie deshalb bei den übrigen Juden· i1i ziemlicher Verachtung (Joh. 1 , 47). Sie sprachen einen schlechten Dialekt, der sich besonders durch Verrvechselung der Gutturale (Kehlbuchstaben) und platte stzrische Aussprache characterisirte (Kap. 26, 73). Wir greifen nun wieder zu Karte V. und betreten bei Ginäa (dem ehemaligen En-Ganim, jetzt Dschenjn Ios. 19, 21) an der Südseite der Ebene Jesreel die Landschaft Scimariiy welche südlich bis Antipatris im Westen und Akrabbi im Osten herunter reichte, also einen nur — kleinen Umfang hatte, von Josephus aber als quellenreiclz fruchtbar und sehr bevölkert geschildert wird. Am wichtigsten für die biblische Geschichte ist das Thal von Sichem zwischen den beiden Bergen Ebal im Nor- den und Garizim im Süden, das gegen Osten in das von Süden nach Norden sich erstreckende Thal el Mokhna (5. Mos. 11, 31 An1n.) ausläuft; wir handeln davon des »Weite·ren zu Ioh. 4, S. Die südlichste sandschaf·t, Jud-Ia, mit Ausnahme des Ktistenstrichs am mittelländi- schen Meer und des Jordant als bergig und mit Sa- Maria. von gleicher Naturbes affenheit, war nach Jose- phus in 11, nach Plinius in 10 Toparchieen oder Di- strikte eingetheilt, wovon die bekanntesten folgende find: Akrabatta (s. auf der Karte Akrabbi), Gophna, Lydda, Ammao (Nikopolis) , Jerusalem, Jericho, Herodium, Engeddi und Jdumäax das außerdem genannte Beth- leptephene ist nicht mehr zu enträthseln, Thamna aber dürfte vielleicht einerlei sein mit Thimna in Jos. 15, 57. Dazu kommen noch die beiden Kreise Jamniaund Joppe; es gehörten nach Josephus auch die Kreise von Ga- mala und Gaulan, dann Batanäa und Trachonitis jen- seit des Jordan zu Judäa, was bei Katz. 19, 1 in Be- tracht kommt. Jn Beziehung auf Jdumiia, worunter seit dem Exil der südliche, von Jdumäern besetzte Theil von Judäa zu verstehen ist, verweisen wir aus die Be- merkung zu 1. Mos. 27, 40; die einzelnen, für die Ge- schichte desneuen Testaments wichtigen Ortschaften in Judäa aber werden an den betr. Stellen selber näher besprochen werden. Hier sei nur noch bemerkt, daß das frühere Edom mit der Hauptstadt Petra nun imBesitz der arabischen Nabatäer war und ein eigenes Königreich bildete, dessen Könige gewöhnlich den Namen Aretas führten und deren Herrschaft unter den Kaisern Cali ula ilitlid Zcgaudius sich auch auf Damaskus erstreckte (2. or. , . Ein andrer Punkt zieht noch unsre Aufmerksamkeit Dächseldi Bibelweth auf sich: das sind die Wunder, deren eigentliches Wesen und göttlicher Zweck schon in 4. Mos. Xb, 30 an- gedeutet wird. Es ist von höchster Wichtigkeit, daß wir uns über diesen Punkt recht klar werden und zu einer festen, unerschütterlichen UeberzeugUn gelangen gegen- über all’ den Versuchen, den der eist dieser Zeit ge- macht hat, die Möglichkeit und Wirklichkeit der Wunder, von denen die heil. Schrift erzählt, zu leugnen und sie entweder in Sage und Dichtung aufzulösen oder für rein natürliche Vorgänge zu erklären, die auf Seiten der Wunderthäter nichts wären als eine Art frommen Betrugs, aus Seiten der Wunderzeugen aber beschränkte Auffassung oder Vorstellung. Mit der Wahrheit des Wunders, sagt Christlieb sehr richtig, steht und fällt die ganze Burg des Christenthumsx denn ein Wunder ist sein Anfang, auf Wunder gründet sich sein Fortgang, und Wunder sollen es einst vollenden — lassen wir uns das Uebernatürliche aus unsrer Bibel entfernen, so bleibt uns nichts als der Deckel! Die Leugnung des Wunders führt aber nicht blos zur Vernichtung des christlichen Glaubens , sondern auch der Religion überhaupt; denn jede Religion gründet sich auf die Voraussetzung, daß gewisse übermenschliche Gewalten in unser Leben hineinragen und hereinwirken; alle Reli- gionen, so verschieden auch ihre Symbole sein mögen, haben mit einander das Wunderbare gemeiii — so äu- ßerte selbst ein Religionsseind auf dem FriedeiissCongreß zu Bern im J. 1865. Jnsofern endlich die Leugnung des Wunders auch die Leugnung des persönlichen, freien, lebendigen Gottes mit sich führt, wird damit auch die sittliche Persönlichkeit des Menschen aufgehoben; wir verfallen nun ganz dem Diesseits und haben schliess- lich keinen Halt mehr gegen den ärgsten Materialismus. ,,Jn dem Grabe , in toelches das moderne Heidenthiim das Wunder begräbt, versinkt alles mit, was dem menschlichen Dasein einen idealen Character, einen wahr- hafteu Werth giebt, die gottebenbildliche Seele, Glaube und Gebet, die heilige Person des Erlösers, die ganze christliche Wahrheit, die zukünftige Welt, der lebendige Gott. (Beysihlag.) Nun dürfte denn aber doch, so sagen wir mit Christlieb weiter, die Welt vielleicht zu klein, anch wohl der Arm der Todtengräber zu schwach sein, sie alle zusammen zu begraben. Es soll uns wenig Kummer machen, wenn auch die Menge der Widersacher noch größer wäre , als sie in der That schon ist, und ihr Spott gegen die, die da glauben, noch lsöhnischer und dreister; wir fassen einen, der jetzt zu ihnen zählt, bei seinem Wort, das er früher gefchrieben, uiid accep- tiren bestens die Ehrenerklärung, die unsre Spötter durch Gottes wunderbare Leitung uns haben geben missen, ehe sie wider den Glauben haben zu Felde ziehen dürfen: Nur wenige Menschen, sagt» Schenkel, sind weise genug, einzusehen, daß es viel mehr Geist dazu braucht, um Wunder zu glauben, als Verstand, um sie zu leugnen« Natürlich haben wir es hier uicht mit dem Wunder im weiteren Sinne zu thun, wenn das Wort auch gebraucht wird für alles Unbegreiflichh Außeror- dentliche in Natur und Geschichte, dessen Werden uns noch verborgen ist oder dessen Dasein unser Staunen er- re t; jedes fromme und kindlich einfältige Geiniith er- fährt noch jetzt Ereignisse und Veränderungen genug, welche vermöge ihres Zusammentreffens mit anderen äußeren Umständen oder mit inneren Zuständen ihren Naturzusammenhang vergessen machen und unmittelbar auf den HErrn der Natur hinweisen, der etwas bezeu- gen will. Bei dem Wunder im engeren oder eigent- lichen Sinne handelt es sich vielmehr um ,,schöpferische Thaten Gottes , um übernatürliche Kraftwirkungen auf bestimmte Punkte des Naturgebiets, wodurch Gott ver- möge seines, dem Naturleben an sich schon innewohnenden R. T. I. 4 50 Evangelium Matthäi 5, I. Machtwaltens zum Zweck der Förderung seines Reichs etwas Neues wirkt, das natürliche Substanzen und Caufalitäten (Stoffe und Ursachen) für sich allein nicht hervorzubringen vermocht hätten, das aber, sobald es da ist, sich in den natürlichen Lauf der Dinge einordnet, ohne für ihn eine Störung zu werdens· In Beziehung auf die Frage: Kann Gott Wunder thun? äußert Rousseau (franz. Schriftsteller, s« 1778): die Frage, ernstlich aufgeworfen, würde gottlos sein, wenn» sie nicht absurd (widersinnig) wäre; es wäre zuviel Ehre für einen, der sie verneinend löste, ihii zu bestrafen, es würde genügen, ihn einzufpcrren. Jm Gefühl des Treffendem was in diesen Worten liegt, haben denn manche Bestreiter der biblischen Wunder die Möglichkeit des Wunders an sich zugegeben und nur die thatsäch- liche Wirklichkeit in Abrede gestellt, während andrerseits ein Strauß, der ohne Hehl bekennt: »wer die Pfaffen aus der Kirche fchaffen will, der muß erst das Wunder aus der Religion schaffen,« nicht einmal die Möglichkeit desselben stehen läßt. Hat nun Voltaire (ein anderer franz. Schriftsteller, der auf Friedrich den Großen in religiöser Hinsicht einen so nachtheiligen Einfluß übte) einmal gesagt: »Wenn auf dem Markte zu Paris vor 2000 Menschen und meinen eigenen Augen ein Wunder geschähe, so würde ich eher m die 4002 Augen einen Zweifel setzen, als das Wunder für wahr anuehmen,« so ist er eben ein Exempel dafür, daß es gewisse Leute giebt, die unwiderlegbar sind, weil jeder Versuch, sich mit ihrem Verstand auseinander zu setzen, an ihrem Willen scheitert. »Wer aber i11 der Schule der Leiden den Zusammenhang des Bösen und des Uebels durch- schaut hat, und wem mittelst strenger und gründlicher Selbstbeobachtnng der Verderbensabgrund der Menschen- seele sich aufgethan, und wen nicht allein die naturgesetz- liche Ordnung der Welt in anbetendes Staunen, sondern auch der widerspruchs- und seufzervolle Wirrwarr des Weltlebens in hilfesuchendes Mitleid versetzt: der weiß das Christenthum, indem es ihm als Grundlegung einer er11euerten Menschheit nnd eines erneuerten Weltalls entgegentritt, aus eigenster Erfahrung, aus dem einmal wonnenen und fortan unveräußerlichen Inhalte seines Selbstbewußtseins heraus zu würdigen. Das Christen- thum — wer wollte es leugnen? — hat eine gründ- liche sittlich-religiöfe Umwälzung hervorgebrachh es hat der alten Welt ein Ende gemacht und eine neue be- gründet, es hat die Weltgefchichte halbirt, nnd beherrscht die zweite Hälfte derselben mit seinen gewaltigen, noch unerfchöpfte1i Impulsen (Triebkräften). Aus diesem Wesen des Christenthums als eines neuen Princips in dem Sinne, in welchetn es sich auf dem Erfah- rungswege als solches bewährt, ergeben sich mit innerer Nothwendigkeit die zwei absoluten Wunder, welche das diesseitige Leben seines Stifters begrenzeu; denn wenn innerhalb der sündigen Menschheit ein neuer heiliger und heilignngskräftiger Anfang hergeftellt werden sollte, so konnte dies nicht anders geschehen als so, daß das Leben des neuen Menschensohnes innerhalb der gegen- wärtigen Naturordnung, aber erhaben über sie, anhob und endete, so also, daß es keinen mit Sünde befleckteu Anfang und kein dem Tode bis zur Verwesun verfal- lendes Ende nahm. Wer aber dann einma erkannt hat, daß der Menschensohn, welcher die alte Menschheit entsitndigen und eine erneuerte begründen sollte, in den Natnrzusainnienhang der Menschheit hineingepflanzt werden mußte wie ein Edelreis in den Wildling , daß er aber von diesem Naturzufantmenhange der Sünde und des Todes nicht festgehalten werden durfte, sondern ihn siegesmäßig durchbrechen mußte, wie das aus dem Schooße der Erde zur goldenen Aehre ersprießende Saamenkoriy und daß beides nicht anders als dnrch ein absolutes Wunder geschehen konnte, der wird sich auch leicht in die andern Wundererzählungen der heil. Schrift finden können. (Delitzfch».) Schließen wir hieran sogleich eine Auslafsung über die innere Nothwendigkeit und die göttliche Absicht der Wunder: »Die Sünde hat den Menschen aus der Gottesnähe entfernt und ihm die Organe, mit welchen er Gott inne werden kann, ver- schlossen; er ist ein psychifches (seelisches) Wesen gewor- den, ein natürlicher Mensch, dessen Herz an dieser Welt hängt und dessen Sinne nur Sinnlichem erschlossen sind. Will Gott sich offenbaren, so muß er sich den äußeren Sinnen auf evidente (einleuchtende) Weise kund- geben, er muß durch die Sinne den ganzen Menschen erregen. Die Wunder sind sozusagen der Stimmhammey welcher die Saiten in dem Menschenherzen wieder auf- zieht und spannt, in die der heil. Geist dann hinein- greifen will; nur unter der Folie (auf der Unterlage) des Wunders kommt die Offenbarung Gottes zu Stande. (Nebe.) Es läßt sich aber die innere Nothwendigkeit des Wunders noch von einer andern Seite her erhärten. Jn einer Welt, wo Gott es nicht blos mit leblosen Dingen und inechanischen Gesetzen zu thun hat, sondern mit freien Wesen, die jeden Augenblick seine sittliche Weltordnung durchkreuzen können und nach ihrem widergöttlich gewordenen Sinne auch wirklich zu durch- krenzen den Versuch machen, ließe sich da wohl eine Weltregierung denken, wenn Gott. nicht die Freiheit hätte, auch im Einzelnen einzugreifen, um seinen eiligen Willen in der Weltgeschichte zu verwirklichen? Eine Nöthigung zu solche1n Eingreifen liegt für ihn nun immer dann vor, wenn eine Entscheidungszeit herbeige- kommen ist, wenn sein Reich wieder einen epochemacheni den Schritt vorwärts thun soll; bei dem Widerstande, den der Unglaube der Menschen und die List und Bos- heit des Fürsten dieser Welt ihm da entgegenstellt, könnte er, daß wir uns so ausdrücken, gar nicht die Oberhand behaupten, wenn er mit seiner Macht auf den gewöhnlichen Weltlauf beschränkt wäre. Die Zeit der Gründung und Herftellung des Gesetzes (Mosis nnd Eliä) und die Zeit der Gründung und ersten Ausbrei- tung des Evangeliums (Christi und der Apostel) waren solche entscheidende Perioden, in den Zwischenzeiten da- gegen treten die Wunder zurück; damit stimmt dann, daß für die Endzeit, für die Zeit der letzten Entschei- dungskämpfe des Reiches Gottes gegen die antichristliche Weltmacht nnd der Erscheinung Christi in Herrlichkeit wieder eine Wunderperiode in Aussicht gestellt wird (Luk. 21, 25 ff.). Wenn man, um die Unzulässtgkeit der Wunder zu beweisen, dieselben ein Attentat (gewalt- samen Angrisf) auf das der Welt zukommende Maß von, selbstständigeiti Leben, eine Durchbrechung der Natur- gesetze oder der festen Ordnung, deren Unabänderliche Geltung die einzige Gewähr für das Fortbestehen der Welt sei, ja geradezu eine Weltdurchlöcherung genannt hat; so müssen wir zunächst unterscheiden zwischen Wun- dern im absoluten Sinne, bei denen alle kreatürliche Vermittelung ansgeschlossen ist, und solchen, mehr relativen Wunderwirkungen, die an die gesetzmäßige Thätigkeit der Naturkräfte anknüpfen, aber durch über- natürliche Kräfte sie steigern. Jn ersterem Falle nun setzt Gott in eigener unmittelbarer Thätigkeit etwas in den Naturlauf hinein , was vorher noch nicht in demselben vorhanden war; die Naturkräfte sind dabei nicht weiter betheiligt, als daß sie das Produkt des Wunderakts in sich aufnehmen, sobald aber dieses in die Welt eingetreten ist, steht es auch unter den Gesetzen des Naturlaufs und ist auch für seine Fortexistenz den natürlichen Entwickelungsgesetzen unterworfen, so daß es fortan aufhört, Wunder zu sein, und zur Natur oder Wirklichkeit wird. Es verhält sich nun damit also, um dies Der HErr Jesus geht auf einen Berg, seine Jünger um sich versammelnd 51 Gleichniß auch hier zu gebrauchen , wie mit dem Eiupflanzen eines Edelreises in den Wildstamm; dasselbe ist für diesen ein neuer Anfang, für die eigene Weiterexistenz aber ist es an alle Naturbedingungen gebunden. Jn dem anderen Falle dagegen, wenn Gott vermittelst der gesetz-mäßigen Thätigkeit der Naturkräfte durch eine be- sondere Steigerung derselben wunderbare Wirkungen hervorbringt (1. Mos. 7, 10 ff.), so thut Gott da nur etwas, was der Mensch in beschränkter Weise und in engerem Kreise auch vollbringt: durch Beherrschung und Steigerung der Naturkräfte in, Kunst und Industrie bringen wir ja Wirkungen hervor, die der sich selbst überlassene Naturlauf nie hervorbrächte »Er, der die Natur geschaffen und ihren Lauf bestimmt hat, dem sie in allen ihren Theilen vollkommen klar und durchsichtig ist, wird« auf dem Rieseninstrumente der Naturkräfte, auf dem wir trotz aller Fortschritte der Naturwissen- schaft doch nur stümperhafte Spieler sind, noch ganz anders zu spielen verstehen; und ihm werden auch bei den gewaltigsten Akkorden, die etwa ganze Länder und Geschlechter zu Boden schmettern, doch keine Saiten springen, daß Unordnung in die Weltgesetze käme. Er ist ja der kundige Meister, dem alle seine Werke bewußt sind von der Welt her, der nicht dreingreist, wie etwa ein Unkundiger durch einen Griff in ein Uhrwerk den ganzen Gang und Zusammenhang unterbrechen würde, sondern in heiliger Weisheit zum Heile der Welt nnd zur rechten Stunde übernatürliche Kräfte eingreifen läßt. (Christlieb.) Diese Bemerkungen werden vorläufig genü en, bis wir Gelegenheit finden, spezielle Punkte, die etrefss der Wunder in Betracht kommen, noch näher zu erörtern. Das 5. Kapitel. Christi Bergpredigt non der Christen Seligkeit, und Verstand des Gesetzes. I· di. 1 u. L. (§. 40.) In diesem und den beiden folgen- den Kapiteln hat, wie ttuther bemerkt, Jelatthäus gleich als in einem kurzen Auszug beinah alles zitsainmetifassen wollen, was Christus gelehret hat, gleichwie er am Ende des vorhergehenden tsiapitels alles, was Christus gethan, zusammengefaßt hat. Es ist aber der ge- schichtliche Zusammenhang folgender: Uachdem der HErr ohngefähr 4 Monate in der vorhin beschriebenen weise thätig gewesen nnd als den Stifter eines neuen Hundes sich genugsam bekundet hat, auf Seiten. des Volks jedoih mehr irdisclysleischlicher Sinn, als wahrhafles iheilsbu diirfnisu und auf Seiten der geistlichen Oberon sogar heimliche tllerfolgungssuctst und ofsene verdächtigiing ihm entgegengetreten ist, anderntheils aber auch der Kern einer eigenen Gemeinde sich nunmehr aus der großen Masse herauszusctjäleii beginnt, die dereinst an die Stelle des ihn verwcrsendeir Israel nach dem Fleisch treten kann, um die Verheißung des Vaters zu empfangen, ist es jetzt an der Zeit, die bisherige Ghätiglieit von mehr vorbereitender Jlrt zum Abschluß zu bringen und mit der eigentlichen Offenbarung des Himmetreichs den An— sang zu machen. Christus thut das, indem er zunächst vor dem engeren Kreise seiner Sänger, die er so eben aus der Schaar seiner Nachfolger ausgesondert hat, die tsergpredigt hält, welche gewissermaßen das Gegenbild der Gesetzesossienbaruiig vom Sinai ist. Er stellt sich darin nach allen Seiten hin als den Grsiiller des alten Testamentes dar, nnd beschreibt den Unterschied der nen- testamentlicheii Gerechtigkeit von derjenigen, welche die falsche Auslegung der Pharisäer und Schristgelehrten ans dem Buchstaben des alttestameiitlicljeii Gesehes ent- wickelt hatte. (d1gl. Mark. s, 13—19; Lust. 6, 12——49.) Evangelium am Tage aller Heiligen: V. 1-—12.) Allbereits im 4. Jahrh. sing man im Orient an ein Fest zu feiern zu Ehren aller Märtyrer, und zwar am Sonntag nach Pfingsten; denn die Heiligen und Mär- tyrer erschienen mit ihrer bis zum Blutzeugentod aus- dauernden Glaubenstreue als die, jeglichen Zweifel that- fächlich widerlegenden Zeugen für die Wirksamkeit des heil. Geistes in den Gläubigen. In der occidentalischen Kirche dagegen war ein solches Fest längere Zeit hin- durch unbekannt, bis Gregor IV. den Kaiser Ludwig im J. 835 bewog, das zunächst in Rom gefeierte Heiligen- fest auch in den sräiikischeii Kirchen feiern zu lassen, von wo aus es dann sich nach Deutschlatid und England verbreitete. Die Zeit dafür, nämlich der 1. November, scheint insofern sehr passend gewählt, als zu dieser Zeit das Einernten der Feldfrüchte überall beendigt ist, und man nun durch die irdische Ernte an jene himmlische sich erinnern läßt, welche der Fromnie hoffen darf, wenn er dem Beispiel derer folgt, die ihm die Kirche als Vor- bilder eines christlichen Waudels vorhält. Noah jetzt seiert die englisch-bischöfliche Kirche den All sainis—Day, in der lutherischen Kirche aber ist er seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts mit den Aposteltage1i meist ein- gegangen. l. Da er aber [bei einem späteren abermaligen Wanderzugh den Jesus Ende September des J. 28 von Kapernaum aus gemacht hatte, auf der Riick- kehr dahin begriffensdas Volk sahe sdas ihm aus allen Gegenden des Landes nachfolgete Kap. 4, 25], ging er sdas Volk und die Jünger unten im Blach- felde zuriicklassend] auf einen Berg [auf denjenigen, der in der Nähe besindlich war, dort zu beten; und er blieb über Nacht in dem Gebet zu Gott. Und da es am andern Morgen Tag ward, rief er aus der Schaar seiner Jiinger im weiteren Sinne des Worts Kap. 8, 21 zu sich, welche er wollte, und ordnete die Zwölfe, daß sie bei ihm sein sollten Mark. Z, 13 ff; Luk. 6, 12 sf.], und setzte saus der Höhe des Berges] sich [nieder, indem er in einer längeren Rede ausführlich darlegen wollte, was das Wesen seines Reichs und die Art derer sei, die ihm zugehören] , und seine Jungert seben die Zwölfe , die er auch Apostel nannte, weil er künftig sie aussenden wollte, an seiner Statt zu predigen] traten zu ihm sdie zunächsi für sie be- stimuite Rede zu vernehmens Schon bei Erklärung des alten Testaments machten wir darauf aufmerksam (1. Sam. 17, 57 Anm.) , wie die biblische Erzählungsweise die Begebenheiten oft mehr nach sachlichen Rücksichten, als nach der Zeitsolge ordnet, und es nun nicht leicht ist, letztere zu ermitteln. Indem Wiefeler in feiner chronologischen Synopse der 4 Evan- gelien von der Voraussetzung ausgeht, St. Lukas wolle mit dem Ausdruck in Kap. 1 , 3 seines Evangeliums: »ordentlich (griech; grosse-Eins, d. i. der Reihe nach hinter einander oder in geordneter Folge) schreiben« eine chro- nologisch geordnete Erzählungsweise bezeichnen, hat er diesen Evangelisten bei seiner Anordnung und Zusam- menstellung der verschiedenen, in den vier Evangelien uns mitgetheilten Begebenheiten aus dem Leben Jesu 48 52 Evangelium Matthäi S, 1 Anm. sich zur Richtschnur dienen lassen und dann mit so großem Scharfsinn fast für jede einzelne Begebenheit das Datum ausgerechnet, daß Mancher schon gemeint hat: »das klappt, daß es eine Luft ist,« und die Wieselerssche Zu- sammenstellung für die wirkliche und unzweifelhaft ge« wisse Evangelienharmonie hält. Wir können jedoch diese Ansicht nicht theilen , wollen vielmehr wenigstens einen fchlagenden Beweis hier dafür beibringen, daß auch Lukas nicht grundsätzlich und durchgehends die ein- zelnen Erzählungen in chronologischer Aufeinanderfolge mit einander verknüpfe; was aber sein oben angeführter Ausdruck besagen will, dies zu erörtern verspareu wir uns bis zur Erklärung der betreffenden Stelle selber. Wie die hier folgende Uebersicht über den Gang, den die 3 ersten Evangelisten bei ihrer Darstellung der Wirksamkeit Jesu in Galiläa einhalten, uns zeigt: Matthcius (Kap. 4,12 — 9, 17). Marias (Kap. 1,14 — 2, 22). Lukas (Kap. 4,14 —- 5,39). 4, 12—17. I. (1. DE) Jesus eröffnet feine Wirksamkeit in Ga- liläa, Verläßt Nazareth und nimmt s einen Wohn- sitz zu Kapernaum i) Die Nummern in Paten- these geben an, unter welcher Hauptnummer derselbe Abschnitt bei den andern Ev angelisten steht. 18—22. Z. (2. 5.) Berufung von 4 Jüngern (Petrus u. An- dreas, Jakobus« u. Jo- hannes). 23——-25. 3. (5. 4.) Jesus zieht im ganzen galiläischen Lande predigend und lehrend umher. 5,1——7,29. 4. (11.11.) Die Bergpre- digt. 1—4. 5.(6. 6.) Heilung eines Aussätzigem 5—13. S. (-—12.) Der Hauptmann von Kapernaum 14——-17. 7. (4. 3.) Die Schwieger- mutter Petri. Kranken- heilungen am Abend. 18——22. 8.(——?i«) Ueberfahrt über das Meer. Rede Jesu an solche, die ihm nach- folgen wollen. ·) Vgl. Lulä J, 57 -——(52. 23——27. 9. (15. 19.) Stillung des Seesturms 28—-34. 10. (16. 20.) Jesus bei den Gadarenern. 1,14—15. 1. (1. 1.) Jesus eröffnet seine Wirksamkeit in Ga- liläa mit Wiederauf- nahme der Predigt des Johannes. 16——20. L. (2. 5.) Berufung der 4 Jiinger zu beständiger Nachfolge. 21-—28. s. (——2.) Heilung eines Besessenen in der Schule zu Kapernaum 29—34. 4. (7. 3.) Die Schwieger- mutter Petri. Kranken- heilungen am Abend. 35—39. 5. (3. 4.) Morgen bricht Jesus von Kapernaum nach andern Städten auf. 40———45. (5. (5. (5.) Heilung eines Aussätzigem 4,14———30. 1. (1.1.) Jesus eröffnet seine Wirksamkeit in Galiläa, wird aus Nazareth verstoßen u. siedelt nach Kaper- naum über. 31——37. Z. (——3.) Heilung eines Besessenen in der Schulez.Kapernaum. 38—41. 3.(7.4.) DieSchwiegers mutter Petri. Kran- kenheilungen Abends. 42—44. 4.(3. 5.) Aufbruch von Kapernaum u. Wirk- · samkeit in andern Städten Galiläas 5, 1——11. 5.(2.2.) Petri Fischzug Am andern 12———16. 6.(5.6.) Heilung eines Aussätzigen 9, 1——8. 11.(7.7.) Der Gichtbrü- chige zu Kapernaum 9——17. 12. (8. 8.) Berufung des Zöllners Matthäus Z, 1——12. 7. (11. 7.) Der Gichtbrü- chige zu Kapernauur 13—-22. s. (12. 8.) Berufung des Zöllners Levi. 17—26. 7. (11. 7.) Der Gähr- brüch. zu Kapernaum 27—-—39. 8.(12.8.) Berufung des Levi. Zur Harmonie der 3 ersten Evangelisten (Synoptiker). Matthias (Kap. 9,18 — 15,20). Marias (Kap. 2, 23 — 7, 23). Lukas (Kap. S, 1 — 9, 17). g, 18—26.13.(17.21.) JairiTochter u. das blutflüssige Weib. 27—-—34. 14. 2 Heilungexn Schmä- hungen der Pharisäer. 35-—11, l. 15.(19.22.) Die Aussen- dung der Zwölsr. 11, 2—-30.16.(——-14.) Die Gesandt- schaft des Täufers. 12 , 1—8. 1·7. (9. 9.) Aehrenraufen am Sabbath. 9—21. 18.(10.10.) Heilung des Mannes mit der ver- dorreten Hand. 22— -45. 19. (12.?-1«) Heilung eines Besessenen. Schmähung der Pharisäer und For- derung eines Zeichens. «) Vgl. Las. n, 14—36. 46-—50. 20.(13. 18.) Mutter und Brüder Jesu. 13, 1—52. 21.(14.17.) Gleichnißreden am Meer. 53-—58.22.(18.—) Jesus in Na- zareth. 14 , 1—12. 23.(20.23.) Des Täufers Enthauptung Herodes hört von Jesu und begehrt ihn zu sehen. 13—21. 24. (21.24.) Die Speisung der Fünftausend. 22—36. 25. k22.—) Jesus wandelt aus dem Meer. 15 , 1--20. 26.(23. —-) Händewaschetu L, 23—-28. 9. (17. 9.) Aehrenraufen am Sabbath. Z, 1—12«10.(18.10.) Heilung des Mannes mtt der ver- dorreten Hand. 13——19.11.(4.11.) Aussonderung der Zwölfe. 20—30. 12. (19.?) Vorgang zu Hause. Schmühung der Pharisäer. 31—35. 13.(20. 18.) Mutter und Brüder Jesu. 4, 1——34. 14. (21. 17.) Gleichnißreden vom Meer aus. 35——41. 15.(9. 19.) Seesturm Z, 1—20. 16.(10.20.) Jesus bei den Gadarenerm 21—43.17.(13.21.) Jairi Tochter U. das blutflüssige Weib. C, 1—6.18.(22. —) Jesus in Na- zareth. 7-—13.19.(15.22.) Die Aussen- dung der Zwölfr. 14—29. 20.(23.23.) Des Täufers »Enthauptung. Herodes hält Jesum für den wie- dererstanden.Johannes. 30——44. 21.(24.24.) Die Speisung der Fünftausend. 45—-56. 22.(25.-—) Jesus wandelt aus dem Meer. 7 , 1—23. 23.(26.——) Händewaschern Stillung des s. 6, 1—5. 9.(17.9.)Aehrenraufen am Sabbath. 6——1 1. 10. (18. 10.) Heilung des Mannes mit der ver- dorreten Hand. 12—49. 11.(4.11.) Aussondder Zwölse u. Bergpred. 7, 1———10.12.(6.——) DerHauptnu von Kapernantm 11-—17. 13.Der Jüngling zu Naitn 18—35. 14.(16.——) Die Gesandt- schast des Täufers. 36———50. 15.Die große Sünderin. 8 , 1 — Z. 16.Die dienend. Frauen. 4——18.17.(21. 14.) Predigt in Gleichnissen. 19——21. 18. (20. 13.) Mutter und Brüder Jesu. 22—25. 19.(9. 15.) Stillung des Seesturms 26-—39.20.(10.16.) Jesus» bei den Gadarenern. 40—56. 21.(13.17.)JaikiTk-cht. u. dblutflüssige Weib. 9 , 1——6. 22.(15. 19.) Die Aus- sendung der Zwölfa 7——9. 23. (23. 20.)Herodes hört von Jesu u. hält ihn für den wieder erstan- denen Johannes. 10-—17. 24. (24.21.) Die Spei- sung d. Fünftausend. 53 54 Evangelium Matthäi Z, I Anm. Matthäus (Kap. 15, 21 —— 18,35). Markus (Kap. 7,24 — 9,50). Lukas (Kap. 9, 8—50). 15, 21—28. 27.(24.—) Das cananäi- sche Weib. 29-——39.28.(26.—) Die Speifung der Viertanfend 16, 1——12.29.(27.—) Die Pharisäer fordern ein Zeichen fordern ein Z eich en. Warnung vor ihrem Warnung vor ihrem Sauerteig. Sauerteig. 13—28. 30.(’29.25.) Jesus bei Cä- sarea Philippi. 17, 1——11.31.(30.26.) Die Verklä- rung auf dem Berge. 14—-23. 32.(31. 27.) Heilung des Moudfüchtigen und Lei- densverkiindigung 24—27. 33.Der Zinsgrofchen u. der Stater. 18 , 1—20. 34.(3:2.28.) Vom Größteii im Himmelreich u. War- nung vor dem Aerger- nißgebem 21—35.35.Gleichniß vom Schalks- knecht. geht bei Lukas (unter Nr. 9) das Aehrenrausen am Sab- bath nicht nur der Gefandtfchast des Täufers unter Nr. 14., sondern auch der Speisung der Fünftausend unter Nr. 24 voraus. Letztere beiden Begebenheiten nun fallen, wie wir zu Kap. 4, 12 ff. gesehen haben, in die Zeit des Osterfestes; Wiefeler hat daher, seiner Vor- ansfetzuiig von der genauen chronologifchen Ordnung bei Lukas gemäß , ausgerechnet , daß der Aftersabbath (genauer: zweit-erste Sabbath) in Luk.6,1., wor- unter nichts anderes, als der erste Sabbath i1n Monat Nisan des zweiten Jahres der betr. Sabbath- periode (oom Herbst 27 bis dahin 34 n. Chr.) zu verstehen sei, auf den 6. Nifan (= 9. April) a. 29 falle, das Aehrenraufeu also 8—9 Tage vor dem Oster- fest stattgefunden habe. Wäre das. richtig, so hätten die Jünger das Verbot in Z. Mof. 23, 14 übertreten, wo- nach vor der Darbringung der Webegarbe am 2. Tage des Osterfestes (16. Zinsen= 19.Apri1 des» J. en) kein ,,neu Brod, noch Sängen, noch Korn« genossen werden durfte (vgl. Ins. 5, 11 ff.), und die lauernden Pharisäer hätten gewiß nicht unterlassen, dem HErrn Jefn auch wegen dieser Gefetzesübertretung feiner Jünger Vorwürfe zu machen, wozu sie noch weit mehr Recht als zu der Anklage wegen Sabbathsschändung gehabt hätten. Offenbar also niüssen wir unter jenem After- sabbath einen Sabbath nach dem 2. Tage des Festes verstehen; wir haben aber, wie zu Lukst 6, 1 näher nach- gewiesen werden wird, an den Wochenfabbath der Oster- woche (20. Nifan = 23. April a. 29) zu denken, so daß sonach das Aehrenraufeii später, als die Gesandt- fchaft des Täufers und die Speifung der Fünftau- send stattgefunden hat. Wirklich erzählt auch Matthäus 24—30.24.(27.—) Das cananäi- sche Weib. 31——37. 25.Die Heilung des Taub- stummen. 8 , 1—10.26.(28.——-) Die Speifung der Viertansend 11——21.27.(29.-) Die Pharisäer 22——26.28. eilung eines Blinden ei Vethsaidie 27——9,1. 29. (Z0.25.) Jesus bei Cä- farea Philippi. 9, 2—13. 30.(31. 26.) Die Verklä- rung Jesu. 14——32. 31.(32. 27.) Heilung des Mondfüchtigen und Lei- densverkündigung 33——50. 32» (34.28.) Vom Größten im Himmelreich und weitere Reden Jefu. 9, 18—27.25.(30.29.) FrageJesu u. Verkündigung sei- nes Leidens. 28—36. 26. (31. 30.) Die Verklä- rung Jefu. 37—45. 27.(32.81.) Heilung des Mondfüchtigen und Leidensverkiindigung 46—50. 28. (34. Vom Größ- ten im Himmelreich. Rede Jefu. (unter Nr. 16) jene Gesandtfchaft früher, »als» das Aehrenraufgi Butter 17), Juki) hat lzielrfvhie rigtgge chronologis e ei enfo ge einge a ten, o g ei au ei ihm die Speifåiåig dker Fitnftjgiufetgizd Oisiter Fu It) kerfst später folgt. jr önicten er eine: e no »me· r ei- bringen, daß-unter allen 3 Evangelisten kein einziger ist, der von Anfiåikg bisl zu End; feine Erzähslunzgetz aitif gen Faden der frono ogie rei tj was· in on er ei en iöukas betrifft, so reichtfbei ihm die Schilderung der Wirksamkeit Jefn in Galiläa nur von Kap. 4, 14 bis Kap. J, 50., in Kap. 9 ,5l —- 19,28 folgt dann eine mit geringen Ausnahmen ihm eigenthiimliche, weder nachk chronogogitfchesiik nochchgaiftz geozzgrsaphifchegillGesickjsotsp pun te georne e, e r rei a ige uainmen e ung on evangelifchem Material, das dnrch den Rahmen der Reife Jefu durch Samaria nach Jerusalem zzifatråmenggsalten Zxkisäxkks YETFIFFLIFDETT Fåäiiasifsgix ZFHZHTTUTT die Erweiterung seiner Lehrthätigkeit über die Grenzen Galiläas hinaus darstellt. Die Ueberficht über diese Parthszie, in welcher Lukas erst wieder von Kap. 18,»15 an mit den andern beiden Evangeliften zusammentrifft, werden wär» zu Matthz lkliibl lfzeibtriixc engffiiåzzekzt — ei Zeiss, Tkilkssaiiieioiklåekeknå JUFVZI wkkäku Es« Faiäiippe der Ordnung, goelchen die heiFßEhangeliften befolgen, diesen Eindruck ekommem 1) a ie immer nur ein- zelne Grufklpez Zion zzisammengehörbigleäi Gefchichteåi zu- ammen este t a en, ruppen, die a einen grö eren, bald einein geringeren Umfang haben» ja manchmal blos einen einzigen Abschnitt umfassen; 2) diese Gruppen haben sie in freier Weise, wie einen jeden von ihnen die Sach- ordnung, die er befolgte, bestimmte, an einander gefügt, wobei oft mehr der Ort, wohin der Anfang der Gruppe wies , als die Zeit, in die sie gehörte, oder sonst ein wichtiges Moment den Ausschlag gab. Z) Durch Ver- gleichung aller 3 Berichte mit einander läßt sich die richtige Zeitfolge gar wohl ermitteln, wenn man nur mit rechter Einfalt zu Werke geht und dem Wort der Wahrheit mct unbefangeneny empfänglichem Sinn sich hingiebt. Wir werden versuchen, was in unsern Kräften i Der Berg der Seligkeiten. s- 50 Als den Berg, darauf Jesus gegangen sei und von dem aus er die folgende Rede gehalten (nach dem An- fang derselben der Berg der Seligkeiten genannt), bezeichnet die lateinische Ueberlieferung die in Kap. 4, 25 erwähnten Berghörner von Hattin (Kurun Barth) an der Westseite des Sees Genezareth, 372 Stunden von Tiberias (s. Karte VI). Am Nordende einer frucht- baren Hochebene (Ar(1 el Hammah gelegen, erhebt sich die doppelzackige Anhöhe, wie sie hier im Bilde vorliegt: Berg der Seligkeiten. steht, zu leisten, und da, wo es besonders nöthig ist, angeben, was uns bestimmt hat, die Chronologie so zu ordnen, wie die Evangelienharmonie in den Schlußbe- merkungen zu den 4 Evangelisteti es angiebt; manches wird da gleich in die Einleitung zu jedem Abschnitt aufgenommen werden können, anderes aber, was über den Umfang des Bibelwerks hinausgehen würde, bei. Seite gelassen werden. Was nun die hier vorliegende Bergpredigt betrifft, so ist dieselbe unzweifelhaft erst gehalten worden, nachdem Jesus schon eine Zeitlang thätig gewesen und in seiner göttlichen Hoheit soweit er- kannt worden war, um mit der vollen Auctorität des messianischen Gesetzgebers und des einstigen Richters der Welt vor dem Volke austreten zu können, nachdem aber auch ein bestimmter Ge ensatz der pharisäischen Partei sieh gegen ihn gebildet Hatte, die ihn beim Volke zu verdächtigen suchte, als wolle er die Ordnungen des alten Bandes umstoßen und ein religiöser Revolutionär werden; endlich, als im Volk sich eine Scheidung zu vollziehen begann zwischen solchen, die blos mit fleisch- lichem Sinn ihm anhingen und allerlei unlautere Er- wartungen von ihm hegten, und denen, die ihre Herzen ihm hingaben und zur Sammlung einer eigenen Ge- meinde mitten unter dem unschlachtigen und verkehrten Geschlecht der Zeit die Anfänge in ihren heilsempfäng- lichen Seelen darboten. Andrerseits dürfen wir jedoch die Bergpredigt auch nicht in eine zu späte Zeit ver- legen; denn sie steht im unmittelbaren Zusammenhange mit der Aussonderung der zwölf Apostel, welche schon ziemlich früh erfolgte, und sie bringt die göttlichen Ge- danken, die dem Jubel- oder Erlaßjahre des alten Bundes zu Grunde liegen, zu ihrer vollsten »Entsaltung fiir das Leben im neuen Bunde (3. Mos. 25, 55 Anm.), fällt also gewiß noch vor die Zeit, mit welchem das Jubeljahr vom Herbst 27 bis dahin 28 n. Chr. zu gnde ging , wenn auch erst ganz an’s Ende dieser eit. fattelsörmig bei 60 Fuß, ans der Ferne den Anblick von Hörnern gewährend, die ihren Namen nach dem nahe dabei befindlichen Dorfe Hattjn führen, demselben Ort, bei welchem in der berühmten Schlacht vom 4. Juli 1 187 der tapfere Sultan Saladin die Macht der Franken brach, den König Guido von Jerusalem gefangen nahm, das Kreuz, welches der Bischof von Bethlehem in dieser Schlacht trug, eroberte und bald darauf auch Jerusalem. Nach seiner Lage nun, wie nach seiner Eigenthümlichkeit kann dieser Berg sehr wohl der Berg der Seligkeiten sein; denn Jesus ist bei seiner Rückkehr von einer Wan- derung durch Galiläa eben bis zu diesem Punkte ge- kommen und will vor seiner Heimkehr nach Kapernaum noch einen Abschluß mit den ihm nachziehenden Volks- massen machen, der Berg selber aber, der aus seiner Höhe eine mäßige Fläche bildet, ist ganz wie zu einer Kanzel gemacht und steht mit seinen beiden aufwärts gebogenen Enden wie der kleine Thron eines Mächtigen da, dessen Fußschemel der Erde Feste ist. Wir meinen, die hier bei Matthäus vorliegende Rede sei diejenige, die Jesus in dem geschlossenen Kreise der Zwölfe auf dem östlichen Horne gehalten, worauf er dann auf das hochgelegene Blachfeld am Fuße der beiden Hörner her- niederstieg und die Rede nach ihrem Grundgedanken und wesentlichen Jnhalt in einer, dem weiteren Kreise des Volkes angemessenen Fassung vor diesem wiederholte. Diese kürzere Fassung liegt in Luk. 6, 20 ff. vor, wäh- rend die eigentliche Bergpredigt, um mit P. Lange zu reden, ganz den Character einer Rede bekundet, wie sie Christus jetzt noch nicht an das Volk öffentlich halten konnte. Dies gilt zumal von der Characterisirnng der Pharisäer und Schriftgelehrten und ihrer Gerechtigkeih und von der scharfen Darstellung des Gegensatzes der Lehre Jesu und der ihrigen: in dieser Weise konnte Jesus noch nicht zu dem jiidischen Volke im Allgemeinen reden, ohne durch Rücksichtslostgkeit fein Volk auf’s Aeußerste zu gefährden: auch war das Volk noch nicht 56 Evangelium Matthäi 5, 2. Z. reif zur Auffassung einer solchen Lehrfüllm Sind es aber die zwölf Apostel, an die der HErr zunächst sich wendet, so müssen wir deren Namen, die Matthäns erst in Kap. 10 bei Gelegenheit der erstmaligen Ausseudung aufführt, näher kennen lernen. Vier Mal wird uns, in den Geschichtsbüchern des neuen Testaments ein Ver- zeichniß derselben dargeboten; allemal aber lassen ste in 3 Klassen zu 1e vier sich theilen. Wir geben hier eine Uebersichtstafeb a. b. c. d, Matthz10,2-4. Makk.3,1e-19. Lue e,14-16. Apostg. 1,13. 1.SinionPetr. Simon Petr. Simon Petr. Petrus. Z. Andreas. Jakobus I. Andreas. Jakobus I. 3.Jakobus I. Johannes. Jakobus I. Johannes» 4.Johannes. Andreas. Johannes. Andreas. 5.Philippus. Philippus Philippus. Philippus. 6.Barthol«om. Bartholom Bartholomäus Thomas. 7. Thomas. Matthaus. Matth äus. Barth olom. S. Matthäus Thomas. Thomas. Matthäus. 9.Jakobus11. Jakobus I1. Jakobus II. Jakobus II. 10. Lebbäus Thaddäus Sim. Zelotes SimonZelotes (Thadd.) (Jud.Jakobi) lLSimon v. Simon v. K. Jud. Jakobi. Judas Jakobi. Kam. Judas Jschar. Jud. Jschau 12. Judas Jscharioth Die erste Klasse enthält offenbar die 4 Hauptaposteh dieselben, deren Berufung uiis in Kap. 4, 18 ff. mitge- theilt worden ist; doch sind diese in b u. d nach ihrer Bedeutung in der Kirche geordnet, während in n u. b die beiden Brüderpaare zusammengestellt sind. Die zweite · Klasse der nächstdem hervorragenden Apostel beginnt» in »allen klvVerzeichnissen mit Philippus, weil dieser sich frühzeitig an Jefum angeschlossen (Joh.1, 43 ff.) und ein hohes Ansehen in der Kirche erlangte; Bartholomäus ist dann derselbe, der in Joh.1,45ff. Nathanael heißt; Matthäus, der Zöllner, auch Levi genannt, ist der Verfasser unsers Evangeliums (Kap. 9, 9 ff.)» und Thomas bedeutet seinem Namen nach ,,Zwclling« (Joh. 1l , 16; 20, 24). Jn der dritte» Klasse iteht durchgehends Jakobus, Alphäi Sohn, voran, nno Judas Jscharioth als der Verräther fchließt die Reihe, und fehlt selbstverständlich ind ganz; Simon von Kana in a u. l) sollte richtiger ,,Simon Kananites« übersetzt werden, dafür haben wir in c u. d Simon· Zelotes (der Eiferer), Judas Jakobi aber (also nicht zu verwechseln mit Judas Jschariothx Joh. 14, 22), von Matthans genannt Lebbäus (der Beherzte) und von Markus »als Thaddäus (der Gewaltige, was gleichbedeutend mit Lebbäus ist) bezeichnet, führt den Beinamen ,,Jacobi« nach seinem Bruder Jakobus 1l., dem Bruder »des»HErrii (Ep. Judä V. I) , und ist so- nach, gleichwie dieser Jakobus, Alphäi Sohn, und auch Simon der Eiferer, selber einer von den Brüdern des HErrn (Kap. 13, 55, vgl. Anm. zu Kap.1, 25). Mehr über» diese Apostel behalten wir uns zu Kap.10,4 vor; für xetzt halten»wir fest, daß sie den HErrn umstehen als die Reprafentaiiten und Häupter der werdenden Kirche, das Volk dagegen, welches auf der Hochebene vor dem Berge sich gelagert hat, ist ein Repräsentant der Welt, aus der die Kirche sich mehren soll, und daß diese ihre Glieder auch vaus der Heidenwelt sammeln wird, deß ein Wahrzeichen ist der weitere Kreis der Jungen die der HErr sonst· noch außer den Zwölfen hat und von denen er künftig ihrer siebzig aussondern wird· (Luk. l0, 1ff.). Der Anblick der großen, wunder- slichtigen, für den wahren Glauben unempfänglichen Menge, welche Jefum auf seinemZuge begleitete und von ihm nichts Anderes begehrte, als Abhilfe der leib- lichen Noth, und nichts Anderes erwartete, als Erfül- lung ihrer irdischen Hoffnungen, mußte ihm die Ueber- zengung verschafsen, daß es jetzt an der Zeit sei, das Jsrael nach dem leisch, das sich, wie früher in Judäa, so nun auch in aliläa, seiner Erfcheinung unwerth zeige und ihn mit dem Himmelreichh das zu stiften er gekommen, verwerfe, im großen Ganzen aufzugeben und eine Ausscheidung der Uebrigen, von denen Jesajas (10, 20 ff.) geweissagt hatte, daß ihnen allein das Heil zu gute kommen würde, zu vollziehen. Nachdem er sich die Nacht über mit seinem himmlischen Vater im Gebet berathen, fondert er aus der herbeigerufenen Schaar seiner Jttnger die Zwölse aus nach der Zahl der zwölf Stämme Jsraels; sie sollen nach seinem Hingange zum Vater sein Werk auf Erden fortsetzen und als Häupter an die Spitze der die ganze Welt in sich befassenden neutestamentlichen Gottesgemeinde treten, und nun zeich- net er in der an sie gerichteten Rede den für die Theil- nahme am Himmelreich erforderlichen Sinn und be- schreibt die wahre Gerechtigkeih zu der er die Seinigen erziehen will, im Gegensatz zu der falschen des alten Israel und seiner Führer, der Pharisäer und Schrist- gelehrten. 2. Und er that seinen Mund auf [in feier- licher, freimüthiger Rede die ewigen Grundgesetze des neuen Bandes auszusprechenL lehrete sie nnd M : sp Dcher Gegensatz zwischen dem Sinai und dem Berg der Seligkeiten, dem Gesetz und dem Evangelium, setzt sich fort in dem Gegensatz der alttestamentlichen Gottes- rede unter Donner und Blitz» und dem neutestamentlichen Aufthun des Mundes Jesu. (Lange.) Mein Herz ist voll Deinüthigkeit, voll Liebe meine Seele; mein Mund der fleußt zu jeder Zeit von süßemSanftmuthsöle Mein Geist, Gemüthe, Kraft und Sinn ist Gott ergeben: schaut auf ihn. (Mir nach, spricht Christus — V. 3). Zu den Worten des 1. und ·2. Verses macht Luther die Bemerkung: »Der Evangelist macht eine Vorrede und «Gepräng, wie sich Christus gestellt habe zu der Predigt, die er thun wollte , daß man sieht , es sei sein Ernst; denn das sind die 3Stücke, wie man sagt, so zu einem guten Prediger gehören: Zum Ersten, daß er auf- trete, d. i. daß er sich stelle als ein Muster oder Pre- diger, der es kann und thun soll als dazu berufen, und nicht von ihm selbst kommt, sondern dem es gebührt « aus Pflicht und Gehorsam; denn Gott will nicht, daß man mit seinem Wort irre lause, als treibe jemand der Z heil. Geist und müsse predigen , und also Stätte und Winkel, Häuser oder Predigtstühle suche, da er kein Amt hat (Röm. Es, 20; L. Cor. l0, 15 f.; Joh. 18, 20). Zum Andern, daß er den Mund aufthue frisch und getrost, d. i. die Wahrheit, und was ihm befohlen ist zu predigen, nicht schweige noch murmele, sondern ohne Scheu und unerschrocken bekenne und dürre her- aussage, niemand angesehen noch geschont, es treffe wen oder was es wolle. Zum Dritten, daß er auch könne aufhören« (Geh frisch hinauf, thu’s Maul auf, höre bald auf!) —- Vom weftlichen Horn des K. Hattin hat man in der Nähe die Aussicht über die Ebene nördlich vom Tabor und auf das Becken Ard el Hammer, welches letztere mit verschiedenfarbigen Feldern wie ein Teppich daliegt; auf der andern Seite überblickt das Auge den nördlicheu Theil des Sees Tiberias mit dem großen Hermon, an seinen weftlichen Ufern die Ebene Genezareth , im Norden und Nordwesten Safed und mehrere Dörfer auf den Anhöhen, auch die Spitze des waldigen Karmel und in der Ferne den Libanon. »Ver- gegenwärtigen wir uns diefe reizende Aussicht, die Un- bewölktheit des füdlichen Himmels, die feierliche Stille Die Bergpredigh J) Die Seligpreisungeim 57 des frühen Morgens , so geht aus dem allen hervor, daß es eine tief ergreifende Scene gewesen sein muß. (Tholuck.) Der ganze Austritt hat etwas traulich Ernstes, etwas Einnehmendes und Wllrdevolles: der offene Himmel über ihm, die ländliche Gegend umher bildeteu einen Natiirtempel; keine Syneigoge, selbst der Tempel der Hauptstadt nicht, konnte einen so feierlich tiefen Ein- druck machen. Nichts fand sich in dieser Umgebung, das zu den Formalitätem die den gewohnten Lehrvor- trag der Judenlehrer begleitet hätten, gehört; er setzt sich auf der Anhöhe nieder und fing, die nächst um ihn stehenden Jünger in’s Auge fassend, also an: ,,Selig sind die geistlich Armen« (Heß.) Ä— U. 3——16. Der ihCrr beginnt seine liiede mii einer Seligpreisung derer, die aiif die rechte Weise nach dem tjimmelreiox das zn stiften er gekommen nnd dessen Verwirklichung nun seinen Anfang genommen, verlangen, die Früchte seiner Gerechtigkeit in ihrem Wandel er- weisen und die mit seinem Dienst verbundene Schmach und Verfolgung der Welt willig auf sikh nehmen; indem er nun da seine Sänger noih besonders in’s Auge faßt, legt er ihnen ihre hohe Bestimmung an’s Herz, als welche sie ohne den allerslhwerslen Schaden ihrer Seele nilht verleugnen können, vermöge welcher sie dagegen, wenn sie selbige rekht erfiillen würden, der Welt zum allergrößten Segen werden sollen. »Der erhabene Geist des Evangeliums, wie er gleich aus den ersten Worten der Berg-predigt uns nun-ein, offenbart sich a) in den hohen Derheißungem die sie uns anträgt, b) in den hohen Gesinnungem die sie uns annual, c) in der hohen Stellung, die sie uns anweist.« -3. Selig sind, die da geistlich sm ihrem Jn- neren oder dem Geiste nach] arm sind; denn das Himmelreich sdas nun geoffenbart werden soll Kap. 4, 17] ist ihr sihnen zum Besitz, bestimmt. Es fragt sich zunächst, auf was für eine Armuth dies »dem Geiste nach« Arm-sein zu beziehen sei: ob auf leibliche oder auf geistige Armuth? An leibliche Armuth denkt sowohl die katholische Kirche als auch Luther; und für diese Auslegung spricht einerseits der Umstand, daß in Luk. 6, 20.schlechthin von den Armen die Rede ist, ohne daß »dem Geiste nach« dabei stünde, wonach man zunächst an die in leibliche Armuth und äußeres Elend versunkenen Glieder des an sich schon unterdrückten und herabgekommenen Gottesvolks zu denken hätte, und andrerseits die Wahrnehmung, daß schon bei den Propheten und in den Psalmen immer die Elenden und Armen es sind, denen die Glückseligkeit des messianischen Reichs verheißen wird (Ps. 37, 11; Ies. 61, 1). Während nun die katholische Kirche die nähere Bestimmung »dem Geiste nach« auf eine »frei- willig« übernommene Armuth (Kap. l9, 21) deutete und darauf das conciljum evangeliciim panpertatis voluntariae (den evangelischen Rath freiwilliger Armuth, wie die Bettelmönche ihn befolgen) gründete, faßt Luther 'die Sache tiefer und meint das »geiftlich arm« so, daß es bedeute: ,,nicht mit dem Muth (Herzen) an dem Gute hangen, Gott gebe du hast Gut oder hast nichts; gleichwie ,,reich im Geist« heißt, mit dem Herzen am Gut hangen, Gott gebe, du hast Gut oder hast nichts (Ps. 62, 11). Denn auch die ärmsten Bettler, die doch gar nichts haben, stehen mit ihrem ganzen Muth nach Gut und Geld, stecken im Herzen so voll Geizes und Hungers, daß sie die aller eizigsten Men- schen werden, wo sie ein wenig Guts ü erkommenz da- J en findet man vermögliche, reiche Leute, die gute Fristen sind, Gottes Wort gern hören, einen gottseligen Wandel führen und armen Leuten viel Gutes thun. Darum läßt es der Err dabei nicht bleiben, daß er spräche: Selig seid ir Armen! sondern setzt hinzu: Selig sind, die da im Geist oder geistlich arm sind, d. i. die nicht sicher sind, die Gott vor Augen haben, nicht in Wind hin leben wie die Welt, sondern haben Acht auf ihr Thun und Lassen, halten es sein gegen das Wort und sehen, wie die Natur durch die Sünde so verderbt ist, daß es nirgend mit dem rechten Gehor- sam hernach will, gehen in den Gedanken, als wären sie die größten Sünder. Wohl euch, spricht der HErr, ihr seid auf der rechten Bahn zum Himmel« Zu dieser Auffassung, welche unter den geistlich Armen solche ver- steht, die, mögen sie äußerlich arm oder reich sein, in ihrem Jnneren los von ihrem Besitzthum, also »dem Herzen nach« arm sind, stimmen die Worte in 1. Cor. 7, 29 ff.; Jak. 1, 9 f.; Jerem I, 23 f.; sie weist aber von sich selber schon hinaus zu der anderen Fassung, da man hier an geistige Armuth denkt, wie denn Luther auch weiter schreibt: »daß also geistlich-arm-sein anders nichts ist, denn ein zerschlagen, geängstet Herz und Geist haben um der Sünden nnd angeborenen Schwachheit willen« Hier ist die Rede nicht von leib- licher oder weltlicher Armuth, sagt Menken zu Gunsten dieser anderen Deutung; die nimmt und giebt dem Menschen ebensowenig etwas vor Gott, als der irdische Reichthum «— hier ist die Rede von ,,geistlicher Armuth« Und worin besteht die? Arm überhaupt ist ein Mensch, der dasjenige, was er bedarf, selbst nicht hat nnd es bei einem Andern suchen, von einem Andern empfangen muß. Geistlich-arm ist ein Mensch, der für seine Seele nicht das Nöthige hat, der die vornehmsten Be- dürfnisse des Geistes nicht befriedigen und stillen kann, dem es mangelt an Erkenntniß, an Trost, an Ruhe, an Kraft, an Geist oder göttlichem Leben; der einsiehet und tief empfindet, daß es ihm in Riicksicht auf den Geist eben an allem fehle, daß er nicht im Stande sei, sich selbst das Nöthigste und Beste zu verschaffen, die Gnade und Gemeinschaft Gottes, Gerechtigkeit, ewiges Leben, Freiheit von Sünde und Tod, daß ihm das alles fehle, daß er es bei einein Andern suchen und erbitten müsse, und der in solcher Erkenntniß, die den Menschen recht mit sich selbst bekannt und ihn nüchtern und demüthig macht, verlangt, daß doch dieser Armuth in ihm möge abgeholfen werden, seine Zuflucht zu Gott nimmt und ihr abzuhelfen sucht durch Bitte und Gebet zu Gott, durch Anschließen an göttliche Menschen, die am Geist reich sind, durch eifrige Ergreifung und Benutzung jeder Gelegenheit nnd Anstalt, wodurch er für seinen Geist etwas gewinnen kann, allermeist aber durch den Glau- ben an Jesum Christum als an denjenigen, aus dessen Fülle alle, deren geistlicher Armuth schon abgeholfen worden, genommen haben Gabe um Gabe , und aus dessen unausforfchlichem Reichthum fort und fort alle geistlich Armen alles erlangen können, was sie bedürfen, Ja geistlich reich werden können. Siehe, das sind die geistlich Armen, die Jesus selig preist! find alle Menschen geistlich arm, wie sie alle krank sind, und je weniger einer seine Armuth am Geiste er- kennt, desto ärmer ist er, je weniger er seine Krankheit fühlt, desto kränker ist er; wie esim Jrdifchen um das Vermögen des Mannes am übelften steht, der die Zer- rüttung desselben nicht einsieht, und wie der Kranke nur umsoviel gesährlicher krank ist, der seiner Krankheit nicht achtend oder in der Hitze und Phantasie des Fiebers von Krankheit, Arzt und Arzenei nichts wissen will.« Wenn man den Ausdruck: ,,arm am Geist« auch in dem Sinne von ,,arm an geistigen Anlagen und geisti- ger Bildung« hat verstehen wollen, so ist das zwar sprachlich unzulässig, weil das Wort ,,Geist« niemals in diesem Sinne von der heil. Schrift gebraucht wird: Denn freilich zermalmt.« 58 Evangelium Marthe« s, 4. 5. wohl aber liegt sachlich etwas Richtiges in dieser Auf- fassung, und nun können wir sämmtliche Ausleg1cngen (mit Ausnahme der von der freiwilligen Armuth, in Beziehung auf welche Augustims Wort gilt: ,,Es giebt Viele, welche leichter alle ihre Güter unter die Arnieti vertheilen, als daß sie seldst Arme Gottes werden möch- ten«) dahin Zusammenfassen: Arme sind die irdisch Armen im« weitesten Sinne, denen es entweder an Geld und Gut, Ehre und Stellung, Geistesanlageti und Bil- dnn geradezu fehlt, oder aber, wenn sie das alles oder wenigstens dies und das davon besitzen, es doch nur haben, als hätten sie nicht; zu geistlich Armen werden sie dann dadurch werden, daß sie ihre Armuth an den Gütern dieser Welt zum Trachten nach den Gütern des Himmelreichs sich dienen lassen. —- Was hierauf den Ausdruck Himmelreich betrifft, so findet er sich nur bei Yiatthäus; gewöhnlich steht dafür: Reich Gottes, oder schlechtweg: Reich (d. i. Gottes, Luk. 12, 32), bis- weilen auch: Reich Christi (Kap. 20, 21; Ephes S, 5; Z. Petri 1, 11), wofür wiederum steht: Reich des Meu- schensohnes (Kap. Dis, 41), oder: das Reich Davids (Mark. 11, 10). Jni allgemeinen Sinne des Worts umfaßt das Reich Gottes die ganze Welt, die ficht- bare und die Unsichtbare, die jetzige und die zukünftige, mit allem, was auf nnd in ihr ist (1. Chron. 30, 11; Pf. los, 19); Gott herrscht da vermöge seiner Allmacht. es waltet das Gesetz; der Nothwendigkeih der unum- schränkte Wille Gottes, und sind demselben auch die Mächte der Finsternis; unterworfen, so daß aller Wider- stand fruchtlos ist und selbst, was zur Verhindernng seiner Absichten unternommen wird , ihnen zur Förde- rung und Verwirklichung dienen muß. Man nennt dies das Macht- oder Naturreich, und erstreckt sich die Gewalt, die des Menschen Sohne im Stande der Er- höhung ·egeben ist, auch über dieses Reich (Kap. 28, 18; Ephes l, 21 f.; Philipp. Z, 9 f.); er herrscht unter seinen Feinden, indem er sie zurücktreibt oder in Schranken hält und sich ihrer, je nachdem er will, als seiner Werkzeuge bedient, bis er zuletzt sie stürzt nnd machtlos zum Schemel seiner Füße legt (Ps. 2, 9; 110, L; I. Cor. 15, 25). Wenn nun aber in dem allge- meinen Gebiete der Gottesherrfchaft es sowohl in der sichtbare1i als in der unsichtbaren Welt geistige, mit eigener Willenseiitscheidung begabte Wesen giebt — die Menschen hienieden und die Engel droben: so muß es auch noch ein Reich Gottes im besonderen Sinne des Worts geben, und das theilt sich in. das Reich der Gnade und das Reich der Herrlichkeit. Zu dem letzteren gehören alle Bürger des Himmels, die guten Engel und die vollendeten Gerechten aus allen Gefchlech- tern der Menschen (Ephes. 1,10); während es aber bei jenen schon da ist, wie wir in der Z. Bitte des heil. Vater- unsers uns erinnern, kann es auf Seiten der Menschen erst zu feiner Verwirklichuiig kommen, wenn die Ent- wickelungsgeschichte des Gnadenreiches zu ihrem Abschluß gelangt ist. Das Reich Gottes in diesem besonderen Sinne ,,ist der Zweck« der göttlichen Welterschaffung, und das Ziel der göttlichen Weltregierung; es ist die unsichtbare Wurzel, welche die Weltreiche hält und trägt, und die Unsichtbare Kraft, welche Weltreiche schlägt und Gegründet gleich mit der Erschaffung des ersten Nienscheti zu einem seligen Unterthan Gottes und zu einem beseligenden Herrn der Natur, erlitt das Reich Gottes auf Erden durch den Siindenfall zwar eine roße Störung , ward aber keineswegs dadurch ausge- oben; wenn auch nicht mehr ein Reich ungehinderter Gottesherrschaft, war es doch noch da als ein Reich mächtiger Geistes-Wirkungen. so daß Henoch in der Ge- meinschaft mit Gott ein Leben führen konnte, welches ihn über den Tod erhob und aus dem Wege der Ver- klärung in den Himmel einführte (1. Mos. 5, 24). Die Geschichte des Reiches Gottes von der Austreibun der Menschen aus dem Paradiese an bis zur Wegfü rung der Kinder Israel nach Babel läßt sich füglich in 5 Perioden theilen, von denen znnächst die beiden ersten, und dann die drei folgenden, in näherer Beziehung zu einander stehen: war die Zeit vom Paradiese bis zur Sündflnth eine Zeit der Zucht nnd Strafe durch den Geist Gottes, welche mit dem Resultate schließt: »Die Menschen wollen sich meinen Geist nicht mehr strafen lassen, denn sie sind Fleisch« (1. Mos. s, 3); so folgt nunmehr bis zum Thurmbau zu Babel die Zeit der Geduld und Einschränkung, indem Gott einerseits die Sünde des Menschen unter seine schonende Geduld nimmt, sie, weil er sie nicht innerlich durch seinen Geist überwinden kann, äußerlich auf die Oberfläche hervor- treten und sich frei entwickeln läßt, wie ein Arzt das Gift der Krankheit, das er nicht innerlich zu dämpfen vermag, in einem Ausschlag nach außen treibt, andrer- seits aber auch der Macht dieser Entwickelung gewisse Schranken setzt , denn der Geist des Menschen ist nun machtloser, der Körper schwächer, das Alter kürzer, die Abhängigkeit von der Creatur größer als im vorfünd- flutlichen Zeitalten Vom Thurmbau bis zum Auszug ans Egypten haben wir die Zeit der Bildung und Aus- sonderung einer besonderen Familie, wo Gott als Fami ri.engott erscheint; an sie schließt sich vom Ein- zug in Canaan an bis auf Samuel die Zeit der Ver- pflanzung des Reiches Gottes in ein bestimmtes Land , Gott wird nun Vo lksgott; dann tritt bis zur Weg- führung Jsraels nach Babel die Zeit der Herrschaft Gottes durch Könige neben Priestern und Propheten ein, Gott ist da sozusagen Staatsgott. Eine ganz neue Epoche beginnt: es ist die der Weltreiche, über deren Entwicke- lungsgefchichte wir beim Propheten Daniel Aufschluß erlangen. Wie einst zwischen die Verheißung und ihre Erfüllung für Israel das Gesetz zwischen eingekommen (Gal. Z, 17 ff.), so werden jetzt zwischen das Reich Gottes in seiner letzten wahren Gestalt die Reiche dieser Welt eingeschoben; und wie das Gesetz ein Zuchtmeister sein sollte auf Christum, so sollen die Weltreiche denselben Zweck für die ganze Völkerwelt erfüllen. Auf der einen Seite soll unter ihnen alle Menschenkraft und alle Welt- kunft sich entfalten und es versuchen , ob sie die wahre Glückseligkeit herbeizuführen vermögen; auf der andern Seite aber auch die Menschheit durch ihre Dahingabe an alles, was in der Welt ist (1. Joh. 2 , 16) , das Unbefriedigende darin erkennen und empfinden lernen, damit wenigstens etliche nach dem, was nicht von dieser Welt ist, sich sehnen möchten. Von dieser Betrachtung aus wird es leicht verständlich, warum das Reich Got- tes an der Pforte des neuen Testaments, in dem ersten von den 4 Evangelien, sich als das ,,Reich der Himmel« oder als Himmelreich, wie Luther tibersetzt, ankündigt (Kap. Z, Z; 4, 17); als ein solches hat es sich ja in einem derletzten Bücher des alten Bandes, und zwar in dem, welches sich vorzugsweise mit den Weltmonan chien beschäftigt, characterisirt, insofern es im Himmel feinen Ursprung hat, himmlische Art n11d himmlisches Wesen an sich trägt, vom Himmel herab geoffenbart wird , alle Macht Und Gewalt unter dem Himmel für sich in Besitz nimmt nnd endlich in die Ewigkeit des Himmels ausläuft (Dau. Z, 447 7, 13 s. 27). Daß nun aber gerade Matthäus, der Evangelist der Juden- christen, die in Rede stehende Bezeichnung ausgeprägt hat, erklärt sich aus dem Gegensatz gegen die unter den Juden herrschendeu falschen Vorstellungen von einem irdischen, weltlichen Machtreich, dessen Aufrichtung sie von ihrem Messias erwarteten; diese Vorstellungen wa- ren die Decke vor dem Herzen Jsraels, daß es seinen Heiland nicht erkannte, doch weder der HErr selber noch sein Vorläufer haben solche Vorstellungen jemals genährt, sondern gleich von vornherein von nichts anderem als einem Himmelreich geredet. Für uns, die Christen der Gegenwart, die wir von Haus aus gewöhnt sind, das Reich Christi im Sinne seines Worts: ,,mein Reich ist nicht von dieser Welt« zu betrachten, behält der Aus- druck ,,Himmelreich« gleichwohl seine volle Bedeutung. Vom Himmel aus regiert der HErr seine Kirche wäh- rend der ganzen Zeit, die zwischen dem ersten Psingstsesh wo er ste gestiftet hat, und deni Tage seiner Zukunft, wo er ste vollendet, liegt; ihre Geschichte in dieser Zeit ist ein Nachbild seines eigenen Ganges, den er durch die Welt genommen, ein Lebenslauf im Stande der Ernie- drigung, in welchem sie vom Himmel aus gesegnet, für den Himmel erzogen und einst auch in den Himmel ein- eführt wird; wie der Himmel über ihr offen steht, so hat sie auch ihren Wandel im Himmel, und ob sie gleich auf Erden noch kämpft und duldet, wird doch die Scheidung zwischen oberer und 1interer, zwischen strei- tender und triumphirender Gemeinde einmal aufgehoben und das Reich der von der Sünde freigebliebenen hei- ligen Engel und das Reich der von der Sünde erlösten, geheiligten Menschen auch in äußerer Erscheinung zu einer Einheit zusammengefchlossen werden. Daß an unsrer Stelle das Himmelreich, das der HErr den geist- lich Armen zusagt, speziell die ganze Fülle des Reich- thums an geistlichen, himmlischen Gütern, welche dieses Reich in sich begreift und die man wiederum in die drei Worte: Vergebung der Sünden, Leben und Selig- keit Zusammenfassen kann, bedeute, bedarf wohl kaum der Erinnerung. 4. Selig sind, die da [mit jener göttlichen Traurigkeit L. Cor. 7, 10., welche vom Geiste Gottes im Herzen angerichtet und auf Wiederer- langung der verscherzten Gnade und Gemeinschaft Gottes hingerichtet ist] Leid tragen; denn sie sollen [da nun der Trost Jsrciels Luk. 2, 25 erscheint, der alles Leid und Sehnen des Herzens stillt] ge- tröstet werden [dem Anfange nach schon im Reiche der Gnade, auf vollkommene und iiberschwängliche Weise aber im Reiche der Herrlichkeit Jes. 4(), l; 61, 2; 66, 10 f.]. Luther denkt in V. 4 bei dem Leidtragen, wie in V. 3 bei dem geistlich Armsein, zunächst an äußeres Leid: Gleichwie der geistlich arm heißer, nicht, der kein Geld hat, sondern der nicht danach geizt, noch seinen Trost noch Trotz drauf feiger, also auch heißt das Leid- tragen und Trauern nicht, der äußerlich immer den Kopf hängt, sauer sieht nnd nimmermehr lacht. sondern der seinen Trost nicht darauf setzet, daß er hier nur gute Tage habe und im Saufe lebe, wie die Welt thun« Er geht aber auch hier schon selbst zu der andern Er- klärung von innerem oder geistlichem Leid über, wenn er fortfährtt Es ist das Trauern und Leidetragen nicht ein seltsam Kraut bei den Christen , ob es gleich ans- wendig nicht scheintx denn sie müssen täglich sehen und fühlen im Herzen, wenn sie die Welt ansehen, soviel Bosheit, Muthwillen, Verachtung nnd Lästernng Gottes nnd seines Worts , daz1i so viel Jammer nnd Unglück, so der Teufel anrichtet, beide im geistlichen und welt- lichen Regiment, daß sie nicht viel fröhliche Gedanken haben können und ihre geistliche Freude sehr schwach ist.« Hiermit stimmt denn, was wir bei Menken lesen: Es giebt ein Leiden des Gemüths, eine Traurigkeit des Herzens, da der Mensch eigentlich nicht weiß, was ihn etrübet, soviel aber gewiß weiß, daß es nichts Irdi- Die Seligpreisungen Fortsetzung) » 59 fches, keine Sache und Angelegenheit dieser Welt ist. In seiner Seele ist etwas rege geworden , ein Bedürfniß, ein Verlangen, und alles, was ihn sonst vergnügte und sättigte, das will nun nicht mehr hinreiihen; es ist ihm, als ob »die ganze Welt ihn nicht vergnügeii könnte! Diesem inneren Leiden liegt ein tiefes Gefiihl von der Richtigkeit alles vergänglichen Wesens und eine Ahnung von der Ewigkeit, ein verborgener Hunger und Durst nach Gott und ewigem Leben zu Grunde. Solche Be- trübte, solche Leidtragende, für die die Welt nichts hat, die preiset Jesus selig, aber nicht um des Leidens willen an und für sich, sondern um des Trostes, um der Freude willen, die darauf folgen soll: das Bedürfnis; wird selig gepriesen um der Befriedigung willen, die für dasselbe in dem unausforschlichetn Reichthum Christi vorhanden ist.« Hierzu geben wir noch einige Bemer- kungen —- zuerst von Augustinus (zu Pf. 137): ,,Viele weinen mit babylouischem Weinen, weil sie auch mit babhlonischer Freude sich freuen; denn wenn man sich freuet über Gewinn und weinet über Verlust, so ist beides nach babylonischer Art. Weinen mußt du, aber von daher, daß du an Zion gedenkest;« sodann von Heubner: ,,Jminer müssen wir uns erinnern an Osfeiib.7,17 u. 21, 4: Gott wird abwischeti alle Thrä- nen von ihren Augen. Wer hier keine geweint, dem können keine abgewischt«werden;« endlich über den gan- zen Spruch v·on Kögeb ,,Wo kein Leid ist, wächst kein Trost; nicht jedem Leid foll Trost erwachsen; doch soll Gottes Trost auch dem herbsten Leid gewachsen sein.« s. Selig sind die Sanfmitthigen [die, zufrie- den und stille in dem Gotteihres Lebens, äußerliche Vortheile gern aufgeben , wenn sie dadurch Haß und Zwietracht vermeiden können, und, auf alle eigenen Ansprüche verzichtend, nur die Beförderung der Ehre Gottes und des Seelenheils ihres Näch- sten im Auge haben 1. Mos. 6 , 12 ff.; 4. M. 12, 3]; denn sie werden das Erdreich sdas die widergöttliche Selbstsucht sich anmaßt und für sich auszudeuten sucht, als ihnen einst von selber zu- fallend] besiszeU lPs 37, 11]. »Die drei ersten Seligpreisuiigen sind paradoxe Sätze, d. h. solche, die beim ersten Blick verkehrt und unwahr scheinen, und doch durchaus richtig und wahr sind. Es ist ja eine sonderbare Rede: Selig sind die Armen, die Leide11den, die Schwachen! Die Vernunft denkt das Gegentheil: Selig sind die Reichen, die Fröhlichem die Gewaltigen! Nach der Natur gehen die Armen, die Leidenden, die Duldenden leer aus; aber hier ist hoher Trost für sie —— für sie ist das Evangelium ganz be- sonders da, mit ihnen vorzüglich beschäftigt sich die An- stalt der Gnade« Die Welt vermeint die Erde zu besitzen und das Jhre zu schützen, wenn sie Gewalt übt; aber Christus lehrt, daß man· die Erde mit Sanftmüthigkeit besitze. (Randglosse.) Nicht zu verwechseln ist die Sanftmuth a) mit der Lauheit (1». Sam. s, 13; Floh. 2, 14 ff«; Offenb. Z, 15 f.), b) minder Feigheit (Röm. 13, 4; Jef. 56, 10; Joh. 10 ,·12 f.) , o) mit jener äußeren Ruhe, die bei dem Einen die werthlose Frucht Phleg- matischen Temperaments ist, bei dem Andern das Zei- chen heranrückenden Alters; bei dem Einen in kalter, tückischer Berechnung eine Zeit lang erheuchelt, bis aus dem umgehäiigten Schasskleide die Wolsskralle heraus- fährt, bei dem Andern der Triumph hochmüthiger Schadensreude über die Erregtheit des Nächsten; bei dem Einen ein Stillebleiben in einzelnen Fällen und gegen manche Leute bis zum Augenblick der Probe, bei 60 Evangelium Matthäi s, 6-—9. dem Andern eine gewisse Gewöhnung und Selbstzuchh aber nicht vom Grunde eines weich und neu eworde- nen Herzens. Die edle Blume der Sanftmuy wächst, wie Rambach sagt, nur an Einem Orte—- auf dem Grabe des Hochmuths (Kögel.) Sanstmuth zunächst im engeren Sinne bezeichnet das Gegentheil des Zorns, der schnell zu reden ist und langsam zu hören (Jak. l, 19. 21), vornehmlich aber jenen Lammesfinn, den wir an dem HErrn Jesu überall seinen Widersachern gegen- über sehen, daß er nicht wieder fchalt, da er gescholten ward, nicht dräuete da er litte (1. Petri 2, 23). Sanft- muth steht also im innigsten Bund mit der Geduld, wo- mit Christen nicht blos sich unter einander vertragen sollen (Ephes. 4, 2), sondern womit sie auch das Böse sollen tragen können, ja die Bösen, wenn sie uns wehe thun, uns persönlich beleidigen (2. Tim. Z, 24); darum ist aber Sanstmuth nicht dasselbe, was Geduld, sondern während letztere das Tragen des Bösen ist, wie es sich als thätige Uebung offenbar zeigt, ist Sanstmuth der inwendige Gesinnungsgrund, nämlich die Willigkeit zu leiden und zu vergeben, und der Friedenshauch aus Gott, den diese Willigkeit über das ganze auswendig sich darstellende Dulden verbreitet (1. Petri Z, 4). Den Begriff der Sanstmuth im weiteren Sinne erkennen wir demnächst aus der Stelle: Kap. 1I, 28 ff., wo Jesus sich selber den Sanftmüthigen und von Herzen Demüthigen nennt und sein Joch als ein sanftes preist. So aber nennt er sich , weil er der Mann ist für die Mühseligen und Beladenen , der den Drang der Liebe hat, mit solchen miideiy von ihrem inneren und äußeren Elend gedrückten Seelen das rechte erquickende Wort zu reden. Niemand nimmt sich ihrer an, niemand versteht sie, jedermann werden sie mit ihren Klagen und Aeng- sten eine Last; aber Er neigt sich zu ihnen herab und will ihnen Ruhe geben und das ist feine Sanstmuth. Dieser selbe weitere Begriff seiner Sanstmuth, wonach Er, der Hohe und Erhabene , und der Gerechte und Eifrige, der über die Unbußfertigen das Wehe ruft (Kap. 1l, 2l), sich herunterhält zu den Niedrigen und Gebeugten und sich bei ihnen keine Geduld der Liebe zu viel sein läßt, kehrt auch in Kap. 21, 5 wieder, wenn der Evangelist dort in der Art und Weise seines letzten feierlichen Einzugs in Jerusalem das Prophetenworn Such. 9, 9 erfitllt sieht; hier steht fanftmüthig für arm, elend, d. i. der ohne allen Aufwand und Glanz der Welt einherzieht Somit ist es auch hier keineswegs nur der Ausdruck seines still tragenden Lammessinns " gegenüber den einden und ihren Schlägen und Mar- tern, sondern ü erhaupt der Ausdruck für den ganzen Character seiner Heilandserscheinung, für sein Sichher- unterhalten zu den Niedrigen und für seine, von dem Gesetz» so völlig verschiedene Art, das zerstoßene Rohr nicht zu zerbrechen und das glimmende Docht nicht auszulöschen, nicht die Gerechtigkeit der Gerechten zu suchen, sondern den armen Sündern Heil und Leben zu bringen. Ebenso sind nun auch die Sanftmüthigen an unsrer Stelle anzusehen, denen der Besitz des Erdreichs verheißen ist; ein Blick auf Pf. 37, 11 lehrt, daß die Sanftmüthigen hier die Elenden des alten Bundes sind. Zwar steht das Wort hier zunächst nicht im aktiven Sinne, wie beim HErrn selbst, von denen, die sich zu den Niedrigen herunterhalten, sie zu erquicken (vgl. da- gegen Gal. 6, 1); wohl aber im passiven Sinne zur Bezeichnung solcher, welche das sie stechende und züch- tigende Wort Gottes mit Sanstmuth annehmen (Jak. 1, 21), d. h., wie Rambach sagt, mit einem durch die Erkenntnis; seines Elends und die überschwengliche Gnade Gottes dergestalt geschmeidig, zahm, gelinde, beugsam und traktabel (behandelungsfähig) gemachten Herzen, daß dessen natürliche Rauhigkeit, sein starres, wildes , ungebrochenes Wesen verfchwunden ist. (Klett.) Sanftmüthig bedeutet nicht blos einen, der geduldig Beleidigungen erträgt, sondern überhaupt klein, niedrig gesinnt: diese Demüthigen, sagt Pf. 37 , 1l. , werden zuletzt unter dem Volke Gottes dennoch die Herrschaft erhalten, das gelobte Land besitzen. Das irdische Canaan war aber selbst nur das verheißende Vorbild des verklärten Wohnorts der Kinder Gottes (Röm. 4, 13; Hebt. 4, 9). Der Besitz dieses Erbes beginnt geistlich schon dadurch, daß den Gläubigen alles ge- hört, alles nur zu ihrer Seligkeit dient (1. Tor. Z, 21ff.; Röm. 8, 28), auch im Erliegen der endliche Sieg ihnen gewiß bleibt; irdisch dadurch, das; die Gemeine des HErrn alle Reiche der Welt überdauert (Dan. 7, 17 f.) und selbst einmal das allumfassende Reich Gottes auf dieser Welt werden wird; und er wird vollendet, wenn Christus, unser Leben, offenbar wird, und wir mit ihm offenbar werden in der Herrlichkein (v. Gerlach.) 6. Selig sind, die da [wie einen Hungrigen nach Brod und einen Durstigen nach einem Labe- trunk Pf. 42, 2 f«; 63, 2] hungert und durstet nach der Gerechtigkeit seines Gott ganz geheiligten und ihm wohlgefälligen Lebens Luk. 1, 75]; denn sie sollen sindem ihnen zuvörderst die« Gerechtigkeit des Glaubens gebracht werden wird, diese aber den neuen Gehorsam in ihnen wirkt, der sich end- lich zu vollkommener Heiligkeit nnd Gerechtigkeit ent- faltet Rönn 8, 1 ff.; 2. Petri 3, 13; Jes. 60, 21., durch Stillung ihres tiefsten BedürfUisseSJ satt wet- den [Ps. 17, 15]. Die Armen an Geist und die Leidtragenden haben schon Gerechtigkeit, die Gerechtigkeit des Glaubens; sie sind durch den Glauben an den Mittler des mensch- lichen Geschlechts, Jesus Christus, gerechtfertigt und er- langen Vergebung ihrer Sünden (Röm. 5, 1f.). Wenn diese nun anfangen, die Sanstmuth zu erlangen, so fangen sie ihre Heiligung wirklich an; und nun soll bei ihnen aus der Gerechtigkeit des Glaubens auch eine Gerechtigkeit des Lebens hervorgehen. Es ist noch mancherlei feine Ungerechtigkeit in ihnen, die hinwegge- räumt werden muß; es giebt noch viele Arten der Ge- rechtigkeih die sie lernen und sich zu eigen machen müssen. Wenn sie nun nach aller ihnen mangelnden Gerechtigkeit ein tiefes Bedürfnis; haben, ein fehnendes Verlangen, wenn sie darnach hungert und dürstet, und sie mit Anwendung alles Fleißes darnach streben, so preiset der HErr Jesus sie selig. Sie haben keinen Gefallen an sich selbst, sie sind bei ihrer Erkenntnis; und Kraft zur Heiligung nicht satt, sondern sie haben sehr viel Bedürfniß; und so suchen sie viel, und so erlangen sie viel. Sie erkennen, daß ein Christ in diesem Leben durch die göttliche Gnade und Gabe von der Sünde frei werden kann, und halten es für eine große Selig- keit, von der Sünde frei zu werden. Sie haben das Ziel und das herrliche Kleinod am Ziele im Auge, und glauben nicht auf halbem Wege schon am Ziele zu sein; sie sind gesinnt, wie Paulus. gesinnt war,·als er sagte: Jch vergesse, was dahtnten ist u.s.w. (Philipp.3,13f.); Ia, sie sind gesinnt, wie Jesus Christus gesmnet war, als er sagte: also gebührt es uns , alle Gerechtigkeit zu erfüllen (Kap. 3 , 15). Selig preiset der HErr diese nach der Gerechtigkeit Hungernden und Dürstenden; denn sie sollen satt werden, all ihr edles Bedürfniß soll befriedigt, all ihr heiliges, süßes Verlangen soll· ge- ftillt, eben mit der Gerechtigkeit, wonach sie hungern und dürften, sollen sie gesättigt, sollen sie erfüllt werden (vgl. Jes. 55, 1 —3). Und eben mit dieser seiner Rede, Die Seligpreisungen. (Zweite Fortsetzung) » 61 die in Katz. 5 — 7 aufgeschrieben ist, macht der HErr schon den Anfang, die nach Gerechtigkeit Hungernden und Dürstenden mit Gerechtigkeit zu sättigen, indem er sie in dieser Rede eine bessere Gerechtigkeih als die sie bis dahin kunnten, eine bessere, als die der Pharisäer und Schriftgelehrten aller Zeiten, die wahre, die Gerechtigkeit der Genossen des Himmelreichs kennen lehrt und ihnen zeigt, wie sie dieselbe erlangen können. O Seligkeit, nicht nach Reichthum und Ehre und guten Tagen auf Erden verlangen, sondern verlangen nach Gerechtigkeit und damit gesättigt werden! (Menken.) 7. Selig sind die Barmherzigen [denen die Noth des Nächstem sie sei geistlich oder leiblich, so zu Herzen geht, als wäre es ihre eigene, und die dann solcher Noth mit Rath und That sich auch annehmen Röm. 12 , 15]; denn sie werden sin Betreff derjenigen Noth, die wirklich ihre eigene ist, theilweis schon von Seiten der Menschem im vollen Maße aber bei dem, deß die Barmherzigkeit ist Dass. 9, 9; Evhei 2, 4; Judä 211 Barmherzig- keit erlangen [ja selber der Gegenstand seines Er: barmens sein und von seiner Barmherzigkeit ganz und gar umfangen werden]. ,,Barmh»erzi·gkeit« als menschliche Tugend ist warmes, herzliches, inniges (Röm. l2 , 8) Mitleiden mit dem armen (wahrscheinlich von »arm« kommt das Wort her: be-armen; die Ableitung von ,,warmherzig« durch Berwechseluug der verwandten Anfangsbuchstaben ist mehr sinnreich als richtig), in leiblichem und geistlichem Elend schmachtenden Nächsten, das uns antreibt, ihm nach Kräften ohne selbstische Riicksichten oder parteiiszsche Unterschiede zu Hilfe zu kommen. Sie ist, wie die Liebe überhaupt, deren uneigennützigste Bethätigunlg ·sie ist, ein Hauptzug des Ebenbildes Gottes, ein A bild der göttlichen Barmherzigkeit gegen uns, durch die Sünde zeitlichem und ewigem Elend und Verderben anheim gefallene Mensch-en. (Leyrer.) Wie aus dem Meer eine Welle der andern, so folgt in Gott ein Erbarmen dem andern; sein Herz ist wie ein Abgrund einer tiefen Quelle, die immerdar fich ergießt und mit lauter Güte und Barmherzigkeit überfließt Er hat Barmherzigkeit nicht blos ftir Einen Betriibten und Nothleidenden, nicht blos für tausend oder zehntausend, sondern für alle; er hat Erbarmen nicht nur für etliche Tage oder Jahre, sondern von Anfang der Welt bis an’s Ende. (Scriver.) ,,Barmherzigkeit erlangen« ist etwas Höheres als Sündenver ebung, es ist besondere Zärtlichkeit und Freundlichkeit Gottes und Christi und der Engel: wo solche Barmherzige hinkommen, da beeifert fich die ganze Schöpfung, die ganze Creatur, ihnen Ehre zu beweisen. (Oettinger.) 8. Selig find, die [insofern sie aller Heuchelei und Falschheit von Herzen feind sind und Gott von Herzen meinen Pf. 24, Z; 32, L; 73, I; Johz l, 47] reines [d. i. lauter »gesinnten, aus- richtigen und einfältigen] Herzens sind , denn sie werden [dem Anfange nach schon hier in der Zeit, aus vollkommene Weise aber dereinst in der Ewig: keit] Gott schauen sindem er in ihnen als in einem reinen Spiegel sein Gesicht oder seine Gestalt wider- strahlen läßt, durch diese Verklärung in sein Bild sie aber« auch Augen bekommen, ihn zu sehen wie er ist 1. Cor.13,12; 2. C. Z, 18; I. Joh. Z, 2 U— Das sind Worte, die den Ernsten bange machen. Wer hat nicht blos einen reinen Wandel, sondern ein Herz rein von aller bösen Lust , Selbstsucht, Ehrgeiz? ein Herz, in welchem Gottes Liebe allein wohnt und kein unlauterer Trieb? ein Herz ohne alle Flecken? ohne Eigenwillen, ohne Einmischung fleischlicher Liebe in die geistliche, ohne parteiische Bevorzugung Mancher? ein Herz ohne fleischliche Bequemlichkeit? — Weil wir alle kein reines Herz haben, weil immer böse Gedanken und Regungen in uns aufsteigen, so gehört bei uns zur Reinheit des Herzens zuerst das , daß wir uns unsre Unreinigkeit eingeftehen, mit aufrichtiger Reue sie erken- nen, vor Gott ohne Falsch seien , nicht besser scheinen wollen als wir sind, und dann in Christo allein unsre Reinigung suchen, täglich inbrünstig zu Gott rufen, was in Pf. 5l,12 geschrieben steht, und ernstlich gegen die Sünde kämpfen. (Heubner.) Weil aber Christus die Tugenden einzeln auffiihrt und bereits von der Demuth, Sanftmuth , Barmherzigkeit geredet hat, so sieht er in diesem Spruch wohl auch auf etwas Besonderes hin, auf das, woran wir bei der Reinigkeit vorzugsweise zu denke1i pflegen, auf einen keuschen Sinn. Wer nun gern frei werden möchte von schnöden Fesseln, der komme zu Christo; und wer ringet und weinet, weil er nicht frei werden kann, der komme zu dem Gekreuzigtew Nichts, nichts tödtet die böse Lust besser, als der gläu- bige Anblick des leidenden Erlösers Mit den blutigen Nägeln seines Kreuzes kannst du dein eigen Fleisch kreuzigen sammt den Lüsten und-Begierden. Betrachte eine Stunde lang mit geöfsneter Seele deinen leidenden und sterbenden Versöhner, ob nicht alle wilde Lust ent- flieht, ob nicht neben der himmlischen Wärme dankbarer Liebe eine heilige Ktihle dein ganzes Herz durchgeht? Nun, lieber Christ, nimm nicht eine, sondern viele Stunden, zu solch ernster und seliger Betrachtung, und dein Gott segne sie dir! (Redenbacher.) Das ,,Schaue1i Gottes« ist das unmittelbare, auf der Willens- und Lebenseinheit ruhende Wissen um Gott; in diesem Schauen Gottes wird sich den Seligen das Geheimnis; aller göttlichen Gedanken, Wege und Werke erschließen und die ganze heilsgeschichtliche Vergangenheit zur leben- digen Gegenwart werden. Jnsofern aber dieses Schauen Gottes, in dem fich die Seligkeit concentrirt, vermittelt ist durch Christum, ist es nicht abstrakte Geistigkeit, son- dern harmonische Verbindung von Geist und Natur, von ethischer Gottesschönheit nnd leibhafter Gottesherr- lichkeit. (Tho»niasius.) v · » 9. Selig sind die Friedfertigen [die nicht blos, als die Friedsamen l. Mos. 34, 213 2. Cor.13, 11., ihrerseits Frieden halten und den Frieden nicht stören, sondern auch unter Andern den Frieden zu fördern suchen, ihn gleichsam auf die Fahrt bringen, zu ihm einladen Ephes 6, 15]; denn sie werden Gottes [des Friedestifters, der in Christo Jesu Friede gemacht hat zwischen sich und den Menschen und zwischen den Menschen unter einander Z. Cor. 5, 18 f.; Ephes 2, 14 ff.] Kinder heißen sals solche, die ihm nachgeartet sind, erkannt und dafür bei Menschen und Engeln gepriesen werden]. Es ist ein Zeichen von Leichtfertigkeit, wenn manche Ausleger so thun, als habe Luther nicht gewußt, daß zwischen den beiden Worten szgniiinol (Jak. Z, 17) und stmzwvroiol (an unsrer Stelle) ein Unterschied sei; diese Ausleger wissen nur ihrerseits nicht , daß Luther unter ,,friedfertig« etwas andres versteht, als unter ,,friedsam«, obgleich er fich deutlich genug in feiner Randglosse er- klärt hat: die Friedfertigen sind mehr, denn die Fried- 62 Evangelium Matthäi 5, 10——13. samen —- nämlich die den Frieden machen, fördern und erhalten unter Andern, wie Christus uns bei Gott hat Friede gemacht« Wir haben jetzt noch das Wort ,,jemand abfertigen«, d. i. ihn in Stand setzen, daß er seine Fahrt oder seinen Weg antreten kann, und in Z. Sam. 19, 17 lesen wir den Ausdruck ,,fich fertigen« in der Bedeutung: sich eilig auf die Fahrt machen; in Apostg. 12, 19 aber heißt es von Herodes, er hieß die Hüter ,,rechtfertigen«, d. i. zu Recht oder Gericht laden, gerichtlich belangen. Daraus ergiebt sich für die ,,Fried- fertigen« vollkommen derselbe Sinn, den das Wort des Grundtextes hat. —- Der Christ ein Mann des Friedens: I) er hat Frieden, Z) er hält Frieden, Z) er stiftet Frieden; oder mit andern Worten: er ist friedreich, friedsam, friedfertig. »So wenig wie als Kinder Gottes, werden wir als Friedfertige oder als Friedensstifter geboren; nein, allererst in der zwei- ten Geburt (Joh. Z, ff.) kommen wir selbst zum Frieden und setzen wir uns in den Stand zu dem einen, Frieden zu erhalten, wo er ist, und zu dem andern, Frieden zu stiften, da er fehlt. Schon alles früher (V. 3—8) Genannte hat sein Entstehen auf christlichem Lebensgebiet, steigt aus chriftlichem Lebensgrunde hervor; wollt ihr’s zulassen , dann sag ich, das sind die sechs Tagewerke der geistlichen Schöpfung (wie denn nament- lich des Christen Schöpfung auch darin der Schöpfung des Himmels und der Erde gleicht: aus nichts , aus nichts —- unser Leben ist nicht Entwickelung aus Knos- pen oder ein Bau aus vorliegenden Stoffen, sondern nach L. Cor. 5, 17: ist jemand in Christo, so ist er eine neue Creatur und das Alte vergangen; das Nichts wird wahrgenommen, die Armuth angesehn, empfunden: V. Z) , und der Friede , der Mann des Friedens wird am siebenten Tage geschaffen. Wer dann selbst des Friedens theilhaft geworden, der kann auch anders nicht, als ihn weiter tragen, und ist eiliges Fußes , in welchem Werk Christus selber gewesen, daß er auch da- rin erfunden werde. Was heißt denn Frieden stiften? Es heißt: das Himmelreich aufthun und sehen lassen den Frieden darin. Was wird hiernach unser Werk sein oder des Friedens Werk, in welchem er sich bewe- get? Dieses, daß wir fuchen an unserm Theil die Feindschaft des Sünders wider Gott aufzuheben. Doch es will auch hinabgegangen sein zu dem Werk, das ge- wöhnlich Friedestiften heißt; schon um des eben ge- nannten höheren Friedens willen muß es geschehen, auf daß derselbe könne Wurzel schlagen, was er nicht kann, wenn jemand Feindschaft wider einen Andern, Haß, Rache in seinem Herzen trägt, und was andere Namen hat, doch der Sache nach dasselbe ist. Ja, das muß fort, der Boden muß rein sein; die himmlische Pflanze wächft nimmermehr da, das Wetter muß vor- übergezogen sein, sonst stellt sich der Bogen des rie- dens nicht dar. (Cl. Harms.) Es ist das kein Wider- spruch, daß das Amt des Friedensstifters von der Gotteskindschaft abhängen soll , und andrerseits die Gotteskindschaft und ihr hehrer Name von dem Werk des Friedensstifters Die Verwandtschaft nnd Gemein- schaft mit Gott kann wachsen! umgekehrt, so jemand jener Welt Güter hat und siehet seinen Bruder friedlos darben und schließt sein Herz vor ihm zu, wie bleibt die Kindschaft Gottes bei ihm? Aus der Art schlagende Kinder können enterbt werden. Das Testament wird geöffnet, nnd stehe, da findet sich, daß der zum Erben Eingesetzte durch sein unverträgliches, unlauteres Wesen den heil. Geist betrübt, seine Gotteskindschaft verscherzt und einen andern Namen angenommen hat. (Kögel.) 10. Selig sind, die um Gerechtigkeit [um des Bekenntnisses und der Verkündigung des Evangelii oder um ihres Wandels in der Wahr- heit] willen svon denen, die dem Evangelio Gottes nicht glauben, sondern die Wahrheit in Ungerech- tigkeit aufhalten, mit Worten oder Werken] ver- folgt werden; denn das Himmelreich [als sicherer Bergungsorh der sie aufnimmt, wenn die Welt sie von sich hinaus-stößt, und als überreiches Schatz- haus, das Trost genug hat für alles Böse, das sie empfangen, und Ersatz für alles, was ihnen ge- nommen wird] ist ihr sund kann durch keine Viacht der Welt ihnen entrissen werden l. Petri 3, 13 f.]. 11. Selig seid [insonderheit] ihr smeine Jünger, die ich euch zum Apostelamt berufen habe V. 1], wenn euch [bei Ausrichtung dieses Amtes] die Menschen um meiuetwillen smit Wor- ten] fchmiihen und kmit Werken] verfolgen, und reden [weil sie das Ansehen nicht haben wollen, daß sie um Gerechtigkeit willen euch schmähen und verfolgen] allerlei Uebels wider euch sals wäret ihr Gotteslästereta Ausrührer, Verführer u. dgl.], so sie daran lngen [1. Petri 4, 14 ff] 12. Seid fröhlich Und getrost [ja, frohlocket vielmehr, siatt daß ihr euch betrüben solltet Apostg 5, 41], es wird euch [was ihr auf Erden um meinetwillen gethan und gelitten habt] im Himmel wohl belohnet werden sauch tretet ihr durch solches Geschmähet- und Verfolgtwerden hie- nieden schon ein in die ehrenvollste und edelste Ge- nossenschaft]. Denn also fmit Schmäh- und Droh- worten, mit Gefängniß und TodesurtheiU haben sie verfolget die Propheten, die vor euch [als meine Diener, mein Kommen in die Welt zuvor zu bezeugen] gewesen sind [und in dem Namen. des HCrrn zu König und Volk geredet haben Jak. 5, 10]. Die Krönung eines Christen mit Gnade und Barm- herzigkeit wird durch eine andere Krone, durch die von Dornen aus der Hand der Welt bestätigt. Die himm- lische Erklärung: ,,hier ist ein Kind Gottes« fordert das spottende Echo einer sich selbst verspottenden Welt heraus. (Kögel.) Auch das ist eine große, schwere Ver- folgung und das rechte Leiden der Christen, daß man sie auf’s Allerbitterfte und Giftigste lästert und schmähet; denn obwohl man andern Leuten auch Gewalt und Unrecht thut, läßt man ihnen doch ihren guten Namen. Aber hier ist’s nicht genug, daß man ihnen alle Marter und Plage anlegt, sondern man muß dazu ihren Namen auf’s Allerschändlichste anspeien und durchlästerm so daß die Welt noch herrlich rühme , wenn sie die Christen würgt, sie habe die ärgsten Buben hingerichtet, so die Erde nicht habe können tragen, und habe Gott den größten, angenehmsten Dienst gethan. Das scheint auch ein armer Handel zu sein; aber lasset euch nicht irren, spricht Christus, selige Leute seid ihr. Denn erstlich leidet ihr und habt’s doch nicht um die Welt verdient; darum leidet ihr um meinetwillen. Seid zufrieden, ich will’s euch wohl vergelten und reichlich bezahlen im Himmel; denn was auf Erden ist, wäre alles viel zu gering dazu. Es ist den lieben Propheten auch also gangen, die vor euch gewesen sind, und ihr haltet sie Die Seligpreisungen. (Schluß.) 63 für selige Leute. Also müßt ihr auch hinnach, daß ihr auch an den Ort kommet, da sie sind. Darum seid getrost: das Himmelreich ist euer, das könnet ihr nicht verlieren. (Luther.) Dem strengen Begriffe nach sind Lohn und Verdienst Wechselbegriffe: das Verdienst ist der Anspruch für geleistete Dienste , der Lohn das dem- selben entsprechende Gut. Daß das Wort an unsrer Stelle nicht in dieser Vegriffsstrenge gebraucht sein könne, ergiebt sich, von allem Andern abgesehen, schon daraus, daß in jenem Sinne nicht von Verdienst bei Gott die Rede sein kann, da vielmehr das Geschöpf durch feine Willenseinheit mit Gott nur sich selbst dient, gleichwie der, welcher aus der frischen Quelle trinken darf. Der Lohn der Christen aber ist nichts anderes als die Entfaltung ihres christlichen Lebensgrundes. Die wahre Tugend, die christliche Willenseinheit mit Gott leidet in dem Zusammenhange dieser Welt noch an einem Mißverhältnis; zwischen der inneren wesentlichen Glückseligkeit und der äußeren Erscheinung: erst in dem Zustande der vollkommenen Freiheit der Kinder Gottes wird dieses Mißverhältniß ausgeglichenx wenn nun die äußere Herrlichkeit der inneren ebenmäßig geworden, hat die christliche Tugend ihre vollendete Entfaltung und damit ihren Lohn erhalten. (Col. Z, 3 f.) Demnach ist der biblische Begriff des Lohns auf den der Ueberein- stimmung zwischen den Gütern des Reichs der Herr- lichkeit und den Bestrebungen im Reiche der Gnade zu- rückzuführen, ohne das unbiblische Moment des Ver- dienstes mit aufzunehmen. (Tholuck.) Es ist in diesen Seligpreisungen eine strenge, innere Ordnung; es wird nämlich darin der Ursprung, der Fortgang und die Vollendung oder Bewährung der christlichen Gerechtig- keit, somit also auch der Seligkeit beschrieben. Der Anfang geschieht durch Selbsterkenntniß und Demüthi- gnug: der Mensch muß in die geistliche Armuth ein- gehen, mit Schmerz feine Unwürdigkeit fühlen, was fich auch gleich in seinem Verhalten gegen Andere zeigt (V. 3——5). Der Fortgang ist ernstes Streben nach Gerechtigkeit und Gottgefälligkeih die sich beweist durch Menschenliebe, sowie nach Reinheit des Herzens und Heiligung, bei sich und bei Andern (V. 6—9). Die Vollendung geschieht durch Bewährung unter dem Kreuz, in Verfolgnngem besonders um Jesu willen, wozu den Christen der Gedanke an die zukünftige Ge- meinschaft mit dem Himmel stärkt (V. 10——12). Es ist also hierin der ganze innerliche Lebenslauf eines wahren Christen gezeichnet; das Ganze ist eine goldene Kette der Seligkeit vom ersten bis zum letzteu Gliede, es ist gleichsam die wahre Himmelsleiter Jakobs , deren erste Sprosse die Erde, die letzte den Himmel berührt. Der Stufengang nun, der hier befchrieben ist, ist bei Allen nöthig; keine Sprosse darf übersprungen werden, kein Glied aus der Kette darf fehlen. Auch darf die erste Stufe durchaus nicht als ein bloßer Durchgangspiinkt angesehen werden; die geistliche Armuth und Trauer ist vielmehr der bleibende Grundzug des christlichen Cha- racters, sie ist der Grund des Gebäudes —- willst du den Grund wegreißen, wenn das Gebäude fertig ist? (Heubner.) · » , · » · Es fragt s1ch, wieviel Sel1gpreisungen(griech. Maka- rismen) wir zählen sollen? Wollte man äußerlich rech- nen, wie oft das Wort ,,selig« vorkommt (V. 3—11), so würden ihrer neun sein; aber V. II ist offenbar nur eine nähere Entfaltung des« schon in V. I0 ausge- sprochenen Gedankens unter besonderer Anwendung auf die ersten Jljnger des HErrn, daher nicht eigens zu zählen. Besser thäte man, man zählte dann auch V.12 noch besonders, wie Delitzsch vorgeschlagen hat, der das »Seid fröhlich und getrost« als volltöneiides Finale des Ganzen betrachtet und so zehn Seligpreisungen heraus- bringt — ein Gegenbild der zehn Worte im Gesetz: II. Pius. 20, ·2——17. Andere dagegen lassen auch V. 10 nicht mehr als eigenen Makarismus gelten, sondern schließen schon in V. F) -ab, weil die Verheißung des Versest »denn das Himmelreich ist ihr« mit denselben Worten in V. 10 wiederkehrt, auch der Gedanke dieses Verses nichts weiter sei, als eine Zusammenfassung des Vorhergehenden in dem Begriff der Gerechtigkeit des Himmelreichs nach ihrem Verhältnis; zu den Verfolgern, gleichwie der 11. Vers eine Beschreibung der Gerechten nach ihrem Verhältniß zu Christi Person enthalte. Diese Zählung von sieben Seligpreisungen ist die älteste und hat in der zheiligkeit der Siebenzahl einen mächtigen Stiitzpunky dennoch möchten wir es vorziehen, mit Luther und vielen Andern acht Sprüche zu zählen: l) weil in Luk. 6 , 20 — 26 den vier Seligpreisungen eben so viele Weherufe entsprechen, damit also die Acht- zahl dentlich genug als diejenige, welche der HErr im Auge hatte, gekennzeichnet ist; Z) weil auch bei unserm Evangelisteii in Kap. 23, 13—I«·«3 ein achtfaches ,,Wehe euch« in unverkennbarer Riickbeziehting steht zu dem ,,Selig sind« an unsrer Stelle. »So hatte Moses schon dein Volk Israel vorgelegt beides, den Segen und den Fluch, das Leben und den Tod (5. Mos. 30); nun möchten sie wählen. Ebenso wird auch uns vorgelegt, das eine wie das andere, was wir denn wollen, eins von beiden; nicht steht es so , daß wir des einen uns weigern können, aber deshalb nicht das andere über uns ziehen, d. h. die Seligkeit nicht annehmen, ohne deshalb in die Verdammniß zu fallen (Hebr. 2, 3). Dazwischen stehen wir in der That; und ich wüßte nicht, was im Wege wäre, daß wir nicht sollten die Zahl gegen die Zahl halten, die Seligkeit für so groß wie die Unseligkeih und die Unseligkeit für so groß wie die Seligkeit achten. (Cl. Harms.) Endlich B) entspricht die eine Hälfte der 8 Seligpreisungen genau der andern Pälftex »Die ersten vier gehen auf solche, die im Suchen egriffen sind, die vier letzten auf solche, welche auf die rechte Art das Gefundene bewahren; die ersten find gleichsam die enge Pforte, die letzten der schmale Weg zum Himmelreich. Ho. Gerlach.) « 13. Ihr smeme Jünger, so Schltmmes euch auch in der Welt erwartet V. 11 f., dürft euch darum doch nicht von der Welt zurückziehen, son- dern habt im Gegentheil den Beruf, mitten in dieselbe hineinzutreten; denn ihr] seid das Salz der Erde ldazu bestimmt, der schon beginnendeti Fäuluiß der alten Welt zu wehren, und dieser neue Gesundheit und Wohlgeschmack zu vermittelst, Z. Oslios L, 13 Anm.; Z. Kön. L, 19 ff.]. Wo H. v. a. wenn] nun das Salz dumm [geschmack- und kraftlos, matt und stumpf] wird, womit fmit welchem andern Vtittei. das seine Stelle ersetzen könnte] soll man sahen? sDas wäre aber nicht blos ein unermeßlicher Schaden für den, der des Salzes sich bedienen will, sondern auch für das Salz selber:] Es ist [während man andere ver- dorbene Dinge doch noch zu etwas gebrauchen kann] zugtichts hinfort Unze, denn daß man es hinausfchutte sauf die Straße], und lasse es [w1e den Koth auf der Gasse Pf. 48 , 43] die Leute zertreten [Mark. 9, so; Luk. 14, 34 f.]. Wir beziehen mit Luther und andern Auslegern diese nnd die folgenden Worte zunächst und vornehmlich auf die Apostel und die Diener des göttlichen Worts, welche 64 Evangelium Matthäi 5, 14———17. von Berufswegen die Welt zu würzen und zu erleuchs ten haben, womit natürlich nicht ausgeschlossen ist, daß auch andere Christen nach Maßgabe des allgemeinen Priesterthums einen gewissen Antheil an diesem Berufe haben (Philipp. L, 15; 1. Petri 2, 9). Nun ist ohne Zweifel in Betreff der andern Diener des göttlichen Worts das Salz als Bild des geistlichen Strafamtes, das Licht (V. 14 fs.) als Bild des geistlichen Lehr- amts zu fassen; in Betresf der Apostel jedoch könnte man geneigt sein, das Salz, das vor Fäulniß bewahrt und gesund« erhält, als Bild der apostolischen Wirksam- keit an den Juden, das Licht als Bild dieser Wirksam- keit an den Heiden (Luk. 2, 32) zu verstehen, und hätte man dann bei dem dumm gewordenen Salze etwa an Judas den Verräther zu denken. Daß unter dem ,,Dummwerden«· des Satzes ein Fade- oder Krastlos- werden desselben gemeint ist, sagt Lutherselbstt ,,thum (es ist dies die bis in’s 18. Jahrh. übliche, hochdeutsch richtigere Schreibung, während der jetzige weiche Anlaut d aus dem Niederdeutschen stammt) Salz heißt, das die Zähne und Schärfe verloren hat und nicht mehr würzet und beißt,« und fügt dann (indem er besonders an die kirchlichen Zustände unter dem Papstthum denkt) hinzu: »wenn das Amt in der Christenheit untergeht, daß man die Leute aufhört zu strafen und zeigt ihnen nicht ihr Elend und Unvermögen, noch erhält bei der Buße und Erkenntniß sein selbst, läßt sie dahin gehen, als seien ste fromm und recht daran, und also ihr Ding, eigene Heiligkeit und selbsterwählten Gottesdienst läßt einreißen so lange, bis die reine Lehre vom Glauben wieder gar untergeht und Christus verloren wird, und so gar ver- derbt, daß nicht mehr zu helfen noch zu rathen ist.« Man hat dabei nicht zu fragen, ob in der Wirklichkeit das Salz ganz sade und kraftlos werden und seine wesentliche Eigenschaft verlieren könne, denn wir haben es hier mit einem Gleichniß zu thun; « doch läßt sich allerdings die Möglichkeit nicht völlig in Abrede stellen, wie man denn in den Ebenen von Ale po im nördlichen Syrien einen Salzberg vorgefunden Bat, dessen obere, dem Regen, der Sonne und der Luft ausgesetzte Schicht zwar noch die Glimmerchen und Theile des Salzes enthielt, aber gänzlich den Geschmack verloren hatte. In dem zweiten Satzgliede, das wörtlich lautet: womit wird gesalzen werden? hat Luther bei seiner Auf- fassung des Sinnes von der Paraphrase des Erasmus sich bektimmen lassen: quid tandem erit reliqnum, quo multidndinis insulsa vita condiatursP und den Ge- danken ausgedrtickt gesunden: ,,womit soll man salzen?« während er früher (bis zum J. 1538) übersetzt hatte: »was kann man damit salzen?« Letztere Uebersetzung nuu würde gut zum Folgenden stimmen, ist jedoch dem Grundtext nicht entsprechend; die erstere dagegen, bei welcher man an die Speise als das, um dessen Sal- zung es sich handle, denkt: womit wird (sie) ge- salzen werden? ergiebt ebensowohl einen zu dem Vorhergehenden passenden Sinn, als es gut zu dem olgenden stimmt, wenn man den oben angedeuteten wischengedanken ergänzt. Da indessen im olgenden das Salz als Subjekt erscheint, so liegt nä er, auch hier an dasselbe zu denken: womit wird (es, das Salz) gesalzen werden? und werden wir durch Mark. 9, 50 ausdrticklich auf diesen Gedanken hinge- wiesen, indem dort im Grundtext oiisrö (es, das Salz) dabei steht. ——— ,,Wie geringe, wie unbedeutend, wie un- scheinbar in den Augen der Welt ihr sein möget, ihr seid doch die Hauptpersonen in der Welt, es ist doch an keinem Menschen soviel gelegen, wie an euch; die Menschheit hat doch keinem Menschen zu verdanken, was sie euch verdanken muß. Aber bedenkt, was das gesagt ist, und hütet euch! Wenn ihr eurer erhabenen Be- stimmung untreu, wenn ihr werdet, wie sie alle sind, wenn ihr den Geist in euch auslöschet und in den alles verderbenden Erdensinn der Welt eintretet, dann seid ihr das Nichtswürdigste von allem, was aus Erden ist. Es ist ja etwas Köstliches um das Salz, es ist unent- behrlich und unschätzbam wenn aber das Salz dumm wird, wenn es seine Kraft, seine Schärfe, seine eigenthüms liche Salznatur verliert, womit soll man es selbst und andere Dinge, die seiner bedürfen, salzen? Wenn an- dere Dinge den Geschmack verlieren oder keinen Ge- schmack in sich selbst haben, so erhalten sie durch das Salz Geschmack und Schärsex wenn aber das Salz selbst salzlos wird , womit soll man es wieder salzen? kann man es auch mit einem andern Salze wieder salzig machen? Solange es selbst salzig war und an- dere Dinge salzte, war es unentbehrlich und unschätzbarz nun ist es das unnützeste und unwertheste von allen. Nicht tauglich zum Dünger, wozu man doch andere verdorbene Dinge noch ntttzen kann, ist es zu nichts hinfort nütze, denn daß man es hinausschittte und lasse es von den Leuten zertreten So verhielt es sich mit den Juden: sie waren, solange sie allein die Er- kenntniß des lebendigen und wahren Gottes und sein Gesetz und Verheißung hatten, in gewissem Sinne das Salz der Erde; als sie aber einem salzlosen Salze gleich wurden, keine Besserung von ihnen zu andern Menschen kommen konnte, da wurde, was noch gut war, in die neue Gemeine Gottes aufgenommen, und das Uebrige alles hinausgeworfem unter die Nationen zerstreuet, wie ein verdorbenes Salz hinausgeschüttet wird, daß es zertrete, wer vorübergehn« 14. Ihr seid [von einer andern Seite eures apostolischen Amts betrachtet] das Licht der Welt sdazu bestimmt, in die Finsternis; der Welt hinein- zuleuchten, damit die Nacht, die jetzt noch auf ihr liegt, vergehe und der Tag über ihr anbreche Röm. 13, 12; l. Joh. 2, 8; und da verbietet es sich schon von selbst, daß ihr solltet unbeachtet und un- bemerkt können bleiben, wenn ihr das auch wolltet] Es mag die Stadt, die auf einem Berge liegt [wie Safed dort, gegen Mitternacht: 5.-Nios. 27 , 3 Blum. — doch ist es nicht gewiß, ob diese Stadt damalsschon existirte——], nicht verborgen sein lsie fällt vielmehr einem jeden schon aus weiter Ferne in die Augen] 15. Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es saußer etwa für die Zeit, wo man sich auf einige Augenblicke entfernt, am Fußboden] unter eitlen Scheffel [unter das zur Haushaltung gehö- rige Getreidemaß —- ca. 2 Metzen -— oder unter den ,,Dreiling« Jes 40, 12; 2. Mos 16, -36 Anm.], sondern auf einen Leuchter [der es über den Boden eine beträchtliche Strecke emporhebt], so leuchtet es denn svermöge solcher seiner Erhöhung, die es ihm möglich macht, die Strahlen nach allen Seiten hin zu verbreiten -— die gewöhnliche Lesart: denen, zum folgenden Wort»bezogen, beruht auf Unver- stand —] allen, die Im Hause swenigstens in dem betr. Zimmer des Hauses] sind [Luk. 8, 16; 11, 333 Mark. 4, 21 f.]. 16. Also sweil euer apostolischer Beruf ganz der Bestimmung eines angezündeten Lichtes ent- Die Bergpredigt: 2) Die Gerechtigkeit des Reiches Gottes a) von Seiten der Lehre. 65 spricht und ihr vermöge desselben wie auf einen Leuchter gesetzt seid] lasset euer Licht [das von mir in euch angezündet wird] leuchten vor den Leuten [ohne aus Menschenfurcht oder in falscher Beschu- denheit euch von der Welt zurückzuziehenL das; sie [indem ihr euer Amt treulich ausrichtet und in demselben auch Frncht schasfet] eure guten Werke sehen, nnd sdiejenigen unter ihnen, die durch euer Wort an mich glauben werden Joh. 17, 201 euern Vater im Himmel [dafür, daß er euch tüchtig ge- macht, das Amt zu führen des neuen Testaments 2. Cor. 3, B] preisen [ogl. 1. Petri 2, 12]. Jhr seid das Licht der Welt! Finsterniß decket das Erdreich und Dunkel die Völker: durch euch soll es Tag werden auf Erden, heller, erfreuender Tag in dem Ver- stande der Menschenz durch euch soll Erkenntniß Gottes und dessen, den er gesandt hat, und mit dieser Erkennt- niß ewiges Leben (Joh. 17, Z) zu den Menschen kom- men. Wie die Erde kein Licht hat von sich selbst, son- dern es anders woher, von oben, vom Himmel erhalten muß; so hat die Welt der Menschen kein Ltcht von sich selbst, sie muß es von euch, die ihr vom Himmel her erleuchtet seid, erhalten. Es ist eures himmlischen Vaters Wille, daß allen Menschen geholfen werde durch das Licht, das in euch ist, durch Erkenntniß der Wahr- heit; zu Werkzeugen der Ausführung dieses göttlichen Willens seid ihr bestimmt, zu den größten Wohlthäterm zu den eigentlichen Helfern und Rettern des Menschen- geschlechts seid ihr bestimmt, indem ihr bestimmt seid, in eurem Maße und durch mich das zu sein, was ich bin, solange ich bin in der Welt (Joh.9, 5): das Licht der Welt. (Menken.) Ein Lied Luther’s oder Paul Gerhard’s thut mehr zur Ehre Gottes , als alle 100 Bände Vol- taire’s oder alle 60 Bände Göthe’s: wem das unge- reimt deucht, der versteht noch nichts von göttlichen Dingen. (»Heubner.) Weiter in der Bergpredigt (Kap. 6, l ff.) spricht Christus ,» wir sollen mcht geben vor den Leuten, daß wir von ihnen gesehen werden; wir sollen nicht beten in den Schulen oder an Straßeneckem son- dern im Kämmerleiw hinter verschlossener Thtirx er nennt das Fasten auch, womit wir nicht scheinen sollen vor den Leuten, sondern das im Verborgenen thun. Wie reimt sich’s nun zu dem, was er hier sagt, daß wir unser Licht sollen leuchten lassen vor den Leuten? Dies hier ist offenbar gesagt, einestheils um einer falschen Scham entgegenzusprechem und anderntheils um uns in die Sache des HErrn hineinzuziehem Das Erste: einer falschen Scham entgegenzusprecheiil Wenn es Einige giebt, welche so gottlos und solche Widerchristeli in der Wirklichkeit nicht sind, als sie scheinen zu sein, so giebt es gleichfalls, die mehr Gott fürchten und von Christo halten, als es das Ansehen bei ihnen hat. Was ist dies Letztere bei denen, da sich’s findet? Nichts als die Scheu vor der Welt und ihrem Urtheil, beschönigt durch die Rede manchmal, wir möchten von den Leuten gesehen, für Heuchler gehalten werden oder für Frömmlen O, daß die Zahl der ,,Frömmler und Heuchler« größer wäre! Damit wird doch der Frömmigkeit und dem Christenthum noch eine Ehre erwiesen. Uebrigens ist’s wohl meist der Vorwaud nur, wenn man eine solche Scheu aussprechen hört; denn wo ein lebendiger Glaube ist und im Herzen das Licht nur brennet, da wird das Licht durch die Ritzen der Läden dringen und die Stimme des Lobes Gottes durch das Schlüsselloch an der Thlin Was der HErr meint, das ist, wir sollen es nicht in der Abs icht thun, auf daß wir gesehen wer- den. Von der Wirksamkeit spricht er, die unsre guten D sthselU Bihellverh Werke ihrer Natur nach auf Andre haben. Welche Werke? Die guten, die das Licht vertragen, nämlich daß man auf den Grund sehen kann, da unsre Werke herkommen, was kein Mensch verträgt, der nicht selber ein Licht ist. Wozu sollen wir das Licht der Welt sein und unsre guten Werke sehen lassen? Um unsertwillen nicht —- nein, um unsers himmlischen Vaters willen, daß der gepriesen werde von den Sehenden, unser Vater, den die Ungläubigen nicht haben als ihren auch, ob sie schon ihn also nennen. Er hat uns «ezeugt aus dem Wort der Wahrheit, sprechen die Gläugigem er hat uns ernährt mit Speise vom Himmel, hat uns gekleidet mit einem Rock, den seine Hand gewirkt, hat mit seinem Geist uns behütet bei unserm Anfang und ersten Aus- gang im neuen Ehristenlebem hat uns Gefallene so manchmal wieder aufgehoben mit seinem mächtigen Gottesarm, hat unsre Wunden verbunden und unsre Vefleckung abgewascheu, und wie weiter des Christen Rede davon gehet: deß sollen wir Zeugen sein beide mit unserm Wort und Wandel. Jesus ist gegangen, die Apostel sind gegangen, die Väter der ersten Zeit sind gegangen, wir sind noch die Gegenwärtigem da sollen wir es sein, ja mit unserm Sein und mit unserm Thau, die das Werk der Ausbreitung seiner Ehre und des Preises seines heil. Namens erhalten auf Erden, för- dern in dieser Welt. (Cl. Harms.) B. b. 17-—48. Hierauf geht der holt: auf eine nähere Darlegung der Gerechtigkeit, um die es in seinem Reiche sieh handelt, ein und beschreibt sie als eine solche, die, in der alttestatnentltchen Gerechtigkeit wurzelnd, die Vollendung derselbigen ist. Er erklärt da das alte Testament als unantaltbar schon in sieh selber, dao neue Testament aber als die vollendete Eictwiclielung des alten, und preist nun in dieser Vollendung das Gesetz bin aus den kleinsten Buchstaben und Türe! herab als unvergänglich und ewig giltig (d.17—19). Alsdann nimmt er der Reihe nach (t1.21—26; 27—30; 31——32; ; 38—42; 43—43) 6 Gesetzes-Worte in der— jenigen Fassung vor, welche die Sehriflgelehrten nach der bei ihnen herliötnmlictjeli Auslegung ihnen gegeben hatten und in welcher sie mit Berufung auf die Tradition von den Alten her das voll: dieselbigen lehrten, um diese Fassung vielmehr alg eine Auflösung des Gesetzes er- nennen zu lassen und durth rechte Auslegung der zu Grunde liegenden Gesehegworte das Gesetz tu Wahrheit zu erfüllen w. 20). viererlei ist eg da, wodurch Christus alg rechten Gesehegaugleger sich erweist: l) »Er faßt uns an im tiefsten Jljerzenggruttdz L) er stellt uns hin vor Gottes Angesieljtz 3) er giebt uns aus das schwerste Probestiiciez 4) er hiilt ung vor das schönste MuslcrbildF 17. Ihr sollt nicht [sei es durch falsche Er- wartung betrogen, sei es durch falsche Beschuldigung verwirrt] wähnen, daß ich sder nun erschienene Hjliessias und Erlöser Jsraels, für den Zweck oder mit der Absicht] kommen bin, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen sund etwas Anderes dafür an die Stelle zu setzen]. Jch hin nicht [nach keiner Seite hin, handle es sich nun um ein Gebot oder eine Verheißung, handle es sich um das Sitten- oder um das Cerimonial- und Polizeigesetz] kom- men, aufzulösen, sondern zu erfüllen sindem ich nur zur Vollendung bringen werde, was im Gesetz und in den Propheten dem Anfange nach schon da ge. T. 1« 5 66 ist, wie die Blume zur Vollendung bringt, was die Knospe bereits in sich schließt]. 18. lSolche Erfüllung allein, die jede Auf- hebung, auch die des Geringsten und unscheinbar- sien, ausschließt, entspricht dem unvergänglichen Wesen und der erhabenen Bestimmung des Wortes Gottes] Denn ich sage euch sum dieses Wesen und diese Bestimmung euch recht zum Bewußtsein zu bringen]: Wahrlich, bis daß Himmel und Erde zergehe [was nur im niederen, niemals aber im höheren Sinne des Worts geschehen wird Kap. 24, 35; L. Petri Z, 10; Offenb. 21, 1; Pf. 72, 7; 89, 37; Jer. 33, 20 f.J , wird nicht zergehen der kleinste Buchstabe, noch ein Türe! ff. v. a. Pünktchen oder Strichlein] vom Gesetz [Lu"k. 16, 17; dasselbe wird vielmehr bleiben], bis daß es alles swas darin gesagt ist] gcschehe sum darnach, wenn es nun zu der Wiedergeburt gekommen, die mit dem Reiche der Herrlichkeit verbunden ist Kap. 19 , 28., in alle Ewigkeit zu währen Bär. 4, 1]. 19. Wer nun [bei solcher Unverbriichlichkeit des Gesetzes in allen seinen einzelnen Bestandtheilen, demselben zwar im Großen und Ganzen aufrichtig ergeben ist, aber in der falschen Meinung, es käme auf dies oder das nicht allzuviel an, es hätte da menschliche Ansicht freien Spielraum, festzuhalten oder preiszugeben, je nachdem es ihr gefalle] eines von diesen kleinsten Geboten sbei denen es nur um einen Bnchstaben oder ein Piinktcheii sich handelt] auflöset, und lehret die Leute also sdaß sie in der- selben Weise mit Gottes Wort verfahren] der wird swenn auch nicht, falls er wirklich mit seinem Herzensgrrtnde auf dem Boden der Schrift sieht, von dem Reiche Gottes geradezu ausgeschlossem doch] der Kleinste heißen im Himmelreich sob er hienieden gleich noch so viel gelte]; wer es aber ner Tiefe es erfassend und in Herz und Leben es aufnehmend] thut ssür feine eigene Person] nnd lehret [die, auf welche er Einfluß iibt], der wird sgemäfz dem Grundsatz der Vergeltung: wie der Mensch mit Gottes Wort umgeht, so wird Gott einst mit ihm umgehen] groß heißen im Himmel- reich. . Hatte der HErr Jesus im Vorhergehenden (V. 14 ff.) zu seinen Jüngern gesagt: »Ihr seid das Licht der Welt; lasset euer Licht leuchten vor den Leuten,« so zeigt er sich jetzt selbst als das Licht der Welt (Joh. 8, 12) und läßt sein Licht leuchten vor den Leuten, indem er vor seinen Zuhörern nicht nur die Wahrheit lehret, sondern nach seiner unvergleichlicheit Wahrhaftigkeit zu- vörderst auch die der Wahrheit entgegenstehenden Irr- thümer aufdeckt und widerlegt. Und da schlägt er denn wie mit einem gewaltigen Streich der Axt darnieder allen üppigen Trieb falscher Freiheit einerseits und alles faule Holz todten Buchstabendienstes andrerseits, um darnach als der rechte göttliche Ausleger das Schrift- wort des alten Teftaments in’s rechte Licht zu setzen Evangelium Matthäi s, 18—20. und das ewige Gesetz des neuen Testaments, das Gesetz des Geistes aufzurichten. Ja, diese beiden Hindernisse —- falsche Freiheit aus der einen, und todter Buchstaben- dienst auf der andern Seite — haben von jeher als trübes Gewölk dem Sonnenlicht der Wahrheit entgegen- gestanden und ihre Kraft aufgehalten; wie die Sonne gegen Wolken und Nebel kämpfen muß, nnd erst wenn sie dieselbigen vertrieben hat, in ihrer Herrlichkeit sich offenbaren und Licht und Leben ausgießen kann auf alles, was unter dem Himmel ist, so will der HErr hier den Dunst und Nebel menschlicher Jrrthtimer und Vorurtheile, die verkehrten Grundsätze des Zeitgeistes bekämpfen. Todter Buchstsabendienst der Pharisäer und Schriftgelehrten war ihm schon entgegengetreten in den Beschuldigungen dieser Partei, als ob er das Sab- bathsgebot breche (Joh.5, 1ff.), sich über Gottes Gesetz erhebe (Kap. 9,1ff.) und auf die Werke gesetzlicher Gerechtigkeit nichts gebe (Kap. 9, 14 ff.); ja, diese Be- schuldigungen hatten bis zu einem gewissen Maße das Vor-Urtheil gegen ihn erweckt, als ginge sein Lehren und Verhalten darauf aris, das mosaische Gesetz umzusttirzetu Dem gegenüber will er denn bezeugen, wie er so wenig an einen Umsturz des Gesetzes denke, daß er vielmehr zu rechter Aufrichtung, zu vollständiger Erfüllung des- selben erschienen sei, und läßt nun, indem er von seinen Jüngern die tiefste, unverletztlichste Ehrfurcht vor dem geschriebenen Worte Gottes fordert, keinen Zweifel, wie er mit seiner Lrhre vom Himmelreich zu den Schriften des alten Bundes stehe. Er lehret da den wahren Eifer um den Buchstaben der Schrift, der es auch mit dem Geringsten und Unscheinbarsteu genau nimmt, und greift heruach mit scharfen Waffen den salschen Eifer an, der, je mehr er auf das Aeußere sich steift, desto mehr das Innere aus dem Auge verliert, und je mehr er an das Grobe sich hält, desto mehr an dem Feineren vorübergeht. Aber anch falfche Freiheit mit ihren fleischlichen Erwartungen und widergöttlichen Ansprüchen war dem HErrn schon mannigfach entgegengetreten. Wir haben bereits in der Blum. 3 zu 5. Mos. Ist, 13 darauf hingewiesen, wie der Zeitgeist von einer gewissen Neue- rungssucht besessen war, die mit allerlei Spitzfindigkeiten das Gesetz zu umgehen und seine Verbindlichkeit zu lockern suchtex ohne Zweifel gehörte da zu dem Mesfias- Ideal, das der fleischliclse Sinn sich gebildet hatte, auch die Befreiung von alleu unbequenten Auflagen und · · ; lästigen Schranken, deren das mosaische Gesetz; nicht [alles, was in der Schrift geschrieben steht, in sei: «« wenige enthielt, wie ja auch im Reformationszeitalter falscher Freiheitsschwindel und antinomistische Tendenzen (Bestrebunge·n zur Beseitigung alles gesetzlichetc Wesens) åässiwkääitiissiistz SIZFDDTTMKFTZHHWELUU i« sJTLUT en e n , o a dies ja die herkömmliche Ausdrucks-weise ftir das Ganze der heil. Schrift des alten Testameuts (Luk. 16, 29; Apostg.13, 15; Röm Z, 2l); bei dem »Erftillen« kom- men beide Theile nicht blos von Seiten ihres gesetzlichen Inhalts, sondern auch in Riicksicht auf die in ihnen enthaltene Weissagung oder Verheißung (Luk.16,16) in Betracht, bei dem ,,Auflösen« dagegen ist wohl haupt- sächlich an den gesetzliihekc Inhalt (Kap. 7, 12; 22, 40) gedacht, obgleich »auch ecne Auflösung des prophetischen Inhalts denkbar Ist. Das Volk seinerseits nahm den Widerspruch der Erscheinutig Christi gegen die weltsiichtig- sinnliche Auslegung der prophetischen Bildersprache, wo- nach es seine Erwartungen vom messianischen Reich sich gebildet hatte, fiir eine Auflösung der Propheten, wäh- rend umgekehrt Christus solche Auflösung gerade in jener weltsüchtig-sinnlichen Auslegung erblicken mußte. Luther, indem er auch das ,,Erfiillen« auf das Gesetz im eigent- lichen Sinne, d. i. auf den gebietenden Jnhalt des Ge- setzes und der Propheten bezieht, versteht darunter »das- Chrtstus ist nicht gekommen das Gesetz aufzulösen, sondern zu erfüllen. 67 jenige Erfttllen, so mit Lehren« geschieht, ,,gleichwie der HErr auflösen heißt: nicht mit Worten wider das Gesetz thun, sondern mit der Lehre dem Gesetz abbrechen,« so daß also das Erfüllt-n soviel sei, als ,,den rechten Kern und Verstand zeigen, daß sie lernen, was das Gesetz ist i1nd haben wills« Indessen zeigt V. 19 , wo ,,thun und lehren« mit einander verbunden werden, daß Christus auch die Erfüllung aller Gerechtigkeit durch sein eigenes Thun (Kap. Z, 15) oder seinen thätigeii Gehor- sam im Sinne hat, durch den er einestheils seiner Ge- setzesauslegung die rechte Grundlage und den gehörigen Nachdruck giebt, anderntheils aber auch uns zur vollen Verwirklichung des Gesetzes verhilft, indem er durch seinen Geist uns in sein Bild verklärt. Dies ist an sich schon eine Erfüllung auch der Propheten (vgl. Jer. 31, 31 ff.); doch handelt es sich hierbei noch um manches Andere, namentlich um die Bewirknng der Vergebung der Sünden nnd um Verwirklichung des Reiches Gottes in allen seinen Beziehungen, daher in V. 18 die schließ- liche oder vollendete Erfüllung an das Ende der gegen- wärtigen Weltzeit gerückt wird: ,,bis daß es alles ge- schehe.« Unter »dem kleinsten Buchstaben « ist hier der des hebräifchenAlphabets das » (Jod) zu verstehen; er soll 66,420 Mal in der hebräischen Bibel vorkommen, und scheint es nicht selten, er stehe überflüssig oder er sei crust-gelassen; der ,,Ttitel« aber bezieht sich auf die kleinen Ecken, Krümmungem läiigeren oder kürzeren Striche, wodurch sich z. B. «! Oaleth = d) von ·) (Resch = r) oder-g (Gaph = eh, am Schluß eines Wortes) unterscheidet. Wie viel auf ein solches Tütel- chen ankommt, haben schon die Rabbinen zu 5. Mos. 6, 4 bei dem Spruchex »Höre Israel, der HErr, unser Gott, ist ein einiger HErr« bemerkt, wo man statt The( WITH· = einiger) nur schreiben dürfte Im: ctlsiis = fremder, anderer), um den gerade entgegengesetzten ( ones-läster- lichen) Sinn (ein Avgott Jes. 42, s) zu er alten. Es wird deshalb das «·I dort auch groß gedruckt. Indem man aber auch den letzten Bnchstaben J: in dem An- sangsworte des Satzes yptgj (Höre) groß druckte, wur- den beide Buchstaben zu dem Worte TJ (Zeuge) ver- bunden nnd sollten nun folgende Bedeutung haben: Es kann jemand mit dem Munde den einigen Gott beken- nen, wenn auch sein Herz weit von ihm entfernt ist; da soll denn jedermann wissen, wenn er die Einigkeit Gottes bekennt, daß das Herz voll Andacht nnd von jedem andern Gedanken frei sein muß, weil Gott Zeuge ist und um alles weiß« Jm folgenden Verse redet der HEriz wie Olshansen bemerkt, von einem dem christlichen Princip (Lebensgrunde) im Allgemeinen an- gehörenden Standpunkt, auf welcheni aber der Mensch doch ohne die gehörige Ehrfurcht gegen Gottes Wort verfährt und verfahren lehrt und manche, scheinbar unwesentliche Ordnungen des Gesetzes aushebt. Aehnlich erklärt Stier: »Das Anslösen geschieht durch ialsche, schwächende Auslegung , die davon lehrt als von etwas Geringem, sodann, was daraus folgt, burch völliges Nichtachteiy so daß des Gebotes Forderung aufgehoben und gar nicht gethan wird. Wer unter Jesu Jüngern irgend noch also mit dem Gesetz verfährt bei dem einen oder andern Gebot, und lehret die Leute also , der soll wissen nnd erfahren, daß er ein schlechter Lehrer sei, der selbst noch wenig von des Himmelreichs vollkommener Gerechtigkeit gelernet und empfangen hat; er soll, weil er sich nnterstandeii hat, etliche Gebote die kleinsten zu heißen, dafür zur richtigen Vergeltung schon in der wahren Kirchengeschichte und einst da, wo jedem sein Lob und Tadel recht widerfährt, selber der Kleinste heißen. Das klingt fast spöttisch (?) und grenzt schon an das gar nicht Hineinkommem obwohl es noch nicht ganz dasselbe sagt; denn der HErr meint nicht das völlige, wirkliche Pharisäerthum, sondern dessen noch übrige Einmischung im Unverstand.« Die Stelle erhält iiach unserm Dafürhalten ihr volles Licht durch das, was St. Paulus in 1. Cor. Z, l1 ff. sagt, und giebt den Maßstab an die Hand zur Beurtheilung der ver- schiedeneic kirchlichen und christlichen Standpunkte, die keineswegs einer so gut nnd so berechtigt sind als der andere, wie man gemeiniglich annimmt; sondern die größere oder geringere Treue in der Haushaltnng über Gottes Geheimnifse entscheidet über den größeren oder geringeren Werth einer Particularkirche oder einer theologischen Richtung, und findet im zweiten Theil des Verses ohne Zweifel eine Anspielung auf den Namen Rabbi statt, der s. v. a. groß bedeutet. · Evangelium am 6. Sonntage nach Trinitakiah Der heil. Geist bernft nicht nur (vgl. die Evan- gelien vom Sonntage Trinitatis bis zum 5. Sonntage nach Trinit.), sondern er giebt auch Erleuchtung denen, welche der Berufung folgen: das stellen uns die Evangelien vom 6.—10. Sonntag nach Trinitatis in Uebereinstimmung mit den Epifteln dieser Zeit vor die. Seele. Vor allem aber erleuchtet uns der heil. Geist über uns selbst nnd zeigt uns die Richtigkeit unsrer Werke, die Thorheit der Eigengerechtigkein Die äußer- liche Gerechtigkeit, wie die Pharisäer sie itbten, macht uns nicht selig. Der HErr zeigt uns zunächst am 5. Gebot, wie das Gesetz ersiillt werden soll; gerade dabei aber müssen wir erkennen, daß wir’s so nicht er- füllen und also nicht selig werden können. Es ist der erste Schritt zum Leben, durch die Erleuchtung des Geistes die eigene Sünde zu erkennen und die Unmög- lichkeit, durch eigene Gerechtigkeit selig zu werden. (Dieffenbach.) 20. sEs giebt aber auch eine Herzens- und Lebensstellnng zu Gottes Wort, die noch weit ge- fährlicher ist, als die, von der ich soeben in V. 19 handelte.] Denn sum diejenigen, in deren ganzer Sinnesrichtung dieselbe zu dieser Zeit sich verleiblicht hat, ohne Weiteres bei Namen zu nennen und euch, meine Jünger, vor ihrem Sauerteig Kap. le, 6 ff. mit um so größerem Nachdruck zu warnen, je mehr Anspruch fie selber zu haben» glauben, die Größteki zu heißen im Himmelreich] ich sage euch sals der Heilige und Wahrhaftige, der da aufthnt und zu- schlieszt, ohne daß irgend jemand eine andere Ent- scheidung treffen könnte Ofsenb Z, 7]: Es sei denn eure Gerechtigkeit sin Erfüllung des gött- lichen Gesetzes] besser lvölliger von Seiten des Thuns und tiefer von Seiten des Lehrens], denn [die] der Schriftgelehrteit und Phari- saer, so »wer det ihr nicht keinmal] in das Himmelreich kommen lgeschwetgm daß ihr it! demselben ,,groß« heißen würdet]. Du siehst hier, wie er dreingreift und redet nicht insgemein wider geringe Leute, sondern die allerbesten im ganzen Volk, die der rechte Kern und Ausbund waren und leuchteten vor Andern wie die Sonne, daß kein löblicher Stand noch ehrlicher Name in dem Volk war, denn der Pharisäer und Schriftgelehrtem und wer einen heiligen Mann wollte nennen, miißte einen Pha- risäer nennen. Denn die Pharisäer gingen daher in einem frommen Leben, thaten, was sie follten, äußerlich, 58 68 Evangelium Matthäi s, 21. 22. brachen nichts an den Geboten Gottes, enthielten sich der fremden Güter, gingen in feinen scheinbaren Klei- dern einher und hatten auch den Namen davon, daß sie hießen Pharisäer, d. i. die Abgesonderten oder Ausge- zogenenz desgleichen die Schriftgelehrtem der Ausbund unter den Juden, waren in dem Gesetze Gottes und in der Schrift erfahren, so daß sie andere Leute lehrten und Gesetze dem Volle machten , und Urtheil stellten in allen Sachen. Summa Summarunn es waren die Besten , Gelehrtesten und Frömmften unter den Juden; dennoch darf er sie flugs mit Namen nennen, und tadelt nicht etliche Personen unter ihnen, sondern den ganzen Stand, straft auch nicht etliche böse Stücke oder Sünden, sondern ihre Gerechtigkeit und heiliges Leben, so gar, daß er ihnen das Himmelreich versetzt und zuschlteßt und sie frisch zum höllischen Feuer urtheilt. (Luther.) Nicht alle Schristgelehrte damals waren auch Pharisäer, oder umgekehrt, der HErr aber faßt sie zusammen nach ihrem inneren Zusammenhang, insofern fiel) so darstellt der eine Gegensatz irgend einer unzu- reichenden, falschen Gerechtigkeit gegen die vollkommene und ächte seiner Jtinger, nur nach zwei Seiten ge- wandt. Bis auf den heutigen Tag, zu allen Zeiten und an allen Orten ist der Gegensatz kein anderer: Schrist- gelehrte sind überall die Wisser und Lehrer des Vuchstabens; und der Wahn, als ob solch Wissen ohne Verständniß, solch Lehren ohne Thun schon die Gerech- tigkeit sei, ist der ärgste, der voransteht. Aber nicht besser ists, wenn auch ein Thun dazu kommt, wie das der Pharisäer: das stnd überall die Thäter des äu- ßerlichen Werkes im Schein ohne Wahrheit, die sogar noch Lust behalten, Menschensatzung zu Gottes Gebot zu fügen, weil sie mit. dem Schweren leicht schon» fertig geworden. Die Schriftgelehrten als Buchwisser und Wortklauber zählen die Gebote Gottes , als wären es eben nur Buchstaben und Strichlein, klijgeln fein, wel- ches die großen seien oder die kleinen, und haben schon genug daran, also zu lehren; die Pharisäer beeifern sich auch des Werks, aber mit gleich steifem, blindem, tod- tem Halten auf das bloße Werk ohne Leben darin, wie jene auf den Buchstaben ohne Geist. (Stier.) Gerech- tigkeit der Schriftgelehrten ist sonach die einge- bildete Volllommenheit, die man zu haben oder zu er- langen meint durch bloßes Wissen oder gelehrtes, wissen- sehaftliches Treiben des Gesetzes, der Religion: Kap. 23, B f.; Gerechtigkeit der Pharisäer ist die, die man durch gesetzliches Handthieren und Amtiren, durch bürgerliche Rechtlichkeit und Ehrsamkeit zu haben meint, wobei doch das Herz leer und ungebesfert bleibt, also äußerliche Frömmigkeit ohne inneren, tief sittlichen Geist: Luk. IS, l5; 18, 9 ff. (Heubner.) Ach, daß unsre Ge- rechtigkeit nicht oft noch schlechter wäre, als die der Schriftgelehrten und Pharisäer! Wie Viele sind Diebe, Mörder, Ehebrecher, Verächter des Gottesdienstes, Hartherzigy die keine Almosen geben; Bauchdiener, die nie fasten wollen 2c.! (G. Lang.) 21. sDamit ihr aber versiehet, wie ich das meine, will ich der Schriftgelehrten nnd Pharisäer Gerechtigkeit zunächst von Seiten ihrer so beschränkten und engherzigen Auffassung des göttlichen Gesetzes an etlichen Geboten euch oorlegen und meine eigene Auslegung der nämlichen Gebote dagegen halten«] Ihr habt [wenn ihr in den Schulen Luk. 4, 16ff. Annr einen Lehrvortrag dieser Gesetzeslehrer über das 5. Gebot L. Mos 20, 13 vernahmeh zunächst] geh-Brei, daß zu den Alten gesagt ist [das ein Rede stehende Gebot gemäß der herkömmlich ge- wordenen, traditionellen Auslegung in dieser Fassung vorgetragen wird]: Du sollst nicht tödten; wer aber tödtet [d. i. irgend einen Menscheii erschlägt 3.M. 24, 17], der [hat das Gebot in dem von ihm gemelnteii. aus dem Wortlaut sich ergebenden Sinne iibertreten und] soll Daher] des Gerichts sder Provinzialstadh zu deren Gebiet"erzgehört] schuldig sverhaftet oder versallen] sein [d. i. mit dem Schwerte hingerichtet werden, wogegen ein Andereh der das nicht thut, in Ansehung dieses Gebots für gerecht zu schätzen ist]. 22. Ich aber sin der Eigenfchast jenes Pro- pheten 5. N?os. 18 , 15 ff. , von dem es heißt, daß ihn Gott aus euren Brüdern erwecken und seine Worte in desselbigen Mund geben werde] sage euch siiber solche äußerliche, auf die grobe Thatsiinde stch beschränkende Deutung weit hin- ausgehend und die Uebertretung des Gebots von ihrem ersten Anfang im Herzen durch die beiden folgenden Entwickelungsstufen der Wortsiinde ver- folgend]: Wer mit seinem Bruder sseinem Nächsiem den er nach Z. Mos 19, 18 lieben soll wie sich selbst, nur erstJ ziirnet [im Herzen, auch ohne das; er sich an ihm bereits vergrissen hätte mit Worten oder Werken] , der [schon] ist sfür einen Todtschläger zu achten I. Joh. 3 , 15 und somit] des Gerichts [V. 21] schuldig [wenn er gleich nicht von der biirgerlichen Obrigkeit belangt werden kann]; wer aber [von dem Zorn und Haß im Herzen auch fortschreitend zum Zornes- ausbrach in gehässigem Wort des Mundes] zu feinem Bruder sagt: Nakhat [du Schwach- kops Jak. 2, 20., nach anderer Auslegung: pfui iiber dich! Mark. 15, 29], der ist [gleich einem, der das Verbrechen der Gotteslästerung oder der Abgötterei begangen] des [Hohen-] Naths schuldig [und hat den Tod durch Steinigting verdient]; wer aber [vom Vorwurf des Unverstandes im gemeinen Leben noch weiter fortschreitend zum Vor- wurf der Thorheit aus religiösen: Gebiet] sagt: Du Narr [du gottloser und verdanimter ENenschL der ift sfelber der Verdammniß würdig und] des höllischen Feuers [des schimpflichsteii Verbrecher- todes, da nach Vollziehung der Todesstrase der Leib auch noch verbrannt wird l. Köln 1, 33 Anm.; Jer. 7, 32 f.] schuldig. V) Luther hat diese Schreibweise aus der Vulgata ent- lehnt; sie führt aber irre, da man nur gar zu leicht an das deutsche Wort ,,Rache« denkt; daher besser Raka zu fchreis ben oder doch zu lesen wäre. Jn seiner Nandglosse erklärt sich Luther also: ,,Racha« ist das Scharren im Halse und begreift alle zornige Zeichen Etliche meinen, es komme her von( hebräischeic rjk, d. i. vanum et; nihi1, das nir- gend zu taugt. Aber »Narr« ist härter, der auch schädlich, nicht allein untüchtig ist. Nachdem wir zu Kap. 2, 4 von dem obersten Ge- richtshof der Juden zur Zeit Jesu, dem Hohenrath (hier schlechtweg ,,Rath« genannt), das Nähere mitge- theilt haben, müssen wir nunmehr von den Lokal- Auslegung des fünften Gebots 69 Synedrien oder den Untergerichten in den einzelnen Städten handeln. Ein solches Untergericht bestand in jeder palästinensischen Stadt, die mindestens 120 selbst- ständige Bürger zählte (in Jerusalem dagegen gab es deren zweie, eins am Eingang des Tempelberges, und eins am Eingang des Vorhofes), und war aus 23 Glie- dern zusammengesetzt, Umfaßte also zieinlich ein Drittel von der Stärke des Obergerichts; es hatte zu entschei- den über Verbrechen gegen Leib und Leben, konnte die Geißeluug verhängen und hatte auch das Recht, mit dem Schwerte hinzurichten, übte es aber nicht mehr seit der Zeit, da auch das große Shnedrium nicht mehr im Saale Gasith seine Sitzungen hielt (Kap. 4, 5 ff. Anm.). Sitzungen desselben fanden statt an den Markt- tagen, Montags und Donnerstags, und zwar gewöhn- lich in den Synagogengebäuden, wie denn auch die Gei- ßelung, wenn sie verhängt wurde, fogleich innerhalb der Synagogen vom Synagogendiener vollzogen zu werden pflegte (.K"ap. 10, 17; 23, 34). Jn Dingen, die zur Competenz dieses Gerichtes gehörten, durfte nicht an das große Shnedrium appellirt werden; nur wenn die Richter in ihrer Anficht getheilt waren, sollten sie das Urtheil des Obergerichts einholen. Auch in den Lokal- Synedrien hatten die Schriftgelehrten eine entscheidende Stimme und waren die gesetzeskundigen Beisitzer der- selben. Neben dem Richthaus III-DIE) war ein wei- terer Schauplatz ihrer einflußreichen Wirksamkeit das Lehrhaus (tz-«J’j7;JD'h1·:), worunter die, meist in einem besonderen Raume der Synagogengebäude befindlichen Schulen und Unterrichtsaiistalten zu verstehen sind; in Jerusalem diente außer einigen anderen Zimmeru in den Tempelvorhöfen auch die geräumige Quaderhalle (Gasith), wo der Hoherath seine Sitzungen hielt, als Lehrhaus, und wurden nun nicht nur Jünglinge vom 16.—17. Jahr an, sondern öfters auch verheirathete Männer in diesen Schulen unterrichtet und zu Rabbi- nern ausgebildet. Die Schiiler saßen da im Halbkreis ,,zn den üßen« (Apostg.22, Z) des auf einem erhöhe- ten Ort itzenden Lehrers, und war die Lehrart mehr eine disputatorisch-katachetische (im Zwiegespräch abfra- gende), wobei auch Znhörer und Schüler mitunter den Lehrern Fragen vorlegten (Luk. 2, 46), als eine akroa- matische (zusammenhängende, auf bloßes Zuhören be- rechnete Vortragsweise). Den größten Einfluß auf das gesammte Volk übten aber die Schriftgelehrten in den Versammlnngshäusern oder Synagogen (RDY·P-’·S'«DY. Hier waren sie es vorzugsweise, die als Oberste von der Schule (Mark. 5, 2·2; Luk. 13, 14; Apostg 13, 15; 18, s. 17) bei den gottesdienstlichen Gemeindeversammlnngen den Vorsitz führten, das Gesetz oder die Prophetenstellen vorlasen, verdolmetfchten und erklärten, auch wohl eine erbauliche Anwendung oder Betrachtun hinzufügten Aus dieser Wirksamkeit der Schriftgelegrten nun gingen im Laufe der Zeit eine Anzahl von Schriftwerken hervor, die wir um so mehr etwas näher müssen kennen lernen, als der Rabbinis- mus (das jüdische Schriftgelehrteiithuwi der erste und heißefte Gegner der Kirche gewesen, und auch der letzte fein wird, ehe sie ihre weltgeschichtliche Aufgabe zu voll- enden vermag; ist doch seine Tendenz ursprünglich die- selbe, wie die des Evangeliums, nämlich (V. 17) Er- füllung des Gesetzes und der Propheten, nur daß dies Bestreben von ganz anderen Grundsätzen und Gesichts- Punkten aus im Rabbinismus zur Durchführung kommt, als im Evangelio, und so ein Kampf auf Tod und Leben zwischen beiden entstehen mußte, der vorläufig damit geendet, daß das Evangelium seine Herrlichkeit voller Gnade und Wahrheit geoffenbart, der Rabbinis- mus dagegen in einer Knechtschaft voller Selbsigerechtig- keit und Heuchelei seinen Abschluß gefunden hat. Be- ginnen wir zuerst mit den Targuinini oder den chaldäi- schen Uebersetzungen und Paraphrasen des alten Testa- inents, so sind diese aus dem Bedürfnisse erwachsen, den hebräischen Bibeltexh der von der aramäisch oder syro- chaldäisch redenden Masse des Volks nicht mehr ver- standen wurde, in die übliche Landessprache zu über- tragen. Anfangs geschahen diese Uebertragungen an Ort und Stelle; der in der Schule hebräisch vorgelesene Text wurde von einem eigens angestellten Uebersetzer vers- oder paragraphenweise sofort ans dem Kopfe der Gemeinde verdolmetscht, was mit großer Freiheit ge- schah und mit Hinweisung darauf gerechtfertigt wurde, daß, gleichwie das Gesetz durch einen Mittler gegeben sei, so auch es nur durch einen Mittler verlesen und behandelt werden könne. Von den schriftlichen Ueber- setzungen, deren man je länger je weniger entbehren konnte, da mit jener mündlichen Uebertragnng viele Mißbränche sich verbanden, sind die beiden ältesten auf uns gekommenen die des Onkelos, eines Schülers des älteren Gamaliel (Apostg. 5, 34; 2«2, 3), und die des Jonathan, Sohnes des Uziel nnd Schülers des HilleL Demnächst haben wir es zu thun mit dem ’I’almud, dem umfangreichen Lehrbuche, das die ge- sammte jüdische Schriftgelehrsamkeit in sich befaßt und als eine wahre Schatzkammer rabbinischer Gesetzesweis- heit und Geistesschärfe, aber auch rabbinischer Gesetzes- thorheit und Geistesarmuth erscheint. Er enthält zu- nächst die Misohna oder das zweite Gesetz, nach Vor- arbeiten Akiba’s, des Anhäugers des falschen Mesfias Bercochba, und des Patriarchen Simon gemäß den Grundsätzen der Hillekschen Schule im J. 219 n. Chr. zusammengestellt von dem Syuedriumsvorsteher zu Tiberias: Juda, mit dem Beinamen des Heiligen. Gegen Ende des 4. Jahrhunderts kam dann die Gemarau d. i. die Vollendung oder Durchführung hinzu; denn wie man früher allen wissenschaftlichen Unterricht an die heil. Schrift geknüpft hatte, so warf sich nun- mehr die ganze Thätigkeit darauf, die Gründe zu ent- wickeln, welche die älteren Lehrer bei ihren, in der Mischna enthaltenen Bestimmungen , in denen man das wahre Mosesthum vor sich zu haben glaubte, geleitet hätten. Hervorgegangen ist der Talmud aus der, zu der bloßen Uebertragung des Schrifttextes in die Lan- dessprache oder dem Targum hinzukommenden weiteren Thätigkeit der Schriftgelehrten, die man mit dem Aus- druck Midras0h, d. i. Schriftstudium, bezeichnet. Und da macht man nun wieder einen Unterschied zwischen der Entstehn, worunter alles das zu verstehen, was als offizielle Satzung für das gesetzlich - rituelle Leben Aufnahme gefunden, und der Haggada oder dem Ge- sagten, Verkündigtem was nur als freie Auslegung gelten will und die geschichtlich-legendenhaften Traditio- nen umfaßt. Als mit der Zerstörung des zweiten Tempels das Priesterthum gäuzlich dem Schriftgelehw tenthum den Platz geräumt hatte, da überragte fortan nicht mehr blos , wie der Talinud sich ausdrückt , die Krone der Lehre die des König- und des Priesterthums (2. Mos 28, 39 Anm.), vielmehr verschlang sie dieselbe völlig; der Schriftgelehrteiistand ist von da an die Seele des Judenthums geworden, die einflußreichste geistige Macht im Volke, die es um so mehr innerlich mit dem gewaltigen Scepter seiner Satzungen beherrschte nnd mit festen Banden zusammenhielt, je mehr der Druck der Fremdherrschaft auf Brechung seiner äußerlichen Macht, seiner politischen Bedeutung und nationalen Einheit hinarbeitete. Midrasch , Halacha und Haggada sind durch die Schriftgelehrten Mittelpunkt und Quelle aller höheren Bestrebungen, aller geistigen Thätigkeit im 70 Evangelium Matthäi 5, 23——26. Volke, alles Nationalgefiihls, aller Nationalhofsnung und der Trost geworden, der das Volk in seinem Na- tionalunglück aufrecht erhält und über dasselbe erhebt. Der Schriftgelehrte schuf dem Volke gleichsam ein neues geistiges, an keinen geographifchen Raum gebundenes Vaterland, ein ,,Königreicb des Himmels;« aber das Himmelreich, in welchem Gesetz» und Propheten erfüllt sind, konnten sie dem Volke nicht schaffen, vielmehr, wie sie selbst nicht hineinkamen, hinderten sie das Volk hin- einzukommen (Kap. 23, 13). Es erklärt sich von selbst, wenn der HErr in unserm Texte nur auf die rabbinische Gesetzesauslegung, nicht auch auf ihre Auslegung der Propheten, Bezug nimmt; nicht nur hatte das Studium des Gesetzes das der Propheten beinahe ganz verdrängt, sondern auch in den Synagogen wurden die Propheten weit zurückgesetzt , so daß, während an jedem Montag und Donnerstag drei, an jedem Fest- und Feiertag fünf, an jedem Sabbath Morgens sieben, Nachmittags drei Perikopen (Abschnitte) aus dem Gesetz verlesen wurden, immer nur je eine aus den Propheten zum Vortrag kam. Ebenso wird verständlich, warum der HErr des Ausdruckes sich bedient: »Ihr habt gehört, daß zu den Alten gesagt ist« (vgl. V. 27. 31. 33. 38. 43), wenn wir uns Vergegenwärtigen, daß nach rabbinischen Grund- sätzen die in der Halacha enthaltenen Gesetzesvorschriftem die zur Richtschnur für die Praxis dienten, eben das Gehörte (im Gegensatz zur Haggada, dem blos Ge- sagten oder dem Ausdruck der eigenen, freien Gedan- ken und Meinungen, die keine bindende Kraft für Glauben und Leben haben sollten, auch Schematha ge- nannt) waren und ihre Auctorität durch eine von den Zeiten der Väter bis auf die Gegenwart herabgehende Ueberlieferuiigskette begründeten , wobei der einsache Schrifttext sich allerlei Zusätze und künstliche Ausdew tungeu gefallen lassen mußte. Zwar wollte man sie in früherer Zeit nicht ohne Weiteres der heil. Schrift gleichstellen, daher sie auch nicht aufgezeichneh sondern allein durch mündliche Tradition fortgepflanzt wur- den, worauf auch ihr Name ,,Gesagtes« deutet; aber doch galt in der Praxis schon lange nicht mehr das Gesetzeswort selber, sondern die traditionelle Fassung, so daß man eigentlich nur diese in den Schulen zu hören bekam. Was nun da insonderheit das hier vor- liegende 5. Gebot betrifft, so war es durch den Zusatz: »wer aber tödtet, der soll des Gerichts schuldig sein,« insofern geradezu aufgelöst, als es nun gar nicht mehr von Seiten seines sittlich religiösen Gehaltes oder als Sittengesetz in Betracht kam, sondern zu einem bloßen Civilgesetz herabgesunken war, wie der thätliche Todt- schlag in bürgerlicher Hinsicht zu bestrafen sei. Umge- kehrt hatte die traditionelle Auslegung eine Bestim- mung Mosis für das bürgerliche Criminalrecht (s. V. 38), welche dem Hader und Streit im gemeinen Leben und den rohen Ausbrüchen der Rachsucht steuern sollte und nur ein Gesetz war für die mit der Aufrecht- haltung der gesellschaftlichen Ordnung betraueteu Obrig- keiten, zu einem sittlichen Lebensgesetz gemacht, welches der persönlichen Rachlust allen möglichen Vor- schub leistete. Jener rabbinischen Auflösung des 5. Ge- bots gegenüber sieht denn Jesus von dem thätlichen Todtschlag, der nach Z. Mos. 24, 17 schon dem bürger- lichen Strafrechtverfällh ganz ab, gleich als dürfte von ihm da, wo es um die Gerechtigkeit des Lebens sich handelt, überhaupt nicht mehr die Rede sein, als dürfte der Gedanke eines Pharifäerherzensx ,,Jch danke dir, Gott, daß ich nicht bin wie andere Leute, Räuber, Un- gerechte 2c.,« nicht einmal als Versuchung an die Seele eines seiner Jünger heranreichen , und legt das Gebot ohne Weiteres so aus, daß das bürgerliche Gericht gar nichts mehr mit einer Uebertretung desselben zu schaffen hat; denn wenn er auch zur Bezeichnung der verschie- denen Grade der inneren, geistlichen Verschuldung an diesem Gebot, wie sie allein bei den Genossen seines Reichs noch möglich ist, die Ausdrücke von den Instan- zen weltlicher Gerichtsbarkeit entlehnt (des ,,Gerichts« schuldig, des »Raths« schuldig, des ,,höllischen Feuers« schuldig), so sind dies nur gleichnißartige Ausdrücke, con- crete oder veranschaulichende Redefiguren zur Darstellung dessen, was er meint, indem ja die Sünde des Herzens und des Mundes, von denen er spricht, sich schon der Untersuchung, geschweige der Verurtheiliing von Seiten des weltlichen Richters zumeist entziehen. — »Der HErr spannt das Wörtlein tödten nicht so enge, daß es allein heiße, das Leben nehmen, sondern spannt’s höher und spricht: Nein , Geselle , es hat eine andere Meinung! Du, du sollst nicht tödten: wer ist Du? —- die Hand? nein! — die Zunge? nein! sondern Du, du, das ist alles, was an dir und in dir ist, Herz und Gedanken, Mund und fünf Sinne; die Faust, dein Geld und Gut, und alles, was du hast und bist, soll nicht tödten. (Luther.) Sieh, Freund , deine Hand ma rein sein von Bruderblnt: aber ist dein Mund an rein von Bruderzwist? Das Messer hast du noch nie gewetzt gegen deines Nächsten Herz: aber haft du mit scharfen, fpitzigen, zweifchneidigen Worten ihn noch nie verwundet, daß sein Herz ihm blutete? Gift im Glas hast du ihm noch nie zu trinken gegeben: aber das Gift des Schelt- Worts und des Zanks, mischest du ihm das nicht viel- leicht alle Tage in seine Mahlzeit vom Frühstück bis zum Abendbrod? Hörers, ihr jähzornigen Männer, ihr zänkischeti Frauen, ihr streitsüchtigen Geschwister, ihr herzlofen Spötter , ihr gewissenlosen Verleumder , auch mit der Zunge kann man ein Mörder, auch mit Worten kann man ein Giftmischer werden. (Gerok.) »Wer mit seinem Bruder zürnet!« Der HErr sagt nicht: ,,mit einem Andern,« nicht: ,,mit seinem Nächsten« — er wählt das innigste Wort, das er finden kann, die Un- rechtmäßigkeit des Zornes fühlen zu machen: wer ,,mit seinem Bruder« zürnet, in Zorn geräth, er mag kurz oder lang darin bleiben, ist ein Mörder im ersten Grade und der Strafe schuldig im ersten Grade. Ein Mörder aber ist er, weil er im Augenblicke des Zorns die Liebe verloren hat und die Wurzel des Todtschlags in ihm lebendig ist. Wer aber, fährt der HErr fort, es bei der Empfindung und inneren Heftigkeit des Zor- nes nicht bewenden läßt, sondern nun auch noch in einem zornigen Worte ausbricht, etwa zu seinem Bru- der sagt: Racha, du Anspeiungswürdigerl der ist des Raths schuldig, der ist ein Mörder im zweiten Grade; seine Sünde ist nun schon soviel größer, daß sie, nach menschlicher Ordnung vergleichungsweise zu reden, gar nicht mehr vor ein Untergericht, sondern vor das höchste Landesgericht gehört. Wer aber es dabei noch nicht bewenden läßt, noch fortfährt im Zorn, die mörderische Bitterkeit in sich noch stärket und den Nächsten zum Zorn reizt durch Scheltworte, etwa sagt: Du Narr, du Verstandloser, Uuverbesferlicherl der ist ein Mörder im dritten Grade , der ist, nach menschlichem Maßstabe gemessen, des Feuers im Thale innom, wo Aeser und Leichname unbeerdigt liegen bleiben und endlich ver- brannt werden, er ist des Feuers der Hölle schuldig. (Menken.) Es giebt indessen, gleichwie ein Zürnen, so auch ein »Racha«- und »Du Narr«-Sagen, welches straflos ist; dafür liegen im neuen Testament selbst die Belege vor: Mark. 3, 5; Ephes 4, 26; Jak. 2, 20; Matth. 23, 17. 19; Luk. 24, 15; Gal. Z, l. Z; So ist denn auch bei diesem Aussprache alle falsche Buch- stäblichkeit fern zu halten; denn Christi Ausdrucksweise ist in der ganzen Vergpredigt nicht die der Schule, sondern die eines Volk-Redners, der kurz undkörnig Vergebet, so wird euch auch vergeben. 71 sein Wort hinstellt und a11f gesunden Menschenverstand beim Zuhörer rechnet, wie wir dies in derselben Weise anch bei Luther finden. (Tholuck.) 23. Darum sweil so schwere Schuld auf sich ladet, wer den Nächsieii irgendwie beleidigt oder kränkt, und doch im täglichen Leben es nur gar zu leicht geschieht, daß sich einer in dieser Weise ver- schuldet, gebe ich dir, der du es mit deiner Seele wohl meinst und mit Ernst darauf bedacht bist, wie du mögest mit Gott in Freundschaft und Ge- meinschaft stehen, den Rath :] wenn du deine Gabe auf den Altar opserstt smit einer Opfer- gabe, die du dem HErrn, deinem Gott, darbringen willst, schon bis in den Vorhof des Volks vorge- drungen bist und der Priester bereits dir entgegen- kommt, dasselbe in Empfang zu nehmen] und wirft allda [an dieser heiligen Stätte, wo das Gewissen vernehmlicher zu dir reden kann, als im Geräusch der Welt] eindenken, daß dein Bru- der [in Folge des Unrechts, das du ihm angethan] etwas seine Klage oder einen Vorwurf Mark. 11, 25; Col. Z, 131 wider dich habe; 24. So laß allda vor dem Altar deine Gabe seinstweilen unter der Hand des Priesters, ohne dich weiter mit ihr zu besassen], und gehe zuvor hin szu dem, den du beleidigt oder gekrän- ket hast], und versöhne dich mit deinem Bru- ders« [indem du ihn um Verzeihung bittest und alles ausbietest, sein Herz dir wieder zuzuwenden]; Und alsdann swenn du nun ein reines Gewissen vor Gott hast Jes. 1 , 10 ff] komme [wieder zum Heiligthum] und vpfere sietzt vermittelst des dienstthuenden Priesters] deine Gabe [du hast durch solchen Ausschnb an deinem Gottesdienst nichts versäumt, durch die Versöhnung mit deinem Bruder vielmehr alles für deine Versöhnung mit Gott gewonnen Hes 6, 6]. 25. Sei willferti lzi giitlichem Vergleich bereit] deinem Wider acher [der eine Rechts- klage wider dich hat] bald, dieweil du noch bei [genauer: mit] ihm auf dem Wege [zum Richter, vor den er dich stellen will Luk. 12, 581 bist,-f« auf daß dich der Widersacher nicht dermaleins [wenn nun der Weg zu Ende nnd keine Zeit zur Vergleichung mehr ist] übermit- worte dem Richter, und der Richter sder so- fort nach dem strengen Rechte mt dir verfahren würde] iiberantworte dich dem Diener [zur Vollsireckung des über dich gefällten Irtheilspruchess und werdest svon diesem zur Vetbiißung deiner Strafe] in den Kerker geworfen. 26. Ich sage dir swenn z. B die Rechts- klage eine Schuldforderung an dich betrist]: Wahr- lich, du wirst nicht von dannei saus dem Kerker] heraus kommen, bis du auch den letzten Heller-X— soon deiner Schuld] bezahlest [und weil du das niemals im Stande ist, wirst du auch nie wieder frei werden] — innere «) Es ist ein ungerechter Vorwurf, wenn die Aus- leger der Luthersschen Uebersetzung das Wörtlein auf als Fehler aufrtickenz dieser Vorwurf trifft nur unsre jetzigen Bibelausgabeth welche schreiben: »auf dem Altar opferst,« was allerdings dem Grundtext wider- spricht, indem das Opfer noch nicht als auf dem Altar liegend gedacht ist, auch nicht der Darbringende selbst, sondern der Priester das Opfer zu vollziehen hatte. Wir haben die richtige Lesart (»anf den Altar«) oben aufgenommen und zugleich angegeben, wie dies im Sinne des Grundtextes zu verstehen ist. Weiter ist es eine falsche Anwendung, den man in der kathol. Kirche von unsrer Stelle macht, wenn man sie zu einem Be- weise dafür gebraucht, daß der Christus , der sich einst blutig am Kreuze für die Menschheit opferte , im heil. Abendmahl immerfort durch die Hand des Priesters nublutig geopfert werde zur vollgiltigen Sühnung für Lebendige und Todte, die Messe also wesentlich eine Opferhandlung sei. Der HErr bedient sich hier nur solcher Ausdrücke in Beziehung auf den Gottesdiensh wie sie der damals noch giltigen Form desselben ent- sprachen, ohne schon in die Zeit des neuen Testament-s hiniiberzugreifen, und hat den Augenblick vor Augen, wo ein Jsraelit sein Opfer bis in den inneren Vorhof (B: s. Kap. 4, 5 ff. Anm.) gebracht hat, und nun die Opferung vor sich gehen soll (Z. Mos l, 1——3): da soll der, welcher in diesem Augenblick eines Unrechts am Nächsten sich bewußt wird, zuvor mit demselben sich versöhnen, und alsdann erst das Weitere geschehen lassen (3. M. l, 4-9). Dagegen ist es eine richtige Anwen- dung auf das heil. Abendmahl, wenn man in der evangel. Kirche die Sitte der älteren Zeit beibehalten hat, daß Familienglieder und sonstige Lebensgenossem so oft sie zum Tische des HErrn kommen, zuvor einer bei dem andern um Vergebung bitten. —- HI Komm, Bru- der, komm, reich her die Hand: mein Herze dir’s ver- giebet. Laß deinen Zorn nicht sein entbrannt: ein Christ den andern lieber. Wer wie sein lieber Meister thut, der brennet von der Liebe Gluth und sich an ihr stets über. (Ach Jesu, gieb mir sanften Muth— V. 4.) Willst du Gott dienen, so diene ihm mit einem Herzen, daß deinem Nächsten nicht feind sei, oder wisse, daß dein Dienst vor Gott ein Greuel ist. Daher kommt’s, daß Viele ,« wenn sie in Uneinigkeit mit ihrem Nächsten stehen, sich vom Sacrament enthalten und kein Vaterunser beten wollen, besorgend, weil sie nicht vergeben, so sprechen sie das Urtheil wider sich selbst. Damit aber wirst du deine Sache nicht besser machen, daß du nicht beten und zum Sacrament nicht gehen willst, sondern nur ärger; denn wie dich Gott findet, so richtet er dich. (Luther.) Es ist freilich nicht immer möglich, tiußerlich zum Bru- der hiiiszzugehen und mit ihm zu reden; dann kann die ersöhnnng dennoch an derselben Stätte des Opfers und Gebets geschehen. (Stier.) —— Eis) Der HErr legt die Nothwendigkeit eines schnellen Gehorsams gegen sein Wort in V. 23 f., die Nothwendigkeit einer schnel- len Versöhnung mit dem Nächsten noch aus einem an- deren Grunde an’s Herz; es ist, als ob er sagte: Laß dich’s nicht wundern, daß ich sage, du sollst das Opfer, wenn du schon damit in dem Tempel bist, nicht auf den Altar bringen, bis du dich. mit deinem Nächsten versöhnet hast. Ja, ich sage dtr’s noch einmal: sei will- ftihrig zur Versöhnung deinem Wtdersacher ohne alle Verzögerung; denn langsam tft das stolze, trotzige Herz zur demüthigenden Abbitte und Genugthuug Sei du geschwind damit gegen deinen Widersacher, dieweil du noch mit ihm auf dem Wege zum Gerichte bist et. Es ist wohl keinem Zweifel unterworfen, daß der HErr hier nicht von einem menschlichem sondern von dem göttlichen Gerichte redet; redet er aber davon, so ist 72 Evangelium Matthäi 5, 27—30. dieser sein Ausspruch um so viel wichtiger. Er belehrt uns, daß unser Nächster, der von uns Unrecht leidet und eine gerechte Klage wider uns hat, uns, wenn wir ihm in dieser Welt keine Abbitte thun und keine Ge- nugthnung leisten, mit dieser Klage, dieses Unrechtleidens wegen vor dem göttlichen Gerichte belangen kann, und daß dieses mit unparteiifcher Gerechtigkeit fich des Un- rechtleidenden annimmt und uns in einen Zustand ver- setzt, der uns eben so peinlich sein wird, wie hier dem in den Kerker Geworfenen sein Zustand ist. (Menken.) Noch sind wir auf dem Wege mit einander, auf dem Wege zur Ewigkeit, aus dem Wege zu Gottes Stuhl: noch ein kurzer Weg, vielleicht noch wenige Schritte, und du stehst vor Gott, oder dein Feind steht vor Gott! Aber noch sind wir mit einander auf dem Wege; noch kann manches Mißverständniß ausgeglichen, manche Be- leidigung abgebeten , manches Unrecht gut gemacht, manches Versänmte nachgeholt werden. O thut es, liebe Seelen, thut es, solange ihr mtt einander auf dem Wege seid; thut es, ihr entzweiten Ehe atten, thut es, ihr ungerathenen Kinder, thut es, ihr verfeindeten Nachbarn, versöhnet euch, weil ihr noch könnt! Glaubet’s, es ist bitter, am Sarge eines Vaters , einer Mutter, einer Gattin, eines Bruders, einer Schwester stehen und fich sagen müssen: ich habe dir oft weh gethan, du gutes Her ; ich möcht’ es wieder gut machen mit mei- nem Herz lut, aber es ist zu spät; ich möchte dir zu- rufen mit heißen Thränem verzeih’ mir! aber dein blasfer Mund kann mir nimmer antworten: ich ver- zeihel deine kalte Hand kann die meine nimmer drücken zum Zeichen der Versöhnung — es ist zu spät, du nimmst die Beleidigung mit hinüber in die Ewigkeit, und ich trage die Reue im Herzen lebenslang! — Glaubet’s, es ist ein Jammer, auf dem eigenen Todten- bett liegen undszzurückschauen in die Welt, die nun ver- gange1i ist mit ihrer Luft, nnd sich sagen müssen: ich habe mich gestritten um so manchen eitlen Tand, der des Streites nicht werth war; ich habe mich gegrämt wochenlang um einen Schimpf , der eine Federflocke ist im Angesichte des Todes; hätt’ ich mehr Liebe gehabt nnd mehr Geduld , ich hätte froher gelebt, ich könnte seliger sterben! Glaubens, es ist furchtbar, drüben vor Gottes Thron zusammentreffen mit einer Seele, deren Seufzer und Thräiien einst gegen uns gen Himmel schrieen und deren Anblick uns nun vor Gott verklagt! Glaubet’s, es ist schrecklich, von dem allgerechten Richter iiberantivortet werden in den Kerker, in die Pein, in die Nacht ohne Licht, ohne Liebe, ohne Leben, nach dem Sprnch : Mit welcherlei Maße ihr messet, wird euch gemessen werden, und mit welcherlei Gericht ihr richtet, werdet ihr gerichtet werden! (Gerok.) — f) Das Wort Heller bedeutet eigentlich einen Haller Pfennig, d. i. einen zu Schwäbisch-Hall geprägten Pfennig tfo hat der Thaler seinen Namen erhalten von Joachimsthal in Böhmen, wo er um 1518 häufig von dem Grafen von Schlick geschlagen ward, der Florin aber von der Stadt Florenz); er war nach Zeit und Ort von ver- schiedenen1 Werthe, doch machten ewöhnlich 2 Heller im Niittelalter einen Pfennig aus. uther gebrancht das Wort für die kleinste in Palästina cursirende Kupfer- Münze, die im Lateinischen quadrans heißt und 74 Aß (2.Mos.30,13Anm.) beträgt. (Jütting.) — H) Luther läßt in V. 25 f. die Anrede, die vorher an den Belei- diger gerichtet war, nunmehr zu dem Beleidigten sich wenden und erklärt folgendermaßen: Der andere Theil nun, der beleidigt ist und meint, er hab gute Ursach, daß er zürnen soll, den warnt der Err auch, daß er gern vergeben und fich nicht lang so feiren lassen, son- dern, kommt mein Widersacher , dem soll ich vergeben willig; kommt er nicht, so soll ich ihm doch willfertig und freundlich sein, weil wir auf dem Wege sind in diesem Leben, denn das, sagt der HErr, sei eine große Gefahr. Denn wo du dich lange bitten nnd zur Sühne nicht giitig wolltest finden lassen, so würde dein Gegen- theil die Sache dem Richter, Gott im Himmel befehlen und sagen: HErr, ich habe gethan, was ich soll; bei dir finde ich Gnade, aber bei den Leuten nicht, wohlan! ich will dir’s befehlen. Nun ich denn Vor Gericht komme, so erkennt mein Gewissen, daß es deni Nächsten nicht hat vergeben wollen und hat den Groll noch in ihm stecken; das Gewissen gegen dem Nächsten übermit- wortet mich dem Richter, der iibergiebi mich deni Knechte, der wirft inich in den Kerker, d. i. in’s höllische Feuer, bis ich den letzten Heller bezah1e, d. i. ewig; denn da ist keine Abzahlung noch Rettung, wie Er in Luk. S, 38 sagt: ,,mit dem Maß, damit ihr messet, wird man euch wieder messen« Also will der HErr zu bei- den Theilen haben, daß man barmherzig sein, den Zorn fallen lassen und jedermann freundlich fein soll; sonst verklagt uns das 5. Gebot, daß wir Todtfchläger find vor Gott, wird derhalben auch die Strafe nicht außen bleiben. 27. Ihr habt [weiter] geh-Brei, daß [der her- kömmlichen Auffassung des sechsten Gebots 2. Mos 20, 14 gemäß] zu den Alten stoeiter nichts] ge- sagt ist sals was der äußere Wortlaut besagt, nämlich]: Du sollst nicht ehebrechen [so das; damit lediglich. der eigentliche Ehebrueh verboten und nur die Enthaltung von diesem gröbsteti Ausbruch der unkeuschen Lust gefordert wäre] 28. Jch aber sauch hier der Auslösung des Gesetzes dnrch Abschwächung feines tieferen, hinter dem Buchstaben verborgen liegenden Sinnes, der fchon den Alten nicht verborgen geblieben Hiob 31, 1; Sir. 9, 5. 8., mit allem Nachdruck ent- gegentretend] sage euch: Wer ldurch das Band der— Ehe an ein bestimmtes Weib gebunden] ein [anderes] Weib sdas richt das seine ist, gleichviel, ob verheirathet oder ledig] anstehet, ihrer lfür die Zwecke feines fleischlchetl GEIÜstOUSJ zu begehren [Sprüchw. 23, 31—»—33; 2. Petri L, 14], der hat fchon [vermöge solcher ehebrecherischen Begehr- lichkeit, in der das. Ansehen geschieht] mit ihr die Ehe gebrochen in sinem Herzen lschon da die böse That verübt, wem» es auch vielleichi nicht zur äu- ßeren Verwirklichrng kommt]. - Das ist abernals ein Stück Satzes wegen de Pharisäer Lehre; iom Ehebruch hatten sie es (das Ge- bot) gedeutet, glnchwie das fiinfte Gebot (vom eigent- lichen Todtschlags und so gelehrt: es wäre nicht mehr verboten, denn no ein Ehebruch mit der That geschehe, und hielten’s niht für Sünde, ob sie gleich im Herzen verbrannt wäre! mit böser Lust und Liebe gegen eine andere nnd aich auswendig mit unhübschen Worten und schambarei Geberden fich erzeigten, und schadete ihnen nicht an ihrer Heiligkeit, wenn sie nur sonst gute Werke thäten fleißig opferten nnd beteten u. f. w. Christus aber will nicht Gottes Gebot so drehen lassen, daß man derZaum lasse zur Unzucht und Büberei. So will er folchr Heiligen auch nicht, die von den Leuten laufen und .ehren, alle Gesellschaft Manns- oder Weibs- personen zr meiden; das Ansehen (an und für fich) ver- beut er niat, denn er redet zu denen, die in der Welt unter den Leuten leben müssen. So hast du dir auch Auslegung des sechsten Gebots 73 nichts damit geholfen, ob du gleich von den Leuten bist gelaufen und doch denselben Schalk bei dir trägst, d. i. die Brunst und böse Lust, so im Fleisch und Blut steckt. Sondern das ist die größte Ursach des Ehebruchs, die allezeit muß zUschlagen, daß man iiicht Gottes Wort ansieht an seinem Gemahl, als daß ihn Gott giebt und segnet, sondern dieweil die Augen auffperrt , wo man eine andere siehet; so hängt denn bald das Herz den Augen nach, daß auch die Lust und Begierde dazu schlägt, die ich allein zu meinem Weibe haben sollte. So ist Fleisch und Blut ohne das vorwitzig, daß es des; bald überdrüssig wird und nicht mag, was er hat, gafft immer nach einem andern, und bläst der Teufel zu, daßszman an seinem Gemahl nichts sieht, denn was gebrechlich ist, und aus den Augen setzt, was gut und löblich ist. Daher kommt es denn, daß eine jegliche schöner und besser ist in meinen Augen denn die meine, ja mancher sich läßt so blenden , der ein recht schöiij fromm Weib hat, daß er ihr gram wird und sich hänget an einen scheußlichen, schändlichen Balg. Darum wäre das die rechte Kunst und stärkste Wehr dawider, wenn ein jeglicher lernte sein Gemahl recht ansehen nach Gottes Wort; denn wenn ich alle Weiber in der Welt anfehe, so finde ich keine, von der ich rühmen könnte, wie ich von meiner mit fröhlichem Gewissen sagen kann: diese hat mir Gott selbst geschenkt, und weiß, daß ihm sammt allen Engeln herzlich wohl gefällt, wenn ich mich mit Liebe und Treue zu ihr halte. —- Doch muß man’s hier auch nicht so enge spannen, obgleich jemand angefochten wird, daß er darum sollte verdammt sein. Daß der Teufel nicht sollte können in’s Herz schießen mit bösen Gedanken und Lust, ist nicht möglich zu weh- ren; aber da siehe zu, daß du solche Pfeile nicht stecken und einwachsen lassest, und wegwerfest und thust, wie vorzeiten ein Altvater hat gelehrt und gesagt: Jch kann nicht wehren, daß mir ein Vogel über den Kopf fliege, aber das kann ich wohl wehren, daß sie mir im Haare nisten oder die Nase abbeißen. Also wenn mairs nur beim Einfallen der Gedanken bleiben läßt, daß man sie nicht einlasse, ob sie gleich anklopfen; aber nichts weniger ist es gleichwohl Sünde, doch in die gemeine Vergebung gefaßt, weil wir nicht im Fleisch leben kön- nen ohne große Stück von Sünden, und ein jeglicher muß feinen Teufel haben, wie auch Paulus klagt in Röm. 7, 18. (Luther.) 29. Aergert dich aber [beim Ankämpfen wider die unreine Lust des Herzens, dazu das S. Gebot einen jeden, auch den, der noch nicht im Ehestande lebt, VerpfIichtetJ dein rechtes Auge sindem es dir immer auf’s Neue Bilder vor die Seele führt, die das Feuer. der schändlichen Brunst in dir anzünden], so reif; es [trotzdem, daß es das rechte und also dein liebstes und werthvollstes Auge ist 1. Sann 11, 2; Sach.11,17] ans Und wirf? sfiir immer dem Besitz und Gebrauch desselben entsagend] von dir; es ist dir [in Fällen, wo das Heil der Seele auf dem Spiele stehtJ besser, daß eins deiner Glieder sfürs zeitliche Leben] verderbe, und nicht [wie geschehen würde, wenn du fiir’s» ewige Leben verloren gingest] der ganze Leib m die Hölle [1. Kön 1, 33 Anm.] geworfen werde [um dort die Qual ohne Maß und Ende zu erleiden] 30. Aergert dich sum auch ein anderes Glied noch zu nennen, das sich ebenfalls nur gar zu gern in den Dienst der unreinen Lust des Herzens stellt und ihr in mancherlei Weise zu Hilfe kommt, daß sie ihre Befriedigung finde] deine rechte Hand, so hatte sie [wenn das sich Ausstrecken nach ver- botener Frucht ihr nun einmal nicht anders gewehrt werden kann] ab und wirf sie von dir. Es sgilt auch hier, was vorhin in Beziehung auf das rechte Auge gesagt wurde: es] ist dir sin Anbetracht dei- ner Seelen Seligkeit, die um jeden Preis zu retten und zu bewahren istJ besser, daß eins deiner Glie- der [und wäre es auch das zum Fortkommen in der Welt am wenigsten zu entbehrende] verderbe, nnd nicht sdereinstj der ganze Leib sder an seinen Gliedern hienieden unverletzt erhaltene, aber der Verdammniß der Seele, zu welcher er geholfen, therlhaftig gewordene Leib] in dte Holle geworfen werde [,,da ihr Wurm nicht stirbt und ihr Feuer nicht verlöschet« Jes. 66, 24; Mark. 9, 44]. Das Wort ärgern, das im jetzigen Sprachgebrauch soviel ist als: jemand kränken, ihm Aerger oder Ver- druß bereiten, ist ursprünglich der Gegensatz von »bes- fern« nnd bedeutet: jemand ärger oder schlimmer machen, ihm Veranlassung zur Sünde geben, ihn zum Abfall oder Unglauben reizen (3. Mos. 4, Z; 2. Cor. 11, 29); daher »sich ärgern« überall den Sinn hat: Anstoß woran oder an jemand nehmen (Kap.11, G; 26, 31; Jes. 52, 14). Was den Ausfpruch des HErrn in den beiden vorliegenden Versen selber betrifft, so ist im All- gemeinen wohl klar, daß er damit die äußerste Strenge der Selbstverleugnung zur Erfüllung des Gebots, von dem er redet, von uns fordert; die Meinung der Worte im Einzelnen aber näher zu bestimmen, ist keineswegs leicht, daher denn die Ausleger in ihren Ansichten ge- theilt sind, ob Christi Rede vom Aus-reißen des Auges und Abhanen der Hand im eigentlichen oder im bild- lichen Sinne zu verstehen sei. Wenn nun Luther, der zu der zweiten Klasse zählt, sie dahin erklärt: »Geist- lich ausreißen ist hier geboten, d. i. wenn der Augen Luft getödtet wird im Herzen und abgethan; denn wenn die böse Lust aus dem Herzen ist, so wird auch das Auge nicht sündigen noch dich ärgern,« so dürfte diese Erklärung schon darum nicht ohne Weiteres zulässig fein, weil in dem Ausspruche Auge und Hand eben als Glieder des Leibes, nicht als Sinnbilder für das, was im Auge sich ausspricht oder die Hand regiert und zu seinem Werkzeuge macht, für die im Herzen wohnende unreine Lust, in Betracht kommen und dem ganzen Leibe als bloße Theile desselben entgegengesetzt werden; außerdem aber wäre gar kein Grund abzusehen, warum gerade die rechte Hand und das rechte Auge genannt sind. Wir müssen also festhalten, daß der HErr von dem Auge und von der Hand selber etwas aus-sagen will; er setzt bei feinen Jüngern voraus, daß in ihrem Gemiithe bereits das Gesetz vorhanden ist, von dem St. Paulus in Röm. 7 , 26 redet, daß sie Lust haben an Gottes Gesetz nach dem inwendigen Menschen und das Wollen dessen, was im S. Gebot als Gutes ihnen vorgehalten wird, in sich tragen. Nun aber hat die aus dem Mittelpunkt ihres Lebens, aus dem Herzen, durch den Geist Gottes verdrängte Sünde sich keineswegs auch aus dem ganzen Menschen herausgezogen; sie ist viel- mehr noch da als »das andere Gesetz in den Gliedern,« und sie versucht von da aus ihren vorigen Sitz, das Herz, wieder für sich zu erobern. Da bringt es denn die höchste Seelengefahr, wenn ein Gläubiger meinen wollte, er könne Auge oder Hand auch dann und wann einmal mit der Sünde spielen lassen; die Sünde bleibe 74 Evangelium Matthäi s, 31—37. ihm da immer nur etwas Aeußerliches, er koste nur ein wenig von ihrer Lust, ohne an ihr selber Lust zu haben. Aber —- so belehrt uns das Wort des HErr1i: wir müssen, wenn wir feine rechten Jünger sein wollen, lie- ber auf das beste Auge und die Unentbehrlichste Hand verzichten, als daß wir uns durch sie einen wollüstigen Genuß wollten zuführen lassen, miissen insofern das Auge uns wirklich ansreißen und die Hand uns wirklich abhauen und von uns werfen, daß wir sie, Auge und Hand, fiir dergleichen Zwecke ar nicht mehr haben mögen. Wie dann im praktischen Le en Christi Wort seine An- wendung findet, dasz wir, um nicht verfucht zu werden über unser Vermögen, entweder dem Schönheitssinn das beste Auge ausreißen oder dem Gemeinschaftssinn die edelste Hand abhauen müssen, hängt von der richtigen Beurtheilung des jedesmal vorliegenden Falles ab; es gilt da das Wort in 1. Joh. 2, 27x Die Salbung, die ihr von ihm empfangen habt, bleibet bei euch, nud dürfet nicht daß euch jemand lehre it. 31. Es ist auch [von euren Lehrern in den Schulen, welche die beschränkende Gesiattung der Ehescheidung: 5. Mos. 24, 1 ——4 durch Miszdeu- tuiig und Verkürzung des Wortlauts in eine auf- mnnternde Vorschrift umgewandelt und also auch hier das Gesetz, aufgelöst haben] gesagt: Wer sich von seinem Weibe scheidet [sich von ihr zu scheiden beabsichtigts der soll ihr geben einen Scheidebrief [es steht ihm solche Scheidung aus jeder beliebigen Ursache frei, wenn er nur die gesetzlich vorgeschrie- bene Form des Scheidebriefs dabei erfüllt]. 32. Jch aber sden Keim zu einer, dem Wesen der Ehe wahrhaft entsprechenden Ausgestaltung des ehelichen Rechtsverhältnisses, der in Mosis Worten schon enthalten, von den Schriftgelehrten dagegen durch solchen Mißbrauch ertödtet worden ist, wie- derherstellend und zu vollem Leben entfaltend] sage euch: Wer sich von seinem Weibe scheidet — es sei denn um Ehebruch sliegt freilich dieser vor, dann ist ja die Ehescheiduiig thatsächliclj von dem« untreu gewordenen Gatten bereits vollzogen und der unschuldige Theil eben so wenig an den schul- digen noch gebunden, wie ein nachlebender Gatte an den verstorbenen Rom. 7, 2 f.] ———, der macht sgerade durch die Ertheilung eines Scheidebriess, der dem entlassenen Weibe äußerlich das Recht verleiht, mit einem andern Manne in Gemeinschaft zu treten], daß sie swenn sie nun wirklich von solchem Rechte Gebrauch macht] die Ehe bricht [denn nach göitlicher Ordnung ist sie noch immer an ihren ersten Mann gebunden]; und wer eine Abgeschiedene seine mittels Scheidebriefs von ihrem Mann Entlassene] sreiet, der bricht die Ehe sdenn die Abschiedene gehört rechtmäßig noch eben so gut dem ersten Manne an, wie vor ihrer Entlassung, und der sie freut, macht den von jenem nur erst begonnenen Vruch der Ehe nun vollständig und unwiderruflich b. Mos. 24, 4]. Vgl. hier die Bemerk. zu Kap. 19, 3 ss.; für jetzt nur folgende Anslassung von Stier: Die Ehe ist das heiligste Menschenverhältniß, in welchem die reine Liebe, womit eine Person die andere als sich selber liebt, den vollkommensteii Ausdruck, die Unreinigkeit der Fleischeslust aber, als welche eigentlich Haß und Mord der andern Persönlichkeit in sich birgt, ihre vollkommenste Heilung und Abweisung finden soll. Daher konnte jetzt im engsten Zusammenhange nichts Anderes folgen; denn in der Ehe ist das Grund- und Wurzelgebiet aller geselli- gen Verhältnisse und eben darum aller bürgerlichen Ordnung, durch die Sünde verstört, durch Christum wieder herzustellen in die Urordniing des Schöpfers, welche von Anfang der Kreatur gewesen. Hier wurde gansz natürlich der Buchstabe des mosaischen Gesetzes arg gemißbraucht von den Sündern, indem jedes Gesetz, je mehr es in das wirkliche Leben hinabsteigt, desto miß- brauchfähiger wird fiir den am Buchstaben haftenden Sinn. Ja hier kommt schon zur buchstäblichen Auffass- sung ein wirklich falsches Auslegeih insofern die Erlau niß als ein Gebot genommen wurde, da doch die Ehe- scheidung in keinem andern Sinne zugelassen wurde, als sogar die noch mehr Gottes anfänglicher Schöpfung widersprechende Vielweiberei; insofern weiter gelesen, gelehrt und gethan wurde, als stände geschrieben: ,,um jeglicher Ursach willen,« und so das ganze Gebot ver- fälscht, als käme es nach Mosis Meinung dabei eben nur auf die zu beobachtende Formalität des Scheide- briefes an. Aber wie schon Moses unmittelbar bei dem Gebote wenigstens den ärgsten Folgen dieses Mißver- ständnisses, dem leichtfertigen, greuelhaften Scheiden und Wiederheirathen zwifchen denselben Personen mehret, so hat auch schon der letzte Prophet Maleachi, der an des alten Testameiites Schluß auf Mosis Gefetz sammt Ge- boten und Rechten bis zum Kommen des Kommenden zurückweist (Mal. 4, 4), mit sehr deutlicher Verweisung auf Abrahaiiisv erhabenes Beispiel für all seinen Samen gegen Mehrwekberei und Ehescheidung zugleich gezeuget (Mal. 2, 14—16). Siehe folglich wiederum, daß die Bergpredigt, auch wo es auffallend so scheinen möchte, dennoch nichts Neues sagt oder fetzet, sondern wo sie irgend das Gesetz auflöst, es vielmehr in feiner Einheit mit den Propheten erfüllt. — Eine weitere Bemerkung von Meyer: Von dem Falle, wo der Mann Ehebruch begehn redet Christus nicht, weil das Gesetz, welches eine Entlassung des Mannes von Seiten des Weibes nicht kennt, hierzu keine Veranlassung bot; doch geschieht die Anwendung vom weiblichen Ehebruch auf den männlichen als Ehefcheidungsgruiid nach dem sittlichen Geiste» Jesu mit vollem Recht,« ist mit P. Lange durch die Hmweisung darauf zu ergänzen, daß von des Man- nesVerfckhuldung drei Mal die Rede ist: l) wer ein Weib ansiehet er. (V. 28); Z) wer das Weib entläßt, izhne den rechtmäßigen Ehescheidungsgrund, der macht sie zur Ehebrecheriiy Z) wer die Geschiedene freier, bricht die Ehe. 33. Ihr habt weiter gehört, daß swie die Schriftgelehrten die Worte in 3. Mos II, 12 u. 4. M. 30, Z; 5. M. 23, 21 auslegen] zu den Alten [weiter nichts als dies] gesagt ist: Du sollst keinen falschen Eid thun lfchwören aber kannst du, soviel du willst, selbst einmal falsch schwören im gemeinen alltäglichen Leben 5. M. 10, 26 Anm. magst du, wenn es nur ein Schwur bei etwas Anderem, als dem Namen des HErrn, deines Gottes, gewesen; denn allein der Schwur bei die- sem Namen ist nach 3. M. 19, 12; 5. M. S, B» sur einen Eid zu rechnen], und sollst Gott deinen Eid thun sein Gelübde, das du Gott un- mittelbar selbst abgelegt hast, genau erfüllen, an- Auslegung des zweiten Gebots. 75 dere Gelöbnisfe dagegen, bei denen du dich in einer gewissen Entfernung von Gott gehalten, so daß es eigentlich keine Eide bei Ihm sind, wie der Wort- laut in 4. Mos 30, Z; 5. M. 23, 21 fordert, sind eine nicht verbindliche Kleinigkeit, eine Ba- gatelle]. 34. Jch aber [um hier znnächst nur auf die erste Art der falschen nnd gewissenlosen Auslegung des Gesetzes. Riicksicht zu nehmen, bis ich seiner Zeit auch der andern Art ihr Veriversungsurtheil sprechen werde Kap. 23, 16 ff.] sage euch, daß ihr allerdinge [s. v. a. schiechterdiugs Apostg 18, 211 nicht schwören sim gemeinen, alltäglichen Leben überhaupt auf eine schwurähnliche Betheurung, selbst wenn das, was ihr betheueru wollt, der Wahrheit gemäß ist, euch nicht einlassen] sollt, weder sdürft ihr also, wie die Schriftgelehrten dies als etwas Unversängliches gestattet haben, schwören] bei dem Himmel, denn er ist Gottes Stuhl; 35. Noch bei der Erde, denn sie ist seiner Füße Schemel [Jes. es, 1]; noch bei Jerusalem, denn sie ist [um des Tempels willen, da der HErr seine Wohnung hat Pf. 48, Z] eines großen Königs [1.Tim. l, 17; G, 15] Stadt sihr wür- det demuach auch bei dergleichen Schwurformeln mittelbar doch allemal bei Gott selber schwören und allemal eines falschen Eids euch schuldig machen, wenn eure Versicherung oder Verneinung mit der Wahrheit nicht völlig iibereinstimmte]. 36. Auch sollst du nicht [wie es leider soviel mit großem Leichtsmn geschieht] bei deinem Haupt schwören [als bliebe Gott bei dergleichen Betheue- rungen ja ganz außer Spiel und du hättest es blos mit dir selber zu thnn]; denn du vermagst nicht [einmal] ein einiges Haar [auf deinem Haupte, wenn es von Natur schwarz 1. Sam. 16, 12 Anm. 1 ist] weiß, oder [wenn es, wie im Alter, weiß istJ schwarz zu inachen sgeschweige daß dir über das Ganze, dein Haupt, ein Verfügungs: recht zustünde, sondern du stehst damit völlig in deines Gottes Gewalt, und wird also auch hier in der Kreatur, wenn du bei ihr schwörest, der HErr und Schöpfer aller Dinge selbst betroffen] 37. Eure Rede aber [womit ihr im gewöhn- lichen Leben etwas bezeugen und versichern wollt] sei [weiter nichts, als eine nachdrucksvolle Besa- hung oder Verneinung, der man die ganze Ent- schiedenheit und Zuverlässigkeit eines wahrheitlieben- den Herzens sogleich von selbst anhört]: Ja, ja, nein, nein; was darüber ist [jede schwurähnliche Zuthat zur Bekräftigung und Betheuerung des Behaupteten oder in Abrede Gestellten] ist vom Uebel [stammt aus dem argen Wesen dieser Welt 1. Joh. 5, 19 und verstrickt immer tiefer in daf- selbige hinein Sir. 23, 19 ff.]. Zum richtigen Verftändniß dieser Stelle müssen wir davon ausgehen, daß die Schriftgelehrten in dreifacher Weise das Gesetz ausgelöst hatten: 1) erklärten sie eine gewöhnliche Aussage oder ein gewöhnliches Ver- sprechen, bei welchen nicht irgendwie ein Schwurwort dabeistand , für nicht so wichtig, daß sie immer streng wahrheitsgeniäß sein müsse, und für nicht so verbindlich, daß man es auch unbedingt zu halten habe ——— man be- sitze da Freiheit genug, um sich zu helfen, so gut. oder so schlecht es eben gehe; L) nächst dieser Unterscheidung zwischen Schwur und Nichtschwur erlaubten sie stch einen weiteren Unterschied zu machen zwischen verbind- lichen und nichtverbindlichen Erden, und nahmen in Beziehung auf letztere dieselbe Freiheit, wie vorhin, in Anspruch, wie z. V. nach Maimonides (ein jiidisiher Gelehrter des 12. Jahrh. n. Chr.) sagt: »wenn jemand beim Himmel, bei der Erde, bei der Sonne re. schwört, so ist das kein Schwur«; Z) vermöge der beiden vorigen Grundsätze verhielten sie stch zu dem leichtfertigen und lüderlichen Schwören im gemeinen Leben, das damals wie noch jetzt im Morgenlaiide in einer noch weit schlimniereii Weise als bei uns an der Tages- ordnung war, sehr gleichgiltig, ja huldigten dieser Un- fitte für ihre eigene Person. Bei diesem Stand der Dinge hat Christus mit dem rechtmäßigen Eid, wenn er die Erfiilliing einer obrigkeitlichen Forderung ist (Kap. 26, ,63«f.) oder auf Antrieb des Geistes Got- tes zur nachdriicklichen Betheuerung eines Zeugnisses geschieht (Röm. l, 9; 2. Cur. 1, 23; 11, 31 u. s. w.), es hier gar nicht zu thun; und es ist ofsenbares Miß- verständnis; seiner Worte, wenn man das »ihr sollt allerdings nicht schwören« dahin aufgefaßt hat, daß er alles und jedes Schwiiren für den Stand christlicher Vollkommenheit schlechterdings unter.sage; denn riicht nur wird von Gott selbst gesagt, daß er bei stch ge- schworen habe (1. Mos. 22, l6; 26, Z; 4. M. 14, 23; Jes. 45, 23), und der Eid in Hebr. S, 16 fiir etwas, das man aus der Welt nicht wohl hinaus-schaffen kann, ohne den Frieden und die Wohlfahrt der menschlichen Gesellschaft bei der nun einmal vorhandenen Sünde aufs Aeußerste zu gefährden, erklärt, sondern es konnte der HErr auch, was in 5. Mos. S, 13 in Form eines Gebotes auftritt und in 5. M. 10, 20 zu einein Gottes- dienst erhoben wird, nicht verbieten, ohne das Gesetz zu zerstören, statt es zu erfülletn Vielmehr müssen wir sa en, der HErr hebt den ersten, von den Schriftge- lehrten aufgestellten Unterschied, den zwischen Schwur und Nichtschwuy gerade damit vollständig auf, daß eigentlich jedes Wort eines Christen ein Eid im tieferen Sinne des Worts sein soll, insofern nämlich ein Christ alles, was er redet, als in der Gegenwart des heiligen Gottes, im Bewußtsein seiner Zeugenschaft und der zu- ktinftigen Rechenschaft (Kap. 12, 36 f.) reden soll; erst wo es bei einem Menschen dahin kommt, daß er immer- dar nur aus der Gemeinschaft mit Gott heraus und in beständiger Bereitschaft auf den Tag des Gerichts seine Aussagen thut, koinmtes mit ihm auch dahin, daß sein Ja xanft und sem Nein nein (Jak. 5 , 12) , und daß man Ihm auch ohne Betheuerung traut. Indem aber Christus so das Schwören von den lieichtfertigen Lippen, die schwurähiiliche Betheuerungen sich erlauben, welche kein eigentlicher Eid sein, und doch dasselbe bei dem Nächsten wirken sollen, was ein förmlicher Eid bezweckt, hinwegnimnit und es nach dem eiligthum des mit Gott geeinigten Herzens verlegt, he t er auch den an- dern, von den Sihriftgelehrten aufgestellten Unterschied, den zwischen verbindlichen und nichtverbindlichen Schwü- ren ein für alle Mal auf; bei einer Herzensftellung zu Gott, wie er sie im Auge hat, wird es dem Menfchen selber zum Bedürfniß, so oft er in die Lage kommt, eine ». einer also gegen den andern verbunden sei 76 Evangelium Matthäi 5, 38——44. Zusage oder Aussage durch eine eidliche Versicherung bekräftigen zu müssen, auch den bei Namen zu nennen, als vor dessen Augen er sich wandeln weiß, während die Betheuerung bei einer Kreatur schließlich nur auf den gottlosen Wahn hinausläuft, als könne man zwi- schen sich und Gott eine Scheidewand schieben, um da- hinter mit ihm Versteck zu spielen. Indem wir über den rechtmäßigen Eid erst zu J. Cor. l, 23 uns näher aus- sprechen werden, schlagen wir an unsrer Stelle vor, das Wort schwören von der willkürlichen, anmaßlichen und bösen Nachäfsung des Eides, wie sie im gemeinen Leben so viel vorkommt, zu verstehen; so gilt es vollkommen und unbedingt: ,,ihr sollt allerdinge nicht schioören,« und Christi Meinung ist sofort klar. Aehnlich haben auch Andere den Text verstanden. So , wenn Stier schreibt: Es wird hier von Christo seinen Jüngern ver- boten: 1) alles Schwören schlechthin, auch mit Gottes Namen, insofern ihnen als Vollkommenheit ge- boten ist ein beständiges Wahrheitredeu im Namen Gottes, das keiner besonderen Hinzufügung desselben be- dürfen sollte, folglich hier der Eid gegen die Lüge für Christen unter einander eben so von innen heraus ab- geschafst werden soll, als Schloß und Riegel gegen die Diebe; L) alles Schwören bei Dingen außer Gott insonderheit, sei es außer uns oder an uns selber, weil wir Gottes gedenken und seinem Namen die Ehre geben sollen beim Namen aller Kreatur, weil Er allein das Amen zur Besiegelung der Wahrheit hat und selber ist; 3) alles leichtfertige und unnütze Schwören, alles Betheuern und Verstärken des Ia und Nein ohne Ursach, wie es nicht nur damals im pharisäischen Israel gäng und äbe war, sondern auch die Heuchelei der Menschen zu a en Zeiten erzeugt; denn wenn ich von selbst meiner Rede dergleichen hinzufüge, bekenne ich mich ja damit als sonst unzuverkässig Jst aber die rechte Ursach zum Eid vorhanden, so wird dennoch erlaubt, ja unter Umständen geboten als Gottes- und Nächstendienst jede Verstärkung der einfachen Rede, welche die Wahrheit behauptet und die Liebe fördert, folglich nicht blos der Gerichtseid des christlichen Staats- bürgers zur Beendigung des Haders, sondern auch der Zeugnißeid des Apostels , Predigers , Jüngers im heil. Ernste. — Nehmen wir hinzu, was Luther sagt: Alles Schwören und Eiden ist hie verboten, das der Mensch von ihm selber thut; wenn’s aber die Liebe, Gebot, Noth, Nutz des Nächsten oder Gottes Ehre for- dert, ist es wohlgethan, gleichwie auch der Zorn ver- boten ist und doch löblich , wenn er aus Liebe und zu Gottes Ehre erfordert wird. Sprichst du aber: Ja, Christus sagt, du sollst nicht schwören! Antwort: Du, du sollst es nicht thun, als für dich selbst; von sich selbst soll niemand sluchen und schwören, es sei denn, daß er Gottes Wort dazu habe, daß er solle fluchen und schwören. In das weltliche Regiment und Ord- nung will Christus hier gar nichts reden, noch der Obrigkeit etwas genommen haben, sondern predigt allein den einzelnen Christen, wie sie für sich in ihrem Wesen leben sollen. So hat Gott das Regiment geordnet, daß "n muß, da- mit alle irrigen Sachen durch den Eid geschlichtet, ge- schieden und hingelegt werden (Hebr. 6, 16); hier schwörst du nicht, sondern der Richter, der dich’s heißt, und bist jetzt des Richters Mund. Darnach, wenn ich jemand sehe in geistlichen Nöthen und Gefahr, schwach im Glauben oder verzagten Gewissens oder irrigen Verstandes u. dgl. , da soll ich nicht allein trösten, son- dern auch dazu schwören, sein Gewissen zu stärken, und sagen: So wahr Gott lebt und Christus gestorben ist, so gewiß ist dies die Wahrheit und Gottes Wort. Da ist der Eid so noth, daß man ihn nicht entbehren kann; also haben Christus und St. Paulus geschworen und Gottes Namen zu Zeugen geführt. Desgleichen auch, wo man den Nächsten entschuldigen und seine Ehre retten soll wider böse und giftige Räuber, da mag man auch sagen: Man thut ihm, bei Gott, Unrecht! Denn das ist alles Gottes Namen wohl gebraucht zu Gottes Ehre und der Wahrheit und des Nächsten Heil und Seligkeit. 38. Ihr habt [ferner] gehört, daß da [von den Schriftgelehrtem indem sie sich fiir berech- tigt hielten, den in 2. Mos 21, 23 ff.; 3. M. 24,19 fs.»; b. M. 19, 21sür das obrigkeitliche Strafrecht aufgestellten Grundsatz der strengen Wiedervergeltung eines augerichteten Leibesschadens auch zur Richtschnur für das Privatverhalten gegen einen Beleidiger zu machen, in Beziehung auf das Unrecht, das man euch anthut] gesagt ist: Auge um Auge, Zahn um Zahn [so daß ein jeder Macht hätte, sich selber Genugthuuiig zu verschassen und an seinem Widersacher sich zu rächen, was doch schon im Gesetz: 3.Mos.19, 18 uud dann weiter in den Lehrbüchern des alten Testameutsx Sprüchw. 24, 29 deutlich genug verwehrt ist]. 39. Jch aber [indem ich alle Rachlnst über- haupt verbiete, sie suche nun ihre Befriedigung auf eigene Hand hin oder durch Anrufnng der Obrig- keit, und dagegen von euch, meinen Jüngern, eine dem Beleidiger mit so demüthiger Selbstverleugnung entgegenkommeiide Liebe fordere, daß ihr auch das Doppelte von dem, was man Böses euch anthut, zu erdulden bereit seid] sage euch, daß»ihr nicht sm irgend welchem eigenen Interesse] widerstreben sollt dem Uebel [weder mit Worten noch Werken der Abwehr und Gegenwehr]; sondern so dir je- mand [selbst die schimpflichste Art der Beleidigung anthut Jes. 50, 6; Klagel 3, 30; 2. Cor. 11, 20 und dir] einen Streich giebt auf deinen rechten Backen, dem biete lstatt mit der Hand auszuholem um ihm den Streich zu vergelten, oder den Mund aufzuthun, um zu schelten, oder den Fuß in Bewegung zu setzen, um ihn vor Gericht zu ziehen] den andern [Backen] auch dar sin jener Sanftmuth und Leidenswilligkeih die alles über sich ergehen läßt 1. Sam. IS, 5 fs.]. Die jijdischen Rabbinen haben Christo sein Wort ablernen wollen, aber weil sie den Meister verleugnen, sind sie zu albernen und abgeschmackten Schülern ge- worden, wenn sie im Talmud die Ihrigen also lehren: Nennt dich dein Nächster einen Esel, so lege sogleich den Sattel auf deinen Rücken. Wenn dann bei Griechen und Römern schon ähnliche Aussprüche, wie sie in der Bergpredigt uns begegnen, vorzukommen scheinen, so find sie doch ihrem ganzen Wesen nach andere, als die unsers HErrn Iesu Christi; denn sie gehen von dem Gesichtspunkt der stolzen, selbstbewußten Großmuth aus, und da gilt das Wort in Kap. 7, 18: ein fauler Baum kann nicht gute Früchte bringen. 40. Und so jemand sbei einem Prozeß, den er wider dich anzufangen gedenkt] mit dir rechten will Und deinen Rock [den du auf dem Leibe Ueber das rechte Verhalten gegenüber dem bösen Weltwesen. 77 trägst L. Mos. 12 , 34 Anm., als etwas, das ihm rechtlich zukomme, fiir sich in Anspruch] neh- men, dem laß slieber, statt daß du es wirklich zum Prozesse kommen ließest, in giitlicher Weise] auch den swerthvolleren und unentbehrlicheren 2. Mos 22 26; Mark. 13, 16] Mantel [1. Cor. ! S, 7]. . v il. Und so dich Jemand sobwohl er an sich kein Recht hat, Frohndienste von dir zu verlangen] uothiget eine Meile U. v. a. 1000 Schritte oder 8 Stadien= Vz dentsche Meile: Z. TNos. II, 37 Anm., mit oder für ihn zu gehen], so gehe mit ihm sauch hier in dienender Liebe bereit, lieber das Doppelte zu leisten, siatt aus Selbstsucht das Ein: fache abzuwehren] zwo snach jetziger Schreibweise: zwei]. 42. Gieb dem, der swenn auch in zubring- licher, unverschämter Weise, um etwas] dich b1ltet, und wende dich nicht sihm den Rücken kehrend] von dem, der dir sein unverzinsliches Darlehn Luk. S, 34; Z. Mos 25, 37] abborgen will. Es ist (in dem ganzen, hier vorliegenden Abschnitt) das böse Weltwesen in seiner Ueberwucht gemeint, das man nicht durch starren Widerstand, sondern durch weise pädagogische (erziehliche) Nachgiebigkeit überwindet; das Ablassen von der strengen Rechtsfordernng in der Kraft der Liebe, nicht in der Schlaffheit des Gehenlafsens ist in allen Fällen gemeint, also gerade eine solche Nath- giebigkeit, welche durch ihr heroisches (heldenmüthiges) Maß das Unrecht überwinden soll. Ein einfaches pas- sivcs (leidendliches) Verhalten wäre Schwachheih das gesteigerte passive Verhalten ist Kraft, der Sieg des höheren Rechts. Wer dem Schläger auch den linken Backen darbietet, führt den rechten treffenden Gegen- schlag; wer auch den Mantel giebt, gewinnt den Proceß um das Unterkleid; wer Z Meilen mitgeht statt der zwangweise auferlegten einen Meile, läuft dem Dränger seine Freiheit ab; entgegenkommendes Geben hebt die Bettelei auf, und das rechte sich Zuwenden zum Bor- ger wird für diesen die Schule der Selbststäudigkeir (P. Lange.) Das von Christo hier Gesagte ist von der Bereitwilligkeit des Herzens, nicht von der Schaustel- lung des äußeren Werks zu verstehen; im Geheimen der Seele soll man Geduld mit Wohlwollen festhalten, nach außen hin aber soll das geschehen, was denen frommt, welchen wir wohl wollen. (Augustin.) Wir sind keines- wegs an den Buchstaben dieser Worte so gebunden, daß wir uns freiwillig zu Gegenständen aller Jnsultationeii (Beschimpf»ungen) des pöbelhafteii Muthwillens machen (Luk. 4, Zu; Joh. 8, »59; 18, 22 f.; Apostg 22, ff.; As, 1 ff.) oder es jedem Betrüger in seine Willkür stellen müßten, uns um so viel von unserm Vermögen zu betrügen, als er könnte und wollte, oder jeden lieder- lichen Verschwender allezeit bei uns eine offene Kasse finden« zu lassen, oder, wenn in unsrer Stadt die Bettelei abgeschafft ist, etwas darin zu suchen, jedem, der den- noch, gegen das Verbot der Obrigkeit bettelt, etwas zu geben. Es können Zeiten, Lebenslagen und Umstände kommen, wo ein Christ erkennen wird, daß es das beste Verhalten für ihn sei, wenn er sich schlechthin nach den Buchstaben dieser Worte hält (vgl. Kaiserswerther Volks- Kalender 1869, S. 61ff.: »Der kurirte Dieb«); und es können Zeiten, Lebenslagen und Umstände kommen, wo er einsehen wird, daß es recht und dem HErrn wohl- gefällig sei, wenn er dem Uebel auf eine rechtmäßige Weise zu entgehen suche. (Menken.) Christi Erklärungen iiber das Dulden des Unrechts weisen die Nothwehr durchans nicht ab, da es sich an dieser Stelle überhaupt nicht um ein Verbrechen gegen das Leben und gegen die dem Leben gleichstehende Keuschheit handelt, sondern nur um geringere Vergehungem Es ist also ein großer Jrrthum der Viennoniten und Quäker, wenn sie auf Grund jener Erklärungen die Nothwehr für unerlaiibt halten; und fol erichtig behaupten sie allerdings auch, daß es einem C risten nicht gezieme, ein obrigkeitliches Amt zu bekleiden. Jst es aber nach unzweifelhafier Erklärung der heil. Schrift eine Pflicht der Obrigkeit, das Schwert gegen die Uebelthäter zu führen, so folgt daraus auch die Pflicht des Christen, sie in diesem Be- rufe zu unterstittzenIk Der einzige Fall, wo solche ge- waltsame Nothwehr allerdings unstatthaft ist, ist der, wenn ein christlicher Geistlicher oder Glaubensbote bei unmittelbarer Ausübung seines Berufs an seinem Leben gefährdet wird; da ziemt es dem Verkiindiger des Evangeliums des Friedens, der Gewalt nur den Muth des Märthrerthums , nicht die äußerliche Gewalt ent- gegenzusetzeiy wie es das kirchliche Bewußtsein in rich- tigem Gefühl des Schicklichen fast immer mit dem geist- lichen Beruf unverträglich gehalten hat, Kriegsdienst zu thun. Sobald dagegen ein Geistlicher oder Missionar außerhalb seiner eigentlichen Berufsthätigkeit und nicht um dieser selbst willen, also etwa von Räubern, ange- griffen wird, da tritt sein unmittelbarer Beruf als Mit« gliedes der bürgerlichen Gesellschaft wieder ein, und er darf, wenn er es vermag, Gewalt durch Gewalt ver- treiben. (Wuttke.) «) Der Christ ist verpflichteh jeden verbrecheristhen Angrifs auf sein Leben und auf sein leibliches Dasein überhaupt, also auch auf die Keuschheit, abzuwehren, und, wo es nicht anders inöglith ist, durch Gewalt; er handelt hier nicht in seinen! eige- nen Namen, sondern im Namen der Obrigkeit. Da nun jeder Staatsbiirger die Pflicht hat, die Obrigkeit in jeder Weise zu unterstützen und deren sittlichen Zweck, also auch den Schutz jedes Einzelnen gegen verbrecherische Angrifse ausführen zu helfen, so ist der Einzelne in solchen Fällen, wo der Schutz der Obrigkeit nicht zur Hand ist, nicht sowohl berethtigh als vielmehr verpflichtet, für das Recht und die Pflicht der bürger- lichen Gesellschaft handelnd einzutreten und das zu thun, was die Obrigkeit in diesem Falle unzweifelhaft thun würde und thun müsste. 43. Ihr habt [endlich, wenn ihr in den Schulen einen Lehrvortrag über Mos 19, 18 vernahmt] gehöret, daß seinerseits zwar, wie in der zweiten Hälfte jenes Gebots es heißt] gesagt ist: Du sollst deinen Nachsten lieben, [doch andrer- seits auch , als läge dies in den Worten, der Zusatz beliebt worden:] und deinen Feind hassen« 44. Jch aber [im offenen Gegensatz gegen solche Auflösung des Gesetzes durch Niißdeutung und Kliigelei, wovor schon Stellen wie Z. Mos. 23, 4 f. hätten bewahren sollen] sage euch: Liebet lstatt sie zu hassenJ eure Feinde, segnet sstatt ihnen wieder zu siuchen], die euch fluchen, thut wohl sstatt ihnen Böses mit Vösem zu vergelten] denen, die euch hassen sund durch Lüge und Verleumdung auch bei Andern verhaßt zu machen suchen Röm. 12, 19 ff.], bittet sstatt über sie zu klagen und zu seufzen] für die, so euch [mit Anhängung von Schimpf- und SchaUdreDenJ beleidigen und [wohl 78 Evangelium Matthäi b, 45—4-8. S, l. 2. gar mit allerlei Gewaltthat] verfolgen« [Luk. 23, 34; Apostg 7, 59], 45. Auf daß ihr [mit der That beweisen daß ihr] Kinder seid eures Vaters im Himmel lJhm gleichgesinnt und nachgeartet, der im Reiche der Natur allen ohne Unterschied die Wohlthaten seiner Fürsorge und Erhaltung zukommen läßt] Denn er läßt fraglich] seine Sonne aufgeben iiber die Bösen und über die Guten und lasset sjahraus jahrein] regnen über Gerechte und Ungerechtetrt [über das Land der einen so gut wie süber das der andern, ohne durch den Undank nnd die Bos- heit der letzteren in seinen Liebeserweisungen sich irre machen zu lassen]. 46. Denn so ihr snach der Art uiid dem Exempel derer, die den Zusatz zu Gottes Gebot V. 43 aufgebracht haben] liebet [allein solche] die euch lieben, was werdet ihr sda hier doch gar kein Verdienst eurerseits vorliegt] für Lohn haben? Thun nicht dasselbe sdaß sie die lieben, von denen sie Liebe empfangen, nämlich ihre Zunftgenossen] auch die [den schlimmsten Sündern gleich geschätz- ten und in allgemeiner Verachtung stehenden] Söll- ner [Schlußbem. zum l. Maccabäeib Nr. 9, a. Zus.]? 47. Und so ihr euch nur zu eneru Brüdern [oder Volksgenossen] freundlich thut, was thut ihr Sonderliches sum dessentwillen man euch für be- sondere Heilige, wie ja die Pharisäer auf diesen Titel Anspruch machen , erkennen müßte]? Thun nicht die Zöllner [wenn sie unter ihren Zunstge- nossen wiederum diejenigen, mit denen sie von gleicher Nationalität sind, zu engerem freundschaft- lichen Verkehr sich ausersehen] auch also? 48. Darum [weil eine Liebe, die auf Freunde und Brüder sich beschränkt, gar keinen Werth hat, sondern auf bloßem Natnrtrieb und Eigennutz be- ruht] sollt ihr [meine Jünger, als die da wiederum geboren sind, nicht aiis vergänglichen sondern ans unvergänglichem Samen, nämlich aus dem leben- digen Wort Gottes 1. Petri I, 23] vollkommen fein shinsichtlich eurer Liebesgesinnung und eurer Liebeserweisungens gleichwies euer Bater im Him- mel volllommeu ist lindern er »seiiie Liebe und Wohlthat nicht siiicket noch theilt, sondern alle Menschen auf Erden zugleich derselben genießen läßt durch Sonne und Regen, keinen ausge- schlossen, sei er fromm oder böse« Z. Mos 1l, 44; 19 2 , . V) Diese Schriftfolgerung hatten die Schriftgelehrten etwa auf folgende Weise gezogen: a) Wie aus der ersten Hälfte des Verses hervorgeht, ist unter dem »Nächsten« ein solcher zu verstehen, der zu den Kindern meines Volkes gehört; b) in Betreff der Fremden, die außerhalb der Bttrgerschaft Jsraels und des Verhei- ßungsbundes stehen, wird in Z. Mos 7 , 2 f.; 23, s; 25, 19 ausdrücklich» untersagt, daß der Jsraelit ihnen Gunst erzeige, sich in einen Verkehr mit ihnen einlasse, ihnen Glück und Gutes wünsche, er soll sogar sie ver- tilgen von der Erde — mit andern Worten also, er muß sie hassen; o) da wird dasselbe ohne Zweifel auch iu Beziehung auf diejenigen gelten, die im eigenen Volke selber dein Frommen als Feinde und Widersacher sich erweisen, indem sie auf gleicher Linie mit Jsraels Nationalfeinden stehen. So war ihnen der Nächste schließlich nur derjenige, der ihr Freund und Gesinnungs- genosse war; mit obigem Zusatz aber hielten sie sich fitr berechtigt, einen jeden, den sie als Widersacher betrach- teten, zu befeinden und zu verfolgen, und hoben die erste Hälfte dessen, was in Mos l9, 18 steht, gerade- zu auf. Und doch war da vom Mitisraeliteii nur in sofern als Nächstein die Rede, als bei der gesetzlichen Abgeschlofsenheit Jsraels von den übrigen Völkern die im praktischen Leben fast allein in Betracht kommende Nächstenliebe eben die gegen die Kinder des eigenen Volkes war; was sonst noch in den Bereich des Volkes kam "(Gäste und Fremdlinge), war ausdrücklich wider eine « tyrannische und harte Behandlung geschützt (2. Mos. 22, 2l) nnd mit der brüderlichen Liebe die allgemeine Liebe ("2. Petri l, 7) deutlich genug gelehrt (3.Mos. 19, 34), so daß, wäre das Auge der Schriftgelehrten nicht ein Schalk gewesen, sie in jenem Gefetzeswort vielmehr· den Sinn würden gefunden haben: Du sollst nicht rachgierig sein noch Zorn halten gegen die Kinder deines Volks; denn du sollst ja deinen Nächsten lieben wie dich selbst, und das gilt auch in Beziehung auf deinen Feind und Widersacher. David dagegen, der ein einfältiges Auge hattSe, xieerstifädssGottesd Ge gtdrichtiå (1. Sam. 24, 5 ff.; It. . , .); un so n et si denn bei i m an das richtige Verständniß für solche Stellen des Gesetzes, wo allerdings ein Haß derer, die den HErrn hassen, gelehrt wird (Pf. 139, 21), solchen Haß aber, der recht wohl mit der Nächsten- und Feindesliebe sich verträgt, legt Christus selber an den Tag (Kap. 10, 33; 1l, ZU; 12, se; 16,8s.;28,33;25,41;Joh.8,44;17,9), und feine Apostel bewähren ihn ebenfalls (1. Cor.5, 5; Gut. 1, 8; 2. Titel. 4, I4; 1. Joh. 5, 16; 2.Joh.10). ji«-s) Siehe, wie hoch er das Ziel steckt, daß er nicht allein die straft, die den Feinden Böses thun, sondern auch die nicht läßt fromm sein, die da lassen anftehen, Gutes» zu thun, wo sie es dürfen (denn Gottes Feinden muß ich allerdings auch feind sein, daß ich nicht mit ihnen wider Gott anlaufe). Er spricht zum Ersten: Liebet eure Feinde; lieben aber heißt ein gutHerz tragen und alles Gute gönnen, von Herzen freundlich, gütig» und süße sein gegen einen jeglichen, nicht lachen zu seinem Schaden oder Uugltick. Desgleichen will er, daß auch mit Worten gefchehe, als er spricht: Segnet, die euch fluchen, daß man auch kein böse Wort wider sie lasse fahren, ob sie uns gleich auf’s Aergste schelten, lastern, schänden und verfluchen, sondern eitel Gutes sreltigiiHiiiid wictknschemd Zuxtg Dkritbteii thill ex, daß llmilin or. erz au ) mit em s er eweie un mit a er ei Fyreundschgft und cGuBthcsiP untådsprichk Tgutck w lhhl enen, ie en a en. as vierte tü a er: Bitte: für die, so euch beleidigen nnd verfol- gen, geht mehr auf unsere Lehre iind Glauben, denn auf unsere Person und Leben. Weil wir sehen, daß, die uns verfolgen, nicht cilleiiowider uns, sondern wider Gott selbst anlaufen und m sein Reich greifen, und nicht uns, sondern ihnen selbst den größten Schaden thun und in Gottes Horn und Urtheil gefallen sind, sollen wir uns mehr i ·rer erbarmen und für sie bitten, daß sie aus der Blindheit und fchrecklichem Dunkel kommen mochten; denn es kann »aus» doch niemand- kein Leid thun, er muß es zuvor viel einem größeren Herrn ge- than haben,·nämlich der hohen Majeftät im Himmel. (Luther.) Die Liebe, welche an der Spitze des Gebotes Die Gerechtigkeit des Reiches Gottes b) von Seiten des Lebens oder der guten Werke. 79 steht, ist der Geist, der Duft, der sich über die folgenden drei Handlungen ergießen muß, ohne welchen diese werthlos sind. Segnen ohne innige Liebe wäre leere, geisilose und heuchlerische Phrase, Wohlthuii ohne Liebe Prahlerei; zum Beten aber kann es gar nicht ohne Liebe kommen. Dies Letztere ist das Höchste; denn das Gutesthun kann immer noch verbunden bleiben mit einem geheimen Haß, der Feind muß es auch selbst an- erkennen und es gewährt einetn so eine Art Triumph, auch reicht man dabei ja nur irdische Gaben dar. Das Beten dagegen schließt allen Groll aus, es erfordert die höchste Selbftverleugiiuug , die reinste Liebe eines von Haß freien Geinüthes; ferner hat es keinen andern Zeugen, als Gott selbst, und was ich darin opfere, das ist mein eigenes Herz. (Heiibner.) —- Mst Große, un- erkai1nte Freundlichkeit und Güte Gottes, seine Sonne, die er gemacht hat, die ihm allein gehört, woran unter allen Lebendigen nicht einer ein Recht hat, worüber sie alle nichts vermögen, alle Tage tiber soviel tausend böse, undankbare, uugerechte Viensclsen ausgehen und seinen Regen auf ihr Land fallen zu lassen! Wie anders ist sein Sinn, als der Sinn des Menschen, wie anders seine Empfindun satt, als die Empsinduugsart des na- türlichen Mens en! Dieser Euipfiiidiitigsart ist es natiirlich , Stolz mit Stolz, Trotz mit Trotz , Unrecht mit Unrecht und Liebe mit Liebe zu erwiedernz diese Art der Liebe aber findet sich auch bei den schlechtesten Ntenfchein (Menken.) Durch diese Vergleichung erledigen sich manche Fragen: die Gitter der Gnade nnd Herr- lichkeit, die niemand mißbrauchen kann, sind auch den Feinden anzuwünschen, die Güter aber der Natur und des Glücks nur insoweit, als sie ihnen heilsam sind zu ihrer Bekehrung. (Chemnitz.) —- -s-) Das Wörtlein ,,gleichwie« zeigt an, daß wir uns Gott nach allen sei- Uen Vollkommenheiten zum Muster vorstellen sollen, ihm im Geist und in der Wahrheit nachzufolgenz nicht aber, daß eine vollkommene Gleichheit von uns erfordert würde. Denn Gottes Eigenschaften sind unendlich, unsre Tugenden aber sind endliche Eigenschaften , und gegen Gott zu rechnen ein bloßer Schatten. (Starke.) Das 6. Kapitel. Von etlichen Ueliungen der igottseligäeit O. U. 1—18. Bisher hat der Hain: Christus gestraft die falsche tLehre und Auslegung der Schrift, dadurch die Leute allein dahin gefiihrt sind, daß sie niit der Faust nicht siiiidigeik aber das Herz inwendig gar unrein ist blieben, und hat dagegen den rechten Verstand der Schrift und Gesetzes gezeigt und ausgestricheir llun aber greift er nach der Lehre auch das Weben aii und straft ihre guten werter, indem er erklärt, was rechte gute— Werke siiid; läßt ihnen also nichts Gutes sein, weder Lehre noch Werte, so sie doch ja als heilige tBeicte die Schrift täglich lehrten nnd gute Werke thaten, das; man sie hielt fiir die Heiligsten auf Erden. (tkulher.) Es werden aber jene drei Arten oon gutcii werben dicken— gegangen, deren sich die pharisäisclie Fröininigliein ebenso wie hernach die der römiseheutiiirititz besonders rsihiiite: die Almosen, das Gebet, das Fasten. (Tholutti.) Habt Acht, daß nitht die Heuchelei der Utnriii in eiirein Garten sei: l) habt Acht auf eure Almosen oder die Werlie enrertiriiderliebezDhabtActstaiifeuertteten oder die Werke eurer Gottes liindschaftz Z) habt Acht aus euer fasten oder die Werte: eurer Selbstverleng- nnngl — Das Beste im Christenleben gehört in’s Kam— iuerlein, und nicht vor die Ernte: insbesondere l) die edelsten tkiebeswerlm 2) die seligslen Andachts- stunden, 3) die iiinersien Seelenliäinpfu (Geroti.) 1. Habt Acht auf eure Almosen seines) ande- rer Lesart: auf eure Gerechtigkeit], daß ihr die nicht gebet sgenauert thut] vor den Leuten svor ihren Augen und in ihrer Gegenwart, nämlich mit der Absicht], daß ihr von ihnen gesehen werdet fund sie nun wegen deß, was ihr Großes gethan, euch loben]; ihr habt anders swenn ihr nicht, statt solch Schaugepränge mit euren guten Werken zu treiben, euch vielmehr in’s Verborgene damit stellt] keinen Lohn bei eurem Vater im Himmel ssondem habt euren Lohn dahin: ,,eure Gerechtigkeit wollte gesehen werden, und ist geseheii worden; sie wollte den Menschen gefallen, und hat ihnen gefallen —- sie hat den Lohn empfangen, den sie suchte, die Belohnung aber, die sie nicht suchte, wird sie auch nicht erlangen« Chrysostomus]. Die andere Lesart scheint den Vorzug zu verdienen; sie ist die der bei weitem uieisten Handschriften des Morgenlandes, während die andere, nach der Luther sich gerichtet hat: Eises-wachem» statt åouoiiocsijixijiax mehr dem Abendlaud angehört. Liest man Almosen, so beginnt die Warnung des Erlösers sofort mit der ersten Klasse jener guten Werke; liest man dagegen Gerech- tigkeit, so kann das zwar auch s. v. a. Almosen sein (Gerechtigkeit, die durch Wohlthun sich kund giebt Tod. 2 , 14; t2, 9) , es kann aber auch die allgeineine Be- deutung haben, so daß das ,,nun« im folgenden Verse deii Uebergang zu den verschiedenen Arten der Gerechtigkeit auzeigt, und ,,eure Gerechtigkeit« in unserm Verse wäre dann die, die der HErr von seinen Jüngern fordert (Kap. 5, 2()), oder die, die sie iii praktischer Befolgung des Gesetzäs, im werkthätigen Leben an den Tag zu legen sich befleißigen. »Vorher hatte der HErr seinen Jüngern bessere Begriffe von Gerechtigkeit beigebraclsh als Pharisäer und Schriftgelehrten sie hatten; Ietzt zeigt er ihnen auch, wie ihre Gerechtigkeit in der Aus- übung selbst soviel besser, höher und reiner sein müsse, als Pharisäergerechtigkeit, besonders darin, daß sie aus einem ganz anderen Grunde hersließen, daß dabei eine ganz andere Triebfeder, eiii anderer Zweck und eiiie andere Rücksicht statthaben müsse, als bei jener. Phari- säer und Schriftgelehrte thaten nianches, das an sich giit war, aber sie thateiues so, daß es bei ihrem Thun aufhörte gut zu fein; die Jituger Jesu sollen nicht nur das Gute thun, sondern auch zusehen, wie sie es thun, und sich httten, daß es nicht durch die ver- kehrte Ausübung anfhöre gut zu sein.« s. Wenn du nun Almosen legt. die Wem. zu Tod. a, 1 —- 5, 4 im ll. Abtheilungsbande des alten Teil. S. 641b] stirbst, so sollst du nicht lassen vor dir Posaunen sdamit die Leute erst zu: sariiinenlaufem eh’ du einem Armen etwas -giebst, und sie nun auch sehen, was du giebstL wie die Heiichlcr sdenen es darauf ankommt, daß alte Welt auch wisse, wie oft und wie viel sie geben] thun in den Schulen nnd ans den Gassen sden beiden Stätten ihres heuchlerischen Wol;)lthuns, die an und fiir sich schon recht eigentliche S chauplätze sind; bei ihnen ist ja alles, wie der Ort des Gebens, so auch die Art desselben, darauf berechnet», den Zweck zu erreichen, den sie im Auge haben], auf daß sie von den Leuten gepreiset werden kund das 80 Evangelium Matthäi s, 3—— 6. erreichen sie denn auch wirklichs Wahrlich, ich sage euch, sie haben seben damit, mit folchem Ge- priesenwerden von den Leuten] ihren Lohn dahin. Z. Wenn du aber Almosen giebst, so laß sum es in gerade gegentheiliger Weise zu thun, als die Heuchler oder Schemhetligen] deine linke Hand nicht wissen, was die rechte thut, 4. Auf daß dein Almosen verborgen sei swie vor dir selbst, so auch vor den Menschen —- so giebst du ,,einfältiglich« Röm. 12 , 8]; und dein Vater sim Himmel Kap. 5, 48], der in das Verborgene siehet kauch das weiß, was im Ver: borgenen vorgeht, ohne daß es ihm erst durch jemand müßte ossenbaret werden Pf. 139, 12; Jer. 23, 24; 32, 19; Hebt. 4, 13], wird dirs vergelten öffentlich ftheilweis schon in diesem Leben Pf. 37, 26; 41, 2 f.; l12, 5ff.; Jes 58, 7f., vornehmlich aber beim letzten Gericht Kap. 25, 34ff.; J. Cor. 4, b; Jak. 2, 13]. Zweierlei Mittel scheinen die Pharisäer und Schrift- gelehrten angewendet zu haben, um sich mit ihrem Wohlthun recht bemerkbar zu machen, abgesehen davon, daß sie von Haus aus ösfentliche Plätze, die Schulen und die Gassen, dazu wählten: wenn in den Schulen oder Synagogen noch vor Beginn der Gebete das Einlegen in die Almosenbüchfe ges:hah, bekundeten sie ihr prah- lerisches, theatralifches Benehmen damit, daß sie die in die Linke genommene Gabe mit der Rechten erst noch einmal durchzählten, ehe sie dieselbe einlegten·, um so die Aufmerksamkeit der Untstehenden eine Weile zu beschäfti- gen und mit ihrer Freigebigkeit zu prunkeru Davon hat der HErr die gleichuißartige Rede entlehnt, die erst durch ihn zu einer sprichwörtlichen geworden, nicht aber schon -vor ihm als solche vorhanden war: ,, laß deine linke Hand nicht wissen, was die rechte thut.« Man kann diese so erklären, wie Tholuck thut: Was steht in näherer Be- ziehung zu einander, als die Glieder des Leibes und vorzugsweise die zu einander gehörigen, die bei den Griechen und Lateinern geradezu als ,,Brüder« bezeichnet werden. Die Rechte giebt das Almosen; soll nun die hier so nahe Verwandte Linke nicht eiiimal davon wissen, so bezeichnet dies in schöner Anschaulichkeih wie auch nicht der nächste und vertrauteste Freund unter den Menschen, sondern allein der Vater im Himmel Zeuge desselben sein soll. —— Man muß aber hierbei nicht stehen bleiben, sondern noch tiefer greifen und am eigenen in- neren Menschen eine rechte und eine linke Hand unter- scheiden; und da hat schon das bereits früher erwähnte alte Auslegungswerk zu unserm Evangelisten darauf hingewiesen, wie die linke Hand die eine, zur Eitelkeit und Selbstsucht geneigte Seite am Menschen bezeichnet, die rechte aber jene Seite, die da Lust hat an Gottes Gesetz nach dem inwendigen Menschen (Rön1. 7, 15 Die Linke in diesem Sinne darf nicht wissen, was die Rechte vorhat, damit sie weder mit ihrer selbstsüchtigen Berechnung darein rede, wenn die Gabe reichlich abge- mefsen, noch einen Kranz des Selbstlobes Winde, wenn die Gabe auch wirklich, trotz ihres Widerfpruchs nnd ihresr Knauferei, reichlich ausgetheilt wird. Aehnliches gilt unter Umständen anch in Beziehung auf das ehe- liche Leben, wo wenigstens anfangs , so lange ein Hin- dern oder Erfchweren möglich ist , die Linke manchmal nicht wissen darf, was die Rechte thut; doch muß her- nach diese versuchen, das Herz jener zu sich zu bekehren. Noch erinnern wir hier an den Ausspruch eines engli- schen Schriftstellers: Schreib in dein Ausgabebuch nicht ein, was du Armen und Hilfsbedürftigen giebst; es wird schon wo anders eingefchrieben werden. Was nun andrerseits das Geben auf den Gassen betrifft, so schei- ne11 die Pharisäer und Schriftgelehrten von« Zeit zu Zeit dort erschienen zu fein, um Spenden an die Armen zu vertheilen; diese ließen sie förmlich zufammenblafem und wurde nun ihr Almofengeben um so .augenfälliger nnd öfsentlichen als die Gassen in den morgenländifchen Städten (zur Abwehr der großen Sonnenhitze) sehr eng zu fein pflegen. Davon hat Christus den andern gleich- nißartigen Ausdruck entlehnt: ,,Du sollst nicht vor dir pofaunen laffen,« woftir wir die Redensart »ausposau- neu« oder »an die große Glocke schlagen« (im Eng- lifchen: to sound ones own trumpeh im Französischem fajre quelque chose tambour hatt-tut) haben. »Die Wahrhaftigkeit der Selbstdarstellung im christlichen Wandel, also zum guten Beispiel für Andere, die im sündlichen Zustande eine völlig harmlose ist, ist dem Christen zwar um des Zeugnifses für Christum und um des Heiles des Nächsten willen eine hohe Pflichh hat aber für ihn kraft der eigenen Stindhaftigkeit sehr wesentliche Schrankein Der Christ hat in jedem Augen- blicke seines sittlich guten Wandels mit der Sünde fei- nes Herzens zu kämpfen, um den Stolz auf seine Tugend und sein Verdienst zu unterdrücken, um die wahre Demuth zu bewahren. Er darf zwar fein christ- liches Thun niemals ableugnen, darf nicht falschen Schein der Sünde veranlassen; aber er darf seine christliche Tugend nicht als einen Ruhm vor den Men- schen betrachten, worauf er stolz sein könnte, und beson- ders sind solche Handlungen , bei denen der Glanz sitr menfchliche Augen ein verhältnißmäßig heller ist, wie bei dem Wohlthun, oder wo sich dieselben als fromme überhaupt weniger auf Vienschen als ans Gott beziehen, wie bei dem Gebet, eher im Verborgenen zu thun als öffentlich, um nicht den Eigendünkel und die Selbstge- fälligkeit zu nähren. Christi Gebot in V.1 ist also nicht in Widerspruch mit seinem Wort in Kap. B, its: ,,lafset euer Licht leuchten vor den Leuten, daß sie eure guten Werke sehen,« wohl aber eine weise Befchränk11ng der hier geforderten Selbstdarftellung für bestimmte Ge- biete des fittlichen Thuns Die wahrhafte Selbstbekun- dung darf nicht in ein absichtliches zur Schau Tragen der eigenen Tugend ausarten; das Gute darf nicht da- rum gethan werden, damit es von den Leuten gesehen werde; die christliche Heiligkeit darf nicht glänzen und scheinen wollen, sonst wird sie sofort zur Scheinheiligkeit. Scheinheilig aber ist nicht blos der, welcher die Gerech- tigkeit erheuchelt, nur ihren Schein sucht, ohne ihre Wirklichkeih welcher den Schein der Gottseligkeit hat, aber ihre Kraft verleug1iet (2. Tim. B, 5), sondern auch der, welcher ihre Wirklichkeit nur um des Scheines willen sucht, mit den guten Werken prunkt (Kap. 23, 5) und sie dadurch zu Mitteln siindlicher Begierden macht. (Wuttke.) Wer glaubt aber, daß solch Laster und Un- tugend so geniein ist in der Welt und allermeist bei den Allerbesteih nnd wie wenig deren sind, die ohne solch Gesuch weltlicher Ehre oder Gunst gute Werke thun? Ja, die Welt kommt nimmermehr dazu, daß sie erfahre, was das sei, recht Almosen geben; denn wir find doch alle so geschickt, wenn uns die Leute nimmer beginnten zu loben oder Ehre, Dank und Gunst zu erzei en, würde ein jeglicher bald die Hand zuriickziehem as merkt man dabei wohl, wenn man die Leute auf’s Höchste lockt zu guten Werken, daß es Gott und allen Engeln herzlich wohlgefällt und er dazu hundertfältig vergelten will, noch will niemand hinan; zudem hast du auch dies Wahrzeichen, daß solche Heiligen bald zornig werden und zurückziehen, wenn sie Undank oder Ver- Vom rechten Almosengeben und vom Gebete im Verborgenen. 81 achtung fühlen. Darum kann niemaad kein gut Werk thun, er sei denn ein Christ; denn thut er’s als ein Mensch» so thut er’s nicht unt Gottes, sondern seiner eigenen Ehre Und Genieß willen, oder ob er gleich Gottes Ehre vorwendet, so ists doch erlogen und er- stunken. (Luther.) Z. Und wenn du betest,sollst du nicht sein wie die Heuchler, die da gerne stehen und beten in den Schulen und an den Ecken auf den Gassen [an Straßeneckem wo mehrere Wege zusammen kommen und man von recht Vielen bemerkt wird, indem fte auch bei dieser Uebung der Frömmigkeit Ort und Art ganz nach dem Zwecke berechnen, auf den alles ihnen ankommtL auf daß sie [näm- lichj von den Leuten gesehen werden. Wahrlich, ich sage euch, sie haben [mit diesem Gesehenwerdem Ja; sie so klüglich herbeizuführen wissen] ihren Lohn cl m. b. Wenn aber du [der du eben ganz anders, als die Heuchler, dich einrichten sollstj betest, so gehe in dein Kcimmerlein [wo du mit Gott allein sein kannstL und schlenß die Thür zu ldaß nie- mand bei deinem Werk dich überraschen möge]- nnd bete [nun] zu deinem Vater im Verborgenen swie Elisa that im Haufe der Sunamitin 2.Kön. 4, 33]; nnd dein Vater, der in das Verborgeue siehet [Ps. 38, 10; 44, 22; Luk. 12, 30], wird dirs vergelten öffentlich [was im ausschließliclyen Hinblick auf ihn gethan ist, wird auch der Wirkung bei ihm nicht verfehlen und der Segen folgen hier zeitlich und dort ewiglich 1. Tim. 4, 8]. Je schwerer, edler und höher eine Sache in stch selbst ist, um so viel wahrhaftiger soll der Mensch da- mit umgehen, nm so viel mehr alle Ostentation (Schau- I s« ! I « l stellungl dabei vermeiden; um so viel schlechter und ; böser ist es, wenn er den Schein und die Form einer . solchen Sache ergreift und zeigt, um sich geltend zu T machen unter den Menschen, um bewundert und geehrt zu, werden. War das bei dem Almosen schon der Fall, so ist er es noch viel mehr bei dem Gebete, und eben weil die Sache des Gebets so viel schwerer, edler und höher in sich ist als die des Almosengebetcs, wurde sie nur noch mehr als diese zur Ostentation, Prahlerei und ; Unwahrheit ntißbrauchd Alles, was den Glauben über- ; haupt in sich so schwer macht, und so edel und groß, z das ist auch bei dem Gebete; M, das Beten ist erst ein wirklicher, in Anwendung gebrachter, thiitiger Glaube. i Beten setzt nicht nur vora1is , daß einer überhaupt den Offenbarungen und Verheißungen Gottes glaube: es er- fordert ein Gemüth, das die Eindrücke des Sichtbaren und Sinnlichen überwindet, stch über das Sichtbare und Jrdische in das llusichtbare und Himmlische erhebt, mit dem Unsichtbaren, Ewigen, als mit dem lebendigen Gott, mit dem himmlischen Vater, in Gemeinschaft steht und göttlicher Einfllisse und Kräfte etnpfänglich ist. Darum haben die Menschen aller Zeiten uud Völker groß gedacht von dem Gebete nnd von dem betenden Menschen; sie haben den betenden Menschen als einen, dem stch der Himmel herabneige, der in die Unsichtbare Welt des Lichts uud Lebens hineinschaue nnd mit der unsichtbaren Gottheit Gemeinschaft habe, mehr bewun- dert, als den Almosengeber, als den Helden nnd Wun- derthiitey nnd so hat es denn auch in allen Zeiten nnd unter allen Völkern nicht an Menschen gefehlt, die diese Dich sIP i Bibelmrc große, heilige Sache zu unwürdiger Oftentation miß- brauchten, sich groß zu machen tm Auge der Menschen. (Metiken.) Je höher der sittliche Werth einer Ueber- zengutig und einer Handlungsweish um so eifriger wird sie erheuchely und es ist eine Ehre für eine solche, wenn gie kzzitiider ttim«fkhr»etgilljziilhseiichetkon, unt; einFtEhre flis en etatnm get ein D o , · enn er it en·- un religionslose Mensch es fiir nöthig hält, Sittliehkett und Frömmigkeit zu erheuchelm nichts »aber ist verkehrter, als die christliche Religion darum gering zu achten, weil uni ihretwillen geheuchelt wird. VJgkgereifterf und Zenker der stttlich-reli iöse Geist eines» o s um o me r e- darf der Unsittixiche uud Unfroiiime de«r Heuchelei: wo der Slinder keine Veranlassung zur Heuchelei hat, da steht es schlecht mit des Volkes Geist, und wohl der Heuchler, uicht aber das Volk, in welchem geheuchelt wird, ist zu beklagen — das Gold wird am meisten nachgeahmt, weil es das edelste ålltetall ist. (Wuttke·.) In den Schulen (deu Kirchen der Indem» beten frei- ligli aåieh sie rechten Freier» idindVtstsdas lnicht ifitiikkcizy a er ie a gerne een m er er aniniung, a im Kiimmerleiii, das sind schon die Heuchler -— volle1id»s, wenn auch hier dazu kommt: auf den Gassen, wohin zunächftz mit seltenen Ausnahmen, das Beten gar nicht gehört; ja gar: an den Ecken, wo der groß·teZ1isam- menfluß der Geheimen. Da stehen sie, dte Argen, welchå das heiligste Be? Filslersznnerligseä Geåiieinxbcäyaft mit ott zu einem er e einen or en en- schen machen; da passen sie’s etwa listig ab» zur Phari- säisch vrårgbeschkfiebenen sGkTbetsstgnde an iespiner Ecke zsu sein, un ei en nun te en, a s wären te gar gewi - senhaft, die Stunde nicht zu versäumen. Denn ohne solch einen Vorwand geradezu stch zum Gebet auf die Gasse zustellen, erscheint auch der Welt als Wahn- sinn; tdleßb mnsfztässtcksj Engl; dsshgrgfteg Hsecåtislynljczrlzs iislzrteges unveri g are a r ei ge in no · a · »m- leuchtend ist es, daß Beten nicht auf· die Gasse gehort, so sehr bedarf die Henchelei selbst wieder eines Decks iåiantelgtüber ihre esiåeuetanfkzsaftende kSglsnzachb (S-tåer.) s gie eine nnver am e rommig et, te on a ein auch sen zartesten und heiligftenGeheimgYsenTZesdChrT t I , t w ' er in un LIHtFeFFTwZETYUFZZJWIIiZ iichtsezskdtxlnmigkeit is: ver- schämt und erröthet fast, ihr Heiligstes nnd Seligstes auszusprechen vor Menschen Lerne da etwas von det- nen Rosen draußen im Garten: nur die halb gefchlofsene duftet nnd blüht, die ganz offene aber zerflattert und verdorrt. Eine halb offene Rose soll dein Herz sein, gen Himmel dnftend und glühend , aber der Welt ver- borgen im innerften Grund. — Zur tnntgeu Freund- schaft ehörtVerschwiegenheit und auch zux Freundschaft zwischegn uns und Gott gehört etwas von solcher Ver- sehwiegeiiheih daß die Seele nichtselbftgefällig alles ans- plaudert, was zwischen dem HErrn und thr vorgeht in heil. Gnadenstunden, sonder? demüthig Brig) ekhrfugstsx voll zu schweigen wei von em, was o ein or ausfprechem keine Zunge ausreden kann, und genug hat an der Gewißheit, megi skreuiixt Es: mediii uåid sich kbzkt sein. (Gerok.) Das e et er or ert te In am ei, zum wenigsten des Herzens, das allerverborgenfte Platz,- chen ign Hause Gotteäyb das idn uns ist: da Zins? man auch ei öffentlichem e et un mitten unter en» euren verschlossen sein. (Quesnel.) Viele kommen m die Kirche und sagen tausend Gebete her, gehen hinweg und wissen nicht , was sie gesagt haben; sie bewegen» die gpäsen hözentsich jfelbftlnichg dhghst gez? lgigerlk e et nt ge or, nn ver angs , a t o« ore soll? Jch habe meine Kniee dazu gebeugt, sprichst du: ja, aber dein Gemüth war außer der Kirche; dein ·Letb war wohl darinnen, aber deine Gedanken schwersten ge. T. I. 6 82 außer derselben herum. Dein Mund fa te das Gebet her, aber deine Seele tiberrechnete deine Zinsen, deinen Wucher, deine Verträge, deine Häuser und Aecker, deine Güter und deine Freunde. Weil der Teufel weiß, daß uns das Gebet den meisten Nutzen bringt, darum stellt er u11s bei dem Gebet am meisten nach. Oft liegen wir auf unser Bette ausgestreckt und denken an nichts; aber wenn wir uns zum Gebete schicten, dann erregt er tausend fremde Gedanken in uns, damit wir nur von dem Gebet keinen Nutzen haben sollen! (Chryso- stomus.). 7. Und wenn ihr betet, sollt ihr [um hier auch über die Form der Gebete etwas zu sagen und vor dem Versuch, durch diese Gott in ähnlicher Weise täuschen zu wollen, wie man Menschen durch die vorhin angegebene Art des Betens täuscht, euch nachdrücklich zu warnen] nicht viel plappern, wie die Heiden [die , weil sie ihre vielen irdischen Be: dürfnisse V. 32 auch einzeln aufzählen zu müssen glauben, weil sie ferner gar viele Götter haben, von denen sie keinen durch Uebergehung beleidigen wollen, und weil sie endlich durch beständige Wie- derholung der nämlichen Worte die Gottheit er- müden oder betäuben zu können meinen 1. Kön. 18, 265 Apostg 19, 34., viele gedankenlose und überflüssige Worte machen, wie theilweis auch von den Heuchlern V. 2 u. 5 geschieht Kap. 23, 14; Jes. 1, 15]; denn sie meinen, sie werden erhöret, wenn sie viel Worte machen sman müsse der Gott- heit dasselbe recht oft vorsagen, so werde sie endlich verstehen, was man will, und gewähren, was man begehrt]. 8. Darum [insofern in solcher Vorstellung derselbe heidnische Jrrthum verborgen liegt, womit sie überhaupt die Herrlichkeii des unvergänglicheu Gottes in ein Bild, gleich dem vergäuglichen Menschem verwandelt haben Röm. I, 23] sollt jhr euch ihnen nicht gleichen [sondern im Gegentheile bei euern Gebeten nur wenige Worte machen Pred s, 1»; Sie. 7, 15]. Euer Vater weiß, was ihr lsedurfet, ehe denn ihr ihn bittet kund thut es also gar nicht noth, ihn ersi weitläufig von euerm Anliegen zu unterrichten , sondern er will nur an euch ein demiithiges Herz, ein gläubiges Verlangen und einen ganz zu ihm und seinem Reiche erhobenen Sinn sehen — habt ihr das, so gilt Ein Wort mehr, denn sonst tauseud]. Das Gebet erfordert mehr Herz als Zunge, mehr Seufzer als Worte, mehr Glauben als Vernunft: Mark. U, 23. (Quesnel.) Kurz soll man beten, aber oft und stark (Luk. l8 , 1 ff.); denn Gott fragt nichts darnach, wie groß und lang man betet, sondern wie gut es ist und wie es von Herzen geht. Die Weise, wie wir beten sollen, ist, daß man wenig Worte mache, aber viel und tiefe Meinungen oder Sinnen. Je weniger Worte, je besser Gebet; Viel Worte und wenig Meinung isi heidnisch. (Luther.) Gerade derjenige Mißbrauch des Gebetes aber, den Christus hier vorzugsweise vor Augen hat, hat in feiner eigenen Kirche das Biirgerrecht er- halten, nämlich durch den Rosenkranz der katholischen Kirche, und zwar ist gerade dasjenige Gebet, welches er in V. 9 dem »Viel plain-ern« entgegensetzt, im Dienste Evangelium Matthäi S, 7—-13. dieser Unart gebraucht worden. (Thdluck.) Das gedan- ! kenlose Rosenkranzbeten kam auf durch den heil. Domi- nikus , welcher von denen, die die 150 Psalmen nicht herfagen konnten, forderte, sie sollten 15 X It) Ave Marias und vor jedem dieser 15 Zehner ein Vaterunser beten, und dies am Rosenkranze abzählen. (Heubner.) 9. Datum [wenn euch daran liegt, an einem Beispiel zu lernen, wie in wenig Worten doch unend- lich viel gebetet werden könne, ja alles, was ihr an Leib und Seele, für euch und Andre, in Zeit und Ewigkeit braucht] sollt ihr also beten: Ein König, schreibt hier Quesnel, der selbst das Supplikat oder das Bittgesuch macht, muß große Lust zum Geben haben Jes. 65, 24;»Joh. 16, 23. Unser Vater m dem Himmel. Dein Name werde gehe1liget. 10. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe auf Erden, wie im Himmel. 11. Unser täglich Brod gieb uns heute. 12. Und vergieb uns unsere Schuldem wie wir unsern Schuldigern vergeben. 13. Und führe uns nicht in Versu- chung, sondern erlöse uns von dem Uebel. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen. Auf die Darlegung des Zusammenhangs der ver- schiedenen Theile dieses Gebets unter einander und die Erklärung der einzelnen Worte werden wir erst bei der Wiederholung des Vaterunsers in Luk. il, 2 ss. näher eingehen; hier haben wir’s zunächst nur mit allgemei- nen Gesichtspunkten zu thun. Und da machen wir uns mit den, von den Gelehrten viel verhandelten Fragen: ob das Gebet des HErrn hier bei Matthäus, oder dort bei Lukas, an seiner ursprünglichen Stelle stehe, und ob Jesus dasselbe ganz frei aus seinem eigenen Jnneren erzeugt oder aus verschiedenen, schon vorhandenen Ge- betsformulareu der Juden zusammengesetzt habe, nicht allzulange zu schaffen; denn was vor allem die zweite dieser Fragen betrifft, so finden sich in rabbinischen und talmudischen Schriften allerdings manche, den einzelnen Bitten Verwandte Sätze und Gedanken: »Unser Vater im Himmel -— dein Name werde geheiligt, und dein Andenken verherrlicht— es komme das Reich des Messias, das Reich Gottes, die Erlösung Jscaels —- geheiligt werde dein Name in dieser Welt, wie er im Himmel geheiligt wird; die Jsraeliten sind Engel auf Erden, die Engel heiligen den Gottesnamen im Himmel, die Jsraeliten auf Erden — der Bedürfnisse deines Volkes sind viele: möge es dir, o Gott, gefallen, jedem von ihnen soviel zu geben, als zu ihrer Nah— rung nothwendig ist, und jeglichem Volke, was sie bedürfen —— HErh unser Gott, mach, daß wir deinen Gesetzen folgen, führ uns nicht in die Hand der Sünde, nicht in die Hand der Uebertretung, nicht in die Hand der Versuchung, nicht in Verachtung; entferne uns von der bösen Neigung, ver- binde uns mit der guten Neigung-«, indessen läßt sich jetzt nicht mehr genau abmessen, wie viel davon wirklich schon vor Christo bei den Juden vorhanden· war, und wieviel erst später vom Christen- thum zu ihnen übergegangen, und auch in Beziehung auf jenes würde Immer nur gelten, was Stier sagt: es war ja doch blos »ein vorbereiteudes Hinanstreben zu dieser allerlebendigsten Formel voll Geist im Buch- staben, worin jetzt der HErr, der Meister, mit wunder- barster Kürze alles zusammenfaßt für die Seinen, was da gehören mag zu dem: Jhr sollt beten«. Dagegen die- erste von jenen beiden Fragen »anlangend, so hat Wie und was ein Kind Gottes beten solle fdas heil. Vaterunser) , offenbar zuerst bei Matthäus das Gebet des HErrn seine richtige, zusammenhangsgemäße Stelle, indem der HErr, nachdem er das falsche und vergebliche Beten estraft und verworfen hatte , gar nicht unterlassen onnte, selbst ,,eine freie, kurze Form« aufzustellen, ,,wie und was wir beten sollen;« aber auch bei Lukas erklärt sich die nochmalige Mittheilung des Gebets durch die dort angegebene Veranlassung ganz von selbst, wie wir seiner Zeit ausführlicher nachweisen werden. Von nicht viel größerem Belang ist eine dritte Frage, über welche die Gelehrten viel hin und her geredet haben, ob näm- lich Christus mit diesem Gebet eine bestimmte, von den Christen festzuhaltende und oft und wörtlich zu gebrau- chende ormel habe aufstellen wollen , oder nur ein allgemeines Schema (Vorbild oder Abriß) dessen, was die Christen immer und unter allen Umständen zu er- bitten hätten; in jenem Falle würde sein Wort ,,ihr sollt also beten« bedeuten: »in dieser Form und mit diesen Worten,« in diesem Falle aber wiirde es nur be- sagen: ,,in·solchem Sinne, wie er in folgendem Gebete sich ausspricht, so kurz und doch so inhaltreich, so geist- lich und zugleich so briiderlich.« Wir müssen da sagen: hier in der Bergpredigt ist sein Wort zunächst in der zweiten Bedeutung gemeint, wie denn auch sich nicht er- warten ließ, daß die Jünger das Gebet sogleich voll- ständig behalten und fortan auch wirklich gebrauchen würden; dort, in Luk.11, 1 ff. dagegen handelt es sich nicht blos um ein allgemeines Schema, sondern auch um eine stehende Formel, und die christliche Kirche hat nun ganz das Richtige getroffen, wenn sie beides thut, sich nach Christi und der Apostel Vorbild (Joh. 17,1ff.; Apostg. I, 24 f.; 4, 24 ff.) nicht aus diese Formel be- schränkt, vielmehr vom Geiste Gottes auch andere Ge- bete im Herzen ihrer Glieder erzeugen läßt, dabei aber das Gebet des HErrn für ihr vornehmstes und heilig- stes Gebet hält, das bei keinem ihrer Gottesdienste und ihrer heil. Handlungen, und an keinem Tage und bei keiner Lage im gewöhnlichen Leben der Christen fehlen darf. Ueber die Doxolo ie (Lobpreisung) am Schluß: ,,Denn dein ist das SJIeich 2c.« haben wir schon zu J. Chron. 30, 12 gesprochen; über die Aurede im Ein- gang: »Unser Vater« sei hier bemerkt, daß Luther im Katechismus die zu seiner Zeit im alltäglichen und kirchlichen Leben übliche, dem Grundtexte Greis-s«- Hirt-Zu) und dem lateinifchen Paternoster nachgebildete Wort- stellungr ,,Vater unser« beibehalten hat. Sollte nun gleich jene erste Wortstellung , wie sie an unsrer Stelle und in Luk. It, 2 uns begegnet, den Regeln der deut- schen Sprache mehr, als die andere, entsprechen (Viele wollen das behaupten, während dagegen ein reformirter Theolog behauptet: das eine ist so richtig, oder vielmehr nach den Regeln der deutschen Sprache so unrichtig wie das andere, doch ohne Umfchreibung kann es nicht anders ausgedrückt werden) , so hat die zweite doch einen viel höheren Werth dadurch, daß sie dem Grundtexte gemäß den so tröstlichen Vaternamen uns zu allererst auf die Lippen legt und die richtige innere Folge beobachtet; denn zuvor müssen wir zu Gott durch die Wiedergeburt in das Verhältniß seiner Kinder getreten sein, dann erst nehmen wir unter einander auch die Stellung von Brüdern ein. Sonach erscheint es als ein Eifern mit Unverstand, wenn von mancher Seite darauf gedrungen wird, daß niemand mehr »Vaterunser« sondern »Unser- Vater« sage: wie ein Zwang im Gemiith, schreibt Cl. Harms, würd’ es mich bedünken, ähnlich wie wenn ein Freundesname verändert werden muß, wenn wir anders, als wir von Kindheit an gethan, als auch unsre Väter gethan, nicht Vaterunser, sondern Unservater sagen und sagen hören sollten, obwohl zwar der Mund die beiden Worte nach einander aussprechen muß, im Herzen f 83 aber beide nnr ein einziges Wort sind. Endlich handelt es sich um die Zählung der einzelnen Bitten: da er- scheint auch hier (vgl. 2. Mos 20, 1 Anm.) die Weise der lutherischen Kirche, welche 7 Bitten rechnet, der der reformirten Kirche, welche die Worte: ,,führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Uebel (nach reformirter Uebersetzung: Böfen«) in Eine Bitte zusam- menzieht, vorzuziehen, indem nicht nur die Sechs, wenn überhaupt eine sinnbildliche Bedeutung, doch nur eine solche haben würde, die nicht hierher gehört (Offenb. 13, 18), sondern auch die Bitte: ,,erlöse uns von dem Uebel« mehr ausspricht, als die vorangehende: ,,flihre uns nicht in Versuchung«, die Zusammenschließung bei- der zu einer Einheit aber nur in der nachher zu be- riihrenden Beziehung stch rechtfertigen läßt. Ueberblicken wir die 7 Bitten in ihrem Verhältnis; zu einander, so stellt sich Folgendes heraus: a) in den 4 ersten Bitten bitten wir um Zuwendung alles Guten, in den 3 let;- ten um Abwendung alles Bösen; b) in den 3 ersten Bitten handelt es sich um Gottes, in den 4 letzten uni unsre eigene Sache; o) die 4te Bitte um das tägliche Brod ist von 3 vorangehenden und Znachs folgenden Bitten, die sämmtlich auf das Geistliche gehen , eingeschlossen , weil das Reich Gottes und der Seelen Seligkeit unser größtes Anliegen ist (Luk. 10, 41 f.) und darum auch unser erstes und unser letztes Gebet sein soll (V. 33); d) die 1te und 4te Bitte be- ziehen sich auf Gott als Schöpfer und Erhalter, die 2te und 5te auf Gott als Erlös er, die 3te und 6te, letztere in Verbindung mit der 7ten, stehen in Beziehung zum Werk des heil. Geistes. Ueberblicken wir da- gegen den ganzen Umfang des Gebets , die 7 Bitten sammt der Anrede und dem Beschlnß , so ergiebt sich auch hier eine aufsällige Beziehung der einzelnen Theile zu einander, die in folgendem Schema sich darstellt: l) Vater dein Name unser täglichdenn dein ist werde ge- Brod gieb das Reich heiligt uns heute L) unser dein Reich und vergieb und die komme uns unsre Kraft Schuld it. Z) iii dem dein Wille und führe uns unddieHerr- Himmel geschehe auf nicht in Ver- lichkeit, in Erden u. s. w. suchung, fon- Ewigkeit. dern erlöse er. Amen. Bekanut ist die Auslegung des Gebets, die Matthias Claudius (ein unter dem Namen des Wandsbecker Boten bekannter Volksschriftsteller, geb. 1740 im Hol- steinischen, f zu Hamburg am 21. Januar 1815) in einem Briefe an Andres giebt. »Sieh , wenn ich’s beten will, so denke ich erst an meinen seligen Vater, wie der so gut war und so gern mir geben mochte; und dann stell ich mir die ganze Welt als meines Vaters Haus vor, und alle Menschen in Europa, Asia, Afrika und Amerika sind dann in meinen Gedanken meine Brüder und Schwestern; und Gott sitzt im Him- mel aus einem goldenen Stuhl und hat seine rechte Hand iiber’s Meer und bis an’s Ende der Welt aus: gestreckt, und seine Linke voll, Heil und Gutes, und die Bergspitzen umher rauchen — »und dann fang ich an: Unser Vater, der du bist im Himmel! Gehei- liget werde dein Name! Das versteh’ ich nun schon nicht. Die Juden sollen besondere Heimlichkeiteu von dem Namen Gottes gewußt haben; das lasse ich aber gut sein und wünsche nur, daß das Andenken an Gott und eine jede Spur, daraus wir ihn erkennen können, mir und allen Menschen über alles groß und heilig sein möge. Zu uns komme dein Neich: hie- bei denke ich an mich selbst, wie’s in mir hin und her sti- 84 treibt, und bald dies, bald das regiert, und daß das alles Herzquälen ist und ich dabei auf keinen grünen Zweig komme. Und dann denk ich, wie gut es flir mich wäre, wenn doch Gott all’ Fehd’ ein Ende machen und mich selbst regieren wollte. Dein Wille gesch ehe, wie im Himmel, also auch auf Erden: hiebei . stell ich mir den Himmel mit den heil. Engeln vor, die - mit Freuden seinen Willen thun, und keine Qual rühret sie an, und sie wissen sich vor Liebe und Seligkeit nicht zu retten nnd frohlocken Tag und Nacht, und dann denk ich: wenn es doch also auch auf Erden wäre! Unser täglich Brod gieb uns heute. Ein jeder weiß, was täglich Brod heißt und daß man essen muß, solange man in der Welt ist, nnd daß es auch gut schmeckt. Daran denk irh denn; auch fallen mir wohl meine Kinder ein, wie die so gerne essen mögen und so flugs und fröhlich bei der Schüssel sind. Und dann bitt ich, daß der liebe Gott uns doch etwas wolle zu essen geben. Und vergieb uns unsre Schuld, wie wir vergeben unsern Schuldigern.. Es thut weh, wenn man beleidigt wird, und die Rache ist dein Menschen süß. Das kölnmt mir auch so vor, und ich hätte wohl Lust dazu; da tritt mir aber der Schalksknecht aus dem Evangelio unter die Augen, nnd « mir entfällt das Herz und ich nehm’s mir vor, daß ich meinem Mitknecht vergeben und ihm kein Wort von den 100 Groschen sagen will. Und führe uns nicht in Versuchung: hier denk ich an allerhand Exempel, wo Leute unter den und jenen Umständen vom Guten ab- gewichen und gefallen find, und daß es mir nicht besser gehen würde. Sondern erlöse uns von dem Uebel: mir sind hier die Versuchungen noch im Sinn, und daß der Mensch so leicht verführt werden und von der ebenen Bahn abkommen kann. Zugleich denk ich aber a11ch an alle Mühe des Lebens , an Schwindsticht und Alter, an Kindesnoth kalten Brand nnd Wahnsinn, und das tausendfältige Elend und Herzeleid, das in der Welt ist und die armen Meuschen martert und quält, und ist niemand, der helfen kann, und du wirst finden, Andres, wenn die Thrtinen nicht vorher gekommen sind, hier kommen. sie gewiß, nnd man kann sich so herzlich heraus sehnen und in sich so betrübt nnd tiiedergefchlagen werden, als ob gar keine Hilfe wäre. Dann muß man sich aber wieder Muth machen, die Hand auf den Mund legen und wie im Triumph fortfahren: Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlich- keit iu Ewigkeit. Amen. 14. Denn sum hier auf die Bitte in V. 12 noch näher einzugehen , warum da zu der Bitte noch ein Zusatz hinzukommt, der das nothwendige Erforderniß auf eurer Seite, trenn ihr der Ge- Währung solcher Bitte euch getrösten wollt, enthält] so ihr den Menschen ihre Fehle swomit sie sich an s euch versündigt luden] vcrgebct, so wird euch euer himmlischer Vater auch vergeben lwas ihr gegen ihn gesiindigt Mark. 11, 25 f.]. 15. Wo ihr aber den Ntenschen ihre Fehle nicht vergebet, so wird euch euer Vater eure Fehle auch nicht vergeben [.Kap. 18, 23 ff; Sie. 28, 1 ff.]. Gott um die Vergebung als um ein hohes Gut bitten, und dasselbe Andern verweigerte, die uns darum bitten, hieße mit Gott Spott treiben. (Chrysostomus.) Auf daß uns Christus desto mehr zur Vergebung reize, hat er auch feiner, freundlicher Worte gebraucht, sagt nicht ,,ihre Bosheit und Frevel«, sondern ,,ihre Fehle« Evangelium Matthäi S, 14-—— 19. vergebet. Denn einen Fehl heißt er eine folche Sünde, die mehr aus Gebreehlichkeit oder Unwissenheit geschieht, denn aus Bosheit, damit er dir deinen Zorn legen will nnd dich erweichen, gerne zn vergeben. Denn vor Gott ist und soll die Sünde so groß sein, daß sie der ewigen Berdannnliiß tverth ist, ob’s gleich eine geringe Sünde und nur ein Gebrechen ist, wo er’s nicht erkennt oder dir abbittet; aber von mir und dir will er die Sünde uicht so angesehen haben, als dem exicht gebithrt die Sünde zu strafen , sondern zu vergeben, wie Christus auch selbst gebeten (Lnk. 23, 34): Sie wissen nicht, was sie thun. (Luther.) Merkwürdig, daß weder die Er- lösung noch die Slindenvergebung von einem Mittler Christus) und dessen Leistungen, etwa dessen Tode, ab- hängig gemacht wird, sowie anch die Ankunft des Reiches Gottes nicht an die Person des Llliessias geknüpft wird — ein Beweis, daß das Vaterunser von Jesu selbst herrührt, welcher diese persönlichen Beziehungen damals noch nicht hinzufügen konnte. (de Weile«) 16. Wenn ihr sin freiwilliger Kasteiung zur geistlichen Andachtsiibuncq fastet swie dies z. B. von den Pharisäern zweimal in der Woche geschieht Luk. IS, 12, vgl. Mos. 16, 31 Anm.], sollt ihr nicht sauer schen fdurch änßerliche Trauerge- berden eure Uebung der Frömmigkeit anch recht auffällig und bemerkbar machen], wie die Heuchler sehen jene Pharisäer und Schriftgelehrtern denen es überall nur auf den Schein eines gottseligen Wesens ankommt, die aber die Kraft desselben verleugnen]; denn sie verstellcn ihre Angesichte kindem stesHaupt- und Barthaar ungeschmlickt lassen und mit Asche bestreut, das Kinn verhüllt und den Kopf gesenkt einhergehen b. Mos. 14, 2 Anm.], auf daß sie vor den Leuten scheinen mit ihren: Fasten sihnen damit sogleich in die Augen fallen als» solche , die der Frömmigkeit wegen sich ein schweres Joch auf- erlegten] Wahrlich , ich sage euch , sie haben [in der Bewunderung der großen Viengh die sie so davon tragen] ihren Lohn dahin. .17. Wenn du smein Jüngerj aber [von dem ich verlange, das; du geistliche Dinge auch geistlich treibesi nnd deine Demüthigirtig vielmehr eine in: nerliche, als eine äußerliche fein lassestj fastest, so falbe sim Gegentheil, statt es mit Asche zu be- merken] dein Haupt und wasche dein Angesicht sals wolltest du zu einem Gastmahl gehen Z. Sam. 12, 20z Ies. Si, Z; Pf. 23, 5; Lnk. 7, 46], 18. Auf daß di: nicht scheinest vor den Leuten mit deinem Fasten lnicht vor ihnen , die nicht zu wissen brauchen, was du vorhast, als ein Fastender erscheinestjxsondcrn vor deinem Vater, welcher ver- borgcn [genauer: im Verborgenen] ist [da gegenwärtig, wo man menschlichem Auge geflissent- lich sich verbirgt B. 4 u. 6]; und dein Vater, der in das Vrrborgcne stehet sund das am liebsten hat, was zwischen dir und ihm allein vorgehtL wird dirs vergelten öffentlich kalt; der da Preis und Ehre und unvergängliches Wesen denen zuertheilh die mit Geduld in guten Werke-n trachten nach dem ewigen Leben Röm. O, 7 . «« Es find zweierlei Fasten, die da gut und löblich find: eine mag heißen weltliche oder bürgerliche Fasten, durch die Obrigkeit geboten, damit man nicht so mit stetem Fressen und Sausen alles verzehre, wie wir Deutsche thun, und ein wenig lernten leben. Darnach wäre noch eine geistliche gemeine Fasten, die wir Vom rechten Fasten oder der rechten Selbstverleugnung. Christen sollten halten, und wäre auch wohl fein, daß l man noch etliche Tage vor Ostern , item vor Pfing- sten nnd Weihnachten eine gemeine Fasten behielte, tiicht ; als einen Gottesdietish sondern als eine äußerliches chriftliche Zucht und Uebung für das junge und einfäl- tige Volk, daß sie sich lerneten in die Zeit richten. Aber das ist auch noch nicht das rechte christliche Fasten, das Christus meint; sondern es steht darin, daß du deinen Leib ziichtigest nnd niäßig haltest; denn solch Werk gehet nicht Gott noch der: Nächsten, sondern unsern eigenen Leib an. der Christen , wenn man dem ganzen Leib wehe thut und zwingt mit allen fünf Sinnen, daß er lassen und «- entbehren muß alles , was ihm sanft thut, es geschehe I: willig oder ans Noth (doch daß man’s gerne annehme und leide) , daß er nicht miissig , noch faul und geil So heiße ich das die rechte Fasten E? · Frieden der Kinder Gottes und in deinem Auge den l i x werde. Aber solch Fasten will ich niemand auflegen, I. sondern ein jeglicher, darnach er stark ist und fühlet, i? daß dem Fleische noth thut, darnach soll er ihm aus- J Es ist aber jedermann geboten, 32 legen und abbrechen. nüchtern und züchtig zu leben, nicht Einen Tag oder : Ein Jahr, sondern täglich und immerdar, welches die «. Ob aber zuweilen aus «, Schrist nennt nüchtern Leben. Schwachheit darüber geschieht, das gehe mit in den z Artikel, der da heißt Vergebung der Sünden, wie andre ; tägliche Gebrechen. Dein Gottesdienst aber soll sein der Glaube an Christum und die Liebe gegen den Nächstem I daß du wartest deß, dazu du gefordert bist. Das sei genug von den Fasten. (Luther.) Berleugnen das ungöttliche Wesen und die weltlichen Lüste, und züchtig, gerecht und gottselig leben in dieser Welt, das sind die Fasten, die wir selber uns auflegen initssen, nicht nur am Sonntag oder am Freitag , sondern alle Tage; nnd dabei gilt’s, manchen süßen Bissen liegen zu lassen , wie die Welt auch lockt, an mauchem Freudenkelch vorüberzugehem wie Fleisch und Blut auch darnach nistet. Dazu schreibt der himmlische Vater den Seinen auch noch ntanche be- sondere Fastenzeit aus , wenn er ein Kreuz uns ins s Haus schickt oder ein Fehljahr in unsre Aecker und Weinberge, wenn er ein theures Gut uns nimmt, an dem unsre Seele gehangen, und fpricht: Laß dir an meiner Gnade genügen. Das ist dein Fasten, liebe Seele, und nun hab Acht aus dein Fasten, daß auch da kein Heuchelsinm kein Pharisäerthuni aufkomine Es giebt Leute, die da meinen , ein gesenktes Haupt, ein uiedergeschlageties Auge, eine trübe Miene, ein kläglicher Ton, ein eständiges Ach nnd Weh über die arge Welt, das mache den rechten Christen; nnd so üben sie sich denn auch recht ein aus solch klägliche Geberden Könnte man ihnen aber hinter die Maske sehen, so fände man dahinter oft einen argen Schalk, recht unheilige Gedanken, recht weltliche Gelüste. Ein saures Gesicht macht’s uicht, sondern ein zerschlagenes Herz (Hos. Z, l3; Pf. 51, 19). Und habt Acht auf euer Fasten, daß kein Hochmuth mit unterlaufe Jch weiß nicht, ob’s heut zu Ta e und hier zu Lande auch noch solche Pharisäer gie t, die stch gar viel auf ihre Selbstverleugnung und Weltverachtung zu gute thun und stolz herab sehen aus Zöllner und Sünder; wenn’s aber solche gäbe, die sich ein Verdienst daraus machten, daß sie besser seien als andere Leute, weil sie wegbleibeii von mancherlei Welt- gelegeuheih solche, die für die Weltkinder nichts hätten, als Verachtung und Verdammniß , und meinten , sie trügen schon den Heiligeuschein um’s Haupt, die Andern 85 « aber das Kainszeichen auf der Stirn , denen würdespich g sagen: Nicht also, lieben Brüder! wir wollen uns kein . Verdienst daraus machen, wenn wir fliehen die Lüste is der Welt, sondern demüthig dem HErrn danken, daß er l uns bewahrt hat vor dem Argen; wir wollen nicht ver- dammen unsre irrenden Brüder, sondern brtiderlich ihnen nachgehen und priesterlich für sie beten. Und habt endlich Acht ans euer Fasten, daß kein verbissener Grimm euch das Herz vergifte. Wenn Gott uns fasten läßt, ein Kreuz uns auferlegt —- wie oft geschieht es l? da , daß ein geheimer Groll auf Gott und Welt, ein stiller Neid gegen die, die’s besser haben, als wir, eine verbissene Lust nach der verbotenen Frucht sich festsrißt l in unserm Herzen! Da sei Gott vor! Wenn du aber s fasten, so salbe dein aupt und wasche dein Angesicht; . trage dein Kreuz in eduld , kämpfe deinen Kampf im Stillem der Welt aber zeig in deinem Antlitz den Sieg des Glaubens, der die Welt überwindet. (Gerok.) D· v. 19—34. Eine Gerechtigkeit, die da besser sei alv die drr Schriftgelehrtcki nnd Pharisäer, wollte der HErr seine Jiingcr lehren Rats. s, 20); und rr hat ihnen gezeigt, daß er eine Gerechtigkeit meine, dir da tiefer warnte, weiter reiche, höher strebt Gar. Z, 21 ——48), eine Gcrechtlgkrik die nicht mit oberfläclslirlscm Saum, mit augendteneriscljem Werk, mit gewerbsmäßi- gcm Treiben sitt) vergnügt, sondern auf einem in Gott verborgenen Leben beruht (liap. S, 1—1lkl. Um: sagt er ihnen auch, unter welcher B rdiaguug allein eine solche Gerechtigkeit die ihre sciu könne, aus wag für einem herzenggrunde dieselbe bcrvorwachse w. 19—21), nnd inne« fiir ein Jlage ftc im Geiste ihres Gcniiiths haben müssen, um überall das Rechte zu sehen nnd zu trrssen W. 22 n. 23); nnd da greift er denn, um ihren Hcrzenggruud von allem Unkraut zu reinigen, in die; ihr Her; hinein und dringt bei ihnen auf riuc so völlige und ungctlsriltc ijiugebnlig au Gott«, daß alles, was in der Welt ist, ihnen entweder geradezu zu einem Gegen— stand der Verachtung nnd Geringschätzung W. 24), odrr dorh zu einer reinen islcbensache würde, um die sie« sich nilht sorgen und liüuimeru w. 25—34) De: jnckxsktx wie er von sich selber ils, ist ein Sorgrultind uud trligt steh lieber mit einem schweren, als mit einem leichten Herzen; er ist aber auth rin Kind deg kcichtsinng und sclzt gerade iibcr dasjenige sitt) hinweg, wag ihm wirk- lich auf nnd an dem Herzen liegen follte. Da wird uns denn hier auf dcr einen Seite die fröhliche S o r g l o si g l: cit der wicdergcborrttett Gottcgkindrr gezeigt, auf der au- dctn Seite ciber auch diejenige Sorge, die all ihr Denken und Sinnen, alle ihre Zeit nnd Kraft in Anspruch nimmt. 19. Ihr fmeiue Junger , von denen ich die bessere Gerechtigkeit nicht blos sordere, sondern die ich auch dazu anleiten will] sollt euch nicht swie die Schriftgelehrten und Pharisäer thun, die ebenso habsiichtig Kap. 23, 14; Luk. 16, 14., als eitler Ehre geizig V. Z, 5 u. 1(») find] Schatze sammeln auf Erden, da sic fwenn dieselben in einem reichen Vorrath von kostbaren Kleidern bestehen Nicht. 14, 19 Blum. L] die [von außen sich ansetzendenj Motten und sselbst wenns die edelsten Metalle , wären Jak. 5, s] der Rost ldes von innen her: « vorbrechenden Verderbens] fressen, Und da [wenig- Yftens , wenn man von Gold und Silber etwa sagen wollte, sie würden nicht vom Roß gefressen 86 Evangelium Matthäi s, 20-—24. die Diebe nachgraben nnd stehlen [ihr Vcsitz also ein sehr unsicherer, mit vieler Sorge und Verdruß verbundener ist]. 20. Sammelt ench aber kstatt solcher, dem Verderben oder dem Verlust unterworfener Schätze vielmehr] Schätze im Himmel, da sie [eben diese anderen Schätze, die ihr euch sammeln sollt] weder Motten noch Rost fressen, und da die Diebe nicht nachgrciben noch stehlen [denn der Himmel ist ein festes Schloß und die Schätze, die er in sich birgt, werden Von keiner Zerstörungsmacht, weder von außen noch von innen, bedroht]. 21. [Sind aber sie, diese Schätze im Himmel, das Theil, das euer Herz sich erwählt, so wird auch all euer Sinnen und Denken, all euer Thiin und Treiben himmlisch werden, dem Ziel eures Suchens und Verlangens entsprechend.] Denn wo euer Schatz istsdem ihr nachtrachtet], da ist auch euer Herz smct allen seinen Neigungen und Be- strebungen, und nimmt dies Herz nun selber die Natur und das Wesen der Güter an, die es mit seiner Liebe umfaßt Luk. 12, 33 f. - es gilt das in Beziehung auf beide Arten von Gütern, in Be: ziehung auf die des Himmels sowohl, wie in Be: ziehung auf die der Erde] Was für ein angemessener« Luxus in alter Zeit in Kleidern getrieben wurde, dazu ist ein Belag, was Horaz in Epkx I., 6. 43 f. erzählt; aber auch die höchst eitle KönFin Elisabeth von England (reg. von 1558— 1603 n. hr.) hinterließ in ihrer Garderobe 3000 ver- schiedene Anztigr. Verboten ist nun hier vom HErrn nicht der Besitz von Reichthümerm nicht das Annehmen derselbeii,.werin sie uns nach Gottes Schickung zufallen; wohl aber das Sammeln, d. i. das stete Streben dar- nach, wo man sich die Vermehrung des Besitzes zum angelegentlichsten Geschäft, zum höchsten Ziel, zur Haupt- sache macht (Ps. 62, 11). Dieses gierige Sammeln ist unchristlich; es ist nicht blos Thorheit, weil die Schätze nichts Festes , sicher Bleibendes sind , vielmehr durch Natur und Menschengewalt bald entrissen werden können, es verräth auch einen profanen, schmutzigen Sinn und schließt Empfängliches für Göttliches, Begeisterung für etwas Edles aus. Eine heilige Geistesgabe ist dabei nicht denkbar; der Geiz ist der» Rost, der alles edlere Gefühl wegfrißn Es gehört indessen zu den Räthseln des menschlichen Herzens, irdische Schätze zu seinem Gott zu machen, ja oft im Alter erst damit anzufangen, wo man auf die Abreise denken sollte. (Heubner.) Die Schätze , welche wir uns im Himmel sammeln sollen, bestehen nicht in den Geldsummeiy welche wir für wohl: thätige Zwecke angewendet oder zu Kirchenbauten ge- ftiftet haben; wäre dem so, würde es heißen: ,,Selig sind die Reichen, die viel der Art thun können; aber wehe euch Armut« Die himmlischen Schätze sind solche, die auch der ärmste Mensch sammeln kann, näm- lich Zunahme im Glauben, Hoffnung und Liebe, in An- dacht, in Erkenntnis; des HErrn und an Gaben des heil. Geistes. (Thiersch.) Ein Schatz von guten Werken, von Werken der Liebe sind ein Kapital, das im Himmel, deponirt ist, dort sicher steht und unermeßliche Zinsen trägt: der ist arm, der in dieser himmlischen Bank nichts stehen hat. (Heubner.) Wo dein höchstes Gut ist, das » Ziel deines Wollens , Suchens und Strebens, da ist l dein Verlangen, dein Sinnen, deine Neigung hingerichtet, dein hängst du an, da liebest und lebest du, da bist du mit dem Inneren deines Wesens eigentlicher als sonst irgendwo. llnd wie die Welt ist, wo du deinen Schatz, dein Gut, dein Ziel hast, wo du mit deinem Verlangen, deiner Lust und Neigung·bist, so wirst du selbst; das Geliebte und Gesnchte bildet dein inneres Wesen nach sich, und so wirst du irdisch, weun du irdischen Sorgen nachstrebst und anhängsh und himmlisch, wenn dein Schatz im Himmel ist. (Menke»n.) Wie die falsche Geistlichkeih von welcher der HErr in V. 1—18 geredet hat, von vornherein mit der falschen Weltlichkeit, auf welche ex— in unserm Abschnitt zu sprechen kommt, zuscimmenhängt tdas Wohlleben mit dem Fasten, die Habsucht und Herk- schaft mit den langen Gebeten, das Geizen mit dem Alrnosengebeny hat die Geschichte des Mittelcilters, der Kloster und·der Hierarchie hinlänglich aufgedeckt. Die Weltsucht in der Weltflucht ·ist der eigentlichste Cha- rakterzug in der monchifchen Hierarchie (P. Lange.) 22. sWie aber zur Erreichung der wahren Gerechtigkeit euer Herz die rechte Stellung einneh- men muß zu den Schätzen des Himmels und zu denen auf Erden, daß es sich jene, und nicht diese erwählt; so muß auch euer Auge, nämlich das des Geistes, die rechte Ansicht und Einsicht haben, daß es DIE DMge sieht, wie sie sind, und nach ihrem wahren Werthe beurtheilt Es verhält sich da auf geistigem Gebiet gerade so, wie auf dem leiblichen, vgl.·Luk. 11», 34——36]. Das Auge [im nächsten, leiblichen Sinne des Worts] ist des Leibes Licht soder sein Lichtwerkzeug, vermittels dessen er das von außen ihn umgebende Licht in sich aufnimmt und nun alles, was um und neben, über und unter ihm ist, wahrnimmtr wieviel kommt daher aiifdessen Veschaffenheit an!]. Wenn dein Auge einsaltig snatiirlich einfach oder unverdorben] ist [d.« i. gerade und recht sehend, nicht fehlend oder schielend]- so wird dein ganzer Leib licht sein fes ist dann, als ob der ganze Leib nur Auge oder nur Licht wäre; Hand und Fuß und alle Glieder hantiren und bewegen sich so sicher und richtig, daß sie nirgend anstoßen oder fehlgreisen]. « 23. Wenn aber dein Auge ein Schalk [wort- lich: böse] ist [d. i. fchielend oder doppelsichtig daß es die Gegenstände , die ihm entgegentretem nicht ganz, nicht in ihrer wahren Beschaffen- heit oder Gestalt, nicht in ihrer wirklichen Nähe oder Ferne, nicht in ihrer eigentlichen Größe oder Form, wohl» gar denselben Gegenstand zweimal siehet]·, so wird dein ganzer Leib sinster sein see hilft ihm dann das Licht von außen nicht, sondern all sein Thiin und Vornehmen richtet sich nach dem verkehrten Lichte, in welches das Auge ihm die Dinge gestellt hat, und wird selbst ein verkehrtes und verfehltes, »daß einer wohl neben der Brücke in’s Wasser und durch Hecken und Büsche in’s Feuer läuft«]. » Wenn aber sum hier die Anwen- dung vom Leiblichen auf’s Geistige zu machen] das Licht, das in dir ist [der seiner selbst bewußte Geist I. Cor. 2 , 11., die zu einer Leuchte dir von Gott gegebene Vernunft Sprtichm 20, 27., das Nur ein himmlisch gesinntes Herz und einfältiger; Auge erlangt die wahre Gerechtigkeit zur Unterscheidung von gut und böse befähigte Ge- Wisse« Rötw Z« 151- Finsternis ist [indem der gottverwandte Geist das Bewußtsein um seinen Ursprung und seine wahre Würde verloren hat, die Vernunft nicht vernehmen mag, was des Geistes Gottes ist, sondern von fleischlichen Eingebungen in ihrem Urtheil sich bestimmen läßt, und das Ge- wissen Böses gut und Gutes böse heißet]: wie groß wird dann die Finsterniß selber sdas von Natur so sinstere oder blinde Gebiet deiner Triebe und Neigungen, deiner Entschlüsse und Bestrebungen] fein [in das erst von jenem Lichte, das in dir ist, Licht gebracht werden sollte, das aber nnnnicht mehr blos ein sinsteres oder blindes bleibt, sondern durch das beirrende Blendlicht zu einem wiisten und verwirrten wird, wie das an dem pharifäischen Judenthum zu Tage tritt]! » . Die Verbindung mit dem Vorhergehenden ist nicht ganz einfach , wiewohl unverkennbar: das Suchen irdi- scher Schätze, das so sehr der inneren geistigen Natur des Menschen zuwider ist, setzt daher innere Unlauterkeit voraus. (Olshausen.) Die rechte Herzensftellung und die rechte Stellung des Auges stehen in Wechselwirkung: soll das Herz recht gestellt fein auf die hiinmlifchen Güter, muß das Auge recht gerichtet sein auf das Licht. (P. Lange.) Ohne Herzensreinheit ist nicht Gei- stesklarheit. (Braune.) Das Wort Einfalt, welches im gemeinen Sprachgebrauch insgemein in nachtheiligem Sinne vorkommt als Bezeichnung eines unerfahrenen, thörichteiy leichtgläubigen Wesens (vgl. Sir. l3, 10 f.), hat in der luther. Uebersetzung der heil. Schrift von Altersher eine edle Bedeutung; und zwar ist es der Gegensatz 1) aller Vielfältigkeit, Getheiltheit des Herzens und Sinnes, der Bcfangeuheit iu mancherlei Rücksichten auf dieses und jenes, der Zerfahrenheit in da- und dort- hin gehenden Neigungen; L) aller Zurückhaltung oder Verhüllung der wahren Gesinnung in dieser oder jener Ritcksicht oder Absicht, und bezeichnet Lauterkeit und Aufrichtigkeit. Von Gott gebraucht, zeigt es seine lau- tere Liebe, seinen lauteren Willen des sich Mittheilens an, in welchein er nur auf das Bedürfniß des nach seiner Gabe Verlangenden sieht, und nicht auf dieses und jenes, was er etwa verschuldet hat oder was als Mangel an Wiirdi keit betrachtet werden könnte (Jak. 1 , 5). Die Erfa rung solcher lauteren Gottesliebe in ihrem Geben und Vergehen erzeugt einen verwandten Sinn im empfangenden Menschen , eine Gesinnung , die flch erweist im einfältigen Mittheilen (Röm. 12, 8), welches ein ebenso demüthiges, alles Selbftruhms und Gesuchs des Lobes und Dankes oder Lohns sich begebendes ist, wie ein mildes und nach Vermögen, auch wohl über Vermögen freigebiges («.2.Cor.8,2; 9,11.13). Wie hierin die Richtung des Herzens allein auf Gott und Christus sich darstellt, so auch in der Auf- richtigkeit und Lauterkeit, welche anderwärts (2. Cor. 1, 125 1l , Z; Ephef 6, 5) durch Einfalt bezeichnet wird. (Kling.) Es giebt im Inneren einen Sinn für die Aufnahme des himmlischen Lichts, ganz ähnlich wie das leibliche Auge das Sinneswerkzeug für die Wahr- nehmung des natürlichen Lichtes ist; es giebt einen sol- chen Punkt im Inneren eines jeden Pienfchen , durch welchen das Licht der Wahrheit Eingang bei ihm finden soll. Es liegt im Gewissen, in der Fähigkeit, das Recht vom Unrecht, die Wahrheit von der Lüge zu un- terscheidenki Der Menfch kann zwar von fich selbst Gott nicht entdecken; aber kömmt ihm Gott entgegen, s 87 so schließt die zuvorkommende Gnade ein Auge im Menschen» auf, durch welches er ihr Licht aufnehmen kann, wie die Sonne durch ihre Einwirkung eine bis dahin nochrerschlofsene und nnscheinbare Knospe eröff- net. Jst dies geschehen, hat der Mensch einen Eindruck von»der Wahrheit, von dem Ernst und der Liebe Gottes eiupfangem so kommt alles darauf· an, daß der Menfch diesesinipendige Auge offen und rein erhalte; dann wird das göttliche Licht den ganzen Menschen durchdringen und seine Geisteskrafte, Wille, Verstand, Gefühl und Einbil- dungskraft werden durchleuchtet und in das Reich des Lichts eingeführt. Dazu gehört Einfalt und Entfchieden- heit, Hingebung und Streben ·nach dem Unvergänglichem Wenn dagegen der Menfch seine edelste Geisteskraft von Gott abwendet und stch in den Dienst der Richtigkeit und der» Sünde, in Widerspruch mit dem empfangenen Lichte hingiebt , so wird »fein inneres Auge ein Schalk, es fange· an, nach den Gotzen zu schielen; dadurch wird es verfinstert und unbrauchbar , endlich nimmt der Menfch nichts mehr vom gottlichen Lichte wahr, er will nichts mehr von Gott hören und in feinem ganzen Jn- neren nimmt die Finsternis; des Unglaubens und der Sünde überhand. Kein Verstand und Scharfsinn kann das verlorene Licht ersetzen; der Menfch geräth in die äußerstaFinsterniß des Götzendienftesfkk (Thierfch.) Halte dein Herz, dein Gemlith klar und rein; denn eigentlich ist alles finster, alle Triebe und Kräfte sind ohneLicht — es kommt, wie bei dem Auge, von oben. Verdirb nicht die Lichtnatur deines Geistes! (Braune.) «) Wär nicht das Auge sonnenhaft, wie könnt es je die Sonn erblicken? läg nicht in uns des Gottes eigne Kraft, wie könnt uns Göttliches entzückenkt (Göthe.) ,,Vernunft und alle Sinne gegeben hat.« (Auslegung des l. Artikels in Lutheus KatechismusJ —- ") Denke an das Exempel des Judas Jscharioth Evangelium am 15. Sonntage nach CrinikatisJ Aus der Rechtfertigung (vgl. die· Evangelien am 13. u. 14. Sonnt. nach Trinit.) wächst die Heiligung her- vor: wer durch Christi Blut so theuer erworben ist von Sünde, Tod und des Teufels Gewalt, der muß stch auch betrachten als ein Eigenthum des HErrn und ihin sein ganzes Leben zu beständigem Dienst und Gehorsam weihen, wer durch Christ: Stthnofer erlöst ist, deß gan- zes Leben muß fein heilig Dankopfer werden. Zur Hei- ligung aber gehort eine vollige Hingabe an Gott; das Hangen an der Welt und insbesondere die Sorge der Welt hindert uns» an der wahren Heiligung, darum gilt es vor allem , die Sorge zu verbannen , sie auf den HErrn zu werfen und alles Ernstes nach dem Reiche Gottes zu trachten. (Dieffenbach.) ·24. [.E·Oie Pharisäer» nnd Schriftgelehrten meinen freilich , daß sie sich Schätze sammeln auf Erden V. 19, schade ihnen an ihrer Seligkeit nichts; sie sammelten sich solche mit den guten Werken, die sie thäten V. L. H. 16, ja auch im Himmel V. 20. Das ist aber ein arger Selbst- betrug; gerade in diesem ihrem Wahne giebt sich die Doppelsichtigkeit ihres geistlichen Auges , durch die dann ihr ganzes geistliches Wesen in die ärgste Finsterniß gerathen ist» V. 22 f., zu erkennen] Niemand kann weien Herren idie nicht unter sich Ein Herz und ine Seele, und also im Grunde nur Ein Herr -sind, sondern ein jeder ein Herr für sich sein wollen und ganz verschiedene Gebiete be- herrschen, zu gleicher Zeit und mit gleicher Erge- 88 benheit] dienen [oielmehr, wer es versucht, mit solchem Dopveldienst, wird alsbald auch durch den Dienst selber zur festen, ausschließenden Eutschei- dung für den einen oder andern Herrn getrieben werden]. Entweder er wird einen Denjenigen, dem er von Haus aus mit seinem Herzen nicht zngethan war, den er aber äußerlich zufrieden stellen wollte, je mehr er fühlt, daß derselbe mit blos äußerlichem Dienst sich nicht zufrieden stellen läßt, desto mehr ikmerlichj hassen nnd den an- dern snach welchem die eigenttiche Neigung seines Herzens steht, mit immer krampfhafterer Begierde] lieben, oder wird einem [eben jenem ersten, zu dem gleich anfangs das Herz am ineisteti stch hingezogen fühlte, wenn er nun merkt, daß dieser ein gar freundlicher und lieber Herr ist und sein Dienst für sich allein schon Leben und volle Genüge gewährt, je länger, je mehr mit ganzem Geniüth und aus allen Kräften seiner Seele] anhangen und [nun] den andern lals EEIICU svlchttn der ihm nichts gewähren kann, was ihn wahrhaft be- friedigtd verachtem Ihr könnt [um es noch deutlicher zu sagen, welche zwei Herren ich bei diesem Gleichniß im Sinne habe] nicht Gott [mit der einen Hälfte eures Herzens] dienen und dem Mammon [mit der andern Hälfte, sondern das ganze Herz V. 21 muß sich entweder dem einen Herrn, Gott, oder dem andern, dem Mam- mon, zuwenden I. Kön. 18, 21; Luk. 16, I3]. Das Wort Mammon hat ursprünglich den Begriff: Vermögen, Gewinn, Lösegeld; und da nach Spriichm 10,15; 18, 11 die Habe, das Vermö en, der Reichthum Gegenstand des Vertrauens und der ist, so bildete sich im rabbinisckptalmudischen Sprach- gebrauch das Wort fiir den Begriff: ,,Neichthnm und Anhänglichkeit daran« aus. Diesen Ausdruck macht nun der HErr absichtlich durch Personifikation (Erhebung des darin liegenden Begriffs zu einer Person) Gotte gegen- über zu einem Götzennamett , um den Pharisäern , den Heuchlern scharf damit zuzurufem Jhr seid ja dennoch Götzendie1ier, ihr dienet einem Andern itebeu Gott — wollt ihr hören, wie er heißt? Mammon! und im Hintergrunde liegt der Wink auf den Fürsten und Gott dieser Welt, den im Reiz und Trug der Kreatur ver- steckten Abgotr 25. Darum [damit ihr im Gegensatz zu denen , die den einen dieser beiden Herren hasseu und den andern lieben, vielmehr solche seid, die einem anhangen und den andern verachten] sage ich euch [da dies Verachten keine so leichte Sache ist wegen der mannigfachen Bedürstigkeit im Irdi- schen, durch die der Mommoii den Schrin erweckt, ein Ldiensch könne und dürfe gar nicht anders, er müsse bis zu einem gewissen Maße ihm dienen]: Sorget nicht für euer Leben, was ihr szu dessen nothivendigem UNterhaltJ essen nnd trinken werdet; auch nicht für euern Leib, was ihr szu dessen nothwendiger Bekleidungj anziehen werdet. Ist nicht das Leben mehr, denn die » Speise? und der Leib mehr, denn die Klei- uversicht im Leben Evangelium Matthäi S, 25—-34. s Ring? [Der aber das Großen, Leib und Leben, « gegeben, wird es gewiß auch an dem Geringeren nicht fehlen lassen, an der Nahrung und Kleidung] 26. Sehet sauf das) ihr zunächti die Sorge um die Nahrung los werdet] die Vogel unter dem Himmel an: sie saen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht m die Scheuneu swie ihr Menschenkinder das thut und mit den eingesammelten Vorräthen schon Mittel und Unter- pfand eurer Ernährung in die Hände bekomint]; und euer himmlischer Vater nahret sie doch sobwohl er ihnen das Vermögen nicht verliehen, Vorsorge für diejenigen Zeiten zu treffen, wo dran: ßen nichts mehr wächsts Seid ihr denn nicht viel mehr, denn sie sals »die ihr ja seine Kinder und zum ewigen Leben berufen seid]? » 27. »Wer ist unter euch , der seiner Lange eme Elle zusetzen möge, ob er gleich darum sorgetY Bei diesem Verse fragt es sich znnächst, an was für eine Länge hier zu denken sei, ob an die der Leibes- größe (Luk. 19, Z; L, 52) oder an die der Lebensdauer? Luther hat, wie ans seiner Ilebersetziinsg in Luk. 12, 25 hervorgeht, an die erstere gedacht: »Ein sehr närrisch Ding wäre es, wenn ein klein Männlein sich in einen Winkel setzen und da sein Lebtag sorgen nnd gedenken wollte, wie er könnte größer werden; eben also, spricht Christus, thut die Welt, wenn sie sorgt, wie sie Geld und Gut könne zuwege bringen, es wird fiel) keiner reich sorgen, sondern liegt ganz nnd gar an dem , ob Gott seinen Segen gebe, und nicht am Sorgen« Da indessen eine Elle (3. Mos l9, 37 Anm.) schon ein sehr bedeutendes Maß für die Leibesgröße ist, nach Luk.12, 26 der HErr aber vielmehr etwas sehr Geringes mit der Elle bezeich- nen will, so haben wir wohl an die Lebensdauer zu denken, welche hier als eine Laufbahn von bestimmt be- messener Länge (Apostg.13, III; Z. Tini. 4, 7) vorgefteklt wird, und da ist eine Elle allerdings nur ein kleines Maß (Ps. 39, 6). Weiter aber fragt es sich, wie dieser Vers mit dem vorigen zusammenhängt. Nun, vorher hat der HErr uns erinnert: »Kann das Vöglein sein Sorgen lassen und hält sich in solchem Fa wie ein lebendiger Heiliger, und hat dennoch weder Acker noch Scheunem weder Kasten noch Keller, warum thun wir’s denn nicht auch, die wir ja den Vortheil haben, daß wir können arbeiten, das Feld bauen, die Früchte einsammeln, aufschütten und auf die Noth behalten?« Da aber er- hebt die Vernunft ihre Bedenken: Es können ja Miß- ernteri und Hungerjahre kommen , Feuer und Wasser, Krieg und andere Unglücksfälle können die Vorräthe vernichten, und nun sind wir doch im Gegentheil viel schlimiiier dran als die Vögel unter dem Himmel; wie manche Menschen, ja auch gottselige, find da schon um- gekommen im Elend und Mangel. Wider solche Ge- danken will der HErr uns schützen durch den andern: dann ist denen, die da umkommen, ihr iel eben von Gott gesetzt; das überschreitet keiner (Hio 14 , b) , ob er auch noch sehr darum sorget (vgl. P. Gerhard’s Lied: Du bist ein Mensch —- V. 2 u. 3). 28. Und warum forget ihr für die Klei- dung? Schauet die Lilien auf dem Felde swie z. B. die prächtigen Kaiserkronen Hohesl.2, 1], wie sie [auch» ohne von Menschenhand gepflegt zu i· zu werden, so frisch und fröhlich Von selbst] wachsen; Die völlige Hingabe an Gott verachtet die Schätze und Sorgen dieser Welt. g 89 sie arbeiten nicht [fich Flachs u. dgl. zu ihrer T Kleidung zu erbauen], auch spinnen sie nicht. 29. Ich sage euch, daß auch [der wegen feiner Pracht und Hoheit zum Sprichwort gewor- dene 1.»Kön. 10, 29 Anm.] Salomo in aller feiner Herrlichkeit [wenn er in feinem ganzen Herrscherglanz fich zeigte] , nicht [ so kitstlich und wunderbar schön] bekleidet gewesen ist, als derselbigen eins. Zu. So denn Gott das Gras aus dem Felde also kleidet, das doch heute stehet und morgen snachdem der oerfengende Ostwind in Einer Nacht es in dürres Heu verwandelt hat Jes.40, 7 Arm] in den [Back-1 Ofen geworfen wird; sollt er »das nicht viel mehr euch thun, o ihr Kleinglaubigen [die ihr mit euren Sorgen um die Kleidung V. 28 so wenig Vertrauen auf Gottes! Macht und Güte, auf seine väterliche Treue und weise Fürsorge beweifet]? Eil. Darum [weil ihr mit solchem Klein: glauben an Gott, eurem himmlischen Vater, euch oersündigq sollt ihr nicht sorgen und sagen: Was werden wir essen? was werden wir trinken? womit werden wir uns kleiden? 32. Nach solchem allen [was blos auf das zeitliche Leben und seine Bedürfnisse sich bezieht] trachten die Heiden [die weder von Gott etwas wissen I. Thcfs 4, i) noch für etwas anderes als die irdische Gegenwart leben Ephef L, 12; ihr aber, als Kinder Gottes und Erben des ewigen Lebens, braucht euch um dergleichen gar keine for: genden Gedanken zu machens Denn euer himm- lischer Vater weiß, daß ihr deß alles bediirfet fund wird es wahrlich an der Versorgung seiner Kinder nicht fehlen lassen]. 33. Trachtet am ersten fbevor ihr um irgend etwas Anderes euch bekümmert] nach dem Reich Gottes sdesselben theilhaftig zu werden] nnd nach seiner snämlich Gottes] Gerechtigkeit [wie ich sie in Kuh. 5, 20 — S, 18 euch dar- gelegt habe, während ihr in B. 9—15 gelernt habt, wie ihr das Reich Gottes auf euch herab beten follt]; so wird euch solches alles fwas das irdische Leben und seine Bediirfnisse betrifft V. 31, als eine Zugabe zu dem, was ihr mit jenem ersten Trachten erlanget, von selbst] zufallen [1. Kön. Z, is; Pf. 37, 4 f. und also ein wei- teres Trachten gar nicht erst nöthig sein] Wie hängt das zusammen? Ganz tiatürlichl Denn die nach dem Reiche Gottes (und seiner Gerechtigkeit) trachten, sind keine pflichtvergeffetien Leute, träge, liider- liche, üppige, verfchwenderifchm lügenhafre Leute, sondern wahrhaftige, ehrliche, einfache, keusche, mäßige, fleißige Menschen; und die es nicht sind, werden es, sobald das Reich Gottes ihr Trachten wird. Dazu kommt das und bleibt nicht aus: die es ihm zeigen, wie Werth sie ihn halten , denen zeigt er wieder , wie werth er sie ! hält, und läßt ihren Dienst nicht unbelohnt, wie es in Pf. 37, 25 heißt: Jch bin jung gewesen und alt gewor- den, aber ich habe noch nie gesehen den Gerechten ver- lassen oder seinen Samen nach Brod gehen. (Cl.Harms.) Wie der große Alexander, als er den Feldzu nach Indien antrat, all fein iiberfliifsiges Heergeräthe ver- brennen ließ, fo will ich alle nnnöthige viele Sorge dieses Lebens mehr und mehr von mir thun und mich zu dein einigen Nöthigeii (Luk. 10, 42) halten. tArnos Comeniush Viele kehren das Wort des HErrn um und lesen es also: Trachtet ain ersten nach dein Mant- mon und nach seiner Herrlichkeit, so wird euch das Reich Gottes von selbst zufallen. Das ist die vornehmste Lcbensregel der Welt, so treibt sie es nnd darnach wird , ihr auch gelehnt; das heißt die Sorgen pflanzen, aber nicht ausranfeiy das heißt sie begießen, aber-nicht ver- brennen. (Miinkel.) 34. Darum [weil seiner Zeit euch wirklich zufällt, wes; ihr bei-tiefer] sorget nicht fur den andern SNorgeu swo das alles herkommen soll, das euch an dein, mit diesem Morgen beginnendeti neuen Tage nöthig sein wird]; denn der mor- gende Tag wird fur das Seine sorgen fwird seine Noth und Plage Von selbst bringen, auch ohne daß dn heute schon im Geiste sie durchmachfh und wird zugleich feine Gotteshilfe von selber brin- gen, auch ohne daß du heute schon weißt, wie nnd woher] Es ist [bei dem ohnedies schon müh- seligen und befchiverlicheu Stande eures ErdeUIebensJ genug, daß ein jeder Tag seine eigene Plage habe fund ladet ihr damit, daß ihr noch die Plage des folgenden Tages mit eurem Sorgen hinzuneh- inet, euch mehr auf, als ihr zu tragen im Stande seid]. Für den gegenwärtigen Tag wird am wenigsten gesorgt; fast alle Sorge geht auf das Künftigh nnd die Sorge um das , was noch nicht da ist, vernichtet oft viel Gutes , Erfreuliches , Dankenswerthes , das da ist, hemmt die Wirksamkeit fiir das Gegenwärtige und ver- bittert den Genuß, den das Gegenwärtige dar-bietet. (Menken.) Die Kinder Gottes und die armen Leute leben, wie man sagt, aus der Hand in den Mund; sie haben immer gerade soviel, als sie für den Augenblick bedürfen, nicht mehr und nicht weniger, sie stehen immer wie auf Kiindigiing Lege denn deinen ganzen Glauben, deine ganze Liebe, deine ganze Treue in das Werk des heutigen Tages; laß dein ganzes Erdenleben ein neues, fleißiges, im Glauben erfülltes Heute fein, und warte still, bis morgen kommt. (Mtillensiefen.) Daß uns auf- gelegt ist, im Schweiß unsers Angesichts uns zu nähren, und wir täglich müssen inancherlei Jammer, Unsall, Widerstand, Hinderniß und Gefahr sehen und warten, folch Leid leide nnd nimm es an mit Freuden, laß es aber auch dabei bleiben; denn du haft damit genug zu tragen. Was willst du über den heutigen Ta sorgen nnd zweier Tage Unglück auf dich nehmen? asfe es bei dem bleiben, das dir der heutige Tag auflegt, da- mit du nichst des Ungliicks nur mehrund schwerer machst, denn es an ihm selbst schon ist. (Luther.) Das «7. Kapitel. Von etlichen Hindemisfen der Seligkeit. E. v.1——12. wenn inamhe Jlnglrger schon in dem vorigtii Abschnitte (D) den Jnsammetchatcg mit dem, wag m A—(J vorausgeht, vcriuißten und nichts weiter 90 Evangelium Matthäi 7, 1——6. als eine planlose Znsammenreihnng größerer und klei- nerer Kusspriietze des tjErrn darin fanden, so wissen sie noch viel weniger an unsrer Stelle in die Folgerichtig- keit des Gedanlienganges sieh zu finden; wir werden aber sehen, daß Christi Rede ganz sachgemäß weiter geht, denn »auf die zwei Gegensätze: Uicht wie die Pliarisiieri auch tiicht wie die Heiden! folgtzjetzt noch ein dritter: endlich auch icieljt wie Solche incmer Hunger, welche nnlauter nnd unvollkommen, statt das eigene Trachten nach der Gerechtigkeit innerlich fortzuführen nnd darnach allein ihr dierhalten nach aussen zu regeln, wieder mit dliitlifall in’s Pharisaerthum die Andern nn- gelisirig richten oder ungehdrig bekehren wollen W. 1—6). Sind wir nun durch Elsristi Worte niedergesehlageic nnd mskytkn fast nerzweifelnd fragen: woher soll nng Jlruien solche vollkommene Demuth nnd Weisheit der Liebe kommen, daß wir zwischen dem Fehlen zur dtechten und Linken, zwischen dem Splitterrielzten und Segenaiisschiitteiy im Iiingerkreis nnd in der bijsen Welt den schmalen reihten Weg treffen? so richtet niis der HErr alsbald wieder frenndlich auf und zeigt uns den offenen Weg zum hohen Ziel sit. 7—»11). Finhaltendes Gebet wird endlich sicher jeden Anfänger im ernstlichen Fortgange zur vollen Gerechtigkeit und Weisheit fuhren«, und stellt hierauf der HGrr am Schluß die einfachste Suimna des Gesetzes der Vollkommenheit in Bezug auf den tlachsten in einem kurzen Satze auf w. 12). l. Richtet nicht [wenii ihr nun für euch selbst einen Anfang gemacht habt mit der wahren Gerechtigkeii, Andere, die noch weit hinter eiich zu: rückzustehen scheinen, wegen ihrer Fehler und Ge- brechen, indem ihr in dem Bewußtsein eigener Vorirefflichkeit Rom. 15, 1 mit absprechendem Urtheil oder verdammendem Ausspriich über sie herfallet] , auf daß ihr nicht [wie dereinst gewiß geschehen würde, wenn ihr nicht diesenige Liebe ge- übet hättet, die da ist langmüthig und freundlich &c. 1. Cor. 13, 4——7] gerichtet werdet-« · Z. Denn mit welcherlei Gerichte ihr [den Nächsten] richtet [ob mit unbarmherzigem, uner- träglichem, oder mit einem solchen, wie die barm- herzige, tragende, schonende Liebe es an die Hand giebt], werdet ihr gerichtet werden lJae »2, 13]; und mit welcherlei Maß ihr sdem MitbriiderJ mesfet [ob mit dem Vollmaß äußerer Gesetzesstrenge und wohl gar mit dem Uebermaß eigenmächtiger Vergrößerungssuchh oder aber mit dem Nachlaß leut- » seliger Geduld nnd mit dem Vorschub sanftmtithu gen Zurechthelfens Gal. 6, l f.] wird euch sund zwar schon in diesem Leben] gemesseii werden. it) Das Urtheilen über das sittliche Thun des Näch- sten ist dem Christen durchaus nicht verwehrt, ist viel- mehr ein nothwendiger Ausdruck des sittlichen Bewußt- seins überhaupt; er kann das Gemeine nicht edel, die Lüge nicht Wahrheit nennen , und er darf nnd soll die Geister prüfen und unterscheiden , als der geistliche Merisch das Uugeistliche , Ungöttliche unterscheiden und abweisen (1. Cor. 2, 15; U, 10; I. Thess 5, 21; I. Joh. 4- l« 2 zu fällen, und die Apostel solche Rüge üben, auchliber Abwesende (Matth.18, 15 ff.; 1. Cor.H,12f.; Philipp. 2, 21; B, Z. 18 f.), so muß auch dem einzelnen Christen , . J. 10)-; und wenn die christliche «» Gemeinde das Recht und die Pflicht hat, ein strafendes ; Urtheil über den unsittlichen Lebenswandel des Einzelnen «« ein solches sittliche Urtheil zu stehen. Aber dies ist ein Ausfluß der Liebe, nicht des Hasses gegen die Person und der hochmiithigen Selbsttjberhebung wie es bei den Juden der Fall war (Röm. Z, 17 ff.); der Christ freuet sich nicht über des Andern Fehler im Gefühl pharisäiss scher Selbstgerechtigkeit, sondern er trägt Leid über des Nächften Sünde; er will retten, nicht zunichte machen, gleichwie Christus oft gerade da die sittlicher: Schwächeii des Menschen rügt, wo er ihm liebend hilft (Kap. 8, k-6: Joh 4, 48). Das christliche Urtheilen hütet sich wohl vor dem vermeintlichen Vollbriugen der göttlichen Rache, denn des Christenthums Geist ist der der Gna- denniilde (Luk. Si, 54 ff.); es enthält immer auch ein demüthiges Sichselbstanklagen ob der eigenen Mitschuld und der eigenen Schwäche und Sünde (Tit. Z, 2 f.; Gal. S, 1), und des Bruders Fehl fordert immer auf zur rechter Einkehr in sich selbst, zur Wachsamkeit gegen das eigene Herz, damit wir Ieicht auch versucht werden. (Wuttke.) Ein berühmter weiser Mann pflegte zu sagen: Sooft ich an meinen( Nächsten einen Fehler entdecke, sehe ich an mir selber dafür zwei; und ein an- derer frommer Mann sprach: er könne an keinem Ge- fängniß vorüber-gehen , ohne daß ihm das Herz klopfe, weil er wohl wisse, daß er auch in seinem Herzen die Wurzel zu allem Bösen und zu jeglichem Verbrechen ich trage. 3. Was siehest du aber sder du Andere richtest, während du an dir selbst Gefallen hast] den Splitter in deines Berti-ers» Auge, nnd wirst nicht gewahr des Balkens in deinem singe? Einen Balken nennt der Heiland deine eigenen Fehler, weil sie meist größer 11och und gröber sind, als die, welche du an deinem Nächsten siehst, weil sie dir jeden- falls, der du sie ja in der nächsten Nähe siehst und an dir selber trägst, viel größer und gröber erscheinen müssen, als die Fehler deines Nächsten, die du nur aus der Ferne siehst und dein du nicht irc’s Herz sehen kannst. (Gerok.) Da der Unterfchied eines Splitters und eines Balkens nur in der Größe besteht, so kann man als den Sinn dieses Gleichnisses nur den ansehen, daß wir von demselben Fehler , den wir am Bruder richten, in der Regel in einen1 viel höheren Grade be- haftet seien, als er, daß wir gerade gegen die Fehler, die wir uns selbst am ineifteii vorzuwerfen haben, am heftigsten eiferu, wo Andere sie begehen. Wie geht das zu? So geht es zu, daß die ftrafende, warnende Stimme Gottes sich an uns richtet, wir aber umgeben uns mit dem harten Panzer der Eigensucht , und an dieser prallt nun jedes Wort ab, wie das Wort, das du der Felswand znrufst, von ihr nicht vernommen, fon- dern weiter gegeben wird. Wie das , was zu der Wand gesprochen wird, an ihr sich bricht und laut einem Andern in’s Ohr ruft, der vielleicht entfernt steht, so ge- schieht es nur zu oft, daß an unserm Starrsinn sich Gottes Zuruf bricht und diese gebrochenen Gewissens- bisse dann hinftröinen als Strafreden aus unserm Munde, um so lauter, je lauter sie waren und je härter der Fels, a11f den sie stießen. (Erdmaiin.) Die Eigen- liebe ist wie ein Vergrößerungsglasz voii der einen Seite hindurchgesehen vergrößert es alles, nämlich an Andern; von der andern verkleinert es, nämlich gegen uns selbst. (Heubner.) Das machte in früheren Jahr- hunderten der Kirche einmal ein Abt in der Wtiste (denn auch dort unter den Einsiedler-u war das wechselseitige Belauern eingerissen) feinen Leuten sehr anfchaulichsp Ei: ging nämlich zwischen den Hütten umher , den Rücken mit einem schweren Sack voll Sand beladen, in der Hand ein leichtes Körbchen vor fich her tragend , das nur einen kleinen Haufen Sand enthielt; gefragt, zu Wir sollen Andere weder ungehörig richten, noch sie in verkehrtem Eifer bekehren wollen. 9l welchem Zweck er so einherginge, erwiederte er: Dieser Sack mit der schweren Last stellt meine Sünden vor, und weil sie zahlreich und groß sind , habe ich sie über den Rücken geworfen, damit ich sie nicht ansehen und darüber trauern dürfe; das bischen Sand hier im Korbe stellt die Sünden meines Bruders vor, Und ich trage sie vor meinen Augen, damit ich mich fleißig da- mit beschäftige, meinen Bruder zu richten, und mit"die- sem heilsamen Geschäft nicht aus der Uebung komme. (Arndt.) 4. Oder wie darfst du sdein selbstgerechtes Richten damit entschuldigend, daß du ja nichts Anderes bezweckest, als sie zu bessern und zu be- kehren] sagen zu deinem Bruder: Halt, ich will dir denSplitter aus deinem Auge ziehen? und siehe, ein Valke svon dem eben deine Selbstgefäl- ligkeit und Eigenliebe nichts merkt oder absichtlich nichts merken will, obwohl er bemerkbar genug sich macht] ist in deinem Auge! Z. Du Heuchler [ein solcher bist du ja in der That, weil du einerseits den Balken im eigenen Auge nicht sehen magst und andrerseits deine rich- tende Lieblosigkeit in das Gewand eines mitleidigen Eifers, dem Andern zurecht zu helfen, kleidest], zench am ersten den Balken aus deinem Auge sdurch Ablegung deiner eigenen, groben und offenkundigen Fehler]; darnach [wenn du an dir selber als ge- schickten Augenarzt dich solltest bewährt haben] be- siehe, lvie du [mit derjenigen Behutsamkeit und Vorsichh die zu solch heiligem Werk erforderlich ist] den Splitter aus deines Bruders Auge ziehest [wie du aber jetzt die Sache angreifst, das ist ein grobes Zufahren mit der Faust, welches das Uebel nur ärger macht Luk. 6, 37 fs.]. Du sagst: Jch meitUs ja gut; ich will ja meinen Nächsten nur besser machen , indem ich ihn tadele. Ei, du frommes Herz, du besorgte Seele , das ist ja eine große Liebe! Meinst Du’s denn immer so gut mit deinem Nächstem daß du zuerst an ihn denkst und dann an dich selber? Wenws brennt, hilfst du dann anch zuerst deinem Nachbar retten, während dein eigenes Haus in Flammen steht? wenn ein Hagelwetter am Himmel steht in der Ernte, spannst du dann anch deine Rosse für des Nachbars Garben ein, während die dei- nen noch auf dem Felde liegen? wenn Unkraut und Ungeziefer überhand nimmt, sänberst du dann zuerst deines Nachbars Garten und läßt den deinen zerfressen? Nein, gelt, da heißt-J: Jeder ist sich selbst der Nächstel Da heißt’s: zuerst komm ich, und dann noch einmal ich, und dann, wenn’s reicht, vielleicht anch noch ein Andererl Da ist die Nächstenliebe nicht so groß nnd die Sorge ftir den Bruder nicht so wichtig. Nun, wie du’s im Leiblichen machst, und doch nicht machen sollst, so sollst du’s im Geistlichen niachenx da kehre zuerst vor deiner Thtir, nnd dann denk an des Nachbars Thürx da säu- bere zuerst deinen Herzensgarten, und dann denk an das Unkraut in deines Bruders Herzen; da wehre zuerst dem Sündenseuer im eigenen Inneren, und dann siehe, wie du’s beim Bruder löschest (Gerok.) S. [So ernstlich aber um eures eigenen Chri- sienstandes willen ich auf der einen Seite euch warnen mußte: Richter nicht V. 1fs., so nachdrück- lich muß ich anch auf der andern Seite für eure Wirksamkeit als Menschensischer Kap. 4, 19 darauf dringen, daß ihr einen Unterschied macht unter denen , mit welchen ihr zu thun habt, ob sie’s werth sind oder nicht, daß ihr ihnen die göttlichen Heilswahrheiteii mittheilt Kap. 10, 11sf.]. Jhr sollt [also, um in einem Gleichniß auf recht be- zeichnende Weise eure Pflicht zur weisen Schonung des Göttlichen den Menschen gegenüber euch nahe zu legen] das Heiliglhum [der christlicheii Wahrheit] nicht den Hunden geben [durch Mittheiluiig an noch nngeweihte , uneinpfängliche Seelen], und« eure Perlen sollt ihr nicht vor die Saue werfen sindem ihr eure tiefsten Erkenntnisse und seligsten Erfah- rniigen etwa auch vor solchen aussprcchen wolltet, die ganz in die Geineinheit eines gottloseii und unsittlictsen Lebens versunken sind], auf daß fie [die Säue] dieselbigeii seure Perlen, die nun ein- mal keine Nahrung für sie sind] nicht snachdem sie dieselben angeschnuppert und gar bald gemerkt haben, daß ihnen damit nicht gegeben ist, was sie begehren, als Erbsen, Bohnen u. dgl., aus Wnth wegen der getäuschten Erwartung] zertreten mit ihren Fnßen und Darauf] sich wenden soon den zertreteneii Perlen weg zu denen hin , von denen sie sich betrogen wähnen] iind euch zerreißen. Es ist hier vom rechten Stolze eines Jüngers Christi die Rede, nachdem vorhin der falsche geistliche Stolz besprochen worden; und wie der HErr vorher die liebevolle Schonung des noch schwachen und zurückstehen- den Nächsten zur Pflicht gemacht, so verlangt er nun- mehr von den Seinen eine weise, nmsichtige Schonung dessen, was Gottes ist. »Hier wendet sich der HErr von den Brüdern, die man ermahnen kaiin und soll (je liebreich zarter, desto wirkfamer), zu den Hunden und Säuen (denn es giebt nun einmal solche unter den Menschen), welche das Wort der sanften Liebe nur von sich stoßen: die soll man für’s Erste schelten und biindi- gen, wo man Macht und Beruf dazu von oben empfängt, nicht aber gleich das Evangelium vor sie hinschittteiy wie das zu thun mit übel angebrachter Predigt eben- falls ein Fehler, insonderheit der Neubekehrten ist. (Stier.) Bei augenscheinlich abgestumpfteii und für das eilige unempfänglichen Seelen, die damit» nur ihr espött treiben, darf der Christ nicht rücksichtslos und unvor- sichtig die nur für gesammelte und ernstgestimmte Seelen zugänglichen Heilswahrheiten darlegen, sondern muß erst darauf hinzuwirken suchen, daß jene zum Bewußtsein ihrer Versunkenheit kommen. Christus giebt in seiner Lehrweisheit selbst das Vorbild: den Juden lehrt er nieist nur in Gleichnissen , oft so , daß sie seine Worte nicht unmittelbar und sofort verstehen konnten, um ihnen vorläufig einen Stachel in die Seele zu drücken, sie an- zuregen, sie aufmerksam zu machen ans eine ihnen jetzt noch nicht zu ängliche Wahrheit (Kap. 13, 11); er ver- schweigt woh vorläufig , was er weiß, selbst bei seinen Jüngern, weil diese noch nicht hinlänglich vorbereitet waren (Joh. 4, 167 IS, 12. 25; Luk. 24, 15 sf.), und verweigert bestimmte Antwort, wo die Fragenden nicht fähig waren , sie zu fassen« nnd zu würdigen: Kap. 27, »1»2. la; Joh. 8, II; 18, 20’f.; 19, 9. (Wuttke.) Wer offentlich aufzutreten hat mit den Heiligthümerii des Evangeliums und in amtlichen Reden die Perlen des Chrcstenthums sehen läßt, dawider ist sonderlich keiner, man läßt ihn stehen und reden; hingegen in den Häu- 92 fern, im gesellschaftlichen Umgange, da mag iich die Sache wohl etwas anders darstellen, da die gegebene Lehre des HErrn ihre Anwendung finden. Höret denn, meine Lieben: Unter welchen Vienscheii ihr wisset, man wird nicht loben , sondern lüstern, und wo ihr wißt, man wird eher fluchen als segnete, wo ihr wißt, man wird eher noch weiter abgewendet, als man fiel) auf eure Aeußes rungen zuwendet —- unter diesen Menschen, daselbst sei auih das Schweigen verstattet und das Ver-bergen er- , laubt. Fragt ihr mich, in welchem EVBaßP so antworte ich: allerdings bis zur Vikrleugiiuiig nicht, bis zu einer solchen Gleichsielliing in Wort und That nicht, daß man die Ijlieinung fasset, ihr seid eben so ungläubig, wie sie sind, nein! bis soweit nimmermehr. Genau! wie weit denn? O ich weiß das genaue Maß nicht. Seid nicht feig, aber braucht Verstand; und wo der nicht aus-reicht, da thut, wie Christus seinen Jüngern heißt: Bittet, so wird euch gegeben, so wird’s euch zu wissen gegeben. (C. HarinsJ Ueber: »den Hunden geben« s. zu Luk. l6,2l. 7. euch gegeben ssGeister zu unterscheiden nnd zu rechter Zeit zu schweigen nnd vorsichtiglich zu wan- delnsz suchet sda , wo Gott seine Heilsschätze für euch itiederkxelegthath so werdet ihr finden; klopfet an san der Himmelsthiity wenn dieselbe verschlossen scheiiit], so wird euch anfgethan Mk. 11, 9——13]. 8. Denn sschon im gemeinen Leben bewährt sichs als Erfahrungsthatsaclieq wer da bitter, der empfcihetz und roer da surhet, der findet; und wer da anklopft dem wird aufgethan fwogegscn ein fol- cher, der nicht bitten mag, auch nichts» empfängt, und einer, der zu bequem zum Suchen ist, auch nicht findet, uns. ein Andrer, der vor der Thiir wieder umkehrt, siatt sich zu inelden, auch nicht hereiugelasfeii wird]. J. Welcher ist nun unter euch Menschen kein so Unnatürlichen heimtiickischer Vater], so ihn sein Seht; bittet um Brod, der ihm einen Stein iete.- 10. Oder so er ihn bitiet um einen Fisch, der ihm eine Schlange biete? H. So denn ihr, die ihr doch [im Vergleich mit Gott einer so gut wie der andere] arg seid, könnct dennoch euren Kindern gute Gaben geben straft des natiirlictzen Vatergefühls, trotz der euch anbängeirceii Argheih es ermöglichh euern Kindern das zu verleihen, was ihnen nöthig und gut ist]; wie viel mehr wird euer Vater im Himmel [von dem in b. Nios 32, 4 es heißt: Treu ist Gott, nnd kein Böses an ihm, gerecht und fromm ist er], Gutes [insonderheit aber seinen heil. Geist Lukx 11, 131 geben denen, die ihn bitten! Man hätte denken mögen, die Aufforderung zum Gebet und die Vrrheißung , daß das Gebet werde er- hört werden, wäre fchicklicher an dasjenige angeknüpft worden, was der HErr im vorhergehenden Kapitel von der Noth und Sorge des irdischen Lebens redete. Nun hat zwar der HErr im Vorhergehenden schon den Sei- Bittet sden himmlischen Vater um die i . . - , , - z« Vollkommenheit gelangen; aber der HErr sagt nicht nur: zjsxlbkäkltfxe ticsesisxetcibenfgvklivsikkg ; »b1ttet, so werdet ihr nehmen ,« sondern anch: ,,suehet, - « s - » auf an, daß man sich an den rechten Ort wende , wo Evangelium Matthäi 7 , 7——»- I2. l nen die Bitte in den Mund gelegt: unser täglich Brod gieb uns heute! und darin alles Bedürfniß des irdischen Lebens zusatrnnengefafztx er hat anch der Sorge den Glauben, das kiudliche Vertrauen, den kindlicheu Blick auf Gott, der gewiß ist, daß der Vater im Himmel es ihm iticht werde fehlen lassen, entgegensetzt, und dieser Glaube ist nicht ohne kindliches Bitten. Da er aber nicht an jener Stelle, nicht in jener Verbindung von dem Gebete redet, an dieser Stelle aber nnd in dieser Eiäerbindung so ausdriicklich davon redet, so scheint es, er habe die Lehre vom Gebet nicht so gern mit den Be- dürfnissen des irdischen und zeiilichen Lebens, als mit den Bedürfnissen nnd Angelegenheiten des geistlichen und ewigen Lebens in Verbindung bringen wollen. (Menken.) Der HErr bezeichuet uns drei Stufen des Wegs, den wir zn gehen haben; das Gebet ist das Erste und Nothwendigste, aber nicht das Einzige, was uns vorgezeichiiet wird, damit wir himmlische Güter er- langen. Es giebt Christen, welche meinen, jeder Ein- zelne könne für sich durch Gebet alles erreichen und zur so werdet ihr finden« Beim Suchen kömmt alles dar- die Sache zu finden ist. Gilt es, himmlische Güter zu finden, so kann uns nur Gott den rechten Ort bezeich- . neu; und dies hat er gethan, denn er hat uns auf seine « Ordnungen hingewiesen, nämlich auf das Amt, das er ; geftiftet hat, und auf die heil. Sacramente — da sollen wir die Güter des Himmelreichs suchen, da werden wir sie finden. Als Cornelius, der Hauptmann (-?lpostg. 10, l ff.) , so anhaltend betete, erschien ihm ein Engel und sprach: ,,Sende nach Joppe und laß den Petrus holen, der wird dir sagen, was dn thuu sollst;« der Engel vom Himmel predigte nicht und tauste nicht, aber er verwies den gläubige-i Beter auf das Aint der Versöhnung, das Gott in der Kirche aufgerichtet hat. Was thuu also die, welche dafür halten, jeder könne für sich in feinem Kiimmerlein oder in einer willkürlich fich zufammen- findenden Gemeinschaft von Brüdern durch Gebet alles empfangen, welche die Kirche und die Sacramente für etwas Aeußerliches und Unwesentliches ansehen und bei Seite liegen lassen? Sie gehen an der Stelle vorüber, wo der HErr alle Gnade niedergelegt hat; sie beten, aber sie suchen nicht, und dadnrch kommen sie nicht zum » iel. jAndere Clsristeii finden wir, welche fich streng an die kirchlichen Ordnungen halten, aber das Gebet des Herzens nicht üben; aber auch damit ist es nicht gethan, wenn nian sucht, aber nicht betet. Das Gebet ist das Erste und Nothivendigstæ erstickt der innere Lebenshauch fo wird alles Thun des Pienschen leblos werden. (Thiersih.) I» Das ,,Anklopfen« bezeichnet das Beharren, auch wenn die Gewährung versagt scheint. (Tholuck.) Das thut Gott darum , das; er dich treibt, nicht allein schlecht zu bitten, sondern anzuklopfen, daß er dich will versuchen, ob dn könnest festhalten, und dich lehren, daß darum dein Gebet nicht unangenehm noch unerhört ist, ob er gleich verzeucht nnd dich oft läßt suchen nnd klo- pfen. (Luther.) O, ein guter HErr, der oft nicht giebt, was wir wollen, um uns zitzutheilen, was wir noch lieber möchten! J So geschah? mit meiner Mutter Month: was waus , was sie mit so vielen Thräneii von dir bat, mein Gott? nur dies, daß du mich nicht möchtest (nach Rom) schiffen lassen! Aber du, viel besser forgend nnd den eigentlichen Kernpunkt ihrer Bitte ihr erhörend , kiimmerteft dich nicht um um das , was sie damals bat, auf daß du an mir thätest, um was sie beständig bat. (Augustin.) Christen, die ihr als an dem Hause vor-übergegangen seid, an der Thür still gestanden seid, da ihr wußten es sei darinnen: habt ihr auch an- Anhaltendes Gebet führt zur oollen Gerechtigkeit und Weisheit. eklopft? Die Klopfer an den Hausthüren vermindern Ziel) in unsrer Stadt, wie ich vor Jahren schon einmal gesagt habe; das Haus Gottes aber, darin alle Heilig- thttmer liegen und alle Perlen zu erhalten sind, das hat seinen Klopfer behalten — das Gebet. Faßt aii, hebet aiif: ihr thut’s nicht vergeblich! (Cl.Harnis.) Ein be- harrliches, begründetes oder berechtigte-Z und rechtes Streben führt in der mannigfachsten Weise zum Ziel, selbst bei den Mens eben; also gewiß auch das Streben des Betendeu nach den: Reiche Gottes. Dies ist zunächst gewiß aus der Natur des Strebens; sodann aber auch ans dem Wesen des Angerufenem Kein Vater, so schlecht er als SNensch sein möchte, wird der Bitte seines Kin- des dergleichen Tiicken gegentibersetzen , daß er statt Brod oder Fisch ihm Stein oder Schlange gäbe. Das Bild setzt nicht den Gegensatz des Erhörens und des puren Eltichterhörens, sondern den Gegensatz eines wah- ren nnd eines täuschenden Erhörens (P. Lange.) Uns thörichteii Kindern dünkt freilich oft ein Stein zu sein, «» was Leib und Seel gesünder ist als das beste Brod; ein Schlangengift, was unserm Herzen die edelsle Arze- nei ist: Sprüchnx 20, 14. (Württeinb. Summ.) Wenn aus dem kindlichen Verhältnis; des Menschen zu Gott folgt, daß er nicht dem, welcher um Brod bitter, einen Stein geben werde, so ist auch auf das Umgekehrte zu schließen , daß er nicht dein einen Stein geben werde, der um einen Stein bitter, St. Lukas in Kap U, 12 hat auch noch den Gegensatz» von dem Ei und Skorpion (auch hier, wie bei Brod —- Steiu, Fisch — Schlange, eine gewisse äußere Aehnlichkeit, wenn man an den zu- sammengezogenen Skorpion denkt) , was dem Augustin zu der sinnreichen Ausdeutnng Veranlassung giebt: der Fisch, d. i. der Glaube in den Meereswillen dieses ebens , das Brod die nährende Kraft der Liebe , das Ei die die Zukunft vorausnehmende gläubige Hoffnung. («choluck.) Mit der auszeichnenden Anrede der Kinder Gottes steht aber im schärfsten Gegensatz das unaus- denklich bedeutsame: »die ihr doch arg feid,« welches die bittenden Gotteskinder ihrer Natur nach ganz unter die Menschen insgemein setzt und diesen mitten in der lieblichsten Huld einschneidend bezeugt , daß sie an sich arg und karg seien, also jede natürliche Güte und Liebe nur ein Widerspruch des Vorhandenein wenigstens zwei- deutigen Triebes mit der jetzigen verderbten Menschen- natur, keine lichte, gute Liebe. Dies Wort scheint mir der stärkste Beweisspruch für die Erbfljiide (und zwar als Voraussetzung, die gar 1iicht erst für sich zu lehren und behaupten sei: 1. Köln 8 , 46) in der ganzen heil. Schrift, und zugleich einer der stärksten für die über- menschliche Würde des HErrn (Joh. s, 23 f.), der so redet, dem ganzen Menscheiigeschlecht gegenüber sich ans- nehmend: Jhr seid arg! (Stier.) 12. Alles nun [um das von Kap. Z, 17 an Gesagte, soweit es eure Pflicht gegen den Nächsten betrifft, schließlich noch in ein kurzes, leicht behalt- bares Wort und in eine einfache, leicht faßbare Regel zusammen zu fassen] , das ihr [etwa oder irgendwie] wollet , daß euch die Leute [esj thun sollen, das thut ihr ihnen sdas Plas- eures Begeh- rens an sie zum Maßstab eurer Pflichten gegen dieselbe rauchend, auch: Las. s, Zljz das ist Hei: nem Hauptinhalte nach] das Gefetz und [das, was] dle Propheten [zur Auslegung des Gesetzes bezeugt haben, denn es kommt aus dasselbe hinaus mit dem Wort: Du sollst deinen Nächsten lieben als dich selbst Kap. 22, 39 f.; Röm. 13, 8——10]. f! ll 93 Mit diesen Worten beschließt er nun seine Lehren, in diesen 3 Kapiteln gethan , und faßt sie alle in ein klein Bitndeleiik darin inan’s gar finden inöge und ein jeglicher in seinen Busen stecken und wohl behalten könne. Und ist sicherlich fein gemacht, daß Christus also stellen daß er kein ander Exempel setzt, denn uns selbst; damit legt er sein Gebot uns also nahe, daß er’s nicht näher legen könnte, d. i. in miser Herz, Leib und Leben nnd alle unsre Gliedmaßen, daß niemand weit darnach laufen darf, sondern du selbst deine Bibel, Tilieistey Doctor und Brediger bist. Da weiset er dich hin, daß " dii es nur ansehest, so wirst du finden, wie das Buch geht durch alle deine Werke, Worte, Gedanken, Herz, Leib und Seele; du kannst· nirgend hin sehen, da dir’s nicht unter Augen stolze, denn du hast so inancheii Pre- diger, so manchen Handel, Waare, tjandzeug nnd andere Bereitschaft (Wage, Elle, Maß 2c.) in deinem Haus und Hofe. Das schreit allzumal über deinen Hals: Lieber, handle init mir also gegen deinen äliächsteip wie du wolltest, daß dein Nächster gegen dir handeln sollte mit seinem Gut. Zum Andern will uns hier Christus selbst zu Zeugen setzen und machen, daß wir uns selbst scheuen sollen, daß, wenn wir Unrecht handeln, bald das Gewissen mit diesein Gebot wider uns steht als ein ewiger Zeuge und spricht: Siehe, was thust du? das sollst du so theuer geben nach gleichem Kauf; so setzest du soviel drüber — wenins ein Andrer thäte, so hießest dihihn einen Dieb und Schalk. Also müssen wir vor uns selbst sihamroth werden( Und das das Beste in dem Spruche- ist, spricht er nicht: Andere Leute solleirs auch thun; sondern: Ihr sollt es andern Leuten thun. Denn. das hat ein jeglicher gerne daß ein Auderer ihm recht thut. Etliche aber sagen: Ich wollte zwar auch gerne thun, was ich sollte, wenn andere Leute zuvor gegen mir thaten. Aber dieser Spruch heißt also: Du sollst ansahen und der Erste sein, willst du , daß dir’s andere Leute thun; oder wollen sie nicht, so thue du es gleichwohl. Wer fromm will sein, der muß sieh nicht an andrer Leute Exempel kehren. So magst du denn andere Leute durch dein Exempel bewegen, daß» sie dir wieder Gutes thun, auch die, so dir zuvor Böses gethan haben; wo du es aber selbst nicht thust, so hast du zu Lohn, daß auch niemand gegen dir thue , uiid geschieht dir auch recbt vor Gott niid den Leuten. (»Liither.) Den eine11 Theil dieses Spriiches wissen wir so gut, daß wir ihn niemals außer Acht lassen, den andern aber lassen wir dergestalt außer Acht, als ob wir gänzlich nichts von ihm wüßten; deiin was wir von Andern uns ge- than wünschen , wissen wir aufs Beste, was aber wir selbst Andern thun sollen, wissen wir nicht. (Salvianus.) F· V. l3——27. Uaclxdein der HErr seine Predigt non der wahren Gerechtigkeit, die tin Gegensatz zu der Ge- selzcgansiösiing der phnrifiiisctseii Grreojtiglicit die Er— fiilliing drg Gesetzes in der Liebe Gottes und des Mich— stcu ist, zum Tit-justus; gebracht hat Mino. 5,17—7,12), richtet er nunmehr an seine Sliingcr die Aufforderung, angziitretrn aus aller Grinrinschaft mit dein pharisiiisttirii Wiesen, dient) die enge Pforte der Llrinuth iiu Geist: nnd aller jener ljerzcnnziistciiidk non denen cr ini Eingang seiner Rede Rad. Z, 3 ff) gchiindrlh cinzntrrtrii in sein Rein) nnd den schmalen Weg christliitjer Gerkrtstiglicit zu wandeln, wir kr ihnen vor die Ztiigcii gcnialt worden ist; Iic würden durch solche Eutsctscidiiiig siir ihn und durch solchen Wandel auf seinem Weg: ihre Seele cr- rctten 1ii1d zum Erben hiiidnrchdringcik wiibrenddic große Masse der Anhänger drg pharisiiisrtjcii Jiidcnthiimg rtnrm geschichllicheit Verderben tiitgegcngiiigk in dem dag ewige Verderben sein Abbild tiat(V.13 n.14). Aber freiltrlk nickt) in seinen: Reiche hienieden wird 94 Evangelium Matthäi 7, 13-L-19. ihnen die Gefahr der Seelenverführung durch falscheo prophetenthiim wie das, dem sie durch Verlassung pha- risäisclier Satzungen entgangen sind, aufs dleue entge- gentreten (V. 15———90), und zu dieser Gefahr einer von außen kommenden Vorführung gesellt sich die der Phari- säisctieii Grundrichtuiig der; eigenen natürlichen Herzens, welches niir gar zu gern den bloßen Lippen überläßt, wovon es selber ganz und gar durchdrungen und erfüllt sein sollte, nnd nur gar zu leicht mit dem bloßen Schein guter Werke sich beguiigt, statt die Kraft derselben wirk- lich in sich zu tragen Ob. 21—23). Indem Christus seinen Jüngern ein ,,Sehet eitel) vor l« nach beiden Seiten hin 3uruft, läßt er nunmehr das erhabene Sthlußwort der ganzen Bergpredigt folgen, welches der iithorheiy womit so Viele iii Sachen der Seligkeit sich selbst betrü- gen, die üliigheit der Gerechten gegenübersteht, die daø tjaug auf einen Felsen bauet. II. Gehet ein szu Gottes Reiche und zum ewigen Leben Katz. 19, 17; Z. Petri l, II] durch die enge Pforte« sdie ich in dieser meiner Rede euch aiifgethan habe; und da laßt es euch nicht irren, wenn die Herzensrichtung und die Lebens- beschaffenheiy die ich von den Meinen fordere, eine so ganz andere ist als die, zu welcher die Pharisäer und Schriftgelehrten ihre Jünger anleiten, auch die große Menge nicht mit euch auf dem Wege gehen mag, zu welchem schon die Eingangspforte eine so enge ist]. Denn die Pforte ist weit, und der Weg ist breit, der zur Verdammniß ab- ftthret sdas ewige Verderben, welches den Gegen- satz zum ewigen Leben bildet, hat ja vor diesem den äußeren Vortheil voraus, daß der Weg dahin ein vielseitiger und bequemer ist, wo man nicht äxkgstlich Acht zu haben braucht auf jeden Schritt und Tritt, sondern aiisbiegen kann zur Rechten und zur Linken und sich einrichten, wie man gerade will, und daß zugleich am Eingang dieses· Wegs eine Pforte steht, die hoch und weit genug ist, um den Menschen in der ganzen Breite seiner alten Natur voll Lust und Begierde, voll Leidenschaft und Verkehrtheit hindurchzulasseiy so daß er sich nicht zu bücken und zu drücken braucht, auch nichts ab- zulegen und hinter sich zu lassen nöthig hat]; und ihrer sind [darum auch] viel, die darauf wandelt! sursprünglich hatte Luther —»— obwohl auch die jetzige Uebersetziing sprachlich znlassig ist— doch richtiger übersetzt: die da, nämlich durch diese weite Pforte, durch gehen» indem sie die Grundsätze der Pharisäer und Schriftgelehrteii gern annehmen, um des bequemen Weges willen , der dahinter sich ihnen öffnet] « · . 14. Und [wie steht es nun im Vergleich hier: mit dagegen mit meiner Schule nnd mit meiner Jüngerschaft, die euch freilich auch dem gerade ent- gegengesetzten Ziel entgegenbringt? Siehe] die Pforte ist enge, nnd der Weg ist schmal, der zum Leben fuhretzrtr nnd wenig ist ihrer, die ihn [den zum Leben fuhrenden Weg] finden «]- [weil er eben ein schmaler ist und die Pforte dazu eine enge Apostg. 14, 2 f.] «) Wie kommt es, daß die Pforte so enge ist, durch die wir eindringen müssen, um das ewige Leben zu er- langen? Der Btensch möchte gern so vieles mitnehmen, er möchte das ganze Gefolge seiner Sünden, oder wenn dies nicht, doch wenigstens einige , die ihm besonders au’s Herz gewachsen sind, in das Himmelreich mitneh- men. Aber hieniit beladen kann er nicht durch die Pforte, ja wenn sein Herz auch nur an einer einzigen Slinde wissentlich festhält, so ist die Pforte zu en ; mit einem solchen Auswuchs behaftet kann der Mens nicht hinein, er muß alles, was er als Sünde und Ueber- tretung erkannt hat, verabscheuen und von sich werfen. Wenn es aber nicht die Sünde ist, die der Mensch durch die Pforte mit hereinbriiigen will, so schleppt er sich mit etwas Andereni, was ihm ebenso den Eingang unmög- lich macht, und das ist das Vertrauen auf seine eigene Gerechtigkeit; er hat Wohlgefallen an sich selber, er ge- denket dessen, das; er nicht so fchlimm ist wie andere Leute , er erinnert sich gern , daß er schon etwas für Gott gethan oder aufgeopfert hat, und indem er seine Tugenden vor sich herträgtz findet er die Pforte viel zu eng, denn es ist die Pforte der Buße. Wer da hinein- gehen will, muß sich selbst richten, ganz gering in seinen eigenen Augen werden und als ein armer Staub sich deniüthigen, um die Vergebung der Sünden, die Kind- schaft und das ewige Leben als ein Geschenk der gött- lichen Barmherzigkeit zu empfangen. (Thiersch.) M) Alles, was des Menschen Natur nnd Willkür dictirt, das ist eine weite Pforte und ein breiter Weg, hinfiihrend iiUs Verderben, sollte es auch täuschend das Ansehen haben, viel enger und schmaler, härter und schwerer zu sein als das, was die Wahrheit von dem Menfchen fordert. Die mühseligsten Wallfahrten nach Jerusalem und Rom sind Lust- und Spaziergänge, die strengsten Fasten köstliche Schmausereien nnd die härte- sten Kasteiuugen süße Liebkosungen für den alten Men- fchen, wenn er selbst es also, als das Wesen der Heilig- keit oder als Weg zum Himmel erwählt oder verordnet hat und bei und unter dem allen sein Wesen und Leben, seinen irdischen, fleischlichen, zornigen, stolzen Sinn be- halten kaun. Wie vielmehr ist es so bei dem Wesen der Moral, die , ohne sonderliche Aufopferung zu fordern, nur ein wenig an dem Aeußern polirtl (Menken.) Hier kann jeder bleiben, wie er ist von Natur, und be- halten, was er hat; hier ist nichts zu verleugnen, nichts abzulegen; hier kann der Mensch all’ feinen Stolz, seine Eigenliebe, seinen Neid, seinen Haß, seine Schooßsitndem seine Neigungen und Laster beibehalten und mitnehmen: die Pforte ist hoch und weit genug, daß er mit den: allen hindurch kann. Breit ist hier alles: breit der Glaube , breit die Moral, breit das Gewissen , breit die ganze Denk-s und Handlung-weise. (Arndt.) sitt) Luther hat’s gut gemeint und richtig verstanden nach Unsrer Sprache, wenn er dasselbe Wort in der Ur- sprache das eine Mal durch ,,führet«, das andere Mal durch ,,abführet« wieder gegeben hat; denn so sprechen wir, wenu’s zum Richter und vomRichter geht, wenn überhaupt es zum Schlimmen geht»- -f) Es stehen zwei Städte oder Stätten einander gegenüber: aus der einen geht man aus, in die andere soll man eingehen. Die Stadt des Ausgangs ist die alte Welt, über welche das Gericht kommt; die Stadt des Eingangs ist das Him- melreich, die neue Reichs-ordnung, in die sich die Seelen hineinretten sollen. Nach dem Gerichte aber , welches der HErr vorhin dem Pharisäerthum geweissagt (V. l ff.) , scheint sich das alte Jerusalem selbst darzu- bieten zum Bilde der Stadt, von welcher ein Ausgang bevorsteht; aber der Ausgang ist ein zwiefachen Es ift ein enges Pförtchen da, die christliche Gerechtigkeit, ein schmaler Weg, die sieben Seligkeiten, und Wenige sind, Einladung zu Christi Reich und zum-Wandeln auf seinem ØFeggesspWarnung vor falschen-Propheten. 95 die darauf eingehen zum Leben; es ist aber auch eine breite Pforte da, die pharisäische Gesetzesauflösuug, eins breiter Weg, der Zug des äußeren Judaismus Und die meisten stürzen sich auf diesem Wege hinaus in das namenlose geschichtliche Verderben der jüdischen Nation. «" Alles das aber ist die konkrete (gleichsam leibhaftig und greisbar gewordene) Erscheinung des Gegensatzes über- haupt zwischen den Kindern des Lichts und den Kindern der Finsternis; und ihrer verschiedenen Richtung (P. Lange) Evangelium am 8. Sonntage kiach Crinitatigh Haben wir unsre Sünde und die Unmöglichkeit, durch eigne Gerechtigkeit selig zu werden, erkannt (Ev. am G. Sonnt. n. Tritt) und uns zu Christo hinweisen lassen (Ev. am 7. Sonnt.), so ist es nicht genug, nur HErri HErrl zu ihm z11 sagen: das Evangelium in Uebereinstimmung mit der Epistel lehrt uns , daß wir nun auch durch den Geist des Fleisches Geschäste tödten und heilige Frucht bringen müssen. An der Frucht er- kennt man den Baum, die guten Früchte sind des Glaubens Zeugnis; und Beweis; der HErr fordert sie besonders von seinen Dienern, aber auch von allen an- dern Christen. Es thut recht noth, daß wir darüber erleuchtet sind, wie unser Glaube ein lebendiger, fruchtbringender sein muß. (Dieffenbach.) II. Sehet [aber, wenn ihr nun wirkiich eingegangen seid durch die enge Pforte V. 13, um darnach auch den schmalen Weg zu finden V. 14 und beharrlicls darauf zu wandeln] ench vor vor den falschen Propheten kniitten in der Christenheih mögen sie nun dem Staude der verordneten Diener der Kirche und der angestellten Lehrer der Religion angehören, oder aus dem Volke selbst zu Führern für Andere in größeren oder kleineren Kreisen sich erheben. Und zwar meine ich unter falschen Propheten alle diejenigen Verkiindiger und Ausleger meines Worts] die in Schafskleidern zu ench kommen [im Allgemeinen schon in ein Gewand sich hiillend, als ob sie zu den Schafen zneines Stalles gehörten, also rechte Christen wären, im Befonderen aber noch die Natur der Schafe erheuchelnd, indem sie ganz sanft und mild austreten und sich für die edelsten Menschenfreunde und tvohlmeinendsten Seelsorger ausgeben, dicht selten sogar noch ausdrücklich einen rauhen Ptantel anziehend, wie zu ihrer Zeit die gewaltigsien Pro- pheten gethan haben, die das: ,,Gehet ans von ihr, mein Volk!« Offenb. is, 4 gleich mit ihrer äußeren Erscheinung zu predigen berufen waren Z. Kein. 1 , 8 Anm.]; inwendig aber [mit alle dem, was unter solchen Schafskleidern verborgen ist , mit dem , was sie eigentlich wollen, gleichviel ob ihnen selber bewußtoder nicht, und was sie auch wirklich erreichen] sind sie reißende Wölfe [die, nachdem sie unter trügerischem Schein in den Schafstall eingebrochen, darin rauben und morden und die von ihnen berückten Herzen zu Grunde richten Apostg 20, 29 ff.]. 16. An ihren Früchten ldie irgendwie dem Auge schon vorliegen, oder doch von einem ein- fältigen Auge, wie die Meinen es haben sollen Kap. 6, 22., sich leicht voraussehen lassen] sollt : ihr sie lfiir das, was sie ihrem wahren Wesen nach sind] erkennen fund ench nicht durch die trügerifche Aussenseite berücken lassen, daß ihr um deretwilien sie für rechte Propheten ansehen und ihnen zufallen wolltet. Es sind ja doch nur gute Früchte, um die es ench bei Annahme eines Pro- pheten zu thun sein kann, daß ihr von feinem Wort und Werk, von seiner Lehre und feinem Vorbild für eure Seele habt Nahrung und För- derung zum ewigen Leben, Trost und Erquickung fürs zeitliche Leben. Wenn denn darum es ench ernstlich zu thun ist, werdet ihr gar bald merken, ob ihr einem Lehrer und Führer in göttlichen Dingen euch anvertrauen dürfet oder nicht] Kann man auch lsüße und erquickende Wein-] Trauben lesen von den Dornen, oder klabende und nährende] Feigen von den Disteln? lNimmermehrl sondern was etwa der Stechdorn trägt, sind doch nur kleine schwarze Beeren , äußerlich denen der Weintraube ähnlich, aber von bitterem Geschmack und ungenießbar; und ob auch der zur Klasse der Disteln zählende Opuntien-Caetus ein der Feige ähnliches Gewächs hervorbringt, geht doch niemand zu ihm, sich wirkliche Feigen zu holen]. 17. Also [wie in Beziehung auf diese Frucht- arten, verhält es sich auch mit allen andern:] ein jeglicher guter Baum lder seiner ganzen Natur uach auf das Tragen edler, schmackhafter nnd heil- samer Früchte angelegt ist] bringet sauch solche, nämlich] gute Früchte; aber ein fauler Baum fder die gegentheilige Natur hat, daß seine Frucht nicht taugen soll zur Nahrung und Erquickung für den Menschen, vielleicht gar ihm schadet, wenn er sie dennoch genießt] bringet arge Früchte svor denen man, wenn sie schaden, sich in Acht nimmt, andernfalls aber achtlos vorübergeht Kap. 12, 33]. 18. fund diese Regel: wie der Baum, so die Fruchn gilt so sehr als unwandelbares Naturgesetz, daß menschliche Kunst und Pflege, wieviel sie auch sonst ausrichtet, doch hierin uichts zu ändern ver: mag.] Ein guter Baum [in dem bereits an- gegebenen Sinne] kann nicht arge Früchte » fvon der ebenfalls schon beschriebenen Beschaffenheit] bringen, und [uxngekehrt] ein fauler Baum kann nicht gute Früchte bringen. 19. Ein jeglicher Baum [von der letztereic Art nun] der lschon von Haus aus] nicht gute Früchte bringet ldesgleicheti ein solcher, der da abgestorben und unfruchtbar geworden ist Kap. 3, 10; Joh. 15, D. 6], wird abgehauen und ins Feuer geworfen sdaß er wenigstens mit seinem Holz nütze, da er mit seiner Frucht nichts nützet]. 20. Darum [weil das in V. 17 u. 18 er- wähnte Naturgesetz auch im Reiche der Geister seine Geltung hat, habe ich vorhin V. 16 in Beziehung 96 auf die falschen Propheten gesagt, und sage jetzt, nachdem ich in V. 19 auch das, diesen bevor- stehende schwere Gericht angedeutet habe, in das ihr doch gewiß nicht ebenfalls verwickelt werden wollt, mit desto siärkeretn Nachdruck noch ein1nal:] an ihren Fruchten sollt ihr sie erkennen fund werdet demgemäß auch im Stande sein, euch vor ihnen vorzusehen, daß sie mit ihren Schafs- kleiserii eiich nicht betrügen V. 15]. Bei dieser so ernsten und uachdriicklichen Warnung Christi vor den falscheii Propheten ist es von der höch- sten Wichtigkeit, daß wir das Merkmal, woran« wir sie erkennen sollen, richtig verstehen lernen, um darnach im praktischen Leben die Geister prüfen zn können, ob sie aus Gott sind , da ja zu allen Zeiten der Hkirche viele falsche Propheten ausgehen in die Welt (l. Joh. 4, l) , die es recht wohl wissen, daß sie nicht als das, was sie sind, als reißende Wölfe kommen dürfen, sonst würden die Schafe der Heerde Christi vor ihnen fliehen und die Hirten und Wächter der Heerde leichter fie ab- wehren können; aber eben weil sie in Schafskleidern kommen, werden sie oft mit Freuden« auf- und ange- nommen und können dann arge Verwüstungen anrichten. Nun muß es unzweifelhaft ein untrügliches Merkmal sein, das der HErr mit den Worten bezeichnet: ,,an ihren Früchten sollt ihr sie erkennen ,« wie er denn auf eine nähere Begründung der Untriiglichkeit dieses Merk- mals ausdrlicklich sich etnläßr Da · niöchten wir nun freilich auch wissen, was er unter ,,ih·ren Früchten« ge- meint, habe; denn das Wort ist so vieldeutig und viel- seitig , daß die Ausleger in ihren Ansichten gar sehr auseinandergehen und man schließlich , wenn man die verschiedenen Meinungen gehört hat, noch weniger sich Rath weiß als vorher. Jn der Regel hört oder liest man da die Deutung: »die Früchte der falschen Pro- pheten sind ihre bösen Werke, ihr schlechter Lebe1is- wandel, indem gewiß nach irgend einer Seite hin zum Vorscheiu kommen wird, daß, wer die lautere und reine Lehre des Wortes Gottes nicht hat, auch nicht heilig als ein Kind Gottes in dieser Welt lebt« Darin liegt nun zwar etwas Wahres, indessen würde ein nach dieser Regel angelegter Maßstab doch im höchsten Maße ein trügerifcher sein; denn nicht nur kann ein Jrrlehrer äußerlich sehr wohl einen ehrbaren, sittlich reinen nnd für Andere in mancher Hinsicht beschäinendeu Lebens- wandel führen, sondern auch unigekehrt hat schon man- cher eifrige Vertheidiger des rechten und wahren Glau- bens gewissen Lastern gefröhnt, oder ist wenigstens von den Widersachern seiner Lehre mit solchem Schein der Wahrheit verdächtigt und verläumdet worden, daß es gar übel stehen würde, wenn nun jedermann das Reiht hätte, mit feiner Person auch sein Bekenntniß zu ver- w.erfen. Es liegt solcher Deutung offenbar die Voraus- setzung zu Grunde, daß in dem Gleichniß V. 17 f. der ,,faule« Baum ein solcher sei, der durch Brand und z äulniß rnorsch und unfähig geworden, noch ferner gute rüchte zu bringen, wie er vordem sie gebracht; aber, so fragen wir billig , sind denn das die falschen Pro- pheten, vor denen Christus hier warnen ·will , die im Geist angefangen und dann im Fleisch geendigt haben? hat man nicht vielmehr für sie zu beten, daß ihr Glaube nicht aufhöre, statt ihren Glauben als Jrrlehre zu mei- den? Und wenn denn allerdings ein fauler Baum in diesem Sinne um des Aergernisses willen, das er an- richtet, mag abgehauen werden, so sind und bleiben doch die vielleicht anfangs gebracht und die nun Andere nach ihm zu bringen berufen werden, nur gute und heilsame; Früchte, die zu bringen er bestimmt war, die er, Evangelium Matthäi 7, 20--23. ,,arge« Früchte im eigentlichen Sinne des Worts kann überhaupt ein ,,faulichter« Baum nicht bringen, sondern blos geringe, verkümmern. Jst dagegen ein ,,fauler« Baum in seinem Bereiche das , was in ihrem Bereiche die ,,faulen Fische« in Kap. 13 , 48 sind lnänilich nicht etwa abgestorbene und in Fäulniß übergehende Fische, sondern alles unreine Seegethier, das man nicht brau- chen kann) - so stehet ein solcher· auf gleicher Stufe mit dem Dorn- und Distelstraiich in V. l6, ja dieser ist selber schon aus der Klasse der faulen Bäume oder derer, die ihrer ganzen Natur und Anlage nach keine edeln, geuießbaren Früchte zu bringen vermögen, ge- nornmein Falsche Propheten nun stehen um der falschen Lehre willen, die sie aufbringen und verbreiten, mit dem unedlen , wilden , von Haus aus dem Wegwerfen und dem Untergang geweihten Gezücht in der Thier- und Pflanzenwelt auf gleicher Stufe; ihre, aus dem unlau- teren und widerchristlich gesinnten Herzensgrunde ent- sprungene Lehre ist, wie eben gesagt, das, was ihnen solche Gezüchts-Natur verleiht, aber sie ist nicht, wie andere Ausleger annehmen , einerlei mit den Früchten, die sie tragen. Diese Früchte sind vielmehr die Wir- kungen, diesie bei denen hervorbringen , welche ihre Lehre annehmen; und haben wir nun schon in der Er- klärung darauf hingewiesen , wie es für einen Christen, der ein aufrichtiges Herz, ein einfältiges Auge und einen nur einigermaßen geübten Sinn hat, keineswegs schwer ist zu entdecken, was die praktischen Resultate, die von selbst sich ergebenden Folgen gewisser Lehren sind, auch noch ehe sie offen an den Tag treten. Jeder Lehrer und seine Lehre, sagt Menken ganz richtig, steht wissentlich oder unwisseutlich unter dem mächtigeren oder schwächei ren, guten oder bösen Einfluß des llnsichtbarenz er und seine Lehre hängt entfernter oder näher , in größerer oder geringerer Bedeutung mit der unsichtbaren Welt des Lichts und des Lebens oder niit der der Finsternis? und des Verderbens zusammen. Je inniger nun eine Lehre mit der unsichtbaren Welt znsammenhärigh je un· mittelbarer von dorther sie ist, je tiefer ihre Wurzel und Quelle dort liegt, je reicher der Einfluß aus dem Unsichtbaren, unter welchem sie in die Welt gebracht ist und in der Welt erhalten und verbreitet wird, desto be- deutender, wirksamer, mächtiger, unwiderstehlicher ist fie, im Guten oder im Bösen, Wahrheit zu fördern oder Lüge: sonst hätte es mit aller Lehre und mit allen Lehreru für oder wider die Wahrheit nicht viel zu sa en; und darum steht auch oft für ,,Lehrer« das tiefere ort ,,Prophet« und für »Lehre« das andere: ,,Weisfagung,« nnd darum ist Furcht vor Täuschung und Erniahnung zur Vorsichtigkeit und Prüfung so nothwendig und nützs lich. Gleichwie nun, so sagen wir selber jetzt weiter, die aufrichiigen und einfältigen Herzen so geschwiud Christum fiårs einen Lehrer von Gott gekommen erkannten, weil sie die gute Frucht seiner Lehre an ihrem Herzen spürten (V. 28 f.: Joh. Z, Z; 6 , 68 s.), also merken und verstehen es solche Herzen gar bald, wohin die mit dem Reiche der Finsterniß zusammenhängenden Jrrlehs ren der falschen Propheten führen müssen; sie suchen Trauben, Feigen und gesunde Vaumfrüchte, und wessen Herzensbedtirfniß wirklich nach solcher Nahrung steht, der hat auch sozusagen einen natürlichen Instinkt, nicht zu einem Dorn- oder Distelstrauch oder zu einem faulen Baum mit seinem Gesuch sich zu verlaufen, er weiß im Voraus , daß er da nur gestochen und verwundet und bitter getäuscht würde, und braucht nicht erst durch die Erfahrung gewitzigt zu werden. Wenn Luther die Früchte ebenfalls theils von den Werken , theils von der Lehre versteht, so kommt er doch rücksichtlich des Sinnes, in dem er das versteht, denjenigen Gedanken, die wir hier· ausgesprochen haben, sehr nahe. » Zu der von außen kommendeu Verführung gesellt sich die Verderbniß des eignen Herzens. 97 21. [Wie aber vor den salschen Propheten, so follt ihr mit noch mehr Fleiß euch vorsehen vor dem eigenen falschen Herzen, daß auch das um die Seligkeit euch nicht betriigez denn als der, der da verordnet ist von Gott ein Richter der Lebendigen und der Todten Apostg 10 , 42., bezeuge ich:] Es werden [dereinst, wenn nun alle vor meinem Richtstuhl dargestellt werden Röm. 14, 10] nicht alle , die [hier, im Reiche der Gnaden] zu mir sagen: HErr, HGrrl sund also für ihren Herrn und Meister, für ihren Mittler und Ver- söhnety für ihren Machthaber und Gebieter I. Cor. 1 , 10 mit den Lippen mich bekennen , sollte es auch mit einem gewissen Eifer, in scheinbarer Begeisterung und mit noch so entschiedenem Nach- druck geschehen] in das Himmelreich sdas droben ist Kot» s, 11] kommen, sondern sallein die von meinen Bekennern Philipp. L, 11] die [in dem Bekenntniß der Lippen einen ungefärbten Glau- ben 1. Tim. I, 5; 2. T. l, 5 damit an den Tag legen, daß fie meinem Wort und Vorbild ge- mäß] den Willen thun meines Vaters im Himmel [Joh. 15, 8; New. 10, 10; Jak. 1, 22. 25]. Wir sehen es alle Tage, daß zwar vor falschen Propheten gewarnt wird , daß aber die Warnung den- noch bei sehr Vielen vergeblich ist; der Haufen, welcher den falschen Propheten anhängt, ist oftmals größer als der Haufen der wahren Jtinger Christi, und so viele Gerichte Gott auch über die falschen Propheten kommen läßt und so manchen faulen Baum er abhaut und in « das Feuer« wirft, es stehen immer neue Ltigenpropheten aus und die Welt hän t ihnen an. Woran liegt das? Man sagt wohl: die elt will betrogen sein; und das Wort ist wahr, denn es steht geschrieben (Ps. 4 , 3): Wie habt ihr das Eitele so lieb und die Lügen so gerne! Der Mensg hat von Natur mehr Neigung zur Lüge als zur «ahrheit; darum sagt auch Micha (2, 11): Wenn ich ein Jrrgeist wäre und ein Lügenpredigey und p»redigte,·wie ste sausen und schwelgen sollten, das wäre ein Predzger für dies Volk! und das Volk spricht zu den Prop eten (Jes. 30, 10 f.): Prediget uns sanft, schauet uns Täuscherei te. So ist die Welt zu allen Zeiten gewesen, und so ist sie noch. Deshalb habe ein jeder Acht auf sich selbst, und wer sich vorsehen will vor den falschen Propheten, der sehe sich zuerst vor vor sich selbst: die Natur des falschen Propheten ist uns allen ungeboren, und wenn wir auch keine falschen Propheten werden, so »sind wir doch von seinem Gebltit und von seinem Gebein. Dies recht zu erkennen, das ist der nothwendige Anfang der Vorsicht; wer aber zu dieser Erkenntnis; noch nicht gekommen ist, bei dem wird alle Warnung vergebens sein, er wird ganz wohlgemuth rühmen, daß essmit ihm keine Noth haben soll, wäh- rend der Wolf feine Zähne schon in sein Fleisch geschlagen hat» (Miinkel.) »Nicht alle, die HErr, HErr sagen zu Christo, werden iiss Himmelreich kommen« Geberdet man sich doch mit diesem Wort weit und breit nicht anders, als wenn Jesus gesagt hätte: sNennt mich oder nennt mich nicht, nennt mich, wie ihr wollt, aber durch- aus nicht· HErr, HErrl sonst kommt ihr nicht in’s Himmklreiiix denn das« HErrsHErwSagen verschließt euch die Thtirz dagegen, wer nach Vernunft und Ge- wissen handelt, dem steht die Himmelsthür offen. Jsks D Siehst! W Bibtltvctb nicht an dem, daß man sich also vernehmen läßt? und, wenn ein Vernunstgläubiger sonst den Mund nicht auf- zuthun weiß, daß er beredt wird nach seiner Art, wenn er diejenigen schilt, welche HErr, HErri sagen? Bleiben wir doch dabei und sagen: Christus hat’s zur Bedin- gung unsrer Seligkeit gemacht, daß wir’s sagen; denn die Ausnahme, die er macht, spricht die Regel aus. Werden nicht alle selig, die ihn ihren HErrn nennen, so ist doch wenigstens das HErr-HErr-Sagen kein Hin- derniß der Seligkeit, so werden doch einige, die es thun, selig. Gebricht nun aber dem Worte in dieser Fassung etwas an Schärfe, wir wetzen es an andern Worten (Joh. M, S; 8, 24; 5, 23; Matth. 10, 32; Mark. 16, 16), ziehen es nur einmal hin und her über Röm 10, 9 f. —— was bedarf es mehr, um unserm Spruch die volle Schärse zu geben? Also: die Regel ist das, diejenigen werden selik welche HErr, HErrl sagen. Freilich das Wort ,,H rr-HErr« soll es nicht fein, wenn das nur ausgefprochen wird; das ist auf den Lippen nichts weiter, als wenn ein deutsch Redender die Wörter Kyrie (griechisch, s. v. a. HErr), Adonai (hebräisch, s. v. a. HErr) spräche. Christus hat solchen Mißverstand vorhergesehen und Fürsorge getroffen, er hat den falschen, heuchlerischeit Bekenner vorhergesehen und diesen zum Ausschuß gestellt, zur Ausnahme gemacht: nein! die werden nicht selig, ob sie gleichTgErr, HErr sagen, weil sie nur Sagende und nicht uende stnd, weil sie nicht den Willen meines himmlischen Vaters thun. (Cl. Harms.) Nicht anders redet der HErr auch sonst, wo er die entscheidende Grenze der Seinen zieht, z. B. Kap. 12, 50; und fein Geist in den Aposteln des- gleichen verheißt das ewige Bestehen und Bleibet» das endliche Ererben des verheißenen Reichs nur diesem Thunz 1. Joh. 2, 17; Hebrn 10, 36. (Stier.) 22. sllnd bei diesem Thun des Willens Gottes hinwiederum giebt es ebenfalls einen äu- ßeren, triigerifchen Schein, wenn man nicht sowohl auf die Triebfedern bei seinen Werken, auf den Geist und die Kraft, darin siegescheheiy siehet, als vielmehr aus Glanz und Größe, »auf Wirkung und Erfolg] Es werden [daher] Viele [die hienieden den Schein für das Wesen genommen und Andere geblendet, wie auch sich selbst von dem eitlen, selbstgefälligen Herzen haben blenden lassen] zu mir sagen an enem Tage kdes allgemeinen Weltgerichts Aposig 17 , St; Röm.f2, 5. 16; l. Cor.1, 8;3,13;2. Tim.1, 12; 4, 8]: HErh HGrr [u"ns zumeist und vor allen wirst du doch für die D·einen»V. 23 erkennen? denn-J haben wir nicht m deinem Namen geweissagt [4. Mos 22 —- 24z 1. Sam. 19, 23]? haben wir nicht in deinem Namen Teufel ausge- trieben [Mark. 9 ,· 3812 haben wir nicht in deinem Namen viel [Wuiider-] Thaten gethan [Kap. 24, 24; L. Thessz 2,«9]? 23. Dann werde ich ihnen svor ihren Zeit: genossen, von welchen vielleicht manche auf Erden sich haben täuschen lassen, daß sie dieselbigen für meine größten und ausgezeichnetsten Diener ange- sehen haben] bekennen: Ich habe euch noch nie lfchvn damals nicht, als ihr in meinem Na- men weissagtet u. s. w.] erkannt lfür die Mei- nen], weichet alle von mir sdaß ihr dasselbe R. T. I. 7 98 Evangelium Matthäi 7, Jst-W. Loos mit den Verfluchten Kap. 25, 41 empfanget], ihr svermeintlichen Großthäter, die ihr aber eurem verborgenen Herzensgrunde nach doch nichts ge- wesen seid alsJ Uebelthatet U« START« 14- 46 Anm.]. Sowie in V. 21 vor der Täuschung Anderer, so warnt Christus in V. 22 f. vor der Selbsttänschung Es ist Selbstbespiegelung, in ein Gespräch mit Jesu, in eine Anrede an ihn eingekleidett trügerische Erwartung der Seligkeit bei solchen, welche predigten , « ohne doch danach zu leben, die Gewaltiges thaten, ohne doch selbst durch die Buße hindurchgegangen zu sein! Die ausge- zeichnetsten Talente sind oft mit einem bösen Herzen verbunden, die glänzendsten Thaten sind oft von zwei- deutigem Werth; man kann begeisterter Redner, Ve- kämpfer des Unrechts , des Bösen, oder kühner Unter- nehmer hoher Dinge sein, aber alles aus Ehrgeiz und Selbstsucht, und man täuscht sich hierüber noch selbst, der Mensch hat dazu einen Hang und jede Sünde macht ihn falscher gegen sich selbst. (Henbner.) Die Sprechen- den berufen sich nicht ohne Ruhtnredigkeit aus Kraft- äußerungen, welche sie in Christi Namen gethan, und zwar sind diejenigen Kraftäußerungen erwähnt, in wel- chen sich in der ersten Kirche vorzugsweise die Geistes- Wirkung bethätigte — ähnlich wie hier finden sich neben einander die Weissagung, die Gabe gesund zu machen (wovou die Teufelaustreibung oder die Heilung der Besessenen nur eine besondere Art ist) und das Wunder- thun in 1. Cor. 12 , 9 f. Da nun hier solche Kraft- Wirkungen, die sonst nur auf den Geist Gottes zurück- geführt werden, denen zugeschriebeii sind, welche Christo nur äußerlich angehören, so ergiebt sich die rage, wie diese Kraftäußerungen anzusehen seien. An loße Täu- schungen kann darum nicht gedacht werden, weil Christus dieses Wunderthun in seinem Namen im Verhältniß zu dem HErr-HErr-Sagen als einen gesteigerten Grad des Bekenntnisses zu ihm einführt; wohl aber wurden in der Zeit der jugendlichenBegeisterung der ersten Ge- ineinde auch unlautere Glieder, wie das Zungenreden in l. Eor. 12—14 und jenes in l, Thess 5, 20 f. erwähnte unlautere Weissagen zeigt, von jener Glaubenszuversichh durch welche die Wunderthätigkeit bedingt war, nämlich von der zweifellosen Gewißheit, daß Gott ein Wunder thun könne und im vorliegenden Falle auch thun werde, ergriffen. Aehnliches bietet die Geschichte der Cevennens kriege dar. (Tholuck.) JmAnfange des neuen Testa- ments hat Gott nicht allein den Gerechten, sondern auch den Mundgläubigen die Kraft, im Namen Jesu Wunder zu thun, aus weisen Absichten mitgetheilt. (Starke.) Prophet konnte man zwar nur durch den Glauben sein (Röm.12, 7); aber dieser konnte mehr in den Verstand und die Phantasie, als in das Herz eingegangen und damit ein ungöttliches Leben verbunden sein. (de Wette.) Ach, der salsche Prophct in uns kann schrecklich falsch weissageu , »daß wir meinen , den rechten Glauben zu haben, Und wir glauben nicht an den HErrn, sondern an uns selbst; er kann die Teufel austreiben, daß wir uns einbilden bekehrt zu sein , und wir haben nur eine Sünde gegen die andere vertauscht; er kann große Thaten thun, und es sind nur Thaten der Eigenliebe und Selbstgerechtigkeit. Ehe wir nicht erkannt haben, daß wir von Natur Dornen und Disteln sind und erst in Christo zu Feigenbäumen uud Wei11reben werden können, ehe der HErr nicht die Wüste unsers Herzens in einen Lusegarten umgewandelt hat, kann von wahrem, lebendigem hristenthum bei uns nicht die Rede sein; es ist völlig vergebene Mühe, Gutes thun zu wollen, ehe man gut geworden ist, und fromm leben zu wollen, ehe man zum Leben ans Gott wiedergeboren ist. (Arndt.) Vor Gott kommt es nicht sowohl auf das Gepräge an, das die Münze außen trägt, sondern vor allem auf das Metall, aus dem sie geprägt ist; darum muß jeder, welcher sich chriftlicher Handlungen rühmen will, die Frage sich verlegen: woher sind sie gekommen? Hat sein Glaube, sein Dank für Gottes Wohlthaten ihn dazu getrieben, dann ist’s gut; hat sie aber der Glaube nicht geboren, hat er dabei nicht an Gott, nicht an den Erlöser gedacht, so haben diese Werke keinen Werth, sie haben ihren Lohn dahin, wie die Werke der Pharisäer, die äußerlich gut waren, aber aus einem Herzen kamen, das der Geist des HErrn nicht wiedergeboren hatte. (Caspari.) Offenbarung , Geistesgaben, Trost und Süßigkeiten haben, Ehre , Welt und Geld verachten, vieles wissen und betrachten , Fasten , Lesen , Singen, Beten und mit Engelzungen reden, alles dieses acht’ ich tiicht, wo man nicht den Willen bricht. — Wie werde ich mit meiner Hoffnung auf die ewige Seli keit nicht zu Schanden? Antwort: 1) Dring’ auf re te Lehre: 15 ff. , 2) ring’ nach rechtem Glauben: V. 21; Z) bring die reehten Früchte: V. 22 f. (Anders.) Der Unglau e in seiner dreifachen Gestalt: l) Als offen- bare Leugnung der Wahrheit offenbart er sich durch Früchte des Verderben-s; 2) als todter Lip- penglaube läßt er die wahren Frtichte vermissen; Z) als salsche Selbstgerechtigkeit täuscht er sich selbst durch salsche Früchta (Müllensiefen.) . 24. Darum [weil es also sich verhält, daß in das Himmelreich nur diejenigen kommen , welche nicht blos mit dem Munde sich zu mir bekannt, sondern die Aufrichtigkeit solchen Bekenntnisses auch mit einem, demselben entsprechenden Lebenswandel bekundet haben V. 21., äußerlich glänzende Thatem in meinem Namen vollbracht, aber auch noch kein sicheres Zeugniß dafür sind, daß einer wirklich den Willen meines Vaters im Himmel gethan, sondern nur solche Werke, die aus gläubigem Gehorsam gegen mein Wort hervorgegangen sind V. 22 f.], wer szuerst innerlich in seines Herzens tiefstem Grunde mir gehorsam wird, indem er] diese meine Rede [wie ich sie jetzt in Einem großen, vollstän- digen Zusammenhange über das Wesen des Reiches Gottes, über die Gerechtigkeih die darin gefordert wird , und über die Beschafsenheit derer, die ihm zugehören , gethan habe] höret uud ldarnach auch in seinem ganzen äußeren Leben und Wandel mei- nen Worten gehorsam wird und] thut sie [mit Gedanken, Worten und Werken] den vergleiche ich srücksichtlich der großen Entscheidung, die an jenem Tage über jeden Einzelnen ergeht] einem klugen Manne, der sein Haus sim eigentlichen Sinne des Worts —— bei der Ausdeutung des Gleichnisses aber ist an die Hoffnung auf die ewige Seligkeit zu denken] auf einen Felsen [als allein haltbaren und unerschütterlichen Grund] bauen. 25. Da nun [wie das bei einem plötzlich und mit ganzer Heftigkeit hervorbrechenden Ungewitter im Morgenlande nicht selten geschiehet] eiu Pius;- regen sie! sder das flache Dach ganz mit Wasser übergoßL Und ein Gewcifser sdas der anschwellen- den Straßen und Wege] kam ldas den Grund zu unterwühlen drohete], uud lveheleu die Winde smit Die Thorhett derer, die sich selbst betrügen, und die Klugheit der Gerechten. Schluß der Bergpredign 99 Sturmesgewalq und stießen an das Haus [auf die vier, das Ganze zusammenhaltende Ecken Hiob 1, 19]; fiel es doch nicht strotz des von oben, von unten und von den Seiten wider dasselbe gerich- teten Anlaufs], denn es lvar [anders als die mei- sten, nur leichthin gebauten Häuser des Morgen- landes] anf einen Fels gegründet fund solcher Fel- sengrund niachte es seiner eigenen unerschütterlichen Festigkeit theilhaftig Kap. 16, 18]. 26. Und [dagegen:] wer diese meine Rede [zwar] höret und sdoch weder innerlich mit dem Herzen sie aufnimmt als einen fruchtbaren Samen zur Wiedergeburt 1. Petri 1, 23., noch äußerlich bei allem, was er thut und vornimmt, sich davon bestimmen läßt, so daß es von ihm heißen muß: er] thut sie nicht [ob er gleich den Schein eines gottseligen Wesens in Worten oder Werken an- nimmt 2. Tim. 3, 5], der ist lweil seine Hoff: nung, wie die aller Heuchler und Gottlosen, wird verloren sein Hiob 8, 13 fs.; Spriichw. 10, 281 einem thörichten Mann gleich, der sein Haus aus den [losen, zum Tragen eines Gebäudes Unfähigen] Sand banete. 27. Da nun [wie ja der Tag des Gerichts wirklich als ein gewaltiges Unwetter hereinbrechen wird Jvsl 2, l ff.] ein Platzregen fiel, und tam ein Gewassen und weheten die Winde nnd stießen an das Haus; da flel es [weil auf Sand geharret] nnd that einen großen Fall kindem alles auf ein- mal zusammeubrach und unter seinen Trümmern begrub, was. bis dahin so sicher und wohlgemuth unter dem Dache gewohnt hatte und hinter den vier Wänden verborgen gehalten worden war]. Nur derjenige ,. in welchem der Glaube auch Wille und That wird, hat das Gebäude seines Heils auf festen Grund errichtet; bloße Verstandeserkenntniß und bloßes Gefühl ist ein Spiel der Versuchung. (v. Gerlach.) Das rechte Hören ist da, wo man alles auf fich anwendet und das gehörte Wort des HErrn zur Richtfchnur sei- nes Handelns erwählt. Dem steht gegenüber die unse- lige Thorheit derer, die ihr Heil auf’s bloße Wissen von Christo, auf eine flitchtige Rührung oder aber auf ihre ei enen Werke, in die sie verliebt find, zu bauen meinen, Christi Worte also im Grunde nur leichtsinnig hören, ja sie überhören. (Heubner.) An jenem Tage, welcher, wie es in l. Cor. Z, 13 heißt, klar machen wird, ob jemand auf den Grund Gold und Silber oder Heu und Stoppeln erbaut, da wird auch offenbar werden, auf welchem Grunde jeder gebauet hat, und ob als ein kluger oder thörichter Baumeisteu Während das alte Testament die Weisheit (eine Eigenschaft, welche das rechte Ziel, den höchsten Zweck, nicht aus den Augen verliert) als eine vorzügliche Tugend an dem Religiösen hervorhebt, ist es den Reden Christi eigen- thümliih (vgl. Kalt. 10, Its; 24, 45; 25, Z; Luk. 12, 42; 16, 8), daß sie auch auf die Klugheit einen be- fonderen Nachdruck legen; im Unterschied von der Weis- heit ist die Klugheit diejenige Eigenschaft, welche die rechten Mittel wählt, daher sie auch bei dem Bösen sein kann, welcher der Weisheit entbehrt. (Tholuck.) Das, was der HErr vom Wind und Wetter des letzten Gerichtstags sagt, auf dieses gegenwärtige Leben bezogen, hat man das Einzelne auch genauer gedeutet: von den Leiden und Trübsalen, die Gott vom Himmel schickt als Platzregen; vom Strome des Zeitgeistes, der Verführung oder Verfolgung, welcher grundrüttelnd herandrängy von den dazu kommenden Stürmen oder eigentlichen Gerichten Gottes, da er drein bläset mit seinem Odem, zu entscheiden und zu offenbaren, was nur Fleisch ist. Wir lassen das gern der sinnigen Anwendung, die jedes heilige Wort verträgt, möchten jedoch um der Allgemein- heit willen, welche der Grundton dieses ganzen Rede- schlusses bleibt, solche besondere Rücksichten weniger text- gemciß finden. (Stier.) II. n. 28 a. ge. nachdem Jesus« di: vei St. niaikyäui vorliegende Rede zunäkljlt in dem geskhlossenen Kreise der Jniiilse auf dem Berge selber gehalten (Kan.5,12lnni.), Iiieg er auf das slakhfeld vor den: Berge hernieder und wiederholte den wesentlichen Inhalt derselben in der- jenigen Fassung., die in Eule. s, 20 ff. uns mitgetheilt wird. Wir erfahren nun hier, welchen Eindruck er da— mit auf die Herzen seiner dahinter, wie vorhin ans die der Sliingey so auch jetzt auf die des Volkes, hervor- brachte. 28. Und es begab sich , da Jesus diese Rede vollendet hatte, entsetzte sich das Volk über seiner Lehre [ward tief davon erschüttert und im Ge- wissen bewegt, weil ihm so noch nie der Wille Gottes, die Heiligkeit und der Umfang seiner Ge- bote vorgehalten, weil ihm so noch nie seine Schuld und Unwürdigkeit und der Ernst des göttlichen Ge- richts zum Bewußtsein gebracht worden war]. . Denn er predigte gewaltig kais einer, dem der göttliche Beruf zum Lehren und zugleich die volle Macht der Rede zur Seite stand, so daß sich niemand des Eindrucks seiner Worte erwehren konnte], nnd nicht wie die Schriftgelehrten [denen das Siegel göttlicher Sendung und innerer Lebens- macht fehlte, weil sie nichts als eitle Klugheitslehren, verdrehte göttliche Gebote und allerlei Spitzsindigk keiten vortrngens Wir Prediger haben auch zu wählen, ob wir wollen predi en wie die Schriftgelehrten , Welt- und Schuli weis eit, ohne Kraft und Saft, oder, wie der Hist-r, gewaltig. Wer gewaltig predigen will, bei dem müssen sich die vier Stücke finden: er muß predigen im Be- wußtsein des Auftrags von Gott und im Gefühl der Gemeinschaft mit ihm; er muß predigen aus ei ener Glaubens-kraft , weil ihm das Christenthum eben geworden ist; er muß predigen mit dem Bewußt- sein auch das zu sein was er predigt, und muß predigen mit Angst um das Seelenheil seiner Brüder. Wer nicht so predigen kann, dem gelten die Worte, die Phocion zu dem sophistischen Redner Leosthenes (Plut. Phoa 0p. 23) sagte: Deine Reden gleichen den Cypressery . die sind groß und hoch, sie bringen aber keine Früchte. (Heubner.) Das 8. Kapitel. Christi Mandel-merke diesseit und jenseit des Meers. III. d. 1-—13. (§. 41.) Als Jesus von dem sage, auf welchem er feine Rede gehalten, wieder herabge- 70 100 Evangelium Matthäi 8, 1--·7. stiegen nnd unter dem Geleit vielen volhes in die dliihe einer Stadt, an der sein Mtcleweg narh scapernanm ihn Unrat-erfährt, gelangt ist, läuft ein Jinssätziger ihm ent- gegen, stillt vor ihm nitder und bittet um Heilung. Sie wird alsbald mit dem Bedenken ihm zu Theil, die Ge- schichte nicht erst ruchbar zu machen, sondern die geseh- lichen Vorschriften fiir die vom Aussatz Geheilten zu er- füllen; der Mann in feinem zkreudenjubel achtet aber, wie wir von den andern beiden Gvaugelisien erfahren, des Verbots nicht, sondern breitet die Kunde von dem, was an ihm geschehen, überall aus; daher Jesus sith zuvor in eine Eiaöde begiebt, ehe er seinen weg nach linoernaiim weiter fortseht Als er nach einiger Zeit bei dieser seiner Stadt ankommt, sendet ein Hauptmann, der, wenn aueh ein gottesfürchtiger Judeugenossm dorh noch außer der Bürgerschaft Slsraels stand, Botschaft zu ihm und läßt; um hilf: fiir seinen todtleranleen Knecht bitten. Der hellre gewährt die Bitte und begiebt sich sofort nach dem hause des Hauptmann-i; dieser aber, bei der dlachricht non der Ankunft Iesu der thoheit desselben gegenüber die eigene Niedrigkeit desto tiefer fühlend, verzichtet auf sein persönliches Erscheinen nnd bittet nur um ein wart aus seinem Munde. (Vgl. Mark. 1, 40——45; Eule. 5, 12-—16; 7, 1—10.) Evangelium am Z. Sonntage nach Epiphania.) Christi erstes Wort (als zwölfjähriger Knabe im Tempel Luk. 2, 49) hat über seine Stellung zu Gott, Christi erstes Wunderwerk (auf der Hochzeit zu Cana «"oh. 2, 1l) über sein Verhältnis; zum alten Test. Zlufschluß gegeben: nun entfaltet sich die Oecono- mie (Haushaltung), des neuen Testaments, das Ver- htiltniß des großen Propheten zur Menschheit wird klar gestellt. »Der Beruf dieses Propheten aber, der Gottes Sohn ist, besteht darin , daß er durch die Macht seines Wortes Leben schafft, wo der Tod waltet; (Nebe.) Zwei Männer sind hier neben einander gestellt, der Aus-fähige und der Hauptmann, jener ein Jude, dieser ein Heide. Beider erbarmt sich Jesus, damit offenbar werde, daß er nicht blos der Juden, sondern auch der Heiden Heiland sei, welcher Juden und Heiden zu sei- nem Reiche beruft. Wenn nun beide vor ihm gleich sind , so sind doch die Wege beider vor ihm anz ver- schiedeu Jn den Tagen seines Fleisches hat rch Jesus der Regel nach zu den Juden gehalten und nur aus- nahmsweise zu den Heiden; nach seiner Erhöhung hat er Juden— und Heiden ohne Unterschied berufen , aber bald wurde es Regel, daß nur Heiden in das Reich Gottes eingingen und die Juden zu den Ausnahmen ge- hörten. Den Grund davon erfahren wir in unserm Eoangelio, welches zeigt, daß Gottes Liebe immer die- selbe ist, daß »aber die Menschen sich nicht immer finden lassen, wie sie sollten. (Mtinkel.) 1. Da er aber [nach Beendigung seiner Rede an die Jüuger sowohl wie an das Volk Kap. 7, 28 f.] vom« Berge [Kap. 5, 1 Anna] herabging, folgte ihm viel Volks sooll Be: gierde, ihn noch weiter reden zu hören und han- deln zu sehen] nach. Er fährt zuerst bergan in die Höhe zu Gott, dahin müssen wir ihm folgen mit den Glaubensfüßem dann fährt er herab zu dem Nächstem dahin müssen wir ihm folgen mit den Füßen der Liebe, namentlich zu den Elendenund Armen. (H. 2Jililler.) Nicht blos auf der Höhe des Sonntags und der Kirche, nein, auch in den Werktagen und ihren Geschäften will Jesus sich suchen und finden lassen. (G. Lang) L. Und siehe sals er bis in die Nähe einer Stadt, an der zunächst der Rückweg nach Kaper- naum ihn vorbeiführte, gelangt war Lnk. 5, 12., fand sich alsbald auch Gelegenheit für ihn, wie vorhin mächtig von Worten, so nunmehr von Thaten Luk.24,19 sich zu beweisen] ein Aus- siitzigers [nämlich, der draußen vor der Stadt sich aufhalten mußte Z. Mos. 13, 46., der Rede Christi ans der Ferne zugehört und dadurch einen tiefen Eindruck von seiner Herrlichkeit und Gottes- kraft empfangen hatte] kam sin der Zuversicht sei- nes Glaubens über die Schranken des Gesetzes Z. M. 13, 45 sich hinwegsetzend, dicht zu ihm heran — anders die 10 Aussätzigen in Luks’7, 12 ff.] und betete ihn an« finden: er auf sein Augesicht vor ihm niederfiel] und sprach: HErty so du willst, kannst du mich wohl reinigen [daß du das Vermögen zu diesem Wunderwerke hast- steht mir über allen Zweifel fest, ob du aber auch an mir es willst thun, weiß ich nicht, weil ich nicht ermessen kann, ob es mir gut nnd heil- sam sei]. 3. Und Jesus [in barmherziger Liebe auch seinerseits die Schranken des Gesetzes, das da ver- bot, einen Aussätzigen zu berühren Z. Rief. 13, 46., überfteigend vgl. List. 7, 141 streckte seine Hand aus, ruhrete ihn ans« und sprach: Ich will? thun-s swas dn von mir bittestjz sei ge- reiniget svon der Krankheit, die dich unrein ge- macht hat, geheim. Und alsbald ward er von seinem Aussatz rein [der Aussatz ging alsobald von ihm und er ward rein Mark. l, 42z 2.Kön. 5, 14]. H— «) Die Jsraeliteu waren in ihrem, seiner Lage nach der Gesundheit zuträglichen Heimathland Pglästina kei- nen endemischen (eiuheimischen) Krankheiten, wenig- ftens nicht in dem Umfang und in der Schädlichkeit wie Egyptety unterworfen. Epidemieen (seuchenarti e Krank- heiten) als außerordentliche göttliche Strafgerigste schei- nen nie lange angehalten zu haben. Auch während ihres Aresenthalts in Eghpteu waren sie in dem, außerhalb des Bereichs der Nilttberschwemmung gelegenen Gosen vor den ,,Seuchen Egyptens« mehr oder weniger« ge- sichert. Selbst der Aussatz kann nicht endemisch in Pa- lästina oder unter Israel genannt werden; sein Vor- kommen in Paläftina und Syrien scheint nach der Ge- schichte einen sporadischen (nur hin und wieder vor- kommenden) uud uiilderen Character zu haben. (Leyrer.) Man hat den Auss a als Bild der Sünde betrachteh wovon vielleicht schon m Pf. 51, 9 vål Z. Mos 14, 6 f. eine Spur. Wie jener seinen tiefen itz in den inneren Theilen des Körpers hat, alles durchdringt, verdirbt, oft den Tod bringt, forterbt, von der menschlichen Gesellschaft ausschloß, von Christo aber geheilt wurde: so ist die Sünde im Inneren des Menschen (Ps. 51, 7; iob 14, 4;; seh. Z, 6) und verdirbt Geist und Herz, t eilt sich mit, schließt ans der Gemeinschaft des Himmels aus, bringt den ewigen Tod (Rd"m. 5, 12; l. Cur. IS, 21 f.) und kann nur durch Christum und sein. Blut (1.Joh. 1, 7; Gphes I, 17) geheilt werden. (Btichner.) Der Aussatz ·ist das leibliche Abbild nicht blos der· Sünde, sondern vielmehr des Todes. (Keil.) Zwei neue Wunderwerke Christi: 1) Heilung eines Aussätzigeii durch Berühren mit der Hand. VI) »Die Demuth und Inbrunst des Gebets zeigt sich auch in der iiußerlichen Geberde des Niederknieensz hast du noch nicht knieen gelernt, so kannst du auch noch nicht recht beten« (Dan. 6, 10; Jes. 45, 23; Phil. L, 10). — Glauben soll man ohne Zweifel und ohne Maß der göttlichen Güte; aber bitten sollen wir mit der Bedingung, daß es seine Ehre, sein Reich und Wille sei. (Luther.) Hilfe hat Gott uns verheißen auch in aller zeitlichen Noth; ob diese aber darin besteht, daß er die Noth wegnimmt, oder daß er unsre Seele ftill zum Tragen macht, das Rzu entscheiden will er freie Hand haben. (Lang.) —- IV) Jesus durfte dem Scheine , als ob er an dem Aussiitzigeii sich veruiireinige, sich unterzie- hen; denn so schien er ja im Großen an dem sündigen Menschengeschlecht durch die innigfte Berührung mit demselben sich zu bekam-einigen, bis es ihm den Tod brachte, währender inder That durch diese Gemein- schaft die Menschheit heiligte (P. Lange.) flJener Vater, der für seinen elenden Sohn Jesum um Hilfe bat (Mark. IF, 22 ff.), sagtezu ihm: ,,Kann·st du was, so erbarme dich unser und hilf uns! Und wie die Bitten der Menschen , so sind die Antworten des HErrm in seinen Antworten ist ein Widerhall der Bit- ten. Diesem Aussätzi en, der an sein Können gar keinen Zweifel hat und so escheiden bittet: So du willst —- antwortet er mit dem Worte: Jch will; jenem Vater dagegen, der seines Könnens nicht ganz gewiß war und zu ihm sagte: Kannst du was — antwortet er: Wenn du könntest glauben; alle Dinge sind mög- lich dem, der da glaubet! und erst, nachdem durch dieses Wort der Glaube in der Seele des bektlnimerteii Man- nes belebt und befestigt ist , daß er nun mit Thränen schreien »Ich glaube, lieber HErr, hilf meinem Unglau- ben!« zeigt Jesus ihm , daß er kann , und hilft seinem elenden Kinde. (Menken.) —- H) Die Natur kam dem Befehle des HErrn schnell nach mit der geziemenden Eile , die fchneller war , als der Evangelist schreiben kann. (Chryfostomus.) Zwischen Gottes Befehl und Werk giebt es keinen Zwischenraum , weil sein Werk schon im Befehle liegt und sein Wille die Allmacht ist. (Ambrosius.l Um ein Wort ist es Christo nur zu thun, so ist )dein Herz voll Trostes , dein Hans voll Segens. (Laug. 4. Und Jesus [der da wollte, daß der Glaube an ihn nicht durch bloße Wundergerüchte sondern aus unmittellarer Wirkung seines Worts erwüchseJ sprach zu ihm: Siehe zu swie du. Herz und Zunge im Zaum halten mögest], sag? niemand [was dir jetzt Großes geschehen ist]; sondern gehe hin und zeige dich szunächstj dem Priester sdeines Kreises, damit er deine Reinsprechung in der oorgeschriebenen Weise Z. Nios 14 , 2 R. einleite] und opfere sdarnach am 8. Tage , wenn die Reinsprechung erfolgt ist, im Tempel zu Jerusalem, vgl. Nr. 41 auf dem Giundriß zu Kap. 4, 71 die Gabe, die Moses sin 3. M. 14, 10 is] befohlen hat, zu einem Zeugniß über fie [die nicht an mich glauben wollen, sondern der Gesetzesaufhebiing mich be- schuldigeiy damit sie, wenn sie nun erfahren, durch wessen Kraft du gesund geworden, und zugleich sehen, wie du auf meine ausdrückliche Weisung der gesetzlichen Ordnung in allen Stückeu dich unter- wirfst, sich überzeugen, daß ich in der That und l01 Wahrheit der Messias bin und nicht gekommen, das Gesetz» aufzulösen, sondern zu erfüllenj. . ,,Große Güte des HErrn Jesul Die Priester folgten ihm nicht nach, seine Worte zu hören und seine Thaten zu sehen: so schickt er aus Galiläa zu ihnen nach Jeru- salem. Er will auch sie ·gern gewinnen, gern zum Glauben bewegen, gern selig machen; darum legt ei· ihnen ein Zeugniß vor, denn ohne Zeugniß ist kein Glaube möglich, und Glauben heißt eben nichts anderes als Annahme eines Zeugnisses. Das Zeugnis; aber, das er ihnen vorlegte, konnte und sollte ihre ganze Auf- merksamkeit auf ihn richten; denn der» Aussatz war eine durch natijrliche Mittel unheilbare Krankheit. Wenn nun der Aussätzigejhneit erzählte: Der Jesus von Nazareth hat mich unmittelbar· durch die Kraft seines Willens, durch sein Wort gereinigt! so mußten sie auf’s Wenigfte denken: Jesus ist ein Propbet, mächtiger als Johannes der Täufer, der keine Wunder gethan hat; er ist ein Prophet wie Elias und Elisa, aller Aufmerksamkeit und Verehrung werthl und mußten es als ihre Pflicht er- kennen, sich nach ihm umzusehem zu erfahren, was seine ganze Sache sei; da ihneii dann , wenn sie »das mit Aufrichtigkeit thaten, bald weiter geholfen werden konnte, daß sie erkannten: Es ist Wahrheit, was Johannes von diesem bezeugt hat; dieser ist Christus, Gottes Sohn!« — Der Aussätzige in seiner großen Freude über die wiedererlangte Gesundheit hielt, wie die beiden andern Evangelisten erzählen, das Verbot Christi nicht, sondern lief überall umher und erzählte den Leuten von seinem Glücke (Pred.»3, 7); daher Jesus nicht schon jetzt zu Kapernaum eingehen mochte, sondern erst in eine Einöde (vielleicht in· die am öftlicheu Ufer· des Sees Kap.14,23 und zu Schiffe da,hintiber»fahrend) sich begab, um dem Zudrange des Volks für einige Zeit sich zu Lntzieheu und wieder im Gebet mit Gott zu verkehren. »Diese Einsamkeit hat die Bedeutung eines neuen Rücktritts für einen neuen Anlauf (eine neue Geistessammliinyg ist immer auch ein neuer Segen und Sieg). Der Lus- sätzige seinerseits ist ein Muster der Hilfesuchenden (ein- schiedenes Vertrauen, demüthige Unterroerfung), aber nicht der Danksagendcn Mücksichtslosigkeit seiner Freude, Mangel an Folgsamkeit und Zucht).« 5. Da aber Jesus saus der Einsamkeit jenseit des Sees Genezareth nun wieder hervor- tretend und auf dem Wege der Heimkehr sofort aufs Neue von einer großen Menge Volkes um: geben V. 101 eingiug zu Kapernauuy trat sgleich beiden vordersten Häufern der Stadt] ein Hauptmann zu ihm snicht persönlich, denn dessen achtete er sich nicht würdig, sondern indem er die Aeltesten der Juden ihm entgegensaudtes der bat ihn sdurch den Mund eben dieser Abgesandten, die zngleich aus ihrem eigenen Herzen eine recht drin- gende Fürfprache für ihn einlegteii Luk. 7 , 3 ff.], is. Und sprach: HErr sder du einhertrittst in deiner großen Kraft und ein Meister bist zu helfen Its. 63, II, mem Knecht [den ich seiner Treue wegen gar werth halte] liegt zu Hause [bei mir» todtkrank darnieder], und [zwar] ist [er] gichtbrukhig und hat große Qual sda wende denn nicht blos die Todesgefahr von ihm ab, son- dern befreie ihn auch, was dir ja ein Leichtes ist, völlig von seinem Leiden]. 7. Jesus sprach zu Ihm sließ durch die 102 Evangelium Matthäi 8, 8. 9. Aeltesten der Juden ihm sagen]: Ich will [ohne mich daran zu stoßen, daß du von Geburt ein Heide bist, in eigener Person] kommen Und ihn sdeinen kranken Knecht] gesund machen sworauf er auch sogleich mit den Abgesandten auf das Haus des Hauptmanns zu ging] Der Hauptmann ((Jenturi0, d. i. Befehlshaber über 100 Mann und vermuthlich der Höchstcommaw dirende in Kaperuauny war ein Heide (V. 10 ff.), im Dienste des Herodes Antipas stehend , der unter seinen Soldaten viele Ausländer hatte, sowohl um sich den Thron gegen die eigenen Unterthanen zu sichern , als auch dem römischen Kaiser von Seiten seiner Zuverläs- sigkeit sich zu empfehlen; doch war er dem Judenthum und den Juden innerlich befreundet (Luk. 7, 3 ff.) und wohl ein Proselyt des Thors, indem er sich zu den sog. Noachischen Gelitbden, also zur Enthaltung von Götzew dienst, Gotteslästerun , Mord, Blutschande, Raub u. dgl., verpflichtet hatte (3. of. 17, 9 Anm.). Er ist der Erst- lin von den Heiden, welkhe sich zu Christo gewendet a en; dazu kam hernach ein anderer Hauptmann, dessen ei dem Kreuze Christi gedacht wird (Kap. 27,54), und ein dritter, Eornelius (Apostg. 10). Doch sind diese nur allein diejenigen, deren perfönlich gedacht wird; es heißt in Luk. 3 , 14 von den Kriegsknechten überhaupt, daß sie zu Johanne gekommen wären , sich von ihmuausen zu lassen, und dabei efragt hätten, wie sie sich bei ihrem Soldatenstande als etaufte zu verhalten· hätten. »An keines Standes und Menschen Bekehrung ist zu verzagen. Stärkeren Glauben findet man öfters unter Handwerkerm Soldaten, gemeinen Bauer-Renten, als bei den vermeinten Heiligen, die viel wissen, beten, reden von der Gottselig- »eit, und doch im Grunde Heuehler sind: Kap. T, U; 11, 25; 1. Cor. l, 26 f. (Tübing. Bibel.) Es ist kein Stand, welcher von dem Heile ausschließn selbst in der Brust eines Mannes , dem ein dreifaches Erz um die Brust liegt, kann die zarte Pflanze des Glaubens und der Liebe gar wunderbar gedeihen. (Nebe.) Unsre Er- ählung ehiirt zu den Perlen unter den vielen kleinen, m sich a efchlossenen Ganzen, mit denen die evange- lische Geschichte geschmückt ist; sie zeigtuns ein religiöses Gemüth in der liebenswürdigsten, kindlichsten Form, das fein Glaubensleben ohne irgend welchen äußerlich-dog- matischen Anstrich frei offenbart. Der Centurio, er- wachsen im heidnischen Lebenselemenn neigte sich, unter den Juden lebend , zum alttestamentlichen Leben hin; die Wunder der Patriarchenzeih von denen er vernahm, mochte er stch oft ersehnt haben, ohne zu wissemdaß er unendlich viel mehr sehen sollte als sie. So innig aber als sein Glaube , eben so tief und rein war seine .Demuth; er achtete sich felbstfnicht werth, daß der Herr- scher himmlis er Kräfte in sein Haus träte. Als solchen erkannte er spsum , wie aber näher seine Flnsicht von ihm gestaltet war, dürfte sich schwer entscheiden lassen, da sie vermuthlich, wie gemeiniglich bei kindlichen Ge- mütherm noch unentwickelt, wenngleich» im Wesenrlichen richtig war. (Olshausen.) Paralyttsche und Lahnie wurden häufig zu Iefu und d'en»Aposteln· gebracht. ·Dte Uebersetzung Luthens für Paralhtischm Gichtbritchige, isi nicht so unrichtig , wie mauchmal behauptet wird, theils sofern häufig Lähmung, namentlich der Grimmi- täten (Hände und Füße) , Folge von Gccht ist, theils nach der Etvmologie (Abstammnng) des. Worts ,,gtcht- brüchig« soviel bedeutet als, der an Gliedern gebrochen ist, daß er nicht gehen kann (Gicht = ,,geh»nicht,« also überhaupt jede, die Bewegung aufhebende Lahmung be- zeichnend , daher auch die apoplektische Lähmung rn manchen Gegenden Gicht heißt). Es verschwindet die Erregbarkeit der Muskeln oder Nerven, oder beider zu- gleich; dabei dauert Blutumlauf, thierische Wärme, ob- wohl vermindert, und Secretion Ausscheidung der un- brauchbaren Nahrungsstofso fort. Oft aber wird das gelähmte Glied von Atrophie (Dörr- oder Schwindsucht Joh. 5, Z) ergriffen. Da diese Lähmungen meist schmerzlos und nur mit einem leichten stechenden, kribbelnden Schmerz behaftet sind, so ist der ,,große Qual« leidende Gichtbrüchige an unsrer Stelle ohne Zweifel ein, mit einem die Glieder wie auf der Folter verrenkenden tetanus (Starrkrampf) behafteier Paralyti- schen (Leyrer.) Die Liebe, die aus dem Glauben fließt, indem sie dem Bruder Gutes thut, wie schön übt die der Hauptmann an seinem Knechti Nicht ein Sohn, wie dort im Hause des Königischeit (Joh. 4, 47 ff.), nicht ein Bruder, wie bei Martha und Maria (Joh. 11 , 1 ff.) , nur ein Knecht , nur ein Sklave ist krank, und siehe , der Herr läuft für seinen Knecht und bittet für ihn. Und wie herzlich bittet er! man hört’s seinen Worten an, er fühlt mit dem Kranken feine Schmerzen, er ist selber an feinem Bette gestanden, er möchte das Herz des Propheten rühren, ewegeu, wie sein eigenes gerührt und bewegt ist. O wie beschämt dieser heids nische Hauptmann so manches Christenhaus durch seinen in Lie e thätigen Glauben , durch seine im Glauben wurzelnde Liebe! Wie viel Hausväter oder Hausmütter unter uns thäten so etwas für einen Knecht oder eine Magd! Wie manche christliche Herrschaft glaubt alles gethan zu haben für ihr Gesinde, wenn sie pünktlich am Quartal den Lohn und murrend jedes Jahr den Zettel für’s Krankenhaus zahlt; aber mit Theil nehmen an ihren Leiden und Freuden, mit sorgen für ihr geistlich und leiblich Wohl, daran denkt man nicht , eine solche Zumuthnng begreift man nichti (Gerok.) Dei: ist nicht werth , daß ihm treulich gedient werde, der nicht auch seinen Dienstboten, fonderlich in der Noth, dienen will: Gal. 5, 13; 1. Cor. I, 19. (Starke.) Es mag ein frommer Knecht gewesen sein (V. 9); aber der Herr ist auch solches Knechtes werth. (Ahlfeld.) Wie vorhin nicht die Berührung des Aussatzes, so scheut Jesus jetzt nicht den Eintritt in das Haus eines Heiden. (Lang.) 8. Der Hauptmann sals ihm von etlichen, die dem Zuge vorauseilten, gemeldet wurde, Jesus habe seine Bitte angenommen und sei schon auf dem Wege zu seinem Hause begriffen] antwortete füber die Kühnheit dessen, was er vorhin sich er- beten, nun, da es ihm gewährt werden sollte, er- fchreckenDJ und sprach stieß, die Sache wieder in’s Gleiche zu bringen, durch etliche Freunde, die ge- rade bei ihm waren und deren er jetzt als einer zweiten Gesandtschaft sich bediente, dem Heilande sagen]: HErr, ich lals ein armes sündiges Menschenkind Luk. 5 , 8 und als ein von den Testamenten der Verheißung ausgeschlossener Heide Ephes 2, 12j« bin nicht werth, daß; du fder Heilige Gottes Mark. 1, 24 und König von Jsrael Ioh. 1, 491 unter mem Dach gehest kes bedarf aber auch dessen gar nicht, daß du dich selber zu mir bemühest und etwa dem Kranken die Hände auflegestlz fpttdern sprich nur [aus der Ferne] em Wort [voll allmächtiger Gotteskraft, wie es dir zu Gebote steht], so wird mein Knecht sob ihn gleich der Tod schon so gut wie in seiner Ge- walt hat] gesund. Der Hauptmann zu Kapernaum bittet für seinen kranken Knecht »?9,3 9. Denn [wie wirksam und erfolgreich schon ein bloßes Wort deines Mundes sein müsse, das kann ich mir aus meinen eigenen Lebensverhältnissen abnehmen:] ich lfiir mein Theil] bin sitberhaupt nur ein Mensch, und würde auch als der Mäch- tigste auf Erden immer nur eine sehr beschränkte Macht besitzen], dazu sbin ichJ der Obrigkeit unterthan salso unter den an sich schon beschränkten Machthabern auf Erden als ein gewöhnlicher Haupt- mann und einfacher Hausherr wiederum gar sehr beschränkt hinsichtlich meines Machtbereichs] und habe unter mir [nicht mehr als die 100 Mann] Kriegsknechte [meines Commandos und den einen mir so werthen, aber jetzt krank darnieder- liegenden HausknechtL noch strotz dieser geringen und unbedeutenden Machtstellung meinerseits] wenn ich sage zu einem [von den unter mir stehenden Kriegsknechteny Gehe hin, so geht er; und zum andern: Komm her, so kommterz und zu meinem Knecht svorausgesetzt , daß er noch gesund wäre, wie vordem]: Thu’ das, so thut er’s swenn nun schon in meinen geringen Verhältnissen ich nur sprechen darf, so geschieht auch das, was ich will, ohne daß ich dabei zu sein und selbst mit Hand anzu- legen nöthig hätte, wie vielmehr wird eine solche Macht- Vollkommenheit des bloßen Worts dir zu Gebote stehen, der du niemand unterthan bist, sondern ein Herr über alles Apostg. l0, 36! Und nun hast du ja unter deiner Gewalt auch Tod und Leben, Gesundheit und Krankheit, Engel und Fürstenthuni Röm. 8, 37 ff» und kannst zu Tod und Krankheit sagen: Geh hin! und zu Leben und Gesundheit: Komm her! und kannst deinen dienstbareii Geistern gebieten, daß sie mit ihren unsichtbaren Händen meinen todtkranken Knecht berühren und ihm von seinem Lager wieder aufhelfen]. Der Heide und Kriegsmann wird ein Theologus und fäht an zu disputiren so schön unb christlich, daß genug wäre einem , der vier Jahre wäre ein Doctor gewesen. ,,Solltest du solches nicht thun können? Ei, lieber HErr, kann ich armer Mensch, unter anderer Leute Gewalt, des römischen Kaisers und Landpflegers Pilati oder Herodis Unterthan, mit einem Wort meine Knechte rege machen , daß sie müssen gehn und thun , was ich sage, auch iii meinem Abwesen: solltest du denn, als der so hohe Gewalt hat und niemand unterthan bist, wie ich bin, sondern alles, Gesundheit und Krankheit, Tod und Leben , dir muß unterthan sein viel mehr , denn mir meine Knechte sind , nicht vermögen mit einem Wort auch in deiner Abwesenheit auszurichten, was du willst? Sind meine Worte so mächtig — denn es ist in der Wahrheit eiu Großes, daß ein Mensch mit einem Wort kann rege niachen hundert oder tausend Menschen; wie viel mächtiger sind dann deine Worte l« Ach, daß doch wir auch also an den abwesenden Christum glauben könnten, wiewohl wir sein gegenwärtiges Wort reichlich haben! (Luther.) Wie leuchtet hier die Weisheit eines Gläubigen aus der Rauheit des Kriegsmannes so schön hervor! (Bengel.) Das Gleichniß hat auch eine beson- dere Anmuth darin, daß er zuletzt immer wieder auf seinen armen, treuen Knecht zurtlckkommh der die Spitze des Gleichnisses bildet. (P. Lan e.) Dieser Kriegsmann, dieser Römer, dieser Heide ist inter ein Geheimnis; ge- kommen, welches den Theologen in Israel, den Fürsten auf Mosis Stuhl (Kap. 23, Z) zur Zeit noch völlig ver- deckt war: Der Rabbi (Jesus) , mit dem Abrahams . auch ein Kinder (die Juden) so vertraulich wie mit Jhresgleicheu umgehen , ist ihm kein Geringerer, als der HErr, der Abraham zu Mamre nnd Jakob im nächtlichen Kampfe genahet (1. Mos. 18 , 1 ff.; 32 , 34 ff.) , der Christus Gottes. Willst du da noch fragen, warum doch kommt der Eine oft so schnell, der Andere so langsam, so spät, so kümmerlich zur Gnade? Warum will’s bei allem Hören und Lernen des Worts mit dem Glauben auch bei uns oft so gar nicht voran? Ach, an dem gru11d- gebeugten Herzen fehlt’s, wie es, in Lindigkeit gegen die Menschen, in Demuth vor Gott, bei diesem Heiden sich darlegt! »Wie könnt ihr glauben, die ihr Ehre von einander nehmt?« spricht der HErr (Joh. Z, 44). Bei Stolz oder Grimm im Herzen muß das schon entztindete Glaubensfünklein gleich als in einer dicken Stickluft im- mer wieder verlöschen. (Roffhack.) Die Aeltesten von Kapernaum unterstützten des Haiiptmanns Gesuch, baten Jesum sogar mit Fleiß »und sprachen: »Er ist sein werth , daß du ihm das erzeigest«,« er selber aber legt Christo gegenüber das offe11e Bekenntniß ab: ,,Jch bin nicht werth, daß du unter mein Dach gehest. Es wäre das freilich das größte Glück, das meinem Hause widerfahren könnte, und Zeitlebens sollte mir der Tag ein unvergeßlicher Festtag bleiben; aber nein, das kann nicht sein, diese heilige Gemeinschaft kann zwischeu dir und mir nicht stattfinden, denn ich bin dessen nicht werth« Kein Glaube, der nicht mit der Demuth Hand in Hand ginge , mit der Demuth , die sich ohne Vorbehalt auf die arme Sünderbank setzt, die soviele Werke thut, als wollte sie damit den Himmel verdienen, und doch darauf gar keinen Werth legt, sondern voll- skommen unterschreibt, was die heil. Schrift vom Lilien: schen sa t, daß er nicht das Geringste vermöge, daß er ohne C ristum nichts thun könne, daß er der größte unter den Sündern sei, eine unzeitige Geburt, ein Narr, ein Nichts vor Gottes Augen. Es giebt eine gemachte Demuth, die blos demüthig thut und demüthig redet, aber nicht demüthig ist; eiiie heuchlerische Deniuth, die noch ein völlig ungebrochenes Herz hat und 1iicht wenig entrüstet sein würde, wenn man ihr erklärte, daß sie auch nicht Ursache habe, anders als sehr gering voii sich zu halten; eine Demuth, die nur eine andere, feinere Art Hochmuth ist und sich gleich als solcher verräth , wenn einmal das liebe, eitle Ich ein wenig verletzt oder der Eigenwille, die Eigensuchh die Eigeiiehre nicht befriedigt wird. Die wahre Demuth hält sich nicht nur fiir gering und schlecht, sondern wüßte auch gar nicht, wie sie anders von sich denken sollte; die rechte Demuth weiß von eigener Trefflichkeit und Tugend nichts und ist wie das Auge, das alles siehet, nur sich selbst nicht — sie wiirde schon Hochmuth werden, weiin sie sich je einbilden könnte, daß sie demüthig wäre. Weil sie aber so völlig los geworden ist von jeder Selbstsucht und ihren alten Menscher: alle Tage von Neuem kreuzigt und in Zucht nimmt, setzt sie allein ihre ganze Zuversicht auf den HErru Je geringer sie ist in ihren eigenen Augen, desto größer und herrlicher erscheint ihr der Heiland; je weniger sie vermag, desto mehr vermag Er alles in allem. Der Glanz der Sonne blendet nur die Eulen: von Wundern rings um- geben, sehen die Ungläubigeii dennoch nichts von Jesu Herrlichkeit Wer aber glaubt, der ist wie ein Adler, immer höher der Sonne entgegenstrebeiid, immer besser in die Sonne hineinblickend: wo die Welt nichts sieht, da gewahrt er des HErrn Spuren und Denkmale in seinem Licht, und je mehr er seine Herrlichkeit sieht, desto fester wird seine Zuversicht. (Fr. ArndtJ Warum verhält sich der HErr gegen diesen Hauptmann, der ja Heide ist, anders, als gegen das cananäische Weib in Kap. l5, 21 ff? Nun, »das caiianäische 104 Evangelium Matthäi 8, 10——13. Weib hatte keine Erkenntniß davon, daß er, der HErr, H losigkeit, Unmäßigkeit der Menschenx aber seine Ver- nur gesandt war zu den verlorenen Schafen aus dem Hause Israel; sie lief ihm nach und wollte seine Wohl- that als ihr Recht gleichsam ertrotzen, er aber nahm sie deshalb in eine harte Schule und stäupte sie gar gewaltig. Als sie dann ganz demüthig zu seinen Füßen lag und sich mit dem Rechte der Hündlein zufrieden geben wollte, half er ihr. Hier bei dem Hauptmann dagegen ist von solch einentForderty von solchem Ertrotzenwollen keine Spur; hier ist Demuth nicht erst zu beschaffen, sondern eine falsche (?) Demuth, eine falsche, unnöthige (?) Scheu zu überwinden« Nach Chrhsoftomus war das Wort des HErrn in V. 7 der Stahl, welcher aus dem Herzen des Hauptmanns den Funken des Glaubens herauszuschlagen bestimmt gewesen war. » 10. Da das [was der Hauptmann durch seine Freunde ihm sagen ließ] Jesus betete, ver- wunderte er sich [ob dieses wunderbar köstlichen Glaubens, wie er ihm hier entgegentrat«] und sprach zu denen; die ihm nachfolgeten lzu seinen Jüngern sowohl, wie zu den Aeltesten der Juden und dem Volke]: Wahrlich, ich sage euch, solchen Glauben [so tief gegründet und so hoch erleuchtet, so kindlich demüthig und so männlich stark] habe ich [seither] in Israel sdem Volk, das durch Gaben und Berufung Röm. 11, 29 dem Reiche Gottes am nächsten sieht] nicht fun- den’"· [wie bei diesem, durch Geburt und Lebens- stellung dem Himmelreiche fern gerückten Heiden Ephet 2, 12]. 11. Aber ich sage euch les wird einmal, wenn nun das Reich Israel aufgerichtet werden wird Apostg. l, 6., ganz anders kommen, als das sleischliche Israel sich einbildet*"]: Viele werden kommen vom Morgen und vom Abend iauch aus den fernsten Ländern der Heiden Jef 45, S] und mit Abraham und Isaak und Jakob sden heil. Erzväterm deren Kinder und Miterben Namen] im Himmelreich sitzen [dessen Seligkeit zu genießen Kap. 26, 29z Luk. 14, 15; Ossenb 19, 9]. l2. Aber die Kinder des Neichs ldie zu: nächst berufenen Theilnehmeu die Juden Röm 9, 4 f.; 15, 8 ff; Joh. 4, 22] werden lder großen Masse nach, wegen ihres Unglaubens] ausgestoßen saus dem Festsaale des Himmelreichs, in welchen sie vermöge der alttesiamentlichen Heilsanstalt schon eingetreten sind, hinaUSgeworfenJ in die außerste Finsterniß [wo das Licht Gottes gar keinen Schein mehr hinwirft und Freude und Leben auf ewig mangelt], da wird fein Heulen lder Weh- klagenden] und Zåhnklappenss lder Verzweifeln- den Luk. 13, 28 f.]. V) Zweimal lesen wir von unserm HErriy daß er sich verwundert habe, und zwar hier über den Glauben des Hauptmanns , und in Mark. 6, 6 über den Un: glauben derer von Nazareth. Wir lesen nicht, daß Jesus sich jemals über die Humanitah Liebe, Selbstver- leugnung eines Pienschen verwundert habe, niemals, daß er sich verwundert habe über die Unmenschlichkeih Lieb- l · dem Göttlichen vorzuziehen wunderung über Glauben und Unglauben ist ausdrücklich aufgezeich1iet. Das ist nun der Gesinnung unsers Zeit- alters sehr fremd: die Krankheit und Verkehrtheit unsers Zeitalters besteht gerade darin, das Menschliche Nach dieser Stimmung und Gesinnung unsrer Zeit müßte man die Humanität, wie sie sagen , die Menschlichkeit und Güte des Haupt- manns rühmen und bewundern, worauf aber Jesus nicht Einen Blick wirft, wovon er nicht Eine Sylbe redet, was er gar 1iicht zu bemerken scheint; und was nach der Gesinnung unsers Zeitalters gar keine Bemerkung verdient oder als eine Schwachheit entschuldigt oder als eine Albernheit getadelt werden müßte, das, das ist in den Aukgen des Sohnes Gottes so groß, daß er, der sich sonst ü er nichts wunderte, sich darüber verwunderte und es öffentlich lobt und als das Beste und Größte rühmend zur Nachfolge darstellt, uämlich der Glaube dieses Menschen. Bemerke diese Verschiedenheit der herrschenden Gesinnung unsrer Zeit von der Gesinnung unsers HErrm sie verhält sich dagegen wie Nein zu Ja, wie Finsterniß zu dem Licht; sie verachtet und schmähen was Christus bewundert und rühmt. (Menken.) Ebenso aber, wie die Welt den Glauben gering achtet und der- selbe ihr eine werthlose und unbedeutende Sache dünkt, viel werthloser als Kunst und Wissenschafh Bildung und Weisheit der Menschen, achtet sie auch den Unglauben gering, d. h. sie meint, es liege fast wenig daran, ob einer glaube oder nicht, wenn er nur sonst ein gutes Lob vor den Leuten habe und einen rechtschaffenen Wan- del führe; der Unglaube schade ihm nichts, weder auf Erden noch im Himmel, weder bei den Menschen noch bei Gott. So urtheilt sie, und macht sogar aus dem Unglauben noch einen Ruhm nnd eine Ehre. (Thomasius.) IN) Darüber hat man mit großen Sorgen gehandelt, auf daß ja die Mutter Gottes und die Apostel nicht ge- ringer seien denn dieser Hauptmann. Wiewohl ich nun auch sagen möchte, daß Christus nicht seine Mutter Maria und die Apostel damit wolle gemeint haben, sondern vom großen Haufen rede, die sein Volk Israel heißen , so will ich doch lieber bei des HErru Worten bleiben und sie gehen lassen, wie sie lauten — zum Ersten, weil es wider keinen Artikel des Glaubens ist, » ·zddGlbds ts"-st· ·t sis geworden IMD Dsssch DE« GIOITVEU «» Osten! : gåkakkesiieaikk Tukakiakskåp FTT"3kpJsTTiTk;9L«-XZTT2Use? auch Christi Worte nicht mit unserm Deuten beugen sollen. Zum Andern darum, weil solch Beugen ans sleischlicheiii Sinn und Andacht herkommt, weil wir die Heiligen Gottes nicht uach Gottes Gnade, sondern nach ihrer Person, Würdigkeit und Größe messen, welches wider Gott ist, der sie viel anders mißt, allein nach seinen Gaben. Er will seinen Geist von uns nn- gemessen haben in seinen Heiligen und seine Gaben frei geben, wie es ihm gefällt U. Cor. 12 , 1l), nicht wie es uns dünkt; ja, er sagt vo1i sich selber, wer an ihn glaube, soll größere Zeichen thun, denn Er gethan Ade. Dies geschieht alles darum, damit niemand sich vermesse über den Andern, und niemand einen Heiligen über den andern hebe und Sekten anrichte (was wohl geschähe, wenu er der Heiligen Glauben nicht zuweilen sinken ließe), sondern lasse sie alle gleich sein in Gottes Gnade, wie ungleich sie auch in seinen Gaben. Er will durch St. Stephan thun, was er durch St. Petrum nicht thut, und durch St. Peter, was er durch seine Mutter nicht thut, auf daß Er es allein sei, der alles thut in allen, ohne Unterschied der Person, nach seinem Willen. (Luther.) Es fehlt nicht viel, so ist der Hauptmann der Erste, welcher den Aposteln , Jsrael und der Welt ver- kündigt, daß Jesus wahrhaftiger Gott ist. Das aber sagt er ganz deutlich, daß alles an dem Worte Christi Z) Der HErr heilt des Hauptmanns Knecht aus der Ferne durch sein bloßes Wort. 105 liegt, daß Christi Macht und Gnade in seinem Wort beschlossen ist, daß man in seinem Wort mit ihm han- deln und alles Uebrige fahren lassen muß, wenn man seine Macht und Gnade erfahren will. Das Geheimniß hätte er aber gewiß nicht erkannt , wenn er nicht die schwere Kunst der Christen verstanden hätte, zwei Dinge zu vereinigen, seine Unwürdigkeit und Christi hilfreiche Gnade und Liebe. Nur der Glaube ver1nag die zwei Dinge zu vereinigen, die wie Tod und Leben mit ein- ander kämpfen; in solchem Glauben jetzt der Hauptmann einen Raum zwischen sich und Jesu«, als. dürften beide nie zusammen kommen, und doch ist er der kühnen Zu- versicht, daß Jesu Wort, d. i. Iesu Herz, Wille, Macht und Liebe zu ihm nnd seinem Knecht kommen soll. (Münkel.) Wiss) Jn der zukünftigen Welt, heißt es in einem Aus- spruch der jüdischen Rabbinen, will ich euch (Juden) einen sehr großen Tisch herrichten, hat Gott gesagt; das werden die eiden sehen und mit Scham erfüllt werden. Das Gegent eil aber sagt der HErrt Abraham, Jsaak und Jakob· werden nicht mit ihren Kindern nach dem Fleisch im Reiche Gottes sitzen, sondern mit ihren Kindern nach dem Geist, denn Fleisch nnd Blut kann das Reich Gottes nicht ererben. —- Newton pflegte zu sagen: Ueber drei Stücke werden wir uns bei dem Eintritt in den Zimmel am meisten wundern —- nämlich, daß wir man en unter den Seligen erblicken werden, den wir da nicht suchten, manchen Andern vermissen, den wir zu finden glaubten, am allermeisten aber darüber, daß wir uns selbst unter den Seligen sehen. f) Liebliche Aussicht für die fernsten, verlorensten Sünder aus den Heiden, sobald sie glauben an den, von welchen ihnen zuvor nichts verkündet! Die Weisen vom Morgenlande und die 3 Hauptleute aus dem Abendlande, der hier, der unter dem Kreuz und der zu Cäsarea, eröffnen und führen an den Reigen zu Abrahams Glück und Loos. Entsetzliche Aussicht dagegen für das so hoch bevorzugte Israel, für die so lang und laut geladene Christenheit, wäh- rend jene im lichten Hochzeitssaale die Ehren des Bräu- tigams singen, des Reichs verlustig, der Krone verlustig die Füße an den dunkeln Bergen zu stoßen am Ort und Schatten des Todes! Was lIJür ein Heulen der zu späten Reue, was für, ein Zä neknirschen ohnmächtiger Wuth gegen das Geschick, vergeblicher Wuth gegen sich selbst, wird bei der Empfindung des Fluchs der einst beliebten Siinde das Bewußtsein erwecken , eine solche »Seligkeit nahe gehabt, aber nun für immer, für ewig versäumt zu haben! Und wie versäumt! Ach, wenn man noch einen unersehwinglichen Kanfpreis darum hätte zahlen sollen! Aber umsonst war sie zu haben; keine Kirchenstiftungen und Liebeswerke wurden vorab als Bedingung gestellt, nicht einmal die Inenschlich edle Gesinnung jenes Hauptmanns brauchte man erst aus dem Eigenen darzureichen Auch ein sehr unnobler Mensch, sobald ihn nach Gott reut, empfängt sie als- bloßer Sünder durch den bloßen Glauben als Lohn einer fremden Mühe , einer Liebe, die sich an uns zu Tode geliebt. Jsrael wird hinausgestoßen und mit ihm, die aus der Christenheit in seinen Wegen gehen, nicht weil es zu elend und allzusündig war, sondern weil es dem Heiland der Sünder, der unter sein Dach gekommen, das Herz, um das er warb als seiner Schmerzen Lohn, versagt hat. (Roffhack.) Der HErr sieht in diesem Hauptmanne den Zugführer der Heiden von allen Welt- enden; wir dürfen wohl in diesem selben Manne auch insonderheit den Zugführer eines Heeres erkennen, wel- ches sich der HErr von den Heeresfahnen her zu seiner Kreuzesfahne geworben hat. Der Stand der Krieger ist aber auch zu ganz besonderem Danke dem HErrn ver- pflichten wie die Eheleute den HErrn preisen sollen, weil er den Ehestand als ein Gleichniß seines Verhält- nisses zu seiner Gemeinde verwendet, so hat der Kriegs- mann dafür den Namen des HErrn zu erheben, daß er alle seine Gläubigen zu rechten Kämpfern und Streitern machen will. (Nebe.) 13. Und Jesus [auch wirklich nicht weiter mitgehend, den starken Glauben des Hauptmanns durch eine volle Entfaltung seiner Wundermacht vor allem Volk zu ehren] sprach zu dem Haupt- mann sindem er mit dessen Abgesandten verhan- delte, alshabe er’s nicht mit ihnen, sondern mit ihm selber zu thun]: «Ge»he hin, du: geschehe sm so herrlicher, überschwanglicher Weise], wie du geglaubt haft [daß ein bloßes Wort hinreiche aller Noth in deinem Hause ein Ende zu machen) Und sein Knecht ward gesund zu derselbigen Stunde swo Christus also redete Joh. 4 , 46; daher die Gesandten, da sie wiederum zu Hause kamen, den Kranken als bereits genesen vorfandens »Der Aus-fähige, wie er sich nicht auf das bloße Wort Jesu berufen hat, so wird er auch tiicht durch das bloße Wort gereinigt; denn Jesus streckte seine Hand aus, rtihrete ihn an und sprach: Jch wills thun , sei gereiniget. Den Vorzug hat Israel gehabt, daß Jxsus persönlich , leiblich und äußerlich, sichtbar und fühlbar mit ihm in Gemeinschaft getreten ist und dadurch einen größeren Eindruck hervorgebracht, die Kraft seines Wortes verstärkt und dem schwaehen Glauben eine Stütze gegeben hat. Der heidnische Hauptmann dagegen muß es früh lernen, die Stützen fahren zu lassen, von dem Sichtbaren abzusehen, von der leiblichen Gegenwart-Feste geschieden zu sein und nur im Geiste durch den Glauben an seinem Worte zu hängen. Dadurch ist er ein Vorbild der gläubigen Heiden geworden, welche Iesum dem Fleische nach nicht gesehen haben und sich allein seiner Gegen- wart in seinem Worte freuen können« Die scheinbare Verschiedenheit unsers Berichts von dem in Las. 7, 1 ff. , daß dort der Hauptmann sich durch Andere vertreten läßt, während er hier selber zu Jesu zu kommen scheint, rührt nur davon her, daß Matthäus das Hauptgewicht auf die gesprocheneii Worte legt, im Uebrigen aber die Erzählung sehr in’s Kurze zusammenzieht und dabei nach der bekannten Regel ver- fährt: quocl qujs per alium Breit, ipse feeisse putatur (was jemand durch einen Andern thut, gilt soviel, als hätte er’s selber gethan: 2.Sam. it, 12. l3), wie denn auch in der That, nach BengePs trefflicher Bemerkung, Jesus und der Hauptmann ,,im Geiste« unmittelbar mit einander verkehrten. Für Lukas dagegen, der feinem ursprünglichen Stande nach ein Arzt und seiner Stel- lung in der Kirche nach ein Schiiler des Heidenapostels Paulus war, hatte es etwas besonders Anziehendes die Nebenumstände der Geschichte in recht anschaulicher Weise darzustellen; er geht alsbald nach der Bergpredigt zu derselben über , indem er die von der Heilung des Aussätzigeii einstweilen bei Seite läßt und sie als eine für sich bestehende Gruppe ebenso, wie Markus, au einer andern Stelle außer zeitlichem Zusammenhang erzählt« I· d. 14——-17. (§. 31.) Jlus die beiden im vorigen ZU)- schnitt erzählten Begebenheiten folgt ein Jieitraum von etwa 6 Monaten, aus dem die enangrlische llerliiindignug nichts Uähereg zu berichten hatte; denn das Leim( und Wirken unsern Heim: ist zwar wie der ttesblaug maje- stätische Uakhthimmel ein unterlsrottjeneo Ganze voll wunderbare: Kraft und Herrlichkeit, aber nur die lenrh- tenden Punkte in den einzelnen Sternen oder zusammen— 106 Evangelium Matthäi 8, 14——18. hängenden Sterngrnppen will die evangelische Geschichte ung unter die Augen stellen. Da benutzt denn St. mat- thäug die vorläuscge Pause, um zuncichst aug der Zeit der ersten Wirksamkeit Iesu zu Kapernaum eine Be— getsenheit nachzuholen, dadurrh er an einem von den kürzlich berufenen vier Jüngern (t.iap. 4,18 ff) in einer weise sich verherrlicht hatte, durch die er diesen mit neuen Banden an sich knüpfte, indem unn auch die Seinen für dag Rein) Gottes gewonnen wurden. GH ist das die Heilung der Snjutiegermutter Petri, dessen tjaus hinfort so gut wie sein eigenes wurde W. 14 u. 15). Jllg dann mit Untergang der Sonne der Abend herbei- kam, brachte man viele Kranke nnd gesessen« ja was man nur an tkcidenden in der Stadt austreiben konnte, zu Seht; die Kranken heilte er durch Kuflegung seiner Hände, die Besessenen durch sein Wort, dag mit Gemalt den unsaulieren Geistern gebot, nnd sie mußten ihtn ge- horchen. Der Evangelist erkennt auch in diesen tjeilnngen die Erfüllung einer alttestamentliktsen weissagung (dlgl. Mark. l, 29—34; Mk. 4, 38—-41.) 14. Und Jesus snicht jetzt, bei der in V. 5 ff. erzählten Rückkehr nach Kapernaum, sondern 1 Jahr 4 Monat früher, nachdem er am Sabbath des 5. Juni a. 28 n. Chr. in der Schule zu Kaper- naum gelehrt und einen Besessenen geheilt hatte Mark. 1, 21 ff.; Luk 4,· 31 ff] kam sin Beglei- tung der 4 Jünger Petrus und Andreas, Jakobus I. und Johannes] in Petri Haus sder zwar von Bethsaida gebürtig Joh 1 , 44., aber mit seinem Bruder Andreas nach Kapernaum verzogen Mark. 1, 29 und seit einiger Zeit daselbst verheirathet war 1. Cor. I, b] und sahe [von den Hausge- nossen zu dem Krankenbett geführt] daß feine sdes Petrus] Schwieger Ikmutter Richt 19, 10 Anm.] lag und hatte das Fieber swelche Art von Fieber, läßt sich nicht ermitteln, jedenfalls aber hatte· die Krankheit einen acuten Character Luk 4, 38, ja, stand vielleicht in Zusammenhang mit den über- haupt in der Stadt herrschenden dämonischen Leiden V. 16]. 15. Da griff er ihre Hand» sum sie von ihrem Lager aufzurichten], nnd das Fieber [indem er dasselbe bedrohete] verließ sie. Und sie saus einer bettlägerigen Fieberkranken nun zu einer lebenswarmen Wirthin geworden] stund auf und diente ihnen [dem, der zuerst ihr gedienet, und mit ihm auch seinen Jüngern durch Veranstaltung eines Gasttnahlss Die älteren Schriftauslegern bei ihren Versuchen, eine Harmonie der vier Evangelien herzustellen, gingen von der Voraussetzung aus, die heil. Evangelistem um nicht Unwahrheit zu schreiben, hätten sämmtlich eine streng chronologische Ordnung bei ihren Erzählungen eingehauen, und wußten nun in Fällen wie hier, wo dieselben Geschichten bei dem einen Evangeliften so, bei dem andern anders auf einander folgen, sich nicht anders zu helfen, als das; sie annahmem ein und dieselbe Begeben- heit habe sich im Leben Iesu Christi unter völlig gleichen Umständen zwei oder drei Mal ereignet; so verfährt namentlich Lukas Osiander, und noch Starke in seinem Bibeltverk folgt bei der Texterklärung dieser geistlosen Art von Harmoniftih zu deren Widerlegung an unsrer Stelle ganz einfach BengelUs Wort hin- reicht: die Heilung von Petri, mit einem harten Fieber behafteten Schwieger ist viel herrlicher, da eine dauer - hafte Gesundheit darauf erfolget, als wenn sie ein oder zwei Rijckfälle bekommen hätte. Was nun das Ver- hältnis; der Ortslage von Bethsaida und Kaperuaum betrifft, so haben wir schon zu Kap. 4, 25 das Nöthige bemerkt; bei der dort angedeuteten engen Zusammen- gehörigkeit beider Ortschaften würde eine Uebersiedelung des Petrus und Andreas nach Kapernaum, die ihnen gleichwohl die Fortsetzung ihres Fischerhandwerks an dem Seeufer von Bethsaida möglich machte, sich von selbst erklären. Wie sehr aber ,,Kapharnaum« bis zu dieser Stunde verkannt ist, schreibt der kathol. Geschichtsprm fessor Dr. Sepp in seinem Pilgerbuch nach Palästina 2c., lehrt schon der Umstand , daß uns weder in deutschen, noch in englischmmerikanischen oder französischen Werken eine Zeichnung hiefiir zu Gebote steht; er verlegt Ka- pernaum mit Robinsoti an die Stelle des jetzigen Khan Miniyeh, läßt aber nur Ein Bethsaida gelten, das atn Ostufer des Sees Genezareth. Wie es scheint, war Petrus bei seiner erstmaligen Berufung (Joh. 1, 40 ff.) noch unverheirathey erst m der Zeit, die zwischen §. 25 u. 29 unsrer Evangelienharmonie liegt, nachdem der HErr seine Jünger wieder in ihre Heimath zum ge- wöhnlichen Tagewerk entlassen hatte, trat er in den Stand der Ehe mit einem Miidchem deren Mutter noch lebte, und übernahm in Gemeinschaft mit seinem Bru- der Andreas das elterliche Haus derselben. Die kirch- liche Sage nennt ihren Namen bald Perpetua, bald Concordia, und führt auch eine Tochter aus dieser Ehe mit Namen Petronella auf. Im offenen Widerfpruch mit I. Cor. 9, 5 haben kathol. Schriftsteller behauptet, Petrus habe von Anfang seiner« Jttngerschaft an sein. eheliches Leben rein aufgegeben; im Gegenthetl ist es eine merkwürdige Fijgung Gottes, daß wir gerade von demjenigen Apostel, als dessen Rechtsnachfolger die römischen Päpste sich ge-rtren, so bestimmt wissen, daß er auch in seiner apostolischen Wirksamkeit seine Ehe fortsetzte, und wenn sie mit ihrem, den Geistlichen auf- genöthigten Cölibat (Ehelosigkeit) sich auf Pauli Rath- schlag in 1. Cor. 7, 32 ff. erufen wollen, so macht sie wieder desselben Paulus Wort in 1. Tini. 4, 3 zu Schanden Als Jesus nach Käse. 4, l3 gen Kapernaum kam, um diese Stadt zum Ausgangs- nnd Mittelpunkt seiner Berusswanderungen zu machen, hatte er im vollen Sinne des Worts nicht, da er sein Haupt hinlege (Kap. 8, 20). Nun hat er bereits durch die Berufung des Petrus nnd Andreas (Kap. 4, 18) in deren Hause eine gastliche Herberge, wie einst Eliia bei der Sunamitin sie gefunden (2.K"o"tt. 4, i« ff.j, sich bereitet (Mark.1, 29) und jenes Wort Petri in Luk 5, 8: »HErr, gehe von mir hinaus« in das Gegentheil verkehrt; jetzt aber kam es darauf an, daß auch die übrigen Glieder des Hauses, die Schwiegermutter mit ihrer Tochter, ganz für ihn gewonnen würden» Da zeigt denn unsre Geschichte, ans welche Weise der HErr mit diesen beiden Herzen im Glauben sich verlobt, daß sie ihn erkennen (Hos. Z, 20); und das Wunder der Heilung von dem Fieber ist um so bedeutsamer, als die Krankheit der Schwiegermutter, wie der von dem Arzte (Col. 4, 14) Lukas (Kap. 4, 38 f.) gebrauchte Ausdruck: »ein hartes Fieber« in Verbin- dung mit dem andern: ,,er gebot dem Fieber« bezeugt, sehr ernster Natur war. ,,Uuter den Zwölfen war kei- ner, dessen Haus, Person, Fahrzeug, kurz, dessen ganzer Lebenskrets so zum Schauplatz treffender Wunder ge- macht wurde, als der des Petrus. Durch das erste Wort des HErrn (Joh. 1», 43) wird er sein Freund; durch das Wunder des Frschfangs (Luk. 5·, 1 ff.) wird er sem Apostel; durch das Wunder an seiner Schwieger Frühere Wunderwerke Christi: Heilung der Schwiegermutter Petri und vieler andern Kranken. wird der Apostel dem Meister in daukbarer Liebe ver- bunden« Wie nun hier die geheilte Schwiegermutter sofortgum Dienen sich gitrtet und damit beweist, daß die let ltche Wohlthat auch an ihrem Herzen gesegnet war, so sehen wir hernach das Haus des Petrus so völlig zu einem Hause des HErrn geworden , daß Ka- pernaum in Kuh. 9, 1 seine Stadt heißt, daß auch seine Familie nach Kap. 12, 47 ff. ganz zu ihm über- siedeln konnte und daß er in Kap. 17, 24 fl. als der eigentliche Hausherr erscheint. 16. Am Abend [des nämlichen Tages] aber [als die Sonne untergegangen und der Sabbath zu Ende war, an dem man sich hatte still gehalten nach dem Gesetz 2. Mos 20, 9 ff.] brachten sie [die Einwohner zu Kapernaum] viel Besessene [1. Sam. 16, 14 Anm.] zu ihm sdaß er sie ge- sund mache]; und er trieb die [bösen] Geister aus mit Worten [indem er nicht blos ihnen gebot aus: zufahren , sondern auch , wenn sie nun unter den siltrmischen Paroxismen der Genesenden ihn als den Sohn Gottes ausrufen wollten, sie nicht ausreden ließ Mark. l, 34; Luk. 4, 41] Und machte sauch sonst] allerlei Kranke [bei denen es sich nicht gerade um eine Teuselsaustreibung handelte] gesund, 17. Auf das; [insofern ja an diesem Abend, die ganze Noth der Stadt auf ihn fiel wie eine Last, schon vorbedeutend, wie später in noch volle- rem und tieferem Sinne Joh. 1 , 29; l. Petri 2, 241 erfullet lvurde , das gesagt ist durch den Propheten Jesa1am, der da km Katz. 53, 4 f. seines Weissaguligsbuches] sagt: Er hat Unsere Schwachheit sin allerlei Krankheiten Leibes und der Seelen] auf sich genommen, und unsere Seuche [die uns an den Abgrund des Verderbens gebracht] hat er getragen lsie uns abzunehmen und aus der Welt zu schaffen] Es ist fast , als ob die Synoptiker selbst durch die Wahl ihrer Worte ihre Leser in den Stand setzen woll- ten, dem HErrn an dem ersten Tage seiner unermüdeten und gesegneten Wirksamkeit zu Kapernaum beinah Schritt vor Schritt zu folgen. Während die Sonne untergehn ist durch das Gerlicht zweier Erstaunen erregender Wunder (Mark. 1, 23—3l) das Licht einer neuen Hoff- nung für die Kranken in Stadt und Umgegend aufge- gangen. Der plastische Zug, den Markus (1, 33) seiner Darstellung beifttgt , daß die ganze Stadt sich vor der Thtir versammelte, verräth deutlich den Einfluß Petri, des Augenzeugen (van Oosterzee.) Matthäus, der vor- zugsweise als für Juden schreibend , die Erscheinuugen im Leben Jesu an die messianischen Zeichnungen des alten Testamentes anzuschließen beniiiht ist, citirt hier Jes. 53, 4 mit der ihm so geläufigen Formel: auf daß erfltllet würde, das da gesagt ist. Faßt man nun, wie man muß, die Person des Erlösers eben so sehr als eine wahrhaft meuschliche, denn als eine rein göttliche auf, so läßt sich nicht anders denken, als daß auch die Heilungsthätigkeit des. Errn in einem Ausströmen und Aushauchen seiner Le ensftille bestand, daß überdies seine ganze Seele mit iuniger Theilnahme in die Noth der Leidenden einging und er ein wahrhaftes Mit-Leiden mit ihnen empfand; wie aber leibliche Anstrengung ihn leiblich ermüdete (Joh. 4, 6), so wird ihm auch solche eistige Thäti keit eistig erschöpft haben, man kann da- her: sagen, da au in Beziehung auf die Schwachheiten und Krankheiten der Menschen Jesus in seiner Seele gearbeitet und die Sünde der Welt getragen hat. (Olshausen.) Ein großer Tag der Feier und der Arbeit war so für den HErrn vergangen, ein langer Siegestag in seinem Kampfe mit dem Reiche der Finsterniß und des Todes, und sein Leben war in die höchste Bewegung versetzt: in solcheu Stimmuugen des Triumphs eilte er gern in die Einsamkeit; denn es war dem Volke nicht gut, in einer solchen stlirmischen Aufregung zu verharren, und ihm selber war es Bedürfniß, sich in der Einsam- keit, tief im Himmel des Gebets , in der Gemeinschaft seines Vaters zu erholen. So trieb ihn jetzt der Geist am andern Morgen, als kauni der Tag grauete, hinaus in eine Einöde Allein mit dem frühesten Morgen er- neuerte sich auch das Gedränge der Hilfesuchenden und Heilsbegierigeu vor dem Hause des Simon. Jesus war fort, aber Simon wurde gedrängt, er mußte ihn auf- suchen; auf diesem Wege schlossen, wie es scheint, nicht nur Hausgenossen und Jünger Jesu, sondern auch Leute aus dem Volkshausen sich ihm an, und als sie Jesum fanden, erklärten ihm die Jungfer, er werde von allen sehnlichst ausgesucht , während die Andern ihn baten, er möge nicht aus der Stadt fortgehen. So thaten die Bürger in Kapernaum das Gegentheil von dem, was die Nazarethaner gethan hatten: jene hatten ihn fort- gestoßen, diese wollten ihn für sich behalten und wo möglich in ihrem bürgerlichen Wesen fesseln. Zudring- liche Anträge ließen sich wahrscheinlich vernehmen, aber Jesus konnte sich keine Fesseln anlegen lassen. Auch den andern Städteu muß ich das Reich Gottes verkündigem erklärte er, denn dazu bin ich gesandt; und zu den Jüngern gewendet, sagt er: wir müssen jetzt ziehen! Mark. 4, 35—38; Luk. 4, 42——44. (P. Lange.) II. la. 18—27. (§. 33 n. 34.) War« hierauf weiter geschah, hat St. itlalthäiis schon in Lan. 4, 23——25 erzählt. Als aber Jesus; dann naeh Kapernauin zurück— geliehrt und zum zweiten Mal längere Zeit daselbst thälig gewesen ist, verläßt er nach demselben Grundsatz, ankh andern Städten das Evangelium predigen zu müssen, das Voll: gleich vom Seeufer aus, an dem er zu ihm geredet hat, und will noch am Jtbend desselbigen Tages nach der Siidostseite des galiläischeic Meeres hinüber— fahren; einen Schriftgelehrtcm der-sieh ihm auschließeii will, hält er von seiner llaehfolge zurück, einem Junge: dagegen, den er dazu heran, hebt er das Bedenken, das diesen zitrüitihält Zeus der Fahrt selber begiebt sieh dann die Geschiihte oou dem gewaltigen Seesturin und von dessen Wunderbarer Stillung. (Vgl. Mark. 4, 35 —41; sub. Z, 22-—25.) 18. Und .da Jesus seines Nach1nittags, etwa im September des J. 28 n. Chr., als er am Ufer des Sees Genezareth in der Gegend bei Bcthsaida stand] viel Volks um sich sahe [bestieg er ein Schiff und predigte den Leuten lange durch Gleichnisse, wie deren etliche in Kap. 13 vorliegen; als es aber darüber Abend- geworden war und er für jetzt nicht nach Kapernaum zurückkehren, son- dern mit seiner Wirksamkeit sich erst anderwärts hinwenden wollte Mark. 4, 1 f. 35 f.], hieß er [die Jünger, denen das Schiff gehörte, nachdem sie das Volk entlassen hätten] hinüber jenseit des Meers [nach dem Gebiet der 10 Städte V. 28] fahren. Die 3 ersten Evangelisten haben uns sämmtlich eine Predigt Jesu in Gleichnissen aufbewahrt (Matth. 13, 108 1—-52;· Mark. 4, 1-—34; Luk. 8, 4—18); wenn nun bei Lukas weder das, was unmittelbar voraus-ging, noch das, was unmittelbar darauf folgte, sich bestimmt erkennen läßt, so haben dagegen Matthäus und Markus- dasselbe Vorher (und eigentlich auch Lukas , da der Abschnitt: 8, 19-—21 in chronologischer Hinsicht offenbar vor den andern: Z, 4——18 gehört), aber ein an- deres Nachher (vgl. Matth. M, 53-—58 mit Mark. 4, 35—41), und da beide gerade hier auf den geschicht- lichen Zusammenhang, sowohl was das Vorher als das Naihher betrifft, ein Gewicht legen (Matth. 13, l u. 53 f.; Mark. 4, 1 n. 35), so müssen beide, so sehr sie auch hinsichtlich des letzteren Punktes in gegenseitigem Widerspruch zu stehen scheinen, dennoch Recht haben. Da finden wir nun die Ausgleichung darin, daß der HErr zwei Mal vom Ufer des galiläischen Meeres aus, und zwar zu ganz verschiedenen Zeiten, das Volk in Gleichnissen gelehrt hat: das zweite Mal· geschah es in demjenigen geschichtlichen Zusammenhang, den so- wohl Matthäiis als Piarkus, und mittelbar auch Lukas, angegeben haben (Matth. 1"2, 46—50; Mark. 3, 3l—35; L11k. 8, 19——21) und den wir später werden näher ken- nen lernen; was nun da die darauf folgende Begebenheit betrifft, so ist hier Matthäus im Rechte. Dagegen das erste Mal geschah es in demjenigen geschichtlichen Zu: sammenhan , den wir oben bei Erklärung unsers Verses angedeutet aben; und sich anfchließenden Geschichte das Recht auf des Markus Seite. Es läßt oben in V. 18 sich kaum denken , daß Jesus das viele Volk, das sich zu ihm versammelt hat, um ihn zu hören , sollte ,,ungeesseu« (im geistlichen Sinne des Worts) von sich gelassen haben; Matthäus schreibt überhaupt manchmal sehr kurz und läßt viel zwischen den Zeilen lesen, urd aus dem, was er in Kap. 13, 2 f. erzählen wollte, konnte ja, das durfte er voraussehen, der aufmerlsame Leser leicht erkennen, wie er die wenigen Worte: »Und da Jesus viel Volks um sich sahe,« sich weiter anszumalen hätte. Andrerseits aber läßt es bei Katz. 13 kaum sich denken , daß Jesus in einer einzigen Predigt sollte ein Gleichniß über das andere, und zwar von ganz verschiedenem Gedanken- inhalt, vorgetragen haben; er hätte damit das Volk geradezu tiberfchiittet und eher betäubt, als gelehrt. Vielmehr sind bei solchen langen Predigten des HErrn die Gleichnisse gewiß nur die Gedankenspitzen , die Summa, in die er das Gesagte noch einmal kurz zu- sammenfaßt, und zwar in der dem Morgenländer ge- läufigsten Form , während wir Abendländer dafür das Thema mit seinen Theilen haben. Sollen wir nun auch unsre Pieinnng sagen, welche von deu»in Salz. is mitgetheilteu Gleichnißreden etwa hierher, m·d1e erste Seepredigt Christi gehören, so verweisen wir auf die Gleichnisse vom Seufkorn und vom Sauerteig·(V. 31 ——?33), ferner auf die vom verborgenen Schatz im Acker und von der Einen köftlichen Perle (V. 4»4—4ts)); »in die zweite Seepredigt aber gehören die Gleichntsse vom vielerlei Acker und vom Unkraut unter dem Weizen (Matth. 13, 3——9. 24-—30), sowie das von den guten und faulen Fischen (V. 47—F»)0). Jn Beziehung auf diese unterreden sich nachher die Jünger mit ihm und er mit den Jüngern (V. 1,t)— AS. Ists-Its. 5l u. 52), was nur auf dem Wege, theils nach Hause·(V. 36), theils nach Nazareth (V. 53 f.), geschehen ·sein kann; im Schiffe hingegen war zu solchen Zwiegesprächem wie auch Markus sie erwähnt und dabei den HErrn noch manches andere Wort zu den Jüngern reden läßt (Mark. 4, 10—·29. 36 ff.), kein ungestörtes Beisammen- sein, vielmehr sank der HErr da bald in den Schlaf. An diese Erzählungsweise der Evangelisten , wo sie Manches, was zu verschiedenen Zeiten und an verschie- hier finden wir in Betreff der — Evangelium Matthäi 8, 19——-22. denen Orten vorgefallen, seinem inneren Wesen nach aber gleichartig ist, zu einem Gesammtbilde vereinigen, müssen wir uns gewöhnen; erst dann wird es möglich, in die scheinbare Verwirrung, die uns öfter begegnet, sich zu finden und ein lichtes, klares Verständnis; sich anzueignem 19. Und es trat zu ihm lals eben die Abfahrt vor sich gehen sollte] ein Schriftgelehrter lder die Seepredigt V. 18 mit angehört und in der augen- blicklichen Begeisterung , von der «er sich ergriffen fühlte, den verborgenen Schatz im Acker heben und die Eine köstliche Perle kaufen wollte, davon der HErr geredet hatte Kap. 13, 44—46], der sprach zu Ihm [nicht nur zur Mitfahrt für jetzt, sondern auch zur Nachfolge für inimer sich anbietend]: Meister, ich will dir folgen, wo du hingehest [wo- hin es auch sein möge]. » 20. Jesus lwohl wissend, daß er es hier nur mit einem leicht erregbaren, aber noch keineswegs von» Gott ergriffenen Herzen zu thun habe] sprach zu ihm sum von dem unüberlcgtem wenn auch wohlgemeinten Schritt durch ernste Vorhaltung was für ein ernsies Loos seinen Nachfolgern be- fchieden sei, ihn zurückzuhaltenL Die» Fukhse haben Gruben lzu ihrer BehausungL und die Vogel unter dem Himmel haben Nester lwohin sie sich als in ihr Quartier zurückziehen könnensjz aber des Men- schen Sohn sDan 7, 13 f. Anm., den du aller- dings in meiner Person vor dir hast] hat nicht, da er seiu Haupt hinlege kund da bedenke dirs zuvor, was es heiße, ihm folgen, wo er hingeht]. Daniel sah nur das Bild, die Gestalt des messiani- schen Menschensohnes; in Christo ist er wirklich erschie- nen. Jesus aber hat diese alttestamentliche Bezeichniing des Messias ohne Zweifel deshalb gewählt, weil die iüdisch - chiliastische (von irdischer Herrlichkeit träumende) ENessiasEiwartung sich nicht dieses Ausdrucks in gleicher Weise, wie der andern alttestameiitlichen Bezeichnungen bemächtigt hatte; er setzte also den krankhaften, Phanta- ftifchen Erwartungen der Juden vom Messias, woran sich auch dieser Schriftgelehrte zu betheiligen schien, vor allem die Menschheit und Meuschlichkeit seines messiani- schen Charakters entgegen, er wollte vor allen Dingen als ein wahrer Mensch erkannt werden, und zwar nach der Armuth der äußeren meuschlichen Erscheinung, wenn auch zugleich dabei als der Menschensohm der zweite, ideale, heilige Biensch (1. Cor. is, 45 ff.). Bemerkens- roerth ist, daß gerade ebenso Johannes der Täufer dem Namen Elias, mit welchem Maleachi seine Zukunft ge- weissagt hatte, auswich, und sich dagegen die Bezeich- nung bei Jesaiasx »die Stimme eines Predigers in der Witstes erwählte (Joh. 1, 19ss.), weil sich auch an diese die chiliastische Auslegung noch nicht angesetzt hatte. (P. Lange) Die Antwort des HErrn berechtigt uns noch nicht, den sich zur Jiingerschast anbietenden Schrift- gelehrten einer unlauteren Absicht zu beschuldigein sondern sie setzt allein voraus, daß sein Beschluß zu rasch genom- men sei, als daß er hätte reif und wohl überlegt sein können; darum will der HErr, daß er sich vorher besin- nen möge, wie wenig Ruhe und Bequemlichkeit er auf diesem Wege zu erwarten habe. Er hat weniger, als selbst die freiesten Thiere besitzen, und kann also auch seine Nachfolger nur zur täglichen Selbstverleugnung rufen. Ger HErr weiset hier nicht zunächst auf sein Von zweien Nachfolgern des -HErrn: der eine wird zurückgehaltem der andere vorwärts getrieben. 109 geringes und ärmliches, sondern auf sein ruheloses und wandernde-s Leben hin, obschon auch das erste nicht ganz ausgeschlossen zu werden braucht — vielleicht spricht auch aus diesem Wort die Ahnung, daß er selbst ster- bend das Haupt an einem Orte zur Ruhe niederlegen würde, der nicht einmal sein Eigenthum war. Jeden- falls haben wir die tiefe Weisheit des HErrn auch darin zu bewundern, daß er gerade bei dieser Gelegenheit fich den Menschensohn nennt, als wolle er andeuten, daß er, der so viel Verleugnung fordert, sie auch vollkommen verdieue. Soweit wir aus andern Stellen selbst die besser gesinnten Schriftgelehrten kennen, werden wir wohl annehmen können, daß dieser auf ein solches Wort betrübt von dannen ging: Kap. M, 22. (v. Oosterzee.) 21. Und ein anderer unter seinen Jüngern [im weiteren Sinne des Worts Joh. 6, 66., der bereits zu seinen Anhängern zählte, an den er aber jetzt dieselbe Aufforderung richtete, wie in Kap. 4, 18 ff. an die beiden BriTderPaareJ sprach zu ihm: HErr lich bin bereit, dein beständiger Nachfolger und einer deiner Apostel zu werden, aber] erlaube mir, daß ich lfür dies Mal, statt mit dir hinüber jenseit des Meeres zu fahren] hingebe snach dem Haus meiner Eltern und GeschWisterJ und zuvor meinen Vater lvon dem ich so eben gehört habe, daß er heute gestorben sei, in Gemeinschaft mit meinen Angehörigen] begrabe 22. Aber Jesus sda bei diesem Jünger es auf eine sofortige, allem Hin: und Herüberlegen für immer ein Ende machende Entscheidung ankam] sprach zu ihm: Folge du mir [wie ich dir geheißen habe], Und las; die Todten [im geistlichen Sinne link. 15,.24; Joh. 5, 21; Offenb. Z, 1 ———hier: deine Angehörigen, die noch nicht zum neuen Leben aus Gott erwcckt sind] ihre Todten [im leiblichen Sinne des Worts — im vorliegenden Falle: dei- nen Vater] begraben lsie werden solches Geschäft, zu welchem ihre innere Natur in so naher Ver- wandtschaft sieht, auch ohne dich, ja besser als du besorgen, dir hingegen gebührt es, deine Pflicht gegen die zu erneuernde Menschheit der Pflicht gegen eine Hand voll Staub vorzuziehetis Gleichwie in Matth. 18 u. Mark. 4 zwei, zu ver- schiedenen Zeiten von Christo gehaltene See- und Gleich- nißpredigten zu einem Ganzen vereinigt sind und dies sein Gutes insofern hat, als wir so das Geheimnis; des Himncelreichs gleich mit Einem Male iiberschauety wenn auch der Blick in die äußeren Umstände, unter denen die Gleichnisse gesprochen wurden, nnd in die Zeitfolge der einzelnen Begebenheiten im Leben des HErrn uns da- durch verdeckt wird; so sind in Luk. 9, 57—62 die beiden hier vorliegenden Geschichteu mit einer dritten, innerlich damit verwandten, aber zeitgesclsiclstlich davon verfchiedenen zu einem Gesatnmtbilde verknüpft, was nun ebenfalls den großen Gewinn bringt, daß wir Christi Meisterschaft in der Behandlungsweise der ver- schiedenen Gemüthsarten mit Einem Blick übersehen können, nnd der Anschluß dieser drei Geschichten an die voranstehende (Luk. 9, 51—57) von den beiden Don- nerskindern (Mark. Z, 17) giebt dann weiter Anlaß, die vier menschlichen Temperamente in der Zucht Jesu Christi, des großen Perzenskündigers, zu betrachten, wie er das heiße Blut eziihmt, »den leichten Sinn warnt, den trüben Muth erinuntert und das träge Herz an- spornt (das cholerische oder heißblütige, das saugui- nische oder leichtblütige, das melancholische oder schwarzblütige, das phlegmatische oder kaltblütige Temperament) So liegt in der Darstellungsweise der heil. Evangelisten bei aller scheinbaren Verworrenheit deunoch eine große, göttliche Weisheit, wie ja aus-h Gottes Weltregieriing uns oft als ein ,,verwirrter Lauf der Welt« erscheint, bis wir im Licht erkennen, was uns zuerst so dunkel war. Nun haben von den drei Jüngern im weitern Sinne des Worts, Von denen St. Lukas an jener Stelle erzählt, der erste und dritte für uns weiter kein Jnteresse; sie haben sich selbst zur Auf- nahme in der; Kreis der Jünger Christi im engeren Sinne gemeldet, der HErr hat sie aber beide nicht brauchen können, und es ist gewiß ganz verfehlt, wenn P. Lange in dem ersteren den Judas Jscharioth, in dem letzteren den Matthäus wieder erkennen will. Dagegen muß der mittlere von den dreien, derjenige, mit welchem wir es an der vorliegenden Stelle zu thun haben, einer von den nachherigen Zwölfen (Kap. 1u, 1ff.) gewesen fein: aber welcher ist es gewesen? Ohne Weiteres ans- geschlosseu sind Petrus, Andreas, Johannes, Jakobus I. und Matthäus; denn von jenen vier ist schon in Kap. 4, 18 ff. erzählt, und von Matthäus hören wir in Kap. 9 , 9 fs.; der Kreis derer, die allein in Betracht kommen, schließt jedoch ans Gründen, die wir nicht einzeln erörtern können, noch enger sich zusammen, und es handelt sich zuletzt nur um die beiden: Philippus, an den Clemens von Alexandrien denkt, oder Thomas, den P. Lange hier nennt. Nun haben ohne Zweifel die beiden, welche ebenfalls scho11 früher Jefu Jiinger gewesen waren, Philippus und Nathanael oder Bartho- lomäus (Joh. I, 43 fs.), sich bald wieder zu ihrem alten Meister eingefunden, als dieser von Neuem seine Thätigkeit in Galiläa eröffnete (Kap. 4, 12 ff.), und sind von ihm auch bald dem engeren Kreis seiner Jiinger (Kap. 4 , 18 ff.) eingefügt worden , wenngleich nichts Näheres darüber mitgetheilt wird; daß aber in Bezie- hung auf Philippus dies erst hier, an unsrer Stelle, geschehen sein sollte, ist um so weniger glaublich, weil er überall, wo er in den Eoangelien auftritt, eine rasche, frische Geistesart offenbart, während wir es hier mehr mit einem schwermüthigeu Charakter zu thun haben. Dagegen ist Thomas in der That ein solcher Charakter; mit tiefer Unmittelbarkeitdes Gefühls verband sich bei ihm eine zum Zweifeln und Verzagen stimmende Re- flexion (Joh. 11, 16; 14, 5; ZU, 24), und da er nun feinem Herkommen nach gleichfalls ein galiläifcher Fischer aus der Gegend von Bethsaida war (Joh. 21, L) , ge- hörte er gleich anfangs zu Jesu Nachfolgeru im weiteren Sinne. Jndem aber der HErr jetzt in Begriff steht, die Meerfalsrt zu thun, und wohl weiß , wie ihm das eine Gelegenheit sein werde, vom Neuen als den Herrscher des Meeres sich zu offenbaren, wie er das schon in Luk. 5, 1 ff. gethan , beruft er den mit seinem irdischen Berufe an das Meer gebundenen Thomas zu seiner engeren Nachfolge, damit er Zeuge der Dinge sei, die da geschehen werden. Nun wird ein Nachdruck darauf gelegt, daß der Name dieses Jüngers ,,Zwilling« be- deute (Joh. II, l6; 20, 24; 21, ·2): war er das schon im leiblich en Sinne, was ja wohl möglich ist, so er- hält Christi Wort an ihn in V. 22 eine besondere Be- ziehung auf den noch unerweckten, vielleicht niemals gläubig gewordenen Zwillingsbruder; in geistlicher Finficht aber ist es nicht ohne Bedeutung, daß dieser so enannte Jünger unter einer Collision der Pflichten in den Kreis der Apostel eintreten muß. Endlich führen wir zu Gunsten der Ansicht, daß es sich hier um die Berufung des Thomas handele, den Umstand an, daß 110 Evangelium Matthäi 8, 23—26. in Kap. 10, 2ff. die Namen der Zwölfe wohl nach Maßgabe der Zeitfolge ihrer Berufung geordnet sind, und in der That fol t auf die Berufung des Thomas hier die des Matt äus in Kap. 9, 9 ff. Ueber den Ausspruch Jesu in dem vorliegenden 22. Verse behalten wir uns das Nähere zu Luk. J, 57 ff. vor? Evangelium am El· Sonntage nach Epiphaniäh Hat der erste Epiphaniensonntag den Propheten Christus in seinem ersten Worte, der zweite in seinem ersten Werke im Verhältniß zum alten Testamente, der dritte ihn in seiner von dem Tode der Sünde erret- tenden Wirksamkeit im Verhältniß zur Menschheit über- haupt gezeigt, so erschließt uns dieser vierte Sonntag das Verhältniß dieses Propheten zu dem Reiche der Natur, der Welt. (Nebe.) Vor acht Tagen handelte das Sonntags - Evangelium vom starken Glauben, das heutige macht uns abstchtlich auf den Kleinglauben aufmerksam, und wir erkennen darin wieder die Weisheit der alten Kirche, die in dieser Zeit nicht nur soviel wie möglich alle verschiedenen Glaubenszustände in Erwägung ziehen, sondern in ihnen mit Rath, Trost, Lehre und Ermunterung zur Seite stehen und dadurch Jesum ver- herrlichen wollte. (Arndt.) 23. Und er trat in das Schiff kdas zu seiner Aufnahme zurecht gemacht worden war V. 18], Und seine Iünger [im engeren Sinne, deren Zahl mit dem in V. 21 f. berufenen Thomas nun 7 betrug Kap. 10, 2 f.] folgten ihm [ganz fröhlich und wohlgemuthx denn obwohl es nun Abend war , zeigte sich doch nirgends am Himmel ein Anzeichem daß ein Sturm oder sonst eine Gefahr bevorstündes Der fchon viele und große Zeichen auf dem Lande gethan, ging jetzt auf’s Meer, um daselbst noch größere Werke zu zeigen, auf daß er allen als einen Herrn beide, des Landes und des Meeres fich offenbare. (Origenes.) Man hat hierin von je ein Bild der christlichen Kirche gesehen, wie sie unter der Veschirmung ihres HErrn und Meisters alle die, welche fich ihr an- vertrauen, trotz aller Feindschaft und Hasses der Welt glücklich an’s Ziel bringt, und hat darum unser Evan- elium kurzweg das Co. vom Schifflein Christi genannt. ålser will, der sieht also das Schifflein auch heute noch über die Wasser gehen, nur daß es nicht alle mit den gleichen Augen ansehen. Die Einen lieben den HErrn nicht und mögen nicht seine Iünger sein: die sehen nach dem Schifflein mit Haß und Verachtung, und können gar nicht genug sagen , wie gebrechlich und morsch und alt es sei, wie gewaltig die Stürme und wie wild die Wellen, die gegen es herandrängem und weissagen jeden Augenblick seinen Untergang. Andere sehen schärfen sie glauben an einen wunderbaren Bau des Schifflein-Z; die christliche Kirche dünkt sie eine große Macht, sie wissen, welche Stürme das Schifflein fchon überstanden hat, und zweifeln nicht , daß es noch manchem sicher widerstehen wird; aber hineingetreten in das Schifflein fmd sie nicht, sind nicht hineingetreten mit dem HErrn, von dessen Allmachtswort allein das Schifflein oben ge- halten wird. Etliche Andere aber haben gethan , was von den Jüngern gesagt wird: »sce folgten ihm nach in das Schiff,« und wollen die Fahrt mit ihm wagen; die allein erfahren es und können ein vollgiltiges Zeug- niß davon ablegen , was es mit diesem Schifflein für eine Bewandtniß hat und mit den Stürmen, die es be- drohen, und mit dem HErrn, der die Stürme immer wieder beschwichtigt Wie nun ergeht es denen, die mit Christo in’s Schifflein getreten sind? l) Sie werden Sturm haben, aber L) im Sturm Hilfe, und Z) nach Sturm und Hilfe großen Segen. (Caspari.) 24. Und siehe [nachdem die Fahrt einige Zeit ganz ruhig und friedlich vor sich gegangen und sie fchon auf der Höhe des Sees waren], da erhub fich [plötzlich, wie das auf dem rings von Bergen eingeschlossenen See Genezareth nicht selten sich ereignet, und zwar gerade von derjenigen Seite her, nach welcher die Fahrt hin ging Kap. 4, 25 Anm. , hier aber durch einen von oben her sich herabstürzenden Windwirbel bewirkt wurde Luk. 8, 231 ein groß Ungestiim [der aufgeregten Wasser: wogen], also, daß auch das Schifflein mit Wellen bedekket ward sdie Wogen über dem- selben zusammenschlugen und jeden Augenblick es zu verfchlingen drohten], und er [als störe ihn weder der Aufruhr in der Natur, noch der Auf- ruhr in den Herzen der Seinen] schlief sruhig weiter auf seinem Kissen hinten im Schifs, dahin er sich gleich bei der Abfahrt zur Ruhe von der angestrengten Thätigkeit des vorangegangenen Tages niedergelegt hatte Luk. 8, 23; Mark. 4, 38]. 25. Und die Iiinger [in ihrer Angst- da sie sich keinen ·Rath und keine Hilfe·mehr wußten] traten zu ihm und weckten ihn auf und sprachen [indem sie, der eine so, der andere etwas anders redeten »Mark. 4, 38; Luk. 8, 24., der Hauptsache nach aber» alle in dem ·Rufe sich ver- einigten]: HGrr, hilf uns , wir verderben [stehen in der äußersten Gefahr des Verderbenss Es ist kein Schiff auf allen Meeren jenem Schifflein zu vergleichen; denn der HErr ist drinnen, und feine Jiinger folgten ihm in dasselbe , sind bei ihm. Es ist kein See, kein Meer dem See Genezareth zu vergleichen; denn dieser trägt das Schifflein Christi, die Schule, in welcher die kostbare Perle Himmels und der Erde glänzt. Drum ist er wohl so schön, der See von Genezarethl Dachte der HErr daran, als er ihn schuf, daß der Ein- gebotene an ihm wohnen, auf ihm fahren würde? Jst deshalb der See so feierlich und freundlich still, wie die Seele des heiligsten Erlösers selbst, deß An esicht fich in seinen Wassern spiegelt? -—— Es ist sehr sti l Der HErr ist müde, und er entschläftx sein heiliges Haupt ruht auf einem Kissen, seinen heiligen Gliedern genügt das harte Lager im Hinterraum des Schiffs, er entschläft auf dem Meer, das ihn feiernd trägt — Engel und Menschen gelüstet es, diesen Schlafenden zu schauen. Da erhebt sich mit einem Mal ein Windwirbel und erregt ein Ungestüm im Meer; der Wind wirft die Wellen in’s Schiff, es wird voll und mit Wellen bedeckt, und schwebt in großer Gefahr. Wer mißgönnt dem Heiligen Gottes seine Ruhe? War»s, wie die Alten sagten, der Satan, der solchen Unfrieden wirkte und Christi Schisslein in den Sturm brachteP merkte er, daß ihm und seiner Legion, die in dem Besessenen jenseit am Gadareneufer wohnte (V. 28 ff.), eine Niederlage drohte? wollte er Christi Wunder an dem Besessenen vereiteln? —- Es wird ihm nicht gelingen! (Löhe.) Solche Stürme in der elementarischen Welt, wenn sie über das gewohnte Maß hinausgehen, haben etwas an fich, was auch ein sonst verhärtetes Gemüth erschüttern kann; sie sind nicht Den Wunderthaten zu Lande folgt eine Wunderthat auf dem Meere. 111 blos einBild, sondern eine wirkliche Folge der gestörten Harmönie in der geistigen Welt. Jn den Krämpfen und Zuckungen der Elemente spiegelt sich die Zerrüttung, welche die Sünde in den Menschenfeelen angerichtet; ja, die Natur , in Finsternis; und Grauen gehüllt, nimmt da oft eine so feindselige, schreckende Physiognomie an, es liegt in den Wuthausbrüchen des Sturmes, in feinem Heulen und Toben, wie in dem Zusammenschlagen und Aufschäumen der sich gegenseitig überstürzenden Meeres- wellen etwas so Tückifches und Boshaftes, als wenn die Dämonen der Hölle darin zum Verderben der Menschen los gelassen wären. (Roffhack.) Diese Historie läßt uns wohl merken und ein Sprüchwort daraus machen, daß wir sagen: so geht’s, kommt Christus in das Schiff, so wird’s nicht lange stille bleiben, es wird ein Wetter und Ungestüm kommen. Denn gewißlich gehet es also, wie Christus (Luk. II) auch sagt, daß der starke Gewapp- nete seinen Palast in Ruhe und Frieden befitzeh bis ein Stärkerer kommt; alsdann gehet der Unfriede an und hebt sich ein Schlagen und Kämpfen. —- Wenn es zu- vor alles stille ist, alsbald Christus sich mit einer Pre- digt hören und mit einem Wunderwerke sehen läßt, da brennt’s ·in allen Gassen; die Pharisäer, Schriftgelehrten, Hohenpriester rotten sich und wollen ihn schlecht (fchlech- terdings) todt haben, und sonderlichder Teufel hebt erst recht an zu toben und zu wüthecn Kap. 10, 34 ff. Die Welt kann wohl leiden alle Predigt, ohne Christi Predigt; gleichwie zu Rom und unter den Griechen (Apostg. 17, 16 ff.) viel und mancherlei abgöttische Pfaffen und Götzendiener waren, noch konnten sie den einigen Christum nicht leiden, sondern sobald derselbige kam mit seinem Evangelium und Predigt von rechter Erkenntniß Gottes, da wurden sie alle toll und thöricht, und wo er genannt ward, da schlug der Teufel mit seinem Wind und Wellen, mit Feuer und Schwert zu und wollte die Christen mit ihrem Christo nun zur Welt hinausjagem (Luther.) Der HErr weiß, was kommt, und legt sich schlafen vor dem Sturm, um zu schlafen während des Sturmes. Es sind ihm geringe Sachen , wenn Teufel und Welt wider ihn und seine Jünger stürn1en; er thut ihrem hohen Trotzen nicht die Ehre an, daß er sie an- sieht, er schläft ihnen in’s Angesicht, seine Widersacher möchten sonst denken, welche furchtbare Personen sie wären, wenn er sich mit ihnen zu schaffen niachte oder wenn er gar selbst in die Unruhe seiner Jünger hinein- gerietbe Nichts von dem allen: treibt es die Welt arg, so mag sie es noch ärger treiben; ihr zum Verdruß wird er ihre besten Künste mit einem tiefen Schlaf er- wiedern, was dem Feinde weher thut und mehr schadet, als wenn es zum offenen Angriffe gekommen wäre. Was lernen wir daraus? Nun, läßt der HErr die Noth und Anfechtung gewähren, sokönnen und müssen wir sie auch gewähren lassen: sicherlich hat es noch keine Noth, weil dem HErrn die Ruhe und das Schweigen gefällt. (Mitnkel.) Wo der Glaube der Jzinger stark und fest gewesen wäre , so hätten sie zum Meer und Wellen sagen können: Schlaget immer herein; so stark sollt ihr nicht sein, daß ihr das Schiff umstürzet, weil wir diesen HErrn Christum bei uns haben, und wo ihr’s schon vollendet, wollen wir doch mitten im Meer ein Gewölbe finden, da wir trocken sitzen und nicht ersaufen; denn wir haben einen Gott, derkann uns erhalten, nicht allein auf dem Meer, sondern auch in und unter dem Meer. Das heißt ein rechter Glaube: wenn er gleich in des Todes Rachen darinnen steckt, ermannt er sich doch und hält sich an diesen Trost, es könne ihm geholfen werden. (Luther.) Was ist denn für die Jünger in unsrer Textgeschichte vom Tode zu befahren, da das Werk, zu dem sie als Apostel ausgesonderh noch nicht einmal in ersten Angriff genommen? Bei ihnen im Schiffe Der, den der Vater gesandt hat, Jsrael zu er- lösen: wie sollte ein Sturmeswetter auf dem galiläischen See den starken Helden mitten in seinem sieghaften Gange aufhalten und hinwegschwemmen können? Jst es nicht Assecuranz (Versicherung) genug für den schwani kenden , zitternden Kiel , daß er , wie gebrechlich auch immer, das in den Rathschlüssen der Ewigkeit verordnete Heil der ganzen Welt in seinen Planken birgt? —— Die Gewißheit, seinen Lauf als Blutzeuge noch nicht vollendet zu haben, verleiht dort (Apostg. 27, 20 ss.) dem Paulus unter dem schreckliclysten Seesturm einen so getrosten Muth, daß er sich alle Seelen des Schisfs von Gott ausbitten und die ausgehungerte, schon des Lebens sich erwägeude Schiffsmannschaft zum Neh- men der Speise mit Danksagung und mit Freuden er- muntern kann. (Noffhack.) Jesu , meine Freude it. (V. 2 u. 3.) —- Man hat sich gewöhnt, in dem Rufe der Jünger blos ihren Klein glauben zu finden, man muß aberauch den inliegenden Glauben darin erkennen; beides, Glaube und Unglaube, fluthet nur wild durch- einander. Denken wir, wie es auf dem Schiff, auf dem Jonas vor dem BefehlGottes entfliehen wollte, zuging: da schrie ein jeder in der höchsten Noth zu seinem Gotte (Jon. l, 4f.). Die Jiinger sind mit dem See seit ihrer Jugend vertraut, sie haben alles versucht, was in ihren Kräften stand , um dem großen Ungestüm zu entrinnen; sie sehen keine Hoffnung, sie geben alles ver- loren. Und da wenden sie sich zu dem HErrn, der von dem See und von der Schifsfahrt wie gar uichts ver- steht; zu ihm nehmen sie in ihrer höchsten Noth ihre Zuflucht, er soll helfen, wo alle Menschenhilfe uichts ist. Welche Werke müssen die Iünger von ihrem HErrn schon gesehen haben! wie iiberzeugend muß er ihnen seine Kraft und Herrlichkeit erwiesen haben, daß in die- sem Augenblicke, wo der Boden unter ihren Füßen wankt, der Glaube unerschüttert in ihren Herzen steht: er kann helfen! wenn er nur aufwachen wollte aus feinem tiefen Schlaf, so wäre uns geholfen! (Nebe.) Ob wir gleich vor Schwachheit des Glaubens Zappeln und Zagen fühlen, wie wir denn von Natur nicht anders thun, sollen wir doch so klug sein, daß wir zu Christo laufen und ihn aufschreien und wecken mit Anrufen und Beten; denn er läßt sich auch hiermit wecken , daß er solch Rufen und Schreien des schwachen Glaubens den- noch gerne hat (Röm. 8, 26). Ja er will es von uns haben, denn er weiß, daß wir doch ni t anders seine Kraft und Hilfe lerne1i glauben und erfa ren, denn daß er uns dahin bringe, daß wir müssen zu ihm schreien und rufen. Und ob er gleich ohne unser Schreien und Wecken wohl könnte des Teufels Toben und Stürmen wehren und steuern, so will er doch von uns aufgeweckt und angerufen sein, auf daß wir lernen, wie feine Kraft i? ikynsrer Schwachheit mächtig und unüberwindlich sei. ( ut er.) 26. Da laus dem tiefsien Schlafe so unge- stüm geweckt, dennoch fein Auge mit ruhiger Klar- heit aufschlagend und mit sieghafter Geistesgegem wart sofort die ganze Lage Beherrschend, daß ihn weder der Aufruhr der Elemente verwirrte, noch das Angstgeschrei der Jünger beirrte] sagte er zu ihnen sindem es vor allem andern zuerst darauf ankam, daß auch sie aus der Verwirrung und Unruhe zur Ruhe und » Klarheit zurückgebracht würden]: Ihr Kleinglaubigem warum seid ihr so furchtsam? [da doch so gar keine Ursach zu dieser bangen Furcht des Todes vorhanden, wie ihr aus meinem so nahe bei euch Sein und 112 Evangelium Matthäi 8, 27. 28. nieiiiem ruhigen Weiterschlafen auch hättet abneh- men können; aber eben am Glauben fehlt’s, denn der macht fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trüb- fOiI Römi U« 121 Und stund auf [nachdem er denen, die ihm die äußere Ruhe genommen, die innere wiedergegeben] und bedriiuete den Wind Und das Meer sdaß sie sofort sich legen sollten]; da ward es sin einem einzigen Augen: blick] ganz stille swährend sonst der Sturm nur allmälig, unter noch andauernden einzelnen Wind: stößen, von feinem Wirthen nachläßt und das auf- geregte Meer viele Stunden braucht, sich von fei- nen Schwingungen zu ebenen]. Jesus hat einen leiseu Schlaf und ein feines Ohr: er erwacht auf den ersten Nothschrei der Seinen, Und kein Anblick, wenn er nochso unerwartet, noch so ent- setzlich ist, ftört den heitern Frieden seiner Seele-; er ringt nicht nach Fassung, er kommt gar nicht aus der Fassung , er bleibt ganz stille , Furcht ist ihm fremd. Furcht ist die Tochter der Sünde: der sündlose, der vollkommene Jesus, der sich in heiliger Gemeinschaft mit seinem Gott und Vater weiß, hat seinen Gott und Vater ewig zu seiner Rechten — wovor follte ihm denn grauen? Der HErr sieht ruhig in den Tumult hinein, und sein erstes Wort ergeht an seine Jünger —— natür- lich! sie haben ihn erweckt, und nicht das Meer hat es gethan; daher gebührt ihnen auch die erste Zurechtwek sung. Sie sind die Hauptpersonem das Meer, welches so tobt, als wollte es sie verschlingen, tobt ja doch nicht wider sie, sondern für sie; die Wogen, welche an die schwachen Wände des Schiffleins andon- nern, sollen mit der Stimme großer Donner ein Wort, eine Lehre in die Herzen der Jüuger hineinsprechew Diesem Zweck sind Wind und Meer dienstbar. (Nebe.) Zuerst (und zwar noch liegend) brachte der HErr die Gemiither der Jünger zur Ruhe, darauf (stch erhebend) auch die Meereswogen. (Bengel.) Hätte er die Beruhi- gung seiner Jünger nur durch Beschtoichtigung der Natur für möglich gehalten , hätte er nicht Ruhe mitten im Sturm bei den Seinigen voraussetzen zu können geglaubt, xwäre es nicht feine Forderung gewesen, daß von innen åheraus alle Beruhigung des Menschen geschehen, erst aus «den Seelen, dann aus der Creatur die Angst des Lebens vertrieben werden sollte; so würde er nicht vor Be- schwichtigung des Windes und Meers die Seelen der Jüuger gestraft und zur Ruhe gewiesen, er würde vor allen Dingen geholfen haben. (Löhe.) O daß wir doch beim Hilfeschreien zu dem HErrn allezeit, noch vor dem Erscheineu der äußeren Hilfe, auf die Antwort des HErrn im Herzen merken wollten, wie fein Geist uns aus dem Zagen zurecht zu bringen sucht und den Sturm der uns so unglücklich machenden Gedanken und Empfindungen in unsrer Brust mit dem Wort: »O ihr Kleingläubigen!« beschwört; da würde erst für die Wahrheit Gottes, und dann auch für den Segen der äußeren Hilfe der rechte Boden wieder gefunden. Wie einfach aber und ohne alles schaustellende Gepränge thut doch der HErr seine größten Werke! Als gälte es blos, den Wächter des Hauses, der durch sein Bellen die Kinder schreckt, zur Ruhe zu verweisen, erhebt er seine Hand drohend wider den heulenden Sturm, wider das empörte Meer , und spricht nur die zwei Worte (Mark. 4,39): ,,Schweige, verstumme« (genauer: sei wie einer, dem man einen Elliaulkorb angelegt, dem man den Mund verstopft hat)! Und dem Worte entspricht augenblicklich der Erfolg. (Roffhack.) Satan, Welt und ihre Rotteu können wir nichts mehr hier thun, als meiner spotten. Laß sie spotten, laß sie lachen! Gott, mein Heil, wird in Eil sie zu Schanden machen. (Warum sollt ich mich denn grämen —— V. 6), Die Wunder durchbrechen nicht uunatürlich die Natur, wie man oft vorgiebt (Kap.4,25 Anm.), sondern übernatürlich die Unnatur, wie aus unsrer Gefchichte erhellt. »Das ist doch offen- bar gegen das ursprüngliche Gesetz der Natur und wahr- haft unnatürlich, daß jemand Augen hat und nicht sieht, Ohren und nicht hört, Sprachwerkzeuge und nicht sprechen, Glieder und sie nicht gebrauchen kann — nicht aber, daß ein Heiland kommt und ihre Bande löst! Das ist in Wahrheit Unnatur, daß soviel Elend in der Welt ist, nicht aber, daß ein Heiland es aufzuheben sucht! Das ist Unnatur, daß ein Volk von einem andern auf das Grausamfte geknechtet und mißhandelt wird, nicht aber, daß Gott dreinsieht und es aus dem Lande seiner Knechtschaft ausführt durch Zeichen und Wunder! Das ist widernattirlich, daß Wind und Wogen sich em- pören wider ein gutes menschliches Thun, nicht aber, daß der HErr Wind und Wogen gebietet! Das wäre widernatürlich , daß Fünftausend , die dem Wort des Lebens nachgegangen, in der Wüste zu Tode verschmachten sollten , nicht aber, daß ihnen die milde Hand Gottes sich aufthut nnd aus Wenigem viel macht, wie sie alles aus Nichts gemacht! Das war Unnatur, daß der herz- lose Tod die Liebesbunde lösen durfte , die Gott selbst zwischen Mutter und Sohn, Bruder und Schwester ge- woben, nicht aber, daß einem Jüngling von Nain oder einem Lazarus zu Bethanien die Bande des Todes durch ein Machtwort gelöst werden! Das ist der Gipfel der Unnatur, daß die Welt den Einziggerechten an’s Kreuz heftet, nicht aber , daß dieser heilige Kreuzträger nicht im unverschuldeter: Tode bleibt» sondern auferfteht und siegreich zu seiner Herrlrchkeit eingeht! (Beyschlag.) Man könnte nun weiter sagen: wenn heutiges Tages ein Schiff in Gefahr wäre , müsse man eben doch blos auf eine Rettung natürlicher Art hossen und darum beten. Das ist sehr wahr; auf jenem Schiffe aber befand sich die christliche Kirche, d. h. ihr Eckstein und ihre künf- tigen Pfeiler. (Ebrard.) DiecMeerfahrt hätte auch in der in V. 24 beschriebenen Weise glücklich zu Ende gehen können: der Wind hätte gestürmt, das Meer hätte gebraust bis an das Ufer hin, und Jesus hätte ruhig fortgeschlafen und schlafend das Schiff zum Hafen ge- bracht. Das wäre ein Sieg des Glaubens gewesen, wie er sein muß; die Jünger aber hätten ihren Meister er- kannt, der schlafend nicht schläft, sondern mit Waffen streitet, die aller Welt Augen verborgen sind. Es ist nicht so gekommen! Die Jituger haben sich selbst um das Beste in der Geschichte gebracht und ihr einen Schluß gegeben, der zwar für angefochtene Seelen tröst- lich , jedoch dem Anfange nicht gleich ist: es ist des HErrn mitleidige Herablasfung, daß er sich zu seinen Geschichten oftmals den Ausgang von seinen schwachen Jüngern machen läßt. (Münkel.) Die Feigheit der Jünger mußte offenbar werden , damit sie für immer aushöret sie, die Athleten Kämpfer) des Glaubens, durften sich nicht flirchten. (Chrysostomus.) »Fürchte nichts, Cäsar ist im Schiff,« so sprach C. Julius Cäsar zu einem Schisser, der ihn über das adriatifche Meer fahren follte und von Furcht befallen ward. ,,Fürchte nichts, Christus ist im Schiffs« das sollten die Jünger des HErrn lernen in Betreff der Arche , die auf den hochgehenden Wellen der Sündfluth einherfährt (denke an die heil. christliche Kirche); waren sie doch berufen, am Steuer zu sitzen und mit ihrem Wort das Schiff durch Sturm nnd Fluthen dem Ufer entgegenzuführecr. 27. Die Menschen aber sdie im Schiffe waren, nicht allein die Andern, die sich der Fahrt Jesu Ankunft in der Gegend der Gergeseneu 113 angeschlossen, sondern vornehmlich auch die Jüngere, die sich dem HErrn der Herrlichkeit gegenüber wie- der einmal so recht als arme, sündige Menschen- kinder fühlten Mark. 4, 41; Luk. 8, 25; b, 8ss.] verwunderten sich snnter Schauern der tiefsten Ehrfurcht, die ihr Herz ergriffen hatten] und sprachen seiner zu dem andern]: Was ist das für ein Mann, dem Wind und Meer ge- horsam ist? [ob wir gleich ihn bisher schon kannten als einen Propheten mächtig von Thaten und Worten, müssen wir doch im Lichte der Er: kenntniß, das jetzt uns über ihn aufgeht, sagen: wir kannten ihn nicht Joh. 1, ZLJ Die Furchh welche die Jiinger eben noch vor der schreckenvollen Erhabenheit der Natur empfunden haben, trägt sich jetzt in ihrem Herzen auf den über, der die zerstörenden Kräfte derselben mit Einem Wort gebändigt hat. Aber diese Furcht des HErrn ist, wie aller Weis- heit, so auch des rechten Glaubens Anfang; sie weckt das Herz unter dem Verwundern und Erstarren der Vernunft zu jenen ahnungsvollen Fragen auf, ans denen durch Antwort von oben der Glaube geboren wird. Den Wind in seine Hände fassen und die Wasser in ein Kleid binden, wie Agur (Sprtichw. 30, 4) sagt, dem Meere und dem Sturm Gebot geben, worauf sie horchen, das sind Höttliche Prärogative, Majestätsrechte des Schöpfers der atur, an welche auch des erhabensten Erdenftirften Macht nicht reicht. O, wer ist der, welcher sich der- selben bedienen kann, nicht betend und schreiend zu Gott (l. Kön. l7 , 1 Anm.) , sondern dräuend in der Voll- macht eines Herrschers? Gewiß, das ist die Frage aller Fragen, werth, daß sie dich beschäftige Tag und Nacht, bis du die rechte Lösung gefunden, da an dieser Lösung dein Leben hängt. Den Jüngern dort geht eine Ahnung im Herzen auf, daß sie bei allem, was sie bisher gehört und gesehen, ihn wenig noch, ja kaum erkannt; daß er noch viel mehr und größer ist. Aber auch bei dieser neuen Offenbarung haben sie die Antwort nicht fogleich in Bereitschast, denn es reihet sich hier Geheimnis; an Geheimniß. Ein ,,Welcher dieser«, so hoch und so niedrig zugleich, den Menschen verwandt, der Creatur Gottes als ihr Herr bekannt, aber noch ein Bild der Schwach- heit vor Müdigkeit hingesunken und im Schlafe liegend, nnd jetzt sich erweisend als der, von dem Ethan (Pf. its, 9 f.) sagt: ,,HErr, Gott Zebaoth, wer ist wie du, ein mächtiger Gott? Und deine Wahrheit ist un: dich her. Du herrschest über das ungestüme Meer; du stillest seine Wellen, wenn sie sich erheben« bleibt zuritck -— Daß Thomas es ist, der hernach (Joh. 20, 24 ss.) mit seinem Ausruf: »Mein HErr und meiu Gott!« die rich- tige Lösung des Räthsels giebt, das die Herzen der Jiinger hier beschästigt, kann uns nur in der oben (V." 22 Anm.) ausgesprochenen Bermuthung bestärken, daß er derjenige von den zwölf Aposteln sei, den der HErr dort «zu seiner Nachfolge beruft. Zum Schluß unsrer Gefchtchte theilen wir noch ein Lied von dem zu Brandenburg gebotenen und im J. 1682 als Director der Schule in Tangermünde an der Pest verstorbenen Chr. Je. Connow mit, das leider nur selten in unsern Gesangbüchern sich findet: l. Wer Jesnm bei sich hat, kann feste stehen, wird auf dem Uuglüctsmeer nicht untergehen; wer Jesum bei sich hat, was kann dem schaden? sein Herz ist überall mit Trost beladen. ——- 2. Wer Jcsum bei sich hat, der hat den Himmel, wljnfcht zu verlassen nur das Weltgetümmeh wer Jesnm bei sich hat, der lebt vergntjget mit dem, was Gott und Glück D äch stPs Bibeltverl ihm zugefüget —- 3. Wer Jefnm bei sich hat, der mag nicht haben die Eitelkeit der Welt nnd ihre Gaben; wer Jesum bei sich hat, hat gnug auf Erden und mag in Ewigkeit nicht reicher werden. —- 4. Wer Jesum bei sich hat, kann sicher reisen, er wird ihm schon den Weg zum Himmel weisen; wer Jefum bei sich hat in höchsten Nöthen, den kann kein Teufel nicht noch Mörder tödten. —- 5. Wer Jesum bei sich hat, iftwohlbefchützetz wenn’s hefti donnert und erschrecklich blitzetx wer Jesum bei sich hat, darf nicht erfchrecken, wenn seine Sünd’n ihm Zkurcht und Angst erwecken. —— Ei. Wer Iefum bei sich at, darf nicht verzagen nnd kann den Teufel auch leicht von sich jagen; wer Jefum bei sich hat, wird nicht ver- derben; wer Jesum bei sich hat, kann fröhlich sterben. III. o. 28—34-. (§. 35.) nahten: de: has: das Schiff, welches ihn und seine Sänger an das jenseitige Ufer des Sees, und zwar an diejenige Seite gebracht hat, bis an welche das Gebiet der Gergefener oder Gadarener heranreichte, eben erst verlassen, tritt ihm sogleith ein Fall der schlimmsten Jtrt von dämontfrher ttefessenheit entgegen; er beweist sich aber auch da in seiner ganzen Herrlichkeit als der, der gekommen ist, die Werke dee Teufela zu zerstören, und unter, wie uns die beiden andern Goangelisteu erzählen, die Frucht seiner heilbritp geuden Wirksamkeit wenigstens in Einer Menschenseele, die er für feinen Dienst gewinnt. Die Bewohner: der Stadt dagegen, welche nicht sowohl die Wohlthat in der Erscheinung dessen, der mit Macht den nnsaubern Gei- fiern gebietet, als den Schaden, den sie mit dem Verlust ihrer unreinen Thiere erlitten haben, berechnen, bitten sofort, ihr Gebiet wieder zu verlassen; und Jesus, der nicht tauben Ohren und verschlossenen Herzen predigen will, geht auch wirklich hinweg und tritt sogleich den störte— weg an. »wir haben hier ein Ereigniß vor und, dae nnr dann Sinn hat, nur dann vernünftiger weise in die evangelische Gefchichte gehört, wenn wir, nicht achtend, wie gleich— oder wie fremdartig es der Denlkweise einer andern Welt und eines fernen Jahrhunderts sein möge, ca so nehmen, wie es der Evangelist giebt. So genom- men sagt eø, was eg uach seiner Absicht oll, seht: viel; anders genommen, sagt ca gar nimm« ( gl. Mark. S, 1——20; Bitte. s, 26—39.) 28. Und er kam sals er nun bei Tagesan- bruch mit seinen Jüngern am südöstlichen Ufer landete] jenseit des Meers, in die Gegend der Gergesener sin das bis nahe an das Ufer reichende Gebiet der Stadt Gadara Mark. b, l: Luk. 8, 26, einer von den 10 Städten Katz. 4, 25 Anm.]. Da liefen ihm sgleich bei seinem Austreten aus dem SchiffJ entgegen zween Besessene, die kamen ans den Todtengrcibern [aus den, in den Kalkstein- berg, auf welchem die Stadt lag, eingehauenen Grabhöhlenz dort hatten sie ihre Behausung, trie- ben sich aber am Tage unbekleideh wie sie waren, an den Schweselquellett bei Amatha, auch wohl noch weiter nördlich an dem Seeuser herum], nnd waren [bei dem überaus hohen Grade ihres Wahn- sinns, vermöge dessen sie auch immer wieder die Fesseln zerrieben nnd die Ketten zersprengten, wo- mit man sie hatte binden wollen] sehr grimmig, also, daß niemand dieselbige Straße swelche dort vorüber-führte] wandeln konnte lohne sich der größ- ten Gefahr auszusetzens N. T. I. 8 114 In Betreff des Namens der Stadt, um die es sich hier handelt, bieten die griechifchen Handschriften außer der oben im Text von Luther befolgten Lesart: ,,Ger- -gesener« noch die beiden andern: ,,Gerafener« und: »Gadarener« dar. Die erstere (Gergesener) scheint erst durch Origines aufgekomnien zu sein, zu dessen Zeit sum 240 n. Chr.) man den Abhang auf der Ostfeite des Sees Genezareth zeigte, von dem sich die Schweine in’s Meer gestürzt hätten (V. 32), und der nun auch eine in der Nähebefindliche Stadt Gergesa (etwa I Stunde öftlich von dem auf Karte VI. verzeichneten Hippos, heut zu Tage Dhirsa genannt, wofür man vielleicht ursprünglich auch Gerafa sagte) erwähnt. Die andere Lesart (Gerasener) scheint auf einem Piißverstäiidniß oder auf andrer Schreibweise zu beruhen; und so dürfte wohl die dritte (Gadarener) für die ursprüngliche und richtige anzusehen sein. Wie die noch vorhandenen Rai- nen von 0m-Keis zeigen, zeichnete sich Gadara durch die Pracht seiner Paläste und öffentlichen Gebäude, fo- wie durch bedeutende Bevölkerung aus; gegenwärtig hat aber der Ort kein einziges Haus , sondern die ca. 200 Einwohner haben die Todtenstadt inne, d. i. die vielen Höhlen nnd Grüfte, die in den Kalksteinfelsen, auf dem die Ruinenftätte liegt, eingehauen und mit Sculptnren reich verziert sind. Von Pompejus zu Syrien ge- fchlagen, ward Gadara hernachmals von Augustus dem Herodes gefchenkt, bis fie nach dessen Tode wieder an Shrien fiel und dann auch im letzten jüdifchen Kriege eine Rolle spielte. Ungleich größere Schwierigkeiten aber als obige Namensverfchiedenheit bereitet die Abweichung des hier vorliegenden Berichts von dem bei Markus nnd Lukas in Betreff der Zahl der Besessenen; denn während Matthäus von zweien redet, haben die andern beiden Evangelifteii dafür nur einen einzigen. Nun sucht man diese Schwierigkeit in der Regel dadurch zu beheben, daß man annimmt, der eine von den beiden war die Haupts-person, der vorzugsweise Bösartige, an dem aber hernach auch Christi Wohlthat als besonderes Gnadenwerk sich offenbarte in dem Erfolge, der uns in Mark. 5 , 15 ff.; Luk. 8, 35 ff. erzählt wird; nur bei voller Abhängigkeit des andern von ihm war überhaupt ein Zufammengehen desselben mit ihm denkbar, daher haben Markus und Lukas, welche das Gewicht mehr auf den, im Verhalten des Geheilten hervorgebrachten Erfolg der Heilung, als auf die Größe der Wunderthat selber legen, den andern ganz außer Betracht gelassen. Indessen begegnet uns dieselbe Eigenthtin1lichkeit, daß Matthäus von 2 Personen redet, wo die andern Evan- gelisten nur von einer erzählen- später noch ein Mal (Kap. 20, 30, vgl. Mark. l0, 46; Luk. 18 , 35) , und müssen wir eben darin eine Eigenthiimlichkeit seiner Er- zählnngsweife anerkennen, die sich hier leicht dadurch er- klärt, daß unser Evangelist die in vieler Hinsicht ähnliche Heilung eines Besessenen in der Schnle zu Kapernaum (Mark. 1, 21 ff.; Luk. 4, Z! ff. — auch dort schreit der Vefefsene, auch dort kennt er Jefum als den Hei- ligen Gottes, auch dort spricht er: ,,halt, was haben wir mit dir zu schaffen?«) oben (bei Kap. 4, 2"2) über- gangen hat, aber doch mittelbar ihr Gedächtniß durch die Verbindung mit der hier vorliegenden Gefchichte erhalten wollte. Es kam ihm überhaupt oftmals nur auf die wefentlichften Zlige aus dem Leben Jefu, auf die Haupt- gattungen seiner Wunderwerke an, ohne sich auf alle einzelnen Umstände näher einzulassen; und so erzählt er denn auch an unsrer Stelle sehr kurz nttd summarisch, während Markus und Lukas bei dem Einzelbilde ver- weilen und es in feinen Details vorfiihren Sowie die Schrift ist, schreibt Olshauf en, erscheint sie göttlich und menschlich zugleich, und wir miifsen die bnchstäb- liche Inspiration (Eingebung der Schrift durch den heil. Evangelium Matthäi s, 29-—34. Geist) von der wörtlichen wohl unterscheiden; jene würde auch die unwefentliche Form, die mit dem Kern der Lehre nicht weiter zusammenhängt, in sich begreifen, während diese blos auf die wesentliche orm, die ohne Alteration des Inhaltes nicht anders fein könnte, sich beschränkt. v. Burger aber sagt; Wer folche Differenzen beuutzen will, um die evangelische Geschichte überhaupt als unsicher und als zweifelhaftes Ergebnis; mannigfach sich fpaltender Tradition in Anfpruch zu nehmen, der mag es· thun auf seine Gefahr; Gelegenheit und Anlaß ist ihm nicht entzogen in der Schrift, welche ebenso wie der, von dem sie zeugt, gefetzt ist zu einem Fall und Auferftehen Vieler· 29. Und siehe, sie [im dämonifchen Hellfehen Jesum für den erkennend, der er war, und vor feiner Nähe ein teufliscbes Grauen enipfcndend, in dazivischen aufleuchtendem rnenfchlichen Bewußtsein aber auch die bevorstehende Heilung ahnend und vor. der mit dem Vollzuge der Heilung eintretenden Steigerung der Qual sich fiirchtendf schrieen Und sprachen: Ach Jesn, du Sohn Gottes, was haben wir mit dir zu thun? Bist du herkommen, uns zu quälen, ehe denn es Zeit ist? . 30. Es war aber ferne von ihnen sdoch nicht allzuweit von der Stelle, wo die Verhandlung ge- schah Mark« b, U; Luk. 8, 321 eine große Heerde Säue an der Weide. 31. Da baten ihn die Teufel und sprachen: Willst du uns austreiben, so erlaube uns, in die Heerde Säue zu fahren. 32. Und er sprach: Fahret hin. Da fuhren sie aus, nnd fuhren in die Heerde Säue snicht etwa blos unter sie, wie wenn sie dieselben hätten erschrecken wollen, sondern iu sie hinein, in das thierifche Nervenlebens Und siehe, die ganze Heerde Säue [von namenlofer Angst ergriffen] stürzte sich mit einem Sturm its-s Meer, und ersoffen im Wasser. 33. Und die Hirten lwelche die Heerde gr- weidet hatten] flohen und gingen hin in die Stadt und sagten das alles, und wie es mit den Besesse- nen ergangen war. 34. Und siehe, da ging sin Folge des Be: rici)ts, welcher den Gergefeuern ein Grauen vor Jesu Nähe, statt Freude iiber feine Ankunft, ein- geflößt hatte] die ganze Stadt heraus Jesu ent- gegen. Uud da sie ihn sahen, baten sie ihn, daß er von ihrer Grenze weichen wollte swozu er denn auch sofort sich anschickte und nach dem Schiffe, das noch am Ufer des Sees hielt, zuriickgings Was den Hergang im Einzelnen betrifft, so liegt tin-Z, wie schon angedeutet, der genauere und anfchanlichere Bericht bei Markus und Lukas vor; wir haben es dar- nach an unserer Stelle eigentlich wohl nur mit einem Besessenen zu thun, in diesem Einen nnd feiner Heiluugs- gefchichte finden sich aber so viele einzelne Züge ver- einigt, daß wir hier nur das Allgemeine erörtern, können, das Besondere dagegen auf die dortigen Be- richte uns auffparen müssen. Ueber die Befessenheit selber nun, deren im alten Tesiamente außer etwa in l. Stint. M, 14 (und auch hier nicht in unmittelbarer bestimmt ausgesprochener Weise) noch gar keine Erwäh- nung« geschieht, weil im alten Testament der satanische Hintergrund des Bösen und des Uebels bis zu einem gewissen Maße für die Erkenntniß noch verhüllt bleiben mußte, die aber zur Zeit Christi, wo das Reich der Finsterniß alle Kräfte ansbot, um seinem in die Geschichte eingetretenen Ueberwinder die Spitze zu bieten und ihm die zu erlösenden Menschen streitig zu machen, sowohl an Stärke als an Zahl in solchem Grade angewachsen war, daß uns davor schaudern könnte, wäre diese Zu- nahme nicht zugleich in des HErrn Hand ein Mittel geworden, sich als Zerstörer der Werke des Teufels auf Schritt und Tritt zu beweisen und die Ankunft des Reiches Gottes unverkennbar hervortreten zu lassen, wurde zu jener Stelle (1. Sam. 16, U) bereits das Nöthigste, was einigermaßen ein Verständniß der so räthselhaften Krankheitsform vermitteln kann, vorgebracht. Wir fügen dem dort Gesagten hier einige Bemerkungen hinzu, um die Sache unserem Bewußtsein noch näher zu führen und Christi Wirksamkeit tiefer zu erfassen, als überall da geschieht, wo man in dies dunkle Gebiet sei- ner Wunderthätigkeit nicht weiter einzudringen versucht, sondern mit einem flüchtigen Blick daran vorübergeht. Wenn es auf der einen Seite ganz richtig ist, daß, wie Luther schreibt, alles Böse und unglückliche, was in der Welt geschieht, vom Teufel geschiehet, und also auch alle Krankheit von demjenigen -kommt, der alles Unglück stiftet und anrichtet, so darf man doch die Tragweite dieses Satzes nicht bis dahin ausdehnen, daß man mit Luther auch weiter sagen wollte: ,,so du einen siehest blind werden, so sprich, «es sei des Teufels Werk, welcher nicht anders kann, denn Schaden thun« Damit würde man allen Unterschied zwischen natürlichen und dämoni- schen Krankheiten aufheben nnd, weil man auch die na- türlichen Krankheiten zu dämonischen gemacht hat, für letztere eigentlich keinen Raum mehr behalten; auch wäre nicht recht ersichtlich, wie ein gläubiger Christ sich ferner noch als errettet von der Obrigkeit der Finsternis; an- sehen könnte, wenn Gott nicht anders als durch die Teufel ihm Unglück und Krankheit zuschickte Wir mijssen vielmehr mit Delitzsch festhalten, daß nach Jes 45, 7 Gott der HErr ebensowohl Schöpfer der Finsterniß ist, als Bildner des Lichts, ebensowohl Stifter des Friedens, als Schöpfer des Bösen — letzteres insofern, als er mit dem wahlfreien geschöpflichen Willen auch die Möglich- keit des Bösen und aller aus der Verwirklichnng dieser Möglichkeit sich ergebenden heilloseu Folgen geordnet hat. Nun hat Satan durch seinen Abfall von Gott die Möglichkeit des Bösen in der That zur Wirklichkeit ge- macht; er hat den göttlichen Zorn auch in der Mensch- heit entzündet, nachdem er selbst gleichsam zur Materie des göttlichen Zornbratides geworden, hat die Macht des Todes entbunden nnd damit zugleich das dem Tode vorausgehende Wetterleuchten in den mancherlei Krank- heiten, Gebrechen und Zerrttttnngeit des geistleiblichen Menschenlebens heraufbefchtvoreth und hat als derjenige, dessen Herrschaft in der Erdenwelt der ursächliche Hinter- grnnd alles Sterbens auf Erden ist, des Todes Gewalt (Hebr. 2, 14). Letzteres ist nun aber nicht so zu ver- stehen, als ob er ein über alles Sterben der Geschöpfe und insbesondere der Nkenschen nach Willkür verftigender Herrscher, oder auch nur der flir alle Fälle von Gott bestellte Todesengel wäre; vielmehr ist der Tod nicht minder eine richterliche Machtwirkung Gottes, als eine gottseindliche Machtwirkung des Teufels, vermittelt durch die von ihm aus die Menschheit übertragene und da heimlich erhaltene Sünde. Gleichwie nun Gottes über- schwängliche Gnade in besonderen Fällen die gottfeind- liche Machtwirkung des Teufels abwehren oder wieder aufheben kann, wie wir daraus sehen, daß Henoch nnd Das Wunder an zwei Besessenen. 115 Elias des Todes nicht sterben durften, Moses aber dem Tode wieder entnommen wurde (!.Mos. 5, U; 2Kön. 2,11; 5. Mos. 34, 5f.); so braucht äuch Gottes richter- liche Machtwirkung an den für gewöhnlich bestellten Schergen des Todes sich nicht zu binden, sondern kann auch in außerordentlichen Fällen gute Engel zu Mittlern seines Zornes machen (1. Chron. 22, 15 f.; Jei. 37, IS) oder natürlicher Verhältnisse und Ereignisse als Mittelursachen seiner Verhängnisse sich bedienen (Apostg. 12, 23). Und wie dies in Beziehung auf den Tod selber gilt, so auch in Beziehung auf die Krankheiten: es giebt da Krankheiten, welche ausdrücklich als Gotteswirkungen guter Engel oder als unmittelbare Verhängnisse Gottes bezeichnet werden (2. Chron. Tit, 20; Apostg. 13, 11); nnd wo er weder in diesernoch m jener Weise un- mittelbar selbst eingreift, sondern sein Verhängniß durch den natürlichen Lauf der Dinge sich vollzieht, da haben wir’s mit natürlichen Krankheiten zn thun. In V· 16 unsers Kapitels und iu Viark Z, l5 wird denn auch zwischen sogen. natürlichen und eigentlich dämoni- schen Krankheiten deutlich ein Unterschied gemacht: jene haben, wie Delitzsch sich ausdrückt, das die gegenwärtige Welt zugleich mit dem Principe der Liebe durchwaltende Princip des Zornes zu ihrer unmittelbaren Ursache, diese dagegen sind mittelbar vom Satan und andern Geistwesen gewirktex jenen entsprechen auf sittlichem Ge- biete die Versuchungen der Welt und des Fleisches, diesen dagegen die Versuchungen des Teufels. Während wir nun auf die natürlichen Krankheiten ausfiihrlicher bei Katz. 9, 20 zu sprechen kommen, gehen wir hier noch etwas näher auf die eigentlich dämonis chen Krankheiten ein. An demjenigen Besessenen, von welchem bei Mar- kus und Lukas erzählt wird und mit welchem an der vorliegenden Stelle ein zweiter von fast derselben Art verbunden erscheint, gewahren wir folgende Symptomex er brüllt fürchterlich, zerreißt in nnnatürlicher Stärke die Zwangsbande, die man ihm hat anlegen wollen, leidet keine Kleider, wüthet heftig gegen sich selbst, bleibt nicht daheim, sondern hält sich Tag und» Nacht in den Grabstätten nnd Bergen auf und überfällt wiithig, die ihm zu nahe kommen. Nun giebt es allbekannt auch im Bereich der natürlichen Krankheiten eine mit Unstätig- keit verbundene Tobsuchtx die hier geschilderte Unstätig- keit dagegen bekundet schon durch den Zug nach Gräbern und wüsten Orten ihren dämonischen Character (Kap. U, 43), und da vollendet sich das Krankheitsbild eines eigentlich Besessenen nicht sowohl durch seine eigene Aussage, daß er eine zahllose Menge von Teufeln in sich beher- berge, (denn es kommt dabei, wenigstens was diese Unzahl betrifft, eine Wahnvorstellnng des Kranken in Betracht ähnlich der solcher Geisteskrankem welche man in der neueren Psychiatrie Dämonotnanen nennt), als vielmehr dadurch, daß die Teufel, welche von ihm Besitz geno1n- wen, die Selbstmacht seines Geistes völlig verdrängt haben und, seiner Leibesorgane sich bedienend, aus ihm reden. Was sie Ida-reden, oerräth einen, über den Er- kenntnißgrad des damaligen Menschen weit hinausgehen- den hellseherischen Einblick in Jesn Person und Werk, aber auch das dämonische Grauen vor der Nähe dessen, an den sie glauben müssen, um vor ihm zu zittern (Jak. Z, l9). Wir fassen, was bis jetzt Zutreffendes zur Erklärung des Znstandes der Besessenheit gesagt worden ist, zunächst in die Worte eines kathol. Theologen (Dierin- get) zusammen, der sich folgendermaßen äußert: Die durch den Fall in der Sünde verstrickte Menschheit als solche befindet sich in einer inneren Wahlverwandtschaft mit den abgefalleneii Geistern, welche sie dem verführe- rischen und quälenden Einflusse dieser bloßstellt; wie weit aber dieser Einfluß bei dem einzelnen Menschen sich ge- stalte,.hängt nicht allein von dessen sittlicher Selbst- ssk 116 Hwwgdggg bethätigung ab, sondern überhaupt von der Art und Weise, in welcher sich der Einzelne nach dem unerforsch- lichen Rathschlusse der Vorsehung an dem gemeinsamen Wehe des ganzen Geschlechts betheiligen soll; »denn ob- gleich alle Krankheit eine Folge und Strafe der Sünde, so ist doch im Allgemeinen das persönliche Verschulden eines Menschen nicht zu messen nach dem Antheil, der ihm an den physischen Leiden und Bedrängnissen des Geschlechts geworden ist. Die Besessenheit ist ohnehin nur graduell verschieden von dem Einfluss« welchen die feindlichen Mächte mehr oder weniger auf jeden Men- schen auszuüben streben, und hat ihre fürchterliche Seite nur in ihren augenfälligen Gestaltungen, indessen andere " Wirkungsweiseu der gesallenen Geister sich der äußeren Wahrnehmung entziehen, dafür aber für die Seele der Zugänglichen um so verderblicher werden können. Judas war keineswegs ein Besessener, und dennoch ist Satan« in ihn gefahren und hat ihn zu schwärzerer That ver- leitet, als je ein Dämonifcher auszuführen vermag. Es giebt einen niedrigeren Grad der Besessenheit (0bses»si0: Belagerung), bei welchem ein Nebeneinander leiblich ver- mittelter Selbstbethätigcing des Dämons einerseits und der menschlichen Seele andrerseits noch stattfindetx der höhere Grad ipossesim Besitzung) ist dann der, wo dieses Nebeneinander aufgehoben ist, indem die dämoni- sehe Gewalt den Gebranch der leiblichen Organe sich gänzlich zugeeignet oder doch denselben der Seele der- gestalt verkümmert hat, daß diese wie gebunden erscheint, in der That aber nur auf ihre eigene Jnnerlichkeit an- gewiesen ist und darum auch dem verderblichen Einfluß des Bösen so lange fremd bleibt, als sie demselben nicht freiwillig. sich anschließd Selten indessen ist diese Ge- bundenheit in dem Sinne eine totale, daß nicht auch zeitweilig die Seele als haudelndes Princip in den Vordergrund träte, so daß die Zustände der Possession und der Obsession mit einander wechseln« Wenn nun nach Anm. zu I. Sain. 16, 14 der spezifische Charakter der Besessenheit darin besteht, daß Dämonen sich zwischen die Leiblichkeit und die Seele des Menschen durch die Vermittelung des Nervenshstems eingedrängt, die Seele sammt dem Geist gewaltsam gebunden und die Leibes- organe zum Mittel ihrer eigenen, für den Menschen qualoollen Selbstbethtitigung gemacht haben; so fragt es sich weiter, wie sich das als möglich soll denken lassen, daß ein Dämon sich da, wo die Seele mittels des Nerven- systems auf die Leiblichkeit einwirkt und Rückwirkungen von ihr erfährt, festsetze und von hier aus eine auf Seele und Geist sich erstreckende vergewaltigende Wirkung aus- übe, welche die Seele aus ihrem Machtverhältniß zu dem von ihr belebten Leibe verdrängt, den Geist aber durch zauberhafte Knechtnng des eigenen Willens bis zur bloßen Potenz (Kraft) herabdrückh Und da bieten uns die durch einen Menschen am andern künstlich hervorgebrach- ten magiietischen Zustände einen Anhalt, solche Möglich- keit allerdings zu erkennen. In diesen Zuständen erscheint der Magnetisirte ebenfalls als das schlechthin willenlose Werkzeug des Magnetiseurs, und der Inhalt des Bewußt- seins auf Seiten des letzteren spiegelt sich im Bewußt- sein des ersteren dergestalt, daß die Jndividualität des einen wie unter-gegangen scheint in der des andern. Kneife den Patienten, er fühlt es nicht; kneife aber den Opera- tor, der Patient fühlt es, als wäre Er gekniffen worden, und klagt über Verletzung des betreffenden Theils. Gieb dem Patienten Rhabarber in den Mund, er hat keinen Geschmack davon; gieb dem Operator den Rhabarbey und der Patient schmeckt nnd nennt diesen Stoff, indem er sich einbildet, er habe ihn selber im Munde. Auf die Beine gebracht, steht er wie festgenagelt, setzt sich aber, den Bewegungen der Hände des Magnetiseurs folgend, in sichtlich unfreiwillige unheimliche Bewegung; Evangelium Matthäi 9, I. 2. aufgefordert von diesem, an einem bestimmten Tage und zu einer bestimmten Stunde ein bestimmtes Musikstück auf dem Instrument bei ihm zu spielen, wird der Magne- tisirte, auch nachdem der magnetische Zustand längst vorüber, dennoch pünktlich sich einstellen, eine gewisse Unruhe zeigen, als läge ein Bann a1cf ihm, wenn das Stück für ihn zu schwer ist, und nicht eher zur Ruhe kommen, als bis fein Meister ihn von Neuem magnetii sirt und nun von seiner Aufgabe entbunden hat. Was in allen diesen Erscheinungen, denen noch manche andere , beigefügt werden könnten, sich uns darstellt, ist Bekan- schung, Bindung, Besitzung der einen Menschenseele durch die andere, begleitet von einer außerordeutlichen Steige- rung der Kräfte; und doch ist diese Art der Besitzuug nur von außen her vermittelt, weil die Seele des Besitz- ergreifenden immerhin an ihren eigenen Leib gebunden bleibt. Noch viel durchgreifender wird daher jene Be- sitzergreifung sich gestalten, wo ein Dämon kraft feines viel geistigeren illokalen, d. h. an keinen bestimmten Ort gebundenen Wesens in den Wesensbestand des Menschen selber eindringt. Von der Grenze aus, schreibt Delitzsch dessen Auseinandersetzungen hauptsächlich wir hier gefolgt « sind, von der Grenze aus, wo Leibesleben und Seelen- leben zusammenhängen, äußert der Dämon auf die Kräfte der Seele, besonders die Einbildungskrafh seine andrin- gende Wirkung und versetzt von da aus den Geist wie in Belagerungszustand, so daß er bei aller Anstrengung widerstandsunfähig wird. Die Macht der Freiheit kann in Lichtblicken den finstern Bann durchbrechen, denn die Freiheit ist in ihrer Bethätigung gebunden, ohne in irem Wesen vernichtet zu fein; aber im Allge- meinen ist über Geist und Seele und Leib in allen ihren Kräften von jenem äußersten Hintergrunde, dem Willen des Geistes aus, der dämonische Bann mit seiner Bin- dung der Freithätigkeih seiner Verfinsterung des Bewußt- seins, seiner Verkehrung und Verwirrung hingelagert. Christus nun heilt die Besessenen jedes Mal durch Erör- cismus (Austreibnng), den er in Kap. 15, 28 sogar aus der Ferne übt; wir werden davon zu Kap. 12, 22 han- deln, hierorts aber ist in Beziehung darauf, daß die aus- fahrenden Teufel den HErrn bitten, in die Heerde Säue fahren zu dürfen, noch Folgendes zu bemerken. Jn Leibern sich bergend und an leiblichen Geschöpfen sich austobend, finden die Dämonen eine Linderung des Zorngefühls von welchem ihr geistiges Wesen ergriffen ist und durchtobt wird; der HErr gewährt ihnen, was sie erbittert, damit für den Besessenen seine Wunder- errettung um so überzeugender werde, die Dämonen aber haben sich verrechnen wenn sie meinten, nun im Nervenleben der Thiere ihre Wuth austoben zu können, vielmehr gerathen sie auf eben diesem Wege dahin, wo—- hin sie nicht wollten, in den Abgrund ihrer höllischen Wohnstätte. Denn eine Menschenseele zwar vermag ein furchtbares Maß von Angst und Qual zu ertragen, weil sie die Kraft des selbstbewußten Willens ihm ent- gegenzufetzen hat; die Säue hingegen werden durch das physische Angstgefühl als durch eine reine Naturmacht sofort zu bewußtloser Raserei gebracht und stürzen in blinder Tollwuth vorwärts über einen senkrechter( Ab- grund in den See hinab. Das 9. »KapiteI. Mund-erweckte Christi nach seiner Heimkehn IV· v.1—3. (§. 36.) nei seine: tränken» sum; Eapernatim wird Iesug sofort wird-r in seine Eehtthäi tigkeit und wnnderwirksamkeit hincingezogenz denn dar Jesu Rückkunft nach Kavernaiim 117 voll: umsieht alsbald, nachdem seine Jtnliunft benannt geworden, das Hans, darin er seine Herberge hat, nnd vier zttlänner bringen auf außerordentlichem Wege einen Gichtbriichigeti vor ihn, den er heilen soll. Bereits aber beginnen nun schon aiieh in Galiläa die blaehslellungen der Obersten; denn während seiner liurzen Abwesenheit von Kapernauin isi eine Gesandtschaft dea Hohenrathes zu Jerusalem dort eingetroffen nnd hat fiel) mit den Pharisäern in Galitäa vereinigt, ihn zu belauern Sie greifen ihn denn wegen des Wortes non der Vergeltung der Sünden, das er zu dem Gteljtbriichigen redet, wenig- stens heimlich an; er aber beliriistigt sein Wort data) das mitfolgende Zeichen der wunderbaren Heilung des Kranken svklarln L, 1—12; Eule. Z, 17——26.) Evangelium am 19. Sonntage nach Crinitatisd Je mehr wir nach der Heiligung ringen und dar- nach trachten, in allen Dingen nach Gottes Wort zu leben und den neuen Menschen anzuziehen, desto mehr fühlen wir, daß uns immer noch so viel fehlt; wir fallen immer wieder in Sünden und müßten daran verzwei- feln, in der Heiligung zu wachsen, wenn wir nicht den Trost der Sündenvergebung hätten. Der HErr stößt niemanden hinaus, der zu ihm kommt; bei ihm ist der stets offene Heils-braunen. Von diesem seligen Troste lesen wir in unserm Co. (Dieffenbach.) Die Summa dieses Evangelii ist der große, hohe Artikel des Glau- bens, der heißt, ,,Vergebung der Sünden,« welcher, wo er recht verstanden wird, macht er einen rechtschaffenen Christen und giebt das ewige Leben. Darum auch noth ist, daß man ihn mit ganzem Fleiß und ohne Unterlaß in der Christenheit handle, auf daß man ihn lerne hell und klar und unterfchiedlich verstehen; denn das ist die einige, höchste und schwerste Kunst-der Christen, daran wir, so lange wir hier leben, genug zu lernen haben, daß niemand darf etwas Neues, Höheres und Besseres fuchen (Luther). Ein wahrer Jtinger wächst unaufhör- lich in der Versicherung der Vergebung feiner Sünden; denn 1) er bedarf ste immer von Neuem, 2) er sucht sie immer wieder, 3) er empfängt sie aber auch, und 4) besiegelt und bescheinigt ihren Empfang. (Fr. Arndt.) 1. Da lweil die Gergesener den HErrn Jesum nun einmal nicht länger bei sich haben mochten Kap. 8 , 34] trat er [ohne erst hinein in ihre Stadt zu geben«] in das Schiff swelches in der vergangenen Nacht ihn über den See in diese Ge- gend hergebracht hatte Kap. 8, 23 ss. und am Ufer vor Anker geblieben war, bis er von der be- absichtigten Landreise zurückkommen würde], und fuhr wieder herüber snach dem westlichen Ufer des Genezareth] und kam [etwa um die Mittags: Zeit] in feine Stadt sKapernatim Kap. 4, 25; Z, 14 f. Anm.]. — V) Der HErr dringt sich nirgend auf! So entspricht er der höflichen Zurückweifung der Gadarener; aber da- für sorgt er beim Scheiden, daß der geheilte Dämonische (Mark. 5, l ff.; Luk. 8, 26 fs.) als ein Zeuge feiner That bei ihnen zurückbleibe. Es schien diesen Mann in der Seele zu drücken, daß seine Landsleute seinen Retter verwiesen, jedenfalls war ihm dieser jetzt lieber als feine Heimath; als daher Jesus in das Schiff trat, bat er ihn, er möchte ihm gestatten, beiihm zu bleiben. Aber Jesus gab ihm den Auftrag, nach Hause zu gehen und den Seinen zu verkündigem wie sich Gott seiner erbar- met habe; jener aber ergriff diesen Auftrag mit der vollsten Energie, in dem ganzen sehnstädtesGebiet giachte er kund, was ihm widerfahren sei, und mit dem Lobe Gottes verklindigte er auch den Namen Jesu. So hatte sich Jesus in dem dunkeln Lande der Gadarener bei dem klirzesten Aufenthalt aus einem von den finstersten Stim- mungen des Landes ganz beherrschten, umhergetriebenen Menschen einen treuen und eifrigen Prediger der erlö- senden Hilfe Gottes und des in ihm erschienenen Heils gebildet; und diesen großen Segen seines Geistes ließ er dem, durch den richtenden Ernst feiner Erscheinung ge- straften, in irdischen Jnteressen stark besangenen Volke zurück. (P. Lange) » 2. Und siehe skanm war seine Rückkunft nach Kapernanm daselbst bekannt geworden, so versam- melte sich schon in den ersten Nachmittagsstunden ; alsbald wieder eine Menge Volks zu ihm und um- s ringete des Petrus Haus, bei welchem er wohnte, also daß der Raum draußen vor der Thür voll- ständig von Menschen besetzt war und von daher niemand zu ihm gelangen konnte; er selbst aber saß da im Mittelrauin des Hauses, nicht blos von seinen Jüngern, sondern auch von Pharisäern und Schriftgelehrten umgeben, die da gekommen waren ans allen Märkten in Galiläa und Judäa und von Jerusalemf und lehrete das draußen stehende Volk. Jndem er aber ihnen das Wort des Lebens verkündigte und die Kraft des HEern von ihm ansgsnaL da brachten sie zu ihm einen Gichb brüehigen [Kap. S, 6 Anm.], ver lag auf einem Bette [die vier Männer nämlich , die den Kranken trugen, weil sie auf dem gewöhnlichen Wege vor der großen Volksmenge nicht bis zu Jesu gelangest konnten, stiegen von außen her auf das platte Dach des Hauses, deckten dort den Fußboden auf und ließen nun das Bett durch die Oeffnung an Seiten hernieder, so daß der Gichtbrüchige jetzt dalag zu den Füßen des HErrn«]. Da mm Jesus ihren [beider, des Kranken und seiner Träger, durch alle Hindernisse hinVUrchbrecheUdenJ Glauben sahe sund gar wohl wußte, aus was für einem Herzen derselbige kam Apostg l , 24], sprach er «u dem Gichtbriichigen sihm zunächst den Stachelsaus dem Gewissen ziehend , noch ehe, er der Noth seines Leibes sich annähme]: Sei getrost, mein Sohn, deine Sünden sind dir veegebenxkkk ««) Noch ehe Jesus: in Galiläa als Prophet aufge- treten war (Kap. 4, 12 fs.), hatte er schon zwei Ellcal eine fei11dliche Berührung mit den geistlichen Führern Israels gehabt; das eine Mal bei jener Tempelreink gung amPassafeste des I. 37 v. Chr. (Joh.2, 13 fs.), das andere Mal bei der Festreise in Joh. S, I ff., also nicht lange vor dem Beginn seiner galiläischen Thätigkein Jn ganz Palästina, mithin auch in Galiläa zerstreut lebten die Anhänger der pharisäischeii Seite: auf diese mußte Jesus von vornherein dnrch feinen Gegensatz) zu ihrer äußerlichen Gesetzesgerechtigkeit einen ungünstigen Eindruck hervorbringen, mit ihnen aber konnte er all- überall in den Stadien, Flecken und Dörfern, welche er durchzog, in Berührung kommen. Anders verhielt es scch mit den Schriftgelehrten und Gefetzeskundigem welche eigens von Jerusalem nach Galiläa reisten; aller Wahr- scheinlichkeit nach kamen diese (und zwar gerade an dem 118 Evangelium Matthäi 9, 3-—6. Tage, an welcheni der Err von Genezareth aus das Volk am Ufer gelehret atte und dann über das Meer hinüber gefahren war (Kap.8, 18 ff.), als Abgesandte der höchsten geistlichen Obrigkeit Jsraels, des Hohenraths, und mußten Jesum da aufsnchen, wo sie ihn am sicher- sten tressen konnten (zu Kapernaum). Haben die Ab- gesandteii des Hohenraths einst kraft amtlicher Vollniacht den Täufer zur Aussage über seine Person» aufgefordert (Joh. 1, 19»ff.), so haben sie jetzt noch viel mehr Ur- sache, den mit Wunderkraft ausgerüfteten und gleich durch großen Erfolg ausgezeichneten Nazarener, welcher sich doch in ihren Augen bereits des Brnches des göttlichen Gesetzes schuldig gemacht, für’s Erste auf’s Genaneste und Sorgfältigste zu beobachten, um ihn darnach gelege11t- lich zur Verantwortung ziehen zu können. (Lichtenstein.) M) ,,Mitten in seiner Rede wurde Jesus durch einen ungewöhnlichen Vorfall unterbrochen: auf dem Dache hörte man Fußtritte derer, die geschäftig hin und her gingen, dann ein Klopfen, ein Hämmern und Brechen an der Decke. Aller Augen richteten sich ängstlich dahin, von woher das Geränsch kam, ob wohl gar die Decke einbrechen sollte; zuletzt bildete sich eine Oeffnung oben in der Decke, die Oeffnung wurde immer größer nnd man sah deutlich, daß vier Menschen daran arbeiteten. Das fiel niemand ein, was sie wollten; man mußte besorgen, daß sie das Dach abdeckeii und irgend eine niuthwillige Störung herbeiführen wollten. Allein nach- dem die Oeffnung eine gehörige Weite hatte, kam, an Stricken herabgelassen, ein Tragbette hernieder, und auf dem Bette lag ein Mensch; denselben senkten die Vier in die Mitte des Saals, nnd da lag er auf seinem Bette vor Jesu. Ein seltsamer Besuch — nicht durch die Haus- thüre, sondern oben d1irch das Dach! was hat das zu bedeuten?« Und das muß gerade heute sich zutragen, wo Abgesandte des Hohenraths ans Jerusalem herbei- gekommen find, um diesem Jesu von Nazareth nachzu- spüren, ob er nicht ein gefährlicher, verführerischer Mensch sei, dem die geistliche Oberbehörde des Landes von Amts- wegen entgegentreten und wider ihn einschreiten müsse? Ist dies merkwürdige Zusammentreffen der Umstände eine offenbare Fügung Gottes, so wird es gewiß auch ein wichtiger Artikel des Glaubens sein, der nun zur Verhandlung und zum Austrage kommt. »Und in der That: es liegt alles an der Ver ebung der Sünden. Jrren wir in diesem Artikel, so then wir überall irre; sind wir in diesem Artikel gewiä so finden wir nns mit leichter Mühe überall zurecht und werden keinen Schaden nehmen, wenn wir auch sonst einmal fehlen sollten. Deshalb ist der Streit von jeher am heftigsteu über die Vergebung der Sünden entbrannt, weil man die große Wichtigkeit derselben erkannt hat;« nnd was den Anstoß zur Kirchenreforiiiation im 16. Jahrh. gegeben, was ihren Kern- und Niittelpunkt sowohl wie ihren An- fangspunkt bildete, das ist eben dieser Artikel gewesen. TM) Die Art nnd Weise, wie dieser Kranke hier zu Jesu gelangte, war »ein Dnrchbrecheii des Glau- bens im eigentlichsten Sinne und nur aus dem kühnsten Vertrauen heraus, das an’s Verwegene zu grenzen schien, zu erklären; daher auch die Kritik über diesen Heroismus in ihrer sich gleichbleibenden philisterhafteii Kleingeifterei sich geradezu entsetzt hat nnd die Besorgniß geäußert, durch dieses Aufbrechen des Daches hätten ja die da- runter Befindlicheu beschädigt werden können. Es ist nun von vornherein uicht wahrscheinlich, daß der lahme Mensch willenlos also mit sich machen ließ, vielmehr scheint sein Glaubeusmuth erst die Veranlassung zu dieser Unternehmung gegeben zu haben; ja, aus der Art und Weise, wie der HErr diese Sache nahm, könnte man schließen, daß er der eigentliche Führer dieser kühnen Expedition, also ähnlich gewesen sei dem General Tor- stensohn (im 30jährigen Kriege, ein Feldherr aus Gustav Adolss Schule), der einst Siege gewann, indem er krank nnd lahm (an Gicht) sich in einer Sänfte tra- gen ließ. Als der Mensch nun aber vor dem HErrii dalag ans seiner Sänfte und der wesentlichen Majestät in’s Antlitz, sah, da mochte er selber wohl über seine Kühnheit erschreckenx es scheint, als habe er jetzt kein Wort hervorbringen können. Jesus sah aber wohl, daß nicht lediglich der Genesungsdraiig eines Kranken, son- dern vielmehr der Versöhnungsdrang einer schuldbewuß- ten, heilsbegierigen Seele diesen genialen, geflügelten Weg der Zuflucht zu ihm könne eingeschlagen haben; er sah in der That dieser kühnen Gruppe den gemein- samen Glauben derselben nnd sprach zu dem Kranken: sei getrost, mein Sohn, dir find deine Sünden vergeben! —- Das Wort des Predigers in der Kirche wird gar oft, wenn der Niensch nicht will, nicht zu Herzen genom- men, und wenn es auch einen flüchtigen Eindruck machte, es hat keinen Nachdruck; das Wort aber, das die Krank- heit mit einem Menschen sprecheii kann, findet eher ein aufmerksanies Ohr und leichter einen Weg zum Herzen, die Krankheit arbeitet der Predigt vor und nach. Dem Hörer in der Kirche wird es leicht, dem Menschen zu gleichen, der sein leibliches Angesicht im Spiegel beschaut, um hernach davon zu gehen von Stund an und zu ver- gessen, wie er gestaltet war; wer aber auf dem Kranken- bett liegt, der muß stille halten und das Wort an sich kommen lassen, der Mensch kann alsdann nicht wohl das Auge wegwenden von der Gestalt, die sich ihm als die seinige im Spiegel des Wortes Gottes zeigt, mag sie ihm wohl oder übel gefallen. Darum giebt es Viele, die grade da, wo sie seufzen nnd klagen mußten, die erste gute Stunde in ihrem Leben hatten; Viele, die auf dem Krankenbett Dinge gelernt haben, die sie Zeit- lebens nicht vergessen haben; Viele, an denen sich das Wort erfüllt: ,,selig sind, die da Leid tragen!« denn der HErr ist ihr Arzt gewesen, und hat den Leib gesund ge- macht, u1id mit dem Leibe auch die Seele. (Caspari.) Viel öfter als wir meinen, würden wir einen Zu- sammenhang finden zwischen Krankheit und Sündenfchuld, wenn wir tief genug graben wollten im Schachte der Erinnerung, zurückgraben vielleicht bis zu längst verges- senen Jugendsündein Aber wenn dem auch nicht so wäre, wenn wir nicht gerade dieses oder jenes Uebel verschul- det haben durch diese oder jene Sünde: wer muß tiicht dennoch, wenn ihn Gott in’s Verhör nimmt in der Stille seines Krankenzimmers, wenn er so daliegt in schlaflosen Nächten, über sich den allniächtigen Gott, in sich das mahnende Gewissen, hinter sich sein vergangenes Leben, vor sich die drohende Ewigkeit— wer muß nicht mit Mose (Ps. W, 8) bekennen: ,,unsre Missethat stellst du vor dich, unsre anerkannte Sünde in’s Licht vor deinem Angesicht« Wer muß nicht mit Hiob 16, O; 30, El) flehen: »HErr, sieh mich nicht so an, denn du bist mir schrecklich und deine Augen stehen über mir wie Feuerflamnien ?« Ja, wem ist’s da nicht oft, als sähe er an der Wand seines Krankenzimmers jene Geister- hand nnd jenen Urtheilsspruch ivie in Belsazarüs Saal (Daii. S, 5 ff.): ,,Mene, Tekel, Upharsin; man hat dich gewogen nnd zu leicht erfunden,« zu leicht in der Wage des Allniächtigeiy zu leicht mit all deinen Gütern und Titeln, Tugenden nnd Verdiensten? . . . Doch giebt’s auch viele Patienten, die uicht nur vor den Leuten, die selbst im einsamen Kämmerleity selbst auf dem Sterbe- bett, selbst im Angesichte des Todes nichts weniger leiden können, als erinnert zu werden an ihre Sünden; darum fürchten sie auch nichts mehr ans dem Krankenbettz als Christum und sein Wort und seine Diener, und wollen lieber ohne Trost sterben, als daß sie den Seelenarzt an ihr Bett riefen. Oder wenn er endlich kommt, so darf Heilung eines Gichtbrüchigem 119 er von allem reden, nnr nicht von dem Einen, was noth thut, von weltlichen Dingen, nur nicht von geistlichen, vom Gesundwerdem nur nicht vom Sterben, von guten Werken, aber ja nicht von Sünden, vom Himmel zur Noth, aber ja nicht vom Gericht (Gerok.)« s. Und siehe, etliche unter den sum ihn her sitzendens Schriftgelehrten sprachen bei sich selbst fund gaben ihres Herzens Gedanken wohl auch in Geberden des Unwillens zu erkennen, denn »die Mimik der Entrüstung über Gotteslästerung war bei den Juden stark«]: Dieser [wenn er so das Recht, Sünden zu vergeben, für sich in An: spruch nimmt und es zugleich in Ausübung bringt] låstert Gott [denn er greift über in die Mase- stätsrechte, die Gott sich selber vorbehalten, und raubt ihm seine göttliche Ehre]· Soweit sehen diese Leute recht, daß Jesus sein: ,,Mensch, dir sind deine Sünden vergeben!« nicht wie Nathan zu David (2. Sam. 12, 13) im bloßen Aufträge als prophetische Verkündigung, sondern in eigener· Voll- macht spricht; auch darin sind sie in ihrem Rechte, daß ihnen Siindenvergebung, weil sie über eines Menschen Loos und Stand vor Gott entscheidet, als ein göttliches Regale (Königsrecht) erscheint, dessen kein Mensch als solcher sich anmaßeti darf, als ein Majestäts- und Gnaden- recht, dem allein zukommend, der die Geister wägt und richtet. Und so hätten sie immerhin über diesen ganz neuen, einzigen und originalen Gottesgedankem einem Sünder bei der ersten Begegnung mit ihm, noch vor seinem Bitten darum, ja ihm ganz nnvermuthet, die Vergebung der Sünden als ein freies, bedingungsloses Geschenk in den Schooß zu schiittern — sie hätten dabei hoch aufhorchen und die Frage: »Wer ist doch dieser?« auf’s Alleratigelegentlichste bei sich bewegen dürfen. Aber statt dieser Spur des Lichtes nachzugehen und darüber mit Frohlocken inne zu werden, daß die Wunderzeit des neuen Teftaments mit den erstaunlichsten Gottesgnaden an dem Ort und Schatten des Todes aufgegangen, ver- bauen sie sich dagegen in ihren Lästergedankem Ach, es fehlt ihnen eben das zerbrochene Herz, dem freie Gnade ein Evangelium ist! (Roffhack.) » 4. Da aber Jesus ihre Gedanken sahe [das was diese Schriftgelchrten bei sich selbst sprachen, gar wohl verstund , anch wenn es nicht wäre in ihrem Gesicht zu lesen gewefenL sprach er: Warum denket ihr [auf diesem Worte liegt ein Nachdruckx ihr, die ihr aus der Schrift ja wissen solltet , was die Propheten von dem künftigen Mefsias geweissagt haben , in welchem Verhältniß er zu Gott stehe und welche Macht ihm gegeben sei] so Arges in euren Herzen sdaß ihr hier, wo alle Andern mit. solchem Glauben mir entgegen: kommen, alsobald mit dem Vorwurf der Gottes- lästerung bei der Hand seid, ohne erst abzuwarten, ob ich nicht das zu dem Gichtbrüchigen gesprochene Wort auch als Wort voll Wahrheit und Gottes- kraft bewähren werde]? 5. [Hiittet ihr nur einen kleinen Augenblick mit euerm Urtheil noch an euch gehalten, so würde ein zweites Wort meines Mundes euch den hand- greiflichen Beweis meiner Vollmacht auch zu dem ersten gebracht haben; indem es aber zu diesem zweiten Worte jetzt kommen soll, so überleget euch zuvor:]· Welches ist [zwar nicht an und für sich, wohl aber von Seiten des äußeren, in die Augen tretenden Erfolgs] leichter, zu sagen [zu dem Kranken hier]: Dir sind deine Sünden ver- geben, oder zu sagen: Siehe auf und wan- dele?*« [Sicherlich ist doch in der angedeuteten Hin: sicht jenes erste Wort das leichtere; denn da kann kein Mensch controliren, ob der, der es spricht, auch göttliche Vollmacht dazu habe oder nicht, während dagegen das zweite Wort sofort sich selber legitimiren muß] 6. Auf daß ihr aber sdurch ein Wunder im Bereiche des Sichtbaren davon überführt] wisset [und es hinfüro nicht wieder zu einem Gegenstand des Zweifels und der Verdächtigung machet], daß des Menschen Sohn [Kap. 8, 20., den ihr in meiner Person hier vor euch habt] Macht habe auf Erden, s« dte Sunden zu vergeben, sprach er svon seinen Verklägern sich nun dahin wendend , woher ihm der Beweis seiner» Gottes- macht kommen sollte] zu dem Gichtbruchigent Siehe auf, heb dem Bette [darauf man dcch, so elend und keines Gliedes mächtig, hierher ge- bracht hat, in Vollkraft neugeschenkter Gesundheit] auf Und gehe heim ssichtbar an deinen Füßen Beweisend, was vorhin V. 2 unsichtbar an deinem Herzen geschehen] V) Die Frage Jesu: »Was ist leichter zu s agen?« handelt, versteht sich, nicht von einem bloßen Sagen und Wortgepränge, sondern von einem erfolgreichen Sagen, so daß man spricht und die Sünde oder Krankheit ver- schwindet, so daß man gebeut und Leben des Leibes, Frieden der Seele sind da. Von einem gebietenden Wort, einem gewaltigen Machtwort über Krankheit und Sünde ist die Rede. Wenn man es so nimmt, m. Fr., was urtheilt ihr dann? ist es leichter, Krankheiten oder Sünden den Befehl zu geben, von dem Menschen zu weichen? Vielleicht kommt euch die Größe der Krankheit, vielleicht die Größe der Sünde überwiegend vor, viel— leicht wird es euch schwer zu entscheiden. Wir wollen uns aber nicht lange besinnen, sondern bedenken, daß kein Mensch, kein Engel, keine Kreatur durch ein bloßes Wort, durch eine einfache Erklärung bloßer Willens- meinung irgend etwas ändern kann. Gebeut dem Staub, der im Sonnenstrahl taumelt, und sieh, ob er dir ge- horcht! Laß alle Könige der Erde ihre Macht vereinen, laß sie alle zusammen einen Machtspruch über den tau- melnden Staub thun: was wird’s sein? Laß alle Teufel, laß alle Engel zusammentreten, sie sollen alle zumal das Sttiublein anherrschent auf ihr Wollen und Spre- chen achtet dies kleine Pünktlein nicht, sondern es steigt ab und steigt auf seine stille Bahn, wie es sich füget! Wenn aber der Staub nicht folgt, wie du es gern hättest, wie wird dir die Krankheit und die Sündenschuld folgen? Des Leibes Weh, der Seelen Last — beide liegen, wenn du sie hast, auf dir; es hilft dir an beiden kein.mensch- liches Sagen. Ueber beide gebeut allein der allmächtige Wille, dem aber ist eines wie das andere. Die Sünde ist eine größere Last, als die Krankheit, aber leichter, schwerer —- das sind Eigenschaften der Geschöpfe, die für den Erlöses: nicht da sind. Er thut eines und das andere in tiefster Ruhe, ohne Anstrengung und Erschöpfungx 120 und wenn du deshalb mit Hinblick auf Ihn, der es allein kann, die Frage thust: Was ist leichter, was schwerer, was ist größer, was kleiner? so ist die Antwort: Nichts ist leichter, nichts schwerer, nichts größer, nichts kleiner; zu beiden gehört Allmacht —— wer die hat, der thut beides; wer die nicht hat, der thut nichts. (Löhe.) Die Frage des HErrn ist aber auf die sinnliche Auf- fassuugsweise berechnet, der das Wunder dienen soll; derselben zufolge heißt das Aeußere größer, mühevoller, als das Innere, nämlich die Sündenvergebung (Ols- hausen). —- IHI Daß der HErr sagt »aus Erden«, ist sonderlich darum wohl zu merken, daß man nicht gafse in Himmel oder Vergebung der Sünden hoffe, wenn man gestorben ist, im egfeuer durch andrer Leute Werk und Verdienst; denn ier steht’s, daß Vergebung der Sünden sei eine Macht, die den Menschen auf Erden gegeben ist (V. 8), wenn man tauft, das Sacrament reicht, absolvirt und von der Kanzel predigt. Denn es ist beschlossen, was man also losspricht auf Erden, daß das im Himmel auch los sei; wiederum, was man bindet (d. i. von der Taufe« und Sacrament und Wort ausschließt) , das ist auch im Himmel gebunden. (Luther.) 7. Und er [der also Augeredete und Geheilte] stund saugenblicklich vor den Augen derer, die um Jesu her saßen und aufs Genaueste den Vorgang beobachten konnten] auf svon dem Bette, das ihn bisher getragen] und ging suun umgekehrt für dieses der Träger werdend] heim [indem die Majestät Christi, die sich « an ihm verherrlichh durch die Menge, die vorher ihm den Zugang versperrt hatte, ihm eine freie, offene Bahn brach; er ging aber von dannen unter lauten Lobpreisungen Gottes] Gleichwie der Gichtbrüchige auf das Wort des HErrn aufsteht und ein wandelndes Zeichen wird von der Macht und Gnade des HErrn, fo soll’s die Welt an jedem mit Vergebung begnadigten Sünder vor Augen sehen können, daß er nun als ein neuer Mensch in einem neuen Geiste nach dem Wort des Lebens wandelt. Aber nicht Eigen- werk ist das und abermalige Gesetzes-Plage: neiu,.Jesus schenkt seinen Begnadigten zu dem neuen Namen zugleich den neuen Wandel und die neuen Werke. Dieselbe Kraft, welche den Gichtbriichigen leiblich aufgerichtet, ist in ihnen durch den Glauben geistlich wirksam und durch- dringt und wandelt sie an Herz, Muth, Sinn und allen Kräften mit um so völligerer Klarheit, je mehr sie mit lauter Vergebung sich bedeckt, in lauter Vergebung sich eingewickelt finden, und, was sie noch leben im Fleisch, im Glauben an Ihn, der sie geliebt, und in dem Ele- mente seiner blutigen Versöhnung leben. (Roffhack). 8. Da das Volk das sahe swie so sicht- lich hier in Erfüllung ging , was in Jes. 35, 6 von der messianischen Zeit geweissagt worden war: ,,alsdanu werden die Lahmen löcken wie ein Hirsch, und der Stummen Zunge wird Lob fagen«], ver- wunderte es sich [vou tiefer» Ehrfurcht ergriffen] und pretsete Gott, der« solche Macht swie sie hier in Jesu auf zwiefache Weise zu gleicher Zeit sich offenbarte, als eine Macht, die Sünden zu vergeben, und als eine Macht, die Lahmen gehen zu machen] den Menschen sum dieselben zu be- glücken und aus ihrem Elend zur ursprünglichen Gottesherrlichkeit zurückzuführen Pf. 8, 4 ff] ge- EvangeliumMatthäi I, 7-—10. geben hat [besser läßt man das Wörtlein ,,hat« weg und schreibt blos: ,,gegeben«]. Als der HErr von der Erde Abschied nahm und ihr feine sichtbare Gegenwart entzog, hinterließ er seinen Aposteln und Jüngern beides, die Macht, Sünden zu vergeben, und die Macht, Kranke gesund zu machen; in seinem Namen predigten sie fortan Vergebung der Sün- den allen Völkern, anfaheud in Jerusalem, und wohin sie gingen, bekrästigte der HErr ihr Wort durch mit- folgende Zeichen, daß viele Kranke und«mit Seuchen Behaftete genasen nnd ihres Leibes Gesundheit wieder bekamen. Und diese doppelte Gabe der Vergebung und Genesung pflanzte sich nach dem glaubwürdigen Zeug- niß der Väter auch auf die Zeiten nach den Aposteln und ersten Jüngern fort. Wie steht es nun in dieser Hinsicht mit unsrer Zeit? Diese Frage zu beantworten, bedarf es doch zum Theil lichter Augen und wacher, nüchterner Geister. Zwar daß die Gabe, Sünde zu ver- geben, nicht von uns gewichen ist und der Kirche zu keiner Zeit fehlte, ist offenbar; die Kirche kann diese Gabe nicht entbehren, und der HErr kann sie seiner Kirche nie entziehen, sie speist die Lebenden und Ster- benden, und ohne sie ist kein Heil. Wir können alles eher entbehren als das Amt, das Versöhnung predigt nnd die müden Sünder absolvirt; und solange uns der HErr dies Amt, diesen segensreichen Baum seiner Gnaden läßt, ist nicht zu verzagen und zu verzweifeln, d. i. man braucht nie zu verzagen, denn der HErr läßt uns bis an’s Ende der Tage unsern letzten Trost, die Vergebung der Sünden. Aber wie es mit der Gabe, gesund zu machen, stehe, ob die noch vorhanden sei, das ist die schwierigere Frage, in Bezug auf welche ich lichte Augen und wachsame, nüchterne Geister Allen wünsche, zu denen ich hiermit rede. Soviel ist gleich gesagt, daß die Gabe, gesund zu machen, wie sie die Apostel besaßen, unsers Wissens gegenwärtig nicht in der Kirche ist; aber ob deshalb gar nichts mehr vorhanden sei, was mit jener wunderbaren Gabe zufammenhängn was ein Angeld und Pfand genannt zu werden verdient, ein Angeld und Pfand, daß auch eine größere Fülle außerordentlicher Gaben alsbald wieder geschenkt werden wird, sowie die Noth es erfordert und die Kirche es wieder glauben und fassen kann, das gebe ich euch zu bedenken. (Löhe.) v. b. 9——17. (§. 37.) Gleirh uakh der soeben erzählten Heilung half aber Jesus« noch einem andern meufkhen auf die Füße; indem er nämlich nach dem Seeufer sich wendet, ltommt er an der Jollstätte vorbei nnd fordert hier den Jllatthäug zu seiner Uakhfolge auf. Dieser leistet denn auch dem an ihn ergangenen Rufe sofortigen und freudigen Gehorsam, und tritt alt der arhte in den Kreis der Zwölfe ein Gar. s, 22 Rauch. Zllg dann iuatthästn wohl 1 oder 2 Tage feiner, in seinen! Haufe dem Heim! ein Feflmahl bereitet and dazu viele feiner bisherigen Berufsgenofsen eiuladet, stellen die Pharisäer die Sänger Iefu darüber zur Rede, das; ihr Meister mit Böllnern und Sündern esse; dieser übernimmt selbfl die Verantwortung und behriiftigt seine Zurechtweisiing der Widersacher durch die Hiuweisnug auf ein Propheten- wort Jetzt aber wird von den Iiingera des Johannes im Ginoerftändniß mit den Pharisäern: eine andere Seite desselben Gasbnaljlg in’g Auge gefaßt, daß es nämtiuj ein fefllith Gelag, ein ircudenrnahl gewesen; auch auf den von dieser Seite her erhabenen Vorwurf bleibt der ltjGrt die Antwort nikht frhuldig (i)tlarli. L, is— Es; Eule. H, 27——39.). Evangelium am St. Weithin-Tage: v. 9—l3.) Es ist dies der Gedächtnißtag (vgl. das über die Aposteltage zu Kap. 4, 18 ff. Bemerkte) des nämlichen Berufung des Zöllners Matthäus 121 Apostels, dessen Berusungsgeschichte uns hier von ihm selber, dem Verfasser unsers Evangelii, mitgetheilt wird, von der Kirche gefeiert am 21. September. An diesem Tage ward im J. 1522 die Uebersetzung des neuen Testaments von Luther im Druck vollendet, eine Frucht seiner unsreiwilligen Muße auf der Wartburg (Ps. Its, I s. Anm.); er hat also für die evangelische Kirche noch eine besondere Bedeutung. Nach unsrer Berechnung fällt die vorliegende Geschichte in den September des J. 28 n. Chr.; darnach dürfte die kirchliche Sage, welche den Apostel Matthäus mit dem 21. Tage dieses Monats in Verbindung bringt, auf besserem Grunde als auf blos willkijrlicher Annahme beruhen, nur daß es sich in Wahrheit nicht um den Märtyrertod des Apostels da- bei handelt (von einem solchen giebt es überhaupt keine sichere Kunde), sondern um seine Berufung zum Apostel. 9. Und da Jesus von dannen saus dem Hause des Petrus, darin die Heilung des Gicht- brüchigen stattgefunden V. 1 ff.] ging« fund sein Weg nach demSeeufer hin, wo er das Volk leh- ren wollte, ihn bei dem Zollamte vorüberführte], sahe er einen Menschen svom jüdischen Volk, Sohn eines gewissen AlphäusDl der zu der Klasse der so übel berüchtigten Zollpächteu Schlußbem zum J. Maccabäerh Nr. 9, a. Ins» gehörte] am Zoll sitzen, der hieß [mit seinem bisherigen Namen Levi Mark. L, 14; Luk. 5, 27., mit seinem nachmaligen Namen als Apostel aber Kap. l0, Z; Mark.3, 18; Luk. e, III; Apostg· l, 131 MatthäusÆt und sprach zu ihm [von dem er wohl wußte, wie es um sein Herz stund -s-]: Folge mir [du sollst meiner Jünger einer seit! Kap« 8, 22]. und er stund kalsbald von seinem Sitze am Zoll] auf, und folgeteihmcks «) Es ist nicht nöthig anzunehmen, daß dies noch an dem nämlichen Tage geschehen; da es nur auf den Ort ankommt, von welchem aus der HErr seine Wan- derung durch das Land fortsetzte, so haben wir viel- mehr an den folgenden Tag zu denken, zumal die Ge- schichte in V. 2 ff. bereits auf die Nachmittagsstunden desjenigen Tages fällt, an dem Jesus aus dem Gebiete der Gergesener zurückgekehrt war. —- ««·«1·) Derselbe ist nicht zu verwechseln mit dem Vater Jakobi des Jünge- ren (Kap. 10, Z) und Gatten der andern Maria (Kap. 27, 56l, von dem wir zu Kap. Z, 23 gesprochen haben. Wie gedankenlos die Legende manchmal verfährt, zeigt sich z. B. darin, daß sie den Vater des Matthäus Nucus nennt (auch für seine Mutter hat sie einen Namen: Chirothia); sie hat also die oben angeführte biblifche Angabe ganz außer Acht gelassen. —- HHJ Der Name ,,Levi« bedeutet Anschluß, wie wir aus 1. Mos. II, 34 wissen; über den andern Namen ,,Matthäus« aber kann man in Zweifel fein, ob er nur eine Nebenform zu ,,Matthias« (Apostg. 1, 23) oder ein eigener Name mit selbstständiger Bedeutung sei. Indessen ist wohl die erstere Annahme ganz unbedenklich, und würde da der Name (Matthjja) soviel sein als: Geschenk des HErrn, ähnlich wie »Nathanael« bedeutet: Gabe Gottes (griech. Theodor). Die neue Namengebnng ist gewiß durch den HErrn Jesum selbst erfolgt; der HErr nannte ihn so, vielleicht weil derselbe ihm besonders vor den Andern als eine Gottesgabe zufiel, und damit mochte es denn zusammenhängem daß der Name des Nathanael in ,,Vartholomäus« (Sohn des Tholomai oder Thalmai Jos. 15, 14; 2. Sam. I3,«·-.37) verwandelt wurde. f) Da Jesus schon manchmal am Seenfer, in dessen Nähe sich auch die Zollstätte befand , gelehrt hatte, so hatte Matthäus öfter Gelegenheit gehabt, ihn zu hören. Er hatte auch einen Eindrnck von ihm empfangen, und es war nun zu einem Kampfe in seinem Innern ge- kommen, sein Gewissen war erwacht und er war seiner Zöllnersüiiden herzlich müde; aber in des HErrn un- mittelbare Nachfol e einzutreten, dazu bedurfte es erst einer besonderen ufsorderung von dessen Seite, um so mehr, weil Matthäus wohl wußte, wie übel berüchtigt sein bisheriger Stand bei dem Volke war, er von fiel) selber aber nicht wissen konnte, daß auch solche Leute wie er zur Gemeinschaft des Sohnes Gottes gelangen könn- ten. Da, scheint es , veranlaßte Jesum gerade der am Tage zuvor von Seiten der pharisäischen Partei offen hervorgetretene Gegensatz gegen die slindenvergebende Macht der göttlichen Gnade (V. Z) zur förmlichen Auf- nahme auch eines Zöllners unter die Zahl seiner Apo- fiel, ähnlich wie hernach Paulus durch den Unglauben der Juden veranlaßt wurde, sich um so entschiedener den Heiden zuzuwenden (Apostg. 18, 6). »Der Abstoß des Evangeliums von Seiten der ges chichtliih Berech- tigten hat allemal in der Geschichte des Reiches Gottes eine eutschiedenere Hinwendung desselben zu den geistig Berechtigteth d. h. den Empfänglichen zur Folge« -H·) Man hat an dieser raschen Entfchlossenheit des Matthäus, womit er dem Rufe des HErrn Folge leistete und fein bisheriges Gewerbe hinter stch warf, Anstoß genommen, ja wohl gar ein rücksichtloses Verlassen seiner Pflicht darin gefunden; allein heimlich ist Matthäus gewiß nicht fortgegangen, sondern er wird dem Ober- zöllner haben Meldung machen lassen, daß man die Stelle an einen Andern verpachte, Pflichten hatte er sonst weiter nicht zu erfüllen, und wenn der Posten viel- leicht auch einige Zeit leer stand, so hatte niemand Schaden davon, als er selber, dem die Einnahme gegen die bereits entrichtete Pacht zufiel. 10. Und es begab sich san einem der nächst- folgenden Tage], da er sder HErr Jesus] zu Tische« saß fgenauerr lag Kuh. 26, 20 Anm.] un Hause sdes Matthäus, der zu Ehren dessen, an den er war gläubig geworden, ein Fesimahl veranstaltet hatte Luk. 5, 29], da kamen sals ebenfalls geladene Gäste] viel Zdlluer und Sundet [Zöllner, die man schlechtweg mit dem Namen ,,Sünder« als solche zu bezeichnen pflegte, mit denen ein rechtschaffener Jude keine Gemeinschaft halten dürfe] und saßen klagen] zu Tische mit Jesu und seinen Jungern sdenn in diesem Mahl wollte Matthäits zugleich seinen Abschied von den bisherigen Berufsgenossen machen]. Er selbst, dieser demüthige Apostel, erzählt das, was ihn betrifft, so wahrhaft demüthig und unscheinbar, als es nur erzählt werden konnte; sobald es nur sein kann, lenkt er die Aufmerksamkeit seiner Leser von sich ab und auf den HErrn hin, sich begniigend zu erzählen: »Und es begab sich, da er zu Tische saß im Hause,« ohne zu sagen, in welchem Haufe und wer die Mahlzeit bereitet habe. Er selbst, Matthäus, war es, der die Mahlzeit, von der hier die Rede ist, in seinem Hause, das er aber nicht mehr das seinige nennen will, veranstaltetk Das war der letzte Gebrauch, den er von seinem Vermögen in dieser Welt machte: und wahrlich! er hätte keinen wtirdigern und schönern Gebrauch davon machen können. Er wollte den HErrn und seine Jüngey besonders seine künftigen Mitaposteh bewirthen und so gewissermaßen in 122 Evangelium Matthäi 9, 11-——16. ihre Gesellschaft hineintreten; und er wollte feine bis- herigen Mitzöllner, Bekannte und Angehörige beivirthen, Abschied von ihnen nehmen und so gewissermaßen aus ihrer Gesellschaft heraustreten —- darum veranstaltete er dies große Mahl. Und so unsinnig und unfelig es sonst ist, wenn die verschiedenartigsteii M»ei1fchen, zwifchen denen gar keine gegenfeitigen Berührungspunkte zu ge- meinschaftlicher interesfanter Unterhaltung stattfinden, zu- sammengeladen und gezwungen werden, Langeweile zu haben; so hat doch hier das Ungleichartige dieser Ge- fellfchaft, das scheii1bare Nichtzueiiiaiidergehöreii dieser Menfchen den Matthäus nicht nur ergötzt, sondern ist znverläfsig seine bestiuimteste und edelfte Absicht bei ihrer Veranstaltung gewesen. Seine Absicht dabei war die, einer Menge von Zöllneru und Sündern, mit denen er in Bekanntfchaft und Verhältnis; stand, Gelegenheit zu eben, Jesum und seine Jiinger aus eigener Ansicht ennen zu lerne1i und in dieser Ansicht gewahr zu wer- den, daß es eine Religion und Frömmigkeit gebe,, die sie bis dahin nicht gekannt, die, milde und rein wie der Himmel, auch durchaus wahrhaftig und voll Frieden und Liebe sei; es war ihm besonders darum zu thun, daß diese Menfcheii den HErrii Jesuni wo möglich lieb gewinnen, mit Achtung und Ehrfurcht gegen ihn erfüllt und gegen ihn »und seine Sache so gestimmt werden möchten, daß sie ihn gern zum zweiten und dritten Mal wiederzusehen und zu hören verlangten, ihm und feinem Worte, wo sie dazu Gelegenheit haben sollten, nicht auswichen, und also in dieser Gefellfchaft die erste Richtung zu ihm, zur Wahrheit, zur Besserung er- hielten. O, dachte er, die Wahrheit, Reinheit und Ho- heit seines Wesens, verbunden mit solcher Einfalt, Güte nnd Holdfeligkeih wird wohlthätig auf sie wirken, wird diesen oder jenen anziehen und es ihm sagen, wie aller Menschen Worte es ihm nicht sagen könnten, daß es für den Menschen etwas Nöthigeres giebt, als Geld und Gut, und etwas Süßeres, als Lust uiid Sünde; viel- leicht dankt mir’s noch dieser oder jener ewig , daß ich ihn zu dieser Gesellschaft eingeladen habe. (Menken.) 11. Da das ffolchen Verkehr Jesu mit Men- schen, die doch voniihnen für ein Auswurf erklärt und geradezu in den Bann gethan waren] die Pharisaer fund Schriftgelehrten des Orts Luk. 5, 30] aheu [indem sie es abfichtlich so eingerichtet hatten, daß die von dem Mahl heimkehrenden Gäste bei ihrem Austritt aus dem Hause ihnen in den Weg kommen mußten] sprachen sie zu seinen Jüngerns Warum isset euer Meister mit den Zöllnern und Sündern [bedenkt er denn nicht, in welch übles Licht er sich und euch damit stellt in den Augen der Frommen und Gerechten]? 12. Da das Jesus hörete [denn er hatte nahe genug gestanden , ihre Worte zu vernehmen , und mußte den Jüngern zu Hilfe kommen, die nicht wußten, was sie auf den Vorwurf antworten soll- ten], sprach er zu ihnen sden Pharifäernp Die Starken [die noch bei gesundem Leibe sind] bedürfen des Arztes nicht, sondern die Kranken [und so weist auch den Arzt und Heiland der Seelen sein Beruf zu denen, die seiner Hilfe bedürfen, wenn sie nicht sollen verloren gehen]. » 13. Gehet aber fdie ihr, wenn ihr wirklich Fromme wäret, wofür ihr euch haltet, euch viel- mehr freuen müßtet, statt darüber zu rechten, wenn ich der Verlorenen mich annehme] hin Und lernet [da es euch so gänzlich an Verständniß eines Grund- und Kernwortes der heil. Schrift fehlt], was das ist sdas Gott, der HErr, in Hosea 6, sagt]: Ich habe Wohlgefallen an Barmherzigkeit sdie einer gegen seinen Nächsten übt], und nicht am Opfer [das er mit kaltem, lieblofem Herzen mir darbringt; wenn ihr dies Wort werdet verstanden und also bei euch aufgenommen haben, daß eure Gerechtigkeit nicht mehr bestehet im äußeren Werkdienst, sondern im Trachten nach dem, was Gott wohlgefällt, werdet ihr auch mich verstehen und selber heilsbe- gierige Seelen werden, bis dahin aber gehen nun einmal unsre Wege auseinander] Jch bin kommen, die Sunder zur Buße zu rufen, und nicht die Frommen [von eurer Art, mit denen ich ja doch nichts schaffes O in diesem Nicht liess ein schwerer Ernst; dieses Nicht ist wie ein eherner iegel, der alle Selbstgerechs ten ausschließt vom Genusse seines Gnadenreichs. Für Alle ist der treue Heiland in die Welt gekommen, Alle ruft er zu sich, Allen will er helfen: deni Schächer am Kreuz noch schenkt er das Paradies, aus einem niedrigen Zölliier kann er einen Apostel machen, fchwache Kindlein schließt er in feine Arme, Kranke, denen keine Arzenei helfen kann, macht er gesund, Todte, die schon auf der Bahre liegen, macht er lebendig, das leichtsinnigste Herz kann er erschüttern, das wildeste rühren, das zerrtittetste trösten, das verdorbenste heiligen; nur Eins kann er nicht — ein Pharifäerherz selig machen, solang es be- harret in seinem selbstgerechten Trotz. Da ist die Macht seines Wortes aus, da ist das Amt feiner Liebe zu Ende; für die Selbstgerechten giebrs keinen Heiland. —- Es giebt auch heute noch Pharifäerseeleii genug unter jederlei Ständen und Bildun sstufen, an denen alle Predigt des Evangeliums, alle ünderliebe des Heilands vergeblich ist, weil es ihnen an der ersten Bedingung fehlt, an der demiithigen Erkeuntniß ihrer Sünden, weil alle Pfleile der Bußpredigt, alle Sonnenstrahlen der Gnade machtlos abprallen-an dem stahlharten Brust- harnifch ihrer hochmtithigen Selbstgenügfamkein Willst du sie belehren aus dem Worte der Wahrheit — o das wissen sie alles längst, wisfen’s viel besser; denn sie find kluge Köpfe, gescheute Leute, aufgekltirte Männer. Willst du sie erschüttern mit der Predigt des Gesetzes und mahnen an Buße und Bekehrung — das rührt sie nicht: sie sind gar wackere Leute, ehrfame Bürger, denen nie- mand etwas Böses nachfagen kann, tugendhafte Seelen, die noch viel gut haben bei dem lieben Gott. Willst du sie rühren mit der Predigt der Gnade und ihnen Jefum bringen, den Heiland der Seelen, den Friedefürsten — o das läßt sie gar kalt: sie brauchen keine Gnade, denn sie sind gar sicher in der Burg ihrer Gerechtigkeit; sie fuchen keinen Frieden, denn sie sind gar zufrieden mit sich selbst; ihnen ist nicht bang um Himmel und Selig- keit, das alles muß ihnen von selber zufallen; von ihnen steht es geschrieben: ich bin reich und gar satt und darf nichts (Gerok.) 14. Jndeß fwährend er in der vorhin beschrie- benen Weise mit den Pharisäern verhandelte] kamen die Jüngers Johannis [deren Meister nun schon seit 4 Monaten im Gefängniß lag Kuh. 14, 3 ff. und die ebenfalls an Jesu mancherlei Anstoß nahmen, daher sie gern einmal mit den Pharisäern gemein- Das Gastmahl im Hause des Matthäns Die Frage der Pharisäer und die Klage der Johannisjüngen 123 schaftliche Sache machten, gleichwie sie wiederum diese als eine Art Gesinnungsgenossen betrachte: ten] zn ihm Und sprachen snoch im Beisein ihrer Freunde und von ihnen untirstützt Mark. 2, is; Luk Z, ZZJI Warum fasten wir und die Phari- säer swelche Uebereinstimmung in denselben Grund: sätzen doch gewiß dafür spricht, daß wir mit unsrer Handluiigsigeise auf rechtem Wege sind] so viel, nnd deine Junger [mit denen du eben von einem fröhlichen Mahle kommst] fasten nicht [du. leitest ja ausdrücklich sie dazu an, sich über die Fastenordnnng hinwegzusetzen] ? « Wir haben es hier mit folchen Johannisjüiigern zu thun, die sich schon einigermaßen im Widerspruch mit dem höheren Geistesleben Jesu fühlten. Sie konnten noch nicht mit Jesu gebrochen haben, das verhinderte die über ihnensortwaltende Autorität ihres Meisters; ja, un; diese Zeit hätten sie sich gewiß gerne ganz mit der Richtuiig Jesu ausgesöhnt, wenn er ein stürmisihes Wirken begonnen hätte, wenn er ihnen irgendwie Aus- sicht geniacht, daß er bald die Gefängnißthiireii der Feste Machärus, in welcher« ihr Meister gefangen saß, sprengen werde. Und in dieser Hoffnung mochten sie ihn wohl umgeben und auf sein Verhalten achten, da es ihnen zwar freistand, den Meister im Gefängniß zu besuchen (Kap. 11 , Z) , sie aber doch uicht bei ihm im Gefängniß leben konnten. Da fiel es ihnen denn schon schwer auf’s Herz, wenn sie sehen mußten , wie das Volk ihn umwogte, umjauchzte und so ausschließlich seinen Tritten folgte, als ob es keinen Täufer Johannes mehr in der Welt gäbe; und wenn sie nun vollends bemerkten, daß auch Jesus nicht auf die äußere Befrei- ung des großen Mannes hinwinkte, daß er ihm viel- mehr die Hilfsmittel der Befreiung, die Gemijther des Volks zu entziehen schien, und dann gar sahen, daß er Gastmahle mit Zöllnern feiern konnte, während sie meinten, er mit dem ganzen Lande sollte jetzt um den gefesselten Propheten Leid tragen und fasten, dann war es bei der Richtung, die sie einmal genommen hatten, natiirlich, wenn ihre Verstiinmung gegen Jesum zur bit- teren Gereiztheit wurde. Aber sie waren edler als die Pharisäer, darum wandten sie sich unmittelbar an ihn mit der Frage gesetzeiferischen Befremdens; haben die Pharisäer die Jünger gefragt: »Warum ifset euer Meister· mit den Zöllnern und Sündern?« so fragen nun sie ihrerseits den Meister: ,,warum fasten deine Jünger nichts« (P. Lange.) 15. Jesus lzunächst den gegen seine Jünger erhobenen Vorwurf als einen Widerspruch in sich selbst darlegend] sprach zn ihnen sindem er ein Gleichniß wieder aufnahm, dessen der Täufer sich einst selbst vor ihnen. den Johannis-Jiingern, be- dient hatte Joh. Z, 29., und dasselbe ietzt auf die ersteren anwandte]: Wie können die Hochzeitleute [Ri»cht. 14, 11 Auen] Leid tragen, so lange der Btautigam bei ihnen ist? lmuß da nicht vielmehr ihr Herz voll eitel Freude sein? und mit einer sol- chen Herzensstimmung hat doch wahrlich das Fasten nichts zu schaffenz es wäre nur ein äußerlich ihnen auferlegtes Joch, wollte ich sie dazu anhalten] Es wird aber die Zeit kommen, daß der Bräutigam szu dem sie sich als Freunde halten] von ihnen genommen wird sgleichwie euer Bräutigam, Johan- nes, schon ietzt von euch genommen ist]; alsdann [weil niin ihr Herz voll Tranerns worden Joh. 1S- 5 f. 20 ff] werden sie svon selber, ohne daß man’s ihnen erst zu heißen braucht] fasten swenn auch nicht gerade in dem Sinne, wie ihr es meint] Es ist zweierlei Leiden: eines aus eigener Wahl an- genommen, als der Mönche Regeln 2c., wie die Baals- priester sich selbst stachen (l. Köir 18, 28); solches Leiden hält alle Welt, und hielten’s die Pharisäer, auch Jo- hannis-Jtinger, für groß, aber Gott verachtet es. Das andere Leiden, von Gott ohne unsere Wahl zueschicktx dies willigliche Leiden ist recht und gottgefälliep sLutherh Die Jünger Jesu standen als solche mit Gott in einem ganz anderen Verhältniß als Johannes und seine Jän- gerx sie hatten den Geist der Kindschafy und so wan- delten sie mit kindlichem Sinne vor Gott, nahmen, ge- nossen, ertrugeu fröhliche und traurige Tage, wie, sie Gott gab, ohne sich selbst in eigener Wahl fröhliche und traurige Tage zu machen, sie überließen sich seiner Lei- tung und seinem Geist. (Menken.) Wenn der HErr den Johannisjiingern andeutet, daß auch er selber seinen Jüngern nach der Dauer eines kurzen« Festes werde ent- rissen werden, und daß seine Iünger dann auch um ihn traueru würden und in der Trauer fasten; so sollten sie fühlen, daß er ihr Leid verstehe, aber nicht durch äußere Hilfe heben könne und wolle, sondern daß er sich viel- mehr in heiligem Mitleid auch schon dem Tode geweiht sehe. (P. Lange.) Es ist dies bei Matthäus die erste Hinweisung Jesu auf seinen Tod, welcher ihm von vorn- herein (Joh. l, 29; 2, 19; Z, 141 als die göttlich ge- wollte und prophetisch geweisfagte Spitze seines Erden- werks klar war. (Meher.) Wenn aber die römische Kirche aus unserm Spruche ableitet, daß der HErr die Fasten als bleibenden Gebrauch nach seinem Tode verordnet habe, so kommt es wohl daher, daß sie die volle Kraft der Verheißung in Kap. 28, 20 übersieht. Jst denn nicht der Bräutigam blos darum körperlich weggenom- men, auf daß er im Geiste wiederkommen und bis in Ewigkeit bleiben sollte? (v. OsterzeeJ Offenbar ver- warf der HErr nicht das Fasten überhaupt (Apostg. 13, Z; l. Cur. 7, 5); aber er wollte es weder als etwas besonders Verdienstliches betrachtet, noch als einen äußer- lich vorgeschriebenen gesetzlichen Zwang behandelt wissen, sondern er wollte es nur gelten lassen als einen natür- lichen Ausdruck der inneren Herzenstraurigkeit vor Gott, des inneren Bewußtseins unserer Sündhaftigkeih wenn sich solches dem Geniüthe in manchen Zeiten und Lagen des Lebens besonders stark aufdrängt. (Fr. Arndt.) Das Fasten, welches die Passion Christi für die Jiinger Christi mit sich bringt, ist die vollendete Weltentsagung: Gal. 6, 14 (P. Lange.) 1«6. [Darnach, die mit jener Frage V. 14 an ihn selbst gestellte Zumuthnng als ungehörig und thöricht zuriickweiseiiu sagte er zu ihnen ein Gleich: niß Luk. 5, 36]: Niemand flickt ein alt Kleid mit einem Lappen von neuem snoch ungewalktem und zum Gebrauch noch nicht vollständig zurecht ge- machtetn] Tuehez denn der Lappe sivomit man, wenn einer wirklich so ungleichartige Stoffe zusam- menbringen wollte, die Lücke anszufüllen gedenkt] retßet doch wieder vom Kleide [indem er beim Naßwerden einlänft und rings um sich her von dem morschen Stoff des alten Kleides einen Theil sich nachzieht], und der Riß wird [dnrch diesen, 124 Evangelium Matthäi S, 17. 18. von dem Sichzufammenziehen des Lappen bewirkten Ausrißj ärger [als er vorhin gewesen]. 17. Max; fasset auch cum dukch ei« and» Gleichniß das, was ich euch zu bedenken gebe, noch von einer andexn Seite her in’s Licht zu stellens nicht Most in alte Schlauche fHiob 32, 19 Anm.]; anders-D. i. beobachtet man aus thörichter Vor- liebe für das Alte oder aus übel angebrachter Sparsamkeit diese Vrsrsichtstnaßregel nicht, so bleibt auch di: natürliche Folge nicht ans:] die Schlciuche fals morsch der Ausdehnungskraft des gährenden Mosts nicht gewachsens zerreißen, und der Most wird verschutteh und fnnn thut man stch auf zwei Seiten zugleich Schaden: nicht nur wird, wie eben gesagt, der Most verschüttet, sondern auch] die Schlauche sdie man für alten, ausgegorenen Wein noch wohl hätte brauchen können] kommen Um. Sondern man fasset [wenn man seinen wahren Borthcil vekstehtj Most in neue Schlciucha so werden sie beide lMost und Schläuche, welche letztere als neu der jugendlichen Kraft des ersteren zu widerstehen vermögen] mit einander behalten. Da in der Bemerkung der Pharisäer und Johannis- jünger etwas Anforderndes lag, spricht der HErr in 2 Vergleichuugen aus, wie die zwei Oekonomieen (die bei- den Heilsanstalten des alten und des neuen Testa1nents) sich nicht vermischen ließen; der neue Geist bedarf der neuen Formen, und selbst wenn im neutestauientlichen Leben dem alttestamentlichen Wesen verwandte Formen sich darstellen, so sind sie doch verschieden von den Er- scheinun en des Lebens rein unter dem Gesetz. Beide Verglei ungen besagen allerdings dasselbe, allein sie sind von verschiedenen Standpunkten (jerce von dem der Pha- risäer und der Johannisjünger, diese von dem des HErrn und seiner Jünger) aus aufgefaßt. Jn der er- steren wird das Neue als ein Ne ensächliches, die Bedürfnisse des Alten Heilendes aufgefaßt —- fo mußte den Pharisäern (und ihren Geistesverwccndtem den Jo- hannisjüngerty von ihrem befchränkten Standpunkte herab das Evangelium erscheinen; in der zweiten Ver- gleichung dagegen erscheint das Neue als das Wesent- liche, das Alte als die» bloße orm — so verhielt sich beides zu einander der Wahrheit nach. Durch die Ver- bindung der beiden Vergleichungen genügte der Barm- herzige, zur Schwachheit sich liebevoll herablassend, den Bedürfnissen aller. Den Pharisäern (und Jhresgleichety selbst mußte einleuchtend werden, daß sie die Mängel ihrer Oeconomie (des alten Testaments) nicht bedecken könnten dnrch Ausnahme des evangelischen Element-s; das konnte so wenig wohlthätig wirken, als ein unge- wässerter neuer Lappen, auf einen alten Mantel gesetzt, diesem etwas hilft. Jn der zweiten Vergleichung da- gegen tritt das Verhältniß von Wesen und Form, vom »Standtpnnkte des neuen Testaments aus, klar hervor: das Wesen muß sich seine ihm entsprechende Form schöpferisch bilden; will menfchlicher Eigenwille den Geist in alte Formen pressen, so wird zunächst die Form ge- sprengt, aber auch das Wesen kann nicht geregelt wirken, seine inwohnende Kraft offenbart sich zwar, aber in un- geordneten, dem Ganzen nicht heilsamen Erscheinungen. Jn Luk. 5 , 39 kommt noch ein Zug hinzu, der sehr characteristisch ist und auf die Pharisäer (und Johannis- jünger) zurückführt; der liebevolle Heiland entschuldigt die in dem Wesen des Alten verwachsenen Herzen selbst und findet es nicht unbegründeh daß ihnen schwer wird, aus dem alten Kreise geistiger Gewohnheit hinauszu- schreiten und sich in ein neues sprudelndes Lebenselement zu wagen. Das Alte, weil milder, abgelagerter (wie das alte Testament verglichen mit dem neuen), wird durch die Gewohnheit angenehmer; das Neue, der noch in Gährung begriffene, prickelnde Schaumwein, will an- fangs nicht münden; doch eben dieser Ausdruck fordert zugleich milde zum Eingehen in das neue Leben des Geistes auf, das der HErr der Menschheit brachte. (Olshausen.) Wahrscheinlich nahmen die Johannisjünger die entschiedene Erklärung Jefu nicht zum Besten auf; daß jedoch die Art und Weise, wie sie das Wort dem gefangenen Täufer hinterbrachtem dazu beitrug, diesem eine trübe Stimmung zu bereiten: (Kap. il, 2 f.) wie P. Lange vermuthet ist wider die Chronologir. VL v. upon. (§. Zu) sofort nach de: Verhandlung im vorigen Abschnitt hatte Jesus( Gelegenheit zu zeigen, daß feine Art, ein zlfrendenmalyl zn feiern, ihn den Eeidtragendeii uitht entfremdeta während er nämlich noch mit Hlägern und Hrittleru fiel) unter-redet, kommt der Vorsteher einer Schule zu Haoernantm der vermöge seines Amte den Gottegdienfl der Gemeinde dort zu überwachen und zu leiten hatte, vermöge der Partei aber, zu der er zählte, von Hang aus nicht· zu Iefu Freun- den und Anhängern gehiirte, nnd bittet ihu für sein Kind, ein Mägdlein non 12 Jahren, um Hilfe in großer Noth; in den letzten Zügen fehon lag sie, als er non daheim wegging, die Angfi feiner Seele malt ihm ihr Bild vor die Augen als das einer bcreilo Geflorbettetn nnd nun bittet auch der Mund mehr, als das Herz noch zu fassen vermag. Der HErr geht fogleirh mit ihm nach feinem Haufe; aber unterwegs kommt ein Aufent- halt — ein Weib, das 12 Jahre den slnlgang gehabt nnd bei den Aerzten nicht fomohl Heilung, als ber- fchlimmerttug ihrer Plage gefunden, rührt non hinten den Saum des Kleides Jesu an in dem kühnen Glauben, feine wnndetkraft auf diefe weise in ihren kranken Weib überzuleitem nnd findet auch Heilung. weder die längere Verhandlung mit ihr, noch die mit Jan-us, als wirklich die Botfchaft kommt, fein Kind fei gestorben, wird ung von Matthättg in unserm Abschnitt berichtet: es ifi einmal feine Art, nur die Hauptsachen jeder Be— gebenheit zu erzählen, ohue auf besondere Vorgänge sieh einzulassen. Und so fiihrl er uns alsbald in dag Trauer— hatte, das Iesnn vou den Hlageweiberu und Flöteufpik lern reinigt, und von da in die Todteuliammey wo er das Mägdlein von den Todten wieder lebendig macht. hmarlr 5, 21-—43; Luk Z, 40—-56.) Evangelium am M. Sonntage nach Triuitatiy Hat der heil. Geist uns berufen sTrinitatis bis 5. n. Trinit.), erleuchtet (6——10 n. Trin.), bekehrt (ll--—l4 n. Trin.) und zur wahrenHeiligung geführt (l5— 23 n. Trin.), so bleibt noch übrig, daß er das angefangene Werk auch hinausführe und die v o llend e, die seinem gnu- denreichen Walten Raum geben: von dieser Vollendun handeln die letzten Wochen des Kirchenjahres (24——2 n. Trin.). Au der Auferweckung von Jairi Töchterlein nun zeigt uns das Eh. des ·2-t. Sonnt. n. Trin. das köstliche Ziel unserer mühevollen Wallfahrt. Unser ganzes Leben muß ein Ringen nach der seligen Vollendung, ein Kämpfen wider Teufel, Welt und Sünde sein; an das Ziel kommen wir aber erst, wenn der HErr uns aufer- weckt am jüngsten Tage und uns den neuen, heiligen, Verklärten Leib schenkt, der da ähnlich ist seinem ver- klärten Leibe. Dann erlangen wir erst das Erbtheil der Heiligen im Licht, dazu uns der HErr berufen hat. Der SchubVorfteher Jairus bittet den HErrn für fein Töchterlein 125 (Dieffenbach.) Das Kirchenjahr eilt seinem Ende enti- gegen; indem es aber, wie jeder Abschnitt in der Zeit, auch der Zeit feinen Tribut entrichtet und deni allge- meinen Loofe der Vergänglichkeit unterliegt, bringt es in seinen letzten Sonntagen dieses Loos ebenfalls zur Sprache und betrachtet in den letzten 4 Evangelien die Lehre von den letzten Dingen: Tod, Gericht nnd Ende der Welt. Das vorliegende Evangelium handelt vom Tode und enthüllt uns 1. des Todes Macht an Jairi Töchter- lein, des Todes Weg an dem kranken Weibe, und 3. des Todes Ueberwindung an Jesu Christo, der das Mägdlein auferweckt. (Fr. ArudtJ 18. Da er solches kwie in V. 11—17 er- zählt worden] mit ihnen ltheils mit den Phari- säern, theils mit den Jüngern Johanniss redete« [gegen jene sich felbst darüber rechtfertigend, daß er mit den Zöllnern und Sündern aß, gegen diese aber seine Jiinger vertheidigend, warum sie nicht fastetenL siehe, da kam [wie durch eine besondere Fügung Gottes, der dem HErrn Jesu Zeugnißs geben wollte: »Das ist mein lieber Sohn, an welchem ich Wohlgefallen habe; den sollt ihr hören« Kap. 17., 5, und feinen Namen verklären wollte vor dem Volk Joh.12, 28., mitten in den Kreis der Verhandelndcn hereingefÜhrtJ der Obersten einer« sJairus mit Namen, Vorsteher einer Schule Nehem. m, 39 Arm. zu Kapernaum Luk. 5, 41 und wohl zu der Sekte der Pharisäer gehörig] und siel lin ebenso ehrerbietiger und demiithiger, als inständiger und dringender Weise bittend Kap. 8 , 2; und sprach [in großer Verwirrung seiner Seele, so daß er in zweierlei Hinsicht mehr sagte, als er eigentlich hatte sagen wollen]: HEry meine Tochter sdas einzige Kind, das ich habe, ein· Mägdlein von 12 Jahren Las. 8, 421 ist Jetzt gestorben; aber komm und lege deine [ai1- mächtig wirkende) Hand auf sie, so wird sie swiederj lebendigMk [werden]. «) Man darf sich nicht, wie von vielen Darstellern des Lebens Jesu gefchieht, durch Mark. Z, 21 f. u. Luk. 8, 40 f. zu der Meinung verleiten lassen, als seien die beiden Geschichten in unserm Text sogleich nach der Rückkehr aus der Gegend der Gergesener nach Kaper- naum (V. 1) erfolgt; unmöglich kann der Ausdruck an unsrer Stelle: ,,da er solches mit ihnen redete« eine all- gemeine, unbestimmte Formel sein, die keine nähere Zeit- angabe in sich schlösfe, vielmehr tragen die Angaben bei den andern beiden Evangelisteii einen unbestimmten, all- gemeinen Charakter an sich, die nur soviel besagen, daß überhaupt ·nach der Rückkehr· von den Gergefenern die vorliegenden Geschiihten sich ereignet haben, ohne ein ,,sofort« oder ,,iioch an demselben Tage« als Zeittermin behaupten zu wollen, wie denn von Haus aus die Wahr- scheitilichkeit dafür spricht, daß Matthäus am genauesten diejenigen Begebenheiten, die das unmittelbare Vorher oder Nachher zu seiner eigenen Berufungsschichte bilden, in ihrem geschichtlichen Zusammenhange werde dargestellt haben. Haben wir nun Matthäi Verufungsgefchichte auf den El. September a. 28 n. Chr. verlegt-, so läßt sich berechnen, daß dieser Tag damals ein Dienstag war; sand aber das Gastmahl in seinem Hause ZTage später, am 23. September statt, also an einem Donnerstagq 15, 251 vor ihm niedere so ergiebt sich für die Frage der Johannis-Jtinger eine» sehr passende Anknüpfung, indem der Donnerstag einer von den beiden wöchentlichen Fasttageu der Pharisäer war (3. Mof. 16, 31 Anm.). Die Johannis-Jünger nahmen also Anstoß, daß Jesus gerade an einem folchen Tage zu einem Festmahl gehe. «) Welch eine Überraschende Wendung, womit die göttliche Vorsehung dem Hin- und Herreden blinder Nienschenkinder ein Ende macht! Und wie mochten die Pharisäer sich entsetzen, da sie in dem tiesgebeugten Mann eine Standesperson in Israel, einen Genossen ihrer Schitle, ihres Amtes, ihres Ansehens, einen Pharisäer wieder erkannten! Ach, es ist wohl die rechte Stellung, in der ein armes Menschlein vor dem HErrn erscheinen soll —- Knie beugen und das Angesicht in den Staub erniedrigen; aber Pharisäers Haupt und die Füße Jesn, des schon mit dem Pharifäerbann belegten Sünder. freundes, wie kommen die zusammen? Wer hatte dem Meister auf Mosis Stuhl (Kap. AS, 2) eine solche Stel- lung im Staube angewiesen? Wer anders als der höhere Meister, der aller Geheimniffe Herr istund sie offenbart, wem er will! Es war ein Zug des Vaters durch den Geist zum Sohne: ein Wort, ein süßes Wort, der holde Jesus-Name, war in Jairuss Herzen lebendig geworden, Aber Anfechtung hatte ihm erst das Ohr dafiir wecken müssen, wie diese denn noch immer, und nicht ein mässi- ges Studiren und Speculirem die Geburtsstätte und Geburtshelserin des wahren Glaubens ist. Eine Kranken- und Sterbekammer ist für Jairus zur Betkammer ge- worden; da hat er seine Theologie nach der Schrift re. vidiren müssen, und der Geist lehrte ihn über alle Satzungen der Väter nnd Ausfätze der Aeltesten hinaus auf das nackte Wort merken und auf die Zeichen der Zeit, deren holdseliger Gnadenglanz in dem Propheten von Nazareth über dem Orte nnd Schatten des Todes aufgegangen. Was ihn bisher von Jefu ferne gehalten, Menfchenurcht und Menfchengefälligkeit, Gefetzesruhm und fleischliche Sicherheit, das Fingerzeigen der Saddu- cäer, das Naserümpfen der Pharisäer —- es kann’s nicht mehr. An dem Schmerzensbette des einzigen Kindes, bei dem Rauschen der Flügel des Todeseiigels über des. sen Haupt, ist ihm das vorhin harte» stolze Herz ge- brochen und grundweich geworden. Mit dem erlöschens den Licht der lieben Aeuglein ist ihm die Sonne der Weltherrlichkeit in einen Sack gesunken: er muß zu Feste, dem Helfer, hin, und ob es, ihm einen Bruch mit seiner ganzen Sippschaft kostete. (Rosfhack.) Mk) Man ver- kümmert diese Geschichte um einen ihrer lebendigsien Züge, »wenn man hter den Matthätis nach dem Makkus berichtign »Meine Tochter ist in den letzten Zügen; du wolleft kommen und deine Hand auf sie legen; daß sie gesund-werde Und lebe,« um nur den Mann einen recht klaren Vortrag halten zu lassen. Allerdings, als er feine Tochter verließ, lebte· sie noch, nur die Zeichen des Todes- kampfes hatten sich eingestellt; nun war er dessen sich ge- wiß, das; Jesus auch in den letzten Zügen sie noch retten könne, bis» dahin jedoch, daß der HErr, auch wenn das Kind bereits todt wäre, es aus dem Tode wieder in’s Leben rufen könne, wagte er so wenig wie die Seinigen (Luk. 8, 49) im Glauben sich zu versteigen. Da treibt ihn denn die innere Angst, es möchte zu spät werden, weil jeden Augenblick von den letzten Zügen der aller- letzte, für den Todeskampf der wirkliche Tod eintreten konnte, sich so auszudrücken, als wäre dieser Fall insder That schon geschehen; und er war auch schon geschehen, als er mtt Jefu redete, nur daß der Mann dies noch nicht wußte, sondern in bloßer Verwirrung dem That- bestande entsprechendere Worte gebraucht, als ruhige Ueberlegung ihm würde eingegeben haben. Mit de: innern Angst aber, die über sein historisches Wissen 126 Evangelium Matthäi I, 19-—-22. hinaustreibh wirkt gleichzeitig die Hand Gottes und hebt ihn über seinen augenblicklichen Glaubensstaud hinaus, daß er Jesu noch größere Wunder zumuthet, als die er ihm eigentlich zutraut. Es ist dies» die erste Todten- erweckung von den dreien, die überhaupt geschehen sind, denn außer diesen erzählen die Evangelisten deren nur noch zwei (Luk. 7, ll ss.; Joh. 11, 1 ff.); nachdem das Volk von Jesu Wirken bisher den Eindruck empfan- i gen: »Wir haben einen Gott, der da hilft ,« sollte nun auch der andere Eindruck hinzukommen: »und den HErrn-HErrn, der vom Tode errettet« (Pf. 68, 2·1), und wie der Uebergang von dem Glauben an das eine zum Glauben auch an das andere im Mensihenherzen sozusagen nur in einem Zustande geistiger Verwirrung, oder besser gesagt, unter einwirkender Kraft Gottes, die uns über uns selbst hinaushebt, sich vollzieht, »das sehen wir schon im alten Testament an der Sunamitin: 2. Kön. 4, 21 ff. Während die beiden andern Evangelisteii den Hergang mehr in nüchterner Klarheit darstellen, hat Matthäus mit seinem scheinbar nur fummarischen richt denselben mit psychologifcher Tiefe erfaßt: Jene Darstellung läßt uns in das äußere Sachverhältniß blicken, dieser Bericht aber führt uns ein in die geheime Werkstätte, in welcher ein Mensch zum Glauben bereitet wird. Uebrigens ist der Name unsers Schul-Obersten bedeutsamt »Jairus« ist die griechische Form für das hebr. ,,Jair« (4. Mos. 32, 4l; Richtz 10, z ff.) und heißt zu deutfch der Erleuchtete, an seiner Tochter aber erfüllte sich das Gebet Davids in Pf. 13, 4: ,,Erleuchte meine Augen, daß ich nicht im Tode entschlafe. II. Und Jesus [sofort zur Hilfe bereit] stund auf« [machte sich auf von der Stelle vor dem Hause des Matthäiis, wo das in V. 11· ff. Erzählte vorgefallen war] und folgetess ihm sdem Janus, in sein Haus] nach nnd seine Jünger [im engeren und weiteren Sinne, nebst einer großen Menge Volks, gingen mit ihm] V) Es ist die Bewährung eines heili en Fest- und Freudenmahles, wenn man unverziiglich a brechen, ans- brechen und in’s Trauerhans eilen kann. — Wer im Geiste lebt, ist immer geriistet. (P.·Lange.) —- ssksh Jn beiden Geschiihtety die dieser Abschnitt erzählt, zeigt sich wieder der Erlöfer als eine himmlische Erfcheinung wie sie sich die geheimste Sehnsucht der Menschheit als das Ideal ihrer selbst erseufzt. Mit dem heiligften, reinsten Liebeswillen verbindet er eine Fülle göttlicher Lebens- kräste, die sich belebend über die Gefilde der armen Menschenwelt ergießt, durch die er zieht. Schwebend über aller Noth und allem Jammer entzieht er sich ihnen nicht, sondern senkt sich liebreich in die Tiefen des Elends hinab, verschlingt Tod und Sünde ewiglich und trocknet jede Thräne von den Angesichtern der Armen (Jes. 25, 8). Einen solchen Heiland hatten die Pro- pheten mit glühender Sehnsucht erfleht und in gläubig-er Hoffnung auf Befehbdes Geistes verbeißen: i1ii neuen Testament sehen wir ihn so walten, göttlich und mensch- lich zugleich, als eine nnvergleichliche Erscheinung, die mit zauberischer Gewalt die für edle Eindrücke empfäng- lichen Herzen an sich zieht (Olshaufen.) 20. Und siehe, ein Weib ,» das zwölf Jahr den Blutgang gehabt« seine Krankheit, die nicht nur an ihrem Lebensmark zehrte, sondern auch sieunrein machte nach dem Gesetz, Z. Mof IS, 25 ff., und alle ihre Nahrung an die· Aerzte gewendet hatte, ohne Heilung zu finden, wie denn auch die jetzigen Aerzte dieses Uebel nur selten zu beseitigen vermögenL trat [im Gedränge des Volks, unter das sie sich gemischt, weil sie wegen der Natur ihres Leidens nicht wagte, den HErrn öffentlich um Hilfe zu bitten] von hinten zu ihm swährend er noch auf dem Wege zu dem ziemlich entlegenen Hause des Jairus begriffen war] und riihrete seines Kleides Saum an seine von den vier Troddeln an den Zipfeln seines Talars 5. Mos. 6, 9 Anm.]. 21. Denn sie sprach bei ihr selbst kließ zu diesem Schritt von dem durch ihren Nothstand ihr nahe gelegten Gedanken sich bestimmen]:» Mbkht ich nur sein Kleid anruhrem so wurde ich gesund «· swie ja hernach auch Andere auf die- selbe Weise seine Hilfe sich ziieignetenKap.14, 36]. is) Worin besteht nach der Schrift das Wesen der Krankheit? Mancher wird denken, daß man eine Ant- wort ans diefe Frage in der Schrift weder suchen dürfe noch finde, in Wahrheit aber giebt sie uns über das Wesen der Krankheit die tiefsten Aufsihlüssex sie sagt uns, welches der Krankheit Wesensgrund ist, nämlich der Zorn; sie sagt uns, welches der Krankheit Wesens- beschaffenheit, nämlich die Turba (Erregung, Stö- rung); sie sagt uns, welches der Krankheit Wesens- proze ß, nämlich Sterben oder Strebung zum Tode. —- Der Wesensgrund der Krankheit ist der Zorn. Wir sind hingeschwundeiy sagt in Pf. 90, 7 f. das Jsrael der Wüste, durch dein Schnauben, und durch deine Zorn- gluth sind wir verstört; du hast gestellt uiifre Missethaten dir gegenüber, unser Geheimstes in die Lichthelle deines Angesichts Der Tod ist laut l. Mos. s, 19 ein Zorn- verhängniß Gottes, also auch die Krankheit, dieses ,,Wetter- leuchten des Todes l« Zwar kann die Erkrankung eines« Menschen, wie das Buch Hiob zeigt, auch eine Schickung der göttlichen Liebe sein, die ihn züchtigen und bewähren will; aber die Krankheit an sich hört damit ebensowenig auf, eine Zornwirkung zu fein, als der Tod, dessen Stachel die Sünde ist — vgl. 4. Mos. 2·7, 3 wo die Töchter Zelaphehads von ihreni nicht in die Sünde der Rotte Korah verflochten gewesenen Vater sagen, er ist an s einer Sünde gestorben. Die Krankheit ist eine Wir- kung des infolge der Sünde in der Welt und insbeson- dere in der Menfchheit waltenden Zornes, und ihre Hebung, die Hebung der Krankheit in ihrem ganzen Um- fange, ist eben darum laut Matth. 8, 17 Aufgabe des Erlöfers. Durch ihn hat die Liebe den Zorn sich unter- thänig gemacht, um sich an der Menschheit durch Sünde und Tod hindurch zur Alleinherschaft zu bringen. Aber obwohl der Zornwille nun gegen alle, welche die voll- brachte Erlösung ergreifen, zum reinen Liebeswillen ge- worden ist, so dauern doch die naturnothwendigen Folgen des Zornes fort, und unser Siindenleib muß erst dem Zornfeuer erliegen, ehe die durch den Erlöser entbundene Liebe ihr Verkläruiigswerk an ihm beginnen kann. Die Grundeigenschafteii des Zorns sind ja auch wirklich die · Grnndeigenschafteii der Krankheit. Sie drängt den Men- schen in einen dumpfen, stampfen, dunklen Zustand der Verinnerung, bricht in heftige Schmerzen aus und ver- setzt das Lebensrad in fiebernde feurige Schwingung, weshalb so viele Krankheits-Nanien im Hebräischen mpåkr Dkijrj »Das; »He-«) die Begriffe des Bren- iieiis und Glühens ausdrücken (vgl. das griechifche ask-kreist Die Krankheit erweist sich dadurch als eine abnorme Steigerung der einen Lebensgestalt und als eiue feindliche Erhebung derselben über die andere. Denn ihre Wefensbeschafsenheit ist die Turba. Die Krank- heit ist immer eine mit finsterer Abspannung wechselnde feurige Erregung, welche das Gleichgewicht der Kräfte stört und sie in Widerstreit mit einander setzt; sie ist immer Kampfder gestörten Lebenskräste, der Gegensatz von Friede (Hiob 33, 19 Anm.) Wie tiefsinnig, daß die alttestamentliche Sprache für Wohlbefinden oder Gesundheit und Frieden Ein Wort (1. Mos. W, 6) hat! Ihr Wesensproceß aber ist Sterben oder Strebung zum Tode. Die Schrift giebt auch diesem Grnndzng der Krankheit einen sehr bestimmten Ausdruck, indem sie das Genesen ein "Wiederaufleben nennt (Joh. 5, s; Z. Kön. 1, Z; 20, 7). Die Krankheit ist also immer ein Ansatz zum Sterben, ein Ableben, da das Genesen im- mer ein Wiederaufleben ist. In diesem Sinne erfüllt sich die Drohung l. Mos. 2, 17 : ,,welches Tages du davon isfest, wirst du des Todes sterben« am Tage der Uebertretung wirklich —— die Menschen sind von da an nicht blos Sterbliche, sondern Sterbende. Jhr gefundes Leben, zu dessen Nährung und Kräftigung der Lebens- baum bestimmt war, ist von da ein dem Zornverhäng- niß des Todes verfallenes und verfällt ihm nur deshalb nicht sofort, weil die Gnade den morfchen Organismus stützt. So ist es noch immer: daß wir lebend sterben, kommt von Gottes Zorn, und daß wir, obwohl sterbend, dennoch leben, ist Gottes Gnade. — Wir würden sehr irren, wenn mir meinten, daß alles Sterben und alle Krankheit ausnahmslos, nur in mannigfaltiger Weise, die Wirkung des Satans oder anderer böser Geistes- wesen sei; diese Meinung ist in der Schrift nicht begründet. Die Eine letzte Urfach alles Uebels ist der als Selbststrafe der Sünde folgende göttliche Zorn, welchen allerdings der Satan in Gottes Schöpfung und insbesondere in der Menfchheit entzündet hat, ohne aber deshalb auch der Mittler aller einzelnen Zornwirkungen Gottes zu fein, da ja Gott sogar gute Engel zu Mittlern derselben macht, wie z. B. die Pest in 2. Chrou. 22 ihren Anlaß in einer fatanischen Versuchung David’s hatte (V.1), an sich selbst aber als die Gotteswirkung des Engels Je- hova’s erfcheint. (V. 15 f.). Giebt es aber Krankheiten und Todesfälle, welche die Gotteswirkungen guter Engel sind (Jes. 37, 36; Apostg. is, 23), so wird es auch solche geben, welche unmittelbar von Gott verhängt sind, wie z. B. ausdrücklich von dem Aussatz Usia’s in 2. Chron. W, 20 und von der Blindheit des Elymcks in Apostg. 13, 11 gesagt wird. Wir nennen diese Krank- heiten da, wo nicht ein besonderes göttliches Eingreifen zu Tage tritt, natürliche. Wie es nun fleifchliche und satanische Versuchungen giebt, so giebt es auch natiirliche und dämonische Krankheiten; die Schrift unterscheidet ja in Kap. 4, 24; 8, Its; Mark. Z, 15 und an vielen an- dern Stellen diese zwei Arten von Krankheiten ausdrüc- lich. Jene haben zu ihrer unmittelbaren Ursache das die gegenwärtige Welt zugleich mit dem Principe der Liebe durchwaltende Princip des Zorns, diese dagegen sind mittelbar vom Satan und andern Geistwefen ge- wirkt (Kap. 8, 34 Anm.) ; denn es giebt außer uns unter dem Satan ein ganzes großes Reich überirdifcher Wesen, welche in widergöttlicher Selbsterhebung das gött- liche Liebes-licht in sich ausgelöscht haben und ganz und gar zu Gefäßen des göttlichen Zorns geworden sind. (Delitzsch.) »Daß das lutflüfsige Weib 12 Jahr krank war, gleich wie Jairi Tochter 12 Jahr alt war, ist ein Zusammentreffen, wie deren die Wirklichkeit tausende bieten« —- ,,Des Weibes Leid hatte grade so lange ge- währt, als des Mannes jetzt so hart bedrohtes Glücks« Die kirchliche Sage hat dies Weib mit dem Namen der heil. Veronika geschmückt; sie soll dieselbe Frau sein, die hernach beim Anblick« des mit bluttriefendem und geschändetem Angesicht nach Golgatha hmaufziehenden DiefBlutflüssige und ihr Glaube. 127 Christus aus ih remHaus e zu Jerusalem hinauseilte, ihr Kopf- tuch abzog und ihm darreichte, damit er sich das Blut und den Schweiß von feinem Angesicht abtrockne, und der nun zum Dank der HErr die Züge seines von Schmerz und Leiden entstellten Gesichts auf das Tuch abprägte und es ihr als ein Angedenken zurückreichte Nun ist freilich diese Sage an sich nichts weiter als eben eine Sage, und der Name Veronika erst mit Bezug auf dies angebliche Bild (vera icon = Eines-») gebildet; dennoch liegt darin ein tiefer Sinn. M) »Der Glaube, welcher dem Gichtbrüchigen ·(V. 2·fs.) den Weg durchs Dach weist, der zeigt auch ihr eine noch von keinem Menschenfuß betretene Straße« —- ,,Die Glaubensform des verfchämten Weibes bildet zu dem kühnen Gichtbriichigem welcher durch alle Hinder- nufe h1ndurchbrach, den größtenvGegensatz »— dieser schien einem Räuber ähnlich , jene einer Diebm; allein das war nur der Schein, die verfchiedene Form ihrer Glaubensentschiedenheit.« — Wenn man eben den Glau- ben eines Metischen gepriesen hat, so klingt es freilich altklug nnd abgeschmackt, wenn man dann doch wieder Ansstellungen an dem Glaubens-leben zu machen hat, welches man gerühmt; aber andrerseits ist es doch oft so im Leben, daß eine und dieselbe That ein Beweis des herrlichsten Glaubens und doch zugleich mit Schwachheit umgeben ist. Wer wird, so lange er hier wallet, seines Schattens los? Keiner unter allen; und Keiner unter allen vermag dem HErrn ein Vollkommenes Opfer zu bringen, es ist des HErrn unaussprechliche Geduld, wenn er unser fchwaches Lob sich gefallen läßt und irgend eines unserer Werke als in Gott gethan vor ihm gilt. So sei es denn ar nicht Lust zu tadeln, sondern ein Bekenutniß der a en Menschen anklebeuden Sünde, wenn ich am Benehmen unserer theuren Schwefter, der Blut- fliissigen, etwas ausfetze Daß sie in fröhlichem Glau- ben die Behauptung wagt, feines Kleides Saum könne ste heilen, weil er der Saum des Kleides ist, das feinen allerheiligsteu Leib berührt, das ist richtig und ganz in der Ordnung; daß sie den Saum hinterrücks zu fassen strebt und faßt, ist auch als Beispiel eines kühnen Glan- bens zu loben, wenn sie dabei die Gewißheit in sich trägt, daß es dennoch mit seiner Erlaubniß geschieht, daß nur nach feinem Willen und auf fein Geheiß die Hilfe von ihm durch den Saum feines Kleides fließt, daß sein Herz ihrem Thuu Wohlgefallen und Gelingen zuwinkt. Aber wenn sie meinte, etwas von dem Gött- lichen durch seine Mittel, seinen Saum, und doch ohne feinen Willen erlangen zu können, wenn sie seine ganze Umgebung von ihm mit Heil durchdrungen, aber nicht in seinem Gehorsam stehend, nicht völlig in feiner Hand befindlich sich denkt, wenn sie, obwohl voll Verehrung, dennoch eine Art frommen Betrugs an ihm spielen zu können meint; so finde ich das zwar immer einer hohen Seele würdig, ich kann mich über einen solchen Glauben wundern, aber nicht ganz so redlich und ein- fältig finde ichs, es ist mir, als mische sich etwas von Aberglauben ein. Und wenn ich Unrecht habe, wenn ich dieser unserer Schwester in Christo Jesu zu nahe getreten bin damit, daß ich so etwas von ihr hier öffentlich sage und befürchte, so lehre mich mein HErr, und ich will dereinst, wenn ich die kühne Seele jenseits finde, mit Freuden Abbitte leisten. (Löhe.) 22. Da [um den weiteren Hergang, wie er in Mark. 5, 29—-36 u. Luk. 8 , 44—48 ausführlicher berichtet wird, in eine kurze Summa zusammenzufassen] wandte sich Jesus um und sahe sie und sprach: Sei getrost, meine Tochter , dem Glaube hat dir geholfen. 128 Evangelium Matthäi 9, 23-——27. Und das Weib ward gesund -zu derselbigen Stunde. Das Weib hat alles heimlich abgemacht: indem sie von dem HErrn Hilfe zu erlangen sucht, fragt sie ihn nicht, ob er es haben will; sie kommt auch nicht vorn in’s Haus, mit Wissen des ausherrn ihrAlmosen zu holen, hinten steigt sie ein, ei Nacht und Nebel, und nimmt, was sie kriegen und greifen kann; sie ist gewisser- maßen eine Diebin, und doch gelingt ihr der Diebstahl, der HErr läßt sich fein Eigenthum entwenden, als hätte er das Seine übel bewacht. Es ist aber nichts verbor- gen, das nicht offenbar werde (Kap. 10, 26); zu Jairus und aller Gläubigen Trost muß die Sache an’s Licht kommen, die Diebin muß hervor, damit sie ihr entwen- detes Gut als rechtmäßiges Eigenthum empfange. Wie ist nun die ganze Sache zugegangen? steckten vielleicht in dem Mantel Christi besondere Kräfte? Das muß wohl der Fall gewesen sein; nur nicht, weil der Mantel für sich die Kräfte hatte, sondern weil Christus in dem Mantel steckte. Hättest du den Mantel jetzt noch, der würde dir nicht mehr helfen als dein eigener Mantel; denn Christus hat seine Hilfe und Verheißung an keinen Mantel oder Rock gebunden. Denno haben wir Rock und Mantel Christi noch bis auf den eutigen Tag --— nicht jenen, den ihm die Weber gewirkt haben, sondern den, welchen er selber gewirkt hat, den keine Kriegskiiechte unter sich theilen und den keine Motten verzehren. Das ist sein heiliges Evangelium und seine Sacramente, in welchen allen Sündern umsonst und aus Gnaden Vergebung der Sünden und ein ewiges Leben angeboten, dargereicht und zu eigen gegeben wird. In diesem Gewande findet sich der HErr Jesus sicher und allezeit, und er hat seine Verheißung dazu gethan, daß von demselben Kräfte des Lebens ausgehen sollen. (Münkel.) Jn seinem Kleide (Wort und Sacrament wird der HErt noch heute von den Nameuchristen ge- drängt und gedrückt, ohne daß diese feine Heilandskraft empfangen (Mark. Z, 31; Luk. S, 45); aber wo eine nadenhungrige Seele sein Kleid anrührt, da gehen die räfte des ewigen Lebens in sie über. (Lang.) 23. Und als er snach einem andern Zwi- schenfalle, den man in Mark. 5, 35 f.; Luk. 8, 49 f. nachleseii wolle] m des Obersten Haus kam Und sahe [gleich· beim Eintreten in den Vorderraum] die Pfeifer [genauer: Flötem fpieler 4. Mof. 10, 2 AnmJ Und das Ge- tümmel des Volks stheils der Klageweibeiy theils der Freunde und Verwandten, die man zur Leichen- bestattnng des inzwischen oerstorbenen Kindes noch für den Todestag selber herbeigerufen 2. Sam. Z, 21 Anm.s, 24. Sprach er zu ihnen: Weichet fals die ihr hier nichnamwechten Orte seid]; denn das Magdlein ist nicht todt sdaß man es zur Erde bestatten müszte], sondern es schlaft lund foll jetzt zu neuem Leben erwachen Joh.. 1 l, 11 ff.]. Und sie weinend, er rede vom leiblichen Schlaf] verlachten ihn Idenn sie wußten wohl, daß sie wirklich todt war Luk. 8, 53j. Der HErr redet in göttlicher Weise und in himmli- scher Sprache; sie aber, nur sehend auf das, was vor Augen ist, verlachten ihn, wo sie ihn würden angebetet haben, wenn sie ihn verstanden hätten. (Menken.) Der Tod der Gläubigen ist nur ein Schlaf, nnd Gott wird sie so leicht aufwecken, als man einen vom Schlafe er- weckt; aber den Ungläubigen kommt diese selige und tröftliche Lehre läiherlich und un ereimt vor: Z. Petri Z, 3f.; Apostg l7, 18. 32; 1 T ess. 4, 13. (Tüb. Bib.) Der Schlaf ist eine Art Trennung der Seele vom Leibe, und der Tod ist auch eine solche Trennung, aber eine völlige Trennung; jedoch die Seele kehrt wieder und wird wieder mächtig in dem todten Leibe, wie am Mor- gen im schlafenden. Wenn die Mutter am Morgen den fchlafenden Kindlein ruft, wird die Seele im Leibe wieder Herrin und das fröhliche Leben des gestrigen Tages be- ginnt. So ruft der HErr seinen Todten, und die Seelen eilen wieder i11 die eliebte Behausung, und das fröhliche Leben des geftrigen ages beginnt. Keine Mutter weckt vom nächtlichen Schlafe die Kinder so leicht, wie der HErr die Todten vom Todesschlaf« vor ihm sind seine Heiligen Schlafende, Morgenroth ist über den Gräbern, und die Gottesäcker sind Felder, auf denen eine Unsterb- liche Hoffnung blüht. In den Betbüchern unserer Väter findet man zuweilen Gebete, welche die Ueberschrift tra- gen: »die Sprache des Evangeliums vom Tode zu ver- ftehen.«» Diese Gebete sind gewiß nicht überflüssig; man sieht es. hier bei dem Volk, welches Jesum verlacht, weil es, vom Tode des Kindes überzeugt, der Meinung war, er wolle mit feinem süßen Singen vom Schlafe den Tod, deu unleugbar erfolgten Tod des Mädchens leugnen; man» sieht es aber auch an den Auslegern, welche aus den Worten Jefu schlossen, das Volk habe Unrecht ge- habt und das Kind sei nicht eftorben gewesen. Die armseligen, elenden Auslegerl ine Spur der Gottheit Christi meinen sie durch ihr Aiisle en auszutilgem und könnten doch sich selbst sagen, da sie damit nur eine andere Spur seiner Gottheit aufdeckten, wenn sie Recht hätten. Alles meint und glaubt, das Kind sei todt; wenn nun Er allein unter allen, ehe er das Kind ge- sehen, weiß, daß sie nur schläft, so ift er ja allwifsend (Löhe.) 25. Als aber das Volk snun mit schärfe- rem Verweis aus dem Hause] ausgetrieben war sda es der freundlichen Bedeutung V. 24 nicht Folge leisten wollte], ging er [Jefus, von Petrus, Jakobus und Johannes begleitet, und noch den Vater des Kindes und die Mutter mit sich neh- mend Mark. b, 37. 401 hinein [in die Todten- kammerj, und ergri sie lindem er vor den offenen Sarg hintratj ei der Hand [rief und sprach: Talitha kumi, d. i. verdolmetfchet: Mägd- lein, ich» sage dir, stehe aUfJZ da stnnd das Magdlein auf [und wandelte, und ihre Eltern entfetzten sich über die Maßen; er aber gebot ihnen, daß sie niemand sagten, was geschehen war, und sagte, sie sollten ihr zu essen geben]. Das sind mit dem Töchterlein 6- Personen, und der HErr Jesus ist der siebente — eine gläubige Gemeinde nach der Zahl Gottes; in dieser Gemeinde will der HErr sein Wort wahr niachen, daß das Mägdlein schläft, denn er will es aufwecken, und uur ihr will er seine Herrlichkeit offenbaren, weil sie an ihn glaubt. (Münkel.) Das Haus war jetzt still und einsam geworden. Zwei Seelen standen gläubig und hilfeflehend neben dem Mägdlein wie zwei Trauerkerzem der Vater und die Mutter, seine Gemeinde aber sah der HErr durch seine drei vertrauten Freunde vertreten. Und nun erfolgte die feierliche Erweckung Das ,,Talitha kumi« hat den Petrus und durch ihn den Markus in feiner ursprüng- lichen Kraft erschüttert, so daß es in ihrer Ueberliefei rung forttönt bis an’s Ende der Welt. (P. Lange.) War es nicht, so könnte man bei den Todtenerweckungem welche Gegend umher. (Menken.) Die Auferweckung von. Jairi Töchterlein 129 die heil. Schrift erzählt, fragen, war es nicht an sich grausam, einen zur Seligkeit bereits Eingegangenen in die Leiden der Zeitlichkeit zurückzuführen? Allerdings! Aber erstlich könnte man dagegen bemerken, daß vor Christi Tod die Seelen noch nicht in den Himmel, son- dern noch in das Todtenreich kamen; jedoch würde dies für die Fälle wie Apostg. I, 4(); 20, l0 nicht aus- reichen — Tabea und Eutychus wurden allerdings aus der Seligkeit, dem ewigen Leben, in das irdische Leben zurttckgerufem Aber ein andres Moment muß beob- achtet werden: die Substanz der Seelen ist vom Be- wußtsein zu unterscheiden; das Bewußtsein, die Er- in1ierung kann abbrechen für einige Zeit, bei unver- änderter Substanz der Seelen. Der Magnetische, wenn er in seinen Schlaf fällt, bricht eine augefangene Periode oft plötzlich ab, und wenn er, vielleicht eine Stunde nachher, aus dem Schlaf erwacht, setzt er die Periode bei dem Wort und der Sylbe fort, wo er stehen geblie- ben war, und weiß von dem zwischen hineingetretenen ungebundenen Seelenzustand nichts mehr, während er da egen in nngebundeuem Zustand des magnetischen Scglafs alles und noch mehr wußte, als« im gebundenen Zustand des gewöhnlichen Wesens. Aehnlich wird sich der Zustand völliger Entleiblichung der Seele zu dem des Gebundenseins der Seele in den Leib verhalten. Von jenem Zustande aus überschaut die Seele diesen. aber nicht umgekehrt; von diesem aus betrachtet erscheint daher jener, der Zustand des Entleiblichtseins, da wir in ihn nicht hineinblicken können, als ein Entschlafensein, sowie man ja auch den Zustand relativer (bedingter) Lösung der Seele von den gewöhnlichen Leibesorganen im Nlagnetismus als magnetischen Schlaf bezeichnet, obwohl der Schlafende dabei herumgeht und sich unter- redet. (Ebrard.) Der Heilswille Jesu, den er auf des Jairus Bitte faßte, ihm seine Tochter wiederzuschenkem hat den Tod kraftlos gemacht und somit in einen Schlaf verwandelt; darum kann er dann auch denen, die er von der Klage abhält und hinaus-treibt ( V. 24), sagen, daß die Tochter des Jairus schlafe, denn es war für sie hinfort nicht mehr Grund zur Trauerklage da, als sonst der Schlaf etwa bieten würde. Und doch verhütete diese »Art’auszudrücken, was er bewirken wollte, daß die wirkliche Größe seiner That so kund und ruchbar werde, daß sie ihm eine über die dermalige Stufe seiner Erkenntnis; Jesu hinausgehende Verehrung des Volkes eingetragen hätte; denn um dieses zu verhüten, will er auch von den Augenzeugen die Sache geheim gehalten wissen. Damit wird denn auch der Befehl zusammen- hängen, der Wiederbelebten zu essen zu geben: sie sollen sie ansehen und behandeln, als sei sie nur in derselben Weise vom Tode erweckt, wie wenn sie von einer Krank- heit genesen wäre. (Klostermann.) 26. Und dies Gerücht sdas Gexücht von dieser wunderbaren ersten TodteUerweckUngJ erscholl strotz seines Verbots an die Eltern] in dasselbige ganze Land [in die ganze dortige Landschafts Bei der Menge von Kranken und Elenden aller Art, die täglich durch Jesum Genesung und Gesundheit er- hielten, war die Gefundmachung eines Kranken nicht mehr etwas so Auffallendes, daß sich ein Gerücht davon durch das ganze Land verbreitete; aber die Auferweckung eines Todten war etwas Neues und größer als alles, was er bis dahin gethan hatte. »Er hat nun sogar auch einen Todten auferwecktl« hieß es in der ganzen Herzergreifend ist die Ge- schichte des Iünglings von Nain, auf die Kniee und aufs Angesicht werfend die Todtenerweckung Lazariz aber was sttr einen wunderbaren Reiz derLieblichkeit und Hold- Däihselw Btbelweth seligkeit Christi hat vor den beiden andern Geschichten die Auferweckung des Töchterleins Jairi voraus! Es ist, wie wenn alles von dem jugendlichenSchimmer des entschlafenen Mädchens erfüllt wäre, wie wenn man von einem» Todesfall und Auferstehen unter Blumen und Frühlmgsduft leise. Selbst auf des Csrrn Angesicht throntmcht der gestrenge Ernst wie ort bei Lazari Erweckung, wie selbst dort bei dem Jüngling-von Nain; mit dem jugendlichen Kinde freundlich, selber lieblich handelnd finden.wir ihn, und eine Huld wie dort, wo er sprach: »Lasset die Kindlein zu mir kommen ,« ist über sein Thun hier ansgegossem wo er eine jugendliche Seele auf’s Neue dem Leib, dem jugendlichen, vertrauen« will. (Löhe.) VII. o. 27—34. (§. Zu) Zwei hcitusigku beschließen den, von Rad. s, 18 an icks Auge gefaßten Abschnitt aus dem 1. Jahr der galllätschen Wirksamkeit Christi: »Die erstere fand sozusagen statt an der Schwelle deg tjiuunelreichrn die andere an der Pforte der Hölle« Während nämlich jene an zwei Blinden geschieht, die Iesum laut für den Mefsiam den Sohn Davids beben— neu, wag bisher noch niemand gethan, hat diese ee mit einem Stummen zu thun, bei dem nicht ein organischen Fehler, sondern dämouisthe sesessenheit die dlrsach ist, daß er nicht redet; und wie uuu dort der Grund gelegt wird zu der durch dar Wand gehenden tkoosittigx ,,folcheg ist noch nie iu Israel ersehen worden,« so wird hier der Anfang gemacht mit der von den Pharisäern aus— gegebenen Parole: ,,er treibt die Teufel ang durch der Teufel Obersten« Damit haben wir denn denjenigen Zeitpunkt erreicht, zu dem der Evangelist oben in Aar. 4, 23 ff. durch eine allgemeine dlebersicht gleich anfangs alg zu einem Höhepunkt in der galilciiscljea ttehrtlsätigs lieit Christi hinleitete, d, i. die Zeit, in welcher der HGrr bei einem weiteren Umzuge durch das Land die tsergpredtgt gehalten Rad. 5, l Aum.). 27. Und da Jesus von dannen saus des Jairus Hause] fitrbaß [weiter vorwärts l. Sam. 10, 3 Blum. 1., nämlich nach dem Hause zu, in welchem er selbst zu Kapernaum seine Wohnung hatte Kap. 8, 14 f.] ging, solgeteii ihm sunter dem Volke, das ihn begleitete] zween Blinde nach, die [weil sie aus den Gesprächen der Menge er- fahren hatten, welche Wunderiverke so eben geschehen waren, mit geistlichem Scharfblick sogleich erkannten, wen sie hier vor sich hätten Kap. 12, 23; 21, V. 15; 22, 42 ff.; daher sie] riefen und sprachen sihren Bittruf zum ersten Mal in die nachher öfter vorkommenden, aber immer nur von solchen, die der Erkenntnis; des Heilandes von Haus: aus ferner stnnden Kap. 15 , 22; 20, 30 f» gebrauchten Worte kteideten]: Ach du Sohn Davids, erbarm dich unser« [er aber vermied es abstchtlich, dieser Anrede in Gegenwart des Volkes Gehör zu schenken. "]. « E) Schönes Bekenntniß, schöne, einfältige, nichts be- stimmende und doch alles sagende Bitte, womit diese Blinden, die ersten, die uns in der evangelischen Geschichte vorkommen, sich an den HErren wenden! Auch sie haben das Gerücht von Jesu von Nazareth, das damals schon von Stadt zu Stadt und von Land zu Land gedrungen war, vernommen und sind zu der Ueberzeugung gelangt, dieser Jesus von Nazareth sei Davids Sohn, sei der Sohn N. T. I, 9 130 Davids, den David seinen HErrn nannte (Ps. 110, 1), auf den seit Davids Zeit Israel wartete, dem die gött- lichen Aussprüche das ewige Königreich und das ewige Priesterthum zugesagt, der Christus Gottes, der Elltesfias Wie diese Ueberzeugung auch in ihnen entstanden sein mochte, sie hatten es schwerer zu ihr zu gelangen, als alle die Sehenden, die wandeln konnten, wohin sie woll- ten, die die Thaten des HErrn sahen, die ihn selbst, sein Angesicht, und in diesem Angesicht die Züge seines himm- lischeu Wesens erblicken konnten, das keiner Ehre dieser Welt begehrt und bedarf und keinen Trug und keine Täuschung kennt. Was sie erkennen, das ist tief und lebendig in ihnen, und sie sind in ihrer Blindheit un- abhängiger von der Welt umher, die sie nicht sehen; es bekümmert sie nicht, ob schon der Hoherath zu Jerusalem oder die Pharisäer und die Mehrheit im Volk Jefum für den Messias erkannt und erklärt haben oder nicht — genug, sie erkennen ihn als den, und so rufen ste ihn aus; nicht als von einem Propheten, sondern als von dem Trost und Heil Jsraels (Luk. Z, 25. 38) erwarten und begehren sie Hilfe von ihm. (Meuken.) «— IN) Jesus hielt hier nicht Stand, er mochte öffentlich nicht hören auf diesen Ruf einer vorzeitigen Hnldigung; denn wenn er ihnen öffentlich Gehör gegeben hätte, so wäre vielleicht ein Aufstand der Galiläer im Namen des Davidssohiies entschieden gewesen. (P. Lange) 28. Und da er heim [in Petri Haus] kam, traten swährend das Volk stch verliesj die Blinden zu Ihm« [die sich durch die anfcheinende Nicht: achtung ihres Begehrens in der Erwartung seiner Hilfe nicht hatten irre machen lassen*«]. Und Jesus [nunmehr auch seinerseits zur Hilfe bereit] sprach zu ihnen: Glaubet ihr, daß ich euch solches [wie ihr von mir wünschet und erwartet] thun kann? Da sprachen sie zu ihm: HErr, sa sdenn du bist sa, wofür wir dich erkannt und bekannt haben, der Sohn Davids] » 29. Da lihr Bekeuntuiß bestätigeUDJ ruhtele et« [mit seinen allmächtigen Händen] ihre Augen an und sprach: Euch geschehe nach eurem Glauben [Kap. 8, 13]. It) ,,Daß die Blinden ihm in feine Wohnung nach- folgten, scheint an und für fich schon etwas Wunderbares zu haben: im Zuge Christi konnten sie den Weg finden, wie wenn ein Lichtschimmer ihnen geleuchtet hätte« (Ioh. 8, 12.) —- WJ Daß Christus die Blinden nicht schon vorhin geheilt hat, sondern läßt sie nachfolgem schreien und zu sich nach Hause kommen, damit will er lehren, der Glaube müsse anhaltend, beharrlich, uner- schlitiert, unverdrossen und Ungestüm sein; er soll nicht erblassen, denn Scham in der Noth (wie das Sprich- wort sagt) ist ein fchädlicher Hausrath (Liither.) 30. Und ihre [der Blinden] Augenuviirdeu aufgethant [Jes. 35, 5]. Und Jesus bedrauete sie [mit dem lebhaften Ausdruck innerer Gemüthsew regung darüber, daß er leider nun einmal nicht anders könne, als ein solch Verbot erlassen] uud sprach: Sehet zu, daß es niemand erfahrestt sunter welchem Titel ihr mich gesucht und Hilfe bei mir gefunden habt]. «) An unsern Augen hat Gott schon auch in der Schö- pfung seine Hand preiswlirdig bewiesen, daß erdiese zwei Wächter so hoch am Haupte gesetzt, um jede dem Men- fchen drohende Gefahr von ferne zu sehen; daß er dies Evangelium Matthäi S, 28———34. zarte Glied unter der harten Stirne vor schädliche-m Stoßen und Fallen so wohl bewahrt; daß er es mit Augenbrauen nnd Augenlidern auch gegen kleinere An— fälle von Staub in Sicherheit gesetzt, diesen Sinn vor andern mit einer Kraft, in unermeßliche Weiten zu rei- chen, versehen, auch sonst so vieles in die Augen gelegt hat, daß Liebe, Freundlichkeit, Mitleiden, Freude, Sitt- samkeit, Scham U. dgl. durch die Augen ausbrechen kann. Wenn aber freilich unsre Augen nicht auch unter die heilende Zucht des HErrn Jesu und seiner Erlösun si- gnade kommen, so könnten wir durch Augenlust so S a- den nehmen, daß darüber der ganze Leib in die Hölle geworfen wtirde. Darum Güter, wird die Nacht der Sünden V. 9): ,,Jesu, gieb gesunde Augen, die was taugen, rühre meineAugen an.« (Rieger.) IV) Aus die- sem Verbote konnten sie sichs erklären, warum er auf der Straße nicht stehen geblieben sei, sie nicht vor dein Volke geheilt habe. —— ,,Da keine Benennung so stark an die Herrschaft des Messias erinnerte, als die von den Blinden gebrauchte, und keine daher so leicht gemißbraucht werden konnte von dem fleischlich gesinnten Volke, so nannte Jesus selber sich niemals den Sohn Davids, sondern bezeichnete statt dessen sich als des Menschen Sohn, welcher Name durch das ungewohnte sowohl als das Tiefe seines Sinnes zum Nachdenken aufforderte und an seine Knechtsgestalt erinnerte« (Kap. 8, 20 Anmh II. Aber sie gingen ans saus dem Hause, darin der Vorgang im Stillen stattgefiiiiden hatte] und machten ihn sals den Sohn Davids oder Ntefsias Jsraels, wofür sie nun sein eigenes that- sächliches Zeugntß ui Händen hatten] ruchtbar im selbigen ganzen Lande swo der Name ,,Sohn Davids« gleichsam schon überall in der Luft lag; daher Jesus schon um deßwilleii sich veranlaßt sah, zu einer neuen Rundreise aufzubrechen Kap. H, l]. Obgleich wir urtheilen müssen, daß es besser gewesen sein würde, wenn sie dem Worte des HErrn gehorcht hätten, so kann man es doch nicht ohne Wohlgefallen und Freude lesen, daß sie es so machten; sie konnten in ihrem Maße auch sagen (2. Cor. 5, 13 f·): ,,thnen wir zu viel, so ihnen wir es Gotte; denn die Liebe Christi dringet uns also.« Die Freude über den gekomnienen Sohn Davids, nnd daß sie ihn als den göttlichen Helfer erfahren hatten, war zu mächtig in ihnen, sie mußten es aussprechen und mittheilen. Das Schweigen wird noch allen schwer, die erfahren, daß das Evangelium eine Kraft Gottes ist selig zu machen, und wenn sie auch manchmal am unrechten Orte und ungeschickt reden, so kann man ihnen doch nicht zürnen, um der Liebe und der Kraft der Wahrheit willen. (Menken.) 32. Da nun diese [die beiden von Jesu ge- heilten Blinden] waren hinaus kommen [aus seinem Hause], siehe, da brachten sie lLeute aus dem Volk, das vorhin V. 27 schon angefangen hatte, sich zu verlaufen] zu ihm einen Menschen, der war stumm Und besessen [dämonisch-stumm, d. i. »in Folge von Besessenheit durch einen bösen Geist, nicht in Folge eines natürlichen Leidens, stumm] Kann jemand durch fixe Idee, also in Folge von Geisteskrankheit oder Störungen des Nervenlebens stumm sein, so kann er es auch sein durch Besessenheit; denu mit dem Nervenlebem wie wir zu Kind. 8, 28 f. aus— einandergesetzt haben, hängt das Besessensein auf’s Engste zusammen. Deshalb darf man aber keineswegs die Krank- heit des Menschem um den es sich hier handelt, zu einer di· Luk 4 z4« Mark l, Heilung zweier Blinden und eines dämonisch Stummen. 131 pshchischen (seelischen) Vergewaltigung durch einen bösen Geist machen und sie etwa dahin erklären: ,,die dämo- nische Stimmung dieses Menschen war so, daß er meinte, er könne oder dürfe nicht reden, sein Dämon wolle es es nicht zugeben, also vergleichbar jenen Wahnsinnigem welche durch eine fixe Jdee verhindert sind auszugehen oder Aehnliches vorzunehmen;« vielmehr find die meisten dämonischen Krankheiten, deren die Schrift Erwähnung thut, physischer (leiblicher) Art und bestehen in magischen Bindungen an si gesunder Organe. So hier und bei dem Blinden in ’ap. 12, 22., der zugleich stumm ist: Dämonen haben partiellen Besitz von ihrer Leiblichkeit genommen und sich in ihr eingenistet, aus diesem Besitz und Sitz vertreibt sie der HErr durch Exorcismus Rein phhsischer Art- ist auch die in Luk. 15, ll erwähnte achtzehn- xährige Rück ratsverkrümmung eines Weibes, wo aber der Ausdru »Geist der Krankheit« keinen persönlichen Sinn hat, sondern nur die geheime Kraukheitsmacht be- zeichnet; denn die tgeilungk erfolgte hier nur niittelst Handaufle ung, nicht nrch xorcismus Ebenso ist auch das Krank eitsbild des von Kindheit her Mondsltchtigem den der HEry vom Berge der Verklärung kommend, in Kuh. 17,» 14 sf.; Mark. 9, 14 ff.; Luk. 9, 39 ff. heilt, ohne eigentlich psychische Züge: die Symptome bestehen in krampfhaften Bewegungen ( errungen, Dehnungen u. dgl.), angftvollem Aufschreim chäumen des Mundes, .Zähneknirschen, Wälzen am Boden, unfreiwilligem lebens- esährlichen Fallen, nachfol ender Abspannung oder Er- arrung Mark. 9, 18 — uther: ,,verdorret«). Diese sonst der Epilepsie und Mondsucht eigenthiimlichen Kenn- zeichen begleiten jedoch siur die Taubstummheiy in der der HErr, wie die Form seines Exorcismus zeigt (Mark. D, 25): ,,du sprachloser und tauber Geist, ich gebiete dir, daß du von ihm ausfahrest,« den Grundziig der Krank- heit und den Sitz des Dämons erkennt. Dagegen giebt die dämonische Krankheit nicht blos in physischen, son- dern ugleich in ausgesprochenen psychischen Erscheinun- gen fzich kund und wird zur vollständigen Besefsenheit beidem Dämonischen zu Gadara (Kap. 8, 28 sf.); das Krankheitsbild eines eigentlich Besessenen vollendet sich dann dadurch, daß der Dämon oder die Dämonen mit gänzlicher Verdrängung der Selbstmacht des Menschen entweder mittelbar, der menschlichen Organe sich bedie- nend, oder unmittelbar aus ihm sprechen (Kap. 8, 29. « , . ,· ., . AS; Luk. 4, 41; s, L. 30; Apostg II, 15). Daß es Geister wären, die aus solchen Kranken sprachen, zeigte sich daran, daß das Ausgesprochene einen iiber den Erkenntnißgrad der damaligen Menschen hinausgehenden hellseherischen Einblick in Jesu Person und Werk verrieth, und daß es böse und unreine Geister wären, zeigte sich daran, daß sie nichts mit Jesu zu schassen haben wollten und daß· seine Nähe die Raserei des Besessenen steigerte, so daß dieser selbst vor der mit dem Vollzuge der Heilung eintretenden Steigerung der Qual sich fürchtet. (Mark. Z, 7 f.) Its. Und da der Teufel [der böse Geist, der den Stummen bisher in seiner Gewalt gehabt] war «ausgetrieben, redete der Stamme sals einer der seiner Leibesglieder nun wieder mächtig war]. Und das Vol! ssoviel ihrer des Wunders Augenzeugeu warens verwunderte sich und sprach: Solches ist noch nie in Israel ersehen worden. «) Die Macht Jesu über die Dämonen schätzten sie höher als alle Wunder der Propheten; sie sahen darin eine Kraft, die sich nicht blos die materielle Welt iii ihren Elementen und Wirkungen unterwirft, sondern auch in das Unsichtbare hinüber-seicht und »den Geistern der Finsierniß gebietet. (Menken.) M. Aber die Pharisaer sals sie von diesem außerordentlichen Wunderwerke Jesu und zugleich von des Volkes Urtheil über solch Zeichen höreten] sprachen lvon der Lästerung im Inneren V. 3 nun schon zur Lästerung mit and eutender Rede, wenn auch nur erst hinter dem Rücken des HErrn übergehend, bis es dann sogar zu frecher Be- schuldigungbor seinem Angesicht kam Katz. I2, 24]: Er treibt die Teufel aus durch der Teufel Obersten [er steht im Bunde mit dem eigentlichen Teufel, und der giebt ihm die Macht, den niederen Teufeln oder den Dämonen in einer Weise zu ge- bieten, daß sie gehorchen müssen]. Hier siehst du zweierlei Schüler, nämlich das Volk, das da glaubt und Gott lobt, und die Pharisäer, welche sich an ihm ärgern und ihn lästern; und so sehr das Volk seine That erhebt, so sehr wüthen und toben die Pharisäer und schreiben sie nicht schlechthin dem Teufel, sondern dem Obersten der Teufel zu, an daß sie Christum als den allergrößten Bösewicht unter a en Menschen ver- dächtig machen möchtein So ist die Welt geartet: je niehr die Gnade Gottes gepriesen wird, desto mehr muß diese Lehre ketzerisch und teuflisch sein. Christus aber schweigt hier stille und widerlegt sie nicht, wie er in Kap. 12, 25 f. thut — vielleicht weil die Pharisäer nicht zugegen gewesen sondern ihn abwesend (vgl. Joh. 5,»6; 9, Its. 2 , na dem sie von diesen Wundern gehort, also gelästert haben. (Luther.) Es hat etwas Auffallens des, daß die Pharisäer gerade zwei Mal bei der Hei- lung eines dämonisch Stummen (außer hier auch in Kuh» 12, 22 fs.; Luk. U, 14 ff.l dem HErrn den Vor- wurf! machen, er treibe mit der Hilfe des Teufels die Dämonen aus; wahrscheinlich waren aber dieses gerade Heilungswunden die sie mit gesteigerter Eifersucht be- trachteten, weil sie tiber das Vermögen ihrer eigenen Exokisten )(Kap. 12, 27) unendlich weit hinan-singen. (P. ange. » schon am Schlusse der Einleitun zu unserm Abschnitt bemerkt worden, sind wir nun »ei derjenigen Zeit angelangt, wo der HErr Jesus die Bergpredigt ge- halten hat. Nach den beiden hier erzählten Heilungem die nach zwei Seiten hin epochemachend waren, für die Freunde sowohl wie ftir die Feinde, verließ er die Stadt apernaum abermals auf einige Tage und trat, wie in Kap. 8, 18 ff. nach Südosten, so diesmal nach Süd« westen eine Wanderung an und kam zu Ende des Mo- nats September in die Gegend von Kur-un Reform, jener doppelzackigen Anhöhh die wir zu Stab. 5, I im Bilde vorgeftihrt haben. Nicht nur ging jetzt das Jubel- oder Erlaßjahr vom Herbst 27 bis dahin 28 n. Chr. äußerlich zu Ende, sondern es hatte auch im Laufe der zwei Jahre, seit zuerst Johannes der Täufer seine Wirksamkeit im Herbst a. 26 eröffnet und dann Jesus dessen vorbereitende Thätigkeit seit Pfingsten a. 28 unter Zeichen und Wundern fortgesetzt hatte» in Israel sich innerlich eine Scheidung v9llzogen, wie sie in V. 33·f. sich charakterisiry daß die einen sprechen: ,,Solches ist noch nie in Israel ersehen worden,« « die andern aber lästerm »Er treibt die Teufel aus durch der Teufel Obersten« Da schreitet denn der HErr dazu, durch Be- rufung der 12 Apostel den Kern einer neutestamentlichen Gemeinde um sich zu sammeln, welche künftig an · die Stelle des ihn verwerfenden Israel nach »dem Fleische treten soll, und in, einer längeren skede die Grundsätze in Beziehung auf das von ihm· zu stiftende Himmelreich im Gegensatz gegen die der Pharisäer und Schriftgelehrten zu entwickeln. Wir geben hier aus der, auf der l. Seite sc 132 Evangelium Matthäi I, 34. Atem. (Spalte a. Anm.) angekiindigten EvangeliewHari monie eine Zusammenstellung derjenigen Paragraphen, deren Jnhalt wir bisher betrachtet haben, und fügen die einzelne Geschichte bei. nähere Zeitung « · Voraus geht eine Einleitung, welche 4 Paragraphen . umfaßt : §. I. Zuverlässigkeit und Absicht der evangelischen Ges bis znr Bergpredigt nnd den beiden zn abe für jede schichte: Las. l, l-—4. §. D. Jesus der Gottessohm Joh. l, 1——l8—. s §. Z. Jesus des Menschen Sohn-Hi) ein Sohn Davids, « des Sohnes Abrahams: Matth. l, 1——l7. ! §. 4. h) der· zweite Adam: Zur. 3, 23—38. 1 Daran schließen sich dann die, verschiedenen Abschnitte des Lebens unsers HErrn und Heilandes Jesn Christi ihr gehörenden Wunderwerken in folgender Ordnung: « Jahres- zahl. Nähere Zeitbestimmung. Begebenheiten. V or Chr. Nach Chr. 26 23, April 25. März Ende März s— E.Juni 24. Juni u. l. Juli 25. Dezember Anfang Februar Ostern Ende September oder Anfang Oktbr. s. Januar 7. Jan. — 15. Febn l5. Februar l6.—l8. Februar 21. Februar März oder April Mitte Dezember l. Jan. u. "2. Febr. i Erster Abfchtlitt «. Die Kindheitsgefkhichte Iesu und feines Vorläufers Johannes. III-EBOOK O( — wspsp . . s» . I is. §. 14. 2 »- «) «) §. 15. §. 16. §. 17. .. Johannis Zeugniß vor den Abgesandten . Die ersten Jlinger Jesu: Joh. l, W— . Die Hochzeit zu Cana: Joh. Z, 1—11. . Besuch in Kapernautn und Reise nach Jerusalem auf das Ostersesic (Ein Zeitraum von 32V, Jahren.) · Fekrktåndigungä der Geburt Johannis an seinen Vater ZachariaN I) u . , . -—2 . « Verkündigung an Maria, die Mutter Jesu: Luk. l, 26——88. Besuch der Maria bei« ihrer Gefreundtin Elisabetlp Ins. l, 39--56. Heimholung der Maria durch Joseph: Mach. l, 18-—25. Johannis Geburt und Beschneidung: Las. l, 57-—80. . Geburt Jesu zu Bethlehem:«) But. 2, 1——-20. J . Zeschåieidung des Kindes und Darstellung im Tempel: Luk. 2, 21438 . esu . der Weisen ans dem Morgenlandex Matth. D, 1——12 Flucht nach Egypten3) nnd Rlickkehr nach Nazareth: Muth. 2, 13«——23; Luk. 2, 39 n. 40. . Der zwölfjtihrige Jesus im Tempel4): Luk. 2, 41—52. (Zeit der Stille: Bis, Jahr.) Jn Rom regiert Kaiser Augustus v. 30 v. Chr.——14 n« Chr» in Palästiua herrscht König Herodes der Große von 37-—-4 v. Chr» in Jerusalem bekleidet Matthias, Sohn des Theophiluiz das Hohepriesterthutih Hoherpriester tst Joazalz Sohn des Simon; ihm folgt sein Bruder Eleazar, dann kommt Josua, Sohn des Siisz an die Reihe. Herodee stirbt am Z. April a. 4. Jn Judaa wird Archelaus König v, 4 v. Chr.- 6 n. Chr.g über Galilåa und Peråa herrscht als Vierfürst Herodes Antipas v. 4 v. Chr. —»- 39 n. Chr» über Jturäa Je. Philippus v. 4 v. Chr. — 34 n. Chr. Jm 6 n. Chr. ist Archelaus entsetzt und an seine Stelle zuerst Coponius als Landpfleger von Judäa getreten, diesem dann Ambivius gefolgt; von 6——14 n. Chr. bekleidet HannaS, Sohn des Seth, das Hohepriesterthumz in Rom nimmt Kaiser Augustus zu Anfang des J. 12 n. Chr. den Tiber-ins zum Mit- tegenten an und stirbt am 19. August a. M. Zweiter Abschnitt. Von: öffentlichen Hervortreten des Täufers bis zu seiner Gefangennehmung (Ein Zeitraum von 1 Jahr 7 Monat) Johannis des Täufers Auftreten in der Wiiste«): Matth Z, 1——l2; Mark. l, 1—8; Luk. Z, l——l8. JesUZTZIIfe ditzrggh Johannes: Matth. Z, 13—— 17; Mark. l , 9 —11; . , U. L. « Versuchung Jesu in der Wüste: Matth. 4, 1-—11; Mark. I, 12 u. is; Luk. 4 1—13. « « xss Hohenraths: Joh. 1, 19—28. Joh. g, i-)—25. . Nachtgespräch mit Nicodemus: Joh. 3, »l—.—2l. Jesus tauft am Jordan, Johannes zu Enonx Joh. Z, 22——36.. . Rückkehr lJesxiz nach Galiläalh und Gespräch mit der Samariterin-«: Jvhs , Der Königische zu Kapernaum: Joh. 4, 46-—54. (Zeit der Stille: 4-——5 Monat) Chronologie des Lebens Jesu biswzur Reise aufs Laubhüttensesi 133 ) Jahres- Nähere zahl. Zeitbestimmung. B e g e b e n h e i t e n. Nach ChLAUftIUg Mai §. AS. Johannis des Täufers Zeugniß wider Herodes Antipas und feine Ge- 28 » . » · » fangennehmung: Matth.,14, 3—5; Mark. S, 17——20; Luk. 3, 19 U. 20. 19.—22. Max §. 27. Jesus auf dem Pfingsifest zu Jerusalem. Heilung des Kranken am. Teiche Bethesdm Joh. S, 1—47. Z) Vom Herbst 26 bis dahin 27 ein Sabb»athjahr. Jn Rom herrscht als Kaiser Tiberius v. 14——37 n. Chr» in Judäa ist Pontius Pilatus Landpfleger v. 26—-36, in Jerusalem fungirt als Hoherpriester Kaiphas v.17—36 n. Chr. V) Vom Herbst 27 bis dahin 28 ein Jubeli oder Erlaßjahn Dritter Abschnitt. Wirksamkeit Jesu in Galiläa bis zur« Bergpredigt (Ein Zeitraum von 10 Monaten.) i 29. Mqi(SounahkUd) §. 28. Jesus in der Schule zu Nazareth. Verstoßung von dort und Ueber- siedelung nach Kapernaum: Matth. 4, 12—17; Mark. 1, 14 u. 15; Luk. 4, 14——31. «« Im« Essen) s· W— WITH-tiefres; Kur-sites. kn- isknrgf g? Ernte« Reis-»Es« 5. Juni Sonnabend) §. 30. Jesus in der Schule zu Kapernautm Heilung eines Besessenen: · Mark. 1, 21——28; Luk. 4, 3l——37. §. 31. Heilung der Schwiegermutter Petri und vieler anderer Kranken: Matth. 8, 14—l7; Mark. l, 29——34; Luk. 4, 38-41. 6. Juni Sonntag) « §..32. Ausbruch von Kapernaum, um auch. andern Städten zu predigen: « Matth. 4, 23——25; Mark. l, 35"—«39; Luk. 4, 42—44". (Zwischenzeit von I5 Wochen) l8.Sept.(Sonnabd.) . 33. Jesus» wieder in Kapernaum heilt die isjährige Kranke :- Luk. 13, 10»17. 1.9.Sept. (Sonntag) . 34. Seepredtgt in Glerchnissen und Beschluß über das Meer zu fahren. Berufung des Thomas. Die Stillung des Seefturms: Matth. II, 31 442—·46; 8, 18——27; Mark. 4, 30—41; LUK 13 , 18—21; . - 81 · — 5s , - · 20. September §. 35. Jesus; lFi bät; Gadarenerm Matth. 8, 28——34; Mark. 5, 1———20; u . , s— . §. Bis. Die Heilung eines Gichtb chigen zu Kapernaum Matth. I, 1——8; Mark. Z, 1—12; Luk. 5, 17—26. » U. u. 23. September §. 37. Berufung des Zisllners Matthiius und Gastmahl bei ihm: Matth. I, (Dienstagu.Donners- 9—l7; Mark. Z, 13——22; Lust. 5, 27—-39. . lag) §. IS. Jairi Töchterlein und das blutflüsstge Weib: Matth. 9, 18p—26; Mark. 5, 21—43; Luk. 8, 40-56. i §. 39. Fwez Heiäejngen und erstes Schmähung der Pharisäer: Matth. Ende September §. 40. « · Aussotgderutt der wölf und Bergpredi i: Matt .5 1——7 29« Ma l. 3 —19;Hk 312 49. g h« « ««’ r , 13 . —- §. 41. Feilung eines Ausfätzigetn Der Hauptmann von Kapernaum Matth. , 1——13; Mark. l, 0-—45; Luk. 5, 12——16;7, 1 . (Zwischenzeit von einem halben Jahr) · Aus dieser Zwifchetizeit von einem halben Jahr, mit welcher dieser Abschnitt schließt, haben die heil. Evangelisten uns nichts berichtet; St. Matthiius charakterisirt uns aber diese Zeit in ihren Grundzügen in den uächstfolgew den 4 Versen, um dann zur Aussendung der 12 Apostel überzugehen. Indem er deren Namen erst jetzt auf- führt, hält er dennoch eine gute Ordnung ein und läßt die eigentliche chronoloFifche eitfolge durchblicken; denn auf dte beiden, in V. 7— erzählten Heilungen folgte ja chronologifch in der That nach der, etwa eine Woche in stch fchlteßenden Wanderung von Kapernanm bis Kur-un Elattjn die Berufung der Zwölfe, daß aber diese bereits berufen waren . und jetzt nur zu einer Dienstleistutäz in ihrem Amte herzugerufen wurden, giebt der ortlaut in Kafr. 10, 1 deutlich genug zu verstehen— Wir fügen hier, um die evangeL Gefchichte bis dahin fortzuführen, wo wir zu Kalt. 5, 1 die Ueberstcht über die Reihenfolge der Begebenheiten bei den 3 ersten Evangelisten ab ebrochen habenJogleich noch den 4. Ab- schnitt hinzu. ie nähere Zeitbestimmung, die wir hier und im Folgenden geben, beruht allerdiugs nur bei» einigen Paragraphen auf sicherer, nachweisbarer Grund- lage, bei andern dagegen ift sie ein bloßer Vorschlag; wir konnten uns aber dem nicht entziehen, daß wir, wo die Evangelien keinen unmittelbaren Anhalt bieten, eine Ergänzung des Datums versuchten, weil nur so der Nachweis sich führen ließ ,» daß da, wo eine An abe in den Evangelien selber gegeben, diese von uns sa gemäß. benutzt worden ist. 134 Evangelium Matthäi I, 36--·38. Jahress Nähere zehn Zeitbestimmung. V E s · V · U h « k k e «« Vierter Abschnitt. Nach Eh» Weitere Wirksamkeit Iefu in Galiläa bist-Kur Reise aufs « Laubhüttenfeft 29 (Ein Zeitraum von einem halben sahn) Ende März H. 42. Zlrtssengung der Zwölf« Matth 9, 35 -—11, l; Mark. s, 7——1Z; u. ., —- . B. April Sonntag) . 43. Der Jüngling zu Neun: Lin. 7, l1—17. s. April (Mittwoch) « . 44. Dte Gesandtschaft des Täufers: Matth.«,ll, 2-—30;, Luk. 7, 18——35.· 9«Apki1(S9Ukmhknd) . 45. Jesus, dåtzi Gaftmahl des Pharisaers und die große Sündertm u. , . — . II. April (Montag) 46. Die Enthauptiing des Johannes: Mattb.14, 6——·12; Mark. s, 2l-—29.s 17, April Sonntag) . 47. Zerodes m Tibertas hort von Jesu und begehrt Ihn zu sehen. ». ückkehz deiåswölfxe uåoSpeifixngLdgr Fütgftarkfxndålåiatsthdlxllä 2. 1.3——21 ; M .,1—-1. ——4·n.,—· o.,——.. H. 48. sc? Flsaiiäleltälauf dem Meer: Matth. 14, 2Z3——34; Mark. S, 45—53; o . , — . 18. April (Montag) . 49. Jesus in der Schule zu Kapernaum: Joh. 6 22·——»71. 23.April(Sonnabend) 50. Aehrenraufen am Aftersabbath: Matth. I4, THIS. so; 12, 1-8; Mark. 6, 54—-—56; L, 23-—-28; ,Lu!. S, 1——-5. " 24. ril (Sonuta) H. 51. eilung des Mannes mit der verdorreten Hand: Matth. 12, 9—-2l; g ark««31 12«Luk66 11 . · , — « « , «— o . IS. Die diene den rauen: Luk. 8 1-—3. . Anfang Mai . II. eilung elines Zzesessenern Erneuerte Lästerun der Pharisäer. Die utter und Brüder Feste: Matth. 12, 22-—-50; ark. s, 20-—-35; List. II, 14——36. 8, 19-——2l. H. III. Predigt in Gleichnissein Matth. is, l—-30· 34-—43. 47k-·52; Mark. 4, 1—-29; Las. 8, 4——18. · . II. Jesus abermals in Vazaret : Matth. »13, 53—-58; Mark. s, 1—6. . sc. Streitfrage der Pharisäer ü er das Handewaschekn Muth. 15, l—20; Mark. 7, l-—23; But. U, 37—-—52. · · , Z. M. Rein; inlsdeiålGråtåze äzoeonkTyrxåsztjqgz Sei-on. Das cananllifche Weib: at . , — ; ar . , . s. Es. Heilung, eines Taubftutnmen im Gebiet der zehn Städte: Mark. 7, l « til-Z . ssluscmg Juni 59. Sszeisung der Vier-tausend: Matth 15, 29—»-39; Mark, S, 1——10. . 0. Zeichensorderung der Pharisäer. Warnunz vor. ehren! Sauerteig: m Tonart» is» 1312 Mast. g this-ZU? 1)«,L1Je——,ä2.8 22 W . . Heim: eines li den ei et ai a ums: a . , —- . . IS. Das Esleichniß vorm reichen Kornbauerc Luk. 12, 13—59. Zwischenzeit von ca. 3 Monat) Mitte September H. III. Jesus bei C« area Philippi. Das Bekenntniß des Petrus: Mattlx M, —28; Mark. 8, 27 — 9, I; Mk. 9, IS—- 7. s. 64. Ae Lzzrklärung Jesm Matth. 17, 1——13; Mark. I, 2-—13; LuL O, s. 65. ist; Zeus-Zug Fzes Moudsiich:igeu: Matth.17,14-23; Makk.9,14-—32; u. ,- -— . . Eis. Der Zinsgroschenx Matth. 17, 24-—27. » . 67. ganggzeit der Sänger: Matth. IS, 1—-20; Mark. 9, 33—-50; Heut. 9,» . Eis. Gleichnisz vom Schalksknechtt Matth. 18, 21—35. 28. September . 69. Aufforderung der Brüder Jesm seh. 7, 1—10. I. V. 35——Lap. 11, 1. (§. 42.) Indem der Eangelift begleitet. Es hat flth da der Jttidrangsdtr Ocoth an lhn den auf die Zergpredigt folgenden Zeitraum eines halben Jahre« litt zur klähe des Osterfestes a. 29 nur im All— gemeinen l1ef1hreil1t, ohne Einzelne! daraus zu berichten, da er gewissermaßen eine geschlossen: Zeit war, in der Thrllli Eehri und Wnuderlhäliglieit sitt) in bestimmten Skhranlien hielt, verfeht er nat alsbald an du- Ende diese: Zeit, wo wir den tjErrn wieder im Lande um· herzlrhen sehen, von grasen volle-merken, die ihm folgen, i nun fkhon fo sehr gewehrt, daß »Er, der einzeln: Helfer, sieh in der Kraft feinen« Geister. durch feine Krone! vervielfacht-i muß, um freilich auch in den vielen« der Eine Helfer zu litten-ruf« So folgt denndie erste. Jtugfeudung der Sänger, eingeleitet durch eine längere Instruktion-rede, dir nur in ihrem Anfang auf die dieimalige Wanderung Beziehung nimmt, alsbald· alierczu einer Unterweisung sit-er den Silagerlieruf übers. Den HErrn jammert des verlafsenen und verwahrlosien Volks. 135 hanpt wird und die ganze aposioliselje Thätiglieit in’s Auge faßt, um die Grundsätze derselben festzustellen und auf die Ue: olgunggleidein die sir mit sieh bringt, unein- bereiten. aehdem Jesus dann die Junge: entlassen, zieht er selber mit dem ihn begleitenden Volke eine Straße weiter. Mark. s, 6-——13; Knie. I, l—- .) II. Und Jesus ging sgleichwie nach den im vorigen Abschnitt erzählten beiden Hetlungem so auch später, als er die Bergpredigt gehalten und aber- mals 2 Heilungen vollbracht hatte Kap. 5, 1—8, is» während der folgenden 6 Wintermonate von Anfang Oktober 28 bis Ende März 29 n. Chr.] umher in alle Städte mid Ellicirktet sim galiläischen Lande) lehreie in ihren Schnleli sSynagogen oder gottesdienstlichen Versammlungshäuserd und predigtc sauch außerhalb derselben, unter freiem Himmel] das Evangelium von dem Reich [Gottes, daß es nun nahe herbeigekommen Kap. 4,17] und heilete allerlei Seuche und Krankheit im Volke» [wo irgend welches Gebrechen oder eine Krankheit ihm entgegentrat]. «) Das Wort Markt kommt vom lateinischen mer— catus (Handel, Markt) freie Platz» am Thor der Stadt, wo nicht nur gekauft und verkauft, sondern auch Gericht gehalten wurde und allerlei sonstige Zusammenktitifte stattzufinden pflegten (1.Mos. l9, 1 Anm.). Dorthin begab man sich, um der geselligen Unterhaltung zu pflegen oder Geschäfte mit Andern abzumachen (Mark. 7, 4), um inüssige Stun- den hinzubringen und die Neugier zu befriedigen, um zu sehen und sich sehen zu lassen Apost . 17, 17; Mark. 12, 38), dort spielten die Kin er Hast. 11, 16") und dort stellten Tagelöhner sich auf, wenn sie Arbeit suchteii (Kap. 20, 3); b) der Marktsleckem und find darunter« kleinere Städte zu verstehen, die von den größeren da- durch sich unterschieden, daß sie keine Mauern hatten, wie z. B. Bethanien (Luk. 10, 38). In Veziehuu a Emmaus (Luk. 24, is) und Bethlehem (Joh. 7, 43 be- dient Luther selber sich des Worts ,,Flecken« (5. Mos ,5). «) Es sind das fast die riämlichen Worte, die. uns in Katz. 4, 23 begegneten Dort nun waren damit die beiden Rundreisen in Eins zusammengefaßh die Jesus theils nach seinem erstmaligen Aufbruch von Kapernaum 3—4 Monate lang unternahm (Luk. 4, 43 f.), theils etwa 8 Tage hindurch nach der Lästerung der Pharisäer (V. 84) machte; hier dagegen ist eine dritte Rundreise gemeint, die an die Geschichte dom »Hauptmai1n zu Katz. (Kap. 8, 5ff.·) sich»anscl)·loß. Gleichwie nun dort auf die 2. von den beiden in Eins zusammengefaßteri Reisen die Berufung der 12 Apostel folgte (Mark. Z, 13 sf.; Luk. 6, 12 ff.), so folgte hier, auf die dritte Rundreise, die Ansfendung der Zwölfe (Mark. 6, 7ff.; Lud B, 1ff.). Dort hatte Jesus die Erfahrung gemacht, daß in dem Bundesvolk des alten Testaments sich bereits eine Schei- dnng vollzogen zwischen der großen Masse, die nicht glaubte, sondern sich verstockte, und den Uebergebliebes nen nach der Wahl der Gnaden (Röm. 11, 5), und er sammelte nun daraus den Kern einer neuen Gemeinde in denen, »die bei ihm sein sollten« (Mark. Z, 14), der Zahl nach zwölf, um das ganze Volk in seinen 12 Stämmen zu repriisentirenx hier dagegen, indem die Noth des Volkes in ihrer ganzen unermeßlichen Größe immer mehr von ihm fich entfalten, breitete er seine Arme aus, indie Mitthlttigkeit der Zwölse sich verzwei- und hat im neuen Testament , folgende zwei Bedeutungem a) der Marktplatz oder der - geud, und sandte sie aus, »zu predigen und zu heilen« (Mark. 3, 14 f.). Wenn es nun ausfällig erschetnen könnte, daß nach unserer Auffassung der evangelischen Geschichtss darstellung in V. 35-—38 ein Zeitraum von nicht weni- er als 6 Monaten nur ganz im Allgemeinen charakteri- Zrt und nach seinem auptergebuiß, ohne irgend welchen besonderen Bericht ü er Christi Lehren und Wirken be· schrieben ist, so wird das Aiiffällige alsbald sich mindern, wenn wir erwägen, daß ja in diesen Zeitraum der Winter oder die Regenzeit (3. Was. Es, 5 Anm.) fällt wo Wanderzlige durch das Land theilweis unmöglich waren, der HErr also mit seinen Jüngern mehr auf das Privatleben angewiesen war. Ebenso fällt die Zwischew zeit von 15 Wochen, die wir zwischen den Geschichten in § 32 und 33 angenommen haben, in die allerheißeste Jahreszeit, wo die itze theilweis unerträglich wird; es ergiebt sich also, da unsere Berechnungen der Chronoi logie auch in den klimatischen Verhältnissen Palästinas ihre Begründung finden. Wir befinden uns an vor- liegender Stelle in derjenigen Zeit des J. 29 n. Chr» wo der Spätregen nun sein Ende nahm. Nachdem Jesus etwa noch im Oktober a. 28 sein Werk getrieben, dann aber feine öffentliche Thätigkeit mehrere Monate einge- stellt hatte, eröffnete er dieselbe wieder Ende Februar und zog im Lande umher bis zur Osterzein Das her- beikommende Osterfest, als nun bald die Festpilger den Weg nach Jerusalem antraten, gab ihm Veranlassung, die zwölf Jünger auszusendem die dann leicht unter die Festpilger stch mischen und einen Festzug nach dem andern ansprechen konnten, ihre Botschaft des Heils aus- zurichten; so gelangte diese nach Jerusalem, während der HErr dies Mal in Galiläa zuritckblieb IS. Und da er das Volk sahe sdas in großen Schaaren ihm nachzogL jammerte ihn desselbigeM [indem er wohl verstand, was die Leute so zu ihm trieb]; denn sie waren verschmachtet [von denen, die derzeit auf Mosis Stuhl saßen Kaki. 23, 2., für den Seeleuhunger ohne das Brod des« Lebens gelassen, das ihnen hätte Labung und Erquickung bieten können] und zerstreuet [verwahrlost, ihrem eigenen Elend preisgegebenL wie die Schafe, die keinen Hirten haben« [und ohne Pflege und Füh- rung eines solchen verkommen und zu Grunde gehen mitssen]. 37. Da [in das Gefühl seines Erbarniens auch diejenigen hineinzuziehem die er bereits geord- net hatte, daß sie bei ihm sein sollten und daß er sie aussendete zu predigen Mark. s, 14., und das Verlangen nach Theilnahme an seinem eigenen Gotteswerk bei ihnen zu erwecken] sprach It zu seinen Jüngern: Die Ernte san Seelen, die da geistlich arm sind und für das Reich Gottes ge- wonnen werden könnten] ist [wohl] groß [wie ihr an der Menge derer sehet, die sich zu mir drängen, zu hören das Wort Gottes]; aber wenig sind der Arbeiter*" ldas geistlicheBedürfniß der Leute auch zu befriedigen —- außer mir nur erst ihr, die ich euch zu meinen Aposteln berufen habe, und auch ihr habt bis jetzt mich noch allein lassen arbeiten]. 38. Darum sweil es so nicht bleiben darf, vielmehr das große Arbeitsfeld, das schon weiß ist 136 zur Ernte Joh. 4, 35., auch viele Arbeiter erfordert] bittet den HErrn der Ernte smeinen Vater im Himmel, der da nicht will den Tod des Sünders, sondern das; er sich bekehre und lebe], daß er At- beiter sdurch seinen Geist sich erwecke nnd die er- weckten dann, gerüstet mit der rechten Arbeitskraft] in seine Ernte sende-s sdamit seine Scheuern voll werden]. «) Wie es kommt, daß mit der Hilfe des HErrn die Noth zu wachsen fcheint? 1) Die Hilfe zieht die Noth an’s Licht; Z) sie macht ihr Muth, sich zu offenbaren. (P. Lange.) —- ’i«’s) Abgekomnien vom nattirlichen, freien Gebrauch und Genuß des lebendigen Wortes Gottes, das die Seele erquickt, beladen mit Gesetz und Vorsihrift aller Art, gefesselt von den Aufsätzen der Aeltesten, ver- wirrt in seiihten Fragen und Wortkriegen und in Schul- gezänk, das zerrtitteter Verstand auf die Bahn gebracht hatte, erlag das Volk wie ein Mensch, der im Sande nach ei11er Quelle gräbt und keine findet, oder wie ein Schaf, das, sich selbst überlassen, in der Wüste vergeblich Weide sucht; was ihm noch geblieben war, war ein stille-Z, kaum sich selbst bewußtes, kaum sich auszusprechen vermögendes Schmachten nach Erquickung, nach Licht und Trost. Bei diesem Bedürfen und Schmachten war man· cher fiir Wahrheit empfänglich und der Hilfe fähig, aber sie hatten keinen Hirten; was sie hörten, war die un- holde Stimme des Treibers und Drängers, und was sie thaten, das todte Werk selbsterwählten Dienstes, wobei sie Gott nicht näher kamen. Die Stimme evangelisiren- der Propheten, die liebliche Stimme der Boten, die da Frieden verkündigeii 2c. (Jes. 52, 7), ertönte nicht mehr unter diesem Volk; das Heer feiner Gefetzesgelehrten und Schrifterklärer war in pharisäischen Mückenseigereien und Buchftabeleieiy Fragen und Glossen, Armfeligkeiten und Nichtswürdigkeiteii verloren; es fehlte an Menschen, die, selbst erleuchtet, mit Theilnahme und Barmherzi keit, nicht u eigenen Gewinnes willen, sich des verwahrlm seten un verkommenen Volkes mit Hirtentreue ange- nommen hätten. (Menken.) Diese zwei Dinge verwüsten die Kirche und das Volk Gottes, nämlich für’s Erste, wenn sie des Wortes Gottes beraubt werden, durch welches die Kirche ernährt und erhalten wird; ftir’s Andere, wenn sie nicht wider die gottlosen Lehren ver- theidigt werden. So geschieht es denn, daß, nachdem die Lehre der Gottseligkeit verloren, die Gewissen voll Traurigkeit und verschniachtet in der Jrre herumgehen und sich in unendliche Sekten und Aberglauben verlan- sen, weil sie wollen geheilt sein. Jst es nun aber etwas so Erschreckliches die Heerde ohne Wort lassen, was meinst du, wird das sein, wenn man statt eines Hirten ein Wolf ist, oder aus einem Hirten ein Wolf wird? dergleichen diejenigen sind, die nicht allein das Wort beiseite setzen, sondern auch das Gegentheil lehren und selbst die Schafe fressen. Und wenn noch dieses dazu kommt, daß sie auch Tyrannen werden nnd um des Worts willen die Frommen tödten, so kann ein solcher Hirte nichts mehr sein, als der Teufel selbst; dergleichen aber waren damals die Pharisäer und Schriftgelehrtem und» xetzt sind es der Papst und die Bischöfe (Luther.) sit-«) Die Ernte, die Zahl der zu bearbeitenden Seelen, die in Gottes Reich geführt werden können, ist groß —" das ist erweckendx der Arbeiter, die sich des Seelenheils Anderer ernstlich annehmen, find we- nig ——— das ist beschämend (Heubner.) — f) Wenn der HErr die Jünger auffordert, daß sie den Herrn der Ernte bitten sollten, daß er Arbeiter in seine Ernte sende, so deutet er mit diesem Wort den hohen, anerkannten Werth des Gebets nnd der Ftirbitte an; daß er aus Evangelium Matthäi 10, 1—4. Bitte nnd Fürbitte hin etwas thue, das er sonst nicht thun könne; daß auf Bitte und Fürbitte hin Veranstal- tungen zum Licht und Heil Anderer getroffen und be- schleunigt werden könnten, die, wenn sie ohne das auch nicht ganz ausgeblieben wären, nach der heil. Ordnung des Himmelreichs doch viel später erfolgen würden, und daß überhaupt diejenigen, die aus Gottes Barmherzig- keit des Lichts nnd Heils theilhaftig nnd froh geworden sind, liebend und betend derer gedenken sollten, die noch ohne Christus und also ohne Gott und ohne Hoffnung in der Welt, in der Finsterniß und dem Unheil zurück sind. (Menken.) Ich weiß keinen bessern Rath, denn ein« demüthiges Gebet: alle hohen und niederen Schulen können keinen tiichtigen Lehrer machen, sondern allein der heil. Geist vom Himmel. (Luther.) Das Gebet der Frommen in der Gemeinde ist mächtiger als das äußere Kirchenpatronah (P. Lange.) Statt ,,fende« steht im Grundtext eigentlich ,,ausstoße;« dies zeigt an, daß ein Candidat sich nicht in ein Lehramt soll eindringen, ein- freien, einkaufen und einbetteln, sondern den göttlichen Beruf in Demuth abwarten und sich dagegen tüchtig machen lassen, wozu insonderheit das Gebet zu dem Herrn der Ernte gehört. Es deutet aber auch an, daß an dies schwere Amt Fleisch und Blut, wo es nicht da- bei etwas Jrdisches sucht oder findet, nicht gern kommt. Gott auch solchen Beruf nach seinem und nicht der Ar- · beiter Gutdiinken einrichte (Starke.) Der Mensch wider- steht, ist säumt ; darum bedarf es zu diesem heiligen und schweren erk eines gewaltigen Triebes (Heubner.) Bittet den Herrn der Ernte, daß er Arbeiter in seine Ernte sende —- was heißt das? Das heißt: l) daß er aus euch selbst Arbeiter mache und bilde in seinem Kreise» Z) daß er sonst noch Arbeiter ausrüste für sein Wer, und rechte Arbeiter, in denen Christus eine Gestalt ge- wonnen hat, Männer, nach dem Herzen Gottes; Z) daß die ganze Christenheit die Schuld abtrage, die sie der Mensch- heit fchulder (Fr. Arndt.) Das 10. Kapitel. Von den zwölf Jüngern Christi. 1. Und er [um dieses Aussenden von Arbei- tern in die Ernte seines himmlischen Vaters als der Sohn im Hause des Vaters Kap. 21, 37 f. in vorläufiger Weise sofort auch zu verwirklichen] rief seine zwölf Jünger sdie er schon vor einem. halben Jahr sich erwählt] zu sichxt nnd gab ihnen sdamit sie, wie in der Verkündigung des Eoangelih so auch in der Hilfe des armen Volks sich einmal versuchen könnten] Macht über die unsaubern Geister, daß sie dieselben aus-trieben, und heileten allerlei Seuche nnd allerlei Krankheit« [Kap. 4, 23 f.; 8,.16 f.; 9, 35]. V) Nicht die Wahl, sondern bloß die Aussendnng der Zwölfe wird hier erzählt. (Meyer.) Doch ist diese Berufung zum Apostelamt erst noch eine vorläuftge, durch die Zeitverhältnisfe der Haushaltung Gottes beschränkte; ihre Schranken können erst später fallen mit der Vol- lendung des HErrn, mit seiner Ausfahrt, mit der Vol- lendung ihrer Anschauung von ihm und ihres eugnisfes, und mit der Ausgießung seines Geistes. (P. ange«.) W) Jesus erscheint hier größer und mächtigey als wir ihn in der evangelischen Geschichte, soweit wir sie bisher betrachteten, erblickten; höher, reicher, freier, in einem Die Bitte um» Arbeiter in die Ernte. Maße und einer Weise handelnd, die wir in keines Propheten Leben finden, die nur dem HErrn und dem Sohne des Vaters gebührte. Schon diese zahlreiche Jüngerschaft und diese Auswahl der Zwölf und ihre Ernennung zu seinen Aposteln zeichnet ihn aus vor allen Propheten; noch mehr aber diese Ausrüftung derselben zu ihrer-Gesandtschaft, diese Vkittheilung gött- licher Kraft und Gabe. Die Macht, die in ihm selbst ist, der die Natur stch beugt, der Krankheit und Elend weicht, der die Geister gehorchen müssen, trägt er auf sie über, theilt er ihnen mit; er hat ste nicht nur für sich selbst, er kann sie geben, wem er will. Das Zeug- niß von ihm soll von seinem ersten Beginn an nicht ein leeres Wort der Ueberredung, sondern ein von ihm selbst ausgegangenes, von ihm gesendetes, mit ihm in Ver- bindung stehendes lebendiges Wort sein, ruhend auf Beweisung des Geistes und der Kraft. (Menken.) L. Die Namen aber der zwölf svermöge dieser ihrer Zahl den 12 Stämmen Jsraels entsprechen- den und also für die Gesammtheit des Volks be- stimmten] Apostel «« smd lnach derfemgen Reihenfolge aufgezählt, wie sie nach einander in die engere Gemeinschaft Jesu aufgenommen wurden Kap. 8, 22 Anm.] diese: Der erste Simon, genannt etru»s,I und Andreas, sein Bruderzit Jakobus, ebedai Sohn-i« nnd Johannes, sein Bruders« 3. Pbilippnsi undtbartholomauszs Thomass und Matthaus, der Zollnerzs Jakobus, Jlllphai Sohns Lebt-aus, mit dem Znnamen Thaddanszto · 4. Simonbon Kann« und Judas Jschariotly welcher ihn verrleth12 [Sohn eines sonst nicht näher bekannten Simon Joh. 6, 71; 12, 4; 18, Z. 26]. V) Jitng er, d. i. Schüler, hießen damals die Zwölfe theils wegen ihres« äußerlichen Verhältnisses zu Jesu, der nach Art der damaligen jlidischen Rabbinen (Lehrer) eine Anzahl Schüler immer um sich hatte, theils weil wäh- rend Jesu irdischen Wandels sie vornehmlich von ihm zu lernen hatten. Nach der Ausgießung des heil. Geistes heißen sie nur noch Apostel, und die andern Christen Jünger (z. B. Apostg. 6, 1 f. 6 f.), weil diese von da an in den Zwölfen Jesum selbst hören und in ihnen die untrüglichen Lehrer der Kirche sehen sollten. Jn spätern Zeiten scheint der Name Jünger außer Gebrauch ge- kommen zu sein (Apostg. U, 26); schon in den Episteln kommt er nicht mehr vor, sondern statt dessen Brüder, Gläubige, Heilige, Christen. (v. Gerlach.) Sie kommen hier noch zusammen als seine zwölf auserlesenen Jünger; nach der Machtverleihung sind sie seine zwölf Apostel -— ein Beweis, daß die entscheidendste Veränderung statt- gefunden, obschon sie damit nicht aufhören, seine Jiinger im besondersten Sinne zu sein. (P. Lange) Die Zahl zwölf ist außer allem Zweifel nicht willkürlich, sondern vielmehr in einer inneren Nothwendigkeit der himmli- schen und ewi en Dinge, und also in göttlicher Weisheit begründet. ir finden diese Zahl oft in der ganzen heil. Schrift bei großen und wichtigen Din en, beson- ders solchen, die auf Jsrael, auf das Vol und Reich Gottes Bezug haben (1. Mos. 35, 26 Anm.); und so drängen sich hter einem aufmerksamen, forschenden Leser der Schrift leicht mancherlei Vergleichungen auf, »die mehr oder weniger zur Sache gehören und doch Gewinn für Erkenntniß und Erbauung uns liefern. Denen zu Gefallen, die solche Vergleichungen lieben, mag die fol- gende Parallele zwischen den Patriarcheu und Stämmen Jsraels und den Aposieln hier eine Stelle haben: Wir finden im A. T. zwölf«Patriarchen, leibliche 137 Stammväter des Volkes Gottes; im N. T. zwölf Ap o fiel, geistliche Stammväter des Volkes Gottes. Ein Patriarch, Joseph, schien lange verloren zu sein; ein Apostel, Judas Jscharioth, ging wirklich verloren (doch ist Joseph in anderer Beziehung keineswegs Vorbild des Judas, sondern vielmehr des HErrn Jesu selber, vgl. Atem. zu I. Mos. 37, Z; 41, AS; 45, 8). Für· den Joseph wurden unter die Namen der Stämme zwei andere gesetzt, Man asse und Ephraim; flir den Judas wurden zwei andere Apostel erwählt, Matthias und Paulus. Unter jenen zween bekam der jüngere, Ephrainy den Vorzug vor dem älteren, Manassez unter diesen zween Aposteln scheint der später berufene Paulus in großer Wirksamkeit für das Reich des HErrn nicht nur den Matthias, sondern alle übrigen Apostel tibertroffen -zu haben ( l. Cur. 15, 10). Dadurch, daß für Joseph die zween Stämme Ephraim und Ma- nasse gerechnet wurden, entstanden 13 Stämme, »und doch werden immer nur zwölf genannt, nicht dreizehn; so entstanden auch durch Matthias und Paulus 13 Apostel, und doch werden immer nur zwölf Apostel gezählt, nicht dreizehn. (Menken.) Die Zwölf als Repräsentanten des. geistigen Jsraels (bildlich dargestellt ist dies in Offenb. 2l, 14) sollten unter einander eine vollkommene Einheit bilden; sie mußten sich daher in ihren Anlagen wechselseitig ergänzen und alle verschiedenen Richtungen, die sich später in der Kirche in großen Erscheinungen auseinander legten, im Keime bereits in sich tragen. Nur als Herzenskündiger (Joh. 2, 25) vermochte der HErr einen solchen Körper eng verbundener Gemüther zu grlinden, der dastehen konnte als die ganze geistige Schöpfung, die in’s Dasein gerufen werden sollte, reprä- sentirend Jn ihm selbst war alles in eine heilige Einheit geknüpft; aber wie der Strahl stch spaltet in seine Far- ben, so ging auch das eine Licht, das von Christo aus- strömte, in verschieden modificirtem Glanz in die Herzen seiner Zwölf über. So allein konnten durch diese Ver« mittelung nicht einige Menschen, sondern alle gleichmäßig nach ihren Bedürfnissen und Anlagen durch das Evan- gelium gesättigt werden. (Olshausen.) l) Petrus steht in allen 4Apostelverzeichnissen (vgl. Mark. Z, 16 ff.; Luk. 6, 14 ff.; Apostg. 1, l3) voran, und Matthäus nennt ihn gewiß absichtlich« den »ersten« (Kap. 16, 17 ff. Anm.). Er war der Sohn eines Fischers Jonas zu Bethsaida (an der Westseite des See’s Genezareth) und hieß mit seinem eigentlichen Namen Simon, hatte aber nach des Vaters Tode in Gemeinschaft mit seinem Bruder Andreas das elter- liche Haus zu Kapernaum inne und betrieb mit diesem das Fischergewerbe aus dem galiläischen Meere, wobei er schon frühzeitig in enge Verbindung kam mit den bei- den Söhnen des Zebedäus, Jakobus und Johannes. Während der Bruder zu den entschiedenen Jüngern Jo- hannis des Täufers zählte, gehörte er selber wohl nur dem weiteren Kreise dieser Jünger an, d. i. er war einer jener auserwählten galiläischen Frommen, welche auf die Zukunft des Messias hofften und in Johannes seinen Vorläufer freudig begrüßten, ohne grade beständi dem- selben sich anzuschließen; daher wurde auch ndreas früher mit Jesu bekannt und Petrus erst durch ihn dem neuen Meister zugeführt, von dem er dann alsbald statt des Namens Simon den Namen Kephas, ein Fels, er- hielt (Joh. l, 35—-42). Dies geschah in der Z. Hälfte Februar des J. 27 n. Chr. nnd hatte nun die ett der ersten Nachfolge, welche etwa 10 Monat umfa te, zur Folge; in den ersten 5 Monaten des J. 28 dage en war Petrus, gleichwie die übrigen Jünger, wieder eh selbst überlassen, und in diese Zeit fällt, wie wir zu Kost. 8, 15 angenommen haben, seine Verheirathung. Die zweite Berufung erfolgte Anfang Juni des eben 138 Evangelium Matthäi 10, 4 Annr. angeführten Jahres; ihre Gefchichte ist aus dem Er. am 5. Sonnt. nach Triiiin (Luk. 5, I f.) hinlänglich bekannt. Schon am andern Tage, einem Sabbath, sehen wir Jesum, als er die Schule zu Kapernaum verläßt, bei Simon in seinem Hause einkehren, um ·es in ähnlicher Weise zu seiner Herberge zu» machen, wie Elisa bei der Sunamitin herbergte (2. Kon.»4, 8 ff.; Mark. 1, 2»9; Luk. 4, 38), aber auch an der Haus-Mutter, der Schwies er des Petrus, durch ein großes Zeichen sich verherr- ichen, um fortan selber der Hausherr zu sein (Kap. 8, 14,f.). Etwa ein Vierteljahr später tritt Petrusdurch seine dritte Berufung in »den Kreis der Zwölfe ein; und setzt, nachdem inzwischen ein halbes Jahr verflossen, enipfaiigt er mit den Andern das Apostolatsp Der weiteren Ge- schichte· seines Lebens wollen wir nicht vorgreifen; nur das sei bemerkt, daß gemäß-feinem Namen Simon (·zu- sammengezogene Form für Simon) a»uih·eine wirkliche Sinieonsnatiir (1.Mos. 3·Z, 25 ff.) in ihm steckte — kecker Mut und hurtiges Wagen, mä ti e Willensstärke S und thatkräftige Entschiedenheih und wie nun diese in das Gnadengeschenk heiliger Standhastigkeit ihm verklärt werden sollte, womit er, den Felsen Christus u1nklam- d, ·lber um elsen der Kirche würde das deutete Tilieikin Vberaus zder Fihm · beigelegte Name « Petrus aii. S. Gedgichtiiiljzztagtszfifigleich mit dem des Paulus): 29. a . - . JmZHAiidrecXs ist ein ckitgxiechischek Name Gerad. VI, 126), der so viel als mannhaft, stark bedeutet; ein hebräifcher wird für diesen Apostel ebensowenig wie für Philippus, welches gleichfalls ein griechischer Name (Pferdeliebhaber) ist, angegeben , und nun sind beide in der That diejenigen, deren Vermittelung die Griechen, die Jefum zu sehen begehrten (Joh. 12, 20 ff.), in An· spruch nahmen. Die früheren Lebensumstände des An- dreas ergeben sich aus dem, waswon Petrus gesagt worden; im Kreise der Apostel schließt er sich den drei Hauptaposteln (Snnon Petrus, Jakobus I. und Johan- nes Kap. 17, l; 26, Si; Mark. 5, 37) als vierter an (Mark. 13, 3), wird aber sonst, außer der oben angeführ- ten Stelle, nur einmal noch, nnd zwar wieder in Ver- bindiing mit Philippus (Joh. 6, 5——8), erwähnt »und tritt in der Apostelgeschichte ganz zurück. Von seinen päteren Thaten und Schicksalen haben stch nur unbe- timmte Sagen erhalten; nach der ältesten soll er in Scythien gewirkt haben, daher die Russen ihn als ihren Apostel verehren, nach Andern soll er in Griechenland, später in Kleinasien und Thracien thätig gewesen und zuletzt zu Paträ in Achaja mittelst eines schrägen Kreu- zes (Kqp. 27, 31 AnmJ gekreuzigt worden sein. Am Kreuze habe er noch drei Tage gelebt und Christum Fieudigbbekagntn cfssedächtiiißtag fällt auf den 30sten v a . oiiselnsiikidbiios Zum Unterschied von dem Sohne des Alphäus (Nr. 9) der Aeltere oder I. genannt, gehort mit Simon Petrus und seinem Bruder Johannes (Nr. 4) zu den vertrautesten Jüngern des Hcssrrn (Kap.»17,·1 Anm.). Während der Vater Zebedaus ausdrucklich hier genannt wird und dann öfters die beiden als »Kinder Zebedäi« bezeichnet werden, ergiebt sich aus Vergleichung der beiden Stellen: tt « 27 56. UnEerZJelZenFVarMHiriaMa g: . . . unter welchen ivarMaria dalena, und Maria, die Magdalena, und Maria, Mutter Jacobi und Joses, und des kleinen Jakobus und Joses dieMutterderKinderZebedäi Mutter, und Salome. daß die Mutter Salome hieß. Wenn nun die kirch· liche Sage diese Salome halt-»für eine Tochter Jofephs, des Pflegevaters Jesu, aus seiner ersten Ehe, bald für feine« Gattin, mit welcher er zwei Tochter erzeugt habe, Mark. 15, 40. bald für eine Bruderstochter des Priesters Zachariaz Vaters Johannis des Täufers (Luk. l, 5 ff.) ausgiebtz so sind das eben Legenden, von denen die beiden ersten sich sofort als Verirrung der christlichen Sagenbildung zu erkennen geben, die dritte aber auch nicht den gering- sten Anhalt in der Bibel selber hat. Aus der dritten Stelle dagegen: Seh. 19, 25. Es stund aber bei dem Kreuze Jesn seine Mutter, und seiner Mutter Schwester, Maria, Kleophas Weib, und Maria Ma g d a le n a. zieht man neuerdings vielfach den Schluß, Salome sei eine Schwester der Maria, der Mutter Jesu, gewesen, indem man die Stelle so verstand, als sei darin von vier Frauen die Rede: l) die Mutter Jesu (Maria), 2) feiner Mutter Schwester (Salome), Z) Maria, Eteo- phas Weib, 4) Maria Magdalena; man wollte dann aus diesem angeblichen nahen Verwandschaftsverhältiiiß der Salome mit Jesu, als die seine Tante gewesen, einen Erklärungsgrund für ihre Bitte in Kap. 20, 20 ff. gewinnen. Indessen wird seiner Zeit sich noch ein ganz anderer, näher liegender Erklärungsgrund dafür ermit- teln lassen; was aber die obi en 3 Stellen betrifft, so kommt es sämmtlichen Evangelisten vielmehr darauf an, von den vielen Weibern, die bei dem Kreuze Jesu stuns den, ihrer je drei namhaft zu machen. Da hat nun St. Johannes, gleichwie er seinen eigenen Namen zu verschweigen pflegt, auch den seiner Mutter weggelassen und um so mehr die Mutter des HErrn dafür angeführt, als auf diese bei der gleich daraus olgendeii Verhand- lung mit ihm (V. 26 f.) es hauptsä lich ankam, wäh- rend die Erwähnung seiner eigenen Muttter noch einer erläuternden Bemerkung bedurft hätte, die er vermeiden wollte; den beiden andern Evangelisten dagegen schien die Anwesenheit der Mutter Jesu sich von selbst zu ver· stehen, sie nannten dafür die Mutter der Söhne Zebedlii die Salome. Von ihrem Gatten, dem Zebedäus, wissen wir nichts Nähere-s; doch läßt sich aus mehreren An- zeichen schließen, daß er das würdige Haupt einer wohl- habenden, angesehenen und frommen Fischerfamilie zu Bethsaida war und mit dieser in Beziehungen zu dem hohenpriesterlichen Hause in Jerusalem stund (Joh. 18, 15), nicht sowohl in verwandtschaftlichem als in religiö- fen und eschäftlichen Beziehungen, nahe gelegt dadurch, daß die amilie dort ein Besitzthuin hatte, welches her- nach dem Johannes zuftel (Joh.19, 27). Daß sich der Sinn des Zebedäus nicht über die Sorge um das Jri difche erhoben habe, ist zuviel aus dem Umstande gefol- gert, daß er bei seinem Fischernetz blieb; im Gegentheil gehörte die Familie durchweg zu denen, welche, in wah- rer israelitischer Frömmigkeit mit dem alten Tesiamente vertraut, damals in gesteigerter Hoffnung auf die Er« fcheinung des Mefstas lebten (Luk. 2, 38). Der Vater setzte daher auch kein Hindernis; entgegen, daß seine wei Söhne zuerst Jünger des Täufers wurden (Joh. 1, 3 ff.) und hernachmals in die beständige Nachfolge Jesu ein- traten (Kap. 4, 21 f.); wie es aber scheint, starb er gegen Ende der galiläischen Wirksamkeit Jefu, und nun wurde seine Wittwe Salome eine von den dienenden Frauen (Luk. S, 2 f.; Mark. 14, 40 f.) und bewährte sich da als eine begeisterte, treue, aufopferungsfreudige Anhängerin des HErrn. Allem Anschein nach war Ja- kobus er ältere Sohn; er ist der erste von den Zwöl- fen, der den Märtyrertod (im J. 44 n. Chr.) erlitten SApoftg. 12, I .), und gedenkt die Kirche seiner an: · 5. Juli (Kap. 0, 20 . 4) oljanned verhielt fich zuerst gegen den Täufer— gerade o, wie nachher gegen Christum: or faßte die Die Namen der 12 Apostel. 139 tiefste Seite in der Predigt des Täufers auf, die den andern Jüngern mehr verborgen blieb; während daher die 3 ersten Evangelisten über die Bußpredigt des Täu- fers berichten und nur ganz kurz die Bemerkung bei- fügen, daß er auch auf den kommenden Messias hinge- wiesen habe, erfaßt Johannes diese letztere Seite als den Centralpunkt des Wirkens des Täufers und hat die prophetischen Reden desselben über Christi Wesen und Leiden behalten und aufbehalten. Mit gleicher Willens- eutschiedenheit nun, wie er an den Täufer sich ange- schlossen und der Forderung desselben entsprechend aller Gemeinschaft mit der Finsternis; für immer entsagt hatte, schloß er sich an Jesum an, sobald der Täufer auf diesen hingewiesen; und da bewährt er sich denn als eine stille sinnige Natur mit vorwaltender Receptiviiät (Aufge- fchlossenheit zur Empfangnahme). Jedes Wort seines geliebten Meisters, welches seinem Herzen Aufschluß giebt über das von ihm geahnte Mysteriuin (heilige Geheim- niß), ergreift er in tiefster Seele, hält es fest und er- wägt es, selig sich versenkend in die Betrachtung der Herrlichkeit des Meuschenfohnes; bei allem, was Christus redet oder thut, faßt er nicht die zur Handlung drängen- den Momente auf, daß er sich fragte: was muß ich nun thun? soll ich schnell Hütten bauen auf dem Berge der Verklärungii soll ich nicht das Schwert ziehen gegen Malchus? sondern fern von dem Dran e des Handelns und der Mitthätigkeit, liebt er das rugige Veobachtem was thut Er? wie redet Er? wie nimmt Er sich? nnd ist in das sinnend-e, liebende Anschaun Jesu verloren, wie eine Braut in das Anfchaun des Bräutigams Da- raus erklärt es sich, daß in der Seele und dem Gedächt- uiß dieses Jüngers jeder feinste Hauch des Wesens und des Gebahrens Christi sich so unvermischt und hell er- halten hat, ja ganze Unterredungen des HCrrn mit Ge nern und mit Freunden bis in’s Einzelnste ihm wiigtig waren und blieben. Jene ganz eigenthümliche Zagen und Herrlichkeit Christi, wie sie im Evangelio o annis sich darstellt, blieb ganz gewiß auch den an- dern Jüngern nicht verborgen, aber nur Johannes war fähig, sie darstellend zu reproducirem jeder Mensch kann den zarten Duft eines im Abendroth erglühenden Alpen- ebirges sehen, aber nicht jeder ist im Stande, den- sgelben zu malen. Johannes hatte diese Natur eines lebendigen Spiegel-z, der den vollen Glanz des HErrn nicht blos aufnahm, sondern auch wiederzustrahlen ver- mochte; uud so wird es niemand befremden, daß ihn Jesus vorzugsweise zum persönlichen Freunde erwählte und er an des Meisters Brust liegen durfte. ,,Gleich- wie das Sonnenlicht die Züge deines Antlitzes auf eine Silberplatte sammelt, die zum Einsaugen des Lichtes empfänglich gemacht wurde, so ist das Herz des Jüngers, den Jesus lieb hatte, zubereitet worden, das Lichtbild der Herrlichkeit des Sohnes und Lammes Gottes in sich aufzunehmen, und dessen Züge wiederum in die Herzen der Gläubigen einstrahlen zu lassen« Gedächtuißtag: 27. Dezember (Joh. 21, 20 ss.) Z) Philippus dessen wir schon bei Nr. 2 gelegent- lich edachten und dessen Charakter in der Anm. zu Kaki. 8, 2« im Allgemeinen angegeben wurde, tritt außer« in Joh. I, 43 f.; S, 5 ff.; 12, 20ff.auch in Joh.14, 8 ff. noch einmal hervor; man darf ihn nicht mit dem Dia- konen oder Evangelisten Philippus in Apostelg 6, 5; 8, 26 ff.; 21, 8 f. verwechseln, wie die Legende thut, wenn sie von ihm berichtet, er sei verheirathet gewesen und habe vier Töchter gehabt. Er soll in Phrygien Fe- wirkt haben und zu Hierapolis in hohem Alter gestor en sein; sein Gedächtnißtag fällt mit dem des Jakobus II. zusammen auf den l. Mai. (Joh. 14, I ff.) S) Vartholvmiius (Nathanael Joh. I, 45 ff.; 21, 2), aus Kana in Galiläa gebürtig, kommt außer in den Apostelverzeichnissen sonst nicht vor. Er soll das Evan- gelium in Jndien (worunter aber wahrscheinlich das glückliche Arabien zu verstehen ist) Verkündigt haben, dort lebendig geschunden und hierauf in verkehrter Stel- lung gekreuzigt worden sein. Sein Tag fällt auf den 24. August (Luk. 22, 24 ff.). 7) Thomas, der da heißet Zwilling (Didhmus: Joh. l1, 16; 14, Z; 20, 24 ff.; 21, 2), ist von uns mit P. Lange für den in Kuh. 8, 21 f. seinem Namen nach nicht angegebenen Jünger erklärt und bereits charakterisirt worden. Auch über ihn find sonst nur Sagen bekannt; darnach soll er in Persien (Parthien) und Jndien gepredigt haben, ohne daß sein Märtyrer- tod bestimmt behauptet würde. An der Küste von Ma- labar finden sich noch zahlreiche Thomaschristem welche ihren Ursprung von ihm herleiten, aber freilich in christs licher Erkenntnis; uud geistlichem Leben den apostolischen Gemeinden nicht mehr ähnlich sind. Gedächtnißtagx den 21. Desxnber »(Joh. 20, 24 ff.) 8) atthiiuik vgl. Kap. I, 9 ff. (21.Septeniber). Von feiner apostolischen Wirksamkeit haben sich nur un— bestimmte Nachrichten erhalten, die ihm seinen spätern Wirkungskreis in Antiochien zuschreiben; wichtiger ist er für uns besonders als Verfasser des ersten Evangeliums, über welches wir seiner Zeit handeln werden. I) Jakobus der Jüngere oder der II. Wie er an unserer Stelle· als ein Sohn des Alphäus (wofür in· Joh. 19, 25 die Form: ,,Kleophas« steht) bezeichnet wird, so wird uns in Kaxx 27, 56 (vgl. Mark. 15, 40; 16, I) als seine Mutter eine Maria genannt, die in Joh. 1s), 25 nach unserer Auffassung der Stelle (vgl. zu Nr. Z) die Schwester der Mutter Jesu heißt. Da nun in Kaix 27, 56 zugleich ein Bruder von ihm mit Namen Joses angegeben, in Kap. 13, 55 (Mark. S, Z) aber 4 Brüder des HErrnt ,,Jakobus, Joses, Simon und Judas« an- geführt werden, so haben wir zu Kap. 2, 23 Blum. uns« zu der Ansicht bekannt, der Apostel Jakobus II., Alphäi Sohn, sei eine und dieselbe Person mit jenem Jakobus, der in Gal. J, 19 als Bruder des HErrn bezeichnet und auf gleiche Rangstufe mit den Aposteln gestellt wird. Die gegentheilige Ansicht dagegen macht aus dem eben Genanntem dem Bruder des HErrn, einen Jakobus III« Während des Lebens Jesu sei derselbe ungläubig gewe- sen (Joh. 7, 2 ff.), in Folge der Kunde von seiner Auf-» erstehung aber, welche Jesus seinen Brüdern noch be- sonders zu hinterbringen befahl (Joh.20, 17), und noch« mehr in Folge der ausdrücklichen Erscheinung des Aus»- erstandenen, die dem Jakobus zu Theil wurde (1· Cur;- 15, 7), trat dieser in die Reihe der Jünger ein (Apostg. I, I4) und nahm mit der Zeit eine hervorragende Stellung in der Gemeinde zu Jerusalem ein (Apostg. 12, I7; 15, 13 ff; 21, 18 ff.; Gal. 2, I. 12). Wegen seines reinen, gefetzesstrengen Wandels nannte man ihn den Gerechten; als ein ächter Nasiräer genoß er, wie er- zählt wird, das Vorrecht, jederzeit in priesterlicher Klei- dung in den Tempel zu gehen, was er, von inniger Liebe zu seinem Volke erfüllt, dazu benutzte, um— oft allein im Heiligthum sich auf sein Angesicht niederzu- werfen und um Vergebung für die Sünden seines Vol- kes zu flehen, daher er auch für dessen Schutzmauer an- gesehen wurde. m Frühjahr 62 n. Chr. aber, als nach dem Tode des andpflegers Zestus dessen Nachfolger Albinus in Paläftina noch ni t eingetroffen war, e« nutzte der sadducäisch gesinnte Hohepriester Hannas II. die ihm einstweilen zu Gebote stehende Macht, um des Jakobus als eines Abtrünnigen vom Gesetz sich zu be- mächtigen, ließ ihn von der Zinne des Tempels herab« stürzen und zuletzt mit Keulen erschlagen (Kap. 4, 7. Anm.·ll.). »Von ihm ist ohne Zweifel der Brief St. Jakob» der in unsrer deutschen Bibel auf die Epistel an 140 Evangelium Matthäi 10, ,5 ——7. die-Hebräer folgt. So scheinbar nun aber auch die Be- gründung dieser Ansicht von einem Jakobus III. durch die Stellen Joh. 7, 2 ff.; l. Cor- 15, 7 n. Apostg. 1 14 ist, so bestimmt wird sie durch die andern Stellen Apostg. 12, 17; 15, 13 ff.; 21, 18 ff. u. Gar. 1, 19; L, 9. 12 widerlegt. Nachdem nämlich St. Lukas in Apostg. l, 13 unter den 12 Aposteln einen Jakobus I. und Jakobus II. ausgeführt, dann in 12, 17 von der Hinrichtung des Jakobus l. berichtet hat, kann doch un- möglich schon von 12, 17 an so mir nichts dir nichts auf einmal ein Jakobus III. verstanden werden, von dem bisher kein Wort gesagt worden ist; daraus, daß der heil. Schriftsteller fortan schlechtweg Jakobus schreibt, während er noch in 12, 2 geschrieben hat: ,,Jakobus, Johannis Bruder,« eht vielmehr unzweideutig hervor, daß er von einem Ja obus III. nichts weiß. Hätte er·den ,,Vruder des HErrii« von »Alphäus Sohn« unterscheidexi wollen, so hätte er irgendwie dafür sorgen müssen, daß auch seine Leser beide von einander unterscheiden könnten; er hat aber nicht einmal da, wo die beiden andern Evan- gelisten von den Brüdern des HErrn reden und ihre Namen anführen (Matth. 13, 55; Mark. 6, 3), an der parallelen Stelle seines Evangelii (4, 22) ihrer auch nur mit einem Worte erwähnt. Und nun ist auch das, was St. Paulus in Gal. 1, 19 sagt, so deutlich ans einen Apostel gemeint, daß man die Worte ein wenig verdrehen muß, um den Sinn herauszubringen, daß hier unter dem Bruder des HErrn ein Nichtapostel zu verstehen sei. Man lasse also diesen vermeintlichen Ja- kobus 1II. in seiner Unterscheidung von Jakobus lI. als bloße Erfindung fahren und beziehe das, was oben von jenem erzählt worden ist, auf diesen; wir werden ja sehen, daß mit der Ansicht, Jakobus, Alphäi Sohn, einer von den Zwölfen, sei kein anderer als Jakobus, der Bruder des HErrm mit dem Beinamen der Gerechte, die Stelle Joh. 7, 2 ss. sich gar wohl verträgt. Ueber den Gedenktag Jakobi» II s. zu Nr. 5. · · « 10) Lebbauh d. i. der Beherzte, mit einem andern, ziemlich dasselbe bedeutenden Namen Thaddäus (der Gewaltige Kap. 5, I Anm.) heißend (Mark. Z, 18), wird von Lukas (Ev. 6, 16; Apostg.1, 13) Judas Jakobi enannt; darunter haben wir ohne Zweifel des unter sit. 9 genannten Jakobus Bruder zu verstehen, der also ebenfalls ein Bruder des HErrn wäre, und in der That wird von den in Kap. 13, 55; Mark. 6, 3 ausgeführten Brüdern Jesu auch ein Judas genannt. Als einen Bruder Jakobi, zugleich aber als Knecht Jesu Christi, bezeichnet sich denn auch« der Verfasser der Epistel St. Judä (V. l). Jndessen wird von vielen Gelehrten bestritten, daß beide, der Apostel Judas Jakobi und der Epistelschreibey ein und dieselbe Person bezeichnetem leh- terer scheine vielmehr »in V. 17 f. sich ausdrücklich von den Aposteln unterscheiden zu wollen und in V. 1 seine Auctorität davon herzuleiten, daß er des Apostels Ja- kobus Bruder war, bei dem Apostel Judas Jakobi aber müsse man das Wort ,,Sohn«· ergänzen: Judas (eiu Sohn) Jakobi (so auch Luther in Luk. 6,» 16; in Apostg. I, 13 dagegen hat er blos: Judas Jakobi). Nun mußte man bei Unterscheidung der beiden auch die Unterschei- dun von Jakobus, Alphäi Sohn, und Jakobus, deni Bru er des HErrn, wieder aufnehmen, die wir unter Nr. 9 als unzulässig nachgewiesen haben; denn was sollte das für einen Sinn haben: Jakobus, Bruder (d. i. Vetter) des HErrn einerseits, und Judas, Bru- der des—Jakobus, des Vetters Jesu andererseits, und doch dabei Jakobus, Alphäi Sohn einerseits, und Judas, Jakobi Sohn aUdrerseitsP würden nicht diese Bestim- mnn en sich gegenseitig aufheben? Wir können also auf die egenqründe egen die oben von uns ausgesprochene Angabe über den postel Judas, daß er mit dem Episteb schreiber Judas dieselbe Person sei, kein Gewicht legen: in V. 17 f. konnte der Epistelschreiber recht wohl auf die Apostel als eine Gesammtheit hinweisen, auch wenn er für seine Person selber zu den Aposteln ge- hörte (er sieht eben hier von seiner persönlichen Stellung ganz ab und beruft sich auf die Auctorität des Colle- giums); und der Ausdruck: ,,Judas Jakobi« in dem Sinne von »Judas (Bruder) Jakobi« erklärt sich ein- fach daraus, daß Alphäus schon einmal als Vater des Jakobus genannt und schon lange verstorben war, daher nicht noch einmal angeführt werden sollte, dagegen hatte Jakobus ein so hohes Ansehen in der Kirche erlangt (Gal. Z, 9), daß eine Bezeichnung des Verwandtschaft-s- verhältnisses zu ihm diesen Judas am besten von Ju- das dem Verräther, der in Luk. S, 16 unmittelbar auf ihn folgt und in Apostg. l, 13 ebenfalls folgen würde, wenn derselbe dazumal nicht bereits von seinem Apostel- amt wäre abgewichen gewesen, unterschied (nicht ein Geistesverwandter seines Namensvetters Judas, sondern vielmehr seines Bruders, des gerechten Jakobus, ist er gewesen). Judas Jakobi (Lebbäus oder Thaddäus) soll in Arabien, Syrien und Mesopotamien gepredigt haben und in Edessa oder Beiruth gestorben sein; anderwärts wird von ihm der Märtyrertod behauptet. Sein Ge- dächtnißtag fällt mit dem des folgenden Apostels auf den 28. Oktober (Joh. 15, 17 fs.). 11) Simon führte im Hebräischen den Beinamen »Kaneani,« was in Luk. 6, 15; Apostg. I, 13 für grie- chische Leser richtig durch »Zelotes« d. i. Eiferer wieder- gegeben wird, aber frühzeitig von Abschreibern an unsrer— Stelle und in Mark. B, 18., wo das hebräische Wort beibehalten ist, dahin mißverstanden wurde, als sollte ein Herkunftsort damit bezeichnet werden, daher man für Kaneani bald schrieb Kananites bald Kananaios (der Kananite oder Kananäer); Luther hat dann dies durch »von Kam« wiedergegeben, als wäre Simon ein Landsman des Nathanael (Joh. U, Z) oder Bartholo- mäus (Nr. S) gewesen. Er gehörte vielmehr dem Or- den der sog. Zeloten oder Gesetzeseiserer an, welche nach dem Beispiel des Pinehas (4. Mos. 25, 7 fs.) die Ver- letzungen des Gesetzes rächen wollten und hernach im letzten jüdischen Kriege eine so große Rolle spielten. Zu Kap. 5, I Anm. wurde schon angedeutet, daß wir ihn, ebenfalls, wie die beiden vorigen Apostel, für einen von den Brüdern des HErrn (Kap. 13, 55; Mark. 6, Z) halten; so erklärt sich am besten, wie zwar von den Aposteln unter Nr. 1—8 die Geschichte ihrer früheren Berufung zur Nachfolge Jesu, bevor sie in den Kreis der Zwölfe aufgenommen wurden, berichtet, von denen unter Nr. 9——11 aber gar nichts gesagt wird, wie sie zuerst mit dem HErrn in nähere Berührung gekommen sind. Sie standen eben von Haus aus als seine Brü- der in dem zu Kap. 2, 23 erläuterten Sinne schon in einem engen Verhältnisse zu ihm, er war gleichfam auf sie angewiesen und konnte schon bei ihrer Empfäng- lichkeit für den Glauben an ihn, der aus Joh. 20, 7 u. Apostg.1, 14 deutlich erhellt, und bei ihrer Erziehung durch eine fromme, empfängliche Mutter (Kap. 27, 56) sich von selber nahe legt, nicht an ihnen vorübergehen; wenn sie aber in anderer Hinsicht freilich auch noch für ungläubig gelten mußten (Joh. 7, 2 fs.), so mußte er bei ihrer Aufnahme in den Apostelkreis das mit in den Kauf nehmen, wie er ja ein gewisses Maß des Un- glaubens bei allen Zwölf stch gefallen lassen mußte. Wie wenig aber das Verwandtschaftsverhältniß der drei als solches den Ausschlag gab, so daß er ihnen etwa einen besonderen Vorzug vor andern eingeräumt hätte, zeigt sich einestheils darin, daß diese Brüder des HErrn in allen vier Apoftelverzeichnissen nicht in die erste, nicht einmal in die zweite, sondern erst in die dritte Klasse Die Aussendung und Ausrüstung der zwölf Apostel. 141 gestellt werden, was ohne Zweifel auf eine von Jesu selbst begründete Rangordnung zurückweistz anderntheils aber anch darin, daß die vierte Stelle in dieser dritten Klasse nicht mit dem vierten Bruder Joses, sondern mit einem Fremden (Nr. 12) besetzt worden ist. Haben wir Recht mit unsrer Annahme, die wir hier näher ent- wickelt haben, so dürfen wir wohl auch weiter schlie- ßen, daß das oben angedeutete Mißverständnis; hinsicht- lich des Beinamens des Simon kein bloßer Mißgriff ist, sondern daß ihm etwas Wahres zu Grunde liegt. Viel- leicht verhält es sich ganz richtig so, daß Alphäus, der Bruder des Joseph, mit seinem Weibe Maria, so lange ier noch lebte, zu Kana in Galiläa wohnte und dort die vier Söhne und die ungenannten Töchter zeugte; es würde sich daraus erklären, wie nun wiederum Maria, die Mutter des HErrn, mit diesem ihrem Sohne zu sKana in Galiläa ein befreundetes Haus hatte, noch ehe Jesus seine Herrlichkeit geoffenbart (Joh. 2, 1 ff.), und warum in Joh. 2l, 2 Nathanael nicht nach seinem an- dern Namen, sondern nach seiner Herkunft bezeichnet wird. Wir wollen- uns also Lutherss Uebersetzung: ,,Simon von Kam« gern gefallen lassen, ohne einer vor- schnellen Aenderung uns schuldig zu machen. Die kirch- liche Sage über die späteren Schicksale des Simon und seinen Wirkungskreis giebt sehr von einander abweichende Nachrichten; nicht mit Unrecht ist sein Gedächtnißtag mit dem des Judas (Nr. 10) auf ein und dasselbe Da- tum verlegt. 12) Judas Jfcharioth: wir können weder diejenige Erklärung des Veinamens ,,Jscharioth« für richtig halten, welche ihn ,,Mann von Jsaschar,« noch die, welche ihn ,,Mann ·der Lügen« übersetzt, sondern Judas ist damit als »der Mann von Karioth,« einem Städtchen in Juda, bezeichnet (2. Sam. 15, 31 Anm.); auf die Frage aber, wie Jesus daraus kam, auch diesen Mann unter die Zwölfe auszunehmen, da er doch gewiß vorauswußte daß derselbe an ihm zum Verräther werden würde, läßt sich erst antworten, wenn wir uns klar gemacht haben, wie Jesus zu dem Manne selber kam. Nach unsern Auseinandersetzungeu zu Nr. 11 hätte der HErr leicht die zwölfte Stelle seines Jiingerkreises mit seinem anderweitigen Bruder Joses ausfülletc können; da Joses ohne Zweifelhernach anch der christlichen Gemeinde an- gehörte, wie ans seiner Erwähnung in Kap. 27, 56; Mark. 15, W. 47 und aus Apostg. i, 14 hervorgeht, so hätte er, wenn er das gethan, hernach nicht über das ,,verlorene Kind« (Joh. 17, I2) klagen dürfen —- doch, wie würde da die Schrift erfüllet worden sein? Es mußte ja also gehen; und gerade darum, so möchten wir behaupten, weil die zwölfte Stelle die des Verräthers war, hat der HErr von seinem vierten Bruder Joses Abstand genommen. Die Sache liegt aber auch noch anders. Mit dem Hause der Zwölfe will Jesus das Haus Jakobs in seinen 12 Stämmen darstellen, will er zugleich die ganze Zukunft seiner Kirche in allen nur möglichen Jndividualitäteii und Geisteseigenthümlichkeiten vorbilden; jede einzelne Anlage und Entwickelung, jeder besondere Character soll darin vertreten sein. Halten wir dies fest, so läßt stch weiter behaupten, für die zwölfte Stelle war Joses überhaupt nicht mehr der ge- eignete Mann, einestheils weil er ebenfalls ein Galiläer war, anderntheils weil seine Geistesanlage und Character- "ei enthümlichkeit sich schon in irgend einem von den ü rigen Aposteln hinlänglich vertreten fand; für diese Stelle gehörte vielmehr einer, der seinem ursprünglichen Herkommen nach ein Judäer war, damit auch Juda in dem Hause Jesu seinen Repräsentanten habe, und einer, indem das— Denkvermögen in eminentem Grade ange- legt nnd ausgebildet war, damit auch diese Geistes- eigenthümlichkeit in der vorbildlichen Kirche eine Stätte finde. Durch die Fügung Gottes, seines himmlischen Vaters, sah der HErr nun den Judas (wir wissen nicht, woher, und wissen nicht, auf welchem Wege) sich zuge- führt; er erkannte um so klarer, daß gerade dieser sein Verräther werden würde, weil emestheils des Verräther-z Vorbild Ahitophel auf Jndäa wies und des Judas Name nnr gar zu sehr an Judä Wort in 1. Mos 37, 27 erinnerte und der unglänbigen Juden Art, die bis auf den heutigen Tag im Gelde wühlen, vorbedeutete, und weil anderntheils des Judas Eigenthümlichkeit und Gemüthsrichtung die Anlage in sich trug, ein Kind des Teufels zu werden, wie ja noch immer eminente Geister am meisten in Gefahr stehen, am Glauben Schiffbruch zu leiden, und der künftige Antichrist gewiß einmal durch eminente Verstandesüberlegenheit es dahin bringen wird, zum Menscher( der Sünde und zum Kinde des Verder- bens (2. Thess 2, 3) sich anszubilden Jndessen der HErr unterwarf sich auch in diesem Stücke der Leitung seines himmlischen Vaters, und wir können uns wohl denken, von welchen Gefühlen und Empfindungen sein Herz mag bewegt gewesen sein bei dem Nachtge et, mit welchem er sich zur Apostelwahl vorbereitete; schon da heißt es bei ihm: »Mein Vater, ist’s möglich, so gehe ieser Kelch von mir; doch nicht wie ich will, sondern wie du willst.« Und daß er hernach dem Judas die Kasse anvertrauen, an der dessen Anlage sich zur Teufelsnatur entwickelte, findet seine Erklärung in dem, was Lampe sagt: »Es gehört zu den anbetenswürdigen Wegen der göttlichen Vorsehung in Bezug aus die Siinde, daß die Sünder in Umstände versetzt werden, in denen ihre Bosheit hervorbrechen muß;« die Criminals geschichten bieten zu diesem Satze die mannigfachsten Belege. Nur Eins sei hier noch bemerkt: das hernach durch des Judas Untergang erledigte Apostelamt spaltet sich in zwet Aemter, in das des Matthias und in das des Paulus. Es läßt wohl sich voraussehen, daß der Erstere von Haus aus ein Judäer war, wenn er auch ein Augen- und Ohrenzeuge der Werke und Worte Christi von der Taufe Johannis an bis zur Himmel- fahrt (Apostg. I, 22) gewesen war; ja, vielleicht ent- schied eben darum das Loos für ihn und nicht für den andern, es sollte eben die Judäer-Eigenschaft durch Matthias ersetzt werden. Dagegen fand die Begabung mit einem vorzüglichen Denkvermögen nnd mit einer ausgezeichneten Geistesbildung einige Jahre später in Paulus ihren Ersatz. Dieser ist dann der lebendige Beweis geworden, daß anch die großen Geister, die tiefen Denker, die Genie’s unter den Menschenkindern an Christo ihren Meister finden und recht wohl demüthige Schüler zu seinen Füßen werden können, ohne ihre Gaben nnd Kräfte verleugnen zu müssen. Z. Diese zwölf sandte Jesus sie zween und zween Mark. S, 7], gebot ihnen und sprach sin- dem er theils für ihre jetzige Sendung besondere, theils für ihre künftige Wirksamkeit allgemeine Ver: haltungsregeln ihnen ertheilte]: Gehet lsür dies Mal und solange überhaupt die rechte Zeit dazu noch nicht gekommen] nicht auf der Heiden Straße, und ziehet nicht in der Samariter Städte; S. Sondern gehet hin zu den verlernen Schafen aus dem Hause Jsraels [Kap. 15, 24]. 7. Gebet aber lwas den Jnhalt eurer Ver- klindigung anlccngt], und prediget und sprechetj Das Himmelreich ist nahe herbei kommen [Kap. s, e; 4, 17J. 142 Evangelium Matthäi 10, 8.—41. 8. Machet die Kranken gesund, reiniget die Aussci igen, weclet die Todten auf, treibei die Teufe aus. Umsonst habt ihr es ssowohl das Heil, das ihr verküiidigen sollt, als die Hilfe, die ihr bringen dürft] empfangen, umsonst gebt es auch. 9. Ihr sollt nicht Gold, noch Silber, noch Erz [Kupfermtiuze] in euren Gürteln [Gürtelbörsen] h en, . 10. Auch keine Tasche zur Wegfahrt, auch nicht zween Röcke, keine Schuhe, auch keinen Steclen sals müßtet ihr euch selbst versorgen und wider etwaigen Mangel vorsehen, vielmehr wird das, was bei Ausrichtung eures Amtes ihr an zeitlichen Dingen bedürfet, zur rechten Zeit euch schon von selbst zufallen]. Denn ein Arbeiter ist seiner Speise [desfen, was zu seinem Unterhalt gehört] werth fund wird ihm das durch Gottes Vorsehung auch zu Theil werden]. 11. Wo ihr aber in eine Stadt oder Markt Izunächst des isrcielitischeu Gebiete V. S] gehet, da erkundigei euch sforschet nach diesen und jenen Merkmalen, daraus ihr abnehmen könnet], ob je- mand darinnen sei, der es werth ist sdaß ihr bei ihm herberget]; und bei demselben bleibet, bis ihr von dannen ziehet. s 12. Wo ihr aber in ein Haus gehet [in das Haus eines solchen eiutretet, den ihr für einen Würdigen haltet], » so grüßet dasselbige fmit dem üblichen ·Grußwort: Friede sei mit euch! Luk. 10, is; Joh 2o, 19]. 1Z. Und so es dasselbige Haus werth ist sdaß ihr daselbst bleibet], wird euer Friede auf sie kom- men. Jst es aber nicht werth, so wird sich euer Friede [ohne etwas zu wirken Jes. 55, II] wieder zu euch wenden [also daß ihr nicht mit dem Ge- fühl weiter ziehen müßt, ihr hättet dem Wort in Kund. 7, 6 zuwider gehandelt] 14. Und wo euch jemand nicht sein Haus oder eine Stadt in keiner einzigen Person] anneh- men wird, noch eure Rede hören; so gehet heraus von demselbigen Hause oder Stadt, und schüttelt seuch völlig von aller Gemeinschaft mit ihnen, wie auch von jeder weiteren Verpftichtung gegen sie lossagend] den Staub von euren Füßen [Apostg. 13, 51; 18, 6]. 15. Wahrlich, ich sage euch: Dem Lande der Sodomer und Gouiorrer wird es ertraglicher er- gehen am jüngsten Gericht [Kap. 11, 24], denn solcher Stadt [von der ihr in dieser Weise euch habt lossagen müssen]. 16. Siehe, fes sind aber nicht blos Abwei- sungen, auf die ihr euch gefaßt machen müßt, son- dern sogar die schrecklichsten Verfolgungen; denn] ich sende euch [wenn auch noch nicht bei diesem erstmaligen Versuch apostolisclyer Thätigkeit, so doch in euerm künftigen Amte] wie Schafe iniiien unter die Wölfe; darum seid klug, wie die Schlangen, und ohne Falsch, wie die Tauben [Rom. 16, 19]· l7. Hiiiet euch aber svermöge der eben euch empfohlenen Schlangenklugheit, jedoch so, daß ihr die Taubeneinfalt dabei nicht außer Acht lasset] bot: den Menschen; denn sie werden euch überantworten vor ihre Rathhiiusey und werden euch geißeln in ihren Schulen sden Synagogen T. Cur. II, 24]. 18. Und man wird euch vor Fürsten [Land- pfleger u. dgl] und Könige führen um meinet willen [Apostg. 24—2a], zum Zeugnis über sie [die Juden] und über die Heiden. , II. Wenn sie euch nun überantworten svor Gericht .stellen] werden, so sorget nicht, wie oder was ihr reden sollt; denn es soll euch zu der Stunde gegeben werden, was ihr reden sollt. 20. Denn ihr seid es jin eurem apostolischen Berufe überhaupt] nicht, die da reden, sondern euers Vaters Geist ist es, der durch euch redet [und dieser Geist wird auch bei der Verantwortung vor Gericht mit euch sein]. 21. Es wird aber [da ich nicht kommen bin, Friede zu senden, sondern das Schwert V. 341 ein Bruder den andern zum Tod überantwortenx und der Vater den Sohn, und die Kinder werden sich empören wider ihre Eltern und ihnen sdurch Zlellferantwortung an die Obrigkeitenj zum Tode e en. 22. Und sda wird nun Haß und Verfolgung euch im höchsien und umfassendsten Maße treffen, also daß ihr] musset gehasset werden von jedermann, um meines Namens willen. Wer aber bis an das Ende [wenn ich wiederkommen und dem Hasse der wider niich gerichteten Welt ein Ende machen werde, in Glaube, Geduld und Bekenntuiß] be- harret, der wird selig. « 23. Wenn sie euch aber sbei diesem «Hasse, der von Seiten der gesammten ungläubigen Welt euch treffen wird] in einer Stadt verfolgen, so stiehet in eine andere. Wahrlich, ich sage euch, ihr werdet die Städte Israel nicht ausrichten snicht alle mit solcher Flucht aus der einen in die andere einzeln durchgemacht haben], bis des Menscher! Sohn kommt [zum Gericht über Jerusalem und das jüdische Volk und eurer Verfolgung von dieser Seite her ein Ziel steckt]. « 24. sVerwundert euch aber nicht, daß ihr also müsset gehasset werden von jedermann V. 22:] Der Jiinger ist nicht über seinen Meister, noch der Knecht über den Herrn sdaß er sollte ein besseres Loos für sich erwarten dürfen, als diesem beschie- den war Joh. 15, 20]. 25. Es ist dem Jünger genug, daß er spin- sichtlich der Behandlung, die ihm widerfährtj sei wie sein Meister, und der Knecht, wie sein Herr setwas Höheres begehrt er nicht, wenn anders er ein rechte: Jüngere und treuer Knecht ist].t Haben Unterweisung der Jünger in ihrem Apostelbersuf sie denHausvater Beelzebub [als der die Teufel durch der Teufel Obersten austreibe Kuh. 9, 34; 12, 241 geheißen; wie viel mehr werden sie seine Hausgenossen also heißen? 26. Darum feuch gern und willig in die Schicksalsgemeinschaft mit mir begebend] fürchtet euch nicht vor ihnen [vielmehr fasset freudigen Muth, allem Haß der Welt zum Trotz das Evan- gelium vom Reich in alle Welt hinauszutragen, damit es zu der ihm bestimmten durchdringenden Oefsentlichkeit gelanges Es ist nichts verborgen, das nicht offenbar werde, und ist nichts heimlich, das man nicht wissen werde sdies Sprichwort hat vor allem seine Giltigkeit in Beziehung aus das Evangelium, das nimmermehr als eine Geheim- lehre behandelt werden darf Kap. 5 , 15; Mart. 4, 22; Luk. s, 17]. 27. Was ich euch sage im Finsterniß [weil ich nur erst noch im vertrauteren Kreise meiner Jünger mich offenbaren kann, damit mein Reich erst gegründet werde], das redet im Licht; und was ihr höret in das Ohr, das prediget auf den Nachen] Daihern sder Häuser, wo ihr die Leute aus den Straßen vor euch habt und von ihnen gehört werdet]. 28. Und fürchtet euch [nun bei solcher öffent- lichen Predigt, die Haß und Verfolgung euch zu- ziehtJ nicht vor denen, die den Leib tödten, und die Seele nicht mögen tödten [d. i. vor den Men- schen, auch wenn sie noch so arg gegen euch wüthens Fiirchtet euch aber vielmehr vor dem, der Leib und Seele verderben mag in die Hölle sim eigentlichen Sinne des Worts l. Kön 1, 33 Anm., nämlich vor Gott, eurem ewigen Richters W. [Und zu dieser heiligen, ernsten, strengen Furcht vor Gott geselle sich in eurem Herzen der heilige, heitere, frohe Glaube an ihn, in dessen allerbesondersten Aufsicht und Fürsorge ihr stehet als seine lieben Kinder] Kauft man nicht zween Sperlinge um einen Pfennig [die geringste Scheide- Münze, so daß man weniger gar nicht geben kann]? Noch fcillt derseIbigen keiner [todt] auf die Erde ohn euern Vater [ohne sein Wissen und Willen]. Bd. Nun aber sind auch eure Haare auf dem Haupt alle gezclhlet sso daß es bei euch ihm nicht blos auf die Erhaltung eures Lebens überhaupt, sondern auf die Unversehrtheit auch des Geringsten und Unbedeutendstem was euch zugehört, ankommt) Si. Darum fürchtet euch nicht; ihr seid besser, denn viel Sperlinge [und rbnnt mit viel besserer Sorglosigkeit und Furchtlosigkeit als sie eures himmlischen Schutzherrn euch getrösten]. IS. Darum, wer sunter euch und unter allen, die. durch euer Wort an mich glauben werden, mit allem Freimuth und aller LaUterkeitJ mich bekennet vor den Menschen, den will ich bekennen vor mei- nem himmlischen Vater [am jüngsten Tage, auf das; er da ein gutes Urtheil empfahe]. 143 33. Wer mich aber verleugnet vor den Meu- schen, den will ich auch verleugnen vor meinem himmlischen Vater. — x . 34. sDaß ich aber noch einmal auf die tiefe Erregung, die durch die Predigt meines Worts in der Menschenwelt hervorgebracht werden wird Vy2 1 f., zu sprechen komme, damit ihr euch, wenn sie nun eintritt, euch nicht darüber verwundert, so merken] Ihr sollt nicht wahren, daß ich kommen sei, Friede ’zu senden auf Erden [so lange da die Menschenwelt noch in ihrem gegenwärtigen Zustande der Entfrems dung von dem Leben, das aus Gott ist, sich befindct]. Jch bin nicht kommen Friede zu senden, sondern das Schwert sdamit es erst zu einer Scheidung und Entscheidung komme, bis dann nach der Erregung und dem Streit der Friede sich einstellen kann].z . 35. Denn swie schon in Micha 7, 6 Krieg und Streit innerhalb der engsten Familieuverhälk nisse als Wehen der Tochter Zions zur Verniitte- lung des Friedensreichs geweissagt sind:] ich bin kommen, den Menschen zu erregen wider seinen Vater, und die Tochter wider ihre Mutter, und die Schnur wider ihre Schwieger [Richt. 19, 10Anm.]. 36. Und des Menschen Feinde werden seine eigenen Hausgenossen sein. 37. sDa kommt es nun darauf an, daß bei solcher Scheidung sich ein jeder recht entscheide.] Wer Vater oder Mutter mehr lieber, denn mich, der ist mein nicht werth. Und wer Sohn oder Tochter mehr liebt, denn mich, der ist mein. sdaß er mir als seinem HErrn und Meister angehöre] nicht tverth l5« Mos 33, J; Luk. 14, 26]. 38. Und lver nicht Ials ein von dieser Welt Verworfeiier und zum Tode der Aufriihrer und Enipörer Verurtheilter] fein Kreuz auf sich nimmt sum es gern und willig zu tragen] und folget mir sdem ja dieses Geschick in nicht gar ferner Zeit zuerst widerfahren wird Kuh. 16, 21 ff] reach, der ist mein nicht Werth. a f 39. Wer sin diesen todesgefährlichen Zeitläusten V. 34 ff] sein Leben findet finden: er durch Ver- lettgnung meines Namens der Gefahr fich entzieht], der lvird’s verlieren [durch Verlust der ewigen Seligkeit, die ja allein das rechte, wahre Leben ist]; und wer sein Leben verlieret um meinetwillen, der wird-s finden [Luk. 17, 33]. 40. Wer [dann ferner in dieser schweren Zeit, wo es gefährlich ist, einen Apostel auch nur zu be- herbergen Apostg 17 , 5 ff] euch aufnimmt, der nimmt mich ans; und wer mich aufnimmt, der nimmt den auf, der mich gesandt hat [Joh. is, 20.]. 41. Wer einen Propheten ausnimmt in eines Propheten Namen [»in Ryücksicht darauf, daß ex ei» Prophet istL der wird eines Propheten Lohn [deu- selben Lohn, den er, der Propheh von Gott zu ex, warten hat] empfahen. Wer einen Gerechten sder durch euer Wort an mich gläubig Und dukch de» 144 Evangelium Matthäi W, 42. II, 1—3. e Glauben an mich gerecht worden ist] aufnimmt in eines Gerechten Namen, der wird eines Gerechten Lohn empfahen. 42. Und wer dieser Geringften einen smit denen es noch nicht zum völligen Durchbruch der Gerechten gekommen, die aber doch schon an der Schwelle des Himmelreichs stehen] nur mit einem Becher kalten Wassers trcinket sihm die gerinaste Liebe nnd die unbedentendste Hilfe erzeigetJ in eines ». Jnngers Namen; wahrlich, ich sage euch, es wird ihm nicht uubelohnet bleiben [Mark. 9, 41]. Wir haben uns aller näheren Auseinaiidersetzungen über schwierige Stellen in dieser Rede enthalten, weil nicht blos die parallelen Abschnitte bei Markus und Lukas uns dazu weitere Gelegenheit bieten, sondern auch Jesu Jnftruktionsrede an die 7() Jünger in Luk. 10, 1 bis l6 und seine Weissagung von den letzten Dingen in Matth. 24 u. 25; Mark. 13 u. Luk. 21, 5 ff. vieles von dem, was wir hier hören, uns nochmals vor die Seele führen. Auch mit der Frage der Gelehrten, ob Jesus die Rede wirklich so, in der hier vorliegenden Vollstän- digkeit und in dem nämlichen Zusammenhange, gehalten, oder ob nicht der Evangelist hier verschiedene, bei an«- dern Gelegenheiten vorgekommene Redestücke erst zu die· sem Ganzen zusammengestellt habe, machen wir uns nicht viel zuschaffem wir lassen die Schrift in ihrem Zusammenhange, ohne ihre Theile auseinanderreißen zu wollen, wodurch wir nur uns selber Schaden thäten, und gedenken des Wortes Christi, das er in V. 20 zu den Jüngern spricht, so daß, wenn auch ursprünglich nicht alles genau an der nämlichen Stelle und in dem- selben Zusammenhange von ihm sollte esagt worden sein, doch für uns alles so gut ist, als hätte er’s also und nicht anders gesagt. Das 11. Kapitel. Johannis Botschaft. Christi ernstliche Drohung und freundliche Einladung. I. Und es begab sich , das Jesus solch Gebot zu seinen zwols Jungern vollendet hatte, ging er swährend sie wirklich auf den ihnen gewiesenen Weg sich begaben und ihr Werk aus: richteten Mark. 6, 12 f.; Luk. 9, 6., blos von seinen Jüngern im weiteren Sinne des Worts be- gleitet] von dauueu furbaß [Kap. 9, »27], zu lehren und zu predigen in ihren Stadien sin den Städten derer, zu welchen er seinen Weg nahm]. Nach unsrer Anstcht wendeten die Zwölse mehr östlich und hielten sich an die gewohnliche Pilgerstraße derer, die hinaus nach Jerusalem zum Osterfeft reiseten, dem Jordanthale entlang; der HErr selber dagegen zog sich mit seinem Geleit nach Westen hinüber, in die Mitte des galiläischen Landes — in Luk. 7, 11 ff., welche Ge- sehichte sich während der Abwesenheit der Zwölfe zutrug (daher sie nur von Lukas erzählt wird, der ·sie von einem der damals in· Jesu Gesellschaft Befindlichen er- fahren hat), finden wir ihn zu Nain, nicht weit vom kleinen Jermow An dieselbe Gegend (westlich vom Jor- dan) un an die nämliche Zeit fwährend der Abwesen- heit der Zwölse) müssen wir auch denken bei der sol- genden Geschichte von der Gesandtschaft des Täufers; i ange aber haben die Apostel mit ihrer Missionsreise ' nicht zugebrachy wenn auch nicht blos einen Tag, wie Wieseler annimmt, so doch keinenfalls mehrere Mo» neue, wie Krafft ausrechned Das Nähere darüber wird sich später ergeben, wenn wir die folgende Ge- schichte betrachtet haben. — II. v. 2—30. (§. 44.) von seinem Gefängniß aus sendet Johannes der Täufer, zu dem die Kunde von den Thaten des einst von ihm bezeugten iltlefsias Israel- gedruugrn, in dessen Gedankenkreis aber, weil er viel- mehr einen Tag der göttlirheu Rathe und die» Erschei- nung des Himmelreichs tu Herrlichlieit erwartet, die Werke etneo bloßen Propheten in unterschied-tosen Seg- unugeu für die Gefammtheit des volles nikht nassen, zween seiner Sänger au Iesum und begehrt Ztuffchluß über das, was ihn irrt und hört, über diese verzöge- rung der Erfüllung feiner Jtiissichtem Dei: Kuffrhluß wird ihm denn tn einer Weise zu Theil, die fein« irre- Herz zurecht zu bringen und ihn zu ftärlien vermag für die Stunde des ulärthrerthumz die nun bald ihm be— vorsieht. Damit nun aber das umftehende volle, das die Frage des Täufers gchdrt hat, nicht irre an dessen fest— herer Jeugrnfchaft werde, legt Jesus nach Jtbgaug der beiden Boten ein herrlicheg Zeugnis; über den Mann Gottes ab, indem er jedoch zugleich andeutet, weliheu untergeordneten Standpunkt auch dieser grdhte unter allen Gotteomäunern des alten» Bandes im vergleirh mit den Gliedern des neuen sundeg etnnehma Damit sstiließt sieh eine tiefe Klage über dieses gegenwärtige Geschicht, eiu lobvreifeudeg Gebet, an den Vater im Himmel ge«- ri1htet, und eine freundliche Einladung zu dem Heiland der Seelen und Herzog der Seligkeit. (kult. 7,18——35.) Evangelium am Z. Sonntage des Ade-cum) Von der ersten Zukunft Christi, feiner Ankunft im Fleische, und von feiner zweiten Zukunft, der Zukunft zum Gericht, haben die Evangelien der beiden letzten Sonntage gesprochen. Ein neuer, der dritte Sonntag des Advents hat heute begonnen, und das Geburtsfest des HErru kommt immer näher; je näher aber dieses und nach dem Gedankengang, den wir festhalten, Er selber, der Neugeborne, mit dem Reichthum feiner Seg- nungen kommt, desto mehr geziemt es sich auch des Vor- läufers zu gedenken, der vor Christo herging und ebenso ein stcheres Zeichen des vorhandenen, nahenden Christus war, wie der Morgenstern ein sicheres Zeichen der nahenden, kommenden Sonne ist. Dieses Vorläufers gedenken nun auch die Evangelien der beiden letzten , Adventssonnta e. Johannes und Jesus heute, itber8 Tage Jesus und Johannes, der Morgenstern und die- Sonne, der HErr und sein Engel erscheinen uns in diesen Evan- elien unzertrennlich. Heute sehen wir den Vorläufer hristi in seiner Schwachheit, am nächsten Sonntage, wo wir dem Feste um eine Woche näher gekommen sein werden, sehen wir ihn in seiner Stärke. Heute sehen wir ihn im Kerker und hören ihn sehnsüchtig fragen: »Bist du’s, oder nichts-»« über 8 Tage sehen wir ihn, ganz bestrahlt von unsrer Weihnachtssonne, mit dem » zuversichtlicheu Bekenntniß der Wahrheit auf de1i Lip- pen. (Löhe.) . 2. Da aber Johannes [der Täufer, der nun schon seit 10 Monaten iiberantusortet war Kap. 4, 123 14- 3 ff] im Gefangniß sauf dem Bergschlosse Machärus jenseit des todten Meeres Kap. 4, 17 Arten» darin ihm jedoch der Verkehr mit der Außenwelt ebenso gestattet war, wie später Johannis des Täufers Sendung und Frage an Jefum. 145 dem Apostel Paulus in feinem Gefängniß zu Cä- sarea und zu Rom· Apostg. 24, 23; 28, 30 f.] die Werke Chrtsti [die dieser früher schon, bald nach feiner, des Johannes, Gefangennehmung ge- than Kap. 4, 23 f., vgl. §. 28——41., und die derselbe neuerdings wieder, seit Beginn des neuen Friihjahrs, in besonders reger, durch die Mitwir- kung von 12 Aposteln verstärkter Thätigkeit voll- brachte Kap. 9, 35; Mark. 6 , 12 f., aus dem Hltunde seiner Jünger, wenn sie zu ihm kamen] horete [und so gar nicht sich darein sinden konnte, daß er, der HErr, bei solchen Werken es bewen- den ließ, ohne endlich einmal zu derjenigen Wirk- samkeit überzugehen, die er selber von ihm in Aus: ficht hatte stellen müssen Kap. 3, 12], sandte er [feiner Zweifel und Bedenken durch offenes Aus- sprecheii vor dem rechten Manne Herr zu werden 1. Mos 15, 3 u. Pf. 62, 9 Anm. und aus der Stunde der Anfechtung, die über ihn gekommen 1.·;Kön. 19, 4 Anm., sich heraus zu retten] feiner Jnnger zween shin zu Jefu], · 3. Und ließ ihm sagen: Bist du, der da kommen soll sder verheißene Mefsias oder König Jsraels Pf. 118 , 26 Anm. I. , als welchen ich dich dem Volke bereits angekiindigt habe KAP« 3- 11·J , oder sollen wir [indem dir-nur erst selber eni Vorläufer des Messias wäresi] eines andern [als des eigentlichen MessiasJ warten? [wer aber sollte das sein?] Wäre, wie man gewdhnlich annimmt, unter dem Jahrstag des Herodes in Karl. 14, 6 dessen Geburts- tag im eigentlichen Sinne zu verstehen, so ließe sich über das Datum der nachherigen Hinrichtung des Täufers, da wir jenen Geburtstag nicht kennen, gar nichts be- stimmen; es ist aber fprachlich durchaus gerechtfertigt, vielmehr den Tag des Regiernngsantritts (alfo seinen Geburtstag als Fürst, Pf. 2, 7) unter jenem Fest des Königs (Hvs. 7, 5) zu verstehen, und da wären wir in Betreff des Datums dieses Tags auf das des Todes- tags Herodis des Großen angewiesen, von welchem Tage ab ohne Zweifel dessen Söhne und Nachfolger ihre Regierung rechneten, wenn auch die Vestätigung ihrer Würde von Seiteii des römischen Kaisers erst ge- raume Zeit später erfolgte. Nun fiel der 15. Nifan oder erste Tag des Osterfestes im J. 4 n. Chr. auf den 12. April; sieben Tage zuvor ist Herodes d. Gr. ge- storben (Schluß-Vem. zum 1. Maccabäerb Nr. 11, e), d. i. am 8. Nifan oder Z. April. Dieser 8.Nisan wäre denn auch der» Jahrestag des Herodes Antipas und so- mit der inrichtung des Täufers; im J. 29 n. Chr. fiel dersel e (v l. den jüdifchen Kalender in den Schluß- bem. zum 1. accab. Nr. 4 , Zus.) auf Montag den 11. April (in der Kirche ist das Fest der Enthauptung Johannis erst ziemlich spät auf den 29. August verlegt worden und erscheint dieses Datum als durchaus will- kürlichh während der erste Ostertag (15. Nifan) sich da mit Montag dem· 18. April deckt. Gewiß ist die Ge- sandtfchaft der beiden Jünger in den letzten Lebenstageu des Johannes, jedoch auch nicht so spät geschehen, daß die Jüngey die von Machärus aus bis zu der Stelle, wo sie mit Jesu zufammentrafeii, eine Reife von min- destens 15 Meilen zu machen hatten, den Weg nicht hätten wieder bis zu ihrem Meister zurücklegen können, Däch sePs Bild-insect. ehe derselbe sein Haupt unter das Henkerbeil legen mußte; auf diesen Rückweg sind, da der G. Nifan jenes Jahres (9. April) ein Sabbath war, doch gewiß 4 volle Tage zu rechnen, und so würde sich uns als Datum der hier vorliegenden Sendung etwa Mittwoch der 3. Nisan (6. April) ergeben. Wir nehmen dabei an, daß Jesus nach der Auferweckung des Jiinlglings zu Nain (Soiin- tag den Z. April) sich an den eiden folgenden Tagen die 4 Meilen Weges bis in die Nähe von Bethseaii im Geleit des ihm nachziehenden Volkes hinüberwandte und so gewissermaßen den beiden Abgeordneten des Johan- nes, die im Jordanthal von Mittag heraufkamen und wohl unterwegs schon die ohngefähre Gegend seines damaligen Aufenthalts von etlichen der Zwölfe erfahren hatten, entge enging. Er war, als die beiden bei ihm anlangten, e en wieder mit solchen Werken befchäftigt, wie Johannes sie von ihm gehört und an denen dieser Anstoß genommen hatte (Kap. 9, 35 vgl. mit Luk. 7, 21), und hatte also der HErr dasjenige Schtvert, das den Johannes verwundet, sofort auch als Heilmittel zur Hand, um den Angefochtenen wieder gesund zu machen (V. 5). Aber wie? haben wir denn auch richtig die Frage des Täufers erklärt, wenn wir oben sie dahin aus- gelegt, daß er selber, Johannes, es ist, der eine Anwort auf diese Frage für sich bedarf nnd begehrt, weil das Glaubenslicht in ihm verdunkelt ist und er sich nicht in die Wege und Weise des HErrn Jesu finden kann? Von den Tagen der Kirchenväter an bis herein in diese unsre Zeit haben sich viele und gewichtige Stimmen für die Behauptung erhoben: es sei rein unmöglich zu den- ken, derselbe Johannes, der ein so klares Zeugniß vom Himmel über Jesum empfangen (Kap. 3, 16 f.) und ein so entschiedenes Zeugniß von ihm abgelegt (Joh. l, 29 ff.; 3, 26 ss.), sei hernachmals schwach geworden im Glauben und habe nicht mehr gewußt, was er von Jesu halten solle; derlei Gedanken sei ja auch schon dadiirch gewehrt, daß der HErr hernach (V. 7 ff.) feinem Vor- äufer ein so erhabenes Lob spendet und ausdrücklich ihm die Ehre giebt, er sei kein Rohr, das der Wind hin und her wehet. Man hat daher gemeint, nicht um feinet-, sondern um feiner Jünger willen habe Johannes die Boten an Jefum abgeorduet und nicht aus s einem, sondern aus seiner Jünger Herzen habe er die Frage an ihn gerichtet: »Bist du, der da kommen soll, oder sollen wir eines andern warten?« ·Die Schüler des Johannes, schreibt Chrysostomus zur näheren Be- gründung dieser Ansicht, waren gegen den HErrn gereizt, und sie waren eiferfüchtig gegen ihn; das ist offenbar aus dem, was sie ihrem Meister in Joh. s, 26 sagen und worüber sie sich in Kap.9, 14 beklagen. Sie wuß- ten 1ioch nicht, wer Christus war, sondern hielten Jefum für einen bloßen Menschen, den Johannes aber für mehr als einen Menfchem und konnten so nicht ertragen, daß sie Jefum von Tag zu Tage zunehmen sahen und» Jo- haiinem, wie er selbst gesagt hatte, abnehmen; und dies hinderte sie hinzugehen, indem die Eifersucht ihnen den Weg vermauerte. Solange nun Johannes mit ihnen war, ermahnte er sie fortwährend und lehrte sie; aber auch so überredete er sie nicht. Da er denn jetzt sterben sollte, bemühte er sich noch mehr; denn er fürchtete, daß er den Verdacht eines bösen Werkes hinter sich zurück- lasse, wenn sie Christo abgewendet blieben. — Es ist gewiß, sagt dann seiner Zeit auch Luther, daß Johan- nes um feiner Iünger willen fragen läßt; denn dieselbi- gen hielten Christum noch nicht für den, für den er zu halten war, warteten auf einen, der hoch einhertrabte als ein hochgelahrter oberster Priester oder mächtiger König. Da aber Jesus anhub und iiUs Geschrei kam, da dachte Johannes, er wollte seine Jünger nun wohl von sich weisen und zu Christo bringen, auf daß sie nicht N« T· I. 10 146 Evangelium Matthäi 11, s. Blum. nach seinem Tode eine Sekte aufrichteten und Johanniter würden, sondern alle an Christo hingen und Christen würden; und sendet sie hin, daß sie hinfort nicht an seinem Zeugniß allein, sondern an Christi Worten und Werken selbst erlernten, daß Er der rechte Mann wäre, davon er gesagt hatte, als wollte er sagen: da höret ihr seine Werke, wie ich nie keines gethan habe, noch Keiner vor ihm. — Johannes, der seines Amtes Zweck, dem Kommenden den Weg zu bereiten, von Anfang bis an’s Ende klar erkannt, so lesen wir neuerdings bei Stier, weiß, daß er auch noch durch Gefängniß nnd Tod solches Amt ausrichten, sleischliche Mefsiaserwar- tungen brechen und dem Einen, aus den er weiser, den Platz räumen muß; so liegt es ihm denn dringend am Herzen, vor seinem Ende, das er erwartet, alle von ihm selbst nicht zu Ueberzeugenden dem HErrn, soviel an ihm ist, zu überliefern, nnd er wählt aus der ganzen Zahl derer, denen es galt, zwei vermnthlich besondere Zweifler zu solcher entscheidenden Sendung. -— Indessen, so müs- sen wir nun unsrerseits allen diesen Ausführungen gegen- über fragen, ist das wirklich ein richtiger, haltbarer Ge- danke, der hier zum Vorschein kommt? Wir brauchen ihn nur einmal in bestimmte Worte zu fassen, um sofort das Schiefe und Ungereimte, was darin liegt, zu er- kennen. ,,Jhm selber, dem Johannes, an dessen Person die Herzen seiner Jünger mit solcher Zähigkeit hingen, hatte trotz alles Zuredens und Ueberzeugens es bisher nicht gelingen wollen, sie zum Glauben an Jesu Messi- anität zu bewegen und das Aergerniß, das sie an dem- selben nahmen, zu beseitigen; da versucht er noch Eins, das Höchste, was überhaupt in seinen Kräften steht, er verweiset sie unmittelbar an Jesum selbst, von dem er ihnen gesagt, er sei stärker, denn er, und dem er auch nicht genugsam sich erklärt hat, seine Schuhe zu tra» en (Kap. 3, 1l); der wird’s zu Sta1ide bringen, was i m selber nicht gelungen, der wird mit einer kurzen, kategorischen Erklärung alle ihre Zweifel und Be- denken zu Boden fchlageu und mit einer klaren, gewissen Antwort auf die ihm vorgelegte Frage ihre Herzen zur Entscheidung für ihn umstimmen — deß tröstet siih Jo- hannes aiigesichts des ihm nahe bevorstehenden Todes und darf nun, indem er den hier vorliegenden Weg einer Gefandschast einfchlägt, sich sagen, daß er fein Amt, Seelen für Christum zu gewinnen, bis zum letzten Hauch getreulich ausgerichtet.« Wo in aller Welt aber holt man sich Unterweisung und Ueberzengung in einer noch zweifelhaften Sache bei einem solchen, gegen den man eingenommen und niißgestimmt ist! und wie in aller Welt hätte Johannes erwarten können, seine Jtinger würden auf Jesu eigenes Zeugniß von sich selbst größeres Gewicht legen als auf dasjenige Zengniß, das er selber so oft fchon von Jesu vor ihnen abgelegt hatte! Ja, ihm, dem Meister, war dieser Jesus von Nazareth der Stärkere; aber das eben war die Sache, um die es sich hier handelte, daß die Jünger den Stärkeren iiicht an- erkennen und sich nicht unter ihn beugen wollten, sie hätten also einer Antwort Jesu auf die an ihn gerichtete Frage, wenn sie dieselbe lediglich um ihrer selbst willen gethan hätten, von Haus aus in der Weise gegenüber gestanden, wie dort (Joh. 8, 13) die Pharisäer: ,,Du zeugest von dir selbst; dein Zeugniß ist nicht wahr.« Wie Vieles ist nun aber auch im Texte selber einer solchen Auffassung, als sei die Frage: »Bist du, der da kommen soll?« nicht aus Johacinis, sondern seiner Jün- ger Herzen genommen, entgegen! Vor allem fchon dies, daß die Antwort nicht an die Jüngey sondern an Johannes sich richtet: ,,Gehet hin und saget Johanni wieder,« was ja doch unmöglich eine Spiegelfechterei sein kann; ferner aber auch, daß die Form der Frage doch so gestellt ist, daß sie nicht als der Jüngey sondern als des Meisters Frage sich giebt, und wenn man dies für eine bloße Einkleidung erklären will, so tritt man damit, während man die Gläubigkeit des Johannes zu ret- ten meint, seiner Sittlichkeit zu nahe, denn die Einkleidung schließt ja eine Verstellung in sich —Johannes hätte nur so gethan, als wäre er selber der, der noch in Ungewißheit und Zweifel wäre. Nein! Johannes hat nicht so ge- than, als wäre er der Fragende, um eine Antwort aus Jesn Munde herbeizuführen, wie seine Jünger sie bedurften, sondern er war wirklich der Fragende (vgl. Luk. 7, 20) und bedurfte für sich selbst der Ant- wort, die ihm aus Jesu Munde hernach zu Theil ward; man lasse nur endlich einmal das Vorurtheil fahren, als ob es für die perfönliche Größe des Täufers (V.7s.) ein Nachtherl und gegen dessen sonstige so hohe Erleuch- tung und gegen seine erhabene Prophetenwürde (V.9f.) ein Widerspruch sei, wenn nun auch einmal eine Stunde der Schwachheit nnd der Anfechtung über ihn gekom- men. »Welcher Heilige hat keine Anfechtung gehabt? mag das alte Testament durchgeheiy so finde ich keinen Patriarchen, keinen Propheten, keinen Abraham, keinen Moses, keinen David, der nicht angefochten ge- wesen wäre. Jch mag das neue Testament durchgehen, so ist es gleich also; die heiligen Apostel, die Mutter Gottes waren größer als der Täufer (V. 11), und doch haben sie alle ihre Anfechtungen gehabt, vor Pfingsten und nach Pfingsten. Und allein mit dem Charakter Jo- hannis sollte eine Stunde, ein Tag, eine Zeit der An- fechtung unvereinbar fein? Dem Manne, welcher die Anfechtung erduldet, ist eine Krone des Lebens verspro- chen (Jak. 1, 12): warum soll sie unter allen Heiligen allein Johannes entbehren? Jst er doch nicht besiegt worden von seiner Anfechtung, sondern im Gegentheil, er hat sich in feinem bösen Stündlein benommen, wie es ihm geziemte; sein Benehmen hat eine so nach- ahmungswyerthe Schönheih daß uns der Wunsch, Jo- hannes mochte nicht angefochten worden sein, fast schwer werden könnte (Löhe). Wir nennen nicht den Glau- ben fest, der niemals von Zweifeln heimgesucht wird — einen solchen wird. es kaum geben; sondern den, der jedes Mal über den Zweifel wieder Herr wird, und zwar anf dem rechten Wege, auf dem Wege des Glau- bens. Wie Johannes irre zu werden fürchtet in seinem bisherigen Glauben, was thut er? überläßt "er’s dem Zufall, ob feine Zweifel bleiben oder weichen? ists ihm eine gleiihgiltige Sache, ob er feinen Glauben behält oder verliert? schlägt er sich vielleicht gar zu jenen, die ihn fchon längst seines Glaubens wegen angefeindet oder verspottet hatten? Nichts von alle dem! so schnell giebt er feinen Glauben nicht auf, und an niemand anders wendet er sich als an Jesum selbst. Ein Wort nur von Jesu begehrt er, um alsbald wieder aufrecht zu stehen nnd der ganzen Welt Trotz zu bieten; der Glaube an Jesum ist stärker in ihm als ein Zweifel. (Caspari.) Wir müssen hier zugleich an die Thatsache erinnern, daß die größten Helden des alten Bandes viel kleiner waren im heiligen Dulden, als im heiligen Handeln; oft fiel das Dulden gerade den gewaltigsten Eiferern am schwerstem Man gedenke nur an die Stimmung Elias, als er sich vor der Jsebel flüchtend in den Höh- len des Berges Horeb verbarg (1. Kön. 19); auch Elias hatte damals fast gefragt: bist du es, Jehova, der da kommen soll? auch er mußte damals dnrch das stille sanfte Sausen einen Eindruck empfangen von jenem welt- überwindenden göttlichen Geiste, der sich später dem Täufer in dem Lamme Gottes kund gab. Es liegt dies in der Natur des alten Bandes: der Prophet als Ver« treter des Gesetzes ist ein gesteigerter Moses, er kann blitzen, donuern, Feuer vom Himmel fallen lassen; der Prophet als ein Verklindigerdes Evangeliums ist iiur Ueber Ursach und Art der Anfechtung Johannis des Täufers. 147 ein Vorläuser Christi, also erst ein werdender Christ, was die neutestamentliche Macht des Duldens anlangt, und besonders auch in diesem Sinne ist der Kleiuste im Himmelreich größer als er. (P.Lange.) Gehen wir nun auf den eigentlichen Seelenzustand des Täufers, der ihm zur Abordnung der beiden Jünger an Jesum veran- laßte und damit ziigleich auf den Sinn seiner Frage: Bist du, der da kommen soll, oder sollen wir eines andern warten? näher ein, so wollen wir uns mit der Widerlegung der Ansichten derer nicht laiige aufhalten, welche entweder behaupten, Johannes sei in der That an der selbsteigene1i nnd ganzen Messianität Jesu zwei- felhaft geworden, oder aber vorgeben, es habe ihn in seinem Kerker die Ungeduld übermannt, er habe nicht begreifen können, daß der HErr, welcher sich immer mehr als einen so großen Wunderthäter vor Gott und Menschen beweise, so gar nichts thue, ihn ans seinen Banden zu erledigen: g7egen jene Ansicht entscheidet schon das Wort Jefu in V. , gegen diese das Wort in V. 8. Das Richtige läßt sich kaum treffender und kürzer an- geben, als neuerdings von Nebe geschehen ist: »Jo- hanues der Täufer steht noch in dem allgemeinen Glauben an die Messianität des HErrn, kann sich aber nicht in ein besonderes Verhalten des noch geglaub- ten Messias zurecht finden« Das ganze geistige Leben des Täufers, dies habenfwir rechtf fest in’s Auge zu fassen, bewegte sich un: die prophetische Weissaguug m Mal. B, 1——4; diese Stelle bildete sozusagen das Cen- trum seiner Christologie, sie war der Grund und Boden, auf welchem seine messianischen Erwartungen sich er- bauten, nnd gab ihm die Züge her zu dem Messiasbild, das er in seinem Herzen trug. Darnach nun erwartete er von dem Heilande Gnade und Gericht zu gleicher Zeit; er setzte voraus, daß der HErr, indem er erschie- nen sei, sein Reich aufzurichten, vor allen Dingen seine Tenne fegen (Kap. Z, U) und alle Aergernisse aus Jsrael abthnn (Kap. is, 41), daß er eine Ausscheidung der gottlosen und verderbten Masse vornehmen, diese im Feuer seines Zornes verbrennen, sich so erst einen reinen Acker schaffen und nun iu den gereinigten Boden seinen guten Samen ausstreuen werde, um an den Ueberge- bliebene1i, an denen, die ans dem Untergang der alten Welt behalten, aus Gericht und Verderben errettet wer- den würden, Gottes Heilsrathschlüsse sofort zu verwirk- lichen nnd sie in das Reich der Herrlichkeit noch hier auf Erden einzuführen. Der erste Advent des HErrn und seine letzte Zukunft schoben also in dem Vorstellungs- kreise des Johannes sich so eng zusammen, daß ein Unter- schied der Zeit zwischen beiden Adventen keinen Raum hatte; Christi Ankunft in’s Fleisch zur Erlösung der Welt und Christi Ankunft zum Gericht über die, welche sich nicht retten lassen wollen, sondern dem Verderben preis- Ygeben werden müssen, machten in der Messiasidee des änfers nur eine einzige Erscheinung aus, er erwartete beides zu gleicher Zeit, erwartete die Vollendung des Himmelreichs von dem im Fleisch erschienenen Sohne Gottes noch zu dieser seiner Zeit. Freilich findet sich in Johannis Munde auch das überaus tiefe und über- aus köstliche Wort (Joh. 1, 29): ,,Siehe, das ist Gottes Lamm, welches der Welt Sünde trägt;« aber schon der Umstand, daß bei den drei erste1i Evangelisten nichts davon steht, sondern nur der für ein solches Wort be-· sonders empfängliche vierte Evangelist dasselbe uns auf- bewahrt hat, machen es mehr als wahrscheinlich, daß der Täufer dies Wort in einem exstatischen Zustande geredet, daß er es in einer Stunde empfangen hat, wo er über siih selbst hinausgeriickt und durch außerordent- liche göttliche Erleuchtung ein Größerer war, als der er seinem wirklich entwickelten und ihm selbst bewußten Glauben nach eigentlich ist. Sagt doch der HErr her- nach ausdrücklich in«Beziehung auf ihn: »der aber der Kleinste ist im Himmelreich, ist größer, denn er;« es muß also bei jenem Ausspruch, welcher schon alle Weis- heit derer, die deni Himmelreich angehören, in sich schließt (l. Col: Z, 2), nicht sowohl Er selbst, dieser noch der vorchristlichen Zeit angehörende Johannes, als vielmehr der Geist, der über ihn gekommen, geredet haben. Ver- hielt es sich nun also mit dem persönlichen Glaubens- standpunkte des Täufers, daß er den Advent in Niedrig- keit und den Advent in Herrlichkeit nicht auseinander zu halten vermochte, daß er die jetzige Zeit der Erschei- nung des HErrn schon für denjenigen Tag ansah, von dem in Mal. 4, l f. die Rede ist, und den Aufgang der Sonne der Gerechtigkeit sich nicht anders denken konnte als einen Aufgang nach deni Morgenroth eines vorausgehenden Zornesfeuers (rvie man denn auch das Wort in Kap. 3, 11: »der wird euch mit dem heil. Geist und mit Feuer taufen«, meistentheils dahin versteht, daß der kommende Messias, während er auf die einen seinen heiligen Geist ausgieße, auf die andern werde das Feuer des Gerichts herabfallen lassen), dann begreifen wir wohl, wie gerade die Werke Christi, von denen er hörte, ihm die Veranlassung geben konnten zu seiner Frage: »Bist du, der da konimen soll?« Es schien ihm, als ob Christus mit seinen Werken den guten Samen geradezu unter die Dornen säe; dies Spenden der herr- lichste1i Segnungeu göttlicher Gnade und Barmherzigkeit an die große unterschiedslose Masse, als welche er das Volk Jsrael noch immer betrachtete, kam ihm nicht als zeitgemäß vor. Mit seiner Bußpredigt und Taufe habe er, so mochte er denken, einen scharfbegrenzten Uebergang Einzelner ans der, Böse nnd Gute in sich beschließenden Welt in das Reich des kommenden Messias vorbereitet und angebahnt; da komme es nun darauf an, auf die- sem Grunde fortzubauen, die Scheidung noch viel ener- gischer durchzuführen und ein festgeschlossenes Reich der wahrhaften Kinder Abrahams aufzurichteih mit andern Worten, die mit dem Gericht über die ungläubige Welt Hand in Hand gehende Verklärung der Gemeinde zu vollziehen und so die Weissagung der Propheten in ihren Grundzügen zu verwirklichen. Statt dessen, so redete er sich weiter ein, lasse Jesus den bereits angefangenen Bau des Himmelreichs wieder zerfallen, ziehe in formloser Wirksamkeit im Lande umher und bringe es noch immer zu keinem sichtlichen Resultat; nnd wenn er auch für sein Theil gern darauf verzichte, seiner Bande ledig und seines Lebens wieder mächtig zu werden, so sei doch gerade s eine Lage ein handgreiflicher Beweis, wie die Gottlosigkeit immer mächtiger ihr Haupt erhebe und das Reich der Finsterniß eine immer drohendere Gestalt an- nehme, indem er nun einen ganzen, öden Winter lang in seiner einsamen Bergfeste habe nnthätig hinbringen müssen, während Herodes Antipas in seinem Schlosse zu Livias fchwelge iind gar nicht daran denke, seinem ehebrecherischen Verhältniß mit Herodias zu entsagen, diese vielmehr dem Prediger der Gerechtigkeit nach der Seele stehe und nicht eher ruhen werde, bis sie Rache an ihm genommen. Ein solches stilles Zusehen, meint Johannes, ein solches Wirken in beschränkten Kreisen, wie Jesus es fort und fort übe, wenn auch auf der einen Seite so herrlich, als sollten alle Wunder der Vor- zeit nun wieder lebendig, ja durch den Glanz der Neu- zeit weit überstrahlt werden, doch auf der andern Seite der gottlosen Welt gegenüber so unscheinbar und macht- los, als sollte diese das Privilegium behalten, die Knechte Gottes zu verfolgen, die Gemeinde des HErrn zu unter- driicken und ihr eigen Thun und Treiben einzurichten, wie es ihr selber gefällt, mache nicht den Eindruck, als sei das Himmelreich nun wirklich da, wie er dies ja als nahe bevorsteheud verkiindigt habe (Kap. Z, 2); er müsse da 104 148 Evangelium Matthäi 11, 4—10. sich porkommem wie einer, der die "Leute übel berichtet, der m einem Jrrthum befangen gewesen, wenn er sich fiir den Abschluß der Wartezeit gehalten habe,. für den Morgenstern, der» der aufgehenden Sonne voranleuchtr. Aber vielleicht ware es ja also, daß er wirklich iii einem Jrrthum befangen gewesen; vielletchtnvolle der HErr er·st selber noch ei»n Vorlciufer Christi sei1i und die Warte- zeit bis dahin»fuhre·n, wo der Mefsias nun wirklich kommen und sein Reich offenbaren werde »— wer aber sollte dann der andere Christus, wer der erst noch kom- 1nende Messias sein, wenn Er, der HErtx nicht Christus selber Ware? Seine Seele komme mit ihren Gedanken da an bei lauter Finsternis; und unlösbaren Räthselty die um so grauennoller ihni entgegenstarreten, je größer die Herrlichkeitz die ihni an Jesn offenbar geworden (.Kap. Z, l6f·.; Joh. 1, 30·ff.): wahrlich, wäre Ei· es nicht, der Heilandund Seligmacher Jsraels, der Brin- ger des Himmelreichs iind Erfüller aller Weissagungen der Propheten, dann serüberhaupt hinter allen Hoff- nungen Jsraels und hinter allen Weissagungeii der Propheten ein —- schreckliches Nichts 4. Jesus [der zu derselbigen Stunde, ivo die beiden Johannisjünger bei ihm ankamen und den Auftrag ihres Nieisters ausrichteten, viele ge- fund machte von Seuchen und Plagen und bösen Geistern, nnd vielen Blinden das Gesicht schenkte Luk. 7, 2»1] antwortete und sprach zu ihnen: Gehet hin nnd »saget Johanm wieder, was ihr sehet Und horet lindem ihr ihm ein treues und anschauliches Bild meiner Thätigkeit in Wort und Werk, die ich hier vor euch entsalte, hinter- bringet]; « 5. FUÄd fasset da alles zuletzt in eine Haupt- summa mit den Worten, auf welche mir viel an- kqmmh zusammen-J Die Blinden» sehen, und die Lahmen gehen; die Lliissatzigen werden rein, und die Tauben horenz ie Todten stehen auf, und den Armen wird das Evan- gelium geprediget ses vollzieht sich also in buch- stäblicher Erfiillung, was die Propheten von den Tagen dessen, der da kommen soll, geweissagt haben Jes. 35, Z; 61, 1; Hesek. 36, 293 37, 5]. » 6. Und [darnach füget aus meinem Munde die. freundliche Warnung Joh. F, »14 f. hiuzuzj selig ist, der sieh nicht an mir argert seiner eingeheiideren Antwort auf die an mich gerichtete Frage aber bedarf es nicht; euer Meister wird sich mit seinen Gedanken nun schon zurecht sinden]. Wir·haben·iii Kap. 9, 27 ff. gesehen, wie Jesus auf alle Weise es jetzt noch vermied, daß er als Mesfias, »als David’s Sohn und als der, der da kommen sollte, im Volke ausgerufen würde; die Zeit dafür war erst in Kap. U, 1·ff. erfüllen Nun hatte Johannes mit seiner Frage ihn in eine Lage gebracht, wo er sich selber in Gegenwart des Volkes dafür hätte erklären müssen, wenn er kurz und rund, unmittelbar und nnverhüllt hätte antworten wollen. Aber ,,Jesus läßt sich nicht fangen, aiich nicht von Johannes« und mit der höchsten Weis- heit verbindet iiim seine mittelbare und verdeckte Ant- wort zugleich die höchste Kraft; sie fügt dem Mesfias- bild, das Johannes a·uf Grund der Stelle Mal. 3, 1sf. sich entworfen, denjenigen Zug ein, an welchem es dem- selben wesentlich noch fehlt, iind leitet deii Frager an, seinen Jrrthnm, da er die erste und letzte Zukunft Christi nicht aiiseiiiandergehalteiy sondern gleich mit dem ersteii Advent das Gericht über die ungläubige Welt und die Erscheinung des Reiches Gottes in Herrlichkeit verbunden hat, zu berichtigen. Die Worte, die er da den Jüngern austrägt, sind Zusammenfassungen aus prophetischen Stellen, aus denen auch die jüdische Synagoge das Bild der mesfianifchen Thätigkeitdes erwarteten Davidssohnes zu zeichnen pflegte; ja diese nannte nach Pf. 72, 17 den Messias geradezu Jinnon (d. i. der da Sprossen bekommt), weil er die Schläfer des Staubes auferwek- keii werde. ,,Johanues hat die Wirksamkeit des HErru auf Gruiid alttestamentlicher Aussagen als die richtige angezweifelt; er hat sich dieselbe mehr so gedacht, wie sie sich aus Jes. 85, 4 ergiebt: ,,Sagt den verzagten Herzen, seid getrost iind fürchtet euch nicht; sehet, euer Gott der kommt zur Rache; Gott, der da vergilt, kommt und wird euch helfenl« oder aus Jes. 61·, Z: »zu predigen einen Tag der Rache unsers Gottes« Er hat die eine Seite der alttestamentlichen Weissagungen hauptsächlich betrachtet, und darüber Verabsäumt, die andere Seite, welche dicht daneben steht, mit in Rech- nung zu ziehen; da ruft ihm denn der HErr die Stel- len Jes. 35, 5 f.; ,,Alsdann werden der Blinden Augen aiisgethan werden, und der Tauben Ohren werden ge- öffnet werden; alsdann werden die Lahmen hüpfen wie ein Hirsch, und der Stummen Zunge wird Lob sagen«, und Jes. 61, 1 »Der Geist des HErrnaHErru ist über mir, darum hat mich der HErr gesalbet; er hat mich gesandt, den Elenden zu predigen, zu predigen ein gnä- diges Jahr des HErrn,« nebst andern ähnlichen in’s Gedächtniß Aus dieser, so bestimmt im Großen iind Ganzen an die alttestamentliche Verheißung sich an- knüpfenden Schilderung der inesfianischen Thätigkeit des HErrii sollte denn der Täufer inne werden, daß diese Art und Weise des Wirkens von dem HCrrn nicht eigen- mächtig gewählt, sondern im Gehorsam gegen Gottes Wort und Willen eingehalten sei. Wenn nun gleich nicht zu leugnen, daß die angeführten jefaianifchen Stel- len nicht von leiblich Blinden, Tauben, Stummen u. s. w. reden, sondern, daß dort geistliche Beschaffeuheiten und Zustände unter diesen leiblicheii Bildern dargestellt wer- den, so gehörte ja zu der vollen Erfüllung der prophe- tischen Weifsagung nothwendig solch eine Uebersetzung aus dem Geistlichen in’s Leibliche, aus deni Jdealeii inss Male, wie Christus sie damals in seinen Wunder- zeichen bollbrachtez denn Er, der wahrhaftig Mensch ge- worden, ist des gaiizen Menschen HErr und Heiland. (Nebe.) Christi Wort an Johannes sagte diesem, wenn auch in verhüllten doch in genugsam verständlicher Rede: »Ich bin, der da kommen soll, und ihr braucht auf keinen andern mehr zu warten; meine iinoergleichlichen Wun- der sowohl, als der Jnhalt meiner Verkündigung, meine Macht über alles Leibliche, wie meine Herrschaft über die Geister, sind die schlagenden Beweise meiner Gott- heit und meines bevorstehenden Erlöfungswerks Kein Blinder kann sich selbst sehend, kein Anssätziger sich rein, kein Tauber sich hörend, kein Todter sich lebendig machen, es kann aiich kein Mensch den andern erlösen, noch Gott jemand versöhnen, er muß es lassen aiiftehen ewiglich. Wer daher Licht, Gerechtigkeit, Vergebung, Leben und Frieden mit Gott giebt, der ist der Heiland; und wer sie empfangen und erfahren hat, der ist ein lebendiger Beweis, daß zu ihm gekommen ist, der da kommen soll, und er keines andern mehr zu warten braucht. (Fr.Arndt.) Johannes hatte anch an der Antwort des HErrn gei- nug;· denn er leibte und lebte in der heil. Schrift und sah jetzt durch das Wort der Propheten, und gerade durch das Wort desjenigen Propheten, in welchem er die Weifsaguiig von sich selbst fand als der Stimme Des HErrn Antwort an Johannes. eines Predigers in der Wüste (Jes.40, Z; Joh. 1»,·23), den Fels des Aergernisses aus dem Wege geraumt. Der HErr weiß aber, wie zähe des Menschen Sinn an seinengsinbgdugiggnsgng vårgefaßtfen MeinungeLnvbhält er wei au , a i er an er o ganz ini ei un Seele in diese einsekitilge Aizsclgauungk von derLFhätigkeit des Messias versent at a ein räftiges ort, eine ernste Warnung ganz ani rechten Orte ist. Er sagt des- lBlMdJInd hseligsgh der sgch rgchtfandmik clktrgkisärgA ar as frü ere on eine em äu er euti e e e, so mußte dieses Wort noch die letzten Schatten vertrei- ben: wenn der HErr denjenigen selig preist, welcher sich iiicht an ihm ärgert, so behauptet er sich zugleich als denjenigen, in welchem die· Seligkeit znjuchen undszzu Lindensiftkz (Nek:e.s NdattFrlK tgractlyten giesiJitZger KE- anni irem e rer iee n or un e ar o - genügend für den ehrlichen Mann«der Wahrheit, sein Aergerniß war gehoben, er verleugnete sich selbst und seine selbst· emachten Meinungen von Jesu Auftreten und Verfa ren, er fühlte von Neuem wieder Find This an sein Ende die Seligkeit eines Menfchen, er en wahren Helfer und Erlöser gefunden hat; die wenigen Tage, welche ihm hienieden noch beschieden waren, waren ein stehender, feierlicher, stiller Advent der Ewigkeit, wo er schauen sollte, was er hienieden» glaubte, ohne es »zu sehen. (Fr. ArndtJ Wir wissen nicht, ob auch der Jun- ger Johannis etliche, namentlich die zwei, die er damals an Jesum abordnete, sich hernach gläubig an Jesum aiigeschlossen; aber das konnen wir sagen, es war dies die einzige Möglichkeit, auch sie von ihrem Unglauben zu heilen, wenn sie ihren Meister selbst zum Schüler Jesu werden, wenn sie ihn durch fein Wort getröstet und von der Anfechtung also aufgerichtet sahen, daß er nun sein Haupt willig und frohlich unter das Schwert des von Herodes abgesendeten Henkers begab. Vielleicht hatte Gott, der HErr, absichtlich die Stunde der An- fechtung über Johannes kommen lassen; als Meister ver- mochte er es nicht, feine Jünger ·Jes1i zuzuführen, so sollte er noch als einer Jhresgleichem als einer, der selber dahin gekommen, daß er allerlei wid er Jesum hatte, ihnen vorangehen aikffdkm Wege, Hwo man,d nachgem man die ganze Trost oig eit eines erzens, as o ne Jesum ist, durchgekoftetz endlich den Frieden sehmeekh der in ihm ist. Den ungläubigen Juden ist die Johan- nisfrage in ihrer ersten Hälfte: »Pist«du, der da kom- men soll?« eine Frage der Verneinuiig geworden, und auf die andere Hälfte haben sie fich sel ft ein Ja zur Antwort gegeben: Ja, wir müssen eines andern warten; zur Strafe dafür haben sie nun auch Johaniiis Unruhe , und Friedelofigkeit zu ihrem Erbe bekommen. 7. Da die ldes Johannes zween Jünger] hingingen sthrem Meister die erhaltene Antwort zu hinterbriiigenL sing Jesus an zu reden zu dem [umstehenden] Volk ldas Ohrenzeuge der eben stattgefundenen Verhandlung gewesen] von Johanna-« Was seid ihr [damals, als ihr in ganzen Schaaren nach dem Jordan strömtet Kap. s, 5] hinaus gegangen in die sdaselbst befind- IicheJ Wüste [Kap« Z- 1 Arm. Z] zu sehen? wolltet ihr [an dem Manne, den ihr dort auf-» sUchtetJ ein Rohr« sehen, das sweil es kein« Mark und keine Kraft zum Widerstande hat wie ein Baum] der Wind hin und her webet [be- weget Jak. I, 6]? 8. Oder sda ihr um eines characterlosen, von jedem äußerlichen Einfluß abhängigen Mannes 149 willen, auf den kein Verlaß ist Jef. 36, 6; Hesek. 29, 6., doch gewiß den Weg nach der Wüste nicht gemacht habt] was seid ihr hinausgegangen zu sehen? wolltet ihr einen Menschen in weichen Kleidern ldein nian’s gleich von außen anmerkt, daß er ein bequemes üppiges Leben liebt] sehen? Siehe, die da weiche Kleider tragen sind in der Könige Häusern [wenn man aber nach der Wüste gehet, so ist’s einem um einen Mann in einem Kleide von Kameelhaaren und mit einem ledernen Gürtel um seine Lenden Kap. s, 4 zu thun]. 9. Oder [ich frage euch zum dritten Mal, iim es euch recht zum Bewußtsein zu bringen, was ihr vormals in Johannes gesucht und wofür ihr ihn auch erkannt habt] was seid ihr hinaus- gegangen zu sehen? wolltet ihr einen Pro- pheten [von der Art derer, die in den Tagen der Väter aufgetreten Luk. 20, 6] sehen? Ia, ich sage euch [das ist Johannes gewesen iin ganzen, vollen Sinne des Worts Luk. 1, 76 f.], der auch srücksichtlich der Zeit, in der er aufgetreten, und rücksichtltch der Botschafh die er ausznrichten hatte] mehr ist, denn-in sprophet svon der früheren Art, so daß er nicht blos ein Prophet schlechthim sondern selbst ein Gegenstand der Prophezeiung und ein Gegenstand des Wartens in Israel seit Jahr: hunderten gewefen]. 10. Denn dieser ist’s, von dem [bei dem letzten von jenen alten Propheten, Mal. 3, I] geschrieben stehet: Siehe, ich sder HErrJ sende meinen Engel soder Boten] vor dir [dem kommenden MessiasJ her, der deinen Weg swenn nun die Zeit da ist, daß du erscheinen sollst] vor dir bereiten soll« [auf daß du Zugang zu den Herzen findest und sie im Glauben dich auf- nehmen]. V) Das Volk hatte zugehört, als Johannis Jünger im Namen ihres Meisters die Frage anfechtender Zweifel dem HErrn vorlegten, und hatte die Antwort Jesu ver- nommen; in der letzteren aber lag neben aller Ermun- teruiig etwas Tadelndes, wie fast immer, wenn Gott seine Heiligen ermuntert, Demüthigung beigemischt ist. Und die Frage selbst war ja von der Art, daß sie einen üblen Schein auf Johannes bringen konnte, wenn man nicht des Täufers Seelenzustand würdigen und die hei- lige, wahrhaftige, gerade Einfalt seines Venehmens ver- stehen konnte. Das Volk konnte Anlaß nehmen, von Johannes geringer als bisher zu denken; der ganze Vor- fall konnte dazu beitragen, Iohannem so in Schatten zu stellen, daß auch seine Liebe zu dem HErrn und sein Gehorsam gegen ihn verdunkelt worden wäre. Das wollte Jesus nicht; er liebte und ehrte den frommen Boten, den er vor sich hergesendet hatte, und hielt ihm deshalb eine wunderschöne Vertheidigungsrede. (Löhe.) Die himmlische Weisheit trifft für jedes ihrer Worte " und Werke die rechte Zeit, und sie lobet mit Vorsicht und weiser Sparsamkeit, selten so, daß der Gelobte es hier inne wird. Das Urtheil des HErrn über Johannes hätte den Jüngern desselben bei ihrer damaligen Ge- nittthsstimmnng nachtheilig werden können, und ihm 150 selbst mochte es auch besser sein, daß es ihm hienieden verborgen blieb. (Menken.) Die Welt lobt in’s Angesicht, hinter dem Rücken tadelt sie: die göttliche Wahrheit inacht es umgekehrt. (Bengel.) Jesus war durch die Frage des ehrlichen Johannes nicht im mindesten be- leidigt worden; er vertheidigt ihn vielmehr. (Heubner.) Der HErr eilte, das Ansehen des Täufers, welches dieser mit seiner Sendung selbst erschüttert hatte, durch sein Lob wieder herzustellen. (P. Lange) Es ist kein ge- wöhnliches Wort, es ist eine gewaltige Rede aus beweg- tem Herzen, zu welcher der HErr jetzt seinen Mund öffnet; und wenn die Evangeliften solch ein Wort be— richten, bedienen sie sich gern der umständlichen Rede- weise, wie hier (vgl. V. 20; 4, 17; 5, 2): ,,Jesus sing an zu reden.« (Nebe.) V) Das Volk, damit es nicht an dem Täufer und hierdurch mittelbar an ihm selbst irre werden möchte, erinnert Jesus vor allem an den Eindruck, den Johan- nes zur Zeit seines prophetischen Wirkens aus sie ge- macht: wahrlich nicht ein Rohr, gleich den anderen Rohren der Wüste zu sehen, noch einen Menschen in weichen Kleidern, seien sie hinansgeftrömt, sondern in der Gewißheit, einen gottgefandten Propheten zu hören. (Ebrard.) Mit dem ersten Bilde verneint Jesus, daß Johannes ein im Glauben schwankender Mensch sei, mit dem zweiten, daß er aus Weichlichkeit, selbstsüchtigem Jiiteresse, feiger Liebe zum Leben ihn mit seiner Bot- schaft gedrängt habe; beide Bilder aber berufen sich darauf, daß seine Zuhörer den Johannes schon von früher her als einen ganz andern Mann kennen, dieses Gefühl der Ehrfurcht will er in ihnen auffrischen. (P. Lange.) Jesus kannte den Johannes besser, als dieser sich selbst. (Heubner.) Der HErr erinnert das Volk an die Zeit, wo Jahannes noch in der Wüste war und predigte, wo sie hinausgeströint waren zu ihm. »Was seid ihr hinausgegangen in die Wüste zu sehen? wolltet ihr ein Rohr sehen, das der Wind hin und her wehet?« So fragt er —- und seine Frage, die Art, wie er sie sprach, ohne Zweifel auch die Geberde, welche er dabei annahm, waren so , daß eine Antwort über- flüssig war. Ein jeder merkte wohl, daß nach dem Sinne Jesu ein vom Wind bewegtes Rohr das Gleich- niß nicht war, das auf Johannes paßte. So hatten sie auch von Johannes nicht gedacht; etwas der Art konnte allenfalls eben erst in den Seelen derjenigen sich geregt haben, welche die Frage der Jünger des Täufers ver- nommen hatten. Ein Rohr, nein, das war auch Johannes nicht; der Wind hatte keine Macht über ihn. Wohl ging ein starker Wind, wohl stand Johannes in inneren Stürmen der Anfechtung; aber des Windes Wehen riß ihn nicht auf eine andere Seite, als zuvor, vielmehr neigte er sich desto ernstlicher zu Jesu, sandte, da er selbst nicht gehen durfte, seine Jünger zu Jesu, und das Auge und Ohr seiner Seele hing ganz an Jesu Munde. Gerade das Benehmen Johannis in seiner Anfechtung bewies, daß er kein Rohr war, sondern daß Treue und Beständikeit gegenüber Jesu die Tugenden waren, welche siegreich aus dem Kampfe gingen. Wohl dem, den alle seine Anfechtungen Jesu näher bringen, der sich allezeit festhält an ihm! Ja, wohl dem! Dem dient Wind und Sturm wider Willen z1ir Fahrt, der ist ein Beweis, daß alle Dinge denen zum Besten die- nen müssen, die ihn lieben. —- ,,Jesu treu,« das war des Täufers erstes. Lob aus des HErrn Munde; und ,,unbestechlich rechtschaffen und wahrhaftig ,« das ist sein zweites Lob. Darum fragt der HErrx ,,Oder was seid ihr hinausgegangen zu sehen? wolltet ihr einen Men- schen in weichen Kleidern sehen? Siehe, die da weiche Kleider tragen, sind in der Könige Häusern.« Durch diese Rede trat des Täufers unbestechliche Wahrhaftigkeit Evangelium Matthäi 11, 1 1 —- 15. in helles Licht: jedermann wußte, daß er nicht i1i Hero- dis Haus, sondern in Herodis Kerker war; jedermann wußte auch, warum , daß es um der Wahrheit willen war; jedermann wußte, daß es hätte anders sein kön- nen, daß Johannes ganz wohl in des Königs Haus hätte kommen können. Es war nicht Ungeschick, nicht Rohheit, was ihm den Mund gegen den König aufge- than hatte. Er war eines Priesters Sohn, des Geistes Zögling von Jugend auf: wer will dem ein edles, ehr- surchtgebietendes Benehmen auch vor Königen abspre- chen? Herodes hörte ihn gern, hatte ihn lieb; er hätte Einfluß bekommen, groß werden können am Hofe, wenn er dazu nicht zu groß gewesen wäre, wenn es für ihn eine Stelle an diesem Hofe gegeben hätte, eine Stelle, seiner Werth, wenn er nicht zu untadelig und unnahbar gewesen, zu vollkommen, zu gerecht iind zu bescheiden die Wahrheit gesprochen und damit zu tief in Herzen und Gewissen gesprochen hätte. Er ging drum nicht in des Königs Haus, sondern wie es sein muß, wenn die Bosheit und das Laster herrscht, er ging in des Königs Kerker, wie andere Propheten vor ihm, und der Kerker an sich focht ihn nicht an. Er dachte nur, nun sollte Jesus steigen; wenn er abnähme , müßte Jesus zuneh- wen, das war der Gedanke, der ihn durchdrang und der ihm zur Anfechtung gedieh. Wenn man sich’s denkt: Johannes m weichen Kleidern! — gewiß, das paßte nicht; darum aber könnte man meinen, es wäre die Be- merkung, daß Johannes kein Mann in weichen Kleidern, überflüssig gewesen. Man könnte sagen: wer im Winde kein Rohr ist,»der wird auch nicht durch der Könige Gunst und weicheKleider verderbt Man könnte es sagen; aber· es ist besser, man sagt’s nicht, sondern schlägt an seine Brust, denn es ist doch nicht wahr. Der Umgang»d»er»Hoheii, die weichen Kleider, der Sonnen- schein koniglicher Gunst hat mehr als einen, der im Sturme fest stand, innerlich weichlich gemacht, entnervt, getodtet für Gottes Reich; und es ist drum gerade das Lob , welches aus das Gleichniß vom Wind und Rohr kommen muß, daß Johannis kein Mann in weichen Kleidern ist, sondern ein Prophet im Kerker. — Ja, ein Prophet ist er; denn Gott» hat ihn auserwählt, von Mutterleib an ausgerüstet, ihm einen Auftrag gegeben zu weissagen von dein, der da kommen soll, ihn Gesichte sehen lassen, wie keinen Propheten, ihn Thaten thun lassen wie keinen ,- denn dieser hat Gott im Fleisch ge- sehen und den Menschgewordenen getauft. Er ist ein Prophe»t, es ist wahr; aber ein besonderer, ein Prophet, dem sein Stuhl allein gesetzt werden muß, denn sein Prophetenamt hat· sich in das Amt eines Engels auf- gelost. » Drum bleibt auch Christus nicht bei dem Pro- phetentitel Johannis stehen, sondern er eilt weiter und nennt ihn Engel, sein en Engel. »Was seid ihr hin- ausgegangen zu sehen? spriiht er: wolltet ihr einen Propheten sehen?« u. s. w. Es hat viele Propheten gegebennm alten und neuen Bunde, aber Engel des HErriiist keiner als Johannes; schon Maleachi hat ihn im Geist einen Engel, genannt, und der HEXE, vor dem er herging, bestätigt ihm diese Würde. Johannes war ein Engel, nicht von Natur, sonderndem Dienste nach: wie die EngeldesvHErrn Boten stnd, so war es auch Johannes; wie die Engel vor dem HErrn stehen, so stand Johannes vor dem HErrn und ging in seiner nächsten Nähe; wie die Engel des HErrn Geburt ver- kündigten, so verkündigte Johannes sein Kommen; wie die Engel unmittelbar dem HErrn dienen, so diente er ihm selber, unmittelbar, denn er ta1iste ihn; wie die Engel auf Erden ihr Gefihäft verrichten uud von der Erde nichts begehren, so that der Engel Johannes seines Berufes Geschäftydaiin eilte er von hinnen zur ewigen Stadt. Er lief seinem HErrn voran in der Geburt, im Des HErru Rede ans, Volk über Johannes. 151 Lehr- und Prophetenamh in der Schmach und im Tode, ja endlich auch in dem Hingang zum Vater. (Löhe.) Zum Ersten lobt der HErr Christus den Johannes wegen der Vestiindigkeit, und trifft damit der Juden unbeftiindige Meinung, als wollte er sagen: Ihr seid wohl am ersten zugelaufen und habt wollen hören, was da Neues wäre , und habt ihn angesehen, wie die Kuh ein neu Thor ansiehet, fragt nicht viel darnach, wer er sei und was er predigt; denn jetzt, nun er im Gefäng- niß liegt, meint ihr, es sei nun mitsseinem Amt und Predigt aus und sei noch nirgend kein Christus kommen, davon er gesagt habe. Zum Andern lobt er ihn wegen der Härti keit der Kleider, als wollt er sagen: Johannes is nicht ein solcher Hofpredigey der von zeit- lichem, weltlichem Reich, Gütern, Ehre, Gewalt und guten Tagen predige oder einen Christum zeige, der solches bringe, sondern ist hart und rauh bekleidet und führt eine harte, scharfe Predigt, darob man leiden muß, nicht Wollust und sanft Leben davon zu gewarten ist; darum ist er auch nicht ein Prediger für die, die wohl das Evangelium würden annehmen, wo sie es genießen könnten und ihnen gäbe, daß sie reich davon würden, aber daß sie sollten mit einem Pfennig ihre Dankbarkeit gegen das Evangelium erzeigen, da kann sie niemand dazu bringen. Zum Dritten lobt er ihn wegen der Würdigkeit seines Amts, daß er nicht allein ein Prophet sei, sondern mehr denn ein Propbet, als wollt er sagen: eure fliegenden, webenden (hin und her sich bewegenden l. Mos. l, 20) Gedanken halten ihn für einen Provheten, der von dem zukünftigen Christo und von zukünftigen Dingen weissage, wie die an- dern Propheten gethan haben, damit ihr abermal eure Gedanken hinausgehen lasset auf eine andere Zeit, da- rin ihr Christi wartet gegen das Zeugniß Johannis, daß ihr mich ja nicht annehmet; aber ich sage euch, eure Gedanken sind falsch, denn er ist nicht ein Propheh sondern ein Engel, d. i. ein mündlichersh Bote (Hagg. I, II; Mal. 2 , 7; Luk. 9 , 5«2), und nicht allein ein Bote, daß er gesandt würde von dem Herrn, der daheim bleibt, sondern der vor dem Angesicht seines Herrn her- lauft und bringt den Herrn mit sich, daß es Eine Zeit ist, die Zeit des Boten und des Herrn. Denn gleichwie er wehrt, daß ihr nicht wartet auf einen Andern (V.7), auch nicht auf eine andere Geberde und Form, denn die ich habe (V. 8), also wehrt er auch, daß ihr auf keine andere Zeit wartet, sondern sein Zeugniß trifft diese Person, diese Geberde und diese Zeit, und so begegnet er euren schliipfrigeii Gedanken auf allen Orten und bindet euch fest an mich. (Lnther.) s «) »Wir müssen der Schrift gewöhnen, daß ange111s, welches wir einen Engel heißen, ist eigentlich soviel gesagt als ein Bote — nicht ein Botenläufer, der Briefe trägt, sondern der gesandt wird, mündlich zu werben die Botschaft. Also ist dieser Name in der Schrift gemein allen Gottesboten im Him- mel und auf Erden, es seien die heil. Engel im Himmel oder Propheten und Apostel auf Erden. Denn also spricht Mal. 2, 7 von dem Priesteramh die Lippen des Priesters bewahren die Lehre, und aus seinem Munde soll man suchen das Gesetz Gottes, denn er ist ein Engel desHErrn der Heerschaaren Und Hagg 1, 13: es sprach Haggah der Engel des HErm Item Las. 9, 521 " Jesus sandte Engel vor seinem Angesicht in ein Dorf der Sa- mariter. Also sind es alle Gottes Engel und Werbeboteiy die sein Wort oertündigen; daher auch Evangelium kommt, das eine gute Botschaft heißt. Die himmlischen Geister aber heißen sonderlieh Engel, daß sie die höchsten und edelsten Boten Gottes sind« 11. Wahrlich, ich sage euch [die erhabene Würde und theokratische Bedeutung dieses Mannes euch nochmals zum Bewußtsein zu bringen], Unter allen, die von Weibern geboren [und also noch nicht von Gott geboren Joh I, 13., wenn auch mit dem heil. Geiste erfüllt] find, tst nicht aufkommen, der größer sei, denn Johannes, der Täufer; der aber der Kleinste ist im Himmelreich sdas nun, nachdem die Zeit des alten Bundes in ihm ihren Höhepunkt und zugleich ihren Abschluß gefunden hat, mit dem von einem Weibe Geboreuen Gal. 4, 4; l. Mos. 3 , 5 seinen Anfang genommen], ist größer, denn ert fund habt ihr damit die Er- klärung, wie es gekommen, daß selbst dieser so hochstehende und ausgezeichnete Knecht Gottes in etwas irre und schwach werden konnte hinsichtlich seiner Erkenntniß der Geheimnisse des Himmelreichs —- er steht eben doch noch außerhalb dieses Reichs]. 12. Aber sdamlt ihr eurerseits verstehn, welch eine hochwichtige, bedeutsame Zeit die ist, der ihr selber angehört, so wichtig und bedeutsam, wie keine je gewesen, sage ich ferner:] von den Tagen Jvhannith des Täufers sseit derselbe in Israel auf- getreten und mit seiner Taufe und Predigt die Nähe des Himmelreichs bezeugt hat], bis hieher [wo der von ihm Angemeldete Kap. Z, Its. nun wirklich erschienen, und auch ferner die ganze Zeit des neuen Testaments über] leidet das Himmelretch Gewalt [indem es mit Sturm angelaufen wird —- nach anderer Deutung: bricht das Himmel: reich mit Gewalt hervor]; und die Gewalt thun sden Sturmanlauf auf dasselbe unternehmen] die reißen es fwie eine eroberte Kriegsbeute] zu sich «« fund gelangen so in den ersehnten Besttz desselben]. 13. Denn alle Propheten sin unmittelbarer] Und das Gefetz fin mittelbarer Weise] haben ge- wetssaget [und somit das Heil und den Heiland erst von zukünftigen Tagen erwarten lassen] bis auf Johannemrkr fbis mit diesem die Zukunft nun zur Gegenwart und das erwartete Heil zu einem, in dem unmittelbar auf ihn folgenden Heilande nun auch wirklich erscheinenden geworden ist]. 14. Und — so ihrs wollt annehmen smit richtigem Verständniß erfassen und zu weiterer Er- wägung beherzigen, damit ihr nicht mehr falschen Erwartungen nachhängt, vielmehr eure Zeit erkennet für das Ende der prophetischen Weissagung und den Anfang der mefsianischen Erfüllung, einer Erfül- lung, die nun unaufhaltsam im Gange bleiben wird bis zur allerseligften Vollendung] —— er sdiefer Johannes, der Täufer] ift [jener] Elias, der da lUTIch Mal» 4- 5] zuktmftig fein [dem kommenden Mefsias vorausgehen] follf [Kap. 17, 12]. 15. Wer Ohren hat zu hören, der höre-H [Kap. 13, 9. 43; Ofsenb. Z, 7 u. s. w.]. *) Minimum maximi majus est maximo minimi: das Kleinste vom Größeren ist (allemal) größer als das Größte vom Kleineren (Maldonatus.) Jesus wollte nicht überhaupt (als wozu sich gar keine Veranlassung fand) erklären, entscheiden, welcher von allen Menschen Kleinere im neuen Bunde oder sogar 152 Evangelium Maithäi 11, 16— 18. in s ich s elbst, als Mensch betrachtet, der größte, heiligste, vollkommenste sei, wollte nicht sagen: dieser Mensch Jo- hannes ist heiliger, vollkommener, größer als Abraham, Moses und David, größer und auf der Wage der ewigen Gerechtigkeit schwerer wiegend als Noah, Daniel, Hiob und jeder andere vom Weibe Geborene; wohl aber wollte erihn in seinem Verhältnisse zu dem Wort und Reiche Gottes, in seinem Verhältnisse zu Gott und zu den Menschen darstellen. Also als Prophet (vgl. Luk. 7, Es) ist er unter allen sterblichen Menschen der größte, der ausgezeichtnetsta und· zwar weil inseiner Person, m seiner Geschichte und· seinem Zeugnisse sich beides zusammen fand: Verheißung und Erfüllung, Prophezeiung und Evangelium. (Menken.) Durch sein Amt bekam der Täufer eine eigenthümliche Stellung, indem er auf dem Uebergange des alten zum neuen Bunde stand: er war der Ring der Kette, durch den die beiden Kreise des religiösen Lebens in einander grei- fen, gehörte aber seiner ganzen Lebensrichtung nach noch dem alten Testauiente an. (Olshausen.) Schlechthin er- haben über der alttestamentlichen Ordnung der Dinge steht das Hiinmelreich als der Zustand der Vollen- dung, dessen Vorstufe nur die mit Johannes, ihrem höchften Vertreter, ablaufende Theokratie ist. (Meyer.) Johannes ist Bild des Standes der Buße; wer wirk- lich in’s Innere, in’s Gnadenreich eingedrungen, zum Fvollen Genuß der Gnade gelangt ist, ist größer, seliger, u als wer noch in der Buße steht. (G Tom) Was der er Kleinste vor jenem Größten voraus hat, das ist vor allem der volle Versöhnungsfriede und der damit gewonnene Leidens-, Todes- und Kreuzesmuth, das Wartenkönnen von der ersten Zukunft Christi auf die zweite, das Versenktseiii in die Geduld Christi, womit zugleich die Ensaltung des Geistes Gottes zum heil. Geist in ihm gesetzt ist. (P. Lange) Zu beachten ist der Unterschied zwischen de1i von Weibern Geborenen und dem vom Weibe Geborenen — ein ähnlicher Unterschied wie zwischen Menschen und des Menschen Sohn. Jn der alt- testamentlichen Theokratie giebt es nur von Weibern Ge- borne, nur Menschen; im Himmelreich ist der Größte der vom Weibe Geborne, des Menschen Sohn, er ist dessen König, die Glieder dieses Kreises aber stellt Joh. 1, 13 in ihrem Unterschied von denen des alten Bundes dar. Wen Jesus nun zunächst mit den »Klein- sten« im Himmelreich im Sinne habe, ergiebt sich da- raus, daß er damals, als er diese Worte redete, kurz zuvor die«12 Apostel ausgefendet; zur Zeit waren diese nur erst »Kleinere,« bis sie hernachmals den heil. Geist empfingen, aber schon auf diesem ihrem noch unterge- ordneten Standpunkte sollten sie billig vom Volke noch mehr gehört und beachtet werden, als Johannes der Täufer und alle Propheten. - «) Wie der Mann groß ist, den Gott der HErr als seinen Vorläufer für das nun erscheinei:de Messiasreich erweckt hat, so ist auch die Zeit segensreich, in der er wirkt; desto strafbarer sind also die, welche sie nicht nutzen. (Olshausen.) Bei den Worten: »Das Himmel- reich leidet Gewalt« könnte man sich eine Gewalt ver- gegenwärtigem die dem Himmelreich angethan, durch die ihm gewehret, von der es beschränkt würde. Gewalten dieser Art, feindliche, neidische, hindernde, fehlten zur Zeit Jefu und seines Heroldes keinesweges; in allerlei Formen erschienen sie, zu allerlei Mitteln griffen sie. Eben sie meint der Heiland mit der Klage (Kap. 23, 13; Luk. 11, 5·2): ,,Wehe euch, Schriftgelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler, die ihr das Himmelreich für die Menschen verschließt; ihr kommt nicht hinein, und die hinein wollen, lasset ihr nicht hinein. Wehe 2c.« Doch im Texte wird ihrer nicht gedacht. Wenn Jesus versichert, das Himmelreich leide Gewalt, so will er sagen, es ist in gewaltiger Bewegung, ungewöhnliche Kräfte regen stch, große Dinge gehen vor, viel geschieht für die Menschheit in diesem Augenblick; das Heil ist im Ge- burtskampf. »Und die Gewalt thun, reißen es zii sich.« Der allgemeine Sinn dieser Behauptung liegt nicht minder vor Augen: wer’s auf Gemeinschaft mit mir anlegt, der gewinnt sie; wer, was er hat, daran setzt, daß er in das Reich Gottes eingehe, der kommt hinein; wer trotz fremdem Vorurtheil und eigener Sinnlichkeit nicht abläßt, bis er eindringe, wie schwierig es auch werde, dem öffnet sich die enge Pforte. Es gehöret nichts dazu, als Gewalt thun: Philipp. Z, 8. (Dräfeke.) Das Himmelreich, das ehedem fern war, dringt jetzt mit Gewalt vor. I. Was Gott thut: es wird von Gott mit Kraft und Herrlichkeit ausgebreitet; Gott legt es recht dringend a1i’s Herz; selbst auch bei Widerstand und Verfolgung dringt es durch. II. Was Menschen thun: die, die Gewalt braucheii, die durch alle Hinder- nisse vou innen und außen, unter Mühe, Anstrengung und Kampf nach dem Himmelreich ringen, sich darnach reißen, die erlangen es. Christus bezeichnet die Zeiten starker Ertoeckung; in solchen ist viel zu gewinnen, aber auch viel zii verlieren. (Heubner.) Es muß sich gegen- seitig entsprechen des Himmelreichs treue, ernste Bemü- hung um des Menschen Gemiith, und des menschlichen Gemüths Suchen nnd Sehnen, Bediirfen und Trachten; wie es Gotte ein Ernst ist, den Menschen selig zu machen, so muß es auch deni Menschen ein Ernst sein, selig wer- den zu wollen. Reuig, müde der Sünde, müde der Täuschungen des Wesens der vergänglichen Eitelkeit, muß erunbeweglich entschlossen sein, das höchste Gut sich das Hdchste sein und alles fahren zu lassen, was ihm den Besitz und Genuß desselben unmöglich macht. Und so muß er Gewalt anwenden gegen sich selbst und gegen die Welt; nur dem unbeweglich Entfchlossenem nur dem, der Gewalt anwendet, gelingt es, ein seliger Genosse des himmlischen Reichs zu werden. (Menken.) »Das Himmelreich leidet Gewalt« — ein tiefes, vollsinniges Wort! Es kann heißen: es wird mit Gewalt verkün- digt, mit Gewalt bestritten, mit Gewalt gesucht — in jedem dieser drei Sinne ist es wahr. Zuerst: »von den Tagen Johannis des Täufers bis hierher leidet das Himmelreich Gewalt,« heißt soviel als, es wird seitdem laut und vernehmlich, gleichsam von den Dächern herab gepredigt; es bietet sich den Menschen an mit einer Kraft und einem Nachdruch wie nie in friiheren Zeiten; es ist in gewaltiger Bewegung, solche Kräfte wie jetzt sind nie auf die Bahn gebracht worden; eine ganz neue Zeit ist seidem angebrochen, es ist Frühling geworden im Geisterreiche und Ströme des Segens ergießen sich belebend über Alt und Jung. So konnte der HErr mit Recht sprechen; denn bis auf Johannes den Täufer dauerten die Tage des alten Bandes, wo auch die größ- ten Propheten nur eiii verhältnißmäßig eringes Licht hatten und das Reich Gottes sich innerhalb! enger Gren- zen, nur unter Israel, hielt. Jetzt aber, nachdem die Weifsagung nnd Offenbarung 400 Jahre geschwiegen, kam es mit Macht und wurde nicht mehr in Schatten und Vorbildern streng und sparsam verkündet, sondern in Wahrheit, Gnade und Fülle. Jetzt war die Zeit da, wo jedem, der mit Ernst und Eifer hinzudrang, die Thür des Himmelreichs offen stand. Ja, das war ein schöner Segen, wenn er mit den Jüngern ging, auf den Feldern, auf den Wegen jedes Herz wie Maieiiregen seinen Trost, sein Wort empfing. Sodann hat der Ausdruck: »Das Hiinmelreich leidet Gewalt« den Sinn: es wird mit Gewalt bekämpft, bedrängt, gedrtickt und von feiiidseligen Mächten ihm hart zugesetzn Kaum war Johannes mit seiner Bußpredigt aufgetreten, da Des HErrn Urtheil über das Geschlecht seiner Zeit. 153 regte sich schon der Neid im Hohenrath und man schickte Gefandte zu ihm, ihn zu fragen, wer er sei nnd wer ihm die Macht gab, also zu taufen und zu predigen; und wenige Monate später saß der freimüthige Zeuge der Wahrheit im Gefängniß und erwartete den Märtyrer- tod. Kaum hatte Jesus am ersten Osterfest in Jerusa- lem den Tempel gereinigt, da hieß es schon: was zeigst du uns für ein Zeichen, daß du solches thun Mögest? Ein Jahr später klagten sie ihn an, er sei ein Sabbath- schänder und ein Gotteslästerey und trachteten darnach, wie sie ihn tödteten. Drei Jahre später blutete er am Kreuz und hauchte unter dem Hohngelächter der Hölle und dem Spott seiner Feinde sein theures Leben aus. Aber noch einen dritten Sinn läßt unser Texteswort nicht nur zu, sondern fordert ihn auch: das Himmel- reich wird mit Gewalt gesucht. Jesus konnte das sagen von seiner Zeit; denn es war damals in der Mensch- heit überhaupt, besonders aber in Jsrael, eine Gluth der Sehnsucht, ein Verlangen nach einem veränderten Zustande um so mächtiger hervorgebrochen, je länger dasselbe zurückgedrängt worden war. Unter Juden und Heiden regte sich ein mächtiger Eifer und Ernst für das Göttliche, der es mit wahrer Heilsbegierde aufnahm: die Weisen aus dem Morgenlande, der Hauptmann zu Kapernaum, das cananäische Weib, die Griechen am Palmsonntage (Joh. 12, 20 ss.) machten einen kleinen, aber lieblichen Anfang der Bekehrung der Heiden; eine Zeit der Erweckung ging über den Erdball hin, in der viel und eifrig nach Seligkeit gerungen und der Him- mel gleichsam gestürmt wurde. Wie die Patriarchen das Land Canaan schattenweise einnahmen, unter Mose dann mit mehr Ernst, daß sie bis an die Grenze kamen, unter Josua aber mit vollem Sturm und Gewalt: so hatten die Vorväter das geistliche Eanaan auf Erden nur schattenweise eingenommen, zu Johannes Zeit ge- schah es dann mit mehr Ernst, unter Christo aber mit voller Gewalt. Und wie, wenn irgendwo reiche Almo- sen ausgetheilt werden, die Armen schaarenweis von allen Seiten herbeidrängen und jeder der erste sein, keiner die günstige Gelegenheit versäumen will; so hielt sich Israel, wider den Willen seiner Priesterschaft sogar, zu Christo und fürchtete den Haß derselben nicht. (Fr. Arndt.) Das Evangelium wird nicht vergeblich gepredigt; es giebt Leute, die es hören und heftig lieben. also daß sie Leib und Leben an Gottes Wort wagen. Die Gewissen, wenn sie das. Evangelium vernehmen, dringen sie hinzu, daß ihnen niemand wehren kann. (Luther.) · THE) »Weissagung, Offenbarung und Verkündigung des Zukünftigen war die Sache der Propheten; von der Zukunft ließen sie das Heil und den Heiland, das Reich Gottes und den König dieses Reiches erwarten; aus et- was Vorhandenes, Gegenwärtiges konnten sie nicht hin- deuten und sagen: das ists, odert dieses ist’s. Sie predigten das Jahr der Gnade und des eils, den Tag der Rache Gottes, zu trösten alle Tranrigen; aber sie konnten nicht sagen: siehe, jetzt, heute ist der angenehme Tag, dies ist die Zeit der Heimsuchung und Gnade. Mit Johannes aber hörte die Weissagung gewissermaßen auf: Johannes weissagte nicht; Johannes deutete nicht, wie alle vor ihm, auf Tage der Zukunft hin; er sprach von dem Gegenwärtigen, nicht von dem Kommenden, sondern von dem, der gekommen, der da sei und durch ihn offenbart, erkannt und angenommen werden solle und mit dem das Himmelreich vorhanden sei. Mit Johannes änderte sich auf einmal die Sprache der gött- lichen Gesandten und Boten, die Prophezeiung wurde Evangelium, das Zeugniß von der Zukunft Zeugnis; von der Gegenwart, die Verheißung des Kommenden Botschaft von dem Gekommenen, die Ermahnung zu stillem, gläubigem Harren Einladung herzu zu kommen nnd das nun vorhandene Heil in Vesitz und Genuß zu nehmen. Die ganze Schrift des alten Testaments, was ist ste anders, als prophetifches und symbolifches Zeugniß von dem Messias uud seinem ReicheT mit Jo- hannes aber fängt dies Zeugnis; an ein historis ches zu werden» — f) Hiermit antwortet er auf eine andere heimliche Frage, nämlich: ehe denn das Gesetz und die Propheten aufhören werden, soll Ia Elias kommen, wie Mal. 4, 5 sagt; wenn sie nun jetzt aufhoren sollen, wer ist denn der verheißene Elias? Ei: antwortet: »Johan- nes ist der Elias, der da soll zukiinftig sein,« d.» i. von dem vorher geweissagt ist. Jhr irren indem ·i«hr auf den persönlichen Elias wartet, da doch Malachias nicht von Elisa, dem Thisbtten, fandern ohne eine gewisse Person zu bestimmen, von«Elia einem Propheten redet. Deswegen spricht er: »»sd Ihrs wollt annehmen,« d. i. wenn ihr wollt Gehör geben und euch belehren und eure Meinung fahren lassen: eben Er (Johannes) ist der Elias« Aber gleichwie ihr mich nicht für denHErrn erkennet, also erkennt ihr auch ihn nicht ftir meinen Elias. (Luther.) — H) Dies Wort pflegte der HErr zu gebrauchen, wenn er das, was er gesagt hatte, in seinem tieferen Sinne und in seiner reicheren Vedeutung von den Zuhörern beherzigt und erwogen haben wollte. Er fügte es auch jetzt zu seiner Rede hinzu, damit sie merken möchten, wie wtchtig für sie alle das sei, wie nahe sie alle das angehe, was »er von· Johannes dem Täufer, seinem Zeugnisse und seiner Zeit bezeugt hatte, daß darin ein Zeugnis; von ihm selbst als dem gekommenen Messias liege, und daß es ·also setzt auf sie ankonime, des Reiches Gottestheilhastig zu werden«. Es beginnt mit diesem Wort die Anwendung des bisher Gesagten auf die Zuhörey die« dann im Folgenden weiter fortge- setzt wird. (Menken.) 16. Wem foll ich aber [wenn ich nun darauf sehe, wie die Genossen der gegenwärtigen so be- deutungsoollen Zeit den beiden Trägern dieser Zeit gegenüber sich Verhalten] dies Geschlecht sder großen Mehrheit in Israel] derglc1chen? Es ist [in seinem zerfahrenen, parteisüchtigem unzufriedenen Wesen] den Kindlein gleich, die [unter dem Thoreingang einer Stadt, wo sie sich zum Spiel mit einander eingefunden haben Kap. 9 , 35 Anm.] an dem Markt siszen sunmuths und mit einander schmollend, daß es zu keinerlei Spiel, weder zu einem sröhlichen noch zu einem ernsten, kommen will] nnd rufen gegen ihre Gesellen [die eine Partei der andern die Schuld daran zur Last legend], 17. Und sprechen sdie ersten ihrerseits zu den zweiten]: Wir haben euch gepfiffew nnd ihr wolltet nicht tanzen; sund die zweiten andererseits zu den ersten:] wir haben euch geklageh nnd ihr wolltet nicht weinen. 18. lJn der That geberden die Genossen dieser Zeit uns, dem Johannes und mir gegenüber sich wie solche unter einander uneinige Kinder, die selber nicht wissen, was sie wollen, weder auf diese noch ans jene Weise zufrieden zu stellen sind, sondern in jedem Falle sich abwenden, man mag so oder so ihnen beizukommen versuchen] Johannes [zuvor] ist kommen, as; nicht und trank nicht sführte eine, seiner Bußpredigt entsprechende äußerst enthaltsame Lebensweise Kap. 3, 4; Luk. 7, 33]; so sagen sie: 154 Er hat den Teufel [ist von einer Melancholie be- sessen, wie« sie nur von einem bösen Geist ihm ein- gegeben sein kann, daß er so von allem Lebensgenuß sich fern hält Ioh. 10, 20]. » Ist. Des Menschen Sohn [darnach] ist kommen, isset Und trmket slegt sich weder nasiräische Selbst: beschränkungen noch äußerliche Fasteniibungen auf, nimmt vielmehr an Hochzeiten und Gastmählern, zu denen-er geladen wird, ohne Rückhalt Theil]; so sagen sie:· Siehe, wie ist» der Mensch ein Fresser und ein Weinsaufer, der Zollner und der Sunder Geselle« lKatx 9, 11]. und die kso nach beide« Seiten hin von diesem Geschlecht verdächtigte und verworfene] Weisheit [Gottes, die das Heil der Seelen zuerst durch Johannes Auftreten vorbereitet hat und nunmehr durch mein Erscheinen es auch verwirklicht und herbeiführt] muß sstatt selber vor denen, die nun einmal sich nicht sagen lassen, sich rechtfertigen zu wollen] sich rechtfertigen [als das, was fie·ist, als göttliche Weisheit und seligmachende Wahrheit, darstellen und erweisen] lassen von ihren Kindern [die sie aus denen, die das Herz ihr öff- nen, sich erzeugt und heranbildet — an ihnen wird es ja zur Erscheinung kommen, daß das Recht auf ihrer Seite und das Unrecht auf Seiten ihrer Wider- sacher ist Sprichw. 1, 20—-33]. V) Die Ausleger sind untereinander in Widerstreit, wie dies Gleichniß von den Kindern auszudeuten nnd anzuwenden set. Gewöhnlich vertheilt man die beiden Parteien der Kinder so, daß auf der einen Seite die- jenigen stehen, die da gepfiffen und geklagt haben, auf der andern Seite aber die, welche weder tanzen noch weinen wollten; und da entscheiden sich nun die meisten Ausleger dafür, daß mit der ersten Partei Johannes und Jesus gemeint seien, mit der andern dagegen die weder auf Johannis Bußpredigt noch auf Jesu Heils- predigt eingehenden Juden, während andere Schrift- erklärer das Verhältniß unikehrem die zum Spiel, zu- erst zu einem Hochzeittanz mit dem Pfeifen, nnd sodann zu einem Leichenbegängniß mit dem Klagen die andern auffordern, sind die Juden, die Gesellen hingegen, welche den Vorwurf erfahren, daß sie hätten der eine nicht tanzen und der andere nicht weinen wollen, sind Johannes und Jesus. Eine jede von beiden Erklärungs- weisen kann zutreffende Gründe für sich geltend machen nnd bringt dann auch einen zutreffenden Sinn heraus. Die erstere findet sich vor allem (nach Chrysoftomus Vorgange) bei Luther: ,,Predigt man das Evangelium, so hilft’s nichts, predigt man das Gesetz, so hilft’s aber nichtsz man kann sie weder recht fröhlich, noch recht trau- rig machen.« Ebenso bei Menken: »Mit den Kindern, die da spielten, wie es gespielt sein mußte, verglich Jesus sich selbst und den Johannes; mit jenen Kindern aber, worüber sich die Klage der Gefpielen vernehmen ließ, daß sie das Spiel verderben, daß mit ihnen nichts an- zufangen sei, daß sie weder dem Scherz noch dem Ernst des Spiels entsprochen hätten, verglich er seine Zeit- genossen« Die andere Erklärungsweise hat außer an- dern Auslegern besonders an P. Lange ihren Verthei- diger: »Man hat wohl zu beachten, daß die Kinder, die als redend eingeführt werden, als launische dargestellt werden sollen, die in Einem Athemzuge jetzt Hochzeit, jetzt Leiche spielen wollen mit ihren Genossen, und nun sich darüber beklagen, daß ihre Genossen darauf nicht Evangelium Matthäi 11 , 1 9 —— 23. eingehen. Damit scheint denn allerdings das Geschlecht jener Zeit bezeichnet zu sein, wie es sich dem Täufer und Christo gegeniiberftellte, oder auch jede Zeit in der Art, wie sie ihre Propheten meistert, nämlich mit der höchsten Jnconsequenz die ihrer eigenen Worte vergißt; diese Jnconsequenz scheint gerade die Spitze der Ver- gleichung zu sein. So wollten also die Kinder, welche verlangen, daß die Propheten nach ihren Pfeifen tanzen, dem Johannes eine heitere Hochzeitsmelodie Vorspielen, während er das Volk zu einem Trauerfeste berief, und sofort in demselben Athemzuge wollten sie dem HErrn eine Todtenklage halten, während er das Volk zum hei- tern Hochzeitfest der neutestamentlichen Freiheit berufen wollte-« Jndesfen fühlt man beiden Erklärungsweisem so sehr sich auch eine jede auf ihre Art empfiehlt, doch sofort ab, daß sie insofern an einem und demselben Feh- ler leiden, als sie den Johannes und Jesum mit in den Kreis der spielenden Kinder hineinziehen; dies ist offenbar etwas Verkehrtes, das einem erst dann zum vollen Bewußtsein kommt, wenn man nun die Worte des HErrn durch erklärende Umschreibung in ihrem Sinne darlegen will, wie sich unser Bibelwerk dies zur Auf- gabe gesetzt hat. Wir sind da zu einer dritten Erklä- rnngsweise als der allein richtigen hingedrängt worden; Olshaus en deutet sie an: ,,Beide Klassen von Kindern, die redenden wie die angeredeten zusammen sind als die Repräsentanten der launischen Zeitgenossen Jesu an- zusehen, so daß der Sinn der ist: dies Geschlecht gleicht einer Schaar verdrießlicher Kinder, der nichts recht zu machen ist, die eine Hälfte will dieses, die andere jenes, und so kommt es zu keiner zweckmäßigen Thätigkeit unter ihnen« Wenn sonach Johannes und Jesus ihre Stelle im Gleichniß nicht unter den Spielenden selber haben, so können wir diese ihre Stelle allein in den beiden Spielweisen sinden, mit denen die Kinder sich zu schaffen machen. Schon das ist eine Anklage der Zeit- genossen, daß sie überhaupt als spielende Kinder auf- treten, welche die bedeutsamsten Vorgänge im Leben der Erwachfenen nachäffen, statt aus ihrem eigenen Kindes- herzen und Kinde-sieben den Stoff zu ihrer Unterhaltung zu entnehmen. ,,Spielen, das ist es, was die Men- schen wollen; spielen, nicht arbeiten. Nur Leichtes und Angenehmes, nicht Großes und Ernstes, bewegt sie; von unsichtbaren Gütern vollends, von Erreichung himm- lischer Zwecke oder Verwirklichung göttlicher Gedanken, von täglichem Fleiß und Kampf dafür, von nachdrucks- vollem Durchgreifen bei sich selbst und bei Andern zur Ehre des Errn, ist keine Rede« Die Kinder nun, in denen sich er Zeitgeist darstellt, der mit allem spielen will, sogar mit dem Heiligsten, mit der Religion, können nicht eins unter sich werden: was der eine will, will der andere nicht, und gegen das, was dieser· vorschlägt, hat wieder jener viel einzuwenden; ein jeder ist theils selbst zu klug, daß er alles besser wissen will als die andern, theils zu eigensinnig, um auf einen andern ein- zugehen. »Der Unterschied in der Lebensweise des Täu- fers und Jesn war sehr weise von Gott eingerichtet, um den Unterschied zwischen Gesetz und Evangelium recht fiihlbar zu machen; dennoch war den Jsraeliten weder die Strenge, noch die Milde recht, an Johannes tadel- ten sie die große Enthaltsamkeit und nannten ihn einen Wahnsinnigen und Besessenen, weil die Besessenen in Wüsten und Einöden zu wohnen liebten, nnd bei Jefu stießen sie sich wieder an seiner geistigen Freiheit und freundlichen Herablassung zu den Sündern und schalten ihn einen Lebemann.« — ,,Abfprechen über alles, was vorkommt, und verwerfen, was nicht behagt, das ist’s, was die Menschen lieben; nur absprechen und verwerfen, dann haben sie freie Hand — was sie verworfen haben, das können sie unberiiilsichtigt lassen, und was keine Rück- Des HErrn Weheruf über die galiläischen Städte. 155 sicht verdient, das ist abgethan.« —- »Der Geist der Zeit ist ein launenhafter und veränderlicher: er ist wie die Volksg1inst, die heute in den Himmel erhebt und mor- en mit Steinen wirft; er ist wie Ftirstengunst, die heute zu Gnaden annimmt und morgen sallen läßt. Jetzt ist er Gluth für eine neue Erscheinung im Gebiete der Kunst, der Wissenschaft, des Vaterlandes, der Kirche; nach einigen Monaten ist die Gluth schon abgekühlt oder hat sich wieder einem neuen Gege1istande zugewandt. Fragt einmal, wer seit 5 Jahren in der Volksgunst alles gestanden hat und mit wem man in fast rasender Ueber- spannung Abgötterei getrieben: welche Namen stehen da auf der Tagesordnung, und wie schnell haben sie ge- wechselt! So wetterwendisch ist der Character der Zeit; immer will sie Neues nnd Anderes, immer entscheidet die Laune des Augenblicks. Nur in einem ist der Zeit- geist consequent, und darin vom heil. Geiste Gottes durch und durch geschieden und unterschieden, daß seine Angst immer ist: nur nicht zu fromm, nur nicht zu christlich, nur nicht zu oft in die Kirche gegangen, nur nicht im- mer nach der Bibel hören, nur nicht einseitig werden und für Christum allein Partei nehmen« VII) Die ewige Weisheit rechtfertigt sich eigentlich nie gegen die Welt; denn die Welt lässet sich iiicht sagen, nimmt keine Belehrung a1i und bleibt bei ihrem Dünkel und in ihrer Rechthaberei. So lässet sie es denn vor der Welt immerhin das Ansehn haben, als habe sie Un- recht; aber ihre Rechtfertigung erfolgt so, daß die bessern, die Wahrheit liebenden Menschen ihrer inne werden. (Menken.) Diese, wie so manche Worte des HErrn, gleichen vielseitig geschliffenen Edelsteinen, die ihren Glanz nach mehr als einer Seite hinsenden —- eine Eigenschaft, die schon geistreicheu Sentenzen irdischer Weisen nicht fremd ist; für sich allein betrachtet können sie in mannigfaltiger Weise bedeutsam erfaßt werden, aber im Zusammen- haiige mit Vorhergehendem und Nachfolgendem muß freilich eine Bedeutung die hervorstechende sein. Der Ausdruck »die Kinder der Weisheit« leitet nun offenbar zunächst auf einen Gegensatz mit dem Vorhergehenden hin, wo die Kinder der Thorheit geschildert waren in ihrem unverständigen Urtheil. Der Gedanke wäre dann dieser: die Weisheit aber (die von unverständigen ge- tadelt wird) ist gerechtfertigt, vertheidigt, als weise dar- gestellt von Seiten ihrer KinderFnämlich durch ihr Be- tragen gegen ihre Anordnungen. Einen besonderen Reiz gewinnt aber dieser Gedanke, wenn man bedenkt, daß die Schrift von der Weisheit nicht als von einem ab- strakten Begriff, sondern als von einer himmlischen Per- son redet, ja Jesus sich selbst die Weisheit nennt (Luk. 11, 49 vgl. mit Matth. 23, 34). Dann erscheint der Erlöser hier als von seiner göttlichen Natur aus red d, iind die Wortform ,,wurde gerechtfertigt,« wie es Grundtext heißt, gewinnt damit eine eigenthüniliche Be- deutung. Dieselbe Erscheinung, die er in der Gegenwart rügt, daß die unverständigen an den Wegen der Weis- heit Anstoß nehmen, hat sich zu allen Zeiten dargestellt; aber zu jeder Zeit haben die Kinder der Weisheit ihre Mutter gerechtfertigt und werden es auch jetzt wieder thun. Der Erlöser erscheint daher hier als der Spender alles geistigen Segens von je an, als der Erzeuger aller irdischen Repräsentanten der Weisheit von Anbeginn der Welt, die nun in ihrer ganzen Fülle und Herrlichkeiy den Entwickelungs ang beschließend, endlich persönlich sich darstellt. (Ols ausen.) Jmnier giebt es Einzelne, welche die himmlische Weisheit aufnehmen, welche sie vertreten und ihres Geistes Kinder werden; diese sind aber von jeher für sie eingestanden und haben ihr Recht, ihre Gerechtigkeit behauptet und gerechtfertigt mit ihrem Wort und Leben. Die Kinder der Weisheit stehen stets für das Recht derselben ein, wie die Kinder für ihre Mutter einstehen. (P. Lange.) 20. Da swenn wir mit dieser Scene, ivo Jesus- so schwer über das Geschlecht seiner Zeit klagen mußte V. 16 ff» gleich eine andere verbinden, da er V, Jahr später Galiläa nun verlassen· hatte und mit schmerzlich bewegtem Gefühl auf die Er: folglosigkeit seiner Wirksamkeit daselbst zuruckblickte Lin. 10, 13—15] fing er anfdie Stadte zu schelten, in welchen am meisten seiner» Thaten ge- schehen waren, und hatten sich doch nicht gebessert: St) Dem äußeren Anschein nach hat Matthäus mit der vorigen Rede Christi hier eine andere aus spaterer Zeit verbunden, zu der er an der rechten, zeitgeschicht- lichen Stelle keine Gelegenheit hatte, weil er »von der Aussendung der 70 Jijnger (Luk. 10, 1·fs.) nichts be- richten wollte; wie er nun in Kap.« 10 mit der· Instruk- tionsrede an die Zwölfe theilweis gleich die an die Siebzig zusammen erzählte, so , scheint es, hat er den hier mitgetheilten Abschnitt aus der letzteren sich absicht- lich bis jetzt aufgespart, weil er bei Aussendung der Zwölfe den HErrn noch nicht also konnte reden lassen, sondern erst jetzt, bei der Klage über das gegenwartige Geschlechb Indessen liegt doch mehr als menschliche Weisheit in dieser so zweckmäßigen Zusammenordnung; hätte der HErr auch wirklich mit dem Munde damals die Worte noch nicht gesprochen, als er· über das Ge- schlecht seiner Zeit klagte, so lag doch« in seiner Klage schon der Anfang zu jenem Weheruf, den er später vernehmen ließ, sein Herz sing bereits an, von der Klage zu einer Anklage überzugehen. Und wenn ·er dann mit seinem »Wehe« die genannten Stadte bereits an das Gericht der Verblendung und Verstockung dahin gab, so sehen wir dieses auch im 12. Kap. anfangen sich zu verwirklichen: es ist nunmehr für das gegenwärtige Geschlecht die nämliche Zeit herbeigekommem die für das alte Geschlecht in Israel bei der Berufung des Propheten Jesaia im Todesjahr des Königs Usia vor- handen war (Jes. 6 , 10 Anm.), daher txllch M dem weiteren 13. Kap. bei den Gleichnissen, die der HErr zum Volk redete, er vor seinen Jüngern solcher Rede- weise wegen sich rechtfertigt durch die Berufung auf das Wort in Jes 6, 9 f. Mit dem Gerichte der Verblen- dung und Verstockung zugleich beginnt aber auch das der Verwerfung und Verstoßung Jsraels von Seiten Gottes sich zu vollziehen; die Wegnahme dessen, -der mehr war als ein Prophet, wie sie in dem dann·fol- genden 14. Kap. erzählt wird , war der Anfang dieses letzteren Gerichts 21. Wehe dir, Choraztn [Kap· 4·- 25 Arm]- wche dir, Bethsaida [auf der Westseite»des Sees Genezareth Joh. 1, 44; 12, 21]! Waren solche Thaten zu Tyro und Sidon geschehen, als bei euch geschehen sind, sie hatten vorzeiten im Sack nnd in der Asche Buße gethan. 22. Doch ich sage euch: Es wird Tyro und Sidoii tråglichck [Jes. Z, 24 Am. 1] ergehen am jungsten Gerichte, denn euch« 23. Und du Kapernanm, die du sdurch den, der vom Himmel gekommen Joh. S, 38 und bei dir seine Wohnung genommen Kap. 4,·15»] bist erhaben bis an den Himmel, du wirst bist in die Hblle hinunter gestoßen werden· Denn so zu 156 Evangelium Matthäi 1·1, 24—30. Sodom die Thaten geschehen wären, die bei dir geschehen sind; sie stunde noch heutiges Tages. 24. DoFh ich sage euch: Es wird der Sodo- mer Land traglicher ergehen am sungsten Gericht, denn dir» «) »Das Scharfe der Vergleichung liegt darin, daß Thrus und Sidon l) heidnische Städte waren, Z) welt- bewegte Seestädte, 3) schon bei den Propheten wegen ihrer Verderbnisse gerügt (Ursitze des Baalsdienstes). IV) Es ist hier der Gegensatz des todten Meers und des Sees Genezareth zu beachten, wie in der vorigen Vergleichung der Gegensatz der jiidischen Landseestädte und der heidnischen Seestädtr. Der See Genezareth wird also nach dem Zustand seiner Anwohner tiefer in’s Gericht versinken, als die Städte des todten Meeres. Sodann ist zu beachten, daß beide Vergleichungen aus den verschiedenstenZeiten genommen sind: eine aus der Gegenwart, eine ans der grauen Vorzeitx eine Gegend, die schon gerichtet ist, zusammengefaßt mit einer andern, die noch gerichtet werden soll. Beide haben das vor den zu scheltenden Städten voraus, daß sie unendlich weniger Mahnung zur Buße gehabt haben, als die galiläischen Städte, in denen Christus die meisten seiner» Thaten gethan, besonders in Kapernaum, daß er zu s einer Stadt (Kap. 9, l) gemacht hatte. (P.Lange.) Evangelium am Si. Matthias-Tage: V. 25——30·) Jn Matthias haben wir denjenigen Apostel vor uns, den dieiibrigen Apostel in der Zwischenzeit zwi- fcheszn Jesu Hfimmelfahrt und der Ausgießung des heil. Geistes an die Stelle des aus seinem Bisthum ausge- sckziedenen Judas Jscharioth durch das Loos erwählten, wie die Epistel dieses, auf den 24. Februar fallenden Feiertags aussührlicher erzählt (Apostg. l, 15——26). Man hat in dieser Wahl oft ein Vorgreifen von Seiten der Elfe erblicken wollen, das zwar in menschlich guter Meinung geschehen, aber doch dem Willen des HErrn nicht entsprechend gewesen wäre; und auch das Loos, dessen sie dabei sich bedient, habe nicht dazu ge- dient, eine eigene Willensentscheidung des HErrn her- beizuführen, vielmehr habe dieser hernachmals durch seine unmittelbare Ertvtihlung des Saulus seinen wirklichen Willen zur Geltung gebracht. Diese Auffassung aber ist duraus verkehrt und hat viel dazu beigetragen, daß man den Matthias kaum für einen Apostel achtet. Die Elf waren vielmehr in ihrem vollen Rechte, wenn sie darauf Bedacht nahmen, die Zwölfzahl unter sich wieder her- zustellen, damit sie nicht als unvollzählige Corporation, sondern als allseitige Repräsentation der 12 Stämme Jsraels der Ausgießung des heil. Geistes entgegen- gingenz und nach ihrem damaligen Stande, weil noch nicht mit dem Geiste erfiillt, konnten sie den Willen des HErrn nicht anders ersorfchen als durch das Loos (Jos. 7·, 16 ff.; l. Sam. 10, 17 ff.). Der HErr hat auch wirklich in diesem Loose entschieden und keineswegs des Matthias Wahl hernachmals durch die des Saulus beseitigt und verbessert; der letztere ist vielmehr ebenso als ein dreizehnter Apostel zu» den Zwölfen hinzuge- kommen, wie die Zahl der 12 Stämme Jsraels dadnrch zu dreizehn erhöhet wurde, daß für Joseph seine beiden Söhne Ephraim und Manasse eintraten, und er hat weniger Beziehung auf Israel, als auf die Heiden (Apostg. 22, U; Gab l, 16) schon vermöge seiner Ver- gangenheit, da er den HErrn nicht leiblich gekannt und nit ihm aus- und eingegangen ist (Apostg. l, 21), als womit er die Heiden abbildet im Vergleich mit den Juden, von denen der Heiland herkommt. Wie er dann noch in anderer Hinsicht eine Ergänzun des Apostel- kreises ist, haben wir zu Kur. 10, 4 gese en. Was nun den Matthias betrisst, so soll er das Evangelium in Aethiopien gepredigt und dort den Märthrertod erlitten haben; nach andern Sagen dagegen wäre er in Jiidäa thätig gewesen und von den Juden gesteinigt worden. 25. Zu derselbigeu Zeit swo er also seine Klage erhub V. 16 und sein Wehe aussprechen mußte V. 21 ff.] antwortete* Jesus [aus der tiefen Betriibniß über die Erfolglosigkeit seines Wirkens nun ziir Freude über den Erfolg bei wenigstens etlichen Seelen iibergehend] und sprach [Luk.- 10, 21 f.]: Jch preise dich, Vater und HErr Himmels und der Erde, daß du solches sdas Geheimnis; meiner göttlichen Würde und der seligmacheiiden Kraft meines Worts] den Weisen und Klagen sals den Pharisäern und Schriftgelehrteiy aber auch den weltklugen Hofleuten und dem weltklugen galt: läischen Volke] verborgen hast, nnd hast es den Unmundigen svon denen jene sprechen: »das Volk, das nichts vom Gesetze weiß, ist verslucht«Joh.7,49] offenbaret. 26. Ja, Vater· sich preise dich» fiir solches dein Thais, denn es ist also wohlgefallig gewesen Vor dir [Und ich stimme von Herzen in deine Ordniing 1. Cor. 1, 26 ff. ein]. 27. [Und nun, bei aller Verachtung die mir von Seiten der selbstklugen und selbstgerechten Welt widerfährh bleibt mir doch meine Herrlichkeih der einige Helfer und Seligmacher der Menschen zu sein, unversehrt] Alle Dinge sind mir ubergeben von meinem Vater [Joh. 17, 2]. Und niemand kennet den Sohn, denn nur der Vater; und nie- mand kennet den Vater, denn nur der Sohn, und wem es der Sohn will offenbaren« «) ,,Antworten steht im neuen Testament nach Art des Hebräischeii öfters (Kap.22,1; Luk. 13, 14 u.s.w.) auch da, wo die Person oder Sache, auf welche die Antwort sich bezieht, nur den Gedanken des Antworten- den vorschwebt.« Nun hat man hier die Sache sich so vorzustellem daß der HErr nach dem im Vorhergehen- den Gesagten sich von seinem himmlischen Vater auf die vor oder neben ihm stehenden Jünger hingewiesen sieht als die lebendigen Beweise, daß seine Wirksamkeit doch nicht durchgängig ohne Frucht geblieben, sondern von einem, wenn auch der Masse nach kleinen, doch dem Werthe nach gar großen Segen begleitet gewesen sei; und auf diese mittelbare Einrede des Vaters giebt er den1i Antwort. Nach dem geschichtlichen Zusammenhang waren die Jtinger freilich noch nicht wieder bei Jesu, sondern noch auf ihrer Aussenduiig in Kap. 10, l ff. abwesend, erst nach 10—-11 Tagen kehrten sie zuriick (Kap. 14, 13 vgl. mit Mark. G, 30; Luk. 9, 10); aber der Evangelist nimmt auch hier, leichwie in V. 20 ff., etwas zu der jetzigen Rede Jefu hinzu, was streng ge- nommen erst bei der Rückkehr der 70 Jünger von ihm gesagt worden ist (Luk. 10, 17 ff.) und dort noch in an- derem Zusammenhange steht. Es ist dies jedoch auch hier kein eigenmächtiges, willkitrliches Verfahren, vielmehr hat ihn der Geist Gottes dabei geleitet: nachdem er ein- mal in V. 20 ff. mit dem 6. Kap. bei Iesaias in Zu- sammenhang getreten und auf das Gericht der Ver- stockung im 9. u. 10. Verse dieses Kapitels mittelbare Beziehung enommen, mußte er auch noch das in V.13 von dem » eiligen Samen« Gesagte in seiner Erfüllung Einladung an die Mühseligen und Beladenen 157 aufzeigem Hatte er denn so im Geiste die 12 Jünger wieder bei Jesu, so konnte er in Kuh. 12, 1 ff. sie mit Jesu durch die Saat am Sabbath gehen lassen, ohne nur mit einem Wort ihrer Rückkehr zu gedenken; und wiederum, hatte er in Kap. 12 u. 13 eine Reihe von Begebenheiten erzählt, bei denen die Zwölfe in Jesu Umgebung sich befanden, so wäre es für den Leser ver- wirrend gewesen, hätte er in Kap. 14, 13 der Rückkehr derselben nachträglich gedenken wollen. Der vorliegende Abschnitt vertritt bei ihm die Erwähnung dieser Rück- kehr: sie ist mehr ideal als real, mehr pragmatisch tief als chronologifch richtig. —- ") Wer kann’s dem HErrn verdenken, daß er die wieder verachtet, die ihn verachten,. und daß er denen sein Licht nicht aufdringt, die es nicht verlangen noch es der Mühe werth schätzen, ihm ein gutes Wort darum zu geben? Wer kann’s ihm ver- denken, daß er die nicht würdigt, seinen Sohn in ihnen zu verklären, in deren stolzen Augen dieser sein großer Sohn ein so kleines und verachtete-s Lichtlein ist, nnd die sich nicht eher nach ihm umsehen noch seinen Namen nennen, bis der Tod ihnen auf der Zunge sitzt und ihr gelehrter Hochmuth in den Staub der Verwesung sinkt? Wer kann’s ihm verdenken, daß er die ihrer eignen Klugheit überläßt, die sich so weise zu sein dünken, daß sie Gott selbst in seiner Weisheit meistern, sein Wort tadeln, seine Sacramente höhnisch durchziehen, seine Heilsordnung verspotten können, nnd die sich einbildeu, daß sie sich Gott detn HErrn in der Regierung der Welt so nothwendig gemacht hätten, daß er ihrer keinen Augenblick entbehren könne? (Rambach.) 28. fund nun, im Bewußtsein dessen, daß er der einige Mittler sei zwifchen Gott und den Menschen V. 27; I. Tim. Z, 5., der einige Frie- densbringer und Helfer zur Seligkeit, und voll brünstigen Verlangens, sie alle, die der Vater ihm gegeben, des ewigen Lebens theilhaftig zu machen, gleich- sam feine Arme ausbreitend, um sie aus der Welt an sich heranzuziehen, wie eine Henne versammelt ihre Küchlein unter ihre Flügel Kap. 23, 37., rief er in die ihn umgebende Volksmenge hinein« :] Kommet her zu mir kstatt daß ihr bisher zu den Pharisäern und Schriftgelehrten gegangen seid und Gerechtigkeit und Seelenfrieden in des Gesetzes Werken gesucht habt] alles« die ihr mühselig nnd beladen seid [indem ihr es wohl fühlet, daß die Satzungen des Gesetzes und noch weit mehr die der Pharisäer nur eine schwere, unerträg- liche Last sind Kap. 23, 4., mit der ein nach Seligkeit verlangendes Herz sich vergeblich abmüht und die ihm nichts als das ganze oolle Bewußt- sein feiner Schuld und seines Elends einbringt Röm. 7, 7 ff.], ich swie ich in Jes. öd, 1 f.; Jer. 31 , 25 schon unter dem alten Bunde ver- sprochen habe] will euch sdurch Darreichung meiner Gerechtigkeit und Mittheilung meines F2edens] er- quicken sdaß ihr auf einmal frei auf thmen und euch im Vollbesitz dessen erblicken sollt, was ihr vordem mit eigener Arbeit umsonst gesucht und bei euren bisherigen Meistern und Lehrern nicht ge- funden Apoftg..13, 38 f.; Röm. 8, 1 ff.]. 29. Nehmet [denn an Stelle des Joches, mit welchem ihr solange über euer Vermögen, es auch zu tragen, beschwert gewesen] aus euch mein Joch [indem ihr euch meiner Zucht und Leitung, meiner Herrschaft und Regierung mit Freuden und von ganzem Herzen unterwerfet], und lernet von mir sindem ihr euch in meine Jüngerschaft begebet — ihr werdet es da anders haben als bei- euern vorigen Meisiern und Führern]; denn ich bin s anftmilthig swährend jene in ihrer Herrsch- sucht ungebührlich hart mit euch verfahren sind Apostg. 15, 10]- und von Herzen demüthig swährend jene nur demüthige Gebet-den annahmen, innerlich aber von der ärgsten Eitelkeit und Hof: farth wie besessen waren Joh. 7, 49], so werdet ihr [weil es eben ein sanftmiithiger und von Herzen demüthiger Herr und Meister isi, in dessen Jünger- schaft ihr euch begebet L. Con 10, I] Ruhe fin- den für eure Seelen [Jer.6,16., als die ihr nun nicht mehr unter dem Zuchtmeisien dem Gesetz Gal. 3, 23 ff» und nicht mehr unter den Treibern, den Pharisäern und Schriftgelehrten Sach. 10, 4 seid]. 30. [Ruhe für eure Seelen aber werdet ihr in Wahrheit und für immer bei mir finden, nicht neuen Druck und neue Bürde.] Denn meiu Joch sdas ich in den Geboten meines Mundes meinen Jüngern auflege] ist s anst [nirgend zu enge nnd nirgend zu weit, sondern bequem sich an- schließend und dem eigenen inneren Herzensdrange eines· vou meinem Geist Erfüllten entsprechend l— Joh. 5- 3], und meine Last sdie ich in dem, mit meiner Nachfolge verbundenen Kreuz Kap. 10, 38 zu tragen gebe] ist leichtspk [weil ich in dem Zuspruch meines Geistes 2· Cor. 1, 5 und in der Stärkung durch meine Kraft 2. Cor. 12, 9 selber Eil; Hände mit unterlege und das Kreuz tragen e e . l U) Aus dem innigen Herzensgespräche mit Gott er- gießt sich der Strom der Liebe gegen die.arme, ihm übergebene Menschheit; wahres Gebet erzeugt, belebt die Liebe. Rede oft dich aus mit Gott, nnd dein Herz wird sich erweitern, läutern. (Heubner.) — W) Jn die- sem »alle« sollst du dich auch einschließen und nicht ge- denken, daß du nicht darein gehörest; du sollst nicht ein ander Register Gottes suchen. (Melanchthon.) Ach ja, wer wäre es nicht——mühselig und beladen? Was uns alle und was uns am meisten drückt, das ist die Sünde. Du, der du es nicht weißt, nicht wissen willst, gehe doch in die geheime Geschichte deines erzens und Lebens und denke dabei an den großen ichter, der Augen hat wie Feuerflammen und auch das steht, was im Finstern und im Rath des Herzens verborgen ist: du wirst merken, daß deine Sünde über dein Haupt geht und wie eine schwere Last auf dir liegt. Und ob du’s merkst und verstehst, oder nicht —- sie drückt dich doch: sie ist’s, die dir den Unmuth, den Unfrieden, die Schwere und Schwiile des Gemüths bereitet, wovon du oft keine Ursache weißt; sie drückt dich so tief nieder, daß du nicht wohl aussehen kannst zu deinem Gott und seinem Himmel. Es drückt uns auch sonst noch so viel, vor der Welt und im Stillen, mancherlei Widerwärtig- keit, Trübsal und Elend dieser Zeit: es ist eigentlich das ganze Erdenleben ein Druck, und insofern nur gut, daß 158 Evangelium Matthäi 12, I. es aufhört; und doch fühlen wir die Wandelbarkeih die Vergänglichkeit desselben wieder als Strafe, wie Moses in Pf. »O, 7 f. klagt. Wie mühselig und beladen von innen und außen schleppt sich der Mensch dahin, der arme Mensch, zu einem dunklen Grab nnd zu einer ernsten Thür, die in den Richtsaal Gottes führt. (Redenbacher.) esse) ,,Ruhe der Seele, das köstlichste aller Güter, kann nicht sobald erlangt werden, wie das, was die müde Seele erquickt; wenn es zu diesem nur des Kommens zu Jesu bedarf, so wird zu jenem erfordert, daß man sich als Schitler und Nachfolger in seine Schule und Zncht begebe, oder sein Joch auf sich nehme und von ihm als dem einzigen Meister lerne. Was aber vor allen Dingen zu lernen ist, was gelernt sein muß, ehe man zu wahrer, voller, bleibender Ruhe der Seele gelangen kann, und was man in seiner Schule nicht so sehr aus Worten, als aus der Ansicht des Meisters und seines ganzen Wesens und Lebens, an und von ihm selbst lernen oll, das deutet er an, wenn er sagt: »ich bin sanftmitthig und von Herzen demüthig« Sanstmuth und Demuth sind die beiden großen Erfordernisse zur Ruhe der Seele, nnd so ist ohne wahre Heiligung keine Ruhe der Seele möglich; als Ermuthigung aber, sich seiner Zucht und Leitung zu überlassen und nicht zu fürchten, daß er uns, alte Lasten abnehmend, neue wie- der auflade, und daß das Lernen der Sanstmuth und Demuth des Herzens etwas Widriges sei, daß er auch dies Schwere und der zornigen und stolzen Natur Bittere den Seinigen erleichtern und versüßen könne, fügt er hinzu: »Mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht.« Haben wir gleich aus der einen Seite uns überzeugt, daß der ganze Abschnitt in V. 20—27 eine Rede Jesn aus etwas späterer Zeit enthalte, für die Matthäus dort keinen Raum hatte, weil er überhaupt die Geschichte von der Aussendung der 70 Jünger übergangen oder viel- mehr mit der Aussendung der 12 Apostel zu einem Ganzen verbunden hat (Luk.10, 1 ff.), und dürfte demgemäß nun auch der Abschnitt in V. 28— 30 ein Wort des HErrn sein, das ursprünglich nicht von ihm gerade im Zusammenhange mit der Geschichte von der Gesandtschaft des Täufers gesprochen ist, sondern viel- leicht erst bei Gelegenheit der Wanderung, von der in Kap. 12, 15—21 die Rede sein wird; so müssen wir doch auf der andern Seite auch hier wieder die göttliche Weisheit bewundern, die den Evangelisten bet dieser Anordnung und Zusammenstellung geleitet hat. Offen- bar findet im vorliegenden Abschnitte eine Bezugnahme auf Sach. 10, Z ff. statt; in Katz. 9, 36 trat die Be- zugnahme in den Worten: »verschntachtet und zerstreuet wie die Schafe, die keinen Hirten haben,« dentlich zu Tage, aber auch hier ist die Beziehung auf »die Ecken, Nägel, Streitbogen und Treiben die alle von ihnen wegkommen sollen«, nicht zu verkennen, so daß also der Gesammtinhalt von Kap. J, 35 —- 11, 30 sich zu einem in sich abgeschlossenem von einem güldenen Faden durchs zogenen Ganzen abrundet. Auch wo St. Matthätts nicht ausdrücklich prophetische Stellen des alten Testa- ments in ihrer Erfüllung durch Jesum Christum nach- weist, ist sein Evangelium doch durchweg so gehalten, daß wir überall in dem Propheten on Nazareth den- jenigen erkennen, auf den alle ProFLheten hingewiesen und dessen Gestalt sie zum Voraus s deutlich gezeich- net haben, daß seine nunmehrige Erscheinung im Fleisch gar nicht zu verkennen ist, wo naht» das Herz sich ab- sichtlich gegen ihn verschließt, und dieses absichtliche Sichverschließen und böswillige Sichverhüllen zeigt sich dann in Kap.12. Schließlich sei noch darauf hinge- wiesen, wie trefslich die Worte in V. 28 ff. in ihrer unverkennbaren Beziehung auf V. 3 dieganze Geschichte in V. 2——30 absehließem Das 12. Kapitel. Christi Rede mit den Pharisäern. I. V. 1——3. (§. 50.) Der Evangelist greift hier einige Zeit über das, wag aus die Sendung des Johannes unmittelbar nnd zunächst gefolgt ist, hinaus und versetzt ung sogleich in diejenigen Vorgänge, welche an zwei Sabhathett der Osterwoche geschehen und an welche dann die im engen Zusammenhang damit stehenden sitt) ange- schlossen haben, nm erst später (in Kur. 14) da:- einst- weilen Uebergangene nachzuholen. Er hat dazu seine Gründe, die wir hernach werden kennen lernen; hier alter legt er die Geschichte vom Jlehrenattsransen der Iünger am Wocheusabbath der Osterzeit zur Betrachtung um: vor. Vgl. Mark. L, 23—28; kalt. is, 1—5.) l. Zu der Zeit [etwa 17 Tage später, als die im vorigen Abschnitt erzählte Begebenheit vor- fiel, nachdem inzwischen Johannes der Täufer ent- hauptet worden, die Zwölfe zu Jesu zurückgekehrt waren, der HErr aber mit ihnen an das östliche Ufer des Sees Genezareth sich zurückgezogem dort die 5000 Ptann gespeist, nach der Heimkehr in der Schule zu Kapernaum gelehrt und nun von hier aus einen Ausflug in das umliegende Land Genezareth unternommen hatte Kap. 14, 1—36] ging Jesus [indem er, in Chorazin V. 9 Anm. an- wesend, nach beendigtem Gottesdiensteinen Spazier- gang im Freien machte] durch die Saat sdnrch die in dieser Zeit — am 23. April des J. 29 n. Chr. — der Ernte schon entgegcngereiften Gerstenselder 3. Mos. 23, 17 Anm.] am Sabbaths [an dem Sonn- abend der, in dem genannten Jahre vom 18.-— 24. April reichenden Osterwocha s. die Tabelle in den Schlußbem zum 1. Maccabäerb Nr. 4 Zus.]; und seine Jünger waren hungrig, fingen an swie ja die jüdischen Rechtsverhältnisse dies ausdrücklich gestatteten o. Mos. 23, 25], Achren auszuraufen, Und aßentt [indem sie die mit den Händen aus: geriebenen Körner zur Stillung ihres Hungers ver- wendeten]. it) Im Grundtext steht hier und in Mark. 2, 23: ,,an den Sabbathen« was uns offenbar in einen Zeitabschnitt hineinweist, wo mehrere Tage nacheinander sabbathlich gefeiert werden mußten; da nnn einerseits das Getreide noch aus den Halmen steht, andererseits aber doch schon reif genug ist, um zur Stillung des Hungers verwendet zu werden, so läßt sich unter diesem Zeitabschnitt nur die Osterwoche verstehen, welche in allen denjenigen Jahren, wo der LOstertag (15. Nisan) weder auf einen Sonnabend noch auf einen Sonntag fiel, drei sabbathliche Tage enthielt, nämlich außer dem 1. nnd 7. Ostertage, denen beiderseits Sabbaths- character zukam (’2. Mos. 12, 16), auch den dazwischen liegenden Wochensabbath Das Jahr 29 nach Chr» in welches nach unserer Berechnung die vorliegende Begebenheit fällt, war ein solches Jahr; der lste Ostertag (15. Nisan = 18. April) war da ein Montag, und der 7. Ostertag (·2l. Nisan = 24. April) demge- mäß ein Sonntag, zwischen beiden aber fiel auf den 20. Nisan ('23. April) ein Sonnabend oder Wochensabs bath. Daß nun dieser Wochensabbath, der mittlere von den drei Sabbathtagen der Osterzeit, gemeint sei, geht Der Jünger Aehrenausraufen am Sabbath. 159 deutlich aus dem in Luk. 6, I gebrauchten Ausdruck: ,,am zweitersten Sabbath« hervor; Luther hat ihn mit ,,Aftersabbath« übersetzt und erklärt sich darüber folgendermaßen: ,,Gleichwie wir den Dienstag nennen den Aftermontag, also nenneten die Juden den andern Tag nach dem hohen Sabbath den Afterfabbath, wie das aus Matth. 28, 1 wohl zu nehmen ist.« Luther richtet sich da nach der Deutung, welche die Kirchen- väter dem nur an jener Stelle bei Lukas vorkom- menden Ausdruck gegeben haben, wobei aber der be- treffende Sabbath nur als der zweite von zwei un- mittelbar aufeinanderfolgenden Sabbathen, der darum auch geringere Würde gehabt habe als der vorangehende erste oder hohe-Sabbath, aufgefaßt wird, ohne daß damit sachgemäß erklärt wäre, warum er gerade der zweiterste heißt. Die richtige Deutung dagegen hat erst nach Luther’s Zeit der berühmte Chronologe Scali- ger gegeben, indem er auf die Stelle 3. Mos. 23, 15 zurückging. Nach der daselbst gegebenen Vorschrift näm- lich sollten die Juden, um den Tag des Wochenfestes oder Pfingsten zu bestimmen, zählen vom and ernTage des Sabbaths, da sie die Webegarbe brachten, d. i. vom Its. Nisan, sieben ganzer Sabbathe bis an den andern Tag des siebenten Sabbaths; der ,,zweiterste« Sabbath nun ist der erste von diesen sieben, vom zweiten Tage des Osterfestes an gezählten Sabbathen, welcher eben, wie oben gesagt, im J. 29 n. Chr. auf den 20. Nisan (23. April) fiel. Statt dieser Deutung ist außer vielen andern noch eine versucht worden, die neuerdings na- mentlich von Wieseler vertheidigt wird und auch sonst Beifall gefunden hat: es sei der erste Sabbath im Kirchenjahr, welches mit dem Monat Nisan seinen Anfang nahm, zu verstehen, der zweiterste aber werde er darum genannt, weil das betr. Jahr das zweite im Cyclris der betr. Sabbathperiode war; die Juden hätten nämlich, wie schon das Orakel von den 70 Jahr: wochen in Dan. 9, 24 ff. beweise, den Zeitraum von je 7 Jahren zu einer Sabbathperiode oder Jahrwoche verbunden, und nun wäre der erste Sabbath im ersten Jahr einer solchen Periode der erst-erste, der erste Sab- bath im zweiten Jahr der zsveiterste Sabbath ge- nannt worden. Wenden wir diese Deutung auf das Jahr 29 n. Chr. an, in welches auch nach Wieseler unsere Begebenheit fällt, so war allerdings, da mit dem Herbst 26 bis dahin 27 eine Sabbathperiode schloß und mit dem Herbst 27 bis dahin 28 eine neue Jahrwoche begann, die Zeit vom Herbst 28 bis dahin 29 das zweite Jahr dieses Cyclus; und wir hätten nun bei dem zweit- ersten Sabbath an den ersten Sabbath im Monat Nisan dieses Jahres, d. i. an den G. Nisan (= 9.· April) zu denken. Indessen erheben sich doch sehr gewichtige Be- denken gegen diese ganze Erklärung. Wir wollen kein Gewicht darauf legen, was Ebrard bemerkt: »wer wird doch bei einem Theil eines an sich so großen Zeit« abschuittes, wie ein Jahr ist, nebenbei auch noch darauf reflektiren, der wie·vielste.Abschiiitt im JVerhältniß einer noch größeren Periode dieses Jahr sei?«· denn dieser Gelehrte verwechselt dabei die Sabbathperiode mit der Jubelperiodq wenn er fortfährt: »wer wird, mit an- dern Worten, die Reihe der einzelnen Sabbathe über ein Jahr hinaus uiid durch»49 Jahre fortzählen, so· daß schließlich ein neunundvierztgst - zweinndfünfzigster Sabbath gezählt würde?« Bei der so großen Wich- tigkeit eines Sabbathcyclus für Israel wäre es wohl denkbar, daß man, um mit demselben stch beim Anfang jedes neuen Kirchenjahrs auf’s Neue in Beziehung zu setzen, dem ersten Sabbath nach der Nummer, die dem Jahre in diesem Cyklus zukam, eine nähere Bezeichnung beigefügt hätte; allein es bleibt ja doch eine gar üble Vermengung des kirchlichen mit dem bürgerlichen Jahre, die nun da zu Tage tritt. Das, worauf sich in dem Ausdrnck ,,zweiterster Sabbath« die Sylbe zweit be- zieht, wäre im vorliegen Falle das vom 1. Tisri (9ten September) 28 bis dahin 29 n. Chr. reicheude bür- gerliche Jahr, während der andere Theil des Worts: erster, den ersten Sabbath in dem Kirchenjahr vom I. Nisan (4. April) 29 bis dahin 30 meint. Außerdem müssen wir bei dem, was schon zu Kap. 5, 1 bemerkt, stehen bleiben, daß wegen des Verbots in B. Mos. Es, 14 jede Berechnung falsch ist, welche unsre Gefchichte in eine Zeit vor dem 16. Nisan, dem Tag der Darbrin- gung der Webegarbe, verlegt; damit, daß man behaup- tet, der von Luther mit ,,Korn« übersetzte Ausdruck des Grundtextes sei noch so zweifelhafter Auslegung, daß man aus jener Stelle keinesweges schließen dürfe, das Aehreuraufen und Geiiießen der Körner sei ebenfalls vor jenem Tage verboten gewesen, sucht man nur die Schwie- rigkeit zu umgehen, während Andere sich damit zu hel- fen suchen, daß sie in Luk. S, 1 das ,,zweiterfte« ganz aus dem Texte hinwegschaffen, weil in einigen Hand- schriften es fehlt. Nun aber erhebt sich gegen die oben - von uns gegebene Erklärung« allerdings eine nicht un- bedeutende Schwierigkeit in sofern, als bei allen 3 Evan- gelisten (vgl. die Tabelle auf S. 53) die Gefchichte vom Aehrenraufen bedeutend früher erzählt wird, als die von der Speifung der Fünftausend, welche nach Joh. S, 1 ff. spätestens am Tage vor dem Fest der süßen Brode (l4. Nifan) sich zugetragen hat: damit, so scheint es, befinden wir uns im offenbaren Widerspruch, wenn wir die in Rede stehende Gefchichte erst auf den 20sten Nisan, also 6 Tage später verlegen. Daß indessen die Evangelisten in dieser ganzen Partie nicht nach der stren- gen Zeitfolge erzählen, geht ichon daraus hervor, daß nach-Mark. 6, 30 . u. Luk. 9, 10 ff. die Rückkehr der Zwölfe von ihrer Gefandschaft erst unmittelbar vor der Speisung der Fünftausend, also am 13. oder 14. Nisan, erfolgt ist; gleichwohl sind sie in unserer Gefchichte wie- der bei Jesu, so verkehrt aber werden wir doch den Verlauf der Begebenheiten nicht chronologisch ordnen wollen, wie Wieseler gethan, nach welchem die Jünger nur einen einzigen Tag mit Ausrichtung ihrer Sendung zugebracht hätten. Vielmehr ist bei allen sEvangelisteii nicht die geschichtliche Zeitfolge das unbedingt Maß- gebende für ihre Erzählungsweise, sondern es hat da ein jeder feinen eigenen Gang, je nachdem er dem Plane seines Werkes entsprach. Welchen Gang Markus und Lukas befolgen, werden wir seiner Zeit bei der Erklä- rung derselben uns klar zu machen haben; für jetzt han- delt es sich um die Aufeinanderfolge der Begebenheiten bei St. Elliatthäuxsk Gerade von diesem Evangelisten läßt stch ani ehesten voraussehen, daß er, bei aller Frei- heit im Einzelnen, dennoch im Großen und Ganzen sich an die chronologische Ordnung gebunden habe, gleich- wie dies auch Johannes im vierten Evangelio gethan: beide , Matthä1is und Johannes, sind ja Augen- und Ohrenzeugen dessen, was sie erzählen, gewesen, während die 2 mittleren, Markus und Lukas, nur berichten, was sie von Andern empfangen haben; iiicht umsonst auch hat es der HErr der Kirche so gefügt, daß diese beiden Evangeliften in der Reihenfolge der kanonischen Bücher die aiidern beiden in die Mitte nehmen und nun gewiß auch für diese die Richtschnur abgeben, wie wir die Ab- folge der einzelnen Begebenheiten zu ordnen haben. Und so erzählt denn auch wirklich St. Matthäus in dem ganzen, von Kap. 12, 1 — 14, 36 reichenden Abschnitt der Hanptsache nach chronologisch richtig, nur daß bei einer ganz strengen Chronologie das 14. Kapitel vor- ausgehen sollte und darnach erst Kap. 12 u.13 fol- gen würde, außerdem aber in Kap. is, 1——52 zwei zeitgeschichtlich verschiedene Gleichniß-Predigten Jesu in 160 Evangelium Matthäi I2, 2—6. Ein Ganzes verarbeitet sind. Ueber letzteren Punkt haben wir uns schon anderwärts ausgesprochen, und werden später darauf zurückkommenx was aber die Vorausnahme der Kap. 12 u. 13 vor Kap. 14 betrifft, so daß der Inhalt des letzteren, statt, wie es die Chronologie er- fordert hätte, mit seinem Anfang an Kap. 11 angegügt zu sein, vielmehr mit seinem Ende in die nnmittel are Nähe von Kap. 15 gerückt ist, so scheint dies in folgen- den Umständen seinen Grund zu haben. Jn Kap. 15, I ff. kommen die Schriftgelehrten und Pharisäer von Jerusalem zu Jesu, ihn darüber zur Rede sehend, daß er mit seinen Jüngern die Aussätze der Aeltesten über- trete. Dies, daß jetzt geradezu eine Commission eigens von Jerusalem nach Galiläa wider den HErrn abgesen- det wird, nachdem vor etwa einem halbe1i Jahre nur etliche Schristgelehrte von dort dahin abgegangen waren, die dasigen Pharisäer in ihren Beobachtungen zu unter- stützen und zu leiten (Kap. 9, 2 Anm. 1), muß« seine besondere Veranlassung gehabt haben; die Veranlassung liegt aber ohne Zweifel darin, daß durch die Festpilger, die nach Jerusalem aus’s Osterfest gekommen waren, dort eine gewisse Aufregung unter dem Volke umso mehr sich verbreitet hatte, als ja die in Kap. 10 aus- gesendeten Jünger sich vorzugsweise mit den Festpilgern zu schaffen machten. Die Aufregung wird eine ähnliche gewesen sein, wie die in Joh. 7, 40 ff.; 9, 16; 10, 19 ff. beschriebenenz die nun Jesu abgeneigt waren, hatten bei ihrem Berwerfungsurtheil wohl auch geltend gemacht, wie sie an seinen Jüngern bemerkt hätten, daß dieselben mit gemeinen oder ungewaschenen Händen das Brod äßen (Mark. 7, 2 ff.), also an die Aussätze der Aeltesten sich nicht kehreten, und dies war denn die Hand- habe für den Hohenrath, eine Untersuchung wider den galiläischen Propheten einzuleiten, für diesen Zweck aber mußte erst eine Beobachtungs-Deputation nach Galiläa entsendet werden, weil Jesus im J. 29 nicht selber aus das Osterfest in Jerusalem sich einfand, sondern unter- dessen seine Wirksamkeit in Galiläa fortsetztm Jn dieser seiner Wirksamkeit während der Osterzeit nun zeigt ihn das 14. Kapitel in dem von V. 13—36 reichenden Theile und bereitet so besser auf Kap. 15, 1-—20 vor, als wenn nach chronologischer Ordnung dies Kap. zum 12. Kapitel gemacht und dann Kap. 12 u. l3 als Kap. 13 u. l4 dazwischen getreten wäre. Wir können in- dessen noch einen anderen, tieferen Grund für« die Er- zählungsweise des Evangelisten anführen. Mit Kap. is, l ff. spitzen sich die Ereignisse auf den Abschluß der Wirksamkeit Jesu in Galiläa zu; der HErr wird von nun an aus der Gegend, in welcher er ein volles Jahr thätig gewesen, Schritt ftir Schritt von den ihn ver- folgenden Widersachern herausgedrängtz daß er bald in die Gegend von Tyrus und Sidon, bald in das Herr- schaftsgebiet des Philippus jenseits des galiläischen Meeres sich zurückziehen muß (Kap. 15, 2l — 18, 35), bis er schließlich ganz und gar aus Galiläa sich erhebt (Kap. ist, l ff.), um darnach hinauf gen Jerusalem zu ziehen und dort den Kreuzestod zu erleiden (Kap. 20, 17 fs.). Er macht da, wenn auch mehr in geistiger als auf leib- liche Weise, das Schicksal seines Vorläufers Johannes durch, den vormals der Vierfürst Herodes aus seiner Wirksamkeit herausgerissem gebunden und in’s Gefäng- niß gelegt hat, um zuletzt ihn mit dem Schwert abzu- thun. Aber nicht ist es wieder der weltliche Arm des Herodes, der auch gegen Jesum sich erhebt, denn der- selbe ist gelähmt durch die Furcht vor diesem Jesu als vor einein von den Todten auferstandenen Johannes; vielmehr ist es nun die geistliche Behörde Jsraels, die ihr Werk an Jesu beginnt, um nach Vollbringung desselben vor der wirklichen Auferstehung des Gekreuzig- ten sich zu fürchten (Kap. 27, 62 fs.). Von diesen Ge- sichtspunkten aus kann es nur als eine sehr zweckmäßige Anordnung erscheinen, daß das 14. Kap. auch nach seinem Anfange (V. 1—-12) den mit Kap. 15 sich anbahnendeii Eretgnifsen so unmittelbar, und nicht erst noch durch den Jnhalt von Kap, 12 u. 13 davon getrennt, voraus- geht. Schließlich aber gewinnt nun auch alles das, was in Kap. 12 und 13 vorliegt, eine angemessene Be- ziehung zu den Worten in Kap. 1l, 28 ff.; »Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig nnd beladen seid, ich will euch erquicken u. s. w.« Welche kffreundlicha hold- selige, lieblich einladende Stimme! Wa rlich, man sollte glauben, sie hätte müssen zu Herzen dringen und ganz Jsrael hätte die Zeit erkennen müssen, darinnen es heimgesucht ward! Es hat sie aber uicht erkannt; seine Obersten, die Pharisäer und Schriftgelehrten hielten die Herzen im Bann mit ihrer Heuchelei und schlossen das Himmelreich zu vor den Menschen, damit auch Andere nichthineinkämem gleichwie sie selber nicht hinein wollten. Dies wickelt sich vor unsern Augen ab in den drei Ge- schichten des 12. Kapitels Jn Kap. 13 hören wir dann weiter, warum so wenig Frucht des Wortes Gottes, das doch so viel gepredigt wird, und warum so schlech- ter Erfolg der göttlichen Heilspredigh auch wenn der Sohn Gottes selber der Heilsprediger ist; in Gleichnissen wird es veranschaulichy nnd die Aufnahme, welche der HErr auch bei seinem zweiten Besuche in Nazareth sin- det, giebt eine merkwürdige Illustration zu dem, was die Gleichnisse haben sagen wollen. So, meinen wir, hat die Rücksicht auf die Sachordnung unsern Evange- listen bestimmt, die Zeitordnuiig in etwas fallen zu lassen und seiner Erzählung eine etwas andere, als die durch die Chronologie gebotene Aufeinanderfolge zu geben. IV) ,,Jesu Wege am Sabbath waren wohl nicht immer Reisen von einem Ort zum andern, es waren auch wohl eigentlich so zu nennende Spaziergänge mit den Jüngern, wo die allgemeine Ruhe von der Arbeit und das unbefangene, stille Anschaun nnd Genießen der Natur für die Mittheilnng der Wahrheit von ihm be- nutzt wurde: ein solcher Gang durch die Saat, zur fro- hen Feier des Sabbaths, mochte auch der sein, dessen dieser Abschnitt erwähnt.« Für gewöhnlich pflegten die Juden vor dem Frühgebet keine Speise zu sich zu neh- men (Apostg. 2, l5); wenn nun anch von solcher Regel der Sabbath eine Ausnahme machte und es sogar für Verdienstlich galt, an diesem Tage dreimal zu speisen, so mochten doch die Jtinger bis zum Gottesdienst nüchtern geblieben sein, unmittelbar nach demselben aber muß der Spaziergang erfolgt sein, weil die Pharisäer nach dem folgenden Verse sofort zur Hand sind, um ihren Vor- wurf wider das Aehrenraufen am Sabbath geltend zu macheir. Diese waren allem Anschein nach dem HErrn Jesu uachgegangem als er aus der Shnagoge hinaus aufs Feld ging. Daß er seinen Weg mitten durch die Saat würde nehmen (natürlich auf einem auch von Andern benutzteu, da hindurchführenden Fußsteige, nicht aber, wie einige Ausleger aus dem» Wortlaut in Mark. 2, 23 geschlossen haben, ·so, daß die Jlinger erst durch Ausraufen der Aehren ihm einen Weg hätten bahnen niüssen), konnten sie natürlich nicht voraussehen, und war daher das Aehrenraufen eigentlich nicht die Sache, auf welche sie lauerten; vielmehr wird ihr Absehen da- rang gerichtet gewesen sein, ob Jesus weiter als einen Sa batherweg ("2000 Schritt, e. V« d. Meile: Z. Mos. 19, 37 AnmJ gehen würde, womit er die Aufsätze der Aeltesten würde übertreten und ihnen den Anlaß zur· Klage dargeboten haben. Dagegen nun scheint der HErr, der vielleicht in Beziehung auf den Sabbatherweg die Aufsätze der Aeltesten ihrer biblischen Grundlage in 2. Mos. IS, 29 wegen gelten ließ (Apostg. I, 12; Luk. 24, 50), absichtlich den Weg durch die Getreidefelder Der Pharisäer Anklage gegen die Jünger bei Jesu. 161 eingeschlagen zu haben, nicht nur um den hungrigen Jüngern Gelegenheit znr Stillung ihres Bedürfnifses zu bieten, fondern auch mit den Widersachern den Kampf, zu dem fie sich geriistet hatten, wirklich, wenn auch auf einem andern Gebiete, auszukämpfen und vor ihnen ein Zeugnis; der Wahrheit abzulegen. Was das Aehren- pfliicken betrifft, so pflegen die Araber noch jetzt, wenn fie— hungrig durch die Felder gehen, es als selbstverständ- liches Recht zu betrachten; nach pharisäischer Lehre aber entschuldigte selbst der Hunger nicht das Aus-raufen auch nur eines einzigen Kornes in den beiden Fällen — ein- mal, wenn das Getreide noch chodesoh oder heilig, d. i. wegen noch nicht erfolgter Darbringung der Erstlings- garbe für den gemeinen Gebrauch noch nicht zulässig war, und sodann, wenn es am Sabbath geschah. Mai- monides (in sabbat c. 7 u. 8) erklärt: »Wer am Sabbath Getreide erntet, sei es auch nur soviel, als eine Feige ausmacht, verfällt in die Schuld; Aehren ausreißen ist aber eine Art Ernte, wer daher etwas vom Stengel brich»t, versündigt sich, als ob er einerntete.« Und auch Philo (vit. Mos. II., 657) bemerkt: »Die Sab- bathruhe soll fich nicht blos auf die Menfchen, Knechte wie Freie, und auf die Thiere, sondern auch auf die Bäume und Gewächse erstrecken; es ist also gesetzlich nicht erlaubt, eine Pflanze, einen Zweig oder auch nur ein Blatt am Sabbath abzuschneiden« 2. Da das [dies Aehrenraufen von Seiten der Jünger] die [auf der Lauer stehenden] Pharisaer sahen, sprachen sie [die Gelegenheit, ihren gegen den Meister schon in Bereitfchaft gehaltenen Vor- wurf der Sabbathschänderei nun an den Mann bringen zu können, begierig ergreifend] zu ihm: Siehe, deine Jünger thun smit solchem, in das Gebiet der Erntearbeit fallenden Vornehmen], das sich nicht ziemt am Sabbath lfür den ja alles Ar- beiten schlechterdings verboten ist 2. Mos. 20, 9 ff] zu thun. 3. Er aber [in die Schrift greifend, um ihnen zu beweisen, daß schon im A. T. die Befriedigung augenblicklicher Nothdurft für höher und wichtiger er- kannt worden fei, als die äußerliche Beobachtung einer cerimonialgefetzlichen Satzung] sprach zu ihnen: Habt ihr [in der Stelle 1. Sam. 21, 1- 6] nicht gelesen, was David lauf seiner Flucht vor Saul] that, da ihn, und die mit ihm waren, hungerte? 4. Wie er snämlichj in das Gotteshaus [die damals zu Nobe befindliche Stiftshiittej ging [bei dem Hohepriester Ahimelech und dessen Sohn Ab- jathar Zuflucht suchend] und aß lnicht blos mit Ge- nehmigung, sondern sogar auf eigene Veranlassung des Hohepriesiers, weil sonst kein ander Brod zur Hand war] die Schaubrode, die ihm doch [nach der Vorschrift in Z. Mos. 24, 9 — die »in unsern gewöhnlichen Bibelausgaben hier angezogene Stelle L. M. 29, 33 bezieht sich nicht auf die Schau- brode] nicht ziemten zu essen, noch denen, die mit ihm waren, sondern allein den Priestern? sWenn nun in diesem Falle die Noth des Augenblicks von einem ausdrücklichem fiir gewöhnliche Lebensverhälk nisse erlassenen göttlichen Verbot dispenstrt hat, wie vielmehr sind meine Jiinger durch die näm- Däch s el’s Bibelioert liche Noth von Haus aus entbunden gewesen von der Rücksicht auf eure willkiirliche Menschen- Satzung, welche dem Sabbathsgebot eine so weite Ausdehnung gegeben hat, daß auch das Aehren- raufen nicht am Sabbath geschehen dürfe! Doch will ich darum für gewöhnliche Verhältnisse eure Satzung nicht schlechthin verwerfen Kap. 23, 3.] 5. Oder swenn ihr etwa meinen solltet, eine Noth liege hier nicht vor, ich hätte ja mit meinen Jüngern können zu Haufe bleiben oder diese hätten können wieder nach Hause gehen, wenn der Hunger seine Rechte geltend machte, um dort ihr Bedürfniß zu stillen, so frage ich weiter:] habt ihr nicht ge- lesen im Gesetz san alle den Stellen, wo von den Amtsverrichtungen der Priester die Rede ist], wie die Priester am Sabbath fwenu fie an diesem Tage mehr als an jedem andern 4. Mos. 28, 9 f. mit Besorgung der Opfer und ihren sonstigen Geschäften zu thun haben] im Tempel [damit diesem sein Recht widerfahreJ den Sabbath [damit] brechen sdaß sie nun gerade recht ihr Werk treiben], uud sind doch [eben darum, weil es der Tempel ist, dem ihre Arbeit dient] ohne Schuld? s. Jch sage euch aber sdamit ihr verstehn, wie meine Jiinger noch viel mehr ohne Schnld, ja in ihrem allerheiligsten Rechte sind, wenn sie lieber den Sabbath brechen, wie ihr meint, statt mich zu verlassen und zu Hause sich zu sättigen], daß hie [in meiner Person] der ist, »der lals Herr des Tempels Mal. B, I] auch großer ist, denn der Tempel [und größere Ansprüche an seine Diener hat, als dieser]. . Hatte Jesus in V. 3 f. vom Größeren (von der Er- laubtheit des Schaubrodessens fiir den hungrigen David) auf das Geringere (aus die Erlaubtheit des sabbathlichen Aehrenraufens für· die hungrigen Jijnger) gesolgert, so geht in V. 5 f. seine Folgerung vom Geringerer: (uäm- lich vom Tempel, dessen priesterlichen Opserverrichtungen der Sabbathtveihe) zum Größeren (auf seine eigene, die Heiligkeit des Tempels überragende Auctoritäy über und giebt er dabei zugleich den Schltifsel zu dieser Fol- gerung. (Meyer.) Was» nun die erstere Folgerung be- trifft,szfo ist sie näher diese: David hat sogar eine aus- drlickliche cerunonialgesetzliche Satzung gebrochen; meine Jtjnger haben das nicht gethan, denn keine Satzung im Pentateuch verbietet das Aehrenraufen am Sabbath. Durste nun· David in der geistlichen Erkenntniß, welches der eigentliche Zweck jener Schaubrode-Satzung war, den Buchftaben derselben tibertreten, wie vielmehr dür- « feu meine Jiinger ihren Hunger aus eine Weise stillen, die nirgend im Gesetz verboten ist. (Ebrard.) Was da- gegen die andere Folgerung betrifft, so ergiebt fie fol- genden Gedanken: Was die fPriester am Sabbath ini Tempel thun, da sie ihre meifte Arbeit haben, das thun fie nicht auf Dispensattom nein, sie thun es auf Geheiß und Befehl des Gesetzes; und wenn sie diese Arbeiten des Gesetzes nicht thaten, so würden fie gegen das Ge- setz vom Sabbath fündigen, der Dienst des Tempels macht ihreArbeit nothwendig, und das Recht des Tem- pels autorisirt zu. dem, was für andere Berufsarten ein Sabbathsbruch sein würde. Der Tempel ist also größer uud heiliger- als der Sabbath, ja er ist auch von allem N. T. I» u 162 Großen das Größeste und von allein Heiligen das Hei- ligstex nur Einen nehmt ihr aus, der größer nnd heiliger ist als selbst der Tempel, den Hist-en, den Nkesfiasz von dem der letzte eurer Propheten gesagt hat: ,,Siehe, bald wird kommen zu seinem Tempel der HErr, den ihr suchet, und der Engel des Bandes, deß ihr begehren« Nun aber sage ich euch, daß Er, dieser HErtm der auch größer ist, denn der Tempel, hier ist, in eigener Person unter euch steht; ich, der ich mit euch rede, bin es. (Menken.) Dem Matthäus ist diese Selbfterllärttng Jesu von besonderer Wichtigkeit gewesen, nach dem ganzen Zweck seines Evangeliums, daher er sie auch mit beson- derem Fleiß angemerkt hat, während den andern beiden Evangelisten es blos um eine kurze. und biiikdige Wider- leau1tg der Pharisäer zu thun war, wie sie schon in dem Wort V. 3 f. enthalten ist. Nach diesem so deutlichen Zeugniß aus Jesu Munde thun die ungläubigen Juden schweres Unrecht, wenn sie noch immer aus den Messias warten, dagegen haben die aus den Juden gläubig ge- wordenen Christen ganz recht gethan, daß ste vom judi- scheu Tempel sich losgefagt nnd zu Christo bekehrt haben. Wenn nun die andern beiden Eoangelisten es blos bei dem ersten Rethtfertiguugsgriinde iu V. Z f. bewenden lassen, so hat die hier gebrauchte Schriftstelle vielleicht darum das hauptsächlichste Gewicht für sie gehabt, weil möglicherweise diese Stelle die Haphthare (biblische Lese- stelle aus den Propheten, ähnlich unsern jetzigen Sonn- und Festtags-Epiftelns an dem Sabbath bildete, anf wel- chen unsre Geschichte fällt. 7. Wenn ihr aber fwie ich denn schon einmal den gänzlichen Niaugel an Verständnis; dieses Grund: und Kernworteö der Schrift euch habe zum Vor- wurf machen miissen Kap. I, is] wühlet, was das sei ftvas Gott, der HErr, für dessen Ehre zu eifern ihr vorgeht, damit will, wenn et« in Hof. 6, 6 spricht: Jch habe Wohlgefallen an der Barmher- zigkeit fdie einer gegen seine Briider iibt], ttnd nicht atn Opfer sdas er g» it kaltem, selbstsilchtigem Herzen mir darbriugt]; hattet ihr fauch ohne daß es erst eines langen Besinnens auf die-e und jene Schrift: stelle, wie ich sie hier euch oorgehalten, um euch das Rechte zu lehren, bedurft hätte] die Unschul- digen lmeiue Jiinger mit ihrem durchaus schuld: losen Verhalten] nicht verdammt« ssondern das liebende, der Noth des Nächsten sich erbarmende Herz hätte von selber euch das Rechte gixlehrtf 8. lWcnn ich nun damit nochmals meine Jiinger für Unschitldige erkläre, so merket, aus was fitr Mach: iet- oas thuexs Des Menschen Sohn sfiir den ich mich schon bei einer früheren Anklage eurerseits erklärt habe Kap. 9, S] ist ein Herr« isrwie iiber den Tempel V. S, also] auch über den Sabbath" fund wird ihn, desseu Bedeutung ihr in so arger Weise tnißoersteht und mißbraucht, als sei der Piensch um des Sabbatbs willen gemacht, nicht aber der Sabbath um des Menschksn willen Mark. L, 27., in Bälde ganz abthtttu um einen andern Tag, und zwar seinen Tag Offenb 1, 10 an die Stelle zu setzen Dan. Z, St] V) Das Nichtwisfeit der Pharisäer war nicht Ver: staudesschtvädjh sondern Hcrzensverbleudung Der Neid verleitet, alles iibel zu deuten, zu tadeln; das rechte, einfäl- tige Herz lehrt uns das Wesentliche und Außerwefetttliche Evangelium Matthäi l2, 7——ll. unterscheiden, die Liebe lehrt überall das Gute sehen, die Handlungen Anderer recht denken, sie entschuldigt-n. (Heub- uer.) — W) Jn der Regel verstehtmail diefenAusspruch da- hin: »die Anctorität des Messias, unter welcher die Iiinger gehandelt haben, steht über dem Sabbathsi gest-He, letzteres ist seiner Verfügung untergeordnet nnd muß seinem Willen weichen.« Oder: »Ja) bin der HErtz deß Werk am Sabbath gethan werden soll; was daher meine Jiinger am Sabbath in ineinent Dienst am Sab- bath thun, das ist nicht Sabbathsbruch, sondern Sabbathss heiligung.« Wir ziehen jedoch vor, tvas Menkeii sagt: »Wie der HErr größer war, als der Tempel, weil er die Wahrheit u11d die Sache von alle dem, wovon der Tem- pel mit seinem heiligen Dienst nur ein Bild nnd Schat- tenwerk war, hatte nnd gab, so tvar er auch ein Herr des Sabbaths, weil er das Bild und die Verheißung einer ewigen seligen Ruhe Gottes zu verwirklicheu und zu solcher Ruhe alle, die sich thtn ergeben, hinzuführen in die Welt gekommen war. Wie das Zerreißen des Vorhangs nnd die Vertilgung des Tempels und Tempel- dienftes, um seines Blutes nnd der Erlösung willen, die durch ihn geschehen ist, von ihm zeugt als von dem, der größer ist als der Tempel, so hat er sich hernach als den Herrn des Sabbaths bewiesen, der göttliches Recht und göttliche Vollmacht über denselben hat, da er ohne alle weltliche Mann, ohne alle menschliche Anctorität und Hilfe in seiner Gemeinde es fügte, das; diese erste, älteste aller Stiftungen Gottes dahin abgeändert wurde, daß der Sabbath nicht mehr am letzten, sondern an! ersten Tage der Woche, als atn Tage seiner Auferstehung von den Todten, gefeiert wurde. Nun ist des HErrn Tag nicht mehr Tag der Feier der Welterfchasfttng und der Erinnerung des verlorenen und Hoffnung des einst wieder- zubriugenden Paradieses, vielmehr Tag der Feier und Freude über die Versöhnung und Erlösung der gefalle- nen fitndigen Welt, des wiedergeschaffenen unverwelk- lichen Paradieses, das alle denen geworden ist, die an dem Tode und der Auferstehung des HErrn Antheil haben« Vgl. das zu Katz. 28 Gesagte. II. V. 9—21. (§. 5l.) Jlm darauf folgenden Tage, rincinSotiIttage, welcher als siebente: Tag des Osiersefles einem Sciblsath gleich stand, findet Ilrsns zur Stunde des Gottcgdicnsleg in der Sxtiulc derselben Stadt sich ein, auf deren Gcireidcflstrett dar» im vorigen Klssihnitt er— ziiltltc Znsaminclttrefsctt mit den Pharisäern stcn begeben hat. Hier sindrt er einen Lklrtischeii nor, dessen kennt: Hand ocrdorrct ist, nnd nun sind eg dir plmristice selber, dir iutl ihrem arglisiigctt Bauern ihn dazu hcrctttgsordektn den täainpt wider ihre tickttrlsrte nnd isnstttlichc Salibathsi ordnung, nachdem stc gelte n wohl aus dem Felde gr- schlagcik aber sticht titncrlich überwunden worden sind, aufs llcnc anfzuttchntctk Aber dir einfache nnd erhabene Weise, wie der tjErc ihren hochgclntltrneit Ikrtlnun wider— legt, witltt tun« Erliittkrttctg bei ils-ten, daß stc anfangen tnlt einander zu ratltschlagciu wie sie ihn tsnibriitgkn robusten. Wut. Mark. Z, 1—l2; kalt. S, 6—1l.) 9. Und er ging von dannen swo er draußen auf dem Felde die Verhandlung mit den Pharisäern gehabt hatte V. 1 ssJ fürbaß lweiter vorwärts l. Sam. to, 3 Blum» ohne sich selbst in dem einmal unternommenen Spazierganze nnd die Jün- ger in dem angefangenen Aehrcnausraitfen stören zu lass n] und kam fdes andern Tages, als am 24« April a. 291 in ihre Schule tin das gottes- dienstliche Versammlungsbaus an demjenigen Orte, an welchem fette Pharisäer wohntens Wenn Matthäus hier so erzählt, als wäre der HErr noch an deinselbett Tage in diese Schule gegangen, wäh- rend doch in Luk. 6, 6 es ausdrlicklich heißt: ,,Es ge- schah aber auf einen andern Sabbath, daß er ging in die Schule und lehrete,« so liegt für unsern Evangelisteti das Recht zu der Verkniipfung dieser und der vorigen Begebenheit zu Einer fortlaufenden Geschichte innerlich darin, daß Jesus den Streit mit den Pharisäern zum Austrag bringen und, wie sie ihn zuerst auf dem Felde aufgesucht, um für ihren Vorwurf eine Gelegenheit zu erspähen, so nun seinerseits sie in ihrer Schule aufsuchen wollte, um ihre verkehrten Ansichten von der rechten Sab- bathfeier völlig zu stürzen. Die peinliche Aengstlichkeit der pharisäischeit Schule ging in dieser Beziehung über alle Vorstellung und stund kaum hinter dem Re- ligionseifer iudischer Gesetzes-heiliger zurück, die, um nicht in Gottes Weltordnuttg einzugreifen, sich lieber vom Ungeziefer fressen lassen und zu Grunde gehen wollen; wie die Schriftgelehrtett dieser Schule in Vetreff des Aehrenattsranfens nur so viel gestatteten: »wer am Vorabend des Sabbaths Kornähren zerreibt, mag sie des andern Morgens aus einer Hand in die andere schütteu und essen,« beides zugleich aber am Sabbath selber zu thun auch von dem Gesichtspunkte ans für einen Sabbathsbruch erklärten, weil das Reiben der Aehren zwischen den Händen ein Erhitzeii derselben und also eine Art des Kuchens sei, und wie sie ganz ernst- lich die Frage behandelten, ob man ein Ei, das an einem Festtage gelegt worden, am nämlichen Tage auch essen dürfe, so war es nach ihrer Lehre sogar verboten, am Sabbath in der Synagoge Almosen zu vertheilen, Ehe- geliibuisse zu vermitteln, Kinder zum Unterricht zn geben, Trauernde nnd Kranke zu besuchen (Jak. i, 27). Da kommt es nun dem Hcsjrru darauf an, da er einmal an jenem Orte weilt, dessen Namen wir hernach werden ausfindig zu machen suchen, auf dies ganze verschrobetie Lehrsystem zwei Schläge unmittelbar hinter einander zu führen, um es zu zerscheitern; daher, während er sonst aus seinen Wanderungen im Lande steh in der Regel nur kurze Zeit an ein und demselben Orte aushielt, blieb er hier auch den andern Tag und führte nun den gestern auf dem Getreidefelde begonnenen Kampf in der Shnas goge weiter. Erscheint denn schon in diesem Zusam- menhange die Ausdrueksweise des Matthäusu »Und er ging von dannen fürbaß und kam in ihre Schule« als durchaus gerechtfertigt, so dürfen wir uns nur erinnern, daß in V. l es geheißen hat: »Jesus ging durch die Saat an -Sabbathen;« damit ist gleich von vorn- herein angedeutet worden, daß es hinsichtlich des Zeit- rautns in beiden Geschichten um zwei unmittelbar auf einander folgende Sabbathe sich handelt, die aber hin- sichtlich der engen Zusanttuengelsörigkeit der Vorgänge wie zu einem einzigen Sabbath sich znsatumeuschließem Aber, so iniissen wir nun fragen, welches ist denn der Ort in Galiläa, in dessen Nähe das. Aehreitausraitfen am zweiterstett Sabbath und in dessen Schule die hier folgende Krankenheilung am andern Tage, der ebenfalls sabbathlichen Chankier hatte, vorsielenk Da nach Mark. 3, 6 diejenigen, mit welchen hernach (V. 14 bei Matth.) die Pharisäer einen Rath halten, wie sie Jesum um- brächten, Herodis Diener sind, so könnte man an Herodis Residenz atn galiläischen Meere, an die Stadt Tiberias (Kap. 4, 25 Atttn.) denken; da indessen der HErr ftch kürzlich erst, vor noch nichts Tagen, absichtlich aus dem Bereich des Herodes begeben hat, um seiner Aufmerk- samkeit sich zu entziehen, und auch nach der Rückkehr von der Speisung der Fünftausend nicht in Kapernaum sich festgesetzt, sondern bald das Land Genezareth auf- gesucht hat, um dieses zu durchwandern (Kap.14,»E3—-36), so ist es nicht wohl denkbar, daß er gerade Jetzt nach »Der? Menschen Sohn ist auch Herr— iiber«den»-Sabbath. Tiberias gekommen sein sollte, welche Stadt er über- haupt gänzlich gemieden zu haben scheint. Nun lesen wir anch· nicht, daß er jemals· in Chorazin, nach Keith’s Vermuthnug dem heutigen Kerazåh an der Nordseite des galiläischen Meeres, sich aufgehalten und ein Wunder dort verrichtet habe; gleichwohl reicht es zur Erklärung des ,,Wehe«, das er in Kap. il, 21 (Luk. l0,13) über diese Stadt als über eine von denen, in welchen atn meisten seiner Thaten geschehen waren, nicht aus, wenn wir ste ganz allgemein mit unter den Ortschaften begreifen, welche von ihm in Kap. 4, 23sf.; 8, 35 ff. besucht wurden, sie muß wettigstens durch Ein in der evaugelischen Geschichte vorkommendes Wunder- merk, das in ihr vorgefallem vertreten sein. Und da 1vill’s uns denn bediiuken, daß das im vorliegenden Abschnitt erzählte Wunder von der Heilung des Mannes mit der verdorreten Hand dasjenige ist, welches die Schule in Ehorazin zu seinem Schauplatz gehabt; Jesus kommt ja, wie wir zu V.1 gesehen haben, von einem Zuge« dnrch das Land Genezareth (Kap. U, 34 ff«), das kkiskdkzch von ei Medschdei (s. Karte VI) 7, Stunde breit sich bis Ghan Miniyeh erstreckte, und hatte nur etwa 1 Meile Wegs bis Kerazåii zurückzulegen, um auch dieser Stadt einen Besuch auf Z— 3 Tage zu machen. Bekannt mußte er dort schon sein und auch Herberge in einem ihm da- selbst befreuudeteit Hause haben, da er am Morgen des zwecterstett Sabbaths nach Besuch des Gottesdienstes mit seinen Jüngern einen Spaziergang durch die Felder macht, dabei mit den Pharisäern dieser Stadt in Collis siou geräth und am folgenden Tage sich abermals» in ihrer Syuagoge einfindet; aber freilich ist Kerazsh nun auch diejenige Stadt, welche (al)gesehen von Nazareth Kap. 4, 13) ihn zuerst von allen galiläischen Städten durch Nachstellungett nach seinem Leben von sich vertreibt (V. 15), und wird sie darum unter denen, über die sein Weheruf erklingt, an erster Stelle genannt. Jetzt wird es uns auch noch von anderer Seite her klar, warum Matthäus nach Abschlnß des 11. Kapitels nicht, wie er nach zeitgeschichtlicher Ordnung hätte thun müssen, so- gleich mit dem Inhalt des i5. Kapitels zu erzählen fortfährt, sondern erst das in Kap. 12 u. 13 Enthaltene einschiebn nachdem er einmal in Kap. it, 20——3U die Zeitfolge verlassen und in das Ende der galiläischen Wirksamkeit Christi hinausgeblickt hat, muß er auch zu dem ,,Wehe dir, Ehorazin!« dasjenige Gesthitlstsbild bringen, welches dem HErrn für dieses Wehe seines Herzens nnd Mundes zur Unterlage dient. 10. Und siehe, da war ein Mensch, der hatte eine vekdokrete tin Folge von Nervenlähmttitg und Vertrockiten der Säfte« abgestorbene] Hand« 11. Köm IS- 4]. Und sie ldie in der Schule anwesenden Pharisäer, die am Tage zuvor schon ihm mit einem Vorwurf V. 2 entgegengetreten waren] fragten ihn snicht mit Worten des Mundes, sondern mit lau- ernden Geben-en, indem sie auf den Augenblick paßten, wo er den åNenschen heilen würde] und sprachen lhatten für diesen Fall die Anklage bereit]: Ists auch recht, am Sabbath heilen? ans daß sie eine Sache zu ihm hätten» sdeeetwegen sie ihm des offenbaren Sabbathbruchs bei dem Gerichte ihres Orts Kap. 5, 22 Anm. beschuldigen könnten] 11. Aber et idie Frage, welche sie nach ihren Satzungen mit einem so entschiedenen Nein zu be- antworten gewohnt waren, daß sie das Heilen am Sabbath geradezu zu einem Verbrechen siempelten,"« 113 164 Evangelium Matthäi 12, 12——21. zuvor im Lichte der Wahrheit beleuchteiid, ehe er thäte, was sie von ihm erwarteten] sprach zn ihnen lindern er sie an das erinnerte, was sie in irdischem Interesse sich selber am Sabbath erlaubten und da für ganz gerechtfertigt durch die Noth erkanntenfz Welcher ist unter euch, so er Ein [auf diesem Worte liegt ein Nacl)druck: ein einiges 2.Sani. 12, 3] Schaf hat, das« ihin am Sabbath in eine Grube stillt, der es nicht sweil ihm eben mit dem einen Schafe fein ganzer Besitz in dieser Hinsicht verloren gehen würde] ergreife und auf- saus der Grube heraus] hebe sohne sich ein Bedenken daraus zu machen, daß es ein Sabbathtag isi, an dem er die rettende That vollbringt-s— Luk. 13, 15; 14, 5]? 12. Wie viel besser ist nun ein Menfch, als ein.Schaf? Darum swenn es schon unbedenklich erlaubt ist, auch am Sabbath einem in Noth be: sindlichen Schafe zu Hilfe zu kommen] mag man wohl [mit noch weit mehr Recht] am Sabbath Gutes thunfsf sdurch Werke der Barmherzigkeit, die man einem Menschen erzeiget Karg. b, 44]. 13. Da snachdem er so das Heilen eines Kranken aus der Kategorie des Arbeitens, in welche die Pharisäer es stellten V. 10, herausge- nommen und in die des Gutesthuns versetzt, damit aber ihnen allen Grund zu der beabsichtigten Anklage unter den Füßen hinweggezogeii hatte] sprach er zu dem Menschen sum dessen Heilung es im vorliegenden Fall sich handelte]: Strecke sin Kraft des neuen Lebens, das ich durch dies mein Wort deinem abgestorbenen Gliede ertheile] deine Hand aus. Und er ldem Worte des Menscheii- sohnes mit Glauben und Gehorsam entgegenkom- tnend und darum auch sofort dessen Gottes-kraft an sich erfahrend] streckte sie [seine rechte Hand, welche die verdorrete war Luk. S, S] aus; nnd sie ward ihm sin eben dem Augenblick, da er im Glauben dem Befehle Jesu gehorchen wollte] wieder gesund sgenauerx und sie ward wiederhergettellh so daß sie nun gesund war], gleichwie die andere. If) Nach den apokryphischen Zufätzen zum ächten slliatthäus, wie Hieronymus aus dem ,,Evangelium der Nazarener« sie mittheilt, wäre dieser Mensch ein Stein- met; oder Maurer gewesen, der seinen Lebensunterhalt mit seiner Hände Arbeit erwarbx er habe nun von selber den HErrn gebeten, ihm seine Gesundheit wieder zu geben, daß er nicht mehr iii schimpflicher Weise mit Betteln sich behelfen müsse. Viekleicht hatte er, schreibt S epp , bei der Befchäftigung am Tempe1bau(Schlußbem. zum l. Maccabäerh Nr. I1, d) Schadengenommem stch die Hand gequetscht oder bis zur Unbratichbarkeit verrenkt. Hieronymus sieht darin ein Bild des Juden- thut-cis, das ebenfalls in sich saft- und kraftlos, zu jeder guten Wirksamkeit untiichtig geworden, am Tempel Gottes weiter fortzubauem Es« kann aber auch sein, wie Menken deiner-it, daß man es mit feindseliger Absicht gegen Jesum so veranstaltet hatte, daß er den Menschen da finden sollte; die Frage: ,,ift es auch recht, am Sabbath zu heilen?« die sie im Blick auf den Mann in der Abstcht thaten, auf daß sie eine Sache zu ihm hätten, läßt das vermuthen. ——— «) Unter den Anstößem welche die Pharisäer an dem Wirken und der Lehre des HErrn nehmen, stand nächst dem unansgefprochenen Anstoß, daß er nicht ein Piessias in ihrem Sinne sein wollte, der Anstoß der Sabbathheilungen fast oben an; es ist aber sehr bedeutungsvolL daß die pharisäifche Hierarchie, welche dem HErrn die Sabbathwerke zum Verbrechen machte, in das Gericht verfiel, daß sie am großen Oster- iabbath einen Rath halten konnte, zu dem Heiden Pilatus in’s heidnisch unt-eine Haus laufen und dann bei der gebannten Schädelstätte den Stein über dem Grabe Jefu versiegelm (P. Lange) -— Hist) Am Sabbathe, erklärt noch Maimonides (geft. 1204), mögen die Kranken sich der Arzenei enthalten; wer etwa mit Schmerz an den Lenden behaftet ist, reibe sich an der kranken Stelle nicht mit Oel und Essig, mit Oel allein mag er es allenfalls thun, sofern es nicht Rofenöl ist, und der mit Zahntveh Geplagte nehme nicht Essig in den Mund, um ihn dann wieder auszuspuckem verschlucken aber mag er ihn. Nur wirkliche Lebensgefahr hob das Sabbaihss gesetz auf, daher es bei den Rabbinen heißt: »wenn ein Kranker in Gefahr ist, so darf man für ihn Feuer an- ztinden, schlachten, backen und kochen,« und einer von ihnen berichtet: ,,drei Dinge durfte man am Sabbath verrichten, zur Ader lassen, wenn man nicht harnen konnte, Schweinsleber dem zum Essen bieten, der von einem tollen Hunde gebissen war, und ein Mundiibel mit Specereien behandeln; allein die Weisen versicherm daß hierin nichts sei, was zur Heilkunst gehöre« s) Aus dem in der vorigen Anmerkung Beige- brachten ergiebt sich der. im Talmud (Kap. 5, 22 Anm.) ausdrücklich ausgefprochene Grundsatz der Pharisäer: ,,Jedes Werk, das am Tage nach dem Sabbath ge- schehen kann, befreit nicht vom Sabbathsgebot;« hier- nach hätte man dem Heiland entgegnen können, daß er ja recht wohl seine wunderthätige Heilung des Kranken bis zum andern Tage aufschieben könne. Allein jetzt war der Lebensgeber zugegen, den Mann zu retten, dem sie alle nicht helfen konnten; und er sollte, um ihre rigoristischen Satzungen zu beglaubigen, die Hilfe ver: tagen, ein gutes Werk auf mor eu verschieben? Nimmev mehrl Weil nun der Mens in Sachen des eigenen Vortheils am wenigsten bedenklich oder scrupulös ist, so faßt der HErr die Pharisäer zunächst bei derjenigen Praxis, die sie damals noch iibten, nämlich ein Schaf aus der Grube zu ziehen auch am Sabbath, weil es sich hier um eine Lebensgefahr handle; späterhin freilich, um das Wort Christi an unsrer Stelle zu entkräften, haben die jtidifchen Schriftgelehrten nicht mehr gestattet, das Vieh aus der Grube herauszuziehen, sondern nur freigegeben ihm zu Hilfe zu kornmen, indem man ihm etwas unterlegt, daß es selber heraus-steigen könne, oder ihm Nahrung reicht, damit es bis zum andern Tage bei Kräften bleibe. —- -H-) Nach dem ausfiihrlicheren Bericht des Markus müssen wir uns den Vorgang so vorstellen, daß, nachdem der HErr die Pharisäer mit der Frage: ,,Welcher ist unter euch, so er Ein Schaf hat, das ihm am Sabbath in eine Grube fällt, der es nicht ergreife und aufhebe? wieviel besser ist nun ein Mensch, denn ein Schaf?« außer Fassung gebrachh daß sie nichts zu erwiedern wußten, er den Mann mit der verdorreten Hand von seinem Sitze aufstehen und in die Mitte des-Synagogenzimmers treten ließ, damit alle dessen Augeuzeugen wären, was er durch sein bloßes Wort (ein Anriihren nnd Ergreifen der Hand scheint er absichtlich vermieden zu haben, um die Satzungsmänner selbst in dem Augenblick so viel als möglich zu fchonen, wo er ihnen Trotz bieten mußte) hernach thun wollte. Vorerst nun richtete er an die Widersacher noch die Frage: ,,Soll man am Sabbath Gutes thun, oder Böses Der HErr Jesus heilt am Sabbath einem Menschen die verdorrete Hand. 165 (d. i. einem Menschen wohl, oder ihm wehe thtin)? das Leben erhalten (iiidem man dem, der krank und elend ist, wieder zur Gesundheit verhilft, wenn man’s kann), oder tödten (indem man ihn noch länger in feinem Elend beläßt)?« Als sie auf diese Frae ihm die Antwort schuldig blieben, weil nur Eine ntwort möglich war, sie aber unter diese sich nicht gefangen geben wollten, sahe er sie umher an mit Zorn und war etrübt über ihrem Verstockten Herzen; er gab also mit seinen Mienen und Geberden zu erkennen, daß ihn nichts mehr empöre, als solche, in Bosheit des Herzens wur- zelnde Sinnlosigkeit für die Wahrheit, und befiehlt nun- mehr, über die verstockten Widersacher zur Tagesord- nung übergehend,·dem Kranken feine Hand auszustrecken. Abgeschworene Feinde der Wahrheit sonnen nun einmal auf keine Art geheilt werden· (2. Tim. 2 , 13); sollte man da gleich in ihre Feindschaft auf Tod nnd Leben gerathen, soll man doch sich nichkabhalten lassen, das Gute zu thun, das sie hassen. 14. Da serbittert über die Abfertigung, die sie so von Neuem diirch Jesum erfahren, vgl. V. 3 fs.] gingen die Pharisäer hinaus saus der Schule] und hielten einen Rath smit Herodis Dienern« Mark. s, 6] über ihn, wie sie ihn um- brachten. 15. Aber da Jesus das erfuhr [merkte, daß sie einen Anschlag wider sein Leben machten], ivich er sweil die Stunde zu leiden und zu sterben für ihn noch nicht gekommen, auch Galiläa nicht der Ort war, wo er umkommen sollte Kap. 26, 45; Luk. IS, 331 von dannen [ans der Stadt Chorazin V. 9 Anm., und begab sich znnächst an das galt: läische Meer bei Kapernauni Mark. s, 7., um dann von hier aus a1if einige Tage wieder eine Wanderung durch die umliegende Gegend anzu- treten]. Und ihm folgte [auf diesem Wanderzuge, gleichwie auf seinen früheren Kap. 4, 23 fs.; 9, 351 viel Volks nach, und er heilete sie alle sdie man krank und mit mancherlei Seuchen und Qual be- haftet zu ihm brachte], 16. Und bedrciuete fie [die er geheilt, noch viel nachdrücklicher als früher Kap. 8, 4; 9, 30], daß sie ihn nicht meldeten sdurch Ausbreitung sei- ner Wunderthaten als den Sohn Davids oder König Jsraels offenbar machten, denn er wollte durchaus alles Aufsehen vermieden wissen]; 17. Auf daß ersiillet werde, das gesagt ist durch den Propheten Jesaiam, der da spricht sin Kap. 42, 1—4 seines Buchs]: 18. Siehe, das [der Messias, wenn er nun wird erschienen sein] ist mein Knecht, den ich sin einem noch viel tieferen Sinne, als zur Zeit der babylonischen Gefangenschast den medopersischen König Cyrus Jes. 41, 2 ff» zur Ausführung meiner Rath- fchIüsfeJ erwcihlet habe, und mein Liebster [Ge- liebter], an dem meine Seele Wohlgefallen hat Frass. 3, 17; 17, Hi; ich will meinen Geist auf hn legen [werde ihn zum Jnhaber und Träger meines Geistes machen, in dessen Kraft er dann sein Werk treiben wird Jes. 11, 2z St, 1], und er soll sdurch Ausbreitung der, bis jetzt allein bei Israel vorhandenen wahren Religion] den Heiden das Gericht verkiiudigetn l9. Er wird sindem er so auf friedlichem Wege den Völkern zu dem höchsten aller Güter verhilft, in Eutäußerung seinerselbstj nicht zanken noch schreien [wie falsche Lehrer, die siir ihre eigene · Ehre eisern, es machen], und man wird fein Ge- schrei nicht hören ans den Gassen kdaß er den Ruhm seiner Großthaten ausposaunen liesze wie die Heuchler Kap. 6, 2]; 20. Das zerftoßene sschon geknickte und halb zerbrochenes Rohr wird er nicht [voliends] zerbrechen [durch gestrenge Behandlung der von sich selber schon gebeugteii SeelenL Und das glitnmende snur matt noch brennende und dem Verlöschen nahege- kommene] Docht wird er nicht stnit starkem Hauch darüber herfahrendj attsiöfchen lsondern im Gegen- theil die Mühseligen und Beladenen zu sich rufen, daß er sie erquicke iind mit neuer Lebenskraft er- fülle Kapi U, 28 fs.], bis daß er [durch seine ebenso dem Bediirfniß der Seelen entsprechende, als unermüdliche und rastlose Heilandsarbeiq aus-- führe das Gericht zum Siege [dem Recht zu sestem Bestand aus Erden verhelse und schließlich alle entgegenstehenden Hindernisse siegreich überwindend einen Zustand vollendeter Herrlichkeit herbeiführe]; 21. Und die Heiden [aus deren Seite ein durch Gottes vorbereitende Gnade gewecktes Ver- langen nach Erlösung und Heil seinem Wirken entgegenkommt] werden auf feinen Namen hoffen« [so daß, weil das in seinem Namen beschlossene Heil Kap. l, 21 eben das ist, nach dem ihre Her: zen Verlangen tragen, er bei ihnen eine gute Auf- nahme im Glauben finden wird]. V) Diese Herodianer, wie sie im Grundtext ge- nannt werden (Kap. 22, 16), sind von den Kirchenvätern für eine besondere Sekie der Juden, die neben den be- kannten der Pharisäer, Sadducäer und Essiier bestanden und den Herodes ftir den Messias erklärt hätte, gehalten worden; neuere Schriftausleger verstehen darunter meist die Anhänger des Herodes Antipas oder überhaupt des herodischen Königshauses, nur besteht eine Verschiedenheit der Meinungen insofern, als die einen sie zugleich für die Anhänger der römischen Oberherrschast und für die politischen Gegner der Pharisäer halten, welche gegen diese Oberherrschaft sich feindfelig verhielten, Andere da- egen auch sie für Ge ner der unvolksihümlichen Römer: Zerrschaft ansehen un sie nur für die Royaliften des Landes gelten lassen, d. h. stir die Anhänger des mit Herodes dem Großen nun einmal zur Herrschaft ge- kommenen Königshauses Gleichwie indessen die Ansicht der Kirchenoäter in diesen Herodianern mehr sieht, als sie wirklich waren, so dürften auch die neueren Ansleger zu weit gehen, wenn sie eine eigentliche Partei im Volke darin erblicken. Vielmehr haben wir lediglich an die ofleute und im unmittelbaren Dienst des Königs Hero es stehenden Beamten zu denken, an die Personen feiner nächsten Umgebung, die inittelbar allerdings An- hänger und Verfechter der römischen Oberherrschaft waren, weil auf diese die Herrschaft ihres Brodherrii 166 stch nähte: dabei huldigten sie zugleich, wie dieser, dem weltförmigen, heid1iisch-rön1ischen Wesen und stunden in dieser Beziehung mit den Saddttcäern auf gleicher Stufe, daher fiir ,,Sanerteig der Sadducäer« in Kap. its, 6 in der Parallelftelle Mark. 8, t5 ,,Sauerteig Herodis« gesagt wird. Wenn sie in Kap. 22, 16 in Jerusalem anwesend erfcheu1en, «so erklärt sich dies einfach daraus, daß damals ja ihr königlicher Gebieter des Osterfestes wegen nach Jerusalem gekommen war (Luk. W, 7-; wenn sie aber auch in unsrer Geschichte zu Chorazin austreten, während doch des Herodes Residenz zu Tibe- rias steh befand, so ergiebt sich die Erklärung aus Kap. U, l f. Bis zu seinem Jahrestage til. April a. 29 n. Chr.) nämlich hat Herodes Autipas ohne Zweifel in Livius refidirt; theils kostete die Erbauung und Einrich- tung der neuen Resideuzstadt Tiberias überhaupt viel Zeit tKasx 4, 25 Armut» und dürfte der König wohl nicht lange vor dem J. 29 damit fertig geworden sein, theils hatte diese Stadt wegen ihres nngesundeti Klimas an stch schon wenig Anziehititgskraft für ihn. Nachdem er aber Johannes den Täufer hingerichtet hatte, war für ihn des Bleibens in Livias nicht länger: das dastge Schloß, in welchem das blutige Haupt des Täufers ihm entgegeugebracht worden, hatte fortan etwas Unheimliches für ihn, und er verließ es je eher je lieber. Welch ein Grausen aber ergriff ihn, als bei seiner Uebersiedelung nach Tiberias ihm sofort die Kunde von den Wunder- thaten Jesu entgegenschalltel Bis dahin hatte er 11och nichts von dem Propheten in Galiläa gehört; er hielt steh ja in einer Stadt auf, welche von dem Schauplatz der Thätigkeit Christi um mehr als l5 Meilen entfernt lag, und feine Hofletite waren viel zu sehr mit andern Dingen beschäftigt, als daß sie souderltch auf das Thun und Treiben des Nazareuers geachtet hätten. Es hatte aber abstchtlich die göttliche Weisheit es also gefügt, daß Jesu Thätigkeit in Galiläa fast ein Jahr lang sich ungestört von weltlicher Einsprache entfalten konnte, bis der Bau des Reiches Gottes so weit vorbereitet war, daß er nun in eine neue Entwickelung eintreten mußte. Dieser Zeitpunkt war denn seht, unmittelbar nach des Täufers Hinrichtung, herbeigekommenx Herodes aber, als er zu Tiberias vou Jesu hörte, meinte in ihm den wiedererstandenett Johannes zu erblicken, und gewisser- maßen sah er ja darin ganz recht. Da liegt es nun nahe, daß seine Hofleute, um dem Gespenst, das ihren Herrn schreckte, auf die Spur zu kommen, den Fusztapsen Jesu nachgingetq und da dieser während der Tage der Osterwoche, die keinen Sabbathscharakter hatten lvom 19.—2·.«. April, Dienstag bis Freitagl das Land Gene- zareth bis hinauf nach Chorazin durchzog (Kap. H, 34 ff.), lo war es anch für sie nicht schwer, ihn an letzterem Orte einzuholen. Von ihrer Ankunft mochtcn die Pha- risäer Kunde haben; ja, vielleicht ist es gerade das Uutergericht der Stadt, dessen Glieder sich unter ihnen befanden, gewesen, an welches die Herodianer sich wen- deren, um den galiläischen Propheten aus dem Wege räumen zu lassen, damit sie den König beruhigen könnten. Die Pharisäer gingen auf die Sache ein und suchten nun sowohl am zweitersten Sabbath (V. i ff.) als am folgenden Tage (23. u. 24. April) einen Anklagegrnnd auf Sabbathsbruch wider Jesnm zu erwifchenx so, wie sie es wünfchten, hatten sie das Ziel freilich nicht er- reicht, ste waren mit Davids Exempel (V. 3f.) und mit ihrer eigenen Praxis (V. l1f.) aus dem Sattel ge- hoben worden, desto willkommener aber waren ihnen Herodis Diener, weil sie mit deren Hilfe Jefum zu einem politisch gefährlichen Menschen stempeln und unter deren Schutze ihren ålltordplan ohne weitere Verantwor- tung zur Ausführung bringen konnten. Mk) Es beginnt nunmehr das Jahr der Verfolgung Evangelium, Matthäi II, 22. unsers HErru Jesu Christi, das dann in seinem Kreuzes- tode die Spitze erreicht, damit aber auch in seiner Auf- erstehung in immer größere Verherrlichutig fiir ihn um- schlägt. Wie es scheint, betrachtete die evaugelisthe Ge- schichtserzählitng die Hinrichtung seines Vorläufers, des Täufers, nicht als ein selbststäudiges, auf Johannes selber bezilgliches Stück der heil. Gefthichte, sondern nur als einen Theil der Verfolguugs- und Leidenszeit des HErrtn daher sie auch bei keinem der drei ersten Evan- gelisten ausdrücklich, sondern nur gelegentlich, von St. Lukas sogar nicht einmal nach ihren näheren Umständen Luk. Z, lst f.; 9, 9) erzählt wird, und Matthäus bringt sie nicht eher, als bis er an unsrer Stelle das Jahr der Verfolgung eröffnet und diese Eröffunng bis zur Ver- werfuug Christi von Seiten seiner Vaterstadt fortgestihrt hat (Kap. 13, 53 ff.). Es ist nun da auch ganz an seinem Ort, wenn unser Evangelist, indem er im vor- liegenden Abschuitt bei der ,,Verbanuung und fluchtarligen Wallfahrt« anlangt, wie P. Lange die nun beginnende Periode des Lebens Jesu bezeichnet hat, auf die Weinfa- gung des Propheten Jesajas vom Knechte Gottes hin- weist und auf deren wörtlich genaue Erfüllung aufmerk- sam n1acht. Jn Kap. 8, l7 hat er schon auf ein Wort aus dieser Weissaguttg (Jes. 53, 4) Beziehung genommen, und was nach solchem Wort weiter von dem leidenden Knecht Gottes gesagt wird, findet seine Erledigung in der Passiousgeschichth für die es aber dann speziellere Weissagttngeu des alten Testamentes giebt, um lieber an diese zu erinnern; hier dagegen galt es, das Bild des Kuechtes Gottes, wie es in Kap. 42, 1 ff. gezeichnet wird, in der von jetzt ab sich vollziehender! Wirkungs- weise des HErrn wieder erkennen zu lassen und aus dem Nachweis, wie genau da Weissagung und Erfüllung steh einander entsprechen, den Beweis zu führen, daß die ans Jsrael Glänbiggewordenen den rechten Messias ge- funden hätten und die Ungläubiggebliebenen ulnsonst eines andern warteten, für sie würden vielmehr die Heiden eintreten und das Heil im Heilande sich zu nutze tauchen. III. it. 22———50. (§. 53.) Zu dem Gericht der Ver— stokltttng und vorläufigen Verwertung. welches; in den beiden vorigen Abschnitten dte Pharisäer mit ihren Ku- feindnngen und Uerfolgnngeu Jesn der Stadt Chorazin zugezogen haben, ttonnnt nun hier das iiber den unmit- telbar atn galiL ikletre gelegenen Ort Bethsalda Jllg nftntlich der HØrr einige Zeit nach jenen beiden sege- bettheilttt in der angestrengtestetc nnd Iutermiidltchlten Wirksamkeit dort atniileere thiitlg ist, also daß er nitht einuiat Gelegenheit hat, zu essen. wird ein Befefsener m ihm gebracht, der blind nnd ftnnnu zngleikh ist; er macht ihn non dein bösen Geiste frei, und sobald die Besessen- hcit ein Ende hat, hört auch sofort der leibliche schade auf, der big daher Blinde nnd Stamme redet nun nnd kann schen. Da erneuert sich denn die scholl einmal auggeforochttte Sehmähuug der Pharisiietz uiitdes Teufels Hilfe tierrichte Jesus seine Jlustreibuttg der Teufel, nnd daran lmiipft sieh eine längere, sehr ernste Verhandlung des Gesehmähtest mit feinen Widerfacherm bis dann auch Slesu Mutter nnd Briider durch ihr tntgehijrigeg Eingreifen in feine Thätigkeit eine Art verwerfung ans feinem Munde snh znzietlem (Vgl. Mark. 3, 20—35; End. 11, l4—36. Z, 19—21.) 22. Da lals Jesus nach seiner Entweichuug vor den Pharisäern V. 15 sich an das galiläische Meer zitrückgezogem auch seine in V. l5—21 be- schriebene Wanderung beendigt hatte und nun bei Bethsaida wieder einmal in höchst angestrengter Ein blinder und stummer Besessener wird vor Jesum gebracht. Thätigkeit sein Tagewerk mit Lehren und Heilen verrichteth wobei er nicht einmal Zeit und Raum fand, das Brod zu essen Mark. Z, 20 f."] ward ein Besessenet sKap. 8, 34 Arm] zu ihm gebracht, der war sehen in Folge der Besessenheih nicht in Folge von natürlichen Gebrechem vgl. Kap. I, II] blind und stumm; und er heilete ihn koermittetst Anstreibutig des b»ö;en Geistes"1 also, daß der Blinde Und Stummc sder an und für sich gesunde Augen und rechte Sprachiverkzeuge hatte] beide [Jes. 27, 1 Am. 2]. redete und sahe-et»- ’««) Es ist äußerst schwierig, bei dieser Geschichte so- wohl über Zeit und Ort, als auch über die einzelnen Vorgänge sich aus den, anscheinend einander so wider- sprechend laute11den Darstellungeii der ersten 3 Evange- liften eine klare Vorstellung zu bilden. Bei St. Lukas (tl, 14 fs.) siebt nian sich auf einmal in ein völlig fremdes Gebiet hineinversetzn Jesus ist bereits von Galiläa aufgebrochen (9, 51 ff.), mit Umgehnng von Samaria, wo man ihn nicht hat aufnehmen wollen, über Jericho, wo er mit den vorausgesendeten 70 Jün- gern wieder zusamniengetroffen NO, l ff.), bis gen Be- thanien gelangt und hat vermuthlich an dem Oelberge, als er nun in der unmittelbaren Nähe von Jerusalem sich befand, seinen Jüngern auf ihre Bitte den Unter- richt vom Gebet ertheilt (l1, l fs.); da wäre nun dem Zusammenhange gemäß Jerusalem der Ort und das (im J. 29 n. Chr. auf die Tage vom 12.—18. Oktober fallende) Laubhüttenfest die Zeit, daran wir bei unserer Geschichte zu denken hätten. Allein aus Mark. 3, ersehen wir, daß die Schriftgelehrtem mit denen der HErr hernach verhandelt, vielmehr von Jerusalem her- abgekommen sind in die Gegend am galiläischen Meer, und das »Da« (geuaner: Damals), mit welchem St. Matthäus an unserer Stelle zn erzählen anhebt, setzt die Geschichte in enge Verbindung mit den beiden voraus- gehenden, die auf den zweitersten Sabbath und den auf denselben folgenden Tag (23. u. 24. April des J. 29) fallen. Ossenbar also bricht Lukas, nachdem er Jesum auf seiner Reise zum Laubhütteufest (Joh. 7, 2 fs.) bis in die unmittelbare Nähe von Jerusalem ·ebracht hat, den Faden der fortlaufenden Geschichtserzä lung ab; er will den HErrn nicht eher in die Stadt selber einführen, als bis er ihn als Jsraels messianischen König kann ein- ziehen lassen (ll), 29 ff.), und greift nun in seine gali- läische Wirksamkeit zurück, um etliche Geschichtsbilder aus dieser Zeit nachzutragem daher er auch ganz unbe- stimmt und allgemein mit einem »Und« zn erzählen an- fängt. So müssen wir denn bei dem Eoangelisten Markus uns Aufschluß holen. Dieser nun hat in Kap. 2, 23 - Z, 12 dieselben Begebenheiten vom Aehren- ausraufen der Iiinger und von der Heilung der ver- dorreten Hand, die wir bei Matth. in V. 1——21 unsers Kap. gelesen haben, erzählt; dann aber ist er in Kap. Z, 13—l9 auf einmal in eine, um 7 Monat frühere Zeit rückwärts gegangen und hat die Geschichte von der Apostelwahl nachgeholt. Das war, da er einmal nach dem Plane-den er verfolgte, und nach der ganzen Anlage seines Werks die Geschichte nicht schon an der chronologischsrichtigen Stelle (zwischen V. 39 u. 40 des I. Kap.) hat mittheilen können, anch nicht da, wo eine weitere Reihe von Erzählungen ihm abermals Gelegen- heit dazu eröffnet hätte (zwischen V· 22 u. 23 des 2. Kap.), nunmehr dringend geboten wegen des Wortes Jesu in Kap. Z, 33 ss.: »wer ist meine Mutter und meine Bruders« welches zu seinem Verständniß durch- aus erforderte, daß der Leser zuvor mit der geistlichen Familie des HErrn, mit dem Kreise der Zwölfe, bekannt gemacht würde; es hat aber die Nachholung gerade an dieser Stelle auch ihre anderweitige Begründung darin, daß die Apostelwahl in bestimmter« Beziehung steht zu der Schinähung der Pharisäer: »Er hat den Beelzebiikx und durch den Obersten der Teufel treibt er ’die Teufel ans« Diese Beschuldigiing aus die St. Markns in Kap. Z, 20 ff. in chronologischer Ordnung nach dem, was er in Kap. 2, 23»—- Z, 12 erzählt hat, jetzr zu sprechen kommt, ist, wie wir aus Matth.9,si2 ff. wissen, schon einmal erhoben worden; nun hat Markus sie bei ihrem erstmaligen Hervortreten keines Wortes gewürdigt; wohl aber, bevor er die Wiederholung des nämlichen Vorwurfs zum Gegenstand der weiteren Geschichtsers zählung in Kap. 3, 20 ff. macht, faßt er zuerst in Kap. Z, Ist ff. die Folge in’s Auge, welche die erstmalige Schmähung nach sich gezogen. Es« war die gewesen, daß der Heiland Jsraels damals schon ansing, sein Volk als Ganzes aufzugeben und hauptsächlich auf die Sammlung des Grundstocks für eine neue Gemeinde sein Augenmerk zu richten; solche Sammlung vollzieht er denn in der Berufung der Zwölfe. Wir· haben aber nun weiter wohl zu beachten, daß die Worte in Mark. Z, 20: »Und sie kamen zu Hause« noch zu der Geschichte von der Apofteltoahl gehören; sie eilen über die Berg- predigt hinweg, welche der zweite Evangelist iibergangen hat, erinnern leise an die Heilung des Aussätzigem welche früher (Kap.1,40ff.l bereits mitgetheilt worden, und nehmen der geschiclitlichen Zeitfolge nach auf, was in Kap. l, 45 gesagt worden: ,,Jesus war draußen in den wüsten Oertern.« Von diesem Aufenthalte in der Einöde am östlichen Ufer des Sees Geue areth kam der HErr jetzt mit den Zwölfen wieder nach apernaum zu- rlick; auf dem Wege nach dem Haufe aber, das er dort bewohnte, ereignete stch der Vorfall mit dem Hauptmann von Kapernaum, den Markus ebenfalls iibersprin t. Es sollte nun bei ihm in Kap. s, 20 nach den eben be- sprochenen Worten: »Und sie kamen zu Hause« ein Punktum, und nicht, wie in unsrer deutschen Bibel, ein Semikolon folgen; darauf sollte ein neuer Vers begin- nen, aber nur nicht, wie Luther liberfetzt hat: »Und da« (von einem »du« steht nichts im Grundtexte), son- derii: »Und es kam abermal das Volk zusammen, also daß sie nicht Raum hatten zu esfen.« Der Evangelist lenkt hier in die Erzählungsreihh die er in V. 12 ab—- gebrochen, vom Neuen ein; er hat nach dem Zwischen- stlick in V. 13—«20a Jefum wieder bis Kapernaum zurückgebracht, und nun kann er ihn ooin Neuen (vgl. V. 7—12) uns vorführen, wie er nach seiner Entwu- chung vor den Pharisäern am Ufer des galiläischen Meeres da, wo der Fischerort Bethsaida (Matth. 4, 25 Anm.) liegt, von den Schaaren des ihm nachziehenden Volkes gleichsam umlagert wird, daß er aus dieser Um- wallung nicht heraus kann, um mit den Jüngern nach Hause zu gehen und das Mittagsbrod, zu dem die Zeit bereits herangekommen, dort einzunehmen. Die Seinen daheim, die mit ihm eine Hausgenossenschaft bildeten tLutherx »die um ihn waren«), wobei wir, außer an seine Mutter und unter seinen Brüdern an Joses, auch wohl an Petri Schwiegermutter und Ehefrau (Kap. 8, 15 Anm.) zu denken haben (w«ir fassen also den Aus- druck: ,,seine Brüder« nicht genealogifch, sondern generell ·"in dem Sinne von Anverwandten oder Hausgenossen 1. Mos. 3l, W) ängstigen sich um ihn; sie halten diese übermäßige Anstrengung seiner Leibes- und Seelenkräfte, wobei er nicht einmal eit zum Essen sich nimmt, für das Zeichen eines religiösen Enthusiasmus, der leicht auf seine Gesundheit nachtheiligen Einfluß und in Ueber- spanuung ausarten könne, und glauben daher sich be- rufen, ihn wider feinen vermeintlich allzugroßeii Eifer 168 in Schutz nehmen zu müssen. So gehen sie aus dem Hause in Kapernaum hina11s nach dem Seegestade, ihn sest zu nehmen oder sich seiner zu bemächtigen, was theils darin seine Erklärung findet, daß sie erst durch die Volksmenge, die wie eine Mauer ihn umgiebt, hin- durchbrechen müssen, ehe sie zu ihm gelangen können, theils damit zusammenhängh daß sie auch am Nöthigem mit ihnen nach Hause zu gehen, es nicht wollen fehlen lassen. Wir werden auch bei dem hier uns vorlie enden Evangelisten Matthäns hernach hören, wie seine utter und seine Brüder sich wirklich bei ihm melden lassen; noch ehe aber die Seinen draußen am Seeufer ankom- nien, begiebt sich dort, was oben erzählt wird, und schließt sich da die Verhandlung mit den Pharisäern und Schriftgelehrten an. Halten wir diese Auffassung fest, wonach der Ort der Verhandlung die Gegend am Meer bei Bethsaida ist, so kommt durch unsre Ge- schichte, nachdem wir in V. 1—21 die Erklärung des Wehe’s über Chorazin (Kap. 11, 21 f.) gefunden haben, die Erklärung des Wehe’s über Bethsaida hinzu; hier streift die, in Kap. 9, 34 nur erst noch in menfchlicher Bosheit wider Christum erhobene Beschuldigung, als stünde er mit dem Teufel im Bunde, aus einer Läste- rung des Menschensohnes bereits so nahe an eine Läste- rung des heil. Geistes, daß kaum noch eine Grenzlinie zwischen beiden Sünden wahrzunehmen ist. Der HErr hat dann noch ini Laufe des Nachmittags die hierher gehöri en Gleichnisse in Kap. 13 gesprochen, darauf aber jene egend verlassen (Kap. l3, 53), um, nachdem er auch in Nazareth keine wesentlich bessere Aufnahme als früher gefunden, nur noch wie auf der Flucht in Galiläa zu leben und zu wirken; was aber Kapernaum (Kasp. 11, 23 f.) betrifft, so scheidet er sich von dieser seiner Stadt als Schauplatz seiner öfsentlichen Thätigkeit in Kap. 15, 1—21. «— Pl) Der Exorcismus oder die Beschwörung. durch welche der böse Geist aus einer von ihm befessenen Person ausgetrieben oder gebannt wird, ist im Gegensatz zu den jüdischen Exorristen (V. 27 f.) durchgehends die Art, wie der HErr die Besessenen ge- heilt hat; einmal (Kap.15, 28; vgl. Mark. 7, 30) thut er es sogar mittelst Fernwirkung, und erklärt es hernach (V. 28) selber, daß es Gottes Finger oder Machtmit- kun war, die in solchen Bannsprüchen die bösen Geister uöt igte, die, welche sie in Besitz genommen hatten, wieder frei zu geben. Jn Kap. 10, S haben wir nun esehen, wie Jesus auch den Zwölsen die Macht ertheilte, eufel auszutreiben; und dieselbe Wunderkraft verlieh er später (Luk. I, 1; 10, 17) den 70 Jüngern bei ihrer Aussendung Nicht in allen Fällen vermochten die Zwölfe auch wirklich die Heilung zu vollbringen (Kap. 17, 19); andrerfeits wird dagegen erzählt, daß einer in Jesu Namen Teufel austrieb, ohne zu den Jüngern zu gehören (Luk. 9, 49), und ein noch viel bedenklicherer Fall findet sich in Apvstg. 19, 13 sf., wo die 7 Söhne des Hohenpriesters Skeva zu Ephefus den Namen Jesu inißbrauchten bei ihren Beschwörungsversuchen Auf eine nähere Erörterung der hierbei in Betracht kommen- den Punkte können wir für’s Erste noch nicht eingehen, sondern wir knüpfen einstweilen nur die nöthigen Be- merkungen über den kirchlichen Exorcismus daran. Bei den Kirchenvätern galt die Macht der Teufelanstreibung für ein Eharisma oder Gnadengeschenk des heil. Geistes, das im Allgemeinen allen Christen, nanientlich den Bischöfen und Lehrern verheißen sei (Mark. 16, 17), im Besonderen aber einzelnen Personen in ganz außerordent- lichem Maße verliehen werde. Als eine bekannte That- sache führt Origenes (contra- celsum VII. 334) an, daß nicht wenige Christen, meist einfache, ungebildete Leute, allein durch Gebet und einfache Beschwörungen, ohne irgend welche Kenntniß von Zaubermitteln oder Evangelium Matthäi 12,« 23. 24. künstlicheii Beschwörungsformelm Besessene heilten; man nannte dergleichen Personen, die zwar zu ihren Erör- cismen der bischöflichen Genehmigung bedurften, bei denen aber keine vorhergehende Weihe durch Handauf- legung des Bischofs stattfand, exoroistae per gratiam (Exorcisten aus besonderer göttlicher Gnade). Davon sind zu unterscheiden die exorcistae per 0rdinem, d. i. solche Exorcisten, die eigens für das Geschäft der Teu- felaustreibung angestellt waren und einen eigenen Stand in der Reihe der Diener der Kirche bildeten, daher sie auch zu ihrem Amte die Ordination oder kirchliche Weihe empfingen. Ihrer Fürsorge waren vornehmlich die Energumenem die dem Gebete der Kirche empfohle- nen Besessenen anvertraut: während der Bischof oder Presbyter bei jedem öffentlichen Gottesdienst das für diese Unglücklichen bestimmte Gebet zu sprechen hatte, sollten jene ihnen täglich unter Gebet die Hände auf- legen, bis sie von ihrer Plage befreit waren. Außer- dem hatten die Exorcisten ihr Amt bei den Täuflingen. Nach dem Grundsatz, daß wer noch nicht Christum zu. seinem HErrn habe, dem Teufel angehöre, mußte jeder erwachsene Katechumen vor der Taufe öffentlich und feierlich dem Teufel entsagen (abrenuntiati0); bei Kin- dern aber, die wegen der Erbsünde als ein Eigenthum des Teufels angesehen wurden, so lange sie die Taufe noch nicht empfangen, jedoch nicht selber eine Entsagungs- sormel ablegen konnten, schien es erforderlich, theils eine Aushauchung (exsutflati0), theils eine Einhauchung (jn- suiflatiiy durch zweimaliges Anhauchen vorzunehmen. Was dieses doppelte Anhancheii bedeuten sollte, geht aus denjenigen älteren Agenden der evangelischen Kirche, welche sich an Luther’s Taufbüchlein halten, deutlich hervor, wenn da dem Geistlichen aufgegeben wird, vor der Taufe an das Kind sich zu wenden mit den Worten: »Fahr aus, du unreiner Geist (exsufflatjo), und gieb Raum dem heil. Geiste« (insufflatj0). Die Preußische Landesagende hat dies zuerst in die Formel abgeschwächt: »Der Geist des Unreinen ebe Raum dem heil. Geiste,« und dann diese der beliebigen Weglassung sreigegeben, während sie unzweifelhaft besser gethan hätte, diesen ganzen Gebrauch, welcher auf grundverkehrter Vermi- fchung der Sündenerbschaft mit der Besessenheit beruht, völlig fallen zu lassen, da man darauf auch nicht das Wort anwenden kann: »verderbe es nicht, denn es ist ein Segen darin.« Aus einem Besessenen kann wohl durch Beschwörung ein Teufel ausgetrieben werden, aber das Herz eines Sünders wird nicht auf solche Art erneuert; und wo in aller Welt steht geschrieben, daß die neugeborenen Kinder ohne Ausnahme Besessene sind? Anders dagegen verhält es sich mit der Teufels-ent- fagung, die in den lutherischen Agenden ebenfalls bei der Taufe der Kinder sowohl wie der Erwachsenen nach dem Vorgang der katholischen Kirche beibehalten ist: ,,Entsa est du dem Teufel? und allen seinen Werken? und a e seinem Wesen?« Die zu Ostern, der Haupt- taufzeit für Erwachsene, getauft werden sollten, hatten die Entsagung am Sonntag Oculi zu leisten, weshalb dieser Sonntag auch der Abrenuntiations- oder Exor- cismus-Sonntag hieß; daraus erklärt es sich, warum auf denselben der unsrer Geschichte parallele Abschnitt in Luk. 11, 14——28 als Evangelium verlegt ist, aber auch die Evangelien der beiden vorangehenden Sonntage be- reiten aus diese Handlung vor, indeni sie auf die Ueber- macht Christi über den Teufel hinweisen. «1·-i«’k) Es scheint dies ein Ghiasmus zu sein, d. i. eine solche Redeweise, wo die auf einander beztågflichen Worte in Form des griechischen Vuchstabens hi Or) übers Kreuz gestellt sind. Man erwartet: ,,Also daß der Blinde und Stimme, beide, sahe und redete«; statt dessen aber lesen wir Der Pharisäer teufelifche Erklärung der Wundermacht Jesu. 169 a) im Obersatzt der war blind und stumm; b) im Untersatz: er redete und sahe. Ein derartiger Chiasmus findet sich z. B. in dem Abend- lied des Anton Ulrich, Herzogs von Braunfchweig-Wol- fenbüttel (-s— 1714): ,,Nun tret ich wieder aus der Ruh«, wo es am Schluß des 3. Verses heißt: ,,Doch hab ich Abends wohl gespürt, daß du mich, höchster Gott, ge- führt, daß mich dein Schein (a) und Würde (1)) ge- leitet (b), mir geleuchtet sei) hat auf meinem Weg und Kreuzespfadxl Indessen sehen wir aus Luk.11,14., daß die Stummheit in sofern das vorwiegende Gebrechen an diesem Besessenen war, als dasselbe offenkundig zu Tage trat; der Mensch ließ nie ein Wort von sich hören, davon aber, daß er auch nicht sehen konnte, wußten Andere nicht genau und nicht sicher. An sich gesunde Augen hatte er ja, und von einer Stelle zur andern sich fortbewegen konnte er in der Weise, wie es andere Blinde wohl auch können; die ganze Tiefe seines vor- herigen Leidens und die ganze Größe des nunmehr er- fahrenen Wunders kam erst mit dem ihm zurückgegebe- nen Sprachvermögen zu Tage, als er nun selber über lIrsach und Umfang desselben Aufschluß gab, daher St. Lukas um so mehr nur die eine Seite hervorzuheben brauchte, als bei ihm eine Verwechselung mit der Ge- schichte von der Heilung des wirklich los stummen Dämonifchen in Mkatth J, 32 ff. darum nicht wohl möglich war, weil er diese Geschichte überhaupt nicht er- zählt. Dagegen hatte St. Matthäus alle Ursach, auf das dämonische Doppelleiden aufmerksam zu machen, weil er die Feindschaft der Pharisäer und Schriftgelehrten gegen den HErrn dem aufkeimenden Glauben des Volks gegenüber so genau in ihrem Entwickelungsgange ver- folgt; denn die Größe, bis zu welcher diese Feindschaft sich bereits gesteigert hat, wird erst ersichtlich, wenn man die Größe des Wunderwerks Christi recht erfaßt hat, und diese wiederum kann erst verstanden werden, wenn man zuvor um die ganze Größe des Leidens weiß, von welchem der Unglückliche befreit worden. »Es muß doch ein met-würdiger, ausgezeichneter Erfolg gewesen sein, den Christus hier erzielt hat; sonst würde das Volk nicht in die Frage des keimenden Glaubens ausgebrochen fein, sonst würden es die Pharisäer nicht für nöthig er- achtet haben, diesen Eindruck zu lähmen. Und in der That— blind und stumm zugleich, das hat sich im natürlichen Laufe wohl schwerlich einmal verwirklicht; einer Vereinigung dieses zwiefachen Mangels gegenüber sind wir auf Grund der Erfahrung verlegen, und be- greiflich wird solche Anomalie (Regelwidrigkeit) nur unter der Voraussetzung einer dämonischen Ursache.« 23. Und alles Volk entfetzte sich»- sgerieth vor Verwunderung ganz außer stch bei dieser außer- ordentlichen Erscheinung der Herrlichkeit Christi in solchem noch nicht dagewefenen Wunder] und sprach [der eine zu dem andern]: Jst dieser nicht lges nauer: Dieser ist doch nicht etwa] David? SohUZH 24. Aber die Pharisäer [die im Verein mit den von Jerusalem herabgekommenen Schriftgelehrten Kap. 15, 1 Blum. als Lauter und Beobachter mit zur Stelle waren], da sie es höreten [was das Volk unter einander redete und wie es auf dem besten Wege sei, Jesum für den Messias zu erkennen], sprachen sie [den Leuten in die Ohren flüsternd, um sie von ihrer guten Meinung abzubringen und ihnen das Wunder auf andere Weise zu erklären]: Ei? treibet die Teufel nicht anders aus, als durch Beelzebuh der Teufel Obersten-««- svon dem ist er selber besessen Mark. Z, 22; Joh. 7, 20; 10, 20., und dessen Macht ist es nun, die in seinen Teufelsaustreibnngen zu Tage tritt, nicht aber die Macht Gottes]. if) Das Volk bricht nicht bei allen Großthaten des HErrn in Staunen nnd Verwunderung aus; der HErr hatte fchon zu große Thaten gethan, das Gefühl war dadurch abgestumpft, nnd andrerseits hatten auch die Pharisäer und Schriftgelehrten das Volk bereits so hin- terstellt, daß es dem Erlöser nicht leicht den Tribut der Anerkennung zollte. Aber hier werden die Stumpfi sinnigen erregt und die Widerwilligen fortgerissen, sie können sich des Eindrucks, welchen das Wunderwerk des HErrn verursacht, fchlechterdings nicht erwehren; ein ganz absonderlicher Fall lag hier vor, einen ganz un- gewöhnlich Besessenen hatte der HErr geheilt. (Nebe.) IN) Das Volk ist hier auf dem Punkte, Jesum öffent- lich als den Sohn Davids, d. h. den Messias auszu- rufen. (P. Lange) Wenn der dem David Verheißene, wollen sie sagen, wenn der Sohn Davids, Jsraels Christus und Köni , in die Welt kommen wird, wird er es größer, herrlicher, in irgend einer That, die mehr Kraft Gottes offenbart, erweisen können, daß er sei, der er ist, als dieser, in dieser That, der der Dämonen Band auflöst, dem Blinden das Gesicht und dem Stum- men die Sprache giebt? Und nun enthält ihre Frage gewissermaßen eine Herausforderung: Wer mag es leugnen, daß dieser nicht Christus sei? (Menkeu.) XVI) ,,Gleichwie von Seiten römischer Priester die gleichen Vorwürfe gegen die evangelische Kirche bei gleichen Anläffen immer und immer wieder vorgebracht werden, wenn sie auch hundert Mal fchon widerlegt wären, so sind auch diese Pharisäer mit ihrer fchon ein- mal erhobenen Befchuldigung (Kap. 9, 34) sogleich wie- der bei der Hand« — ,,Recht einfältig aber sieht diese ihre Einrede aus; denn mit demselben Rechte und mit einem gleichen Schein von Wahrheit hätten sie von sei- neu Krankenheilungen sagen können: er heilet die Kranken durch den Tod. Aber dem einfältigen Volk ist nicht mit gründlichen Beweisen gedient: je handgreislicher und oberflächlicher etwas ist, desto rascher fällt es zu, wenn das Vorgebrachte nur einigen Schein hat.« ,,Unter das Volk haben diese Pharifäer sich gemischt, gerade wie sie es heruach vor dem Richterstuhle des Pontius Pilatus wieder thun« (Kap. 27, 20). — Veelzebub ist, wie wir zu «2· Köm 1, 2 gesehen haben, der Name eines philiftäifchen Götzen, der soviel als ,,Fliegengott« be- deutet. Nun begegnet uns dieser Name auch hier (vgl. V. 27) und in Kap. 10, 253 Mark. s, 22; Luk.1l,15. 18, 19; aber es wird auch fast allgemein jetzt anerkannt, daß die herkömmliche Lesart nicht die ursprüngliche, fon- dern erst durch eine vermeintliche Verbesserung in den Grundtext gekommen ist, und man vielmehr Beelzebul (oder Belzebul) zu lesen hat. Es handelt sich nämlich hier um einen Namen fiir den Teufel, den aber hatten die Juden der nachexilischen Zeit mit ilfe eines Wort- Witzes, der ihre ganze Verachtung der eidnischen Götter bekunden sollte, dadurch gewonnen, daß sie den Namen ,,Beelzebub« (Fliegengott) in den andern ,,Beelzebul« (Dreck- oder Miftgott) umwandelten, wie sie denn den Götzendienst schimpfsweise als Koth bezeichneten und ebenso das »den Götzen Opfern« ein Misten nannten. Freilich heißt im Hebräischen sebul nicht eigentlich Koth, sondern Wohnung, weshalb auch viele Ausleger den Namen vielmehr durch »Herr der Wohnung« übersetzen; man hat aber hier, um den Gleichklang mit Beelzebub herauszubringen, statt sein-l,- welches Koth bedeutet, lieber sebul gesagt, da es ja bei Wortspieleu in der 170 » Evangelium Matthai to, 25—29. Natur der Sache liegt, zu neuen Wortformen seine Zu- flucht zu nehmen, man erinnere sich nur der Wortbils dungen bei Schiller (Wallenstein’s Lager): Bisthiimer und Wiistthlin1er, Abteien und Raubteiem 25. Jesus vernahm aber fobaleich sie nur im Geheimen ihr Schmähwort bei dem Volke ange- bracht hatten] ihre Gedanken, und sprach findem er sie in feine Nähe zog, um sie öffentlich zu liber- führen, wie ungereimt und widersinnig sie geredet] zu ihnen: Ein jeglich Reich fivie ihr das feiner Zeit an eurem eigenen Staatswesen erleben werdet Offenkx s, 4], so es mit ihm selbst uneins wird findem eine Partei die andere bekämpft und ver- treibt], das wird wüste fdaß es gar bald ein Ende mit ihm nimmtix und eine jegliche Stadt oder Haus fdas ja ein Reich im Kleinen bildet, gleichwie die Stadt eine geschlossene Einheit in so und so viel Hänsern oder Familien darstellt], so es mit ihm selbst uneins wird, mag nicht bestehen fsondern richtet sich durch die Uneinigkeit seiner Glieder zu Grunde]. Tit. So denn fim vorliegenden Falle] ein Satan fnäinlich der Oberste der Teufel, von dem ihr behauptet, daß er das Wunderwerk an dein Besessenen duich mich bewirkt habe] den andern anstkeibt fnämlich denjenigen von den unsaubern Geistern, der von jenem Blinden und Stummen Besisz genommen hatte], so muß er [der Satan] mit ihm selbst uneins sein findem er ja mit der einen Hand wieder zerstört, was er mit der andern Hand erst hergerichtet hattet: wie mag denn sein Reich [von dem ihr ja wisset, daß er im Gegen: theil es mit aller Macht aufrecht hält und befestigt] bestehen? 27. So ich aber fangenommen, es verhielte sich wirklich so, wie ihr dem Volke einzureden ver- sucht] die Teufel durch Beelzebnb austreibe fgieich als wäre eine solche Austreibung durchaus nur mit Hilfe dieses Obersten der Teufel zu bewirkenL durch wen treiben sie eure Kinder ans fdie Leute eurer eigenen Schule, wenn sie als Erorcisten austreten und mit ihren Gebeten und Beschwörungen einmal einen Erfolg haben? schreibt ihr denn da auch solchen Erfolg dem Veelzebub zu, oder sagt ihr nicht viel- mehr ausdrücklich, er sei mit Gottes Hilfe bewirkt]? Darum Werden sie [diese Leute eurer eigenen Schule, die ihr zu Exoreisten heranbildet] eure Richter sein [denn ist das wahr, was ihr in Beziehung auf mich behauptet, daß eine Teufelaustreibnng nur in des Teufels Macht geschehen könne, so habt ihr jene Leute zu bloßen Werkzeugen des Teufels und euch der Seelenverführung in der schlimmsten Weise schuldig gemacht; ist aber das wahr, was ihr in Beziehung auf die Exorcisten behauptet, daß in Gottes Macht allein eine Teufelaustreibung mög- lich sei, so habt ihr mit eurer Beschuldigung gegen mich euch in offenen Widerspruch mit euch selbst gesetzt und euch als böswillige Ver- leumder bloßgestelltf 28. So ich aber fwas ihr in keinerlei Weise, ihr möget euch winden und drehen, wie ihr wollt, in Abrede stellen könnetj die Teufel durch den Geist Gottes fund zwar nun nicht blos in einzelnen schwachen Erfolgen, wie eure Kinder, sondern in solcher Machtfülle und solchem Umfanges austreibe [daß ich nur den Finger zu erheben brauche, um sofort und in jedwedem Falle sie zu bannen] so ist ja fweil in mir derjenige vor euch steht, dem der Geist nicht nach dem Maß gegeben ist Joh. S, 341 das Reich Gottes fauf das ihr mit der Erscheinung des Mefsias wartet] zu ench gekommen fund das Volk vorhin V. 23 hat ganz richtig geurtheiltf 29. Oder [wenn ibr auch gegen diese von selbst sich ergebende Schlußfolge euch noch sträuben wolltet, so saget doch:] wie kann jemand [wie ihr ja jeher, daß ich es thue, indem ich so frank und frei, so ohne alle Mühe meinerseits nnd ohne allen« Widerstand von Seiten der bösen Geister Luk.4,36 die von diesen gebundenen Seelen aus ihren Bau-- den erlösej in eines Starken Haus gehen fin das des starken Gewappnetem der seinen Palast bisher so wohl verwahrt gehalten, daß das Seine mit Frieden geblieben Lnk. 11, 21 f. und nur in ein- zelnen untergeordneten Fällen ihm mit vielem Ge- betskampf ein Weniges abgerungen werden konnte] nnd ihm seinen Hausrath fin alle den Seelen, die von ihm überwältiget waren und jetzt auf einmal seines Bannes über-hoben werden Apostg 10, 38] rauben fund für sich selbst in Beschlag nehmen], es sei denn, daß er zuvor den Starken binde fdaß er keinen Widerstand mehr leisten kann] nnd als- dann ihm sein Haus beraube? Hier ist ein Vierfaches klar. Zuerst Jesu Begriff vom Königreich: es ist erstanden, wo Gottes Geist un- gehemmt waltet. Zum Andern das Bewußtsein Jesu, daß in seiner Person dieses Walten vorhanden sei. Zum Dritten der volle Ernst seiner Ueberzeugung von der Existenz des teuflischen Reiches. Hat Jesus, wie dies Eljianche auch jetzt wieder behaupten wollen, bei seinem Reden von Teufel und Dämonen-nur eben der Redeweise sich angeschlossen, ohne hiermit über die Realität dieser Vorstellungen ein Urtheil zu fällen, wa- rum fligt er den 29. V. bei? Diese Beifügung beweist vielmehr, und dies ist der vierte Punkt, daß Jesus» sich bewußt war, den Teufel überwunden zu haben. Aus diesem Worte ergiebt sich Jesu eigene Bestätigung, das; eine solche Geschichte, wie die von dem Evangelisten er- zählte Versuchung, geschehen war. Hat der Teufel Jesum ans einen fleischlichen Messiasweg verlocken wollen, Jesus aber fitr den göttlich geordneten der Niedrigkeit sich entschieden, so läßt dies verstehen, daß dies eine Bindung des Starken war. Eben um dieses Wortes willen bemerke man die Ruhe, in welcher Jesus sprichh von schwärmerischer Erregung keine Spur. (Geß.) Die lästernde Beschuldigung: ,,er treibet die Teufel aus durch Beelzebub, der Teufel Obersten«, war das Aeu- ßerste und Boshafteste des Widersprechens, das er von Scharfe Abfertigung der Pharisäer. 17l den Sündern wider sich erduldet hat Gebt. l2, Z; Luk. Z, 34). Wir mögen es fchwerlich ermessen, -was diese Beschuldigung ärgster Zauberei und Teufelsge- meinschaft zu feiner Zeit: unter seinem Volke, ans dem Munde dieser, vom größeren Theile des Volks hochber- ehrten Pharisäer zu sagen hatte, welch ein Gewaltstreich der Finsterniß das war, die Lehre und Sache der Wahrheit auf einmal niederzuschlageii und den tiefsten, granenvollsten Abscheu und Haß der Slltenschen gegen sie aufzuregen. Weder jenes noch dieses vermochte die heilige Ruhe des Friedens Gottes iu seinem Junern zu stören und die demüthige Sanftmuth seines Herzens zu verletzen, eben so wenig wie die Kraft und Frechheit der Bosheit, womit diese Lästernng ausgesprochett wurde, oder das Ansehen derer, die sie aussvrachem ihn ver- mocht hätte, dem Bekenntniß der Wahrheit und der Heiligung des Namens Gottes etwas zu vergeben. (Menken.) Außerdem zeigt sich aber hier auch die mannigfaltige Weisheit des HErrn: wie weiß er zu disputirenl Er geht den Gedanken nach bis zu ihren heimlichsten Brittstättem er beleuchtet sie mit dem Licht der ewigen Wahrheit und deckt ihre Uuhaltbarkeih ihren Widerspruch mit sich selbst nnwiderleglich auf. Stier hat Rechh wenn er ausruftt man studire gründlich diese eine Rede, ob ein Anderer als der Sohn Gottes im Fleisch so reden, ob jemand unter den Menschen so etwas bewußt oder unbewußt erdichteu konnte. (Nebe.) Ju Betresf des Ausdrucks: ,,eure Kinder« war unter den Alten die Auffassung am verbreitetsten, daß der HErr damit seine Jiinger, die Apostel und die Andern überhaupt meine, denen er Macht gegeben über die bösen Geister, und sie nun als Volksgenossen der Pha- risäer diesen näher rlicke und-letztere zugleich als Väter und Lehrer des Volks charakterisire Aber die Schluß- folge würde dann aller Kraft entbehren, da nicht vor- auszusetzen ist, daß die Pharisäer den Jüngern des HErrn bei ihren Teufelaitstreibungen nicht dasselbe Schuld gaben, was sie dem Meister vorwarfen; es trifft schwerlich zu, was z. B. v. Gerlach schreibt: ,,bei Christo flihlten die Pharisäer eine gewisse geheimnißvolle Ueberlegenheit und schrieben seine Wunderkraft dem Satan zu, die Jlinger dagegen verachteten sie z1t tief, als daß fie diese im Besitz verbot-gener Teufelskiinste geglaubt hätten« Fast alle neueren Ausleger halten es vielmehr mit Luther und Calvin, welcher letztere sagt: »ich zweifle nicht, daß der HErr die Exorcisten meint, deren man« damals sehr häufig bei den Juden sich be- diente, wie aus Apostg. II, 13 ff. hervorgeht« In der That zogen damals jüdische Exorcisteti nicht blos im heil. Lande umher, sondern trieben auch in dem Aus: land weit und breit ihr Wesen. Indessen, wenn wir bei Josephus lesen, in welcher Weise dieselben die Teu- felsbannung vornahmem daß sie dabei bald eine im nördlichen Theil von Jerusalemswachfekide feuerfarbene Pflanze Baums, bald eine, in einen Ring gefaßte Wurzel anweudeten und solcher Sprüche und Formeln sich be- dienten, die noch von Salomo herstammen sollten, so will freilich nicht einleuchten, wie er habe mit solchen Gaukeleien seine Thaten in Vergleich und mit solchen Betriigern sieh selbst auf Eine Linie stellen können. Hier war die sogenannte argutnentatio ad h0minem, an welche man etwa denken könnte, durchaus nicht an der rechten Stelle, d. h. diejenige Art der Beweisführung, welche auf die Meinungen und Vorstellungen des Andern eingeht, ohne diese selbst zu theilen oder als richtig an- zuerkennen, sondern der HErr konnte nur solche Exorcisten vor Augen suchen, die weder in die Kategorie der dä- monischen Zauberer (2. Mos. 7, 9 n. 15 Anm.), noch in die der betrügerischen Gaukler gehörten, die vielmehr wirklich aus Gottes Macht einen thatfächlichem wenn auch nur schwachen Erfolg erzielten. Und da können wir, obgleich keine bestimmten Zeugnisse zur Bestätigung dieser Vermuthung vorliegen, doch nach dem ganzen Zu- sammenhang der Beweisführung Jesu, sowie nach dem, was bei Justin c. Trypl10n. 85 sich andeutet, mit voller Zuoersicht annehmen, daß zur Zeit der Erscheinung des Sohnes Gottes ini Fleisch, als die Fälle von Dämo- nischeii oder Besessenen sich immer mehr häuften, wäh- rend man frliher, namentlich zur Zeit des alten Testa- ments, derartige Fälle nur höchst selten und nur in vorübergehender Weise erlebt hatte, in den Schulen der Pharisäer und Schriftgelehrten die Frage zur Verhand- lung gekommen war, ob nicht durch Aurufuttg des Gottes Abrahams, Jfaaks und Jakobs, durch Beten und Fasten, vielleicht auch durch Gesang nnd Ebiiisik dem Umsichgreifen der Teufelsmacht gesteuert und jenen Un- gliicklichen wenigstens theilweis geholfen werden könne, wie einst ja auch David dem König Saul zur Seite gestanden hatte, daß der böse Geist »von ihm weichen mußte (l. Sam. M, 14 ff.). Es ist ein durchaus fal- sci)er Gedanke, daß von den Pharisäern und Schriftge- lehrten gar nichts Gutes hättekommen können; im Ge- ge11theil, der HErr bezeugt in Kap. ·’3, 2 f. ausdrücklich von ihnen, daß sie auf Mosis Stuhl säßen, uud verlangt von seinen Jüngern, daß sie die Satzungen derselben einstweilen respektiren sollen, bis er sie zu rechier Zeit davon frei machen würde. Da scheint es nun zur Stiftung eines eigenen Ordens gekommen zu sein fitr solche, die eigens in Gottes Dienst sich stellten und nach Llitweisung ihrer Lehrer gewissen geistlichen Uebuugen sich unterzogen, um sich so siir das Werk der Teufels- bannung durch Gottes Macht zu stärken; diese Zöglinge der jiidischeii Exorcistenschulen hießen dann in ähulicher Weise Kinder der Pharisäer und Schriftgelehrtem wie in: alten Testament die Zöglinge der Prophetenschnlen (l. Sam. 7, 2 u. 1. Kön. 19, 21 Anm.) Kinder der Propheten genannt werden (’2. K. L, L ff.l, und voll- brachten wirklich zum Theil die Heilung von Besessenen oder doch die Linderung ihrer Qual, nur daß ihre Kunst wie ein bloßer vorlaufender Schatten sich verhielt zu dem, was dann Jesus that und was in Jesu Vollmacht zeitweise auch seine Jtinger bewirkten (Kap. 10, l; Luk. 10, 17), daher denn der eine oder andere unter ihnen es versuchte, ebenfalls in Jesu Namen zu exorcisireiy ohne darum aufzuhören ein Pharisäerschliler zu fein (Luk. 9, 49 f.).· Zu seiner Zeit ließ der HErr diesen Gebrauch seines Namens ruhig geschehen und verfuhr nach dem Grundsatz: »wer nicht wider uns ist, der ist fiir uns-«; seit aber die Pharisäer und Schriftgelehrten den HErrn der Herrlichkeit gekreuzigt, war auf Seiten ihrer Kinder oder Schltler ein derartiger Gebrauch des Namens eine freche Anmaßung, eine bloße Gaukelei, und mußte demselben entschieden Einhalt gethan werden, wie wir das in Apostg 19, 13 ff. sehen, ja von da an arteten die jiidischen Exorcisten immer mehr in bloße Goöten oder Zauberer aus nnd erscheinen in dieser Ge- stalt zu des Josephus Zeit —- ein trenes Abbild der ganzen, durch den Pharisäismus verderbten undeineni verwesenden Leichnam gleich gewordenen Nation. Kehren wir aber nochmals in die Zeit der Eictstehting jener Erorcistenschitlen zurück, so mögen die Jiinger der- selben, wenn ihr Vermögen sich zu schwach erwies, die Teufel zu bannen, mit derselben Frage sich an ihre Lehrer gewendet haben, mit welcher in Kap. l7, 19 die Iünger Jesu sich an ihren Meister wenden, und haben darauf wohl denselben Bescheid erhalten, mit welchem in Joh. 4, 25 das samaritanische Weib aus ihrer Ver- legenheit sich zu helfen sucht: »wenn Christus, der Mes- sias kommt, so wird er uns alles verktindigen«; damit halfen denn auch fie sich aus ihrer Verlegenheit, wenn 172 Evangelium Matthäi 12, 30—32. sie durch einen fruchtlosen Heilungsversuch mit ihrer Kunst, die Teufel zu bannen, vor dem Volke zu Schan- den wurden. So war einerseits das Volk vorbereitet, in der Art, wie Jesus die Besessenen heilte — durch ossenbar göttliche Macht oder durch Gottes Finger (Luk. U, 203 2. Mos 8, 19), ohne irgend welche An- strengung und in jedem einzelnen Falle mit sofortigem Erfolg — das nun wirkliche Erschienensein des Messias zu erkennen (V. 23); andererseits aber wird nun die Beweisführung des HErrn in V. 28 desto schlagender, denn die Pharisäer selber hatten dies Teufelsanstreiben durch Gottes Finger ganz mit Recht, wenn auch ohne nähere Bezugnahme auf die Prophetenstelle Jes 49, 24 s., als ein charakteristisches Kennzeichen der niessia- nischen Zeit namhaft gemacht. Steinmeyey um das bei dieser Gelegenheit vorläufig zu erwähnen, bis wir zu Mark. l, 28 näher darauf ein ehen werden, hat die Wunderthaten des HErrn in 4 ruppen einge- theilt: 1) die Wunder als Symptone oder als Merkmale des herbeigekonimenen Messiasreichs; Z) die Wunder· als Symbole oder als Sinnbilder der er- schlosfenen Güter des Himmelreichs; Z) die Wunder als Zeugnisse, nämlich von der wirksam gewordenen Macht des Himmelreichs; 4) die Wunder als Weis s a- ungen, nämlich von der zukünftigen Herrschaft des gimmelreichs auf Erden. Die Befreiung von Besessenen einerseits und die Todtenauferweckungen andrerseits bilden da die dritte Gruppe. »Ein Zeugniß ist mehr als ein bloßes Merkmal, auch mehr als ein über sich selbst hinausweisendes Symbol, es verbürgt das schon wirksam gewordene Wesen; diejenigen Wunderthaten nun, welche wir dieser Kategorie zuweifen, sind wirkliche Erweisungen Jesu als des Erlösers, sie deuten nicht, was er kann und thun will, sondern sie offenbaren ihn in der Fülle feiner Herrlichkeit, als den HErrn des Reiches, der als solcher majestätisch waltet. Das Reich, welches in ihm nahe herbetgekommen war, konnte nicht einfach Wohnung machen aus Erden, sondern es mußte sich seine Stätte daselbst erstreiten, erringen, und dies im Kampfe gegen den, welcher in der Finsternis; dieser Welt herrscht und welcher in Kap. 4-, 9 gesagt: sein sei die Welt mit aller ihrer Herrlichkeit, er könne sie ver- geben und verschenken. Da der HErr dieselbe nun nicht aus dieser Hand zu Lehen empfangen, da er sie ihm entreißen wollte durch Ueberwältigung ihres Fürsten, so mußte ein Kampf entbrennen, der immer intensiver ward und endlich zur Entscheidung kam. Wir wissen allerdings, daß erst im Moment des Todes Jesu der schließliche Entscheidungskampf erfolgt sei, wie der HErr selbst in Joh. 14, 30 aiigesichts seines Ausgangs sagt, es komme der Fürst dieser Welt, wiewohl er nichts an ihm habe; allein diese letzte Entscheidung fchließt nicht nur nicht ans, sondern setzt sogar voraus, daß ihr an- derweitige Berlihrungen vorausgegangen seien; wo frei- lich nicht das Centrum, sondern die Peripherie der Schauplatz war. Die Schrift bezeichnet den Sieg des Sohnes Gottes über den Fürsten dieser Welt nach einer doppelten Seite hin: einmal negativ, er habe den- selben ausgestoßew ihm das Heft des Regiments genom- men (Joh. 12, 31); und sodann positiv, er seinerseits habe nunmehr Leben und unvergängliches Wesen an’s Licht gebracht (2. Tim. I, 10). Sie schreibt die nega- tive Seite mehr auf Rechnung seines Todes, die positive aus die seiner Auferstehung: durch seinen Tod, heißt es (Hebr. Z, 14), habe Jesus die Macht genommen dem, der des Todes Gewalt hatte, dem Teufel; und seitdem er auferstanden sei von den Todten, wird gelehrt, gebe er das ewige Leben allen, die an ihn glauben. Sollten nun von dieser Wirkung seines Sterbens und Aufer- stehens bereits während seiner irdischen Erscheinung thatfächliche Zeugnis se gegeben werden, so können die· selben nur darin bestehen, daß er einmal Werke voll- zieht, kraft deren der Satan ausgeworfen wird (Luk. 10, 17 f.), und andrerseits solche, vermöge deren die wesentliche Wirkung desselben aufgehoben und die ent- gegengesetzte an ihre Stelle gesetzt wird: jenes sind die Dämonenaustreibungem dieses die Todtenanferweckungen.« 30. Wer [nun, indem ich gerade durch meine Teuselsaustreibungen mich so deutlich als den Ueber- winder des Satans und als Vringer des Himmel: reichs offenbare] nicht mit mit ist ssondern eine unentschiedene Stellung mir gegenüber zu behaupten gedenkt, siatt sich mit hingebcndem Glauben mir anzuschließenL der ist» [in dieser kühlen Zurück- haltung selber schon] wider mich [und wird auch bald genug stch in ofsener Feindschast gegen mich kehren, wie das an euch Pharisäern sich thatsächlich erweist — gekommen seid ihr, mich erst noch zu prüfen und zu beobachtenj als müßtet ihr euer Urtheil über meine Person und mein Werk vor der Hand noch aussparen, bis ihr im Dienste der Wahrheit euch eine gewisse Ueberzeugung verschafst hättet; weil aber da, wo die Wahrheit sich schon klar genug selber an den Tag gelegt hat, das in. Frage Stellen derselben nichts weiter als eine innere Feindschaft wider sie ist, so hat denn diese innere Feindfchaft euch nunmehr fortgetrieben zu der äu- ßeren Anfeindiing in eurer Lästerrede]; Und wer snachdem das Reich Gottes, wie die Propheten es zuvor verkündigt haben, allbereits gekommen ist] nicht mit mir sammelt iwie es doch eure, als der Obersten- Pflicht gewesen wäre, mit eigenem Exempel dem Volk beim Eintritt in das Himmelreich vor- anzugehen und mit Lehre und Vermahnung ihrer immer mehr in dasselbe einzuführen, sondern auch da sich zuwartend verhält, als müßte das Reich Gottes erst noch auf ganz andere Weise in die Erscheinung treten], der zerstreuet [und macht die schon aus gutem Wege befindlichen Sselen irre, daß sie wieder umkehrem auch das habt ihr mit eurem Schmähwort gethan, ja recht absichtlich und geflissentlich gethan Kap. 23, 13]. 3l. Datum sweil zwischen eurer schon began- genen Sünde und derjenigen, welche die surchtbarste und schwerste ist, die es überhaupt giebt, nur noch ein einziger Schritt, ich aber alles aufbieten will, noch vor diesem letzten Schritt euch zur Umkehr von dem betretenen Wege zu bewegen] sage ich euch: Alle Sünde Und [wäre sie selbst schon bis zur] Lclsterung sGottes fortgeschritten] wird den Menschen swenn sie Buße thun und glauben] vergeben [da- rum ergreifet die Gnade, die allensalls euch jetzt noch offen steht, lasset euch zur Erkenntniß der Wahrheit durch das, was ich vorhin V. 25 ff. gesagt habe, bringen und tretet aus eurer wider- wärtigen Stellung zu mir V. 30 heraus]; aber die Lästetuug wider den Geist [bis zu welcher ihr mit eurer Lästerung in V. 24 schon ganz nahe Die Sünde wider den heiligen Geist. 173 herangekommen seid] wird den Menschen nicht bet- gebeu weil Buße und Glaube da nicht mehr mög- lich ist . 32. Und [um noch deutlicher mich auszu- drücken, damit ihr ver-siehet, wie einerseits der Weg zur Seligkeit euch noch nicht ganz verschlossen ist, andrerseits aber ihr doch schon vor dem äußersten Rande sieht, wo nur schleunige Umkehr vor’m Hin: absiürzen in den Abgrund bewahren kann, sage ich euch:] wer etwas redet wider des Menschen Sohn [in der Weise, wie ihr das nun schon zweimal gethan, vgl. V. 24 mit Kap. s, 34], dem wird es sunter der angegebenen Bedingung] vergeben; aber wer etwas redet wider den heiligen Geist sund ein solches Reden würde jene eure Rede selber schon sein, wenn ihr nach dem, was ich in V. 25 ff. euch vorgehalten habe, noch ferner daran festhalten wolltet], dem wird’s nicht vergeben, weder in dieser, noch in jener Welt [sondern er ist schuldig des ewigen Gerichtss Der zur Bezeichnung der Sünde, um die es sich hier handelt, herkömmlich gewordene Ausdruck: Sünde wider den heil. Geist, hat allerdings in sofern etwas Bedenkliches, als derselbe zu allgemein und unbestimmt ist und daher leicht auch solche Sünden, wie sie in Apostg. 7, 5l; Ephes 4, 30; Jes. Eis, 10 namhaft ge- macht und nur zu häufig begangen werden, darunter verstanden werden können; da hat denn das Wort Christi von der Unmöglichkeit der Vergebung schon viele schwere Gewissensnöthe herbeigeführt, indem Viancher geglaubt hat, die schlechthin unvergebbare Sünde be- gangen zu haben 1ind nun keinen Raum zur Buße mehr finden zu können. Genauer wäre daher die in Rede stehende Sünde als Lästerung des heil. Geistes zu· bezeichnem die Beibehaltting der herkömmlichen Be- zeichnungjindet xedoch darin ihre Rechtfertigung, daß man damit nicht auch die niederen Stufen der Entwi- ckelung, sondern vielmehr die Spitze und Vollen- dung der Sünde wider den heil. Geist meint und bei Behandlung dieses Lehrstücks zugleich Rücksicht zu zieh- men hat auf einige andere Stellen der heil. Schrift, namentlich auf Hebr. 6, 4 ff. u. 10, 26 ff. Mit den eben genannten Stellen tritt nun der Ausspruch Christi, wie er in Luk. 12, 10 sich findet, in engere Beziehung; daselbst steht er im Zusammenhange mit einer an die Jtinger gerichteten Rede und schließt stch unmittelbar an die Warnung vor Verleugnung des Namens Christi an, während er oben und in der Parallelstelle bei Markus auf die Lkisterung der Pharisäer sich bezieht. Hier also haben wir es mit Begehung der Sünde wider den heil. Geist durch annoch Ungläubige oder Unbekehrte zu thun, die dadurch des Glaubens sich erwehren, dort da- gegen mit der Begehung durch schon Gläubige oder Wiedergeboretih die dadurch des Glaubens sich wieder entledigen. Wenn die Glaubenslehrer der lutherischen Kirche angenommen haben, daß die Sünde wider den heil. Geist nur von einem Wiedergeborenen begangen werden könne, der schon in voller Erkenntnis; der Wahr- heit stehe und in seinem Gewissen sie auch vollständig anerkannt, aber böswillig und hartnäckig sie ableugne, bekämpfe und schmähe, so haben sie in sofern Recht, als das Licht des heil. Geistes auch in die Herzen eines noch Widerstrebenden einen so hellen Schein werfen kann (1. Cor. 14, 24 f.), daß er an Erkenntniß der Wahrheit und Beifall des Gewissens einem schon Wie- dergeborenen wesentlich nicht nachsteht; wenn dagegen die reformirten Dogmatiker behaupten, daß einem Wieder- gebotenen die Sünder wider den heil Geist nicht mehr möglich sei, so ist hier der Wiedergeborene mit dem Auserwählten verwechseln ob aber einer auserwählt sei, kann man erst am Ende erkennen, wenn nun sein·ganzer Christenlauf abgeschlossen dasteht, und auch da nicht immer mit untriiglicher Gewißheit. Jedenfalls behält das Wort von der Sünde wider den heil. Geist seine hohe praktische Bedeutung für einen jeden ohne Aus- nahme; wir können aber dasselbe erst erschöpfend be- handeln, wenn wir bis zur Erklärung des Hebräerbriefs fortgeschritten sind. itr jetzt haben wir nur unsre Gründe dafür anzufit reu, warum wir oben bei der Erklärung des Abschiiitts von der Voraussetzung ausge- gangen sind, daß die Pharisäer zwar nahe daran waren, die Sünde wider den heil. Geist zu begehen, aber in Wirklichkeit sie noch nicht begangen haben. Vielfach urtheilt man anders. Die Pharisäer hatten, so wird etwa gesagt, mit ihrer Lästeruug den heil. Geist bereits als unreinen Geist geschmähet, indem sie die Geistes- werke Jesu als Teufelswerke brandmarkten, und ihre Lästerrede war nicht blos eine Beschimpfnng der Person Jesu, wie wenn sie ihn Fresser und Weinsäuser u. dgl. nannten, sondern sie war schon gegen das göttliche und heilige, als göttlich und heilig sich thatsächlich erweisende Princip gerichtet, aus dem er handelte; ihre Blasphemie galt also nicht dem Menschensohn in seiner Erscheinung, sondern dem Geist Gottes, der in ihm und durch ihn waltete. Indessen, so müssen wir darauf erwidern, so richtig auch das hier Bemerkte auf objektivem Stand- punkte ist, so sehr der HErr von seiner eigenen Erkennt- niß aus ein Recht hatte, die von den Pharisäern wi- der ihn ausgesprochene Lästerung für eine Lästerung wider den Geist, der in ihm und durch ihn waltete, an- zusehen, so wenig trifft es doch zu, daß auch die Pha- risäer ihrerseits gewnßt hätten, was sie eigentlich ge- than, und daß sie wissentlich und absichtlich wider den Geist Gottes in seiner Seibstbezeugung durch Jesum ge- redet; vielmehr dient die ganze Beweisführung des HErrn dazu, sie erst zu der Einsicht zu führen, die bis daher ihnen noch gefehlt, und die daran sich schließende Warnung bezweckt dann ein heilsames Erschreckeiy sie sollen es fühlen, bis wie weit sie bereits mit ihrer Bosheit vorgeschrittetn Auf fubjektivetn Standpunkte, d. h. nach Maßgabe ihrer bisherigen Einsicht und Wil- lensmeinung, hatten sie nur noch des Menschen Sohn geschmäht; hätten sie später, nachdem sie der Gemein- schaft dieses Menschensohnes mit dem heil. Geist über- führt worden und die Wahrheit dessen, was Jesus von sich bezeugte, sich so überzeugungskräftig ihnen aufge- drängt hatte, daß sie auch in ihrem Herzen nicht wider- sprechen konnten, sondern sich gefangen geben mußten, ihre Beschuldigung noch einmal wiederholt, so wäre das allerdings auch subjektiv eine Lästerung des heil. Geistes gewesen. Wir lesen nichts davon; aber freilich hat ihnen Jesus auch keine Gelegenheit mehr zur Wieder, holung geboten. Wie uns scheint, hat er auch darum seine öffentliche Wirksamkeit in Galiläa bald hernach aufgegeben und (abgesehen von der Tochter des cananäi- schen Weibes, welche er jedoch in dersVerborgenheit ge- heilt) keine Teufelaustreibnng mehr vorgenommen, um es nicht bis zu dem Aeußersten kommen zu lassen: es that noth, sie nicht in der frevelhaften Unbesonnenheit ihres Herzens dahingehen zu lassen, sondern ihnen zu bezeugen, bis wie weit es nun schon mit ihrer Bosheit gekommen, aber dann auch ihnen Zeit zur stillen Be- szinnung zu geben und vor der Hand ihnen alle Ver« uchung zu ersparen. Ein Exempel rechter Seelsorgel 174 33. sWolltet ihr aber euch bewußt werden, auf was für eine Herzeusbekchaffeilheit ekirerseits jenes euer Wort V. 24, von dessen Bosheit ich euch so eben überführt habe, hindeutet, so höret ein Gleichniß Kuh. 7, 17 f.] Setzet [in eurer Vorstellung oder nehmet einmal an] entweder einen guten Baum, so wird die Ftucht gut sihr müsset dann sofort auch an eine gute Frucht denken, wie sie der Güte des Baumes entspricht]: oder sefzet einen faulen Baum, so wird die Frucht faul snnd habt ihr nun irgendwo eine saule Frucht vor euch, so schließt ihr sofort auch auf einen faulen Baum, dem sie enisianniit sei]; denn ait der Frucht erkennt man den Baum sund da schließt denn auch von der Beschaffeitheit eures Worts von vorhin auf die Beschaffeliheit eures Herzens zurücks 34. Jhr Otterngezüchte sals welches schon Johannes der Täufer euch charakterisirt hat Kap. Z, 7J, wie könnet ihr Gutes reden, dieweil ihr snach der ganzen Gesinnung eures Herzens] böse seid? Wes; füber den weitschiciltigen Gebrauch des Geliitiois bei Luther s. die Wem. zu Sprüchm 22, I] das Herz voll ist, deß gehet soder fließet Spn In] der Mund über Nur. s, 45]. 35. Ein guter Mensch bringet sin den Wor- ten, die er redet] Gutes hervor aus seinem guten Schatz des Herzens, und ein böser Mensch bringet Böses hervor aus seinem bösen Schuh sder ihm im Herz-on verwahrt liegt]. 36. Jch sage euch aber [wenu ihr etwa ein- reden wolltet, auf einen solchen einzelnen Ausspruch, wie ihr ihn gethan, werde doch so viel nicht an- kommen, daß deswegen iiber euer ganzes Wesen das Urtheil der Verwerfung gefällt werden dürfte, es sei doch nur ein müisiges, in augenblicklichem Univilleii gesprochencs Wort gewesen, und ein solches solle nach Hiob S, 26 Anm. nicht mit gewöhnlichem Maß gemessen werdens, daß sWorte keineswegs eine geringfügige Sache sind, als die gegelt die Handlungen nicht sehr in Betracht kämen, sondern] die Vicnscheii müssen Rechenschaft geben am jüngsten Gerichi ssbensowohu von einem jeglichen unnützen Wort, das sie geredet haben swie von einer jegliihen schiiinmen That, die sie verübt] 37. Aus deinen Worten wirst du so Mensch, wer du auch sent] gerechtfertiget werden swenn es gutes, und aus deinen Worten wirst du verdammt werden swenn es böse Worte waren, die du ge- redet hast — sie reichen als die Ergüsse deines Herzens an sich schon aus, das Urtheil des ewigen Richters über dich zu bestimmen, und bedürfte es streng genommen gar nicht erst der Handlungen, um auch nach denen dir dein Urtheil zu sprechen]. Bei Markus lesen wir in diesem Zusammenhange nichts von der Rede V. Bis— i7, und auch Lukas hat, was bei ihm mit V. 83—-35 übereinstinium nicht in der vorliegenden Geschichte, sondern bei Wiederholung Evangelium Matthäi 12, 33-——45.« der Bergpredigt in Kav G, 20—49; daraus ist aber nicht zu schließen, daß Elliatthäus hier die Rede des HErrn wider die Pharisäer mit eigenen Zuihaten er- weitere und etwas hiuznfiige, was Jesus eigentlich zu andrer Zeit nnd bei andrer Gelegenheit gesprochen habe, vielmehr ist er gerade in Mitiheiluiig der Reden des HErrit sehr genau und sorgfältig, während feiner Dar- stellung der Begebenheiten manchmal an Ansehanlichkeit im Aeußeren etwas abgeht. Was den Ansspruch in V. 37 betrifft, so heißt es bei Menken ganz richtig: »Das Entstheideudste über den verborgenen Grund des Wesens eines Meufchein das Beste und das Böfeste seines Herzens und Lebens mag sich am Ende doch wohl in des Menschen Wort nnd Rede finden. Das Entfcheidendste über diese Pharisäer, was» die uuetidliche Argheit ihres Wesens am hellsten offenbarte, war das Wort der Lästerung, das sie eben gesprochen hatten und das sie verdammte; jenes schöne Wort der Demuth oben, des Bedürfnisse-s, des anhaltenden, nnabtreiblichen Glaubens) der Heidin in Kap. is, 21 ff., das Jesus bewunderte, war das Schönste in ihrem Leben und offenbarte von dem verborgenen Werth und Adel ihres Herzens mehr, als zwanzig Thaten hätten thun können, es wirkte, was weder zwanzig noch tausend Thaten hätten wirken können — es rechtfertigte sie.« Ebenso beachtenswerth was P. Lange schreibt: In seinen Ge- danken ist der Menseh der Welt verborgen, in feinen Thaten ist er von der Welt bedingt, gehemmt oder fortgetrieben — fein Wort dagegen ist das reinste Spiegelbild seines Lebens. 38. Da sindem sie wohl fühlten, daß Jesus mit diesen Erklärungen in der königlicharichterlichen Würde des Qlrefsias ihnen entgegentrat] antworteten [auf den Anspruch, den er also erhob, als der nun erschienene Piessias Jsraels auch anerkannt und ausgenommen zu werden] etliche unter den Schrift: gelehrten und Pharisäern sais wären sie zu solcher Alterkennulig und Aufnahme wohl bereit, wenn er nur in desjenigen Weise sich als Messias ausweisen wolle, wie sie es nach ihrer Auffafsung der Pro- phetenstellen Dan. 7, 3 f; Joel Z, 3 f. verlangen müßten] und sprachem Meister, wir wollteu gerne ein Zeichen sder Akt] von dir sehnt sdas nicht auf Erden, wie deine bisherigen Wunder, sondern am Himmel sich zuträzit Gut. 11, 16; LNattlu 16, l; denn ein solches allein kann uns überzeugen] Ohne Zioeifel ist schon das chiliastisihe Hintmelszeichen gemeint; wir beinerkeii also hier das Aufkeirneit eines neuen feindlicheii Kuiistgriffs welchen in Kap. its, 1 zur Reife koninit, wie der auftauchende Kunftgriff in Kuh. 9, 34 hier in V. 24 zur Reife kam. Ohne Grund nimmt v. Gerlaih an, daß diese Andern bessere, aber halbherzige Pharisäer gewesen; viel näher liegt die Annahme, daß es die fchlinimsten waren unter den Schlimmen. (P. Lange) Auf den ersten Blick kann es scheinen, daß dies: Pharisäer noch nicht so verhärtet find, wie die anderm· sie begehren ein Zeichen und sprechen damit aus, daß sie nur noch dieser Ueberführuiig be- dürfen, um dem HErrn zuzufallem Allein wir haben wohl Grund, diese Zeichenforderer nicht über ihre Brü- der zu ftellenx sie scheinen die Sache am geschicktesten anzugreifen (waren sie doch die Glieder der von Jeru- salem entsendeten Deputation und befassen größere Ge- waudtheit in geistlichen Prozeßsachewx während jene dem HErrn offen die Stirne bieten, ftellen sieh diese als ihm geneigt, unt ihn nicht, wie die ersten in plumper Weise, sondern in feinfter Weise zu verderben. Das Zeichen, welches« sie soeben gesehen haben, erklären sie durch diese Forderung für unzulänglicik sie schtväthett dadurch den Eindruck dieses Wunders, und da sie gewiß sein können, daß der HErr auf ihre Forderung nicht eingeht, so werden sie das Volk, das ste durch ihre Forderung spannen und das sich in seinen Erwartungen betrogen finden wird. von dem HErrn abwendig machen. (Nebe.) 39. Und er antwortete nnd sprach zu ihnen sseine Rede zugleich auf das Volk beziehend, das nach seiner Wundersucht sich um ihn herum drängte in der Erwartung, er werde wirklich der Auffor- derung Folge leisten und jetzt das Zeichen vom Himmel thun Lut. 1l, 29]: Die böse Und ehe- brecherische soon Gott abgefatlene und ganz und gar in Selbstfncht und Weltdienst versnnkenej Ast sin den Leuten dieses Geschlechts Kap. 1l, l6] sucht sals wären alle die Zeichen und Wunder, die bereits geschehen sind, für nichts zu rechnen] ein Zeichen sdas sie auf einmal über alle ihre Bedenken und Zweifcl und llttschlüisictkeiten hinwegliebert falls; und es wird ihr sum den, den sie verwirft, wirk- lich als Sohn Gottes und Erlöser seines Volks kräfttglicti zu erweitert] kein Zeichett gegeben werden, denn das s-jenige] Zeichen swclches in der Geschichte] des Propheten Jonas snach Kuh. 2 seines Weissa- gungsbuches vorvildlicli schon erschienen ist] 40. The-»in gleichwie Jonas war drei Tage und drei Nachte in des Wallfischcs fisigenniclyx Meerungeheuers, also tvohlsjairischesj Bauchz also wird des« Menschen Sohn drei Tage und drei Nächte snach berkömmlicher Reohnungstoeise l. Sam. 30, U] mitten in der Erde swörtliak im Her: zen der Erde, dem Leibe nach im Grabe, der Seele nach im Todtenreich oder in der Hölle Pf. te, to; Ephesc 4, 8 f.; i. Petri Z, te) f] fein. Wie der wahre Messias dem chiliastifchen,Pic-ssias- bilde der Pharisäer widersprach, so sollte nun auch das wahre, große Ptessiaszeichett der chiliaftischphantaftifchen Forderung eines Hitnntelszeichetts widersprechen, beson- ders anch in seinem Buße predigcuden Ernst: jene wollten ein Zeichen vom Himmel, das ihr ganzes Ver- derben vergolden sollte; er will ihnen ein Zeichen aus der Tiefe des Todtenreichs geben, das ihre ganze schein- heilige Welttrunkenheit richtet. (P. Lange) Es ist dies das sechste Mal, daß Jesus in verhiillter Weise deutet aus seinen Tod. Durch die Taufe (Kap.3,13 ff.) spricht er vor seinem Vater seine Willigkeit zum Sterben aus; der Ausspruch von seiner Erhöhung (Joh. Ei, 14s.) soll dem Nicodettttts der von der Hinwegnahnte des Bräutigams (Kap 9, l5) den Johannesjlingerty der von der Kreuzesnachfölge (Kap. 10, Bei) den Zrvölfeiy der vom Abbrechen des Tentpels (Joh. 2,19) und vom Jonaszeichen den Feinden, wenn sich einmal sein Ge- schick erfüllt haben wird, zum Beweise dienen, wie wenig er von diesem überrascht worden ist. Mit dem Worte vom Abbrechen des Tempels hat das vom Jonaszeichen auch noch die Gleichheit, daß beide, außer auf den Tod, auf die Riickkehr aus dem Tode deuten. tGeß.) Daß es unwtirdig, albern, nnwahrhastig gewesen wäre, wenn Jesus in dieser ernfthaften Situation und Gewächs- stintmung sich also auf Joncks Geschichte berufen und doch diese Geschichte fiir eine Fabel gehalten hätte, das Warnung vor den Pharisäern. 179 bedarf keiner Etttwickeltingz der ganze Gedanke ist profan und so keiner Rücksicht und Widerlegnttg wilrdig, nicht davon z11.,reden, daß die Pharisäer und SchristgeIelJrteU ihm hätten antworten können: ,,steht es, so unt die von dir angedeutete Auferstehung vom Tode, so braucht sich niemand davor zu fürchten! Soll deine Auferstehung in der Aehnlichkeit der Errettung des Propheten aus detn Bauche des Fifches erfolgen, so erfolgt sie nie; wenn das Vorbild eine Fabel ist, so wird das Nachbitd and» nur Fabel sein. (Menkett.) 4l. fWas aber wird das Zeichen, so liber- zeitguttgskräftsg es auch an sich ist, im großen Ganzen am Volke ausrichtenls Die Leute von Ninive sum hier die Geschichte des Propheten Jonas noch weiter für Jsrsiets Geschichte zu ver- werthen] werden austreten am jüngsten Gertchte mit diesen! Geschlechte sals Belastungszettgeii ihm getenilbergestellrs und werden es verdammen; denn sie thaten Buße nach « der Predigt Jonas sfür dessen Sendung von Gott sie ein Unterpfand in seiner wunderbaren Rettung erblickten Juki. Z, 5; 2, ll Anat] Und siehe, hie sin meiner, als des menschgctvordetren Sohnes Gottes und höchsten aller Propheten Person] ist nicht, denn Jonas 42. Die Königin von Mittag sum noch ein ander Exempel aus der Vorzett hinzuzunehmen l. Kön l0· 1 ff] wird austreten am jüngsten Gerichte mit diesem Geschlechh nnd wird es ver- dammen; denn sie kam vom Ende der Erde saus ihrem Lande Reicharabien oder Aratna telix], Salomonis Weisheit zu hören. Und siehe, hie sin der Person dessen, in welchem verborgen liegen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis; Col. 2, Z] ist mehr, denn Salomont 43. sDoch schon fiir die gegenwärtige Welt- zeit wird ein schweies Gericht über dieses Geschlecht ergehen, das sich am bestrn gerade aus demjenigen Wundertverke welches ich vorhin gethan, erläutern läßt] Wettn der utrsaubcre Geist von dem Men- schen ausgefahren ist, so dnrchwandelt er dürre Stätten sin welche er sich vorerst als in die eigent- liche Wohnstätte der Dämonen Z. M. Its, 22 Blum. zurückziehen mußt, tuchet Ruhe und findet sie nicht. 44. Da spricht er denn: Jch wtll wieder nmkehcen in mein Haus, daraus ich gegangen bin. Und wenn er kommt, so findet er7s müßig so. i. leer, unbesetztL gekehret und gcschmiielt sund also recht einladend zum Wiedereindringens 45. So gehet er sum nun auch den vollsten Gebrauch von dieser Einladung zu machen] hin und nimmt zu sieh sieben andere Geister, die ärger sind, denn er selbst; uud wenn sie hinein kommen, wohnen sie allda; uud wird mit demselben Menschen hernach snach solchem Wiedereindringenj ärger, denn es vorhin war [da nur Ein unsauberer Geist ihn in Besitz hatte 2. Petri Z, 2«]. Also wird’s auch diesem argen Geschlecht snachdcm es mich ganz und gar verworfen und sich zu einem geschmücktett Haus für die unsaubern Geister gemacht] gehen« ses wird 176 Evangelium Matthäi 12, 46———50. 13,1——2. in Kind und Kindeskind völlig von dämonischem Geist besessen sein]. «) Mit zwei Beispielen erweist Christus die schwerere Verschuldung, die größere Strafbarkeit des Unglaubens und die harte Bestrafung seiner Zeitgenossen. Die Ninivitenx dort nur ein Prophet, hier der Sohn Gottes selbst; dort nur Bußpredigt, hier auch Gnaden- predigt und Gnadengabe zur Buße; dort Buße, hier Unbußfertigkeit und daher die Strafe, der jene durch Buße entgingen. Die Königin aus Arabien: suchend kommt sie aus fernem Lande, ohne Anstrengungen zu scheuen, hier wird das in der Nähe Angebotene nicht einmal angenommen; dort Sehnsucht und Glaube, hier Sattheit und Unglaube; dort Salomo, hier Christus mit höherer Weisheit. (Lisco·) W) Der HErr hat einen Teufel ausgetrieben (V. 22), und er that dasselbe mehrfach; jeder Teufel aber, der von einem Gliede des Volkes ausgefahren, ist vermöge des Zusammenhanges der Glieder mit dem Ganzen aus dem Volke selber ausgefahren. Wurde nun dadurch das Volk aus den Stricken Satans los? Das Gegen- theil geschah, es wurde immer schlimmer; denn es ver- stockte sich um so mehr gegen die Macht der Wahrheit und der Liebe, die ihm in Christo entgegentrat, wie die Pharisäer (V. 24-—-38) bewiesen. Diese Verschlimme- rung, die eine Folge der nicht gehobenen, unbesieglichen Verstocktheit ihrer Herzen ist, wird unter dem Bilde des mit siebenfacher Verstärkung zurückkehrenden bösen Gei- stes dargestellt: so viele Teufel ber HErr auch austreibt, es ist an dem Volke verloren; denn weil es nicht Buße thut, nicht in sich schlägt und zur Erkenntniß der Wahr- heit kommt, so gewinnt der- Feind Raum, sie in noch schwerere Bande zu schlagen, wie vor Augen liegt und immer klarer sich enthüllen wird. (v. Burgen) Diese Rede scheint nach dem Zusammenhange weder ganz bildlich, noch ganz unbildlich zu sein. Jesus hatte so eben einen Dämon aus einem Kranken ausgetrieben; als aber die Pharisäer lästerten, er treibe die Teufel aus durch Beelzebub, da schien jener Dämon schon mit sieben andern wieder zurückgekehrt zu sein und ihm frech gegenüber zu treten, seines früheren Sieges spottend. Darin fand nun Jesus ein Bild seiner ganzen Wirk- samkeit in Israel: den einfachen Dämon, den Dämon des psychischen Volksjammers trieb er überall aus dem Volke aus; aber mit den sieben Dämonen des lüstern- den Unglaubens kehrte derselbe überall wieder. Es ist höchst bezeichnend und durchaus evangelisch, daß jene schauerlichen dämonischen Leiden siebensach kleiner dar- gestellt werden als der Jammer der dämonischen Ver- schuldung (P.Lange.) Als die Juden den Mefsias ver- worfen nnd getödtet und seine Apostel verfolgt und ver- jagt hatten, und nun die Besseren und Edleren sich von ihnen trennten, aus dem alten Israel hinaus und in das Israel des neuen Bandes mit Annahme des Evan- geliums von Jesu Christo hinübertretend, da hielt— sie nichts mehr, da sanken sie schnell von Tiefe zu Tiefe, von Blindheit und Bosheit zu Blindheit nnd Bosheit; da wurden sie dem heil. Geiste ganz und gar entsremdet, von Täuschung und Einfluß des Teufels getrieben, be- seelt von einem fanatischen, ungläubig abergläubigem wilden, aufrührerischen Mordgeiste, hingerissen zu einem Wesen und Thun, das nicht taugte und wodurch sie selbst jene schreckliche Entwickelung ihrer Geschichte her- beiführen mußten, die mit der Verwüstung des Landes, mit der Zerstörung Jerusalems und des Tempels und mit der Zerstreuung des Volkes unter alle Nationen endete. Blindheit des Verstandes, Härte des Herzens, Sinnlosigkeit für das Ewige und Göttliche ist seitdem dieses unseligen Volkes Loos, so daß es mehr als jedes andere Volk nur auf das Niedrige und Schlechte hin- gerichtet ist, da es, seiner ganzen Bestimmung nach, mehr wie jedes andere Volk, allen andern Völkern zum Vorbild und Muster, in all seinem Dichten und Trachten nur auf das Höchste und Beste gerichtet sein sollte. Das liegt auf diesem Volke als ein schweres und unversöhntes Gericht. (Menken.) 46. Da er noch also zu dem Volk redete [uud eben mit einem Weibe verhandelte, das seine Stimme in staunender Verwunderung für ihn er- hub Lin. 11, P f.], siehe, da stunden seine Mutter und seine Bruder [vgl. Kap. 2, 28 AnmJ draußen saußerhalb des dichten Volkskreifetz in dessen Mitte er sich befand], die wollten mit ihm redet! [ob "sie ihn nicht bewegen könnten, zu ihnen nach Hause zu kommen, denn sie ängsiigten sich gar sehr um ihn Mark. Z, 21]. 47. Da sprach einer sdnrch dessen Vermitte- lung ihre Ankunft ihm gemeldet wurde, weil sie selber nicht bis zu ihm vorbringen konnten] zu ihm: Siehe, deine Mutter· und deine Brüder stehen draußen und wollen mit dir reden [da gehe du doch zu ihnen hinauss 48. Er antwortete aber und sprach zu dem, der es ihm ·ansagte: Wer ist meine Mutter? und wer sind meine Bruder sdaß sie um ihrer leiblichen Verwandtschaft willen besondere Rechte an mich geltend machen dürften]? » 49. Und reckte die Hand aus uber seine Junger [die im Kreise zunächsi um ihn herum saßen» Mark« Z, 32 u. 341 und sprach: Siehe da, das ist meine Mutter undmeine Bruder. · 5·0. Denn wer den Willen thut meines Vaters tm Himmel [indem er anmich glaubt Joh. S, 40], derselbige ist mein Bruder, Schwester und Mutter. Wir haben zu V. 22 (Anm. 1) aus dem Evange- listen Markus uns vergegenwärtigt, wie die Mutter und VrüderJesu sammt seinen übrigen Hausgenossen bald im Anfang der hier uns vorliegenden Geschichte von Kapernaum aus sich nach dem Meergestade bei Bethsaida auf den Weg gemacht hatten, um ihn, der sich nicht einmal Zeit zum Essen gönnte, aus dem großen Volks- gedränge heraus- und zu ihnen nach Hause zu holen; sie kamen, wie es scheint, gerade zu der Zeit draußen an, wo jenes Weib aus dem Volke, von dem St. Lukas erzählt, ausrief: ,,Selig ist der Leib, der dich getragen hat, und die Brüste, die du gesogen hast.« Es wäre das jedenfalls ein merkwürdiges Zusammentreffen, daß die, welcher dieser Lobpreisung galt, bereits zur Stelle fiel) befand, aber mit ihrem Kommen auch die Illustra- tion dazu gab, daß die Rede des Weibes ,,naturwüchsig« war und einer Eorrectur bedurfte. Das Weib meint es gut, sagt Bengel, aber sie redet nach Weiber Art, d. i. wie Luther es ausdrückt, aus einem fleischlichem weibi- schen Affekt. »Das Wort war eine schöne Huldigung, die den HErrn selber verherrlichte in einem Moment, wo die Hierarchen des Landes ihn schon als einen Ketzer verdammten, der mit dem Teufel im Bunde sei; allein das Wort mußte weiter geführt werden, wenn es nicht zu einem Jrrthum erstarren sollte, wie er in dem späteren abgöttischen Mariendienst zu Tage tritt. Es war ganz der Wahrheit gemäß, wenn das Weib die Maria selig pries; nur mußte sie wissen, daß Maria durch ihr Ungehöriges Eingreifen in Jesu Thätigkeit seitens seiner Mutter und Brüder. 177 einziges Hören und Bewahren des Wortes Gottes zu ihrer einzigen Erfahrung der Heimsiichung Gottes ge- kommen sei (Luk. I, 38 u. 45), und daß dieselbe auch jetzt noch unter dieser Bedingung stehe, jetzt, in einem Momente gerade, wo sie in Gefahr war, durch einen Mangel in dem Bewahren des Wortes Gottes sich vor- übergehend eine unselige Stimmung zu bereiten« In Betreff der Meldung von der Ankunft der Mutter und Brüder Jesu vermuthet Ebrard, daß aus dem Munde dessen, der aus den hintersten Schichten der Volks-Menge sich hervorgedrängtz um sie an Jesum zu bringen, solche sie aufgenommen hätten, um die darin liegende Auffor- derung zu verstärken (in Mark. 3, 32 f. u. Luk. 8, 20 f. ist von mehreren Sprechern die Rede), denen diese Unterbrechung einer für die Pharisäer so peinlichen Lage ganz willkommen gewesen; jedenfalls ging der HErr, nachdem er sein Zeugnis; abgelegt, daß ihm sein Berufs- interesse höher stehe, als jedes Familieninteresse und daß die geistliche Brüderschaft in Gott fiir ihn ein in- nigeres Band sei, als das der leiblichen Verwandtschaft, mit den Seinen für jetzt nach Hause, fand aber am Nachmittage, wie der folgende Abschnitt zeigt, sich wie- der am Seegestade ein. Das 13. Kapitel. gleiahnisse non der Kirche Christi und Kraft seines Worts. IV. o. 1——52. (§. 54.) Je innig« wie qm Schcue deo vorigen Abschnitte den lhGrrti seine Sänger umfassen sahen, als es sich nun klar herauggeltellt hatte, daß die große Masse des fleischlicheu Israel tiikht für das Himmel— reich zn gewinnen sei, sondern seinem verderben anheim- gegebeu werden müsse, desto entschiedener sehen wir nun hier mit dem Volke im Großen und Ganzen ihn berufen; er thut das, indem er noch am dlachmittag des näinlicheii Tage wieder hinausgeht au’s Meer, hier, weil die Menge ihn bedrängt, ein Safiff besteigt und non diesem aus eine predigt in lauter Gleirhuisseu an dag am Ufer stehende voll: hält, die nach seiner eigenen Erklärung darauf berechnet nnd, auf der einen Seite die göttliche Wahrheit zu enthüllen, soweit eø für den heilnbedürftigeii nnd heilscmpfüiiglichen Menschen möglich, auf der andern Seite jedoch sie zu verhüllen, soweit eg für den sündigeu nnd profanen Menschen nöthig ist (Dan. 7, 3 2lnm.i. Uach dieser zweiten Seite hin richten sich die Gleichnisse an das Volk, für welches nunmehr die Zeit herbeige- ltommem von welcher wir zu scap.11,20 gesprochen haben; nach der ersten Seite hin dagegen gelten sie den Jüngern, den Repräsentanten jenen heil. Samen-s, von welchem Sesaiae geweissagt Gan. U, 25 2lnm.), und werden den-gemäß diesen, die zugleich zum Licht für die Welt bestimmt sind, in ihrer ganzen tiefen Bedeutung ausgeschlossen. sinnen. 4, 1—34; link. Z, 4-——18.) 1. An demselbigen Tage [an welchem das in Kap. 12, 22——50 Erzählte am Meeresufer bei Belhsaida vorgefallen, im Monat Mai des J. 29] ging Jesus sdes Nachmittagsj aus dem Hause fzu Kapernaum Kap. 8, 15 Anm., wohin er seiner Mutter und seinen Brüdern gefolgt war, um nach- träglich sein Mittagsbrod einzunehmen] und fetzte sich an das Meer [wartend, bis wieder ein Haufe Volks sich um ihn versammelt hätte, dem er von Neuem predigen und damit seine Lehrthätigkeit in D äch se l’s Bibelioerk dieser Gegend, wo er nun fast ein ganzes Jahr gewirkt Kuh. 4, 12 ff» abschließen könnte]. 2. Und es versammelte sich sauch in der That, nachdem sein Wiedererscheinen bekannt geworden war] viel Volks zu ihm snicht blos aus Bethsaida und Kapernacim, sondern auch aus andern Städten Luk. 8, 4], also, daß er sum, einen geeigneten Standort für fein Predigen zu gewinnen] in das san jener Stelle des Meeresgesiades befmdliche] Schiff trat findem er es, wie in Luk. b, 1 ff., ein wenig vom Lande führen ließ] und saß lnun bei der folgenden Predigt im Schiffe, umgeben von seinen Jüngeren, und alles Volk stund am Ufer fwie über dasselbe hingebreitets Vom Meeresufer selber aus hätte Jesu Stimme, wenn er sie anch erhob wie eine Posaune, durch die dichten Volkshaufen nicht hindurchdringen können; dazu würden die Hintenstehendem um besser sein Wort ver- nehmen zu können, auf die Vorderen gedrängt und ein beständiges Wogen und Treiben verursacht, ja zuletzt ihn selbst in Gefahr gebracht haben, ob er auch noch so lange wie ein Fels dem Andrang dieser Menschenfluthen widerstanden hätte. Es kommt ihm ier jedoch zugleich darauf an, gleich anfangs sein nunmehriges Verhältniß zur großen Menge äußerlich zu versichtbaren und mit dem von ihr abgesonderten Standpunkte so zu sagen eine Illustration zu geben zu dem Wesen seiner jetzigen Ver- kündigung, die ein Reden in Gleichnissen ist und ein sich Scheiden von dem gemeinen, unverständigen Haufen (V. 10 ff.); denn das Angesicht der Zeiten ist jetzt ein anderes als im Anfang seiner Wirksamkeit. ,,Anfangs hatte der HErr in der Bergpredigt und sonst frei her- ausgeredet, das Volk entsetzte sich über seine Lehre, zahl- reiche Jünger sammelten sich um ihn, aber nun war die Zeit eine andere geworden «—- der Widerstand der Schriftgelehrten hatte sich gegen ihn erhoben, böse Ge- rüchte und Stimmen der Lästerung ließen sich hören, und manche Leute aus dem Volke, die ihn anfangs gerne hörten, wurden an ihm irre.« (Thiersch. Was das Sitzen im Schiffe betrisst, so war das il erhaupt Jesn Weise bei den Lehrvorträgen, gleichwie auch die der Rabbks überhaupt. Als er die Bergpredigt hielt, be- merkt Delitzsch, welthe als Programm des messianischen Reichs das Gegenbild der sinaitischen Grundgesetzgebung und zugleich innerhalb der von Matthäus geschaffenen Evangeliengeftalt ein Musterbild seiner Predigtweise ist, da saß er (Kap. 5, l), wie der Heliand, eine altsächsische Umdichtung der evangelischen Geschichte, fchön umschreibt: »und schweigend saß er, sah lang sie an mit dem sanften Muth und holden Herzen, und als er den heil. Mund erschloß, floß herrlich seine Rede hin.« Wenn Lukas (6, 17) sagt, daß er, von der Berghöhe herabgestiegen, auf einen ebenen Platz hintrat, so ist damit emeint, daß er auf einer solchen Platte, einer solchen errasse seinen Standort nahm, aber hinsitzend, wie sie der sattel- ftirmige Kurün Hattin unterhalb seines ösilichen Gipfels aufweist. In der Shnagoge von Nazareth (Lnk. 4, 16 ff.) steht er, indem er die aphthara, d. i. die prophetische Schlußperikope des Sa bathtages verliest; dann aber, als er die Bnchrolle wieder zusammengefaltet und sie dem Synagogendiener übergeben hat, hält er seinen Vortrag darüber sitzend. Auch im Tempel von Jeru- salem lehrte Jesus sitzend (Joh. 8, 2), und wenn er einmal am letzten Laubenfesttage sich im Tempel hin- stellte und in Anknüpfung an den festlichen Brauch, Wasser aus dem Siloah heraufzuholen und auf dem R. T— I. 12 178 Altar auszugießcm in das Volk hineinrief: »wer da dürstet, der komme zu mir nnd trinke« (Joh. 7, 87ff.), so war das eben nur ein Ruf in das Festgetitmmel hinein und kein Lehrvertrag. Anch vor der Speisnltg der Fünftausend und der Viertausend finden wir ihn ans dem Berge oben sitzend (Joh.6, Z; Matth.15,29). Und da, wo jene 3 ersten Evangelisten, welche wir wegen ihres gleichartigen Evangelientyplls die Synop- tiker zu nennen pflegen, uns in einer zusammenhängen- den Reihe von Gleichnissen ein Bild der parabolischen Lehrweise des HErrn geben, sitzt er am Ufer des Gene- sar-See’s, und als das Volksgedränge ihm hinderlich wird, besteigt er ein Boot, läßt es ein wenig vom Lande abstoßen nnd predigt von da aus der am Userrattde stehenden Menge. Und was wir in Mark. 3, 31 f. lesen, ist eine ähnliche Scene, wie wenn Ezechieh der Prophet der babylonischen Exulanteik in seinem Hause zu Tel- Abib sitzt und die Aeltesten Judcks vor ihm sitzen, um das Wort Gottes zu vernehmen (Hesek. 8, 1 n. ö.). 3. Und er redete zu ihnen mancherlei durch » Gleichnisfe lin dunkeln, verhüllten Aussprücheii nnd in kurzen, kornigen Sentenzen oder Sprichtvörterm welche die Aufmerksamkeit des Volks zwar fesselten und die Gedanken der Zuhörer znsammenhieltem aber auch ihrem tieferen Sinne nach dem Ver- ständniß verschlossen blieben], und fprach lam Schluß des ersten Theils seiner denkspruchartigen Rede den Erfolg seiner Lehrthätigkeit unter den Leuten in eine eigentliche Parabel 2. Saat. 1·2, 4 Atem. zusammenfassend]: Siehe, es ging ein Sciemaltn aus zu scien [seinen Samen Luk. 8, 5]. 4. Und indem er sciete [ohne, wie ein ge: wöhnlicher Säemann, mit dem Samen zu kargen und nur den besten, tragbarften Acker damit zu bedenken], fiel ctliches fnicht wider seinen Willeln sondern in Folge seiner reichen Art zu streUeIIJ an den Weg [hin, der den Acker begrenzte]; da kamen sweil es dort nicht mit nntergeeggt werden konnte] die Vögel sdes Himmels, die überall, wo gesäet wird, gleich bei-der Stelle sind] nnd fraßens auf [und was etwa von ihnen noch verschonet worden, das ward vertreten Lnk. 8, 5]. 5. Etltches fiel in das Steinichth da es nicht viel Erde halte [auf einen Boden mit steinichtem Untergrund und nur dünner Erdschicht nach oben] und ging bald ans, darum, daß es nicht tiefe Erde hatte [denn die dünne Erdschicht ward im Frühjahr von der Sonne bald dnrchwärmt und der so wie in einem Treibhaus liegende Same konnte seine Sprossen um so schneller nach außen treiben, je näher er der Obersläche sich befand] is. Als aber sim Fortschreiten der Jahreszeit] die Sonne ausging lhöher stieg am Himmel und heißer ihre Strahlen herniedersandteL verweilte es flitt es von dieser Hitze, statt daß dieselbige sonst das Wachsthum der Pflanzen fördert], nnd dieweil es swegen des felsichten Untergrundesj nicht Wurzel halte [die tief genug gedrungen wäre, um von unten her Feuchtigkeit und Nahrung einzusaugens ward es dürre sund ging nun ganz ein]. Evangelium Matthäi 13, 3—11. 7. Etliches fiel unter die snur erst in Wurzel: gestalt oder als Unkrautssatne im Boden vorhan- denen] Dornen [Jer. 4, 313 nnd die Dornen wuchsen serst gleichzeitig bald aber itberwuchernd, mit] auf Und ersticlteud [was von dem guten Samen unter sie gefallen war]. 8. Etliches lwenn auch nicht gerade das Meiste] fiel auf ein gut Land nnd trug Frucht sdie nicht blos eine Zeitlang aushielt, wie in V. 5 u. 7, sondern zunahm und] wuchs bis zur vollen Reife in der Ernte Mark. 4, 8.; doch war auch da wieder ein UnterschiedL etliches [trug] hundert- falttg [wie ein so hoher Ertrag in Palästina zvohl vorkommt 1. Mos 26, 12], ctliches fcchszigfalt1g, etliches dreißigfaltig fin Mark. 4, 8 geschieht die Aufzählung des Ertrags von unten nach oben: dreißigfziltig, sechszigfältig, hundertfältig]. 9. [Nach diesem Gleichniß rief dann Jesus, gleichwie er schon vor demselben gesagt: ,,Höret zu« und damit zu gespannter Aufmerksamkeit zu: nächst aus den Wortlaut ermahnt hatte Mark. 4, 3]: Wer Ohren hat zu hören, der höre kund verlangte nun auch von den Leuten, über das Gehörte ihr inneres Verständnißvermögen anzustrengety um den Sinn seiner Erzählung ausfindig zu machen Kap. U, 15 Auln., wenn see das vermöchtens Die Geschichte einer Aussaat erzählt Jesus, um zu zeigen, wie die Wirkungen, die das Aus-werfen des einen Samens durch den einen Säemann hervorruft, nach der Verschiedenheit des Bodens, aus den er fällt, verschieden sein können, und doch nur eine die rechte ist, lvelche zu dem beabsichtigten Erfolge führt. Vier Fälle setzt er zu dem Vehnfe: der erste, in wel- chem die Körner auf den sestgetretenen Weg fallen nnd deshalb den Blicken der Vögel offen daliegen bleiben, bezeichnet den gänzlichen Mangel an Entwickelung; denn bevor sie anfangen kann, ist sie schon unmöglich geworden; das Korn muß ja in die Erde eindrin en, wenn es sich entwickeln soll. Diesem gegenüber haben alle drei folgenden das gemeinsam, daß es zum Eindringeit in die Erde wirklich kommt und also auch zu irgend einer Entfaltung des Samens; aber dabei ist doch wieder Verschiedenheit möglich. An der einen Stelle nämlich, wo der Boden felsigen Untergrund hat, kommt es zu einer raschen Entwickelung; weil das Korn nicht tief nach unten sich ausbreiten kann, dehnt es sich um so rascher nach oben. Aber jener Mangel macht diese Ent- faltung nnntitz: je rascher es aufsproßt, desto schneller ist’s auch mit ihm zu Ende. Also während im ersten Falle gar nichts Erfreuliches stattfindet, ist hier ein schneller, vielversprechender Anfang, der sich aber als eitle Täuschung erweist. Die an dritter Stelle ge- meinten Körner dringen tief genug nach unten, aber ihr Halm kann nicht frei und hoch genug derselben Sonne entgegenkommety die dem vorigen so oerderblich wurde. So ist hier ein Gegensatz, aber auch ein Fortschritt gegen den zweiten Fall; denn es ist hier eine an sich dauerhafte und lebenskräftige Entwickelung, die nur durch andere, nach gleicher Entfaltung strebende Elemente auf demselben Boden gehemmt wird und deshalb das letzte Ziel, die Frucht, nicht erreicht. Dieses Ziel (,,nnd brachte rucht«) wird allein bei dem vierten erreicht; und all as Gute, was im zweiten und dritten Fall vorhanden war, aber werthlos blieb, hat hier als Der HErr redet in Gleichnissen von seiner Kirche und von der Kraft seines Worts. 179 Moment normaler Elitwickelulig seinen Werth. Um dieses ausdrücklich bemerklich zu machen, beschreibt Markns (4, 8) vor Angabe des Ertrags so breit die Stufen der Entwickelung, durch welche hindurch das Fruchtbringetl sich vermittelt hat, in den Worten ciwcrliocimiara noci ocågocneircsroc (nach der richtigen Lesart des Codex sinaitious — beide Participia gehören zum Subjekte alt-oh: »Etliches, das auf ein gut Land fiel, brachte Frucht, indem es ausging und zunahm.« Durch das Aufgehen, das im ersten alle nicht, aber im zweiten vorhanden war, und durch as Zunehmen , das nun im dritten einigermaßen zu denken ist, hat sich die An- setzung wirklicher« Frucht vermittelt; entsprechend dieser Sorgfalt, mit welcher Markus die schrittweise Steigerung in den vier Fällen festgehalten, muß denn auch bei ihm die Aufzählung des verschiedenen Ertrags im letzten Falle von unten nach oben gehen. (Klostermann.) 10. Und die Jünger [nicht blos die zwölfe, sondern auch die »Um ihn waren« Mark. 4, 10 oder zu seinen vertrauteren Schülern gehörten, aus deren Kreise er hernach die Siebenzig alissonderte Luk. 10, 1] traten zu ihm snachdem er das Volk entlassen und auf den Heimweg sich begeben hatte V. 361, und sprachem Warum redest du zu ihnen swie du es heute so ausschließlich gethan V. 34 f.] durch Glcichnisse [in dunkeln, schweroerstälidlicheti Sinnsprüchen überhaupt und dann auch in eigent- lichen Vergleichungen noch insonderheit, bei denen es gar nicht so leicht ist, deine Meinung zu er- kennen, wie denn z. B. auch wir, deine Jüngen die Bedeutung dieses Gleichnisses Vom Säemanit nicht recht verstanden haben und deshalb um deine Auslegung dich bitten möchten Luk. 8, 9]? In V. 35 erscheint der Ausdruck ,,Gleichniß« als eine Uebersetzung des hebr. waschen, worunter insbe- sondere der Siltnsvruch als eigenthiiinliche Dichtnngsart der Chokma (1.Kön. 4, 3l Anm.) und dann überhaupt ein in Bildern malendes, sinniges, körniges und gerun- detes Redeganze gehobenen Styls zu verstehen ist. Da- mit verbinden srch die »Heimlichkeitelt «, d. i. verfchlnn- gene, verwickelte, räthselhafte Reden oder Sprüche und Sätze, worin aus einigen, nur dunkel und in witziger Verknttpfung angedeuteten Merkmalen der zu Grunde liegende Gedanke zum Rathen aufgegeben wird (1. Kön. 10, 1 Blum. 3). In dergleichen Sinnsprllchen und Räthseln oder Gleichnissen im weiteren Sinne des Worts, da schon eine bildlich ausgedrückte Sentenz (Kap. 15, 15; Luk.4, M; 5, 36; S, 39; 14,7ff.) oder einfache Vergleichung (Mark.18, 28), auch wohl ein Typus oder Vorbild (Hebr. 9, 9) unter »Gleichniß« verstanden wird, hatte sich diesmal die Rede Jesu an das Volk in so ausfchließlicher Weise bewegt, daß es den Jüngern auffiel. Bedient hatte er sich dieser Lehrform auch schon in früheren Vorträgen, denn sie entsprach ganz der Neigung der Orientalen sowie dem Wesen des Himmelreichs selbst, das er verkündigte; aber immer war sie doch dem Maße des Verständnisses genau an- gepaßt (Mark. 4, 33) und etwa wie ein kurzer, Inn- voller Merkvers für das bereits Erfaßta Nur heute machte sie gleich den Anfang, und was dann zum Ab- schlufz in einer eigentlichen, vollständigen Parabels hinzutrat —— eingeleitet durch ein ,,Höret zu« und be- endigt mit einem »wer Ohren hat zu hören, der hörel« —, das machte das Gehörte nicht klarer und erfaßlicher, sondern schien es absichtlich recht auf das Gebiet des Geheimnißvolleii nnd Räthselhaften hinliberspielen zu wollen, so daß die Jiinger, obwohl sie den Sinn des Gleichnisses vom Säemann gewiß im Allgemeinen ge- s ahnet haben und wohl auch über die einzelnen Punkte nicht völlig im Unklaren sich befanden, doch sich selber nicht trauten, ob ste denn wirklich den Schlüssel zum richtigen Verständnis? gefunden. So erklärt es sich voll- ständig, inwiefern sie bei Matthäus zu der Frage sich veranlaßt fühlen: »Warum redest dn zu ihnen durch Gleichnisfe?« bei Markus und Lukus aber zu der Bitte: ,,sage uns, was dieses Gleichniß ist« — es lag ihnen eben beides, jene Frage sowohl wie diese Bitte, auf dem Herzen, nur daß Matthäus die Frage in den Vorder- grund stellt, weil es ihm zunächst auf die Rede in V. l1——17 ankommt, Markus und Lukas dagegen haupt- sächlich die Auslegung des Gleichnisses vom Säemann in’s Auge fassen und darum auch die Bitte hervorheben müssen. «) Wir finden in den Reden Christi eine Stusenleiter vom einfachstelt bildlichen Ausdruck bis zum ausgeführten Gleichnissa Das letztere scheint einen Vorgang des täglichen Lebens zu be- schreiben, der buchstäblich so in der Außenwelt könnte geschehen sein, und meint doch unter dieser irdischen Geschichte einen himmlischen Vorgang, ja eine immer wiederkehrende göttliche Wahrheit. Es unterscheidet sich bestimmt von der Fabel (Richt.9,2), welche die Thiere und Pflanzen wie menschliche Personen reden lässt, oder auch Vlenfchen selber redend einführt, jedenfalls aber ineistens nur den Naturmenfchen und seine niedere Klugheit zur Dlnschauung bringt. (Niggenbach.) Die Fabel will das sittliche Weltleben des Nlenschen beleuchten; sie bleibt deshalb in der Welt stehen und fleht sich in der natürlichen Welt nach Lehr- meistern um. Die Parabel dagegen hat es nicht mit dein Men- schen als bloßen! sittlicheniWeltwesen zu thun; sie faßt den Menschen als Gottes-Menschen, als religiöses Wesen, religiöse Wahrheitem göttliche Geheimnisfe will sie zur anschauenden Erkenntnis; bringen. und thut dies so, daß sie aus dem Gebiete der durch den Menschen Verklärten Natur, aus dem Bereiche des Nlenschenlebens und Menschenlvirkens selbst das Abbild der höheren Wahrheit herausnimmt Ein Vorkommniß des» wirk- lichen Vlenschenlebens, eine Geschtchte ans der gewöhnlichen Nlcnschenivelt ist die Leiter, auf welcher die Parabel den Men- schen Gottes; zur Anschauung der Geheimnisse des Himmelreichs emporführt (Nebe.) Durch Wunder und Gleichnisse wird eine höhere Welt aufgetham indem jene das Außerordentliche all- täglich, diese das Alltägliche außerordentlich machen. Während im ganzen A. T. nur 3 Gleichnisse vorkommen, finden wir in den 8 ersten Evangelien nicht weniger als 40 Gleichnisse vor. Sie waren verschleiern, verhüllte Offenbarungen des HErrn und gehörten so recht eigentlich in die Zeit des Geheimnisses (Joh. le, 25); nachdem die Ausgießung des heil. Geistes er« folgt war, hat kein Apostel mehr in Gleichnissen geschrieben nnd gepredigt. Das Gteichniß ist ausschließlich Eigenthum des HErrn geblieben. (Fr. ArndtJ · 11. Er antwortete und sprach: Euch [die ihr fragend und bittend zu mir kommt und damit be- weiset, daß ihr euch von dem, in welchem verborgen liegen alle Schätze der Weisheit und der Erkenntniß Cor. 2, Z» wollet in alle Wahrheit leiten lassen] ist’s [von meinem Vater Kap. 11, 25 f.] gegeben, daß ihr das Geheimnis fgenauerx die Geheim- nis se] des Himmelreichs vernchmet szur Erkenntnis; gelanget nicht nur des wahren Wesens des Himmel: reichs, sondern auch seiner Verhältnisse und Bezie- hungen im Einzelnen nnd seiner Geschicke und Er- lebnisse in der Welt]; diesen aber [die da draußen sind Mark. 4, 11] isks nicht gegeben* fund darum verhülle ich ihnen jene Geheimmsse, die an sich schon 123 180 dem natürlichen Alenfcheti verborgene Dinge, ohne göttliche Offenbarung aber völlig unbekannte Rath- schlüsfe I. Cor. 2, 9 enthalten, noch mehr durch meine Bilder und Gleichnisse]. 12. Denn wer da hat Evas, was ihm vorerst nur in Anfängen und geringerem Maße rnitgetheilt worden, treu bewahrt und fleißig gebraucht], dem wird [in stufenmäßigem Fortschritt immer mehr] gegeben, daß er szuletztj die Fülle habe; wer aber nicht hat smit dem Wenigen, was ihm anfangs zu Theil wird, in lüderlichen gewissenloser Weise um: geht], von dem wird auch genommen, das er hat» [eben dies Wenige, Anfäng1iche, weil er als einen schlechten Haushalter der niancherlei Gnade Gottes 1. Petri 4, 10 fich erwiesen Kuh. 25, 29z Mark. 4, 25; Luk. 8, 18]. 13. Datum [daß dieses: »wer da nicht hat, von dem wird auch genommen, das er hat,« in Beziehung auf sie zur Anwendung komme] rede ich zu ihnen durch Gletchnifsettt sdie das Ge- heimniß des Himmelreichs gänzlich vor ihnen zu verbergen bestimmt sind] Denn snachdern ich nun ein ganzes Jahr in der einsachsten und doch zu- gleich in der eindringlichsten Weise ihnen gepredigt und daneben in Zeichen und Wundern das Himmel: reich ihnen nahe genug gebracht habe, wie weit sind sie denn in dieser Zeit mit der Erkenntniß der Wahrheit und mit der Empfängltchkeit für mein Wort gekommen?] mit sehenden Augen sehen sie nicht [so muß man über sie klagen], nnd mit hbrenden Ohren hören sie nicht [so muß man sie beschuldigen]; denn sie verstehen es nicht swas ihnen bisher so oft und viel vorgetragen worden, weil sie es nicht verstehen wollen]. 14. Und über ihnen wird [in Folge dieses ihres Verhaltens nunmehr, da es zu einem Wende- punkt in Beziehung auf Gottes Verhältnis; zu ihnen gekommen, vollständig] die Wcissagnng Jesaiä [in Kap. 6, 9 f. seines Buches] erfüllet, die da [nach dem Wortlaut in der griech Uebersetzung der SeptUagintaJ sagt: Mit den Ohren werdet ihr hören, und werdet es nicht verstehen; und mit sehenden Augen werdet ihr sehen, und werdet es nicht vernehmen. 15. Denn dieses Volkes Herz ist versteckt, und ihre Ohren hören iibel, und ihre Augen schlummern, auf daß sie nicht dermaleins mit den Augen sehen, und mit den Ohren hören, und mit dem Herzen verstehen und sich bekehren, daß ich [der HErrJ ihnen hillfeAs «) Der HErr scheidet hier zum ersten Male zwischen solchen, die innen, und iolchen, die außen stehen; der Unterschied, welcher sich allgemach vollzogeu hat, wird von dem HErrn nur offen und ehrlich anerkannt. Es steht leider nicht mehr so, daß alle, welche kommen, um den HErrn zu hören, in der Absicht kommen, zu ihm zu kommen und durch ihn hinein zu konnueti in das Reich Gottes; viele kommen in einer solchen Gesinnung, Evangelium Matthäi 13, 12——23. mit einer solchen Absicht, daß zwischen ihnen und ihm keine Gemeinschaft möglich ist. Der Arzt ist für die Kranken, der Heiland fitr die Sünder; diese aber wissen nicht, daß sie krank sind, und wollen nichts davon hören, daß sie Sünder sind — sie kommen, weil sie an dem Arzt, dem Heiland eine Ursach suchen wolletr. Das Gericht, von dem im johanueifchen Evangelium so oft geredet wird, das fich an die Fußsohlen des eingebore- nen Sohnes vom Vater voller Gnade nnd Wahrheit hängt, wirkt sich jetzt schon aus. (Nebe.) «) Zu den ,,Habenden« gehört, wer das Empfaugene treulich bewahrt und bewegt hat im Herzen, wie z. B. Maria die Worte und Umstände bei der Geburt und in den ersten Lebens-tagen ihres Sohnes behielt nnd be- wegte (Luk. 2, 19. 51), oder wie Simeon und Hanna die Weissagnngen auf Christum erwogen und bewegt hatten (Luk. 2, 25f., 37f.). Auch die Zeitgenossen Jefu, die so viele seiner Wunder gesehen und ohne Bild und Gleichuiß gesprochene Reden von ihm schon vernommen hatten, konnten und sollten etwas davon behalten haben, was als Grundlage weiteren erhöhten Besitzes dienen konnte; daß dieses bei ihnen nicht der Fall war, entziehe ihnen nicht blos weiteres Wachsthum, sondern macht auch ihren dermaligen Besitzftaud fraglich, ja nutzlos und eitel (beffer: bringt sie zuletzt ganz darum, und läßt sie in das gerade Gegentheil verfallen) Die Jttuger hatten; sie waren Jefu Reden und Thateu aufmerksam gefolgt, sie hatten einen Schatz daraus bei sich angelegt, den sie zu vermehren trachteten, und dies Verlangen soll ihnen iu steigenden Verhältnissen erfüllt werden. (v. Bnrger.) —- MIII Die Parabel ist von doppeltfeitigettt Nutzen und wird zu zweierlei, was ein- ander entgegengesetzt, angewendet; denn sie dient theils zur Hijlle oder Decke, theils zur Erläuterung. (Baco.) Ein Gleichniß ist ähnlich der Wolken- und Feuerfäule, welche die finstere Seite den Egypterm Und die helle dem Volke des Bandes zukehrte (2. Mos 14, 20); es ist ähnlich einer Schale, welche den köstlichen Kern eben so sehr für den Fleißigeti als vor dem Trägen bewahrt. Deunoch war Jefn Predigt in Gleichnisfeii vor dem nn- verständigeu Volke nicht zwecklosz denn auch denen, welchen jetzt zur Strafe fiir ihren fleischlichen Sinn die Hitlle noch den Blick in die Wahrheit verbarg, konnte später, wenn die in dem Gedächtnisse gebliebenen, so einfachen und doch so vielfagenden Bilder wieder« vor ihre Seele traten, auch der innere Sinn derselben desto eher alls- gehen (v. Gerlach.) —- «s—) Will denn Gott also das Verderben des Volks? Wir sollen merken, daß es nicht sein nrspriinglicher und nicht sein letzter Wille ist; aber· nachdeiit sie schon lange der Gnadenpredigt widerftrebt, so will er sie nun taub gepredigt haben. Er will, daß sein Wort die Wirkung habe, wie der Regen auf dein iiberfättigten Lande: nicht mehr zu tränken nnd zu er- quicken, sondern hart nnd schwer zu machen. Sie hören es und werden nur immer ftumpfer in ihrer Sorglosig- keit; man meint, es könne einem nicht fehlen, man hat ja das Wort, aber man hat sich schon gar zu lange ge- wöhnt, es mit todtester Unempfindlichkeit zu hören. Daraus, statt zum Segen. wird es zum Gericht; und es ist der Wille des richtenden Gottes: so soll es fein. Wenn es die Absicht ihrerHärtigkeit ist, sie wollen sich nicht bekehren, daß sie gerettet würden, so ist es auch die Absicht Gottes: es muß so fein, daß ihnen das Himmelreich ein verschlofsenes Geheimnis; bleibe, von dem sie mitten im Licht nichts sehen, so fcharfsichtig sonst ihre Augen find. Es foll dazu nur Einen Schlüsse( geben: die Willigkeit des Herzens, sich zum lebendigen Gott zu kehren; wo diese fehlt, da muß die Verschlossen- heit immer größer toter-den. (Riggenbach.) Jesus deutet seinen Jüngern das Gleichniß vom Siiemann 181 16. Aber selig sim Gegensatz zu den scl)luin- ; mernden oder zugedrückteii Augen dieses Volkssz sind eure Augen, daß sie sehen, und eure Ohren l sim Gegensatz zu den übel hörenden oder verschlosse- neu Ohren der Andern], daß sie hören fwie aus der von euch ausgesprochenen Bitte um Aufschluß " über meine Gleichnisse hervorgeht] 17. lJhr gebrauchet da die Heilszeih deren ihr gewürdigt seid, in der rechten Weise; und in der That ist ja diese Heilszeit die größte und herr- lichste, die es je in der Geschichte Jsraels ge- geben] Wahrlich, ich sage euch, viel« Propheten und Gerechte lzur Zeit der alttestamelitlichen Haus: » haltung] haben begehrt zu sehen, das ihr sehet, uiid haben’s nicht gesehen snämlich die Tage des Menschensohnesk und zu hören, das ihr hbret, und haben? nicht gehoret snäinlich die frohe Botschaft: die Zeit ist erfiillet und das Reich Gottes ist her- bei gekommen Mark. I, 15]. Scho11 in Kap. 11, 20—«)7 sahen wir unsern Evan- gelisten etwas zur Rede Jesu hinzunehmen, was zwar dem inneren Gedankenzusammenhang nach in Verbindung mit dem Vorhergehendeu stand und der damaligen Ge- initthsstimmurig des HErrn völlig entsprach, aber gleich- wohl erst einer um V, Jahr späteren Zeit angehörte, ivie sie in Luk. 10, 21 ff. vorgeführt wird; der Evan- gelist, der von der Aussendung der 70 Jiinger nichts berichten wollte und so keine Gelegenheit hatte, an der zeitgeschichtlichen Stelle die Worte beizubringen, suchte sich dafür eiiie anderweit passende Stelle, und hat sie auch, was Geist und Wesen betrifft, ganz richtig gefun- den. Dasselbe ist denn auch hier der Fall, wo nun aus dem Vorgang mit den 70 Jüngern noch ein dritter Ab- schnitt: Luk. 10, 23 u. 24., hinzukommt. Jn zeitgei schichtlicher Hinficht hat St. Lukas genauer berichtet, aber heilsgeschichtlich hat auch St. Matthäus volles Recht, wenn er die Worte hierher zieht; denn zu denen der HErr redet, das sind auch hier im Verein mit den Zwölfeu diejenigen, welche hernach als die 70 Iünger austreten. Sie haben sich mit ihrer Frage und Bitte in V. 10 so ganz auf die Seite der Zivölfe geschlagein daß von nun ab entschieden ist, sie gehören nicht mehr zu ,,diefem Volke« (V. 15), sondern zu den ,,Jijngern« im vollen Sinne des Worts; daher auch in Mark. 4, 10 es heißt: ,,es fragten ihn, die um ihn waren, sammt den Zwölfen.« Das eigeutliche Wort nun aber, welches der HErr zeitgeschichtlich an unserer Stelle sprach, ist in Mark. 4,13 aufbewahrt, und werden wir uns über dessen Meinung dort näher aussprechen. 18. So hdret nun ihr [denen es gegeben ist, das Geheimnis; des Himmelreichs zu vernehmen V. It] dieses Gleichnisi von dem Sciemaun so. i. die Deutung desselben, um die ihr gebeten hsabt]. 19. Wenn jemand das Wort von dem Reiih sKap. 4, 23; 24, 14] höret und swegen seines harten, rerschlosfenen Herzens] nicht verstehn, so kommt der Arge [der Teufel] und rcißet sinitteis seiner »Wcrkzeuge und HeIferShelferJ es hin, was da gesaet»ist »in sein Herz; und der ist-s, der am Wege gesaet ist so. i. bei dem der Same an den Weg gesäet war] 20. Der aber aus das Steinigte sbei dem das Wort aiif das SteiiIigteJ gesciet ist, der ists, wenn jeinand das Wort hbret, und dasselbige bald sgleich beim erstmaligen Hören] aufnimmt mit Freuden; 21. Aber er hat nicht Wurzel in ihm, sondern . er ist wetterweudisch; wenn sich Trübsal und Ver- » folgung erhebt um des Worts willen, so cirgert er sich bald. 22. Der aber unter die Dornen gesiiet ist, der ists, wenn jemand das Wort hbret nnd die Sorge dieser Welt und Betrug des Reichthums sder tiiuscheude Wahn von dem hohen Werth nnd der grossen Wichtigkeit des Reichthums] erstickt das Wort und sei, der also das Wort bei ihm ersticken läßt] bringet nicht Frncht. 23. Der aber in das gute Land gesiiet ist, ; der ist’s, wenn jemand das Wort hbret und ver- « stehet es [im tiefsten Sinne des Worts) Und dann auch swozu es allein bei einem solchen Hören kommt] »Frncht bringet; nnd etlicher trcigt hundertfciltig : etlicher aber sechszigfiiltig, etlikher aber dreißig: faltig. Die nähere Erklärung dieses Abschnitt-s versperren wir uns auf Luk. 8, 11—15., wo wir nicht nur den Wortlaut bei allen -3 Evangelisteit hinter uns, sondern auch mit einer Sonntags-Perikope es zu thun haben; hier bemerken wir nur noch das Nöthige über die auf- fällige Redeweise in V. 19. 20. 22 u. ,,Der am Wege —- auf das Steinigte — unter die Dornen — in das gute Land gesäet ist,« da ja doch nicht der Mensch selber, sondern der Same es ist, welcher gesäet worden, und zwar auf dem Acker inenschlicher Herzen, der Mensch also vielmehr durch den Weg, das Steinigte re. reprä- sentirt sein sollte, statt durch den Samen. Indessen rechtfertigt sich diese Redeweise vollstäiidig dadurch, daß, da der Same nicht siir sich allein bleibt, sondern mit dem Menschen, in welchen er gesäet wird, zusammen- wächst, nun auch die Geschichte des Samens zur Ge- schichte der Person selber wird; zugleich aber mußte der Ausdruck so gefaßt werden, daß die Vorstellung ausge- schlossen bleibt, als ob das Wort Gottes selber voni Satan hingeuommen und behalten werden könnte re. nnd als ob einer von vornherein seinem ganzen Wesen nach in Folge einer unabwendbaren göttlichen Voraus- Bestimmung dem Wege 2c. gleich wäre. Das Wort Gottes ist ja in sich selber kräftig genug, den Satan mit feinen schädlichen Einflüssen abzuwezijteih die Hitze der Anfechtnng auszuhalten, die Dornen der Sorge dieser Welt und des Betrug-s des Reichthums in ihren Wurzeln zu ersticken und in jedem einzelnen Falle eine hundertfältige Frucht zu erzielen; so ist auch jedes ein- zelne Menschenherz ein vollständiger Acker von der vier- fachen, im Gleichniß geschilderten Beschaffenheit, die Ver« schiedeuheit der Wirkung des göttlichen Samens hat nur darin ihren Grund, daß einer mit dem, was ihm von Gottes Wort mitgerheilt wird, sich säen läßt an den Weg in seinem eigenen Herzen, aus das Steinigte, unter die Dornen oder in das gute Land. Nicht minder ist es gerechtfertigt, wenn in V. 19 Jesus sagt: »So höre: nun ihr dieses Gleichniß«, statt, wie wir erwarten sollten: die Deutung oder Erklärung desselben; der HErr hat ja eine Geschichte erzählt, wie sie buch- städlich in der Anszeuwelt könnte geschehen sein, zur 182 Evangelium Matthäi 13, 24——-30. Parabel aber oder zum Gleichniß wird die Geschichte erst durch die nähere Angabe im Einzelnen, wie unter diesem irdischen Vorgang ein himmlischer sich abbilde. (Evangekimn am Z. Sonntage nach Cpiphttnicih Die vorige Perikope (Kap. 8, 23 ff.) zeigte, wie der HErr als Herr und König über das Reich der Natur alle Angrisse, welche von außen her kommen, siegreich mit dem bloßen Worte zu nichte macht: diese Perikope lehrt, daß das Reich Gottes mit inneren Feinden auch zu kämpfen hat, daß diese aber das Wachsthum desselben nicht hindern können, sondern am Ende völlig liber- wnnden werden. (Nebe.) Zu den verschiedenen Erschei- nuugen oder Ossenbarungen Christi, welche wir an diesen Sonntagen betrachten, gehört auch diese, welche am Ende der Welt geschehen wird. Da wird er kommen und sein Gericht offenbaren, daß er seine Gemeinde reinige und die Guten von den Bösen sondere. Das hält er uns hier in einem Gleichniß vor, damit wir auf diese Offen- barung in Geduld warten und den Muth nicht verlieren, sondern denken sollen: Ende gut, alles gut. Geduld aber ist uns Noth, denn inzwischen fehlt es an einem Haufen Anstöße nicht; dieselben kommen von einer Seite, wo man sie am ungernsten hat. Es ist die christliche Kirche, von der sie kommen; von ihr erwarten wir aber nicht, daß sie Anstöße giebt, sondern daß sie Anstöße aus dem Wege räumt. Deshalb hat es unser HErr nicht bei der bloßen Verheißung lassen wollen, daß er wiederkommen und alles zurecht bringen werde; er hat uns auch Licht über die Anstöße gegeben, zur Stärkung unsers schwachen Glaubens, damit wir bei seiner Kirche aus-harren. (Mtinkcl.) 24. Er [nämlich Jesus, als er in der V. 1 ff. angegebenen Weise zu dem Volke redete] legte ihnen [im a n d ern Theil seiner Predigt] ein ander Gleich- niß swie ein Räthsel zur Auflösung] vor, und sprach: Das Himmelreich ist [von Seiten seiner Ent- wickelungsgeschichte auf Erden] gleich [d. i. es er- geht ihm da ebenso wie] einem Menschen, der guten Samen auf seinen [genauer: auf seinem] Acker såete. 25. Da aber die Leute schliefen sund also niemand sich dessen versehen konnte], kam fein Feind [der nur darauf bedacht, ihm alles zu ver- derben] und fåete Unkraut lSamen von Lolium Hof« TO, 4 Am. L] zwischen den Weizen, und ging [fo heimlich und unbemerkt, wie er ge- kommen, auch wieder] davon [fo daß niemand ahnete, was mit dem Acker inzwischen vorge- gangen war] 26. Da nun das Kraut sdes Weizens so- wohl wie des Lolchs, das anfänglich eins dem andern ganz gleich sah] wuchs und Frucht brachte soder Aehren ansetzte], da fand sich auch das Unkraut [erkannte man es nunmehr« an seiner Frucht, den Aehrenpund konnte es dentlich von dem Weizen unterscheidens 27. Da traten die Knechte zu dem Haus- vater [von dem in V. 24 als »Menschen« die Rede war] und sprachen: Herr, hast du nicht guten Samen aus deinen Acker gesäetis woher hat er denn das Unkraut [den Taumellolch, zu s I dem doch irgendwie der Same muß hineingebracht worden sein]? 28. Er sprach zu ihnen: Das hat der Feind gethan [nach dem Grundtext: Das hat ein feindseliger Mensch gethan — da der Säemann als Mensch gezeichnet ist, mußte auch sein Widersacher als solcher bezeichnet werden] Da spracheu die Knechte [weitcr]: Willst du denn, daß wir hingehen und es ausgäten [5. Mos is, 5 u. I. Kötm 18, 40 Anm.]? 29. Er aber [fo gut auch ihr Vorschlag gemeint war] sprach: Nein, auf daß ihr mcht zugleich den Weizen mit ausraufet, so ihr das Unkraut ausgåtet ldenn dies hat mit feinen nach allen Seiten hin sich streckenden Wurzeln die res Weizens so u1nsponnen, daß beide ganz und gar in einander verflochten sind] 30. Lasset beides mit einander wachsen bis zur Ernte; und um der Ernte Zeit will ich zu den Schnittern sagen: Sammelt zu- vor das Unkraut sdas auf dem Acker sich so breit gemacht hat, als gebühre ihm der Hauptplatx alt» wäre es allein berechtigt] und bindet es in Biiudleim daß man es verbrennez aber den , Weizen sammelt mir in meine Stimmen. Dies zweite Gleichniß geht von demselben Bilde des Samenstreuens aus, wie das erste, faßt aber eine andere Seite der Verhältnisse des Reiches Gottes in’s Auge; wenn der HErr da beginnt: »Das Himmelreich ist gleich einem 9Jietischen, der guten Samen auf seinen Acker streute,« so ist das eine abkürzende Ausdrucksweish aus der Vergleichung wird ein Theil hervorgehoben und an demselben das Gleichniß concentrirt tOlshausenJ Nicht der Mensch allein schon ist das Bild des Himmel- reichs, sondern alles zusammengefaßh was das so ein- geleitete Gleichniß darstellt. (v.Burger.) Das Gleichniß nun vom Unkraut auf dem Acker (V. Its) spricht von der Mischung der Guten und der Bösen, der Kinder des-Reichs und der Kinder der Bosheit (V. 38) in der Kirche, und zwar I) vom Ursprung der- selben, 2) von Gottes Absichten dabei, und Z) von ihrer Dauer. (F1.7. Arndt.) I. Das Himmelreich ist hier so viel als die gläubige Christenheit oder die christliche Kirche: mit der geht es so zu, als wenn ein Mensch guten Samen aus seinen Acker säete; und nun wird es im Gleichnisse alles der Reihe nach beschrieben, wie es damit zugeht. Da haben wir erstlich den Menschen, welcher säet: das ist des Menschen Sohn, unser HErr Jesus Christus (V. 87). Er säet zwar nicht allein, denn er läßt auch seine Knechte, die Apostel, Prediger und Lehrer säen; aber er säet doch anfangs auch selbst, und was nachher seine Knechte thun in seinem Namen, das thut wiederum er selber, denn er muß den Samen hergeben, er muß auch das Ver- mögen znm Säen und das Gedeiheu zum Wachsthum geben. Also ist Er zu allen Zeiten , der den Acker be- stellt, und hat nie die Hand vom Acker gethan, welcher sein Acker heißt und sein Acker bleibt: die christliche Kirche ist sein, er hat sie gegründet, er erhält sie, er, wird ste auch vollenden. (Miinkel.) Gott ist gut, und der HErr, der menschgewordene Gottesfohtn säet nur guten Samen: der Same, welchen er säet, ist — aus dem vorhergehenden Gleichuisse nehmen wir das —- Gottes Wort; das ist gut durch und durch, lebendig, kräftig, es auf dem Felde nnd treibt dort Das Gleichnisz vom Unkraut unter dem Weizen. g 183 ist ihm auch kein Unkrautkorn zugemengh des Menschen Sohn predigt das reine und lautere Wort Gottes. Auf ,,seinem« Acker aber säet er den Samen —— nicht, wie man gewöhnlich liest, auf »seinen« Acker: der Säemann hat sich selbst auf seinen Acker begeben, er steht mitten sein Werk. So winkt dieses »auf dem Acker« auf die Menschtoerdictig des Sohnes Gottes, wie das hinzugefügte ,,seinem« dar- auf deutet, daß dieser Acker dem Säemann nicht erst dadurch zu eigen wird, daß er ihn besäet — nein! dieser Acker wird von dem Säemann betäet aus dem Grunde, daß er sein Eigenthum ist; dieser Acker gehörte dem Säe1nann, ehe er mit seinem Samen kam. Der Acker, so sagt der HErr in B. Its, ist »die Welt«; er konnte hier noch nicht anders reden, als er redete, nnd jeder, welcher dafür flugs »die Kirche« setzt, übereilt fuh- Der Säemann kommt mit seinem Samen, um zu stien: wo soll er ihn hinsäen? Eine Kirche giebt es noch nicht, diese wird ja erst durch das Saatwerk des Sttetnanns in’s Leben gerufen; will er den Samen nicht in die Luft streuen, so muß er ihn in den Acker dieser Welt seien. Wohl giebt es ein Fleckchen, welches ans dieser Welt schon ausgesteint und ans-gesondert ist, die alttestamentliche Theokraticx aber des Menschen Sohn, der vom Himmel gekommen, will ein Reich gründet» koelches so weit reicht, als die Wolken des Himmels. Was der HErr seinen Aposteln mit klaren Worten in Kap. 28,19 sagt, das deutet er hier mit seinem Worte: ,,der Acker ist die Welt« an; diese ist das Areal, der Grund und Boden, auf welchem das Reich Gottes er- baut werden soll, die ganze Welt soll mit dem Samen des Wortes bestreut werden, und soweit nun dies große weite Feld mit diesem Samen durchzogen, besäet und bedeckt ist, so weit ist auch die Kirche in der Welt ge- gründet. (Nebe.) Des Himmelreichs Same ist das Wort nnd Evanelium Gottes: diese ans dem ersten Gleichniß (V. 19) eriibergenommeue Erklärung wird dadurch nicht aufgehoben, daß der HErr in der Deutung dieses zweiten Gleichnisses (V. 387 sagt: »der gute Same sind die Kinder des Reichs« In dem ersten Gleichniß ist die Rede von dem ersten unsichtbaren Werden des Himmel- ieichs aus dem Samen des Worts und Evangeliums Gottes in des Menschen Seele: hier, im zweiten Gleich- niß, ist die Rede davon, wie es nun geworden ist, wie es nun Kinder, Bürger, Diener, Genossen hat, woran und durch welche es auch äußerlich erkannt werden kann. Dort wird das Wort betrachtet, wie es als der Same des Himmelreichs ansgesäet wird in des Menschen Herz und wie da seine Geschichte vorerst unentschieden bleibt, ihre traurige oder selige Entwickelung sindend, je nach- dem der ausgestreuete Same des Menschen Herz als eine ausgetretene Landstraße, oder als einen mit Erde bedeckten Stein, oder als einen mit Dornen durch- wachsenen Acker, oder als ein bereitetes gutes Land an- trisft; hier ist die Geschichte des göttlichen Worts und Samens entschieden, es hat gutes Land gefunden, hat gekeimt und gewurzelt und ist ausgewachsen, steht als aufgegangene Saat auf dem Acker da. Das erste Gleichniß spricht von dem Worte, wie es außer den: Menschen ist Und des Menschen Herz als seinen Acker sucht; das zweite Gleichniß spricht von dem Worte, wie es im Menschen ist nnd lebt, wie es menschliche Herzen gesunden, erfiillt, erleuchtet. belebt, Menschen nach sich Und eben damit zu Genossen des Himmelreichs gebildet hat. (Menken.) Als der HErr Jesus die chriftliche Kirche gründete, da hatte er hohe Gedanken mit ihr und wollte ans ihr etwas machen, des leichen Himmel und Erde nicht aufzuweisen hat; er wo te ihr nicht blos alle seine Güter, die doch mehr als Himmel und Erde find, sondern auch sich selbst geben. In seinem Ehrenkleide, d. i. in - daß ich so sage, Personbildendes fein. seiner Gerechtigkeit und Liebe sollte sie so geschmückt stehen wie die auserwählte Braut, und es sollte von ihr heißen, daß sie aller Tugenden Christi voll sei und ein Leuchter Gottes in der Finsternis; der Welt; bei ihr sollte man Gottes Erkenntniß, Christi Gnade und des heil. Geistes Erleuchtung zum ewigen Leben finden. Darum hat Christus guten Samen gesäet, er hat gute Leute dazu ausgesucht, die in eine solche Kirche paßten; doch weil die eigentlich nirgends zu finden find und aller Same der Menschen verderbt ist, so hat er aus bösem Samen guten Samen gemacht und den guten Samen auf seinen Acker gesäet. So lesen wir auch von der ersten Christengemeinde (Apostg. 4, 32; L, 42 u. 47): ,,Die Menge der Gläubigen war Ein Herz und Eine Seele, blieb beständig in der Apostel Lehre und in der Gemeinschaft und im Brodbrechen nnd im Gebet, und hatte Gnade bei Gott und allem Volk« Deshalb war sie auch wie ein Wunder Gottes auf Erden, als wenn Gott noch einmal seinen Garten Eden fiir alle Armen, Verirrten und Geplagten aufgethan und gesprochen hätte: Hier sollt ihr Ruhe finden fiir eure Seelen. (Miinkel.) Wie lange aber hat’s gewährt, so fand sich mitten in der ersten Ehristengemeinde eiu Ananias, der dem heil. Geiste log (Apostg. 5); wie lange, so sahen die Apostel mit ihren eigenen Augen eine wuchernde Saat von greulichen Aergernissen aus dem Acker emporsprossem den sie selbst so gut bestellt, so sorgsam gepflanzt hatten, eine Pflanzung von Jrrlehrerm von Verführerm von Verkehrern und Lästerern der Wahrheit, dergleichen auch späterhin kaum schlimmere aufgetreten find: Knechte des Verderbens, Antichriste, Widerchriste nennt sie Johannes mit Entsetzen. Jn dem Maße, als der gute Same wuchs und Frucht brachte, fand sich auch das ihn über- wuchernde Unkraut. Und wo ist seitdem eine Zeit ge- wesen, da nicht die Zahl der Argen die der Kinder Gottes bei weitem überwogen hätte, ja oben auf ge- wesen wäre, hin und wieder so mächtig und gewaltig, daß sie die Kinder des Reichs bedrängten, verfolgten, aus ihrem Erbe vertrieben und den Boden des Ackers mit ihrem Blute dtingten, oder wenn auch das nicht, doch immer mitten unter sie fich hineindrängtem und der Kirche auf Erden diese wunderbare Mischgestalt gaben, in der wir sie noch heute sehen: Gute und Böse, Feinde und Freunde der Wahrheit, Kinder der Bosheit und Kinder des Reichs -— ein Acker voll Unkraut unter dem Weizen. Woher hat er denn das Unkraut? Jhr - habt die Antwort bei der Hand: »aus dem Herzen kommen arge Gedanken, Mord, Ehebruch. Hurerei, Dieberei, falsche Zeugnisfe, Lästerungsy ihr· verweist auf das Wesen der Welt: Augenlust, Fleischeslust, Hofsarth; diese argen Gedanken, dieser ungöttliche Sinn der Welt sei die Saat, aus welcher die Kinder der Bosheit wachsen. Und es ist alles wahr, was ihr sagt, reicht aber doch nicht hin, um uns den letzten Grund dieses dunkeln Räthsels zu lösen. Betrachtet nur die Art des zwie- fachen Gewächses etwas näher! Unkraut und Weizen in unserm Gleichniß bedeuten nicht den ausgesäeten Samen, auch nicht die Früchte und Werke, die ei· bringt, sondern die Menschen selber, die ganze Persönlichkeit der Menschen, guter und böser (V. 38): Die find ans dem zwiefachen Samen gewachsen, aus des Samens Kraft und Wesen das geworden, was sie sind; so muß denn der Same selbst etwas Wesenhaftes, Treibendes, Von dem gött- lichen Wort nun wissen wir, daß es lebendig und kräftig ist, ein Same der Wiedergeburt, und schafset, wo es aufgenommen wird, den neuen Menschen, der aus Gott geboren ist in Gerechtigkeit und Heiligkeit der Wahrheit (1. Petri 1, 22 f.). Etwas Aehnliches muß daher auch nach der andern Seite von dem Samen des Unkrauts 184 Evangelium Matthäi 13, 30 Anm. gelten; auch der muß eine lebendige treibende Kraft ii1 sich tragen, eine Kraft der Lüge und der Bosheit, ver- möge deren er den ganzen Menschen durchdringen und in seiii Wesen umbilden , ja zur Pflanzuiig des Argen machen kann: deutet das nicht auf eine verborgene geistige Macht des Bösen hin, die hinter der äußeren Erscheinung desselben wirksam ist? (Thomasius.) Dem himmlifchen Säeinann tritt ein siiisterer Säemann gegen- iiber, sein Feind, dem edlen Samen ein Uiikrautsfame, und die schädliche Saat droht die gute zu ersticken oder durch Verunreinigung zu Verderben. Dem Reiche Gottes steht also ein Reich bewußter Bosheit gegenüber, dessen Piittelpunkt der Satan ist, der Feind Christi. Seine Aussaat sind die Aergernisse (V. 41), geistige Principien der Verführung, versinnlicht durch den Lolch; denn wie dieser dem Weizen ähnlich sieht, so die Häresieen (die Jrrlehreiy der Wahrheit. Seine Saatzeit ist die Nacht- zeit, d. h. unter dem Schutz der menschlichen Schwachheit gedeiht das Werk teuslischer Bosheit. (P. Lange.) Der Schlaf ist, wenn die Leute sicher sind, oder auch, wenn die Leute schon fleißig predigen und sich solches am wenigsten versehen. Jndem sie gleichsam schlafen nnd sich dergleichen nichts befürchten, so stehen plötzlich falsche Apostel und salsche Brüder auf; denn es ist unmöglich, den Ketzern vorzubauen, der böse Same aber sind auch die Bösen (V. 41), so aus der Ketzerei entspringen. (Luther.) Freilich, daß also ein Theil der Menschen Teufelsfaat ist, daß die Kinder der Bosheit dem Fiirsten der Finfterniß zugesprochen werden — und das von dem untrüglichen Muiide Gottes selber, von dem liebe: vollsten Munde dessen, der Gott und Mensch ist, der mit den Menschen fühlt und mit göttlichem Erbarmen sich zum Sünder neigt —, das ist schrecklich und sollte uns erschüttern bis in die tiefsten Gründe unsrer Seele, und von den Lagern und Ruhestätten altgewohnter Sünden mit Macht ansschrecken und uns mit Muth und Kraft beseelen, die Fesseln zu zersprengeiy in denen uns etwa die Obrigkeit der Finsterniß noch hält. Aber so schrecklich auch diese Reden Christi vom Teufel und seiner Gewalt sind, so haben wir doch nicht Ursach, ihrethalben andere seiner Worte zu vergessen, durch welche unserm Schrecken und dem Gebiete des Worts, welches wir hier lesen, Grenzen angewiesen werden. Steht denn in Einem Worte alles? ist Ein Wort der Bibel die ganze Bibel und kann man um Eines Wortes willen, das der HErr gesprochen, alle andern, die in gleich liebevoller nnd weiser Absicht gesagt sind, ungehört und ungeachtet bei Seite lassen? Die Bösen sind eine Saat des Teu- fels! aber waltet denn über ihnen eine nnahäiiderliche Verfügung des Allerhöchften, daß sie böse bleiben müssen? kann Gott alles, nur nicht des Satans Werk zerstören? Wir sind ja von Natur alle Kinder des Zorns; und wenn die Guten für die Welt eine Aussaat Christi sind, gesäet um gute Frucht zu bringen, so hat er sie eben, ehe er sie säete, gut gemacht, und jene heiligen und herrlichen Worte von der Wiedergeburt des Mensche1i, von deren Möglichkeit und Wirklichkeit, werden deshalb durch das heutige Gleichniß nicht umgeftoßen oder Lii en gestraft, sondern man muß beide im harmonischen gu- fammenklang verstehen. Jst aber das wahr, daß der HErr einen Theil der Menschen gut gemacht hat, so kann ein Gleiches auch bei dein andern Theil geschehen, weil ja Gott will, daß allen Menschen geholfen werde; nnd wenn nicht alle gut werden, wenn die Mischung bleibt, so liegt das nicht an einem unabänderlichen Gotteswillen, sondern am Widerstand der Creatnr und an der freiwilligen Hingebung des Menschen in die Sklavenketten des Bösewichts, der ein König des Zwie- spalts und ein Ursächer ist, daß die Menschheit nicht einig und gut, sondern selbst mitten unter den Jüngern des HErrn Abfall und ein Judas erfunden wird. (Löhe.) Verwahret euch vor aller Gemeinschaft mit dem Bösen: das gilt besonders auch von derjenigen Art der Sünden, die man in unsrer Zeit sehr wenig zu achten pflegt, von den Sünden des Unglaubens, von den unchriftlichen, ividerchristlichen Grundsätzen und Gesinnungen, die dem göttlichen Wort widerstreiten; denn das find die Aerger- nifse, die der Arge ausfäet und aus welchen die Kinder der Bosheit wachsen, nnd wie Gottes Wort zum Kinde Gottes macht, so die Lüge, die vom Argen stammt, zum Kinde des Argen. (Thomasius.) II. Die zweite Frage, welche eben so oft im Laufe der Zeiten aufgeworfen worden ist als die erste: woher hat denn der Acker das Unkraut? ist die: willst du denn, daß wir hingehen, und das Unkraut ausjäten? In dieser Frage spricht sich theils die lebhafte Sehnsucht der Frommen und Gläubigen aus, von den Bösen geschieden zu werden, theils der Wunsch, selbst die Scheidung vor- zunehmen, die Bösen von der Kirche nnd ihren Gnaden- gütern auszuschließem nur Gemeinden ans lauter Wie- dergeborenen zu bilden und die Reinheit der Kirche in ihren Genossen durch Kirchenzucht und Kirchenbann auf- recht zu erhalten. Wie oft ist beim Anblick der Gott- loseii und Ungläubigen in der Gemeinde des HErrm seit Jakobus und Johannes fragten: ,,willft du, so wollen wir bitten, daß Feuer vom Himmel falle 2c.,« seit Petrus rief: HErr, sollen wir mit dem Schwerte drein schlagen?! die Frage des heil. Zorns und Un· willens laut geworden: ,,willft du, daß wir hingehen und das Unkraut ausjäten?« Wie oft hat die Kirche die Scheidung vornehmen wollen mit Feuer und Schwert, mit Ketzergerichteii und Scheiterhausen, um nur die Reinheit der Lehre nnd des Glaubens in ihrer Mitte zu wahren und zu schützen, und hat Haß geübt nnd Ver- folcgiiiig gepredigt, statt Liebe und Duldungl Wie oft ha en ängstliche Geniüther sich strenge von der Welt ab- gesondert und Secten und Kirchlein gebildet, in deren Kreis sie nur Auserwählte aufnehmen wollten, um ihre Gemeinde als die vollkommen reine und unbefleckte Braut Christi darzustellen! Ach, und all ihr Richten, all ihr Separatismus und Vorwitz ist vergeblich ge- wesen; das IInkraut hat sich eben so gut wieder einge- schlichen in die Kirchlein im Kleinen, wie in die Kirchen im Großen. So geht die Frage durch alle Zeiten her: ,,willft du, daß wir hingehen und das Unkraut aus- jäten?« — Aber gut, daß die Knechte fragen, den HErrn fragen, und nicht nach eigenem Gutdtinken und eigener Neigung handeln. Wäre das immer geschehen, viel Aerger11iß und Blutvergießeii wäre erspart, viele kräftige Weizenkörner wären der Kirche zu eigenem Heil und Leben erhalten worden, die durch den verkehrten blinden Eifer selbstsüchtiger Diener ihr verloren gingen. Der HErr bleibt die Antwort nicht fchuldig, und sie lautet sehr bestimmt -— nicht ausweichend, nicht zwei- deutig, nicht unvollständig, sondern sehr bestimmt: Nein! Wer hätte in aller Welt diese Antwort erwartet? wer hätte nicht vielmehr darauf gerechnet, er würde voll Freude befehlen: Ja, gehet hin, jätet aus, soviel ihr vermöget; je mehr, je besser; je eher, je lieber, ehe der Schaden weiter greift!? Statt dessen: Nein! —- Wahrlich, seine Gedanken sind auch hier nicht unsre Gedanken, und seine Wege iiicht unsre Wege, sondern soviel höher der Himmel ist als die Erde, soviel höher find seine Gedanken als unsere Gedanken, und seine Wege als unsre Wege; und er hat nur Gedanken der Liebe und des Friedens mit uns, und nicht des Leides. »(Fr. Arndt.) Wenn einst der HErr Ja gesagt hatte zu jener Bitte feiner Donnerskinder (Luk. 9, 54), faget, wäre da nicht manches gute Korn aiisgerottet worden mit dem Unkraut, manche Seele, die vtelleicht nachher, Ueber das Gleichniß vom Unkraut. als in Samaria das Reich Christi so schöiien Eingang fand, gläubig ward an den HErrn und welcher derselbe Johannes dann segnend die Hand auflegte, daß sie den heil. Geist empsinge (Apostg. 8, 5 fs.)? Oder wenn Gott jene rohe Mörderrotte welche Stephanum steinigte, auf der Stelle erschlagen hätte mit einem Blitz vom Himmel, wäre nicht mit dem Unkraut ein zukünftiges edles Weizenkörnlein mit zermalmt worden, wäre nicht auch der künftige Paulus mit erschlagen worden in der Gestalt des Iünglings Saulus, zu dessen Füßen die Mörder ihre Kleider niedergelegt hatten? Und wenn hier unter uiis eine Seele ist, die ihren HErrn und Heiland gefunden hat vor einem Jahr oder vor 5 oder 10 Jahren, nachdem sie zuvor auf Sündenwegen ge- gangeu — wie? wenn dich Gott vor deiner Erleuchtung und Bekehrung in der Blüthe deiner Sünden hätte weg- gerafft? Bebst du nicht bei diesem Gedanken? Dankst du ihm nicht aus den Knieen, daß er mit dir Geduld ge- habt und hat dich noch den Tag erleben lassen, vo1i dem du sagen darfst: heute ist meiner Seele Heil wider- fahren? Und wenn Gott heute, jetzt, hier in dieser Gemeinde seine Tenne fegen wollte und den Weizen sondern von der Spreu, und keinem mehr Frist geben zum Wachsthum, nicht ein Jahr mehr, nicht einen Tag, saget, wäret ihr’s zufrieden? würden nicht hundert Hände sich flehend erheben, hundert Lippen zagend rufen: HErr, habe Geduld, gieb mir noch Frist, laß inich noch stehen dies Jahr, ich will aus einem unfruchtbareii Baume ein frnchtbarer werden!? Nun, er hat Geduld, er giebt noch Frist, er läßt iioch stehen: da schaue deines Gottes Huld und trag auch Unkraut mit Geduld! (Gerok.) Denn die Hofsärtigeii und die von eitler Einbildung der Heiligkeit ausgeblasen sind, sind nichts weniger als die Kirche, als welche von sich bekennt, daß fie eine Stin- derin sei, und die das untergemischte Unkraut, d. i. Kerker, Sünder, Gottlose, duldet. (Luther.) Das Unkraut in der Kirche ist ja nicht ein Zeugniß davon, daß die Kirche nicht auf rechteni Grunde steht und nicht in der rechten Ordnung ist, sondern es ist nur ein Zeugniß davon, daß sie einen Feind hat und daß der Feind sie haßt, und daß er aus Haß sie so arg zugerichtet hat. Wäre, sie dem Teufel nicht verhaßt, so würde er sie ruhig wachsen lassen; nun er sie aber haßt, legt er ihr alles Unglück an und sinnt Tag und Nacht darauf, daß es mit ihr zu Ende gehen soll. Deshalb kann sich ein Christ gar nicht wandern, daß es gerade da so schlimm hergeht, wo man den Himmel auf Erden suchen sollte; er kann sich nur wundern, daß Gottes Wort und rechter Glaube trotzdem ii1 der Kirche so manchen Tag geblieben ist und daß keine Verfithrung und List des Teufels, keine Aergernisse und Gottlosigkeiten, kein Stürmen, Lärmen und Verkehren der falschen Propheten und Söhne Belials die Kirche übermochh den guten Samen aus erottet und den Acker wieder an sich gerissen haben. Siege, das liebe Evangelium fährt noch immer daher wie ein furchtbarer Regen, und die Saat Gottes ge- deihet, der Teufel mag sauer sehen und zehn Kinder der Bosheit und falsche Propheteii schickeiy wo er zuvor nur einen geschickt hat. Unter solchen Umständen wäre es mehr als eine Thorheiu es wäre Berrätherei, wenn wir den Acker verlassen und dem Teufel überlassen wollten; da würde er sagen: So wollt ich es haben; ich schleiche mich ein, so laufen sie davon; ich nehme mir den halben Acker, so lassen sie mir den ganzen. (Münkel.) »Lasset das Unkraut mit dem Weizen wachsen bis zur Ernte«: also wird der Weizen durch das Unkraut doch nicht liberwältigh nicht getödtet, sondern er kann mit dem Unkraut wachsen, fortwachsen; er stirbt nicht aus, sondern was der Menschensohn gesäet, bleibt. Man könnte nun, vom Gleichniß ein wenig ablenkend, aber in 185 dem Gedanken bleibend, fortfahren und sagen: Es blieben in Canaan Philister übrig, 1iachdem das Land von den Kindern Israel eingenommen war, so daß »die Einwohnerschaft des Landes als ein Gemisch erschien, wie man es aus dem Acker der Welt siehet; Warum hat der HErr das zugegeben? Damit sein Israel ivachsam wäre, damit es nie vergäße, daß einst andere Völker im Lande wohnten, daß es den Sieg über diese nur dnrch Gnade gewonnen, daß ihm, wenn es, den Völkern gleich würde an Bosheit, dasselbe Loos bestimmt werden könnte; damit es gegen Gott dankbar, gegen die Völker streitbar bliebe und sein Verlangen nach voll- kommener« Freiheit desto größer würde. So bleiben alleiithalben auf dem Plan der Welt die Frommen unter Bösen, damit auch sie lernen, wie« ganz von Gottes Gnaden sie leben und gedeihen, damit sie nicht vergessen, wie häßlich das Böse ist, sondern gegen das- selbe streiten, Gott fröhlich für seine gnädige Unterstützung danken und allezeit wachen und beten um das Ende der miihseligen Zeit, um den Anfai1g der ewi en Herrlichkeit. Es dient also dem Frommen der Aufent alt im Haufen der Bösen zur Vollendung. (Löhe.) Hier erheben sich zwei Fragen. Die erste, ob die Kirche-ihre Macht brauchen und die, so in öffentlichen Aergernissen liegen, aus der Kirche ausschließen möge? Antwort: Der Kirche ist solche Macht, die Sünder in Bann zu thun oder auszuschließen, in diesem Evangelium nicht benom- men; denn der HErr redet von eiiiem solchen Aus-reißen, »das mit dem Schwert geschiehet, da man dem Bosen das Leben nimmt. Nun aber führt die Kirche oder das Predigtamt das Schwert nicht, sondern was es thut, das thut’s allein mit dem Wort; darum, obgleich die Sünder gebannt und aus der Kirche ausgeschlossen werden, so nimmt sie doch die Kirche wieder an, wenn sie sich bekehren und Gnade begehren. Bannen und ausschließen soll sie dieselben wie Heiden (18, 17), auf daß sie zur Erkenntnis; ihrer Sünde kommen und sich bessern und Andere darnach an ihr Exempel sich stoßen und vor Sünden hüten; aber eine solche Meinung soll es nicht haben, daß die Kirche die Bösen mit dem Schwert hin- richten sollte. Die andere Frage ist, ob weltlicle Obrigkeit mit dem Schwert den Ketzern wehren soll? Antwort Luther’s: ,,Dies Evangelium vermag nicht mehr, denn daß dieses HErrn Knechte das Unkraut nicht selber ausreißen; das sind aber Knechte nicht in dem Weltreich, sondern im Himmelreich , die sollen das Schwert nicht brauchen, denn Gott hat es ihnen iiicht gegeben. Wo aber weltliche Obrigkeit schändliche Irr- thijmer befindet, dadurch des HErrn Christi Ehre ge- lästert und der Menschen Seligkeit gehindert wird und Spaltung unter dem Volke entsteht, wo solche irrige Lehrer sich nicht weisen lassen und vom Predigen nicht ablassen wollen, da soll weltliche Obrigkeit getrost wehren und wissen, daß es ihr anitshalber nicht gebühren will, denn daß sie Schwert und alle Gewalt dahin wende, auf daß die Lehre rein und Gottesdienst lauter und un- gefälscht, auch Friede und Einigkeit erhalten werde« Diese letztere Auseinandersetzung Luther’s« trisst aber nicht recht zu: die katholische Kirche hätte hiernach ganz recht gehandelt, wenn sie die Ketzer, die sie ergriffen und abgeurtheilt hatte, dem Staate liberautworteta daß er das Urtheil an ihnen vollstrecke und sie hinrichte. Wenn dem Staate die Ausgabe zugewiesen wird, gegen die einzuschreitem welche Christi Ehre lüstern, der Menschen Seligkeit hindern und Spaltungen unter dem Volke an- richten, so müßte der Staat, um nicht sehlzugreifen, die Kirche wenigstens um ein Gutachten angehen, ja er müßte es abwarten, daß die Kirche ihm diese Leute namentlich bezeichne; denn nicht jeder Lehrer soll gestraft werden, sondern nur der, welcher sich nicht hat weisen 186 Evangelium Matthäi is, 31———44. und von dem Predigen abhalten lassen. Die Kirche würde in letzter Instanz also doch das Unkraut aus- jäten: ob sie es mit eigenen Händen thut oder durch fremde Hilfe, verschlägt an der Dache nichts. Wohl ist es fchön, wenn Kirche und Staat Hand in Hand gehen; aber vor solchem Bunde schaudere ich zurück, da die im geistlichen Regiinent mit dem Wort und Bann, die Obrigkeit mit dem Schwert und Gewalt dazu helfen, daß die Leute in der Lehre einig bleiben und allem Aergerniß nnd Uebel gewehrt werde. Der Staat hat gegen Feinde der Kirche nicht eher einzutreten, als bis er selbst von den Kirchenfeinden in seinem Bestande er- schtittert oder die Kirche in ihrer äußeren Existenz und ihrem äußeren Rechte von denselben angegriffen wird. lNebeJ Ich bin selbst zweifelhaft geworden, fchreibt Lndw. Harms in Beziehung anf die erste Frage, ob man die Abgesallenen und Ungläubigen in den Bann thun darf, welches auch eine Ansrottung ist, ob man sie ans der Kirche ausschließen darf und nicht vielmehr er- , warten muß, daß sie sich selbst ausschließen, weil ihnen ort zu fchwer wird. Daß er aber hier in seinem i das W Bedenken zu weit geht, beweisen andere Worte des HErrn und das Exempel der Apostel (Kap. is, 17; J. Cor. 5, Z ff.). Ueber die Ausrottung von Ananias und Sap- phira in Apostg. 5, 4 f.; 9 f., vgl. die Beut. zu Jos. 7,15; zugleich ist aber dabei zu beachten, daß nicht der Apostel, sondern der HErr selber die Ausrottung vollzieht. 1ll. Das Reich des Lichts und das Reich der Finsterniß, Wahrheit und Lüge sollen also Jahrhunderte oder Jahrtausende lang, bis zum Ende dieser sichtbaren Welt hin, in ihrem großen Kampfe bleiben, ohne daß der Himmel, des Himmlischen auf Erden als des Sei- uigen sich annehmend, entscheidend dazwischen träte; dann erst, wenn das Göttliche sich an tausend mal tan- send Seelen, die es liebten, bewahrten, bekannten, in unzähligen Leiden und Drangsaleu, im Leben und im Tode bewährt hat, und das Arge sich nun erschöpft, nun weiter keine Künste, keine Kräfte, keine Täuschungem Verfolgungen und Drangsalen mehr hat, die es nicht fchon benutzt und abgebraucht hätte, das Licht auszu- löschen, das Göttliche zu verdrängt-ji, dann erst soll der Wahrheit von dort, von wauuen sie ist, Hilfe und Sieg werden. (Menken.) Es kann fein, daß noch viele Ge- schlechter zu Grabe gehen, bis der Tag erscheintx aber vergeßt nicht, daß vor dem Tode für einen jeden die Saat ist, die — sei’s Wohl, sei’s Wehe — für ewig trägt. Die Spanne Zeit entscheidet deine Ewigkeit; drum scheide dich einstweilen selbst von allem Bösen und ss trachte vor allen Dingen nach dem Reiche Gottes und seiner Gerechtigkeit und nach der Beständigkeit bis zum Tode, anf daß di: augeschrieben und angezeichnet seiest unter denen, die von heiligen Engeln gesammelt werden in die ewigen Scheuern. Und wenn einer unter uns ist, deß Name ,,Aergeruiß« ist oder der ,,Unrecht thut«, der , stehe ab von dem bisherigen Lebensweg und eile, kehre ein zu den Kräften seiner Taufe und des Wortes Gottes und lasse aus sich eine Aehre Gottes bereiten, die wie die Sonne leuchte in des Vaters Reich. (Löhe.) Denn in seinem Reiche hält sich’s anders als auf dem natür- lichen Acker draußen: anf diesem wandelt sich das Unkraut nie in Weizen; aber ein Mensch, in dem der Same nach inenschlichem Urtheil schon reif zum Gerichte ist, der kann möglicher Weise doch noch her-umgebracht, noch herausgerissen werden wie ein Brand aus dem Feuer dnrch die wunderbare, rettende Gnadenmacht des H rrn. (Thomasius.) 31. Ein ander Gleichntß legte er ihnen vor . l sjedoch nicht ebenfalls bei dieser zweiten See- lsredigt V. 1 f., sondern bei der ersten, etwa 8 Monat früher gehaltenen Kap. 8, 18 Anm., St. Niatthäus nimmt es aber hier hinzu, um eine Uebersicht über seine vornehmsten Gleichnisse aus der Zeit der galiliitschen Wirksamkeit zu gewinnen] nnd sprach: Das Himmelreich ist gleich einem Senskorty das ein Mensch nahm, und sclete es auf seinen Acker. 32. Welches das kleinste ist unter allcn Samen; wenn es aber erwächst, so ist es das größeste unter dem Kohl, und wird ein Baum, daß die Vögel iuiter dem Himmel kommen, und wohnen unter seinen Zweigen Mark. 4, 30 — 32; Lin. is, 18 u. 19]. 33. Ein ander Gleichniß redete er kbei Ge- legenheit der nämlichen ersten Seepredigt Kap. 8, is] zu ihnen: Das Himmelreich ist einem Sanerteige gleich, den ein Weib nahm, und ber- mengete ihn unter drei Scheffel Nichts, bis daß es gar durchsiuert ward [Luk. 13, 20 u. 21]. Wir verfparen uns die Auslegung dieser beiden Gleichnisse um so mehr bis zu Mark. 4, 34., als wir sie dort in demjenigen Zusammenhange, wenigstens was die daraus folgende Begebenheit betrifft, finden; in welchem sie zeitgesclyichtlich gesprochen worden; indem wir uun hier sogleich zum nächsten Verse übergehen, gewinnen wir wieder den Anschluß an den vorher be- handelten Abschnitn B. 1—30. 34. Solches alles swas sowohl bei der ersten cils bei der zweiten Sei-predigt zum Vortrag kam] redete Jesus durch Gleichnisse stheils im weiteren, theils im engeren Sinne des Worts] zu dem Volk, und ohne Gleichuisse redete er swentgstens was die zweite Seepredigt betrifft, wo nun schon die gegen- seitige Stellung zwischen ihm und dem Volk eine bestimmt ausgeprägte war] nicht zu ihnen, 35. Aus daß erfüllet würde, das gesagt ist durch den Propheten lAssaph L. Ehren. 29, 30; - Apostg Z, 30], der da sdurch den Geist Gottes weissagend, in Pf. 78, L] spricht: will meinen ENund aufthttn in soder zu] Gleichmssem und will aussprcchen die Heimltchkeiten von Anfang der Welt Un Pf. 78, 21): alte Geschichte oder Räthsel aus der Vorzeits Darin, daß ein Propbet des alten Bandes, das Gebiet des nackten Gedankens verlassend, durch Gleich« nisse lehrt, in denen derselbe Fleisch und Blut ange- nommen hat, die Lehre in der Form der Geschichte vor- trägt und damit diese Lehrweise als eine zweckmäßige legitimirt, erblickt der Evangelist mit Recht eine Weissa- gnug, daß Christus der Prophet im schlechthin höchsten Sinne des Worts, der alle zweckmäßigen Lehrmittel de; Arg» schon tiefe Wmzzek geschkagen Hat« ja d» «. vollständig benutzen muß, sich auch dieser Lehrweise be- dienen werde. lHeugstenberg.) Der Prophet des Himmel- reichs als der Propbet über alle Propheten hebt aber seine Lehrerzählungen nicht blos, wie Assaph, von der egyptisch-sinaitischen Vorwelt, sondern von der Welt Grundlegung an und reproducirt nicht blos, wie Assaph, in lehrhafter Weise bereits: mijndlich oder schriftlich überlieferte Geschichte, sondern faßt in diese lehrhafte Die Gleichnisse vom Senfkorn und Sauerteig. Deutung des Gleichnisses vom Unkraut. 187 Form den ganzen verborgenen Rath Gottes, dessen ge- ichtliche Entfaltung mit der Weltschöpfitng begonnen hat. (Delitzsch.) Assaph war Prophet insbesondere auch in dem angeführten Psalm, indem er in einer Reihe von Geschichtsbildern den Uugehorsam und die Versto- ckung Jsraels, die Gerichte Gottes und die nachfolgende Erbarmun aussprach. Diese Verkündigung erfüllte sich formell un materiell in den Gleichnissen Christi: for- mell, indem er ihnen alle Geheiinnisse des Neiches Ckottes enthüllte, materiell, indem denjenigen Gleich- nissen, welche mehr die Verstockung hervortreten lassen, solche zur Seite stehen, in denen sich ein allumfassendes Erbarmen spiegelt. lP Lange) 36. [Um nun aber nach diesem Nachtrag ans früherer Zeit V. 31——33 und nach der Bemer- kung über des HErrn Lehrweise V. 34 u. 35 den in V. 30 fallen gelassenen Faden der Geschichtek erzählung wieder aufzunehmen:] Da [als er auch den zweiten Theil seiner Rede mit einem Gleichniß beendigt hatte] lief; Jesus das Volk von sieh, und kam heim [in das von ihm bewohnte Haus zu Kapernaum V. 1]. Und feine Jiiltget ldie schon auf dem Wege dahin wegen seines Redens in Gleichnissen ihn befragt und um Ausschlnß iiber das Gleichniß vom Säemann gebeten hatten V. 10 fs.] traten shier im Hause abermals] zu ihm, und sprachen sbegierig, noch weiter das Geheimnis; des Himmelreichs zu vernehmen]: Deute uns dieses Gleichniß vom Unkraut auf dem Acker [V. 24——30]. 37. Er antwortete, nnd sprach zu ihnen: Dets Menschen Sohn ist es, der da guten Samen tic 38. Der Acker ist die Welt. Der gute Same sind die Kinder desReichs [1. Con Z, 9]. Das Unkraut sind die Kinder der Bosheit soder: des Argen Joh. 8, 44; 1. Joh. 3, 8. 10]. 39. Der Feind, der sie satt, ist der Teufel« Die Ernte ist das Ende der Welt sdas Ende dieses gegenwärtigen Weltlanss Kap.24, 3]. Die Schnitter sind die Engel [Offenb. 14, 15]. 40. Gleichwie man nun [bei der irdischen Ernte Z. Mos 22, 6 Anat] das Unkraut aus: geirrt, und mit Feuer verbrennet: so wird es auch am Ende dieser Welt gehen. 41. Des Menschen Sohn wird seine Engel senden [Kap. 24, 31]; nnd sie werden sammeln aus seinem Reichtt alle Llergernisse sder Lehre, verführerische Grundsätze und widerchristliche Mei- nungen] nnd die da Unrecht thun [V. 49], 42. Und werden sie in den Fenerofen werfen [Kap. 25, 41; Offenb. 20, 14 f. — »die Ketzer- feuer des Niittelalters aber sind eine greuelhafte Karrikatur und Anticipation dieses Feuergerichts«]: da wird sein Heulen nnd Zähnklappen [Kap. Z, 12; 22, 13]. 43. Dann werden die Gerechten leuchten, wie die Sonne, in ihres Vaters Reich [Dan. 12, 3]. Wer Ohren hat zu hören, der höre! V) Mit Recht hat man diese Stelle als einen der stärksten Beweise dafür angeführt, daß Christus nicht ans Accomodation Qlnbequemung an die Vorstellungen seiner Znhörer), sondern aus eigner Offenbarung die Lehre vom Teufel vorgetragen habe. Hier kommen nämlich folgende Momente in Betracht: 1) der Teufel wird genannt nicht im Gleichniß, sondern in der Er- klärung, die das Gleichniß aufhebt, also eigentlich zu verstehen ist; L) er wird genannt im Kreise der ver-· trauten Jiinger des HErrn, nicht etwa vor dem Volk; Z) er wird genannt als der eigentliche persönliche Ur- heber und Mittelpunkt des bösen Reichs im Gegensatz zu dem persönlichen Menschensohn als dem Mittelpunkt und Urheber des Himmelreichs (P. Lange) Auf den klugen Gedanken — der war den Weisen unsrer Zeit vorbehalten! —- sind vorhin (V. 27) die Knechte auch nicht gekommen, daß der Haus-Vater, um sich selbst recht zu fassen und zu besitzen, ein Nicht-Jch, ein Anderes neben sich, ja sich gegenüber setzen muß, daß das Unkraut ein nothwendiger Durchgangspiinkt für den sich ent- wickelnden Weizen sei: nein! diese Knechte halten es mit der Thorheit des Wortes Gottes, welches in dem Un- kraut nicht sich eutwickeluden guten Weizen sieht, sondern es für etwas Fremdes Gottwidriges hält. (Nebe.) H) Jesus ist ein Prophet wie noch keiner war, schon uach dem Umfang des Gebiets, in welches er das Wort fäeii muß: »der Acker ist die Welt« (V. 38) — der der alten Propheten war Israel. Noch höher weist uns das Andere, daß der Acker fein Eigenthum ist (V. 27), eben so die Ernte sammt der Scheune, in welche man sie niederlegt (V. Bot. Das Königreich Gottes nun, »wie wir hier lesen, ist auch fein; er ist es, der die Schititter sendet, nnd die Schnitter sind die Engel —· seine Engel nennt er sie. Also die Menschen und die Engel sein Eigenthum! Man sieht, eine Kritik, welche Jefu das Bewußtsein iibertnenfchlichen Wesens absprechen will, niuß sich freilich ans Gründe besinnen, um ihm das Gleichniß vom Unkraut unter dem Weizen abzusprecheiq denn aus diesem bricht jenes Bewußtsein mit Macht hervor. Jst es aber von Jefn gesprochen, so erwäge man noch ein Doppelte-s. Erstlich: wie gelegentlrch strömen diese Worte hervor, aus welchen die übermensch- liche Majestät Jesu sich ergiebt! Es war nicht tioths ioeiidig, in diesem Zusammenhang hervorzuheben, daß Jesus der Herr des Acker-s, der Ernte, der Engel sei; er hätte auch Gott als diesen Herrn, und sich nur als den zur Aussaat beauftragten Knecht bezeichnen können. Aber so nahe liegend ist es ihm, sich selbst zu betrachten als diesen Herrn, so völlig ist es ein Element seines Selbstbewußtseins daß er ohne Weiteres die letztere Darstellung wählte. Zum Andern: welch nüchterner Geist waltet in diesen Parabelnl Die in Mark. 4, 26,ff. verweist zur Geduld, denn keins der Wachsthumsstadien lasse sich überspringem und wie im Jrdischem dürfe auch im Geistlichen der Säemann nicht meinen, daßjeiu rnheloses Eingreifen fiir das Gedeihen nöthig. sei; die in E1Ncitth. 13, 24 ff. warnt vor jenem heftigen Zorn, Des? in den alten und neuen Zeiten der Kirche so »oft beim Anblick des Unkrauts ausgewallt ist. Gerade diese, jeder Anfgeregtheit ruhig entgegentretenden Gleichnisse find es nun, in welchen Jesus seiner iibernienschlichen Majestät einen Ausdruck giebt; denn daß auch in Mark. 4,» 29 Jesus sich selber als den meint, welcher die Sichel sendet, versteht sich von selbst. Hat er etwa Andere vor Schwärmerei gewarnt, und ist unterdeß für feine eigene Person noch schlimmer darin gefangen gewesen? (Geß.) 44. Abermal ssprach Jesus weiter bei seiner ersten Sei-predigt, nachdem er die beiden Gleich- nisse in V. 31——33 vorgetragen] ist gieich das 188 Evangelium Matthäi 13, 45. 46. Himmelreich einem verborgenen Schatz im Acker, « welchen ein Mensch fand, und verbarg ihn, und ? ging hin vor Freuden itber demselbigen, und ver- « kaufte alles, was er hatte, nnd kaufte den Acker. 45. Abermal ist gleich das Himmelreich einem Kaufmann, der gute Perlen suchte. " 46. Und da er Eine köstliche Perle fand, ging er hin, und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte dieselbige Auch fiir diese beiden Gleichuisse, die fich bei keinem i der folgenden Evangelisten finden, verspareri wir uns die nähere Erklärung zu Mark. 4, 34; daß sie ebenfalls bei der ersten Seepredigt gesprochen worden, ergiebt sich « unter anderem recht deutlich aus decn Anerbieten des Schriftgelehrten in Kahn 8, l9., wie bereits dort ange- merkt ist. Es entsteht nun aber die Frage, wie ist St. Piatthätis darauf gekommen, überhaupt zwei zeitge- « schichtlich verschiedene Gleichnißpredigten in einander zu verweben, ohne den Unterschied der Zeit nur irgendwie anzudeuten, und dann insonderheit die vier aus der ersten Predigt so auseinander zu reißen, daß er zwei T (V. 31-—33) auf das Gleichniß vom Unkraut auf dem Ackcix (V. 24—30) und zwei (V. 44—46) auf dessen Deutung (V. 36—43) folgen läßt, zwischen dieses Gleichniß aber und dessen Deutung noch die Bemerkung über: das Reden Jesu in Gleichnisfen mit Beziehung auf die Psalmstelle (V. 34 u. 35) eiUfiigtP hat er damit nicht alle Ordnung einer sachgemäß fortschreitenden Er- zählung geradezu verwirrt? Wir meinen, gerade durch diese eigenthüniliche Vertheilung seines Stoffes hat er’s von Haus aus deutlich genug zu erkennen gegeben, daß er nicht von einer einzigen Predigt berichte, sondern . zwei verschiedene Predigten absichtlich auf einmal in i Betracht ziehe. Reiches Gottes, der seine ganze Darstellung leitet. In dem ersten Gleichniß von dem Säemann geschieht der Rtickblick auf die Frucht der Wirksamkeit Jesu in Galiläa insonderheit und in Israel überhaupt: nur ein Bruchtheil des Volks hat fich als gutes Land erwiesen; jetzt wird der Abschluß dieser Wirksamkeit vorbereitet, das Ergebnis; der Erfolglosigkeit bei dem größten Theil T ist dies, daß Israel feiner großen Masse nach in das Gericht der Selbstverftockung dahin gegeben wird, das Ergebniß des Erfolgs bei dem kleinen, durch die ,,Jünger« repräsentirten Bruchtheils aber dies, daß dieser Rest, der sich hat gewinnen lassen, in das tiefere s Verständniß der Geheimnisse des Himmelreichs eingeführt wird (V. 1—23). Hieran schließt fich das 2te Gleichniß vom Unkraut auf dem Acker, das ja klar gering durch das Wort »der Acker ist die Welt« auf den Beruf der Heiden zum Reiche Gottes hinweist und nun die Geschichte dieses Reichs auf dem Gebiet der christlichen Kirche in kurzen Zugen darlegt. Als Matthäus sein Evangelium schrieb, waren, wie wir in den Schlußbettu zu demselben sehen werden, die Apostel, die nicht länger an Jerusalem und das heil. Land fich gebunden fühlten, im Begriff, den Befehl ihres HErru zu erfüllen: ,,Gehet — hin in alle Welt 2c.«; es galt da, einerseits fich zu be- « sinnen, daß von der nunmehrigen Stiftung nicht allzu große Erwartungen gehegt werden dürften, als werde der Same des göttlichen Worts nun ungestört und frei von allen schädlichen Einflüssen fich entwickeln, sondern es galt der Zukunft einer aus der Heideuwelt gesam- melten Kirche klar in’s Auge zu sehen und zugleich das rechte Verhalten den Aergernifsen und den Kindern der Bosheit gegenüber: im Voraus zu kennen — und dafür leistet ja das in Rede stehende Gleichniß treffliche Dienste (V. 24——30). Andrerseits aber galt es auch, eines Und nun ist es der Gang des" überaus herrlichen und gesegneteii Erfolgs im Voraus gewiß zu sein, fich dessen getrösten zu können, daß die Heiden des Reiches Gottes, das zu ihnen gebracht wor- " den, Früchte bringen würden, und nicht mit allzugroßem Leid auf Israel, von dem das Reich Gottes genomtnety zurijckzubltckeri — diesem Zwecke dienen die beiden » Gleichnisse vom Senfkorri und vom Sauerteig mit der angefijgten Bemerkung tiber Jesu Reden durch Gleich- niffe (V. 34. 35). Aber anch der Heiden Zeit wird erfiillet werden, und in das Gericht am Ende dieser Zeit läßt die Deutung des Gleichnifses vom Unkraut unter dem Weizen hineinblickem sie kommt erst jetzt (V. 36—43), bahnt aber damit den Weg, um auf Jsraels Endgefchichte überzuleitem Wenn die Fülle der Heiden wird eingegangen sein, soll ja das ganze Israel noch selig werden; es wird dann dem Menschen gleich sein, der den verborgenen Schatz im Acker· findet, dem tiaufmanm der gute Perlen suchte und nun zu dem Besitz der Einen köstlichen gelangt (B. 44—46). Nun kann das Ende aller Dinge eintreten: das Viel; ist voll, beide, aus der Heiden- wie aus der Judenwely und so ziehet man’s heraus an das Ufer, um die guten Fische in ein Gefäß zusammen zu lesen, die faulen aber weg- zuwerfen (V. 47—-—50). So hat sich uns hinter der äußeren scheinbaren Verwirrung in dem Gange, den der Evangelist in unserm Kapitel nimmt, ein wohldurch- dachterz ganz der Geschichte des Reiches Gottes ent- sprechender Plan enthljllt; es ist aber auch schon ander- weit darauf aufmerksam gemacht worden, wie die Reihen- folge der 7 von Piatthärts zusammengestellten Gleichnisse die Reihenfolge der kirchengeschichtlichen Zeiten darstellt. Jm Gleichniß vom vierfachen Ackerfeld sieht Bengel die Characterristik von Jesu und der Apostel Zeit; nach der Apostel Zeit ist das Unkraut unter dem Weizen aufge- tvachsen; von Constantins Zeit an hat dann der Baum, der aus dem Senfkorii wuchs, weithin seine schlitzeuden Zweige gebreitetz seit Karl dem Großen ist das Evan- gelium in die Völker gemischt worden als Sauerteig; Luther hernachmals traf den Schatz tiefverborgen im Ackerfeld; nach der Bindung des Satans (Offenb. 20, 1 sf.) wird das Reich Gottes über alles geachtet werden, die letzte Periode endlich (Offenb. 20, 7 sf.) wird eine große Confusion von Guten und Bösen bringen. " Ehe wir zu dem folgenden Gleichniß vom Netze, das in’s Meer geworfen wird und damit man allerlei Gattung sähst, tibergehen, haben wir das vom wach- senden Samen bei Mark. 4, 26——39 in Betracht zu ziehen. Wir nehmen es hier vor, wo es um die zeitgeschicihtlich bei der zweiten Seepredigt gesprocheneri Gleichnisse fich handelt, während die der ersten See- predigt in der Erklärung des Niarkus-Evang.eliutns zur genaueren Besprechung kommen sollern Es lautet: W. Und er sprach sim dritten Theil seiner Rede an das Volk vgl. V. 3 ff. u. V. 24 ff.]: Das Reich Gottes hat fich also fes verhält fich damit, wenn man auf den Säemann selber blickt, von dem in V. Ziff. die Rede war, und sein Verhältniß zum Samen, dessen Geschichte dort gezeigki wurde, in’s Auge faßt, nicht andersj, als wenn ein ensch [bei der irdischen Aussaat] Samen aufs Land wirst, 27. Und [geht nun vom Saatseld hinweg, es ge- wissermaßen fich selbst überlassend und seine Zeit hin- bringend, wie es der gewöhnliche Lauf der Dinge er- heischt] schläft nnd stehet auf, Nacht nnd Tag, und der Same gehet [inzwischen, während er fich nicht weiter darum bekümmert] auf und wachset, daß ers mcht weiß; . Denn die Erde bringt von ihr selbst Zum ersten das Gras sin der grünenden Saat], darnach ie Aehrett sdie da blühen und reifeu], dattlnch den vollen Weizen tu den Aehretn 29. Wenn ste aber die Frucht gebracht hat, so schictct er [der Säemamy der bisher alles von selber sich hatte entwickeln lassen, ohne etwas dazu beizutragen und ohne recht um den Vorgang zu wissen] bald sohue weiteren Ausschub und also sicher zur rechten Zeit, die menschliche Ungeduld oft uicht erwarten kann] die Sichel hin, denn die Ernte ist da. Ohne Zweifel will der Err mit diesem Gleichniß, soweit es auf ihn selber ge t und sein Verhältnis; zum Samen beschreibt, dreierlei Zeiten charakterisiren: I) die Zeit, die in Hebt. 5, 7 als die Tage seines Fleisches bezeichnet wird, wo er sichtbar unter seinem Volke lebte und wirkte (V. 26); Z) die Zeit, da er fitzt zur Rechten der Majestiit in der Höhe und ein in Gott Verborgenes Leben (Col. 3, Z) führt (V.27 u.’;8); J) die Zeit seiner Wiederkunft zur Heimholuug der Gemeinde (V. 29). »So ist es mit dem Reiche Gottes: es nimmt damit seinen Anfang, daß Jesus das Heilswort Gottes in der Menschheit aufrichtet, als lebenschafsende Macht in die- selbe hineinsenktx damit ist die Arbeit der Begründung gethan, er kann zurücktreten. Aus dem Anfange ent- faltet sich das Reich Gottes von selbst; denn aus dem Zusammenwirken des von Jesu Gebrachten mit dem Wesen der Menschheit ergiebt sich eine Geschichte, die uicht eher ruht, als bis die Gemeinde völlig reif und innerlich von der Welt gelöst ist. Dann ist die Zeit der osseubaren Aufrichtung des Reiches Gottes gekommen, indem Jesus seine Gemeinde einholt. (Klostermann.) Die Voraussetzung bei dem, was in V. 27 u. 28 gesagt wird, ist, daß die menschliche Natur in ihrem Wesen ebenso mit dem Worte Gottes verwandt ist und in Eins zusammengeht, wie der Erdgrund verwandt ist mit dem Samenkorm der eigentliche Vergleichungspuukt aber ist die von innen heraus, wie von sich aus arbeitende Triebkraft des Samens, woraus sich ergeben die scheins bare Selbststäudigkeih die Gesetzmäßigkeih die Allruälig- keit, die Stufenmiißigkeih die Sicherheit und Vollendung der Entwickelung. (P.Lange.) Jn der Regel nun bleibt die Auslegung und Anwendung bei diesem mittleren Theile des Gleichnisses stehen. Man verwerthet es da in zweierlei Weise. Zunächst für die geistlichen Säe- leute aller Zeiten, und leitet man etwa daraus her ,,chrisiliche Bauernregeln fiir den Ackermann Gottes«: 1) Mensch, geh’ aus in Gottes Namen, frühe säe deinen Samen; Z) alles ist an Gottes Segen und an seiner Gnad’ gelegen; 3) sei der Anfang noch so klein — ist’s aus Gott, so wird’s gedeihn. — Der Prediger steht ein Stüudleitt aus der Kanzel und streuet das Wort aus über seiu Ackerfeld, so gut er kann und weiß, und dann spricht er Amen und gehet herunter und geht seines Wegs; aber ob anch nur in Einer Seele seiu Wort Eingang gefunden , ob er auch nur in Einem Herzen Frucht geschafst, das muß er dem HErrn überlassen. Ein treuer Vater, eine fromme Mutter, sie ermahnen ihre Kinder aus redlichem Herzen Tag für Tag, mit Thränen vielleicht, dann aber müssen sie ihre Hände in Demnth falten und beten: wir haben das Unsere gethan, so gut wir konnten, gieb nun du, HErr, deinen Segen! (Gerok.) Unter allen Geschäften, die der Mensch treibt, ist keins mißlicher, hat keins einen so unsicheren oder wenigstens unbemerkbaren Erfolg, als das Geschäft des Lehrers. Jeder andere Arbeiter kann ganz bestimmt sagen, was er vor sich bringt «— er sieht’s; so der Tagelöhner, der Gewerbsmanm der Fabrikant. Nicht so der Lehrer: seine Wirksamkeit erstreckt sich auf die unsichtbare Welt, auf die Gemüthey wo man nichts sehen kann. Und man könnte vielle·ccht gar das Predigt- amt trübselig Verzweifelnd ganz herabsetzen so, wie Eicero in Verrem IIl, c. 98 den Ackerbau sophistisch herabsetzn totae res rustioae ejusmodi Stint, ut eas Das Gleichnißgggvon der kösilichen Perle. non ratjo neque laboty sed res incertissimae, venti tempestatesque moderentur (alle auf den Landbau bezüglichen Dinge sind der Art, daß uicht Vernunft oder Arbeit, sondern die ungewissensten Dinge, Winde und Stürme sie in der Gewalt haben); dennoch, wenn er nur recht säet, unter Thränen säet (Ps. 12(-3, 5 f.), so wird auch sein Same Frucht bringen. Wenn die Ernte kommt, wird die Saat erscheinen und den Lehrer oft beschämend iiberraschen; ja oft schon die nächste Gene- ration erntet die Frucht eines treuen Lehrers. (Heubner.) Gottes Wort allein hab’ ich getrieben, gepredigt nnd geschrieben, sonst habe ich gar nichts dazu gethan; das- selbe Wort, wenn ich geschlafen habe, wenn ich Witten- bergisch Bier mit meinem Philippo und Amsdorf ge- trunken habe oder bin uter Dinge gewesen, hat soviel zu Wege gebracht. (Luther.) Manche machen es wie die Kinder, wenn sie irgend ein Samenkorn in die Erde gesteckt haben; diese können uicht ruhig warten, bis es hervorkommh graben und sehen alle Tage wieder nach, wie weit das Körnlein nun gewachsen ist, und zerstören eben dadurch immer wieder den Keim, wenn er eben ansetzen, Wurzel fassen uud treiben wollte. (Fr. Arndt.) Gegen die methodistische Art, welche das Gedeihen der Saat durch die Geschästigkeit des Seelsorgers treibhaus- mäßig beschlennigen will, giebt dieses Gleichniß die beste Medizin; auch in der Mission beruht der Muth auf dem »von selbst trägt die Erde die Frucht,« die Geduld auf dem ,,zuerst Gras, dann den Halm, dann vollen Weizen im Halm« (Geß.) Sodann läßt sich auf Grund dieses Textes auch »das Reich Gottes in dem einzelnen Men- schenherzen« betrachten, »und zwar 1) in seinem ver- borgenen Anfang, Z) in seinem allmäligen Wachsthum, Z) in seiner wuudersamen Vollendung« — Ju Bezie- hung auf das eigene Herz ist da besonders zu merken: ,,Laß dir doch endlich gefallen, mein Herz, die göttliche Ordnung, nach welcher das Reich den Armen am Geist beschieden wird, und begehre nicht ihre Stufen zu liber- springen Statt muthlos darüber zu werden, daß es dir mit dem Heiligwerden in eigener Kraft und Schöne so gar uicht gelingen will, danke Gott, daß er das eigene Leben mit seiner Selbsthilfe in dir zerstört, damit Christi Leben in dir den Sieg gewinue; unter den Ge- sichten deiner Siiudigkeit blicke unverwandt auf ihn, der für dich zur Sünde gemacht, und habe desto mehr Acht und jage nach der Erkenutniß des HErrn. Er wird, wenn die Nacht am dunkelsten, hervorbrechen wie die schöne Morgenröthe, und zu dir kommen wie ein Regen und wie ein Spatregen, deine Dürre in grünende Fülle zu wandeln. Aber werde anch uicht irre, wenn die erste Schönheit der Aehre, da sie sich mit saftigem Grün und duftender Blüthe in den Lüften wiegt, nicht bleibet, sondern unter dem Sengen der Mittagsgluth der Sonne sich das Leben allgemach vom Aeußeretc wieder mehr in das Innere zurüctzieht und die ganze Kraft desselben nun aus dem Halme in die Frucht tritt. Je mehr das geistige Leben innerlich reift, desto unansehnlicher wird es in den Augen der Welt; so mancher schöne Schein fällt weg, so mancher noch übrig gebliebene Ruhm des Fleisches verwelkt, sogar das reiche Geflihls- Und Em- pfindungsleben« macht einer fast befremdenden Nijchtertp heit Platz. Die Seele stirbt der gegenwärtigen Welt mit jedem Tage mehr ab, der äußerliche Mensch ver- weset unter mancherlei Trübsal und Aufechtung; aber der inwendige Mensch wird darunter von Tag zu Tag verneuet (2. Cur. 4, 16), immer einfältiger und himm- lisch gesinnter, abhäugiger vou der Gnade und dankbarer für die kleinste Gabe, hiugebender im Glauben, wohl- begründeter in der Hoffnung, anspruchslos wirksamer in der Liebe, immer brünstiger im Erbarmen über die Sünder, anch die abgesagten Feinde, immer stärker im 190 Evangelium Matthäi 13, 47——52. Tragen der Schwachheit der Brüder, immer wachsamer und schärfer gegen die eigenen, immer milder in der Beurtheilung fremder Fehler, und alle Sehnsucht geht zuletzt auf das eine Ziel, durch das letzte Wehe der Schnitter der Todessichel von allem Erdenwehe selig entbunden und von dem Herrn der Ernte dahin geborgen zu werden, wo einst die Gerechten leuchten werden wie die Sonne in ihres Vaters Reich. lRoffhaclJ — Allein so fruchtbar das Gleichniß in allen diesen Beziehungen für das praktisch christliche Leben fich machen läßt, so ist doch die Beziehung auf Jesum selber, wie sie oben an: gegeben wurde, nicht zu übersehen; der HErr löst hier seine Verbindung mit Galiläa, und zwar zunächst mit den Grenzen Zabulon und Naphthali am Wege des Meers (Matth. 4, 18 ff.), darnach mit Nazareth, indem er dahin noch einmal zieht und noch einmal dort sich verwerfen läßt (Matth. 13, 53 ff.) , kehrt nur als Gast noch nach Kapernaum zurück (Kap. l5,1ff.), und es be- ginnt nun die Zeit seiner Verbannuug und sluchtartigen Wallfahrt (Kap. 15, 21 —- 18, 35), bis er darauf Galiläa auch äußerlich verläßt (Kap. 19, 1 ff.) und sein Angesicht wendet stracks gen Jerusalem zu wandeln (Luk. 9, 51 ff.). Es ist da die Zeit erfüllen daß er soll von hinnen genommen werden; von dem Tage aber an, da er aufgenommen wird, hat das, welches er anfing, beide zu thun und zu lehren, ein Ende, und nun tritt der Apostel Geschichte an die Stelle der Evangelien (Apostg. 1, l ff.), da das in V. 27 u. 28 unsers Gleich- nisses Gesagte sich erfüllt. Die Briefe der Apostel er- füllen die ganze Kirchenzeih und in der Offenb. St. Johannis erscheint dann der, der den Samen auf’s Land geworfen, wie er die Sichel hinschickt; denn die Ernte ist da (V. 29). Von hier aus wird uns nun das fol- gende Gleichniß, mit welchem wir wieder zu unserm Evangelisten Mattljäus zuriickkehrety verständlichen » 47. Abermal lsprach er im vierten Theil seiner Predigt, den im zweiten Gleichuiß V· 24 ff. liegenden Gedanken wieder aufnehmend und ihn nach einer andern Seite hin beleuchtend] ist gleich das Himmelreich [von Seiten seines Berufs fur »die Welts einem Netz, das m’s Meer geworfen ist, damit man allerlei Gattung [von FischeiiJ fahet 48. Wenn es aber voll» ist, so ziehen sie sdie FischerJ es heraus an das Ufer, sitzen und lesen die guten sFischej in· ein Gefaß zusammen; aber die faulen [mchtsnittzigen, wohl gar. schadlichen Kap. r, 17 e; Ephei. 4, 291 werfen sie weg. 49. Also wird es auch am Ende der Welt gehen. Die Engel [»V. 391 werden ausgehen like-in Himmel] nnd die Bosen von den Gerechten scheiden [Kap. 25, 32; Mark. 13, 27], 50. Und werden sie in den Feuerofen werfen; da wird Heulen und Zahnklappen sein [V. 42]. Das Gleichniß vom Unkraut spricht von dem Ver- derben, welches durch Wirkung des Argen unter den schon ausgestreuten guten Samen gemischt wird; das vom ausgeworfenen Netz redet von der an allerlei Leute ergehenden Berufung, die gleichwohl noch nikht ent- scheidend ist für das Ende, und vergegenwärtigt den Satz (Kap. 20, 16): Viele stnd berufen, aber wenige find auserwählt. (v. Burgen) Sammlung und Scheidung ist der große Hauptgedanke dieses Gleich- nisses —- so gewiß die Sammlung; so gewiß auch die Scheidung; jene zuerst, dann diese. Dabei aber drängen sich uns folgende Bemerkungen auf: I) Die Samm- lung geschieht in möglich größtem Umfange, um Werth oder Unwerth der Menge vorerst ganz unbekümmert, damit einst, bei der unausbleiblicheiy sorgfältigen Scheii dung des Guten und Seligen so viel mehr möge er- funden werden; die Scheidung dessen dagegen, was das Netz in seinem Zuge durch das große Wclttneer der Zeiten, Länder und Völker in sich aufgenommen, schlieszt alles Uutaugliche, Schlechte, Unverbesserliche aus und wirft es weg. Z) Die Sammlung ist mehr irdisih und meuschlich, die Scheidung mehr himmlisch und göttlich. Jene ist vielmehr menschlichem guten Willen, menschlicher Einsicht uud Klugheit, Thätigkeit und Ver: austaltutig überlassen, ob’s gleich nicht ohne mancherlei verborgene Aufsichy Ftigung und Leitung der königlichen Regierung im Himmel bleibt; diese dagegen steht keines- wegs in nienschlicher Willkür, ist durchaus unabhängig von menschlichem Urtheil und kann durch aller Menschen Macht nicht herbeigeführt und nicht vereitelt werden, sie ist ganz und gar, sowohl in Absicht auf die Zeit, wann, als auf die Art nnd Weise, wie, und den Umfang und die Weite, worin es erfolgen soll, Sache des HErrn der .« errlichkeit selbst. (Menken.) Im Gleichniß find die, wel e das Netz» auswerfen nnd allerlei Gattung fangen, offenbar dieselben wie die, welche das Netz an’s Ufer ziehen und den Fang sondern; in der Auslegung aber siud letztere nicht dieselben, tote die ersten, sondern die Engel. (Ebrard.) Das Netz ist die sichtbare Kirche Christi auf Erden, das Meer ist die Welt, aus welcher heraus die Seelen sollen gerettet werden und an welche daher der Ruf von Christo ergeht; in dieses Netz nun wird allerlei Gattung gefangen. Weise und Unweise, Gebildete und Ungebildete, Alte und Junge, Reiche und Arme, Herren und Knechte, Könige und Bettler; Men- schen von der verschiedensten Gemüthsart, Fromme und Gottlose, himmlisch und irdisch Gesinnte, Gute und Böse, Kinder des Reichs und Kinder der Bosheit, Lutheraner, Reformirte, Katholikem Griechen, und wie die Kirchen und Confessiolien sonst heißen mögen —- diese alle be- finden sich in der Gemeinschaft der sichtbaren Kirche Christi auf Erden, diese alle werden vermittels der kirchlichen Diener aus dem Meer der Welt in das Netz der Kirche gefangen. (Fr.Arndt.) Die ersten und besten Fischer (Jer. IS, 16) waren die heil. Apostel, die das Netz durch Judäa , Galiläa, Samaria und schon durch große Strecken der Heideuwelt zogen; und haben ihr Leben nicht geliebet bis iu den Tod, ihren göttlichen Beruf (Kap. 4, 19) treulich auszurichten. Es find aber auch alle nachfolgenden Diener am Wort und Sacra- ment solche Fischer; denn bei jeder Kiudestaufe schon wird wieder eine Seele mit dem glücklichen Netz um- zogen, und wenn Knechte Christi den Juden unter uns das Evangelium predigen, wollen sie dieselben in das edle Netz fangen, darin allein man zur wahren Freiheit gelangen kann. Namentlich jedoch haben wir hier der frommen Knechte zu gedenken, die weit in’s Meer hin- aussteuerm um zu den fernen Heiden und ihren Königen den Namen des HErrn zu tragen; die heutzutage unter uusäglicheii Mühen und Gefahren überall in der großen Heidenwelt das gebenedeiete Netz auswerfen, überall mit ihrer Predigt die armen Menschen in’s selige Reich Gottes zu gewinnen suchen Das Netz» schien anfangs klein; aber es wickelt fich fort und fort ab, es dehnt fich immer weiter aus und beschreibt schon einen unge- heuern Kreis in dem Meere der Welt, und eine zahllose Menge der Menschenkinder ist schon in diesem wunder- baren Netze (Redeubacher.) Gerade wie das Meer, so ist auch die Welt: so weit und groß, so öde und wüste; so tosend seine Brandung, so schäumend seine empörten Wellen; so voll Ungeheuer, die ihre Beute verschlinge11; so voll heimlicher Klippen und Sandbänke, an denen alles, was Leben trägt, zerscheitert; so tief und bodenlos Das Gleichuiß vom Netze mit den faulen und guten Fischen 191 der Abgrund, in dem es die Opfer versenkt, die es in seine grauenvolle Tiefe hinabzieht Ju dieser weiten, wüsten, siindigen Welt hat nun Gott in Gnaden eine kleine Welt aufgebaut, ein Netz« vom Himmel herab in den Abgrund des Meers herniedergelassem wie ein schützende-Z, bergendes Haus läßt es sich in die dunkeln Fluthen nieder und sammelt und lockt seine Bewohner, daß sie vor den Ungethtimeti der Tiefe das gefährdete Leben unter seiner bergenden Obhut erretten sollen. Die Kirche hat ihre Genossen aus allen Gliedern des weiten Völkermeers gesammelt, aber in dieser Sammlung von der Welt und ihrem Wesen ausgesondera Jn der Welt stehend, darf sie doch in dem Wesen der Welt nicht wurzeln: das Netz ist nicht angewachsen auf dem Meeresgrunde, sondern von Gottes Liebeshäuden iiber den Abgrund emporgehoben. Geschieden sind die Glie- der der gläubigen Gemeine von der Welt: die im Netz gesammelten Fische können aus dem bergenden Netz nicht zurlickschwin1men; denn an den äußersten Grenzen werden sie von den feinen umschlingenden Fäden des Netzes gehalten, die den Ungeheuern den Eingang wehren und den Bewohnern den Ausgang. Die Kirche ist eine heilige, von der Welt und ihrem Wesen abge- sonderte, aber nicht von den: Zusammenhang mit der Welt geschiedem das Netz schwebt nicht in der Luft, sondern es ist in das Meer hinabgelassetr. Das ist auch nothwendig: die Fische können nur im Wasser leben, wie die ålltenschen nur in der Welt; die Fische müssen das Wasser des Meers trinken, wie die Sllienschen die Luft dieser Welt einathmen; und siehe, darum ersltllet auch das Wasser des Meers das Fischernetz, und durch tausend ofsene Pforten, die das Netz darbietet, können die Meereswogen jederzeit in das Innere des Netzes hinein- nnd aus demselben in’s Meer znrückströmen So ist auch des Christen und der Kirche Stellung: über der Welt soll sie stehen, d. h. innerlich von ihrem Wesen geschieden, und doch äußerlich mit ihr verbunden; denn die Welt ist der Schauplatz auf dem wir unsre Aufgabe zu erfüllen haben. Die Dinge dieser Welt, Haus und Hof, Geld und Gut, Acker und weltlicher Beruf, Kunst und Handwerk, das alles sind Dinge, deren wir brauchen sollen, ohne sie zu mißbrauchen, an denen wir lernen sollen zu besitzen, als besäßen wir nicht, an deren Erwerb, Besitz, Verwaltung und Verwerthung sich unsre Kräfte und Gaben entwickeln nnd zum Dienste des Reiches Gottes brauchbar gemacht werden sollen. (Müllettsiefen.) Das Fängen des Netzes dauert so lange fort, bis das Netz voll ist und die Menschen aus dem Weltmeere an das Ufer der Ewigkeit gezogen werden; dann tritt die Scheidung ein. Anders verhält es sich mit dem Netze, so lange es sich noch im Meer befindet, um allerlei Gattung zu fangen; anders, wenn es voll geworden ist und an’s Land gezogen wird , um das in demselben Gesammelte zu scheiden. So giebt es zweierlei Stufen des Reiches Gottes: auf der ersten nimmt es allerlei Menschen in seine äußere Gemeinschaft auf, denn es ist noch die Zeit des Sammelns; auf der zweiten scheidet es alle diejenigen von sich aus, die ihm innerlich und wesesntlich nicht angehören, denn die Zeit des Sam- melns ist vorüber und der Zeitpunkt der Scheidung ist gekommen. Stoßen wir uns daher nicht daran, daß hienieden die Kirche noch keine vollendete ist: sie ist, wie Jesus selbst auf Erden, noch im Staude der Erniedri- gung und in der Knechtsgestalt -——- der Herrlichkeit geht sie erst entgegen am Ende der Tage. Verlangen wir nicht mehr von ihr als sie gegenwärtig leisten kann: sie hat in ihrem ganzen Erscheinen prophetischen Charakter und ist nur da für eine reiche, große, selige Zukunft. Daher ihre langsame Ausbreitung über die Erde; daher ihr allmäliges Durchdringen der verschiedeiien Völker und Eigenthlimlichkeitem daher ihr langmtithiges Dulden der Schwachen und Verkehrten in ihrer Mitte; daher die stufenweife, gleichsam nur Schritt vor Schritt fort- schreitende Entwickelung ihrer Kräfte und Gaben! Doch nicht immer wird es so mit ihr bleiben, in diesem Zu- stande des Warteus und «Kämpfens: es kommt, es kommt gewiß einmal der Tag der Offenbarung ihrer Herrlichkeih der Tag der Scheidung und des Gerichts. (Fr. Arndt.) O die wir alle eingesungen sind in das heilige Netz des HErrn, möchten wir an jenem Tage nicht als faule, sondern als gute Fische erfunden, nicht weggeworfen, sondern in des Vaters Reich gesammelt werden! (Redenbacher.) . 51. Und Jesus sprach zu ihnen [den Jüngern, auf dem— Wege nach Kapernaum und im Hause, nachdem er ihnen zuerst die beiden Gleichnisse vom Säemann uud vom Unkraut auf dem Acker aus- gelegt, dann aber wohl auch die beiden andern vom wachsenden Samen und vom Netz im Meer an- deutend erläutert hatte Mark. 4, 34]: Habt ihr [setzt, während ihr Vorhin noch euer Unversiiindniß bekennen musztet Mark. 4, 13] das alles swas ich mit diesen Glelchnissen habe sagen toollen] verstanden? Sie sprachen: Ja, HErr fund bedürfen wir für jetzt keiner weiteren Auslegung) 52. Da [obwohl er recht wohl wußte, das; zu einem vollen und umfassenden Verständniß den Jün- gern noch manches fehlte, er aber die weitere Unter- weisung einem Andern überlassen wollte Joh. 16, 12 ffJ sprach er: Darum lweil bei euch nun schon ein guter Grund zur Erkenutniß der Geheimnisse des Himmelreichs V. 11 gelegt ist, kann ich mit Be: ziehung darauf, wozu ich in diesem Jahre meiner Wirksamkeit hier, am Wege des Nteers Kuh. 4, 13 ff» euch gemacht habe, sa·gen], ein jeglicher Schrtftgelehrter, zum Himmelreich gelehrt swie ich einen solchen m jedem einzelnen unter euch im Gegensatz zu denen, die bisher für Schriftgelehrte gegolten haben, künftig zu Israel senden werde Kap. 23, 2 u. 34], ist glecch einem Hausvateh der sfür die Angehörigen seines Hauses, die er mit der Noth- durst dieses zeitlichen Lebens zu versorgen hat] aus seinem Schatze sseiuer reichen Vorrathskammerj Neues svom Jahre] und Altes saus früherer Zeit] hervor- tragt sum so allen ihren Bedürsnissen gerecht zu werden und sie nicht blos nothdürftig zu ernähren, sondern auch in frischem, gedeihlichem Wachsthum zu erhaltens Es gab damals Leute genug, die sich. Schrift- gelehrte nannten, aber sie waren es nicht; ihre Schriftgelehrsamkeit war nichts anderes als eine auge- nommene, auswendig gelernte Dogmatik (Glaubeuslehre), worin die wahre Schriftlehre vom Reiche Gottes fast gänzlich fehlte. Es waren Leute, die fragen konnten, welches das erste Gebot sei, nicht wissend, daß die Liebe Gottes von ganzem Herzen &c. uud die Liebe des Nächsten als die zu uns selbst das erste und größte Gebot ist, nnd die auf die Frage: wie diinket euch um Christo? weß Sohn ist er? zwar als von Hörensagen antworteten: Davids; aber auf die zweite Frage: wie ist er denn Davids HErKP nichts zu antworten wußten. Der neu- testamentliche, der chrtstltche Schriftgelehrte soll· zum 192 Evangelium Matthäi 13, 53—-58. Himmelreich gelehrt sein, diese Grundlehre der Schrift soll er erkannt und gelernt haben; i1i diesem Hauptgedanken der Schrift soll sich ihm die ganze Schrift aufgeschlossen und zu einem Ganzen gebildet und vollendet haben, so daß er in dieser Erkenntnis; als dem Mittel- punkt der Schrift stehend nach allen Seiten und Rich- tungen hin, auf den ganzen Umkreis aller ihrer Lehren und Erkenntnisse hinschaiien nnd hinkoinmeiy und wieder Von jedem Punkte des Umkreises auf diesen unentweg- lichen Mittelpunkt zurltckschaueii und zurückkommen kann. (Menken.) Wer den HErrn verstanden hat, ist ein Schriftgelehrter, zum Hinimelreich gelehrt, ein Mensch, der in der Schrift zu Hause ist, der über das Reich Gottes klar geworden ist und Rechenschaft darüber ab- legen kann, der selber ist ein Bürger des Himmelreichs und auch Andre dahin zu führen vermag; ein Mensch, der einen Schatz in sich trägt, einen kostbaren Schatz, um den die Welt ihn beneiden würde, wenn sie die Herrlichkeit desselben zu ermessen vermöchte; der diesen Schatz als seinen Schatz, als seinen eigenen, nicht als einen erborgten oder gar gestohlenen, sondern als einen vom HErrn mitgetheilten und geschenkten Schatz in sicl trägt; kurz, bei dem das Evangelium nichts Nachge- sprochenes und Auswendiggelerntes, sondern etwas Er- lebtes, Herzenserfahrung geworden ist. Wer nun so ein Schriftgelehrter ist, zum Himinelreich gelehrt, der trägt aus seinem Schatze Neues nnd Altes hervor. So machte es Christus selbst: alt war die Lehre vom drei- einigen Gott, sie lag verhüllt in den Vorrathskammern des alten Testaments, aber sie mußte erst aufgeschlossen und enthiillt werden; neu war daher fiir die Welt die Lehre von Christo, dem Sohne Gottes, sie ging den Jüngern erst auf, als er selbst, der Eingeborne vom Vater voller Gnade und Wahrheit, vor ihnen stand; neu die Lehre vom heil. Geist, denn erst nachdem er erhöhet worden von der Erde, konnte er die Itinger zu sich ziehen. Alt war die Natur, Jahr aus Jahr ein ging sie ihre regelmäßige Bahn in vorgeschriebener Ordnung; neu hingegen war die Deutung, welche Jesus in seinen Gleichnissen ihrer großartigen Bilderschrift gab und durch die er sie zur Lehrerin der Weisheit machte. Alt war beides, Gesetz und Verheißung; neu dagegen die Er- füllung — dem Keime nach schon in der ersten dunkeln Verheißung enthalten, entfaltete sie sich auf jeder neuen Stufe der Offenbarung in. neuem Glanz und neuer Herrlichkeih So macht es jeder Prediger des Evan- geliums, sofern er ein Schristgelehrter ist, zum Himmel- reich gelehrt: er holt aus seinem Schatze immerdar Neues und Altes. Das Alte ist das Wort der Apostel: ,,einen andern Grund kann niemand legen, denn der gelegt ist, welcher ist Christus-«; das Neue ist die ver- schiedene Anwendung, welche er von dieser Kern- und Grundwahrheit des Heils macht, daß sie als ein stets neues, junges und kräftiges Erzeugniß seines eigenen geistlichen Lebens, selbst für die, welche sie schon oft von ihm gehört haben, immer neu belehrend, belebend und erbaulich ist. So macht es jeder Christ: er liest täglich die Bibel, und sie giebt ihm täglich neue Wahrheitetu er bekennt den alten Glauben der Kirche, und mit jedem Bekenntniß wird dieser Glaube für ihn nnd Andere neu, denn er eignet ihm einen neuen Grad der Gerechtigleit und Seligkeit zu; er übt die alte Liebe, und es geht ihm wie dem Johannes (1. Joh. 2, 7 f.), mit jeder Uebung wird ihm die alte Liebe neu; er singt die alten Kernlieder der Kirche, nnd indem er sie singt, kommt der Heldengeist der Väter im Glauben über ihn zu neuer Stärkung nnd Beseligung; er heiligt den alten Sonntag, und jeder neue Sonntag spendet ihm aus seiner Fülle neue Gaben und Geschenke. So empfängt er auf jeder neuen Stufe seines inneren Lebens das alte Evangelium als neu, und das neue Evangelium immer wieder als das alte, und nimmt ans der Fülle des HErrn Gnade um Gnade. (Fr. Arndt.) Das christliche Lehramt ein Amt der Ausgabe: l) wie es eine stille Einnahme und steten Erwerb voraussetzt; 2) wie es sich in dem rechten Ausgeben bewähren soll. (P. Lange.) v· U. 53—-58. (§. 55.) Wohl schon ani andern Tage, nachdem der tJErr die große Gleithnihpredigt am Meer gehalten, begiebt er sich in seine Vaterstadt, um noch einmal den Versuch zn tauchen, ob er nicht auch diese seine uniniltelbaren Landoleute seine Herrlichkeit liönue sehen lassen, eine Herrlichkeit als des eiugeborenen Sohnes) vom Vater, voller Gnade nnd Wahrheit. Ob nun gleich sein predigen in ihren Schulen einen gewal- tigen Eindruck hervorbringt, so wird derselbige doch so- fort verschlungen von jener heilloseii Consequeiiz des natürlichen, nugläiibigeii xmenskhenherzeniy das seine Stärke und seinen Ruhm so gern darin sucht, sich gleich zu bleiben in seinen vornrtheileu nnd herliehrtheitem sollt eg ans diesem Wege auch bis zum wahnwiiz nnd zur Tollheit sortschreiten müssen und in Schmach nnd Schande enden. (dlgl. Mark. s, 1—-6.) » 53. Und es begab sich, da Jesus diese Gleich- msse vollendet hatte, ging er sTags darauf] von dannen sbrach von Kapernaum auf], 54. Und kam in sein Vaterland sseine Vater- stadt Nazareth, die er vor einem Jahre verlassen Kap. 4, 13], und lehrete sie sdie Bewohner dieser Stadt, an dem nächstfolgenden Sabbath Mark. S, L] in ihren Scheint, also auch [so nachdrücklich und gewaltig Kap. 7, 29., indem ei: zugleich sein Wort durch mitfolgende Zeichen bekräftigte V. 58], das; sie sich entsetztem und sprachen: Woher kommt diesem [da, der doch nicht in einer der Schulen der Schrift- gelehrten unterwieseii worden] solche Weisheit und [die Macht, solche] Thaten szu thun]? 55. Jst er nicht eines Zimmermanns Sohn sund hat selber dieses Handwerk getrieben Mark. 6, 3]? Heißt nicht seine Mutter Maria? und sheißen nicht] feine Bruder legt. Kap. 2, 23 Arm] Jakob, und Joseih und Simon, und Judas? 56. Und seine Schwestern, sind sie nicht. san Männer unserer Stadt verheirathen während Mutter und Brüder sich mit ihm nach Kapernaum gewendet haben Kuh. 2, 23 u. 8, 15 Anm., und so] alle bei uns [als Leute von ganz gewöhnlichem Schlage oder ganz Unsersgleichenp Woher kommt ihm denn das alles? 57. Und cirgerteii sich [nahmen wegen seiner Herkunft und seines geringen Standes Anstoß] au ihm sdaß sie ihn durchaus nicht für den älJiessias halten wolltens Jesus aber sprach zu ihnen: Ein Propbet gilt nirgend weniger, denn in seinem Vater- lande [Joh. 4, 44] und in seinem Hause [Joh. 7, 5»]. 58. Und er that daselbst nicht viele Zeichen [son- dern nur den wenigen Suchen, für die man Hilfe bei ihm begehrte, legte er die Hände auf], um ihres Unglaubens tvillen [der es ihm unmöglich machte, seine Herrlichkeit in so großartiger Weise bei ihnen zu offen: baten, wie er sichs vorgenommen hatte Mark. 6, 5]. Jesus findet in seiner Vaterstadt Nazareth wenig Glauben. 193 »Für die Einerleiheit des hier und in Mark. 6, 1sf. erwä nten Aufenthalts Jefu in Nazareth mit dem bei Luk. 4, l6 ff. berichteten spricht —- wenn wir, wie billig, davon absehen, daß Jesus beide Male in der Synagoge und, was damit zusammenhängt, am Sabbath austrat und hier, aber freilich in ganz verschiedenem Maße. Widerspruch fand — im Grunde weiter gar nichts, als daß er beide Male das Sprichwort vom Propheten, der in seinem Vaterlande keine Ehre hat, auf sich angewendet. Aber warum hätte er’s nicht thun follen, da sich beide Male durch die Veranlassung feine Anwendung als höchst passend erwies? Auch ist sie in der That das zweite Mal doch in etwas anders gestaltet; denn hier werden neben dem Vaterlande noch die Verwandten und sein Haus erwähnt, und so will Jesus zugleich die Erschei- nnng rechtfertigen, daß auch seine Brüder an ihn nicht gläubig geworden waren (Kap. 12, 46 ff.; Joh. 7, 5). Wenn Jesu aber bei dem Aufenthalt in Nazareth, welchen Lukas berichtet, der Tod gedroht wurde, so zwang ihn das damals freilich zur Flucht nach Kapernaumx aber konnte es ihn verhindern, nach dem so bedeutungsvollem thatenreichen Zwischenraum von einem ganzen Jahre (Wies eler, dem wir diese Auseinandersetzung entlehnen, hat: ,,nach jenen inhaltsreichen 3 Wochen«, was mit seiner falschen chronologischen Zusammenstellung des Lebens Jesu zusammenhängt) den Versuch der Predigt Jesu in Nazareth zu erneuern? Wie oft ist er nicht nach Jeru- salem ge angen, wo doch die Gefahr unendlich größer war! A es Uebrige spricht aber auf’s Entschiedetcste für zwei verschiedene Thatsachen.« —- Nicht allein die Zeit, so fahren wir mit Riggenbach weiter fort, sondern auch die Reden und der Ausgang zeigen uns einen Fortschritt gegenüber dem ersten Mal. Dies Mal kommt Jesus mit seinen Jüngern mitten aus der Fülle seiner Wirksamkeit heraus, und so müssen die Nazarener nicht nur seine Weisheit anerkennen, sondern auch seine aller Orten vollbrachten Wunder, obwohl er bei ihnen selber um ihres Unglaubens willen, wenngleich dies Mal nicht gar keine, so doch beinahe keine verrichten kann. Aber noch einmal steifen sie sich auf das zähe Vorurtheil wegen seiner Familie; auch die Geschwister rücken sie ihm diesmal auf: glauben doch nicht einmal seine Brüder an ihn. So wiederholt der bornirte Unglaube mit rechthaberischer Hartnäckigkeit die Schlagworte, mit denen er eine Sache zu beseitigen pflegt. Wenn es nun auch nicht mehr zur Aufwallung eines Mordversuchs kommt, so ist doch der Stumpffinn um so kläglicher, der sich auch durch das weit verbreitete Ansehen, welches der HErr durch Wort und That bereits gewonnen hat, nicht überwinden läßt; darum wundert er sich ihres Unglaubens (Mark. 6, 6), wie es im Gegentheil von dem großen Glauben des heidnifchen Hanptmanns heißt, er habe stch desselben gewundert (Kap. 8, 10). Darum lautet auch das Urtheil des HErrn noch schärfer, als das erste Mal; damals nämlich sagte er: kein Prophet ist angenehm in feinem Vaterlande (Luk. 4, 24); jetzt aber: ein Prophet ist nirgends verschmäht, denn in der Vaterstadt und bei den Verwandten und in seinem Haufe (Mark. 6, 4). Der Prophet hat eine Seite häuslicher Alltäglichkeiy ja selbst sündlicher Schwachheit an sich, die seinen Nächsten am meisten aufgedeckt ist: an Jesu haften keine solchen Gebrechen, die es erklären könnten, warum er in der Heimath weniger Glauben fand als irgend sonst; nur die Demuth seiner Knechtsgestalt zieht ihn in die Gemeinschaft dieses Looses hinein. Die Schmach fällt aber völlig auf das thörichte Geschlecht zurück, -das so gar nicht bedenkt, wie es sich selber unehrtdurch das Urtheil: aus unserm Kreise kann nichts Rechtes kommen. — Wie in andern Empfindungen des menschlichen Her- zens, bemerkt Menken, so ist Jesus auch in dem Ge- fühl der Volks- und Vaterlands-liebe und der besonderen Anhäuglichkeit an die Vaterstadt seinen Brüdern gleich geworden. Warum hätte er nun, da für einen andern Ort in Galiläa nichts Höhen-s, dem dies Gefühl hätte untergeordnet bleiben und weichen müssen, redete, nicht dahin gehen sollen? Ein Anderer in seiner Stelle wäre nicht wieder freiwillig dahin gegangen; dem wäre das enge arme Nazareth und die Erinnerung an eine dürftige Kindheit und Jugend gar nicht recht gewesen. Und noch ein Anderer hätte nur mit Haß, oder doch mit Verach- tung und Kälte an Nazareth gedacht, wenn er dort ein- mal wäre so behandelt worden, wie Jesus bei seinem ersten Auftreten und Wirken dort behandelt wurde. Jhm aber war Nazareth weit und reich genug, und seine Kindheit und Jugend, wie dürftig nach dem Fleisch sie auch gewesen war, war doch reich und süß und selig dem Geiste nach gewesen; die Beleidigungen aber, die Verachtung, den Zorn und Haß, die er dort hernach er- fahren, hatte er längst vergeben und vergessen und nicht aufgehört, den Ort und die Menschen zu lieben. Mit dieser Liebe im Herzen zog er nun wieder dahin, wün- schend, daß er ihr Herz offen finden möge für das Heil, das er ihnen bringen wollte. —— Die Mehrzahl jedoch, so geben wir mit Klostermann den Jnhalt unsrer Er- zählung erklärend wieder, gerieth zuerst nur in ein un- fruchtbares Staunen, und statt sich über die Meinung von Jesu, welche ihnen ihre gute Bekanntschaft mit sei- nen Privatverhältiiissen eingab, durch den sittlichen Ein- druck seines jetzigen Wirkens im Glauben hinwegheben zu lassen, hielten sie dieselbe eigenstnnig fest; nnd so kam es gegenüber seinen Ansprüchen ans Anerkennung seines göttlichen Berufs nur dazu, daß sie sich an ihm ärgertetn als an einem Vermessenen, der sich mehr beilegte, als er feiner Herkunft und äußeren Erscheinun nach sein könnte. Er hatte erwartet, man werde ihn recht als Helfer in Anspruch nehmen, und er hatte sich vorge- nommen, sich recht bei ihnen durch wunderbare Werke zu bezeugen; sie aber hielten nichts von ihm und woll- ten deshalb auch nichts von ihm haben; so beraubten sie sich selbst der wohlthätigen Erfahrung seiner auch ihren Nothleidenden bereitstehenden Wundermacht, da- durch sie hätten in ihrer Verachtung seines Berufs wankend werden können. Das 14. Kapitel. Johanns, des Täufers, Enthnuptunxs Christi Speisung des Volks, Hang auf dem Meere. I. o. 1—12. (§. 46.) nachdem St. niattyaus i« nat. 4,12 — 13, 58 eiu ganzes, volles Jahr der Wirte— samlteit Jesu in Galiläa uns oorgefsihrt hat —- das ,,angenehme Jahr des HGrrnT das mit einer pre- digt in Uazareth seinen Anfang genommen Ratt. 4,16 sf.) nnd mit einer predigt eliendaselbst seinen Jlbsthluß ge- funden; so folgt nun das Jahr der Verfolgung, das init einer Jtrt Verbannung oder sluchtähnlichen Wall— fahrt Jesu tm Lande beginnt Man. 15, 1 — Ist, 35), in dem szttifdrttch ans Galiläa und in der Wirksamkeit jenseit des Jordan sich sortseht Ratt. 19, 1 —- 2l), 16), dann in die eigentliche Eetdengzeit übergeht (Kap.20,17 -— N, 66) und mit Christi Wegnahme oon hinnen in der Auferstehung und thimmelfahrt schließt Man. 28). Erwägen wir nun, daß das Wort am Ende unsers Goaugeliix »Liebe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Gude«, deutlich genug aus die Ztttggießtitig des hl. 194 Evangelium Matthäi 14, 1——13. Geistes hinkt-ein, also gewissermaßen die Geschichte des Psingstfestes in suh schließt, welche Ende Mai des J. 30 n. Chr. sith ewig-me, so lkommt hier abermals ein ganzes, volles Jahr zu Stande; gleithwie aber jenes Sah: der Wirksamkeit Iesu durch die tleberantwop jung Johannis des Täufers eingeleitet worden Gar. 4, 12), so wird dieses Jahr seiner Verfolgung mit der Gnthanptnng des Täufers eingeleitet, die freilich der Zeit nach um 7 Wochen in jenes friihere Jahr zuriirlei greift, alser dorh der Sache nach (ugl. Blum. zu san. it, 17 u. IS, A) nicht dorthin, sondern in dieses lehtere Jahr gehörtx («tUarle. S, 14—20; Kuh. 9, 7—9.) 1. Zu der Zeit [um hier den Anfang des mit Kuh. 12 beginnenden Abschnittes von Geschichtsen zählungen wieder aufzunehmen und da uns zeitge- schichtlicls noch enger an die in Kap. 11, 1——19 mitgetheilte Begebenheit anzuschließen —- nämlich etwa 11 Tage nach jener Gesandtschaft des Täufers] tam das Gerücht von Jesu swelche großen Werke durch ihn geschähen Katz. 11, 2; 4, 241 vor den Viersürsten Herodes sAntipas von Galiläa Kap. 2, 20 Anm., der in seiner seitherigen Residenz zu Livias noch nichts davon vernommen, neuerdings aber seinen Sitz nach Tiberias am galiliiischen Meer verlegt hatte Kap..12, 14 Anm.]. L. Und er sprach zu seinen Knechten [Hofbe- amten 1. Sam. 16, 15., die ihm das Gerücht zu- gleich mit den mancherlei Meinungen, die über Jesum beim Volke umliefen, hinterbrachten, sich zu- letzt für eine von diesen Meinungen bestimmt ent- scheidend]: Dieser ist Johannes der Täufer sden ich kürzlich habe enthaupten lassen]; er [Johannes] ift [in diesem Jesu von Nazareth] von den Todten auferstanden, darum kweil er als em durch em Wunder Wiedererweckter ganz neue, wunderbare Kräfte, die er vordem nicht besessen Joh.10, 41., mit srch aus dem Grabe gebracht hat] thut er solche Thaten [und da habe ich ja mit der Enthauptung ihm eigentlich nichis geschadet, sondern nur zu einem desto herrlicheren Stande verholfen]. Friiher hatte er von der Wirksamkeit Jesu weniger vernommen, als von der des Täufers; jetzt aber fand er das ganze galiläische Land erfüllt von dem Rufe Jesu und von dem Preise seiner Wunder. Schon hatten sich die mannigfachsten Urtheile iiber die Persönlichkeit des- selben gebildet, die alle darauf hinausliefen, er müsse eine jener mefsianischen Wundererscheinnngen sein, wie sie die Propheten als Bürgen des Anbruchs der messin- nischen Zeit geweissagt. Die Urtheile gingen auseinan- der: Einige sagten, er sei Eliasx Andere, er sei einer der alten Propheten, nnd noch Andere scheinen mit einer gewissen Absichtlichkeit geäußert zu haben, es sei möglich, daß dieser Johannes der Täufer selber sei, nämlich als Auferstandener von den Todten. So konnten fchüchterne Fromme urtheilen, die dem Herodes auf eine Weise, die sie nicht in Gefahr brachte, in’s Gewissen reden wollten; so hätten aber freilich auch Hofschmeichler fich äußern können, um den Fürsten über seine Frevelihat zu be- ruhigen mit der Versicherung, der von ihm getödteie Johannes sei schon wieder lebendig. Der Fürst wenig- stens zeigt uns eine Stimmung, welche aus der einen Auffassung in die andere hinüber schillert (vgl. Luk. 9, 7 ff. mit Mark. 6, 14 ss.). Er ward mit Furcht erfüllt, als er das Urtheil hörte, dieser Wunderthäter fei Johannes der Täufer, und zweifelte doch zngleich wieder an der Wahrheit der Versicherung Dennoch ward er geneigt, dieselbe zu glauben, ja er eignete sich selber endlich die Ansicht an, dieser Jesus sei der wiedererstam dene Johannes, wahrscheinlich aber so, daß er den bild- lichen Sinn mitfpielen ließ bei seiner Vorstellung, indem der Gedanke verwalten, der Schaden, den er der guten Sache etwa durch die Hinrichtun des Täufers beige- bracht habe, sei schon mehr als inlänglich ersetzt; es sei ja schon wieder ein potenzirtey mächtigerer Johannes der Täufer auf den Schauplatz getreten. Wahrscheinlich beschwichtigte er in diesem Sinne sein Gewissen mit einem Worte, das ihn anfangs erschreckt hatte, und er brachte es darin bald so weit, daß er das Begehren einer entsetzlich dummfrechen Neugierde äußern konnte, Jesum zu sehen: Luk. 9, 9. (P. Lange.) Z. Denn [wie schon in Kap. 4, 12 ange- deutet und dann. in Kap. 11, 2 darauf Bezug genommen wurde] Herodes hatte [vor 10——11 Monaten, als er noch zu Livias residirtes Johannem gegriffen sfestnehmen lassen]- gebnnden und in das Gefängniß sauf dem Bergschlosse Machärus jenseit des todten Meeres] gelegt, von wegen der Herodias seiner Enkelin Herodis des Gr., s. die Stammtafel am Schlusse des 1. Maceabäerbx B, 1, Z. c, Nr. 4], seines Bruders Philippus [s. ebendaselbst: 11, Z] Weib [die er sich angeeignet, dagegen sein recht- mäßiges Weib verstoßen hatte Kap. 2, 20 Anm.]. 4. Denn Johannes sder damals wieder an der Stätte seiner früheren Thätigkeit jenseit des Jordan sich aushielt Joh. Z, 261 hatte [vielleicht als der neugierige Fürst ihn einmal vor sich ge- laden] zu ihm sin Betreff dieser Herodias] gesagt: Es ist snach dem Gesetz: Z. Mos. 16, is; 20, I] nicht recht, daß du sie habest [wie er denn auch noch manches andere Unrecht ihm aufrückte Lut. 3, 19]. 5. Und er hätte ihn sdamals schon] gerne getödtet swenn er nach der Hitze seines ersten Zorns hätte handeln dürfen], fürchtete sieh aber vor dem Volk sdaß das sich wider ihn empören möchte]; denn sie sdie Leute] hielten ihn für einen Propheten [gleichwie er selber hernachmals große Stücke auf diesen Mann Gottes hielt, dessen ganze Erscheinung einen tiefen Eindruck auf ihn gemacht hatte Mark. S, 20 . Jofgphus (Ant. XVIIL 5. 2) giebt einen andern Grund der Gefangennehmung an: »Weil viele bei Jo- hannes zusammenströmten (denn sie wurden durch das Hören seiner Worte mächtig erhoben) fürchtete Herodes, es könnte sein gar zu großer Einfluß die Leute zu einem Ausstand hinreißen; denn es schien, als würden sie alles auf seinen Rath thun. Darum hielt er es für besser, bevor eine Nenerung durch ihn geschähe, denselben weg- znschaffen und ihm lieber zuvorzukommery als hinten- nach zu bereuen, wenn er durch einen Aufruhr in Noth gerathen wäre.« Jndessen ist hier nur von der Wen- dung berichtet, die man der Sache in den Kreisen des Hofes geben mochte; die stir den Fürsten schimpfliche Ursache pflegte man zu verschweigen. Johannis des Täufers Enthauptung 195 6. Da aber Herodes [nachdem er lange dem Andringen der Herodias, die dem Johannes nach dem Leben stellte, widerstanden Mark. 6, 19] seinen Jahrstag [den Tag feines Regierungsantritts — nach unsrer Rechnung den 11. April des J. 29 n. Chr. Kap. 11, 3 Anm.] beging [und den Obersten und Hauptleuten und Vornehmsten seines Landes zu dieser Feier ein Gastmahl gab], da tanzte [zur Kurzweil der Gäste in kunsireicher, mimischer Weise, wie es bei den Griechen üblich war] die Tochter der Herodias [bon ihrem Gatten Philippus, mit Namen Salome, also des Herodes NichteJ bot ihnen sinmitten des Festfaals]. Das gefiel Herodes wohl [und denen, die mit ihm zu Tische saßen] 7. Darum verhieß er ihr mit einem Eide [so völlig war sein Herz durch ihr üppiges, leichtfertiges Tanzen in dem Augenblick bezaubert], er wollt ihr geben, was sie fordern würde ses sei, was es sei, und wenn sie auch um die Hälfte seines Königreichs bäte Mark. S, 23]. Was das Tanzen der Salome hier betrifft, so ist solches iippige Solotanzen unter allerlei Geberdenspiel inmitten eines Kreises von Männern eine von dem tanz- lustigen Griechenvolk (man denke besonders an die un- zttchtigen ionischen Pantomimentänze öffentlicher Lust- dirnen Rom. 0d. IIl, S. 21 sqq.) seit Alexander d. Er. in den Orient eingedrungene und in den ersten Zeiten des Kaiserthums auch bei dem weiblichen Geschlecht zu Rom (Hor. a. Post. 232) einheimifch gewordene Sitte, die an die Weise der Bajaderen in Oftindien erinnert; jedenfalls hatte Herodias in schlauer Berechming ihre Tochter zu diesem Tanzen veranlaßt. »Ein von der Sünde zerrüttetes Haus! Wir sehen: 1) die heiligften Liebesbunde sind da gelöst; 2) die stißesten Lebensfreu- den sind da vergiftet; Z) die schönften Herzensanlagen werden da verdorben; 4) der edelste Gottes-fegen geht da zu Grunde. (Gerok.) Eingehendere Betrachtungen izbeizdifksevganze Geschichte behalten wir uns zu Mark. , . or. 8. Und als sie zuvor von ihrer Mutter kzu der sie hinausgegangen, von dieser sich’s sagen zu lassen, was sie bitten sollte] zugerichtet [beredet und nach einigem Widerstreben zuletzt auch über- redet] war, sprach sie [beim Wiedereintritt in den Saalsr Gieb mir« her [noch während wir hier, beim Festmahl, versammelt sind Mark. S, 24 f.] auf einer Schüssel sals letztes Schaugericht für die Konigstafeh das Haupt Johannis des Täufers. S. Und der König snicht umsonst hier so ge- nannt, obwohl er nur ein kleiner Fürst war B. I] ward traurig sdaß die ganze Sache eine so blutige Wendung nehmen und er denjenigen Preisgeben sollte, von dem er in seinem Gewissen fühlte, daß er ein frommer und heiliger Mann war]; doch um des [mehrmals wiederholten] Eides sin V. 7] willen und derer, die mit ihm zu Tifche saßen sum nicht sich und die Salome, wie er meinte, vor ihnen zu beschämen] befahl er’s ihr zu geben [vgl. die Bem. zu Jes. 9, 21 u. 1. Sam To, M] 10. Und schickte hin snach dem, 4——5 Meilen von Livias entfernten Machärus] und cnthauptete Johannes im Gefängniß [mittels des abgesendeten Henkers Mark. 6, 27., ohne erst auch nur einen scheinbaren Rechtsspruch über ihn zu fällen, also geradezu meuchelmörderischs 11. Und sein Haupt ward swenngleich nicht mehr während des Festes selber, denn dieses hatte wohl bald nach dem ausgesprochenen Befehl V. 9 ein Ende] hergetragen in einer Schüssel und dem Mägdlein gegeben; und sie bracht es ihrer Mutter [die, erzählt Hieronymus weiter, ebenso damit um- ging, wie die Fulvia mit dem des Cicero, dessen Zunge sie herauszog und mit Nadeln durchstachs Herodes hätte leicht antworten können und sollen, er hätte seinen Eid auf keine andere als erlaubte Dinge gerichtet, ja in ihrer Bitte wäre mehr als ein ganz Königreich gebeten; aber dies schlägt die eingebildete Reputation alles darnieder. (Canstein.) Die gottlose Frau bewog hernach auch den Herodes zu Schritten, die ihn um die Krone brachten (s. Kp. 2, 20 Ah; so hat er nicht nur das halbe Königreich an die Tänzerin dahin geben wollen, sondern das ganze um ihrer Mutter willen ein- gebüßt. (Riggenbach.) 12. Da [als das in V. 10 Erzählte geschehen] kamen seine cdes Johannes] Jitnger und nahmen seinen [des Hauptes beraubten] Leib und begrubeu ihn, und kamen leinige Tage nachher] nnd ver- kündigten das lwas mit ihrem Meister geschehen] Jesu [durch den Mund seiner Jünger Mark. 6, 30., die von ihrer Gesandtschaft in Kap. 10, 1 —- 1l, 1 nun wieder zu ihm zuriickkehrten Lnk. 9, 10]. II. v. 13—21· (§. 47·) »dem blutigen: Schwelgermahl des herodeg im Palast, wclches Israel seinem Unter— gang eutgegenfährn tritt das heilige Wüstenmahl des huren gegenüber, wie re das geistlithe Israel aufer- baut« Es ist die Geschichte non der Speisnng der Fünftausend, die wir hier vor uns haben Quark. Ei, 30—44; rat. 9, 10—17; Ich. o, 1—13). 13. Da das Jesus [bei seiner Rückkehr von der Wanderung, auf der wir ihn in Kap. 11 be- griffen sahen] hdkete sdaß Johannes hingerichtet sei V. 12], wich er von dannen [aus Kapernaunn wo die Jünger bei ihrer Rückkehr von der Sen- dung in Kap. 10 wieder mit ihm zusammenge- troffen waren] auf einem Schiffe [nach dem jen- seitigen Ufer des Sees fahrend], in eine Wüste [bei VethsaidæJulias List. I, 10] allein« sindem er nur die 12 Jünger mit sich hinübernahm]. Und da das Voll [das in Kapernaum ihn aufge- sucht hatte] das höreie sdaß er von dannen ge- wichen und nach dem andern Ufer hinübergefahren sei], folgte es ihm nach zu Fuß [indem es seinen Weg um die Nordküste des Sees herum nahm] aus den Sttidtenspsp [denn auf diesem Wege fchlossen sich ihrer immer mehr dem Zuge an, die ihn hören und ihre Kranken von ihm heilen lassen wollten]. 13V 196 Evangelium Matthtii H, 14. 14. Und Jesus ging saus dem einsamen Auf- enthalt, dahin er sich mit den Jüngern begeben] hervor und sahe das große Volk sdas immer zahl- reicher herzuströmtdz und es jammerte ihn der- selbigen sdaher er sofort bereit war, seine Einsam- keit auszugeben und ihnen vom Reiche Gottes zu predigen Mark. 6, Ja; Luk. 9, 11], und heilete ihre Kranken lworüber denn der Tag zu Ende gingst-NR is) Wir können die Auffassung iiicht theilen, daß der HErr ans Klugheit, um seine Sicherheit im Gebiet des Mörders Johannis flir den Augenblick nicht zu ge- fährden, nach der Ostfeite des Sees, i11id also in das Gebiet des Vierfürften Philippus (Kap. 2, 20 Anm.), sich zurückgezogen habe; denn schon am andern Tage kehrte er ja nach Kaperuaum zurück und durchzog von da aus das Land Genezareth (V. 34 ff.). Vielmehr wird jener Entfchluß des HErrti auf seine innere Her- zensbewegiiiig zurückzuführen sein, die ihn bei der Kunde von dem Hingange seines Vorläufers ergriff; war doch dieser Hingang ihm wie eine Weissagung auf feinen eigenen, nach Jahresfrist bevorstehenden Opfertod, und dem Gedanken hieran will er in der Stille eine Weile naehhängein Dazu kam die Rücksicht auf die, von ihrer ersten Aussendung so eben zuriickgekehrteii Jünger (Mark. S, 30 f.), welche ebenfalls der Sammlung und Stille bedurftens Mittelbar ist dann dieses Entweichen in die Wüste die Antwort auf das Begehren des Herodes in Tiberias, Jefuni zu sehen (Luk. 9, 9): nicht eher, als nach Jahresfrist wird er ihn zu sehen bekommen, aber auch dann wird er kein Wort aus seinem Munde hören noch· ein Zeicheiubon ihm schauen (Luk. 23, 6 ff.). IV) Für gewohnlich heilt man dafür, daß diese Volks- hausen die auf dem Wege nach Jerusalem begriffenen Osterkaravanen gewesen seien, und meint, die Bemerkung »in Joh.6, 4: ,,es war aber nahe die Ostern, der Juden Fest,« solle eben erklären, woher es kam, daß so viel Volks dem HErrn nachzog. Wir werden aber sehen, daß diese Bemerkung vielmehr auf die Bedeutung des nachfolgenden Speifuiigswunders hinweist: ,,da das Passa sich naht, giebt Jesus ein Bild des wunderbaren Pafsa, das er seiner Kirche für die Zeit und fiir die Ewigkeit bereitet. (Quesnel.) Und nun sprechen auch alle äußeren Umstände dagegen, daß wir es hier mit Feftpilgerii zu thun haben: I) die Zeit, in welche die Begebenheit fällt, wenigstens wie wir sie in unsrer Chronologie «(S. 134) berechnet haben, denn es war das tim J. 29 aus den 18.——24. April fallende) Ofterfest nun schon so nahe bevotftehend, daß keine Festpilger mehr unterwegs sein konnten; 2) aber auch die Noth, welche die Leute in der Wüste befällt, daß unter der Menge von mehr als 5000 Menschen an Nahrungsmitteln nicht mehr als 5 Brode und 2 Fische vorhanden find, was bei einer Festkaravane, die noch eiuenWeg von mindestens 15 Meilen vor sich hatte, doch geradezu unerklärliih wäre; endlich B) die Muße, welche das Volk hat, zuerst von Kaper- naum aus zu Fuße, also um die Nordfeite des galiläi- schen Meeres herum, Jesu in die Wüste nachzufolgen, und dann, so viel ihrer nach der Spcisung dort zurück- geblieben find, am andern Tage zu Schiffe wieder her- über i1ach Kapernanm zu kommen (Joh. is, 22ff.), was ebenfalls bei Festkaravanein deren Zeit gemessen ist, nicht der Fall gewesen wäre. Wenn wir nun unbedenklich den Tag der Speisung mit Wieseler auf Sonntag, den 14. Nisan (= 17. April) des J. 29 n. Chr. anberaumt haben (s. S. 134), so veranlaßt uns dazu nicht nur die oben schon angeführte Bemerkun in Joh. S, 4., sondern auch die Rede, die Jesus am an ern Tage in der Schule zu Kaperuaum hält (Joh. 6,26 ff.), sowie der Charakter dieses Speisungswnnders selbst; gegenüber dem Gewicht, mit welchem diese Momente in die Wagfchale fallen, müssenalle Gegeugründe ihre Bedeutung verlieren, ja jene Momente tragen in sich selber schon die Aufhebung dieser Gegengründe. Um von letzteren auszugehen, so sind es folgende: l) Es ist ja doch im höchsten Maße unwahrfcheinlich daß Jesus mit seinen Jüngern sich »Über die gesetzliche Vorschrift in 5. Mos. is, 16 so völlig sollte hinwegge- fetzt haben, daß er weder zuni Laubhüttenfest des J. As» noch zum Osterfest des J. 29 nach Jerusalem gekommen wäre, im Gegentheil scheint sein Wort an diese Stadt (Kap. 23, 37): ,,wie oft habe ich deine Kinder versam- meln wollen, wie eine Henne versammelt ihre Klichlein unter ihre Flitgel,« ausdrücklich zu bezeugen, daß er während der Zeit seiner öffentlichen Wirksamkeit kein Fest dafelbst versäumt habe. 2) Noch viel unwahrfcheini licher ist es, daß am Tage des M. Nisan, wo Abends das Passa am Orte des Tempels (5. Mos. 16, 5 f.) gegessen, in den übrigen Ortschaften des Landes aber wenigstens Gottesdienst in den Synagogen gehalten wurde, eine so große Menfcheiimeiige sich zu Jesu sollte ein esunden haben, die der Zahl der Männer allein nach 50 O betrug, zumal gerade die Männer für diese Zeit iii Jerusalem hätten anwesend sein sollen. Z) Schon am Vormittag des vorhin genannten Tages wurde aller Sauerteig aus den Häufern gefchafst, und uamentlich vom Abend an durfte kein Gesäuertes mehr gesehen noch gegessen werden in allen Grenzen Jsraels (5. Mos.16, « f.): woher kämeii also die 5 Brode in V. 17, und wie konnte der HErr Gefäuertes segnen und mehren nnd die übrigen Brocken zu 12 Körben aufheben lassen, ohne geradezu das Gesetz aufzulösen? 4) Endlich durfte am Sabbath, den Aufsätzen der Aeltesten gemäß, nur ein Weg von 2000 Schritten zurückgelegt werden (3. Mos. 19, 37 Anm.), und da nun mit dem Abend des 14. Nifaii der, einem Sabbath gleichstehende erste Ostertag bereits seinen Anfang nahm, so hätte Jesus nicht nur für sich und feine Jünger dies Gebot verletzt, als er diesen über den See nach Kapernaum zurückzu- fahren gebot (V. 22) und gegen Morgen dann selber auf dem Wasser ihnen nachging 25 ff.), sondern auch diejeui en es verletzen lassen, die er aus der Wüste zur Heimkehr entließ (V. 22 f.); wozu noch kommt, daß es ganz unerklärlich bleibt, wie an dem fabbath- lichen l. Ostertag ein solches Hinttber- und Herübers fahren über den See ganz unbefangen, als thäte man uichts UnZesetzliches, vor sich gehen konnte, wie es in Joh. S, 2 ff· erzählt wird. Jn Betreff des ersten Punktes nun wird der HErr in Joh. 7, 1 ausdrücklich entschuldigt: seit der Feindschafy die von Seiten der jüdischen Oberen zu Jerusalem sich in Folge des »Hei- lungstouiiders am Teiche Bethesda gegen ihn entwickelt hatte, so daß diese nicht blos vorübergehend auf Mord- gedanken gerathen waren, sondern von da an dies Ziel fest und beständig im Auge behielten (Joh. 5, 16 u. 18), war ihni der Besuch der heil. Stadt auf so lange ge- radezu verschlossen, bis die Zeit erfüllet war, daß er sollte von hinnen genommen werden. Die Herbeikunft dieser Zeit wird ihm bei seiner Verkläruug kund gethan, 1ind von da ab-— es war um die Zeit des Laubhütten- festes im J. 29, mit dessen Besuch sich der Kreuzestod für Jefum vorbereitete »(Joh. 7, 2 ff) — sehen wir denn auch wirklich ihn sein Angesicht wenden stracks gen Jerusalem zu wandeln (Luk. 9, 31 u. 51); vorher aber dahin zu gehen, wäre für ihn ein Gottversuchen gewesen, und so blieb er unter dem Schutz der milderen Spreu-is, die sich durch den Zwang der äußeren ilmftäiide gebildet hatte (wie es nach Joh. 7, 3 u. il, 56 fcheint, mußte Den HErrn jammert des Volks und er heilet ihre Kranken. 197 einer nicht unbedingt dreimal des Jahres, sondern wenigstens einmal zu den Festen in Jerusalem sich einfinden) vom Laubhüttenfeste des J. 28 und vom Oster- und Pfingftfeste des J. 29 hinweg. Fällt so in die ganze Zeit von fast 1 Jahr 5 Monaten (Ende Mai 28 bis Mitte Oktober 29 n. Chr.) auch nicht ein ein- ziger Besuch der Hauptstadt von Seiten des HErrn, so ist er doch vorher nnd nachher oft und lange genug in Jerusalem gewesen, um am Schluß seiner öffentlichen Wirksamkeit zu der Stadt sagen zu können: ,,ivie oft habe ich deine Kinder versammeln wollen«; abgesehen aber von den Galiläern , welche die Kunde von seinen Worten und Werken zum Laubhitttenfest des J. 28 und zum Ostersest des J. 29 von selber schon nach Jerusalem brachteiy so hat erohne Zweifel zu jenem fFest wenig- stens die Jünger hinausziehen lassen»(vgl. die Zwischen- zeit nach §. 41 auf S. 133), bei diesem aber dieselben an die Feftkaravanen abgeordneh sie niit feiner Heils- botschaft auszuriisten (§. 42 auf S. 134), nnd also die Tochter Zion doch mittelbar zu sich eingeladen, »Wie eine Henne versammelt ihre Kiichleiii unter ihre Flügel« Was den zweiten Punkt betrifft, so wird in V. 14 bei Matthäus so scharf betont, wie dein HErrn des Volks um ihrer Kranken willen gejamniert habe, daß wir darin wohl einen Fingerzeig erblicken dürfen, diese Schaaren nicht für lauter Verächter des Passas und des Tempels, sondern der Mehrzahl nach für solche Leute anzusehen, die theils um der eigenen Gebrechlichkeit willen, theils wegen der Fürsorge für kranke Familien- glieder vom Festbesuch zurückgehalten waren, also, wenn auch aus anderem Grunde, in gleicher Lage mit Jesu nnd seinen Jüngern sich befanden; und wenn nun diese Schaaren aus allen Städten dem HErru in die Wiiste nacheileten und dort bei ihm die Predigt des göttlichen Worts höreten, so haben sie dort gewiß einen noch besseren Gottesdiensi gehalten, als wenn sie in ihre Synagogeii gegangen wären, ja in der wunderbaren Speisung durch den Sohn Gottes, der über’s Jahr als das wahrhaftige Osterlamin geopfert werden sollte, haben sie ugleich einen bessern Passagenuß gehabt, als wenn sie glitten können zu Jerusalem das Pasfa halten. Sie wurden auf das neutestameutliche Passa vorbereitet, während man beim Tempel nur noch vom alttestament- licheu Pasfa aß; und das ist’s auch, woraiif am andern Tage Jesus in der Schule zu Kapernaum hinweist (Joh. c, 26 ff.), wie er denn nichtg lange darnach (Kap. 12, 6 u. 8) auch die Stiftung eines neuen Tempels und eines neuen Sabbathtages andeutet. Gehen wir jetzt zu dem dritten Punkt über, so giebt gerade der Umstand, daß das Volk an einein Tage von Kapernaum ausgebrochen, mit welchem überhaupt aller Vorrath an Gesänerteiii zu Ende ging, und zu einer Zeit am Tage, wo die uugesäuerten Kuchen noch nicht fertig waren, die Erklärung, weshalb bei einer Menge von 5000 Mann schon am Abend dieses Tags nur noch 5 Brode vor- haiiden sind; bei der Geschichte in Kap. 15, 29 ff. stellt sich die Sache anders, denn da sind es 4000 Mann, erst am dritten Ta· e stellt sich der Mangel ein, nnd doch sind da immer no 7 Brode vorräthig Wie hiermit die eine Seite des unter Nr. 3 ausgeführten Vedenkens sich erledigt, so von dem vierten Punkte die andere Seite durch die Erwägung, daß die von Tiberias her- übergekommenen Schiffe in Joh. G, 23 f. jedenfalls er- werbslustigen Schiffsleuten dieser Stadt, die keine Juden waren, angehörten, und daß diejenigen, welche diese Schiffe zur Rückfahrt nach Kapernaum benützten, wohl dieselben gewesen, von welchen Tags zuvor der Anschlag ausgegangen war, Jesiim zum Könige zu machen (Joh. S, 15); wie ihr Zurückbleiben am östlichen Meeresufer, so hing anch ihr jetziges Nachfahreiy um den, der ihnen entschwunden war, aufzufucheiy i1iit jener Absicht zu- sammen, und da ist es denn kein Wunder, wenn sie in ihrer leidenschaftliihen Aufregung an die jiidische Sab- bathsorduung sich iiicht weiter kehren. Ganz anders freilich haben wir Jesu Stellung zu dieser Sabbaths- ordnung und zu den Vorschriften des niosaische1i Ge- setzes uns vorzustellen; wir werden in der folgenden Bemerkung zu erörtern haben, wie er in die ganze Lage, von welcher aus er handelte, ekommen, und da werden auch die andere Seite des dritten und die erste Seite des vierten Punktes alle Schwierigkeit verlieren· VII-V) Es sind die Vormittasstundeu des 14. Nisaii oder des ersten Tages der sü en Probe, an welchem des Abends das Osterlamm beim Heiligthuin gegessen wurde, als der HErr nicht nur seine Jünger wieder bei sich hat und aus ihrem Munde die Nachricht von des Täufers Hinrichtuicg empfängt, sondern auch für diesen Tag um so inehr von zuströmenden Volkshaufen sich bedrängt sieht, je länger man auf seine Rückkunft von der in Kap. 11, 1 angetretenen Wanderung hat warten müssen und je mehr die mit seiner eigenen Winiders macht für die Zeit ihrer Sendung ausgeftatteten Jitnger (Kap. 10, I) aus allen Orten des Landes, wo sie durch- gekouinieiy sozusagen den Extract aller Heils- nnd Hilfs- edürftigen zusammengezogen haben, daß sie nnii den Meister selber aufsuchen, dessen Herrlichkeit aus dem, was die Jünger gethan und gelehrt haben (Mark.6, 30), ihnen offenbar geworden. Es waren das im geist- licheii Sinne des Worts allerdings Osterpilger — sie zogen zu dem geistlichen Tempel, welcher ist Christus, und begehrten das rechte Passa zu genießen, das durch das alttestamentliche Osterlamm nur erst vorbedeutet war. Und merkwürdig! — gerade zu der Zeit, wo so eben der, der als Engel vor dem HErrn hergehen sollte und aiif den alle Propheten und das Gesetz geweissagt haben (Kap. 11, 10 ff.), seinen Lauf vollendet uiid in seinem, voii seinen Jüngern begrabenen Leibe die alt- testamentliche Haushaltnng hatte zu Grabe tragen lassen, da stellen sich diese Tausende ein. Der HErr weiß cinch, daß die neutestamentliche Haushaltung nun wirklich ihren Anfang genommen, daß die Zeit der Vorbereitung jetzt ihr Ende erreicht hat; in der Rede, die er nach Joh. 6, 26 ff. am andern Tage in der Sch1ile zu Kapernaiiin hält, löst er Johaniiis Wort (Kap. Z, 12) ein: ,,er hat seine Wurfschaufel in seiner Hand und wird seine Tenne fegen« —- von dem an, heißt es in Joh· C, 66, ingen seiner Jünger viele hinter sich und wandelten tcsiinfort nicht mehr mit ihm. Aber »der Sohn kann« nichts von ihm selber thun, denn was er siehet den Vater thun« (Joh. 5, 19); und so fährt Jesus nicht stracks zu, daß er schon jetzt mit jenen Volksschaaren sich abgeben wollte, vielmehr thut er, was vorliegt, worauf er zunächst an.- gewiesen ist, und besteigt, um sich in die Stille zurück- zuziehen und sich da deni Vater im Gebet zu einem Opfer zu begeben, die Jünger aber sich erholen und innerlich wieder sammeln zu lassen, ein Schiss und fährt an das aiidere Ufer des Sees hinüber iiach der Wüste voii Bethsaida Doch alsbald erfüllt sich auch Joh. 5, 20: »Der Vater hat den Sohn lieb uiid zeigt ihm alles, was er thut.« Der in Kap. 11, 28 ff. ruft: »kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid ,« siehet von seiner Bergeshöhe aus, wie der Vater alle diese Schauen, die zu Fuße ihm nachgezogen sind, ihm zugeführt hat; nnd da gilt denn als Grundsatz (Joh. 5, 19): »was der Vater thut, das thut gleich auch der Sohn« -— er predigt deui Volk, er heilt ihre Kranken, und als nun darüber der Abend herbeigekoms men und die Jünger ihn iuahnenx ,,laß das Volk voii dir, daß sie hin in die Märkte gehen und ihnen Speise kausen,« weiß er wohl, was er thun will (Joh. G, O. 198 Evangelium Matthäi 14, 15--21. Wenn nun die Speisung der Fünftausend, die Entlassung der Jtinger und des Volks, das durch die Noth der letzteren herbeigeführte Nachwandeln auf dem Wasser alles zumal dem HErrn von feinem himmlischen Vater an das Herz und an die Hand gegeben worden und er damit nichts von ihm selber gethan, sondern nur, was er sah den Vater thun, und wenn dabei die Ordnung des mofciischen Gesetzes und des jüdischen Sabbaths iii etlichen Punkten, wie wir in der vorigen Anm. gesehen, durchbroclyeii worden, ist es da nicht der Vater, der es xetzt absichtlich zum Durchbruch hat kommen lassen? und hängt dieser Durchbruch nicht auf’s Engste zusam- men mit dem jetzt, nach Hingang des Täufers, nun wirklich sich vollziehenden Anbruch der neutestainentlichen Zeit? Wir hören denn auch in Kap.12, 5 u. 8 Jefum ernachdas große Wort sagen: ,,Hie ist der, der auch grbßer ist, denn der Tempel,« und das andere: ,,des Menschen Sohn ist ein Herr auch über den Sabbath;« hier, iii der Wüste bei Bethsaida, hat der Vater selber ihmdie Vollmacht dazu gegeben, und haben wir nun in diesem Entwickelungsgange eine neue Bestätigung da- für, daß der Inhalt von Kalt. 12.u. 13 zeitgeschichtlich später fcillt als der von Kap. l4. Was übrigens die fünf Vrode betrifft, mit denen hernach die Speisung ge- schieht, so hindert nichts an der Annahme, daß diese nicht gesäuerte, sondern ungesäuerte waren, und würden wir? dieser Annahme sogar den Vorzug vor der ersteren ge en. 15. Am Abend aber [als der Tag anfing sich zu neigen Lukz 9, 11., etwa 3 Uhr Nachmittags] traten seine Junger zu ihm lindem sie meinten, sie müßten da, wo der Meister so sehr an das Geistige undHimmlische nur allein denke, daß ihm das Jrdische und Leibliche darüber ganz entschwäiide, rathend »und fiirsorgend eingreisen], nnd sprachen: Dies [hier, wo wir gegenwärtig mit den vielen Tausenden· uns befinden] ist eine Wüste [da sie keine Speise sich beschaffen können], und die Nacht sallt daher [so daß wir auch nicht länger zögern dürfen- ihnen Gelegenheit zu geben, sich anderswo zu versorgen]; laß [also nunmehr] das Volk »von dir, daß sie hin in die [umliegenden] Markte lK0p« 9- 35 Arm« 1] gehen, und ihnen Speise kaufen. 16.« Aber Jesus [der schon wußte, was er thun wollte Joh. S, S» und nun auch die Jünger gern in die Gedanken seiner Weisheit und Liebe eingeführt hätte, wenn sie nur nicht eine noch so uiigläubige und verkehrte Art Kuh. 17, 17 gewesen waren] sprach zn ihnen: Es ist nicht noth, daß sie [der leiblichen Speise wegen] hingeben fvon dem, der ihnen das Größere, die Speise, die da bleibet in das ewige Leben Joh. S, 27., gegeben hat]; gebt ihr fdie ihr Haushalter des Menschen Sohnes seid und in die reichen Schatzkammern eures HErrn nur hineinzugreifen braucht, um von seiner Fülle zu nehmen, was ihr in seinem Dienste nöthig habtsihiien zu essen. Wir haben den Worten des HErrn diejenigen Ge- danken beigefügt, die dabei in ihnen hätten entsteheii müssen, wenn fie nicht noch so unverständig gewesen wären; so aber bleiben sie bei dem bloßen Wortlaut stehen, ohne zwischen den Zeilen zu leseii, und verstehen den Errn itizwiefacher insicht falsch: 1) weil er ge- sagt at·: ,,es ist nicht not , daß sie hingehen,« so müßte wohl bei irgend welchen Leuten in der großen Volks- nienge selber Speise genug zu kaufen sein, daß diese alle essen könnten; und weil er Z) geboten hat: ,,gebt ihr ihiien zu essen,« so sollten sie das baare Geld, das in der von Judas verwalteten gemeinschaftlichen Kasse vor- handen wäre, nehmen und dafür den gesammten Vor- rath aufkaufen, um ihn uneutgeltlich unter das Volk zu vertheilen. Nun ergiebt sich von selber, wie hierauf die Jiinger einestheils im Volke umhergingeii nachzuseheiy wo der angebliche Brodvorrath zu finden sein möchte, und anderntheils bei Judas nachforschten, wie viel Geld die gemeinschaftliche Kasse enthielte. Den letzteren Gang, so scheint es, hatte Philippus besorgt nnd kam eben von der Visitation mit dem Ergebnis; zuriick, daß der Kassen- bestand zwar die ansehnliche Summe von 200 Pfeunigen oder Denaren (2. Mos 30, 13 Anm.), uach unserm Gelde = 50 Thlr., aufwiese, aber daß auch eine solche Summe doch unmöglich hinreiche, um Vrods genug für eine solche Menge Menschen zu kaufen; hätte sie auf das Doppelte sich belaufen, so wäre der Jiinger vielleicht mit freudestrahlendem Gesicht gekommen und das Wort: ,,gebt ihr ihnen zu essen,« hätte ihm kein Bedenken weiter gemacht. Das ist denn der Punkt, wo der HErr seinen Unverstand anfaßt, wenn er in Joh. S, 5 ihm, noch ehe er sein Resultat gemeldet, mit der Frage be- gegnet: ,,wo kaufen wir Brod, daß diese essen?« Er will ihm damit zu bedenken geben: was hilft dir alles Nachsehen in der Kasse? und wenn du dort auch 100 oder 1000 Thlr. vorgefunden hättest, mit Geld kannst du ja doch hier in der Wüste nimmermehr aus-ruhten, was ich euch aufgetragen habe. Philippus aber merkt immer noch nicht, wo der HErr hinaus will, daß er nämlich besser thäte, nach dem Glauben sich umzu- sehen und dessen Bestand zu prüfen; er rechnet immer noch mit dem Gelde und kommt nur soweit, es offen zu bekennen, daß er dainit sich verrechnen muß: »zweihun- dert Pfennig werth Vrods ist nicht genug unter sie, daß ein jeglicher unter ihnen ein wenig nehme« Jn diesem Augenblick, so nehmen wir weiter an, kommt der andere Jünger herbei —- Andreas, der Bruder Simonis Petri (Joh. 6, 8 ff.) —— und meldet das Resultat der Nach- forschung im Volke, welche die übrigen Jünger einst- weilen angestellt uiid damit von einer andern Seite her Bankerott gemacht haben. Sie haben gemeint, das Wort des HErrnt »es ist nicht noth, daß sie hingehen,« fetze einen Vorrath von 5000 Broden voraus (die nur dünnen Brodkucheii der Juden waren nämlich vo1i so mäßiger Größe, daß ein einzelnes Brod nicht weit reichte 1. Sam. 25, 18; 2. S. 16, l; Luk. 1l, 5), und haben doch nur Einen Knaben vorgefunden, der etwas, aber auch nicht mehr als 5 Gerstenbrode und ein wenig Zukost an Fischen, bei sich hatte; und da ist ihnen denn jeder Gedanke an die Möglichkeit einer Speisung hier in der Wüste völlig verschwunden, sie · schließen ihre Rechnung als solche, die allein auf das Sichtbare sehen, nicht auch das Unsichtbare: »was ist das unter so viele?« 17. Sie sprachen [durch den Mund des An- dreas, der Jesu den Befund ihrer Nachforschung meldete]: Wir haben hier nichts, denn fünf Brote und zween Fische swie sollen wir da dem Volke zu essen geben?]. »Der Leute gemeine Rechnung ist: es ist wohl etwas da, aber es langer nicht zu; doch müssen wir auf den Errn sehen, bei dem viel nnd wenig einerlei ist« I. Kön 17, 12 f.; 1. Sam. 14, 6). Speisung der Fünftausend. 18. Und er sprach: Bringet mir sie sBrod und FischeJ her fihr sollt bald inne werden, was auch das Wenige auszurichten vermag, wenn der Segen von oben darauf gelegt worden]. 19. Und er hieß svermittels der Jünger] das Volk sich lagern auf das Gras [in einzelnen Tisch- abtheilungen zu 50 oder 100 Personen Mark. S, 39 f.], Und nahm s·hierauf, nachdem so die Menge des Volks auch ihrer Zahl nach sich vollständig übersehen ließ] die fünf Brode nnd die zween Fische sin seine gebenedeieten Hände], sahe auf gen Him- mel szu seinem Vater Joh. U, 41 f.] und dankeie ssprach eine Lobpreisung darüber, die zugleich zu einem Weihegebet ward, wie hernach beim Abend- mahl Katz. 26, 26 f.; l. Cor. 10, 1SJ, nnd btaelys sdas so gesegnete Brod], Und gab die szum Austheilen in Stücke gebrochenen] Brode den Jün- gern; uiid die Jünger gaben sie dem Volke -s[des- gleichen vertheilten sie auch die zween Fische der- gestalt, daß dieselben für alle hinreichten Mark. e, 41; Joh. s, 11]. 20. Und sie aßen alle szuletzt auch die Jünger selber] Und wurden satt; Und Diese, die Jünger] haben auf, was übrig blieb von Brocken sdiejenigen Brodstückh welche die Leute als ungenossen zurück: gelegt hatten L. Kön. 4, 42 fs.], zwölf Körbe [wie die Juden auf ihren Reisen sie bei sieh zu führen pflegten] boll salso daß der Ueberblieb zwölfmal so groß war als der ursprüngliche Vorrath V. 17., und auch von den Fischen blieb ein verhältniß- mäßiger Ueberschuß Mark. 6, 43]. 21. Die aber gegessen hatten, der war bei fnnftausend Mann, ohne Weiber und Kinder [deren auch eine große Zahl mit zur Stelle gewesen]. Wie dies Speisungswiinder seine Bedeutung hat zu- nächst für den HErrn selber, wurde schon oben mehrsach angedeutet. ,,Sowohl durch den Zeitpunkt, welchen die evangelischen Darstellungen dieser Geschichte anweisen, wie durch die Bedeutung, die sie ihr beilegen, stellen sie gleichmäßig diese Wunderhandlung in das hellste Licht und gleichsam auf jenen höchsten Gipfel des Lebens Christi, bis wohin der verhängnißvolle Weg zum Opfertode zu höherer und höherer Selbstentfaltung führt, um von nun an dem dieser Selbstentfaltung nothwendig folgenden Verhängniß, das in der Tiefe lauert, entgegenzuflihrem (Rauh.) Die symbolische, weissagende Bedeutung des Vorgangs werden wir da- hin zu bestimmen haben, daß Christus, dessen eigentliche Mission die war, ein Heiland für die Seelen zu sein, für die Seinen eine wunderbar nährende geistliche Kraft besitzt, daß er in der Wüste dieses Lebens seine Kirche wunderbar geistlich erhält und versorgt, wobei die äu- ßeren Durchhilsen nicht ausgeschlossen, sondern nur zu einem untergeordneten Momente herabgesetzt sind. (Heng- tenberg.) Das Wunder hat aber auch seine Bedeutung ür die Jitnger und eine Beziehung auf den künftigen Beruf, der sie auszeichneh »Das Ende ihrer Verkün- digung und ihres Wirkens, zu dem Jesus sie in die Welt sendet, wird nur eine Vergrößerung ihrer Arbeit bringen; in großen Haufen wird man sich zu ihnen drängen, und sie werden die Aufgabe haben, diese alle 199 mit dem Brode des Lebens zu speisen. Da sollen sie denn nicht auf ihre unzulängliche Kraft sehen , sondern auf den HErrm der ihnen dieses befohlen hat —— seine Kraft wird sich durch sie ausreichend und ergiebig ge- nug für die Befriedigung der ganzen Welt erweisen; und auch nicht für sich selbst sorgen, als würden sie darüber zu kurz kommen — er selbst wird sorgen, daß ihre selbstverleugnende Dienstleistung gegen die Menge überfließenden Segen für sie selber abwerfe. (Kloster- mann.) Hiernach können wir wegen richtiger Beant- wortung der vielsach schon besprochenen Frage nicht in Zweifel sein, ob die wunderbare Brodvermehrung schon in den Händen Jesu oder erst in denen der austheilens den Apostel vor sich gegangen sei; die segnende Kraft ging allerdings von dem HErrn aus, aber sie ging dann auf seine Werkzeuge über, und während nun in Jesu Händen das Brod sich also mehrere, daß der geringe Vorrath ausreichte, um allen 12 Jüngern die Hände zu ftillen, so oft sie kamen, um nachzuholem was sie be- durften, mehrete sich wiederum in den Händen der Jünger das von dem HErrn Empfangene also, daß ein jeder die ihm zugewiesenen Schichteii des Volks über- reichlich versorgen konnte. In Betreff des Wunders selber bemerkt Augustin: »Ein größeres Wunder ist die Regierung der ganzen Welt, als die Sättigung der fiinftausend Mann mit 5 Broden; und doch wundert über jene sich niemand, über diese aber wundern sich die Leute, nicht weil sie ein größeres, sondern nur weil sie ein seltenes Wunder ift.« · III. V. 22—36. (§. 48.) Wie wir aus Sah. S, 14 f. erfahren, hatte die wunderbare Sneisung auf das Voll: einen ganz außerordentlichen Eindruck gemacht; es er- kannte. in Jefn den iu Z. Was. 18, 18 ff. verheißenen Propheten, seinen zitlefsiam nnd wollte fiel) seiner be- mächtigem um ihn zum König zu machen. So berechtigt auf der einen Seite nun aueh diese Vollisstimmnng war, insofern deg herodeo Grenelthat an Johannen dem Täufer es neuerdings erst wieder zum lebendigen Bewußtsein gebracht, unter wag für einem Regiment Gottes Volk jetzt stehe, uud alfo dar« Verlangen nach jenem Fürsten und Herrscher, von dem das prophctifche Wort redet Gier. W, 5 f.; 30, 8 f. 21), nur um fo mächtiger an- geregt hatte, so fehlgreifend nnd gefnhrdrohend war sie doch auf der andern Seite; der HGrr trifft daher seine Maßnahmen, sieh der Volligmenge zu entziehen und in die Stille znrucnzutreten zum Gebet, aber auih seine Sliinger dem Volliogeiste zu enträclieu nnd fie tiefer in die Grlienniniß seiner Verfon und seines iheilaudgwerlii einzuführen. Vier; geschieht nun in der folgenden Ge- schichte von der dloth der Sänger auf dem Meer W. 22 —24), von dem Wandeln Jefn auf dein Wasser (V. 25 —27) und von Petri Kommen zn dein Meister (V. 28 ——31); die Jiinger erliemien nun, wao ihnen bis daher immer noch ein Geheimnis gewesen, wen sie in Iefu eigentlich vor sieh haben. In jener uuerhörten Seine· cliensnacht ist ihnen dag Wicht aufgegangen, daß ihr Ghrislug mehr ifi als der Meffiaz wie ihr Voll: ihn er- wartete, bei aller Größe und Herrlichkeit doch nur ein Mensch von Menschen, daß er ist des lebendigen Gottes Sohn, der Giugeboreue vom Vater, voller Gnade nnd Wahrheit; und nachdem sie ihn nach feiner Aufnahme in das Saiiff dafür bekannt nnd bald darauf glücklich im Lande Genezarelh an’ø llfee getreten sind (V. 3L—34), ziehen sie mit dem, dessen Gnade und Wahrheit sich immer tiefer ihnen etndrärleeii soll, durch dafselbige Land und sehen da, wie auch seines Kleides Saum, deaer den dlngefnnden zum Jlnrfihreu frei giebt, zum Bann! für die von ihm ausgehenden Segengströnie wird (V. 35 u. 36). Vgl. Mark. 6, 45———56; Seh. s, 14—2l. 200 Evangelium Matthäi 14, 22——27. 22. Und alsbald trieb Jesus feine Jimger [die es lieber gesehen, wenn ihr Meister sich Jan das Vorhaben des Volks Joh. S, 15 hingegeben hätte, und es gar nicht begreifen konnten, warum er diese ,, edle Begeisterungti gleich in ihrem Aiif- flammen ersiicke], daß sie m das Schiff [auf wel- chem sie vorhin von jenseit des Sees gekommen V. 13] traten nnd vor ihm heruber swieder an daswestliche Ufer, nnd zwar gen Vethsaida bei Kapernaum Mark. S, 453 Joh. 6, 17] fuhren, bis er das Volk von sich ließe fund seiner Zeit ihnen nachkäme]. - » 23. Und da er das Volk von sich gelassen fes verabschiedeh ihm Lebewohl gesagt] hatte, stieg er auf einen Berg sam ösilichen Ufer] allein sin die Einsamkeit sich zuriickziehendL das; er betete. Und am Abend lnach Sonnenuntergang, etwa von 6 Uhr an —- im Gegensatz zu dem Frühabend von 3—6 Uhr in V. 15] war er alleine daselbst [und lag nun wohl bei neun Stunden im Gebet vor Gott]. Von dem Eindruck, den die That des HErrn im vorigen Abfchnitt auf das Gemüth des Volks gemacht hat, von dem Erstaunen, das sie erregt, von der lauten oder stillen Bewunderung, die sie unter der Menge ge- funden, erzählt Matthäits gar nichts; aber erläßt uns bei dieser Gelegenheit einen Blick in die Seele und in das verborgene Leben Jefu Christi thun, der uns nicht nur an und ftir sich, oder insofern uns Jesus Christus selbst das Wiihtigste ist, höchst werth sein muß, sondern auch in hohem Maße lehrreich für uns sein kann. Kaum hat er sein Werk vollendet, das ermattete und hungernde Volk gelabet und gesättigt, so befiehlt er sei- uen Jüngern, daß sie das Schiss besteigen und über das galiläische Meer zurückfahreii ohne ihn; er wolle erst das Volk entlassen und dann nachkommem ohne sich über die Art und Weise, wie, näher zu erklären und mit einein Ausdruck, der desfalls alle unnöthige Fragen vernichtete. Jm ersten Augenblick also, ohne allen Ver- Zug, entfernt er diejenigen, die der großen That am nächsten standen, die ihre stille Herrlichkeit von Anfang an am unmittelbarsten wahrgenommen hatten und am tiefsten mit Erstaunen darüber und mit Ehrerbietung und Bewunderung gegen ihn dadurch erfüllt sein muß- ten; er läßt sie nicht dazu kommen, daß sie das oder irgend ein Lob mit einem Worte gegen ihn aussprechen können, und gestattet es ihnen auch nicht, in dieser Ge- müthsftimmung in seiner Gegenwart oder Nähe seinet- halben zu dem Volke zu reden. Jm Schiff, unter sich, im vertrauten, brliderlichen Kreise, da mochten sie nun die Gedanken und Empfindungen, die diese ganze Be- gebenheit in ihnen erregt hatte, gegen einander aus- sprechem Als die Jünger sich entfernt hatten, eutließ Jesus auch das Volk, dem Volkslobe, dem Anstaunen und der Bewunderung der Menge sich entziehend, wie er auch im Kreise der Freunde, der Vertrauten keine Ehre gefucht und genommen hatte. Das Volk war hier sich selbst und seinem eigenen Gefühl und Urtheil über- lassen; seine Pharisäer und Sadducäer waren nicht mit in die Wüste hinausgewandelt und konnten es also hier nicht hofmeistern und mit Vorurtheil einnehmen und die Eindrücke der Worte und Thaten Jesn durch So- phisterei auf der Stelle vernichteiy wie sie so oft thaten. Diese That des HErru aber hatte einen tieferen Ein- druck auf des Volkes Gemiith gemacht, als alles, was es bis dahin von ihm gesehen und gehört hatte. Diese Fünftausend hatten nur Ein Gefühl und Ein Urtheil: »das ist wahrlich der Prophet, der in die Welt kommen soll« (Joh. 6, 14), wobei sie ohne Zweifel an 5. Mos. 18, 18 f. dachten, und so entstand in ihnen der Gedanke, sich feiner Person zu bemächtigen, ihn als im Triumph zurückzuführen und in Galiläa zum König auszurufetu da sie darauf rechnen konnten, daß sich aus diesem Zuge in jedem Dorfe und jeder Stadt die größere Menge anfchließen und er um viele Tausend gewachsen sein werde, ehe sie, was unfehlbar in ihrem Plane lag, den König Jsraels in die heil. Stadt Jerusalem feierlich und srohlockend einführen würden. Hätte Jesus etwas Jrdifches und Weltliches gewollt, so wäre es Zeit ge- wesen, die Stiinmung dieser im höchsten Maße als mit Begeisterung für ihn eingenommene Menge zur Aus- führung seines Planes zu benutzen. Aber einen folchen Plan hatte er nicht, wollte weder Ehre, noch Reich, noch Macht von dieser Welt, haßte alles, was aufRevolution im willkürlichen und leidenfchaftlicheii Sinne dieser Welt hinaus-lief; und so gab er ihr keine Nahrung, mochte sich auch nicht mit eitlem Wohlgefallen an sich selbst, das seiner Seele fremd war, an dieser Bewunderung, an dieser mehr auf Gefühl als lleberzeiicgung gegründeten Anerkennung seiner Person ergötzein r entfernte sich ohne alles Zögern, indem er den einsamen Gipfel eines Berges erftieg. Jn dieser Einsamkeit der Welt ent- gangen, wie über die Welt» erhoben, sich selbst über- lassen, läßt er auch sich selbst, weilt nicht bei sich selbst, stehet nicht bei dem, was er gethan und gewirkt, was ihm Großes und Herrliches gelungen ist, mit Wohlge- falleu und Bewunderung als an dem Eignen still: er betet, wie sonst überall, so auch jetzt an weltlichem Lob, an menschlicher Liebe nicht hangend, einzig und allezeit nur in Gottes Wohlgefallen, in Gottes Liebe -seines Herzens Ruhe und Freude findend. Dankend, betend vergißt er die Welt, und er ist und bleibt .in dem Innersten seines Wesens allein zu dem hingerichtet, von dem ihm jedes Licht und jede Kraft kommt, den allein er mit allen Worten und Thaten seines Lebens zu verherrlichen suchte und von dem er mit Glauben und Demuth, nicht auf dem Wege der Lobpreisung und des Jubels, sondern auf den Wegen der Nacht und des Todes seine Erhöhung zu ewigem Lichte und ewigem Leben erwartete, und bewahrt so die reine Seele rein von jedem Gedanken weltlicher Ehrfucht und eitlen Wohlgefallens an sich selbst. Willst du zu diesem Ab- schnitt noch eine besondere sog. Anwendung, du erbau- ungsbegieriger Leser? Wohlaiy gehe hin und thue des- gleichenl Thue das auch, was Jesus that, und thue es in feiner Weise und in seinem Sinne (Jes. 58, 7), und thue das so still, so verschwiegen, so verborgen, als es nur immerhin geschehen mag. Läßt dir Gott das Gute gelingen, verleihet er dir, daß du hie und da im Leben etwas Vorzügliches ja etwas Großes bestehesy begiunesy vollendest, so habe du die Freude der Demuth, des Glaubens und der Liebe, nnd gieb ihm den Dank und die Ehre, und entziehe dich der Verehrung der Menschen; suche zu entgehen dem Lobe der Welt und den eitlen, felbstgefälligen, schmeichelnden Gedanken des eignen selbstsijchtigen Herzens! (Menken.) 24. Und das Schiff sdas die Fahrt über den nur anderthalb Meilen breiten See Kap. 4, 25 Blum. leicht in 3 St. bis Abends 9 Uhr hätte zu: rücklegen können] war sauch zwischen 7 u. 8 Uhr] schon mitten auf dem Meer sals dieses auf einmal von einem gewaltigen Sturm aufgeregt wurde, so daß statt der Segel nun die Ruder gebraucht werden Noth der Jünger im Seesturnn 201 mußten], und [doch kam das Schifs trotz aller An: sirenguiig der Rnderer in den folgenden 7—-8 Stunden nicht weiter über die Mitte des Sees hinausals etwa Es« M. Joh. S, 19: es] litt Noth von den Wellen; denn der Wind war ihiien zuwider [und thürmte die Wellen ihrem Fahrzeug entgegen, daß sie, indem ihre Kräfte sie bereits verließen, nicht wußten, wie sie die noch übrigen IX« MeiL bis an’s Land bewältigen folltens 25. Aber in der vierten Nachtwache szivischen 3 u: S« Uhr Morgens Mark. 13, 35 Anm.] kam Jesus sder die Noth der Jiinger vom Berge aus wohl bemerkt hatte] zu ihnen [in der Richtung auf das Schiff zu, jedoch als wollte er an demselben vorbeigehen Mark. S, 48 f«1, und ging ans dem Meer [wie auf trockenem Lande einherwandelnd]. 26. Und da ihn die Jiinger sahen auf dem Meer gehen szwar eine wandelnde Gestalt bemer- kend, aber nicht ahnend, wer es sei, vielmehr auf ganz falsche Gedanken verfallend, wie sie dem Menschen nahe liegen, wenn nicht der Geist Gottes sein ganzes Herz erfüllt und über den äußeren Schein der Dinge emporhebt], erschraken sie und sprachen [untereinander]: Es ist ein Gespenst [Mark. 6, 49 Anm.", das uns ein Willkommen aus dem Todtenreich zuruft und unsern nun un- vermeidlichen Untergang in den Wellen bedeutet], und schrieen staut auf] vor Fnrcht 27. Aber alsbald sum sich sofort schon an dem Klang seiner Stimme kenntlich zu machen] redete Jesus mit ihnen, und sprnch kzugleich durch das, was er sagte, ihre» Herzen beschwichtigend]: Seid getrost, ich binsz furchtet euch nicht fes soll euch ja kein Leid widerfahren, sondern nur eine neue Glaubensstärkung zu Theil werden]. Eine doppelt schwere Anfechtung für die Jiiugerl Als das Volk Jefum zum König machen wollte, mochte es ihnen scheinen, nun habe der HErr seinen Zweck und sein Ziel erreicht, nnn werde ihm ja die Ehre gegeben, die ihm gebühre; und als der HErr diese, auch für ihn vorhandene Verfuchung, ohne sich irgendwie von ihr be- irren zu lassen, von sich wies, da mochten die Jünger verftimmt genug sein, daß Jesus ihrer Meinung nach so sein Gltick von sich gewiesen habe, anstatt die Gelegen- heit beim Schopf zu fassen. Nun kam noch zu der in- neren Verstinimung die äußere Noth des Sturmes. Diese ihre Doppelnoth sah der HErr und wollte ihnen nun zeigen, daß er seinen Weg wandele, daß er Wege wisse und habe, wo sie keine hätten, und Wege wandelt» die der uatürlichen Vernunft unmöglich nnd widersinnig erscheiiien. Der HErr der Natur schritt festen Trittcs über die empörten Wellen dahin, er bedurfte keines Stützpnnktes; er, das Centrum der Creatur, hatte fei- nen Schwerpunkt in sich. Wenn er fiir gewöhnlich der Attraction (Anziehungskraft) der physifchen Welt sich hingab, so stand dies im Wechseloerhältniß zu der in feiner Meufchwerdung gefetzten Selbftentäußerung es war ein Wunder feiner Liebe: hier, wo er auf dem See wandelte, ließ er für eine Zeitlang lediglich die natürliche Ordnung, d. h. die Ordnung seiner höheren Natur, wie- der durchbrechen. (Ebrard.) Es ist also dieses Wandeln auf dem Meer nicht aufzufassen als ein magifcher Vor- gang mit Christo selbst, wie wenn ihm eine fremde Kraft erfaßt und getragen hätte, sondern als Willensäußerung seiner selbst, als Anwendung einer ihm angehörendeu Kraft. Daß er von derselben selten Gebrauch macht, hatte darin feinen Grund, daß der Erlöfer nie Wunder that, um sie zu thun, sondern um dadurch zu nützen; und so war auch diese Offenbarung seiner verborgenen Herrlichkeit berechnet auf die Ausbildung feiner Jiinger -im Glauben. Sie sahen mehr und mehr, mit wem sie zu thun hatten, und erkannten, daß er sei die Offenba- rimg des verborgenen Vaters (Kap schen Messiasvorstellungen verklärten sich mehr und mehr in seinem Licht, die altteftamentlichen Schildernngen der Herrlichkeit Jehovcks (Hiob 9, 8) stellten sich in Jesu Leben ihnen in lebendiger Wirklichkeit vor Augen. (Olshaufen.) Hatten etwa die Jünger bei jener Selbst« verleugnung Jesu (Ioh. 6,15) in ihrem Herzen gefragt, ob er denn nicht wolle König sein? so autwortet er ihnen durch die That: ja freilich ein Köni , eiu hoch- geborner Herr auch tiber die Elemente. ( iggeiibachh Das Volk wird vielfach in der Schrift mit dem wogen- den Meer verglichen (Ps. 46; Dan. 7, Z; Offb. 13, 1). Christus hatte nun so eben den wogenden Wassersturm auf dem Lande beschwichtigt, während ihm die Jünger zu erliegen drohten, weshalb er sie schnell fortschaffte; jetzt niijssen sie dieselbe Scene noch einmal im Bilde er- lebenyJesus beherrfcht die Wogen des See’s, wie die Wogen des Volks, und dereinst des Völkermeers, den Apofteln aber machen sie Noth. (P. Lange.) Die Zeit der Ankunft Jesu wird von Matthäus und Markus näher angegeben: Jesus kam zu den Jüngern auf das Meer um die vierte nnd letzte Nachtwache, also beim Anbruche des Morgens; so lange hatte Jesus im Gebet zugebracht, die Jlinger in schwerer Arbeit, Noth und Angst. Es war dieselbe Nachtwciche, welche in Z. Mof. 14, 24 als die Nachtwache des Morgens bezeichnet wird; dieselbe Zeit, da einst der HErr blickte in der Wolken- und Feuersäule und verwirrte das Lager der Eghptey also daß Egypten sprach: »ich will fliehen vor Israel, denn der Err streitet wider sie gegen E hpten«; die Zeit, da die asfer zurückkehrten und die osse und Reiter bedeckten im ganzen Heere Pharaos Es ist der Shmbolik des ganzen Vorganges angemessen, daß die Noth die ganze Nacht hindurch währt, die Errettung mit dem Anbruche des Morgens eintritt, welcher das natürliche Abbild des Heiles ist, wie es ja auch bei der Thatsache der Urzeit nicht zufällig ist, daß das Meer gerade bei Anbruch des Morgens zurltckkehrte, nicht zufällig auch, daß die Auferstehung Christi, dies große Vorbild aller Heilsspendungen an die Kirche, gerade in der Frühe des Morgens erfolgte und also der Kirche Anlaß gegeben wurde zu singen (Friihmorgens, da die Sonn —- . 2): »Wenn ich des Nachts oft lieg in Noth, verschlossen . gleich als wär ich todt, läßt du mir früh die Gnaden- fonn aufgehn, nach Trauern Freud und Wonn.« Aus derselben Symbolik ruht es, wenn David singt (Pf. 30, 6): »Den Abend lang währet das Weinen, aber des Morgens die Freude«, und wenn die Kinder Korah von Zion sagen (Pf. 46, 6): »Gott hilft ihr frühe« (bei des Morgens Anbruch). Die Jiinger fürchteten sich, da sie Jesnm auf dem Meer einhergehen und nahe bei das Schiff kommen sahen; sie hielten ihn für ein Gespenst, Gespenster aber wurden fiir Vorboten des bevorstehenden Untergangs gehalten. Es ist bedeutsany daß die Jünger- anfangs Christum verkannteiu daß sie denjenigen für den Boten des Verderbens hielten, der aller ihrer Noth ein Ende zu macheu kam; es erinnert uns das, daß unser Aiige gar kurzsichtig ist, daß wir oft die Erscheinungen nicht mit dem richtigen Maßstabe messen, daß unser Heiland rnanchmal in seltsamer Verkleidnng auftritt, daß .16, 16); ihre jüdi- — 202 Evangelium Matthäi 14 , 28—31. gerade die Thatsachen, welche den unmittelbaren Unter- ·ang vor Augen zu stellen scheinen, nicht selten Vor- hoten des beginnenden Heiles sind, daß wir also mit dem Schreien vor Furcht behutsam sein müssen. Geng- stenberg.) Wenn P. Lange die Geschichte vom Wandeln Christi auf dem See als ein Vorspiel der-Passtons- und Osterzeit darstellt: ,,1) Christus durchs? Volk von den Jüngern geschieden, Z) am jenseitigen Ufer in der Nacht verschwundem Z) die Jiinger, von ihm verschlagen, ringend in höchster Noth; 4) Christi wunderbare Er- scheinung — Furcht und Freude,« so haben wir diesen Andeutungen nach hinzuzufügen, daß, da nach unsrer chronologischen Berechnung die Speisung der ünftausend auf den 14. Nisan (Sonntag, den 17. April des J. 29 fällt, die Geschichte der hier beschriebenen Nacht auch zeitgeschichtlich ein Vorspiel der Leidensnacht vom grünen Donnerstag zum Charfreitag (14.-—15.Nisan oder 6.—7. April des J. 80 v. Chr.) ist; die folgende Geschichte wird dann insbesondere noch ein Vorspiel von Petri Verhalten in der Leidensnachh von seinem anfäng- lich so hohen Muth und seinem nachherigen tiefen Fall, von dem aber des HErrn Guadenhand ihn wieder auf- richtetr. Wir gehen zu derselben iiber mit dem Gebet (Wer ist wohl wie du — V. 12): »Wenn der Wellen Macht in der trüben Nacht will des Herzens Schifflein decken, wollst du deine Hand ausstrecken; habe auf mich Acht, Hüter in der Nacht« 28. Petrus aber sohne viel zu denken oder zu fragen, dem ersien Eindruck schnell folgend und dem, der als den HErrn vom Himmel sich hier aufs Neue so herrlich bekunden, mit ungestümer Hingebung huldigend] antwortete ihm sdurch die Nacht und den Sturm und das Getöse der Wogen hindurch] und sprach: HErr, bist du es, so heiß niich zu dir kommen auf dem Wasser knicht als habe er Christi Wort auf die Probe stellen wollen und erst noch ein Zeichen von ihm begehrt, ob er es auch wirklich sei, sondern es überwältigte ihn jenes Gefühl: Pf. 18, 30; Phil. 4, 133 vergl. Luk. Z, 5]. « 29. Und er [der HErr, dem aus Glauben hervorgegangenen Verlangen des Jüngers entspre- chend, weil es galt, diesen Glauben« erst noch zu läutern und zu erziehen] sprach: Komm her sauf daß du sehest, wie alle Dinge sind möglich dem, der da glaubet Mark. 9, 23]. Und Petrus lzum Erstaunen der übrigen Jungen die es vielleicht für vermessen hielten, sich zu einer solchen Glaubens: probe selber anzubieten] trat aus dem Schiff und ging auf dem Wasser sdas auch wirklich sofort ihn trug, als er seinen Fuß auf dasselbe setzte, wie einst umgekehrt es sich theilete, als die Priester ihre Füße in das Wasser tunkten Jos. Z, 15 f.], daß er zu Jesu kame sder auch seinerseits ihm ent- gegenschritts · Feurig und lebhaft, voll brünstiger Liebe zum HErrn, kann Petrus den Augenblick nicht abwarten, der ihn in seine Nähe bringen wird; er eilt ihm entgegen in kühn- stem Muth (vgl. .Joh. 21, 7 ff.). Wie Johannes der Jünger heißt, den der HErr liebte, so könnte man von Petrus sagen, er liebte den Errn; d. h. wie in Jo- hannes die Empfänglichkeit größer war und die Tiefe, so zeichnete sich Petrus durch Aktivität und Kraft aus. Da indessen diese Liebeskrash womit er den Erlöser um- klammerte, noch nicht gelöst von der Eigenheit war, so führte sie ihn auch gerade wieder in Jrrthümer der verschiedensten Art; die voreilige Hitze bringt ihn auch hier zu Fall. Die ganze kleine Erzählung ist ein reiches Bild des inneren Lebens, ein Coinmentar zu dem prophet. Wort Jer. 17, 9: ,,des Menschen Herz ist ein trotzig und verzagt Ding« (Olshausen.) Das Raschsein zum Glauben, verbunden mit dem Vordrängen seiner Person, zeichnet dnrchaus den Petrus, wie wir ihn ken- nen; aber wenn es ein Vorwitz ist ohne Zweck, daß Petrus solches begehrt, wie kommt es, daß der HErr ihm das ungehörige Verlangen erfüllt? Die Antwort ist, daß der HErr eben gnädiger urtheilt als wir, daß er über das, was uns tadelnswerth scheint, für’s Erste hinwegsiehn Und war1im thut er das? weil ihn auch in der verkehrten Aenßerung der Glaube freut; weil es ihn freut, daß Petrus ihm gleich werden niöchte, und doch nur seine, des HErrn Jesu Kraft es ist, welcher er das Größte zutraut. Dies Vertrauen läßt Jesus nicht zu Schanden werden, und erspart ihm doch nicht die nöthige Demiithigung; er läßt den Menschen seinen Willen haben, daß er erfahre, wie weit er gelange, aber auch in der Züchtigung läßt er doch den Funken von Glauben nimmermehr zu Grunde gehen. Petrus muß erfahren, was er könnte, und was er doch nicht kann, weil sein Herz noch nicht in gründlichem, geduldigem Glauben fest geworden. Was übrigens das Wunder selber betrifft, so müssen wir das Verständniß von innen heraus zu gewinnen suchen. Und da läßt sich in Be- ziehung auf Jesu Wandeln auf dem Meer fragen: ist etwa das Wunder kleiner, wie der HErr über den Wogen der menschlichen Sünde wandelt, ohne daß ihn ihr Wirbel herunterzieht? Und wenn wir be ehren, über dem Meer von Versuchung, Sünde und weifel emporgehoben und getragen zu werden, wer hält uns anders, als eben der HErr? Wir selber können uns nicht aus diesem Sumpfe ziehen, wir bedürfen eines wirklichen Helfers Giebt es aber nicht eine Erfahrung von dem, was man durch den Glauben an den wirk- lichen Christus für einen Geist bekommt, den man ohne ihn nicht hat, noch gewinnt? Wer es erlebt, der hat in diesem Erlebnis; die Gewißheit, daß der lebendige HErr ein Erlöser ist, dem nicht die Menschen Bedeut- sames nur angedichtet haben, dessen Thaten vielmehr als wirklich geschehene von hoher Bedeutung sind; und wie er selber die wilden Wasser unter seinem Fuße hat, so kann er auch den Gläubigen geben zu wandeln, wie er wandelte. Auf sein Geheißkönnen sie schreiten, wo sonst kein Boden wäre; ja, der Christ kann, was sein Meister, so lange er den ungetheilten Blick auf ihn rich- tet; es ist ein rechter Trieb, daß er nichts Geringeres begehrt als zu werden, was sein HErr ist. Der HErr hat Wohlgefallen daran, daß er sich mit nichts Kleinerem als mit dem Kühnsten zufrieden giebt, obwohl er ihn nur durch manche Demüthigung zu dieser Höhe heran- ziehen kann. (Riggenbach.) 30. Er sahe aber [da er so eine Strecke auf dem Wasser gewandelt und dem HErrn schon ziemlich nahe gekommen war] einen starken Wind [genauer: den gewaltigen Wind —- denn unmit- telbar auf dem bewegten Elemente selbst, als der Wind die hohen Wogen wieder einmal in ihrer ganzen Furchtbarkeit heranwälzte, nahm sich die Sache doch noch anders aus, als vorhin im Schiff drinnen]. · Da erschrak er sdaß die Glaubensge- meinschaft mit dem HErrn, die ihn bisher über Jesu Wandeln auf dem Wasser und Errettung Petri. 203 dem Wasser erhalten hatte, in seiner Seele zurück- gedrängt oder doch seinem Bewußtsein verdunkelt ward] und hub [in Folge dessen] an zti sinken,- schtie [in der Todesangst« die ihn da ergriff] Und sprach: HEry hilf mir sdaß ich nicht verderbe] 31. Jesus aber reclte bald fihm sofort zur Hilfe kommend] die Hand aus und ergriff ihn sdaß er wieder aufrecht dastund] Und sprach [erst jetzt ihm die für sein Erschrecken verdiente Rüge er- theilend]: O du sbei allem muthigeii Glauben doch immer nochl Kleingliiubigen warum zweifeltest du? [Hat, wer schon auf dem Meere zu mir kommt, noch den Wind anzusehen und zu fürchten, als könne der ihm noch etwas anhaben?] Außer dem Schiffe, auf dem Meer, als eben der Wind lauter brausend, heftiger daher stürnite, fühlte Petrus erst das Große, das Uebermenschliche des Schrit- tes, den er gethan hatte; fühlte, wenn ich so sagen mag, daß er mit seinem Glauben aus dem Yienfchlichen in das Göttliche hinüber getreten sei, daß er aber das nur auf Angenblicke zu thun vermocht habe und stch nun in dieser göttlichen Weise, Kraft, Ruhe und Herrschaft nicht als in der Weise eines gewohnten eignen Lebens er- halten könne. Der Glaube an die Macht Gottes, den er hatte, als Jesus sprach: »Ich bin est« und als er antwortete: »Bist du es,«so heiße mich zu dir kommen auf dem Waffen« blieb nicht so klar, so tief und mäch- tig in ihm, daß, als er sich nun vom Winde bedrohet und dabei von allem Menschlichen verlassen sah, dieser Glaube das stnnliche Gefühl überwogem ihn über alle urcht erhoben und mitten im Aufruhr der empörten atur völlig ruhig hätte sein lassen. -— Es kann Leiden in unserm Leben geben, also heiß, also dunkel und er- schrecklich, daß wir eben so leicht ohne Furcht und Zweifel aus empörtem Meere wandeln könnten, wie ohne rschrecken und Angst, ohne Zagen und Geschrei solche Leiden bestehen. Wir denken, wir müssen Versinken, und indem wir das denken, sinken wir wirklich; wir wandeln nicht, wir ringen mit den Wellen; wir sind von Nacht bedeckt, vom Sturme umdrängt, sehen dem Untergange mit jedem Athemzuge entgegen und können, wenn wir uns matt geschrieen haben, nur noch seufzen. Da hat, unsern Glauben zu strafen, daß er so klein ist, nur allein der das Recht, der unsichtbar erbarmend die rettende Hand über uns hält und im dunkelsten und heißesteu Augenblicke, wo es daran ist, daß wir Versinken, sie uns entgegenstrecktz daß wir sie fassen können. Wehe dem Sünder, der dann mit kaltem Herzen und mit weiser Miene höhnend fragen will: Wo ist nun dein Glaube? Wer in solchen Leiden unbefugten, herzlosen Fragen Antwort geben möchte, der könnte sagen: Mein Glaube ist in meiner Seele und in der großen That meines Duldens und meines Geschreis und meines um Hilfe jammernden Seufzen-s, ja selbst in meinem Sinken ist er; denn du an meiner Stelle wärest längst von den Wellen verschlungen und wärest versunken, ohne daß dn auch nur ein »HErr, hilf mit-l« sterbend in lebendigem Glauben hättest rufen können. Sei erst gläubig, und wandle und leide im Glauben, ehe du des Glaubens Nacht und Noth, Kampf und Sie beurtheilen wollest. gllienkend Christus rechnet die chuld schlechterdings etro, nicht deni Meer oder dem Winde zu; denn er spricht nicht: du Meer oder Ungestüm, warum hast du das gethan? sondern: du Petre, warum hast du ge- zweifelt? Das Meer ist entschuldigt; denn es hat ge- than, was s eine Natur mit sich bringt, und du hast gelitten, was deine Natur mit sich brachte. Hättest du stark geglaubt und deine Natur abgeleget, so hätte das Meer auch seine Natur abgelegt und wärest ein. Treter des Meeres gewesen und auch geblieben, und das Meer wäre dir ein Erdreich und ein fester Fels gewesen und auch geblieben. Zweifel und Glaube ändern alles: der Glaube macht das Meer wie einen trockenen Weg, Zweifeln aber verwandelt den ehemals trockenen Weg Petri wieder in das gewöhnliche Meer. — Der Papst hat unter dem Meer die Obrigkeiten und die Kirchen verstehen wolleii, auf denen allen er mit Füßen treten will, wie Petrus auf dem Meere; allein das Meer bedeutet nicht solche göttliche Ordnungen, sondern (wenn man ja eine Allegorie daraus niachen will) die Sünden, die Wellen der Versuchungem den Tod, den Teufel re. Diese Ungeheuer, nicht aber seine allerbesten Creaturen, tritt Christus mit Füßen. (Luther.) Wir haben nun schon lange ans dem Meere des Lebens geschiffh mannigfaltig und verschieden sind unsere Schick- sale, unsere Erfahrungen gewesen, bald heiterer Himmel und Sonnenschein, und dann Ungewitter nnd Sturm; aber das Schiff ist noch unversehrt, unsere Lust an der Fahrt hat nicht abgenommen, und es scheint auch, diese werde nicht sobald ein Ende finden, da, so weit die Augen reichen, noch kein Ufer sich zeigt. Aber siehe, da wandelt eine Gestalt neben dem Schiffe: wohin es sich auch wende, immer ist sie da; sie hat etwas Un- heimliches, wovor uns bange wird. Sie ist groß und erhaben, und ein Schimmer geht von ihr aus, der aber durch die Wolken, welche sie vom Haupt bis zu den güßen umhüllen, gedämpft wird. Sie nahet dein chiffe, sie winkt: da steigt Einer hinaus, denn es ist unmöglich, dem Winke nicht zu folgen — wir begleiten ihn eine Zeitlang mit unsern Augen, aber dann ist er plötzlich im Dunkel verschwundem Noch Einer! —— so werden wir ja bald alle, welche mit uns die Fahrt be- gonnen hatten, verlieren; dann wird die Reihe auch an uns kommen, er wird auch uns winken — wer wird uns winken? nun, wer anders als der Tod! Und was ist der Tod? — ein Gespenst! In der That denken die Menschen unter dem Tode sich etwas Gespenstisches: wie sollten sie nicht? sie verweilen ja nur bei den Er- scheinuugen, welche das Auge wahrnehmen, welche der irdische Sinn sich vorstellen kann, bei diesem Erlöschen der Augen, diesem Ausbleiben des Athems, diesem Er- starren der Glieder, dieser eisigen Kälte, welche sie durchziehh bei dieser traurigen Auflösung, wodurch das, was Erde war, wieder in Erde verwandelt wird, bei diesem dunkeln Grabe, worin man es versenkt, bei den Schmerzen, welche in dem Sterbenden selbst deni Tode vorangehen, bei denen, welche er in den Hinterbliebenen erregt. In diesen Vorstellungen arbeitet die Einbü- dungskraftz sie schafset daraus etwas Persönliches, eine Gestalt, und diese ist dann in der That etwas so Un- heimliches, daß man es wohl für ein Gespenst halten und aus Furcht davor aufschreieu möchte. —- Doch ,,alsobald redete Jesus mit ihnen und sprach: Seid ge- trost, ich bin es; fürchtet euch nichtl« Nicht ein Ge- spenst, nicht den Tod sollt ihr im Tode, ihr sollt mich selbst darin sehen. Seid ihr nicht durch mich erschaffen? wird euch nicht Athem und Leben durch mich erhalten? bin ich euch nicht so nahe, daß ihr in mir lebt und webt? bin ich es nicht, der ich bis hieher unter Sturm und Soiinenschein eure Fahrt gelenkt habe? Nein, mein Wort, das Leib und Seele durch Unsichtbare Bande verknüpfte, trennt sie auch wieder; meine Hand ist es, welche die Seele aufnimmt und sie schwebend erhält über dem Abgrund des Nichts, aus welchem ich sie hervorzog und in den ich sie nicht zurücksinken lasse; denn ich bin die Auferstehung nnd das Leben, ich bin der Feind des 204 Evangelium Matthäi 14, 32--—36. Todes und überlasse ihm 1iichts von dem, was mir ge- . hört. Alles bewahre ich und führe es, auch wenn es zerstört scheinen sollte, einem höheren Leben entgegen: alle, die in den Gräbern schlafen, werden meine Stimme hören und daraus hervorgehen Wenn ihr sie also jetzt vernehmet, meine Stimme, wenn ich zu euch spreche: ,,Kommt her ,« um euch aus dem irdischen Leben abzu- rufen, so ertöne sie euch sanft, wie die Stimme des Freundes, der den Freund, wie die Stiinme des älteren Bruders, der den jüngeren in das Haus des Vaters, wie die Stimme des Hirten, der das Schaf in die sichere Hürde ruft. »Seid getrost, ich bin es; fürchtet euch nicht« — Bist du es, o HErr, so ruft nun die gläubige Seele; bist du es, so heiß mich zu»dir kommen auf dem Wasser. Die Wogen, die vor mir brausen, schrecken mich nicht mehr, Sehnsucht hat die Furcht überwunden; ich habe Lust abzuscheiden und bei dir zu sein, was auch viel besser wäre. Wie lange habe ich nicht schou die Meere durchfahren; wie lange, gleich einem Sklaven, angeschmiedet auf der Bank gesessen nnd das beschwerliche Ruder geführt! es ist wohl Zeit« einmal, daß die Arbeit aufhöre und daß die Ruhe be- ginne. Zu so Manchem, der mir stheuer war, hast du schon gesprochen: komm her! sprich es nun auch zu mir; denn ehe du es sprichfd o Gebieter über Leben und Tod, wagen sich nicht meine Füße, wagen ssich nicht einmal meine Gedanken und Wünsche über den Bord, der mich träger, hinaus. ast du es aber gesprochen, dann fchreite ich mit lei tem Geistergang über .die Wogen, in welche ich eben so wenig, als du selber, versinke, und komme zu dir! — So werdet ihr nicht selten in from- mer Begeisterung rufen, ihr gläubigen Seelen. Doch nun ist der ersehnte, aber immer ernste und schauervolle Augenblick erschienen, und spricht der HErr: ,,komm herl« — wird jetzt die Sehnsucht beim Herannahen der Erfüllung nicht erkalten? wird der Muth und der Glaube, zumal wenn der Uebergang langsam ist vom Leben zum Tode, nicht erschüttert werden? wird nicht ein Sturm sich erheben, ein Sturm angstvoller, trost- lofer Gedanken, und das Versinken in die Tiefen der Unseligkeit als etwas Mögliches darstellen? Keiner wage zu behaupten, daß ihm das nicht bege nen könnte; keiner wage einem Andern, dem es widerfugy deshalb den Glauben abznsprechenis Der vollkommene Glaube müßte freilich alle Schrecken des Todes überwinden; aber bei wem ist er vollkommen? Und daß er gerade in jenen Augenblicken seine ganze Kraft beweise, das ist immer nur ein Gescherk der Gnade, die es gewähren, aber auch versagen kann. Wir wollen sie darum bitten, wir wollen täglich unsern Glauben beleben; sollte er jedoch angefochten werden, sollte die Menge unsrer Sün- den nnd die Furchtbarkeit des Gerichts uns erschrecken, wir wollen wenigstens nicht vor unserem Schrecken er- schrecken, wir wollen zum HErrn sprechen« Sieh, o HErr, was deinem Petrus begegnete, das begegnet auch mir! aber wie er, rufe ich dich an in meiner Noth, wie ihn wirst du auch mich aus den Wassern hervor- ziehen, und meine ganze Strafe wird ein liebreicher Vorwurf sein. Jn der That, m. Br., wie demjenigen, welcher untertaucht, der Anblick des Himmels und der Erde entzogen wird, bis er ihn beim Auftauchen wie- derfindet, so möchte es auch wohl jedem Sterbenden er- gehen. Es ist ihm, als führe er hinab in eine Fluth, wo er nichts mehr sieht und erkennt; mit dem bewußt- losen Trieb des Glaubens ergreift er die Hand, welche Christus ihm reicht; er wird durch sie hervorgezogem steht auf einer neuen Erde und siehet einen neuen Himmel über sich. (Theremin.) 32. Und sie sJesns nnd Petrus] traten in das Schifß und der Wind legte sich sin deinfellien Augenblick, da der HErr das Schiff betrat, und offenbarte so auch an seinem Theil die göttliche Herrlichkeit des MenschensohneD wie vorhin das HJieers 33. Die aber tm Schiff waren sdie übrigen Jünger und mit ihnen auch Petrns], kamen und fielen vor ihm nieder sihr Unrecht, daß ste nicht schon bei» dem Wunder mit den Broden feine Gottesherrlichkeit klar und sicher erkannt und darum bei seinem Wandeln auf dem Meer sich noch so unverständig bewiesen hatten Mark« 6, 51 f., jetzt durch desto riickhaltslosere Anerkennung seiner göttlichen Masestät wieder gut zu machen [Ps. 107, 23—32], und sprachen: Du bist wahrlich Gottes Sohn sein Bekenntniß das sie in so tiefem und umfassendem Sinne noch nicht abgelegt, sondern das bis daher nur erst aus anderm Munde er- klungen war Kap. 4, Z; 8, 29z Jak. L, 19]. Es ist wohl von einander zu unterscheiden das Be- kenntniß, wie wir es in Joh. l, 49 aus Nathanaels Munde hören: »Du bist Gottes Sohn, du bist der König von Israel« und das andere, wie es Petrus in Joh. S, 69 thut: »Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes-«; denn beide Male soll die zweite Aussage (im ersten Fall: »der König von Jsrael,« im zweiten: »der Sohn des lebendigen Gottes«) die erste (im ersten Fall: ,,Gottes Sohn«, im zweiten: »Christus«) näher be- stimmen, entweder nm Sinn und Umfang derselben zu definiren und zu begrenzen oder etwas Größeres und Höheres, als an und für sich darin liegt, hinzuzufügen. Nach bestimmten Anzeichen erwarteten die Juden in ihrem Messias nur einen ausgezeichneten, von Gott zu besonderen Zwecken ansgerüsteten Menschen, der zwar höher begabt sein würde als Moses und alle Propheten, und reicher gesegnet als David oder sonst ein anderer König, aber doch seinem eigentlicheii Wesen nach nur einer Jhresgleichen, und was in ihm als Gottessohm schast zu Tage treten würdejdas würde nicht sowohl eine Ausftrahlung seiner eigenen Gottesherrlichkeit, als vielmehr eine Offenbarung des seiner nur als Werkzeug sich bedienenden und deshalb in höchstem Maße sich mit ihm verbindendenGottes selber sein; daher die Rath- losigkeit der Pharisäer bei der Frage Jefu in Kap. 22, 41 ff., welche die Mangelhaftigkeit ihres Schriftvers ständnifses ihnen zum Bewußtsein bringen will, daher auch die Entrüstung des Hohenrathes bei dem Verhör Iesu in Kap. 26, 63 ff. , daß er bei einem Gottessohn in ihrem Sinne nicht stehen bleibe, sondern, wie sie meinten, sich selbst zu Gottes Sohn gemacht habe (Joh. 19, 7), und daher endlich die Berechtigung der Fürbitte Jefu in Luk. 23, 34, denn sie wußten wirklich nicht, was sie thaten, obwohl ihr Gewissen laut genug ihnen bezeugte, daß sie ihren Christus oder König kreuzigten (1. Cur. 2, 7 f.). Nur der Maria war die »heimliche, verborgene Weisheit Gottes« von Anfang an durch den Engel anvertraut (Luk. l, 35), obgleich auch sie erst nach und nach in das Verständnis; derselben hineinwuchs (Luk. 2, 19. 5l); den Jüngern dagegen fehlte von Hans aus die Erkenntniß Jesu als des Sohnes Gottes in dem Sinne, den Hebr. l, 5 ff. ausführt und den das Evangelium Johannis so oft und nachdrücklich bezeugt, sie verstanden unter dem Sohne Gottes denjenigen Mann Gottes, der über alle alttestamentlichen Gottes- männer und auch über Johannes den Täufer hoch er- Die Ilmger erkennen und bekennen Jesum für den Sohn Gottes. 205 h·o"het, zu Jsraels König und Heiland verordnet und dazu mit allen Gaben und Vorrechten und Machtbe- sugnissen ausgestattet sei, daß aber in ihm Gottheit undMenschheit in Einem vereinigt, daß das Wort Fleisch geworden sei und sie in Jesu eine persönliche Erscheinung der Herrlichkeit des« großen Gottes vor sich hätten (Joh. 1, 18), diese Erkenntnis; ist es, die nach mancherlei Vorbereitung ihnen erst in der vorliegenden Geschichte ausging, die dann Petrus in sah. S, 69 im Gegensatz zu den jtidischen Vorstellungen formulirte und deretwegen ihn der HErr in Kap. 16, 17 ff. selig preist und ihm seine eigenthttniliche Stelle in der Kirche zu- weist. Nehmen wir hinzu, was Paulus in Röm. I, 4 sagt, daß Jesus Christus iriiftiglich erwiesen ist ein Sohn Gottes nach dem Geist, der da heiliger, seit der Zeit er auferstanden ist von den Todten, so erhellt von Neuem, wie alles in unsrer Geschichte ein Vorspiel der Passions- und Osterzeit des J. 30 n. Chr. ist, und wir fühlen uns immer mehr in der Ueberzengiitig bestärktz daß der HErr absichtlich die Passa- und Osterzeit des vorhergehenden J. 29 gewählt hat, bei« den Jüngern jener Erkenntniß zuin Dnrchbrnch zusverhelfenx es— ent- wickelt sich eben alles in Gottes Reich in genau be- messener Ordnung, und das Verständniß dieser Ordnung fördert viel mehr die biblische Chronologie, als die blos wissenschaftliche Arbeit. die über persönliche Meinungen und Ansichten nicht hinauskommt. 34. Und sie schifften hinüber [indem sie seht, nachdem der Wind sich gelegt, gar bald die Lan: dung bei Bethsaida vollziehen konnten] und kamen [ so] in das Land Genezareth [Kap. 4, 25 Anm., wo an diesem Tage, als am ersten des heil. Oster- sestes, Jesus mit ihnen in die Schule zu Kaper- naum ging und dort mit vielen von denen, die er Tags vorher gespeist hatte, wieder zusammentraf Joh. s, 21 ff.]. 35. Und da die Leute am selbtgen Orte szu Bethsaida-Kapernaum, welche beide zusammenge- hörige Ortschaften ja noch innerhalb des Genezcp very-Bezirks lagen] sein gewahr wurden sdaß er, der nach einer Abwesenheit von etwa 3 Wochen Kap. 11, 1——30 zwar gestern schon sich wieder gezeigt, alsbald aber auch auf’s Neue sich entfernt hatte V. 13, jetzt abermals da und für alle Noth- leidende zu haben fei], sehickten sie [Botschaft] aus in das ganze Land umher sdaß jeder, der des großen Helfers und-Wunderthäters.bedürfe, die Zeit seiner Anwesenheit l wahrnehmen und Gelegenheit suchen sollte, an ihn zu kommen], und [da geschah es denn, daß, als Jesus in den folgenden 4Tagen des Osterfestes von Kapernaum aus wieder eine Rundreise durch die nächslgelegenen Märkte und Dörfer machte Mark. 6, 55., die Bewohner der- selben] brachten allerlei Ungesimde zu ihm kzum Theil auf Betten sie hertragend], · 36. Und baten ihn [da der Hilfsbedürftigen zu viele waren, als daß er mit jedem Einzelnen sich hätte zu schaffen machen können], daß sie sfiir welche sie Hilfe begehrten] nur seines Kleides Saum anrühreten sindem man auf denselben Gedanken gerieth, der schon vor einem halben Jahr dem blutslüssigen Weibe in ihrem Nothstande beigekom- men Kur. s, 20 f., was er denn auch in seiner Leutseligkeit gern gestattetes Und alle, dte da an- ruhten-n, wurden gesund sso daß auch mcht Ein Ungesunder wieder von ihm gegangen oder zurück- gebracht worden wäre, für den es keine Hilfe ge- geben hätte]. Ein Großes folgt in dieser Geschichte dem andern, eine Herrlichkeit der andern; und wenn es nie einen Wandel des Sohnes Gottes anf Erden gegeben hätte, so könnte die heiligste Menschenseele das Bild eines solchen Wandel-«; nicht also demüthig und erhaben, so voll Liebe und Wunder nnd Herrlichkeit Gottes sich denken und dichten, wie es in der schmucklosesten aller Erzählungen, der evangelischen, als Wahrheit und Ge- schichte dasteht in dem Leben Jesu Christi. Wem diese Geschichte wahre Geschichte ist, der kann sie mit keinem andern Eindruck verlassen als dem: Wahrlich, du bist Gottes Sohn! (Me1iken.) Das Volk stand jetzt auf dem Höhepunkt seiner Ergebenheit siir Jesum, seines Wun- derglaubens; und so ergossen sich auch Jesu Heilkräfte in den reichsten Strörnungen durch das Volksleben, während ihm schon auf den Höhepunkten der Hierarchie (oon Seiten der Hohenpriester und Schriftgelehrten, der Pharisäer und Aeltesten) eine entschiedene Feindschaft tiberall entgegentrat. (P. Lange.) Zum Theil haben wir die der Zeitfolge nach hier sich auschließenden Ge- lchichten schon in Kap. 12, I — 13, 58 vor uns gehabt; der dann folgende Theil liegt in Kap. 15, 1 ——16, 12 uns vor. Das-15. Kapitel. Von Tlllenschensatzungenz dem cananäisohen Weibe, und andern Munderwerlien Christi. I· v.1——20. (§. 56.) Von Nazareth, wo er um dec- ihm entgegrutretendeit Vnglaubeur willen niiht viele Zeichen hat thun können, naih slapernaum znrüktigekehrk brtiomuit der HGrr Veranlassung, nun auch mit dieser s einer Stadt, die ein ganzes Jahr der Mittelpunkt. seiner Wirksamkeit gewesen nnd also bis an den htm- uiel erhoben worden, die Verbindung zu lösen, nachdem er bereits aus Cliorazku Rad. 12, 1 is) nnd von Beth- saida than. 12, 22 ff) durch seine Widersacher, die das Voll: ihm eutsremdetem hinweggedrängt worden war. Kns Veranstaltung der von Jerusalem rntsendeten Denn— tattou niiinlich wird er von einem Pharisäer zu Tische geladen nnd hier wird ein Streit mit ihm angelinsipst wegen seiner Unterlassung des in den Kussätzen der Keltesteu vorgeschriebenen tjändewasclieng vor dem Essen. Jesus skhtiigt nun zwar den Jlngriss seiner Gegner glcith anfangs mit einer Gegenfrage nieder, die sie in der zunächsi vrrhandtltrn Sache ltauwfunsäljig macht; indessen ist jetzt auch ihre Erbitterung um so größer, zumal, wie aus St. Entra- hervorgrhtz er Gelegenheit Monat, noch weiter auf ihr heurhlertscheo wesen nnd ihre irreleltenden Menschensahungen einzudringen. Alls er das Hang des Pharisäern vertaszh redet er in dir dlolluimeiige ein Wort hinein, dag zur rechten Unter— scheidnng zwischen blos reremontalgesetzlicher nnd wirklich sittlicher: tikeiuiglteit Anleitung giebt; »und als er nach Hause kommt, löst er seine Jungcr vollig ab von den Grundsätzen der ptiarisäisclien Schule. vgl...lllarli. 7, l —23; Eint. U, 37—-54. »saßt, wie das auch in Kap. 12, 22 der 206 Evangelium Matthäi 15, 1——6. l. Da sals er eben Von seiner Wanderung in Kap. IS, 53 ff. wieder heimgekehrt war nach Kapernaum] kamen zu ihm [doch nicht sogleich un- mittelbar, sondern ciuf dem Umwege einer Ein: ladung zur Mittagsmahlzeit, die ein Pharisäer an ihn gelangen ließ Luk. 11, 371 die Schrifigelehrien und Pharisäer von Jerusalems«- und sprachen« [brachten die Beschwerde, deretwegen sie nach Ga- liläa entsendet worden, jetzt auch an den Mann]: 2. Warum ubertreten deine Junger sdenen du mit deinem eigenen Exempel, wie wir mit Augen gesehen, vorangehst] det Aeltesien Aiiffiitze?**« Sie waschen snämlichj ihre Hände nicht, wenn sie Brod essen s sobwohl das doch in jenen Aussätzen so bestimmt und genau vorgeschrieben ist]. «) Schon einmal —- im September des J. 28, also vor nun 8——9 Monaten — waren Schriftgelehrte von Jerusalem gekommen, die Pharisäer in Kapernaum zum Kampfe wider Jesum aufzustacheln und sie zu Beobach- tungen nnd Nachstellungen im Austrage des Hohenraths zu organisiren (Kap. 9, L; Luk. 5, 17); neuerdings aber hat es theils in Jerusalem selber Aufsehen erregt, daß der Err nicht dahin zum Qsterfest gekommen, während die Festpilger so große Dinge von ihm, die er in Galiläa ausrichte, erzählten, theils haben die Phari- säer und erodianer nach Vereitelun ihres Anschlags in Chorazin (Kap. 12, 14 f.) Nachri t an den Hohen- rath gelangen lassen und von diesem sich Beistand er- beten. Solcher Beistand erfolgte denn in der Abord- nung einer abermaligen Deputation von Schriftgelehrten und Pharisäern; nachdem dieselbe, wie es scheint, in Kap. 12, 24 die einheimischen Pharisäer hatte selbststäns dig vorgehen lassen, in Kap. 1"2, 38 aber in die Ver- handlung mit eingegriffen hatte , ohne etwas Anderes als jene zu erreichen, suchte sie nunmehr, bei ·Jesu Rilckkehr von Nazareth, ihres nächsten und unmittel- baren Auftrags bei Gelegenheit eines Gastmahls, zu dem ein einheimischer Pharisäer den Errn einladen mußte, sich zu entledigen, indem sie die Sache wegen des Essens mit ungewaschenen Händen aufs Tapet brachten. Was das Wörtlein »Da« im Eingang un- sres Abschnittes betrifft, so bezeichnet dasselbe keineswegs immer (es kommt bei Matth. das griech. srösrs in ver- schiedener Bedeutung nicht weniger als 90 Mal vor) eine so unmittelbare Zeitfolge, daß wir daraus schließen müßten, der hier erzählte Vorfall habe sich noch im Laufe des in Kap. 14, 33 ff. Erzählten ereignet oder doch im sofortigen Anschluß daran; eine solche Auffas- sung ist schon dadurch ausgeschlossen, daß nach Joh.t-,4 die Speisung der Fünftausend zur Zeit des Osterfestes geschehen, während dieser Zeit aber keinenfalls Schrift- gelehrte und Pharisäer das Fest im Stich gelassen haben und von Jerusalem nach Galiläa gegangen sind· Viel- mehr bildet jenes Wörtlein öfter nur im Allgemein den Uebergang von einem früheren Ereigniß zu einem späteren, das in einer gewissen Beziehung dazu steht; es können da recht wohl zeitgeschichtlich iioch andere Er- eignisse dazwischen liegen, wenn nur die beiden, die zu einander in Beziehung gesetzt werden, zu einer und der- selben Zeits oder Entwickelungsperiode gehören (-Kap. As, 147 27, 38). Und nun ist es hier das Begriffen- sein auf einer Wanderung und die eben erfolgte Rüc- kehr von ihr, was der Evangelist an Jesu in’s Auge · · » » Fall war; er will ihn uns zeigen, wie er vonsHilfsbedürftigen so- wohl als von Feinden so wenig in uhe gelassen wurde, daß man ihm iilipcht einmal! eine kurz; Erlfioliöng gönntq und wenn nun ier in o e ders on rü er espros cheneäi VorausnahmeckxoeE Lkzfnhalts lvon gab. IF· u.d13 vor en zeitgeschichtli frü er erfo gten reigni en es 14. Kap. das »Da«, anstatt an die Rückkehr von Naza- reth in Kap. 13, 58., an die Rückkehr von der Wande- rung durch das Land Genezareth sich anschließt, so kommt durch diese scheinbare Verschiebun ein Gedanke zum Ausdruchden wir eben nur zwis en den Zeilen lesen sollen, weil die außere Zeitfolge ihn nicht so deut- FT Fsikeimgi Eis« »Mit, Imekrki «? GHTFEZHJ a o ora e oeun eine e für Jesum und seines Wunderglaubens, und seijne geist- lichen Oberen hier in voller Thätigkeih ihm seinen Messias zu nehmen und es seines Heils zu beraubenz u. , —— ganza era en en r - s kiiä Dgt Aus-Its« sphes åskä"i"k"chchi"’"å’""tkbichäkk’ getheilten Vorgang als eine eigene selbstständige Ge- schichte; allein schon zu Katz. »12, 22 wurde bemerkt, daß wir· von Luk. 11, 14 an nicht niehr eine naFh dem geschichtlichen Zusammenhang fortgehende Erzahlui·i»»g, sondern einen Nückblick auf Thatsachen aus der galilais schen Wirksamkeit Christi ·vor uns haben. Nun ist es Zie GeBchichte von de? Heikiinglzkes Æesesszneiz tiktasn F, ·«—5., was in u. , -— na ge o wir « da siegt denn hdie Låiknåhme nahe gen-läg, Iß aucse bete-r, vor in angefü rte s nitt Luk.11, ——. eine a - holnng des hier bei Matth. vorliegenden Abschnittes sei. Frist; ritt-Haku Hist:»8;«::s:«i:»««ä,wickelte; u i 1 e a : i Worte in Luk. 11, 37: »Da er aber in der Rede war« nirht besagen, daß Jesus gerade in derjenigen Rede be; griffen gewesen sei» welche er im Vorhergehendem bei gselegsenhkitdder geiäung Es Llzesessegien,Cäzespiåochen, son- ern ie in na em ort aut es run textes nur in dem allgemeinen Sinne aufzufassent ,,da er aber einst, bei irgend welcher Gelegenheit) in der Rede war z« i» ist von Lnk. 11, 39 an nicht das die Yieinuiig, als hatte der HErr so abschlußmaßig, so» vollstandigund er- schopfend gerade damals, als. er bei dem Pharisaer zu Tische war, gegen die Pharisäer und Schriftgelehrten gesprochen, sondern es wird in seine damalige Rede dasjenige hineinverflochtem was Jesus beim Abschluß seines prophetischen Amts in· Jerusalem wider diese Zbutezzgeredåz GPLXatsthSJBR damit dderchEvangelistsgi gut. , b—- iee te e trägt o gar zu e r en Charakter eines Bruchstücks an sich, als daß der Evan- gelist nichr ausdrücklich damit hätte zu verstehen geben wollen, hier solle man sich des früher schon Dageweses nen erinnern) sich dann kürzer fassen könne und nur mit einigen wenigen Worten auf jene zweite Rede hin· zuweisen brauche. ·Was der» HErr zuletzt, in dem feier- lichfen Schlußurtheil über die Schriftgelehrten und Pha- gisaksr ne? Maätlhtfzssausgelssvvrlxicheijigs wargstchåoii gatöge or erei e , er a ozu agen a ren einer n en e r- thätigkeit den Stoff sich nach åind giach aiägesammelg und manches, wovon dann in vo stän igem » usammen an e idind läggereiiilz Regieerguß såin Munz- übeihging, em as erz i m avon vo gewor en, at er on einmal bei besonderer Veranlassung und in engerem Kreise geredet; indem nun St. Lukas eine solche Scene uns vorführt, sehen wir, wie streng Jesus selber das befolgt hat, was er in Kap. 18, 15 ff. den Seinen be- fiehlt, er-hat die Pharisäer und Schriftgelehrten zuvor ZkWZLchEUU Im« xlldMäkåkiåi Teils? «» « M n a e ann i e ri . Eis) Nach dem zu Kap. 12, 1 Gesagten war die Handhabe für den Hohenrath in Jerusalem, eine Unter- suchung wider Jesum einzuleitem die an ihn gelangte Anzeige, man habe etliche seiner Jünger mit gemeinen · Von Menfchensatzungen und von· Gottes Gebot. 207 oder un ewaschenen Händen essen sehen (Mark. 7, 2); auf diesen unkt sollten nun die Beobachtungen der nach Galiläa entsendeten Depntation zunächst fich erstrecken, und erklärt sich daraus die Darstellung der beiden ersten Evangelistem die nicht näher angeben, wie die Deputa- tion es anfing, um mit der ihr aufgetragenen Beobach- tung zum Ziele zu kommen, also die Sache, um die es sich handelte, nur im Allgemeinen bezeichnen konnten. Es versteht sich aber wohl von selbst, daß die Abgeord- neten nichrwerden bei Jesii mit der Thiir iii’s Haus gefallen sein, wie man zu sagen pflegt; vielmehr setzt die Frage: ,,warum übertreten deine Jiinger der Aet- testeu Anssätze?« und die Anklage: ,,sie wafchen ihre Hände nicht, wenn sie Brod essen,« voraus, daß die Schriftgelehrten und Pharisäer werden eine Gelegenheit abgewartet oder lieber gleich selber herbeigeführt haben, wo das, worüber sie den HErrn zur Rechenfchaft ziehen wollten, offenkundig zu Tage trat, um so, wie sie meinten, es ihm unmöglich zu machen, den Thatbestand in Abrede zu stellen, zu verdunkeln oder zu entschuldigen. Jndem nun bei Markus ausdrücklich bemerkt ist, daß die Untersuchungscommissare, ehe sie mit ihrem ,,Ver- sprechen«, wie Luther schreibt, d. i. mit ihrer tadelnden Mißbilligung hervortraten, zuvor gesehen hätten die Unterlassung dessen, was die Aufsätze der Aeltesten for- derten, kommt der Bericht bei Lu as der näheren Auf- klärung des Sachverhältnisses trefflich zu Hilfe. Jesus war, so scheint der Hergang gewesen zu sein, nach seiner Rückkehr von Nazareth in Kapernaum alsbald wieder von Volkshaufen umgeben, und ungeachtet er eben einen Weg von 4—5 Meilen in heißer Jahreszeit zurückge- legt, redete er auch sogleickfwieder zum Volke, das Wort des Lebens ihm mittheilend Da kam der Phari- säer des Ortes einer in scheinbarer Menschenfreundlich- keit ihm mit der Einladung entgegen-, doch bei ihm ein Frühstüch wie es im Grundtext heißt, ein unehmen; es ist darunter das Hauptsrühstück um die ittagszeit ge- meint, während die Hauptmahlzeit erst Abends gehalten wurde, wir können also recht wohl es bei Luther’s Ueberfetzun bewenden lassen: ,,daß er mit ihm das Mittagsma l äße.« Jesus nahm die Einladung an, nicht weil er die Absicht derselben nicht sogleich erkannt hätte, daß sie nämlich nicht sowohl zu seiner Erquickung, als vielmehr zu seiner Beobachtung an ihn ergangen war; wohl aber wollte er freiwillig seinen Gegnern sich zum Kampfe stellen, und verdeckte nun so wenig den Thatbesiand, wie sie erwartet hatten, daß er im Gegen- theil recht geflisfentlich die üblichen Händewaschnngen vor Beginn der Mahlzeit unterließ, und die Zwinger, die seine Absicht verstanden, folgten seinem Beispiel. Da hatte denn die Deputation aus Jerusalem, die natürlich ebenfalls vom Pharisäer geladen worden war, ohne weitere Umstände die Sache vor sich, deretwegen sie ge- kommen war, und konnte sofort mit ihrem »Versprechen« in’s Feld rücken, ja ihren Vorwurf nicht blos zunächst wider die Jiinger richten, sondern den Meister gleich un- mittelbar selber zur Verantwortung ziehen. s) Bei dem ,,mit ungewaschenen Händen essen« han- delt es sich nicht um eine Sache der Reinlichkeit und des Anstandes, sondern, wie in Mark. 7, 3 f. näher er- läutert wird, um die Beobachtung der Aufsätze der Aeltesten, um cerimonialgesetzliche Gebränche, die man zur Gerechtigkeit vor Gott für nöthig hielt; und zwar bezogen sich diese Bestimmungen, denen die Pharisäer gleiche Giltigkeit mit den Vorschriften des Gesetzes selber zuschrieben und deren Ursprung sie ebenfalls auf göttliche Offenbarung an Moses zurückflihrtem als welcher sie dann zur Aufbewahrung für die nachfolgenden Gefchlech- ter den Aeltesten des Volks iiber eben habe, auf die Wafchungen der Hände vor dem ssen, um einer mög- lichen Verunreini ung vorzubeuäem auf die der Lebens- mittel, die vom arkte heimge racht worden, und der Speise- und Tischgeräthe, selbst der zur Tafel gehörigen Bänke. So hoch nun hielt die harisäische Judenschaft die Satzungen, daß es bei ihr ieß: »wer Brod mit ungewaschetien Händen ißt, der handelt eben so unrecht, als wenn er mit einer Hure sich einließe«; und der RabbiAkiba, der im Gefängniß einmal so wenig Wasser bekam, daß es nicht auch zum Trinken hinreichte, wollte lieber Durstes sterben, als ohne Händewaschung etwas essen. Diese beiden Eigenschaften menschlicher Satzungen muß man wohl einschärfen, bemerkt Luther zu unsrer Geschichth nämlich daß sie fttr’s Erste nichtswtirdige und lächerliche Dinge sind, die nichts helfen zur Selig: keitx zum Andern, daß sie aber gleichwohl die wahre Frömmigkeit verderben. Wir begreifen hiernach voll« ommen, warum der HErr hier so entschieden den Kampf gegen derlei Menschensatzungen aufnimmt und sich so abfichtlich darüber hinwegsetztt »das Herkommen hat oft ein geisttödtendes Ansehn und ist eine Fessel für das Wahres« B. Er [»einen Keil auf den andern setzend und damit den ersten zurücktreibend«: Luther] ant- wortete iind sprach zu ihnen: Warum swenn wirklich einmal von Uebertretung hier die Rede sein soll, doch gestehe ich damit euch noch nicht zu, daß das unterlassen des Händewascheiis überhaupt in das Kapitel vom Uebertreten gehöre] ühertretet denn ihr Gottes Gebot nm eurer Aiifscihe willen? sJhr erweiset also jedenfalls euch als die schlimmeren Uebertreter und habt am wenigsten ein Recht, »An- dern, bei denen es sich höchstens nur um die Un- terlassung einer Menschenfatzung handelt, zur Rede zu stellen]. 4. [Dafür aber, wie ihr Gottes Gebote ge- radezu aufhebt, auf daß ihr eure Aufscisze haltet, will ich euch zunächst nur einen einzigen, recht schlagenden Beweis vorhalten:] Gott hat [durch Mosen 2. M. 20, 12 u. 21, 17] geboten: Du sollst Vater nnd Mutter ehren; wer aber Vater und Mutter flucht, der soll des Todes sterben. Z. Aber ihr lehret [mit euern angeblichen Auffätzen der Aeltesten Kap. 5, 22 Anm.]: Wer zum Vater oder zur Mutter sin Beziehung auf das, was er zu ihrem Unterhalt zu geben verbun- den ist] fpricht [Corban, es sei ein Geschenk an den Tempel! 3. Mos 27, 8 Anm., und für den Verlust dessen, was eigentlich ihnen hätte zukommen sollen, sie damit tröstet]: Wenn ich’s [wie ich mit meinem Gelübde gethan] opfere, so ist dir? vie! näher sdenn Gott wird dir nun etwas Besseres dafür bescheeien]; der thut wohl. 6. Damit stnit Aufbringung solcher Grund- sätze eurerseitsj geschiehet es, daß niemand sder sich darnach richtet] hinfort seinen Vater oder seine Mutter ehtet sim Gegentheil ihnen sluchtz denn es darf einer, der die alten Eltern recht empsindlich kränken und seine Wuth an ihnen auslassen will, nur thun, wie ihr rathet, so wird er auch noch sich brüsten, als habe er ein frommes, verdienst- fMenschenfatzungen nieder. 208 Evangelium Matthäi 15, 7—— 18. Volles Werk Vollbrachtjz Und habt Uhr] also Gottes Gebot aufgehoben um eurer Satzungen willen. 7. Ihr Heuchler [die ihr euch stellet, als eifertet ihr für die Ehre Gottes nnd feines Heilig: thums, im Grunde aber doch nur eure Ehre und euern Nutzen sncht], es hat wohl [ganz richtig und zutrefsend] Jesajas [in Kap. 29, 13 seines Buchs] von euch getoeissagel fLeiite eurer Art und Gesin- nung prophetifch dargesiellh gleich als hätte er euch persönlich vor Augen gehabt] und sum die Stelle nach dem Wortlaut der griech. Uebers-Bring, der sog. Septnaginta anzuführen] gesprochen: — 8. Dies Volk nahet sich zu mir mit feinem Munde und ehret mich mit seinen Lippen; aber ihr Herz ist ferne von mir. . 9. Aber vergeblich dienen sie mir sdeun statt daß mir die Weise ihres Gottesdienstes gefiele, ist meine Seele derselben vielmehr feind Jes. l, 11 ff ], dieweil sie lehren solche Lehren, die nichts denn Menschengebot find. Die mosaischen Gebote der leiblichen Reinigung machten freilich äußere Dinge von sinnbildlicher Bedeu- tung zum Gesetz, doch mäßig und fiunvoll, wenn wir’s mit den Satzungen anderer Völker des Alterthutns ver- gleichen; fie hielten das Leben in einer Zucht, wie es der damaligen Stufe der Menfchheit entsprach. Die Pharisäer aber fielen gerade aus die Aeußerlichkeit des Gesetzes, und während auch die Gebote leiblicher Reini- gung das Herz meinten, zogen die Pharisäer auch die inuerlichften Gebote hinunter ins Flecsch. Die kleinsten Gartengewächfe verzehnten, des Wafchens unerträglich viel machen, die Schüsfeln wafchen, statt, was darin ist, von Raub und Ungerechtigkeit frei zu halten, die Hände reinigen statt der Herzen, das waren ihre Meisterstück, mit welchen sie über das Größte im Gesetz, über Ge- richt und Erbarmen hinwegglittew Gegen solchen Greuel der Leichtfertigkeit unter heiligem Schein mußte der Heiland strafend aufstehen. Wer wollte der Unreinlich- keit hnldigen? wo man ihm aber im Händewaschen einen selbstgemachten Gottesdienft aufnöthigen wollte, wo» ihm, wie an jenem Pharifäermahh die böswilligen Auf- passer Schlingen legten, da mußte er sie zerreißen, da mußte der Sanftmüthige, der kein AerLFerniß geben wollte, den offenen Kampf aufnehmen. arum über- tretet ihr Gottes Gebot, um eurer Aufsätze willen? so schlägt er ihre Beschwerdeu wegen Uebertretung der Er hält ihnen nämlich· das Corban (Mark. 7, U) entgegen, wie sie essgelteiid zu machen pflegten. ,,Corban« heißt Gabe für ein Opfer oder stir den Tempelschatz; sagte nun jemand: ,,Corban, wovon du sollteft einen Nutzen haben; es sei geopfert, was ich dir hätte geben können«, so follte es unwider- ruflich geopfert fein und bleiben. Also wenn dem Sohn wider den Vater in Zorneshitze ein Wort einfuhr: ,,ich will dir das nicht geben, Corban sei est« so follte dies nnbedcichte Wort heiliger als das heiligste Gelübde fein und keine Reue follte es wieder lösen können» Wohl hatte Mofe mit Ernst geboten, daß die Gelübde nicht leichtsinnig gesprochen und wieder verletzt, sondern streng und heilig gehalten würden; aber war ein solches im Zorn entronnenes Fluchwort ein rechtes Gelübde? wurde hier nicht gerade die Leichtfertigkeit auf den Thron er- hoben? und wem zu Gesallen? war es nicht handgreif- lich die schnöde Gewinnfucht der Priesterzunfh die sich des heil. Vorwandes bediente und die damit heuch- reiniget den Menschen nicht [besser: lerisch Gottes Gebot: ,,Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehreu«, mit Füßen trat. (Riggenbach.) Wie oft mag dies ,,Corbanl« (auch in den Worten bei Matth. fteckt dasselbe, indem statt: »wenn ich’s opsere, so ist dir’s viel näher« es richtiger heißt: ,,es ist Gott gegeben, das dir follte von mir zuNutz kommen«) in Zorn und Bosheit, in schändlichem Eigennutz der Kinder vorge- kommen fein, da sogar in der Christenheit bis auf den heutigen Tag die Sünde, dem Unterhalteu der Eltern sich zu entziehen, noch so häufig gen Himmel schreiet. Man wird hieraus verstehen, warum der HErr gerade diesen Fall, wo die muthwillig freche Satzung mit einem Wörtlein die heiligste Ehrfurchtss und Liebespflicht zwi- schen Menschen umftieß, hervorhebt und an das vorher- gegaugene Fluchen anfchließn (Stier.) Die Streitfrage mit den Pharisäern beftund eigentlich darin, welches besser sei, wenn man feine Eltern beschenke und sie in ihrer Armuth von feinen Gütern versorge, oder wenn man’s opfere, d. h. sein Vermögen dem Tempel und Unterhalt der Priester widme? Die Pharisäer sagten: es sei besser gethan, wenn man’s opfere; dagegen lehrt hier Christus, damit fluche man den Eltern, geschweige das; man sie ehre. (Luther.) Pflichterfüllung durch fromme Uebungen oder fromme Handlungen ersetzen zu wollen, z. B. ehemalige Betrtigereien und Bedrückungen durch Schenkungen an Kirchen oder Beiträge zu from- men Zwecken gut machen wollen, anstatt das ungerechte Gut herauszugeben, ist Selbftbetrug und giebt keine Ge- wiffensruhe (Heubner.) 10. Und er rief fnachdem er noch weiter mit den Pharisäern und Schriftgelehrten verhandelt und unter großer Erbitterung ihrerseits das Gastmahl verlassen hatte Lief. 11, 39 ff» draußen] das Volk zu sich [welches, wie gewöhnlich, wenn er in einem Haufe zu Gafie war, dasselbe in dichten Haufen umstand und auf seine Rückkehr wartete Kap. I, 11 fs.] und sprach zu ihnen sum den Hauptge- danken, der feine Seele von dem Tifchgefpräch her noch ersüllte, als fruchtbaren Keim znr Entwicke- lung eines neuen Lebensgefetzes in die Herzen zu pflanzen]: Hdret zu und vernehmeks smit rich- tigem Verständniß, was ich den, mit den phari-i fäifchen Auffätzen euch eingevrägten falschen An- sichten und Meinungen gegenüber als rechte Lehre euch zu oerkündigen habe]: 11. Was zum Munde eingehet, das verun- Nicht das verunreiniget den Menfchen, was zum. Munde eingehet, so daß man feine ganze Sorgfaltniir darauf zu richten hätte, die Becher nnd Schüsseln rein zu halten und die Hände genau den Vorfchriften gemäß vor dem Essen zu wafchen, um vor Verunreinigung sich zu bewahren, oder sich darüber ein Gewissensbedenken machen müßte, wenn etwas Unreines von außen her einmal in den Mund mit eingehet]; sondern was zum Munde ausgehet, das vernnreiniget den Menschen kund gilt also vielmehr das Wort Spn 4, 23: Be- hüte dein Herz mit allem Fleiß, denn daraus gehet das Lebens Von dem Händewaschen geht der HErr mit Fleiß über auch auf das Essen selbst; dabei stellt er einen Satz Vom Unterschied zwischeniblrss ceremonialgesetzlicher und wirklicher sittlicher Reinigkeir 209 auf, der wider das Gesetz Mosis gerichtet ist, als tvelcher in Z. Mut. 11 lehrt, es seien etliche Thiere unrein zum Essen, Christus thut hier den klaren Ausspruch überhaupt, daß Essen und Trinken weder heilig mache noch verun- reiniges Das war eine ganz ueue und unerhörte Mei- nung in diesem Volke; ja, es war soviel als Mosen in’s Angesicht gelästert (Lnther.) Jesus wählt das Aus- und Eingehen zum Munde zur Bezeichnung des Unterschieds zwischen sittlicher, also wirklicher, und blos cerimoniab gesetzlicher, also lediglich sinnbildlicher, abbildlicher Un- reinigkeit: blos die erstere hat bleibende, weil in ihr selbst begründete Bedeutung, die Vorschriften über die andern haben ihren Dienst gethan, sobald die Erkenntniß der ersteren erlangt ist und an die Stelle von Bild und Schatten das Wesen der Erfüllung tritt. (v. Burgen) Sobald die Juden den Sabbath schändeteu, indem sie an demselben seinem erbarmenden Wirken auflauerten, gab Jesus die Ritcksicht auf ihre Sabbathsordnung auf und stellte den Sabbath in der Gottesruhe dar, womit er sich der Elenden annahm (Kap. 12, 1 ff.); so wird er um diese Zeit veranlaßt, die Waschungen und Speise- gesetze ausgehen zu lassen in der Erklärung des höheren Lebensgesetzes, daß der Mund und das Leben gereinigt werden müssen vom Herzen aus, wie sie vom Herzen aus verunreinigt werden. Die Anwendung und allmälige Entwickelung des ausgesprochenen Grundsatzes blieb unter die Zucht seines Geistes geftellt. (P. Lange) 12. Da [als Jesus von der Verhandlung smit den: Volke V. 11 nach Hause kam] traten seine Junger zu ihm und sprachen: Weißt du auch lhast du unter dem Aussprechen jenes Satzes: ,,was zum Munde eingehet 2c.« bemerkt] daß sich die Pharisäer swclche nach deinem Weggehen aus ihrer Gesellschaft hinter deinem Rücken noch weiter dir auflauerteu und genau aufpaßtery was du zn dem Volke reden würdest] cirgerteu lseichen heiliger Entrüstuitg und schweren Anstoßes von sich gaben], da sie das Wort höreten sdas so ganz tote eine Aufhebung des Unter- schiedes zwifchen reiner und unreiner Speisung ihnen mag vorgekommen sein] 13. Aber er antwortete und sprakh sdie Herzen der Jüuger, welche bis zu einem gewissen Maße noch immer von dem Ansehen jener gefeierten Ausleger und Anwälte des Gesetzes, der Schriftgelehrten und Pharisäer gebunden und in der Meinung befangen waren, es dürfe doch nicht so ganz mit ihnen ge: brochen werden, weil das zuletzt zu einem Bruch mit dem von ihnen geleiteten Volke selber führen würde, auf diesen schließlichen Ausgang vorzubereiten und ihnen das unausbleibliche Schicksal Jsraels und seiner geistlichen Führer schon jetzt anzudeuten]: Alle Pflanzen, die mein himmlischer Vater nicht gepflanzeh die werden ausgerastet. 14. Lasset sie ldie Srhriftgelehrten und Phari- säer] fahren [und macht euch, nachdem ihr den rechten Meister und HErrn an dem Sohne Gottes Kap. 14, 33 gefunden, von ihrer Führung gänzlich los], sie sind blind und Blindeuleitcr kais solche, die sich nun sattsam als blind für die Erkenntniß der Wahr- heit bewiesen haben Joh. 9, 39., nur für solche noch die Wegweiser, die ebenfalls blind bleiben wollen und von der seligmachenden Wahrheit nichts wissen mogen]; wenn aber ein Vlinder den andern leitet, so fallen sie beide sder leitende wie der geleitete Blinde, die Zunft der Schriftgelehrten und Phari- säer wie das unter ihrem Einfluß beharreude Volk] in die Grube [in der sie dann mit einander um- kommen] Die Rede in V. 13 geht auf die Pharisäer, nicht auf ihre Lehre; Jesus weissagt ihre, d. h. ihrer Kaste,Aus- rottnng: »diese Menschenart wird ihr Spiel bald aus: gespielt haben« (de Wette.) Allerdings sind die Phari- säer so gut Gottes Geschöpfh wie die andern Menschen; allein insofern das Falsche ihrer Richtung sich in Folge ihrer gottentfremdeten Gesinnung mit ihrer iunersten Persönlichkeit verquickt hat und jene nirgends ist als in dieser, insofern sind sie nicht Gottes, sondern des Teufels (Joh. 8, 44); bei dem »die mein himmlischer Vater nicht gepflanzet« muß man daher nach der Absicht des Evangelisten ergänzen: ,,sonderu der Teufel«, der nach Kap. II, 25 u. 38 den schlechten Samen einstreut (Olshausen.) Mit den Worten: ,,sie sind blind —- in die Grube« ist ihnen das Urtheil gesprochen und Gottes Gericht angekiindigh diesen lieblos urtheilenden, hoch: müthig richtenden Menschen. Ja, sie sind in die Grube gefallen, diese blinden Blindenleiter, in eine tiefe, blutige, grausenvolle Grube, mitsammt dem Volk, das sich von ihnen verführen ließ, bei dem schrecklicheii Strafgericht, das über das Volk und seine Häupter bald her- uach hereinbrach. Unser Text enthält eine Warnung vor dem Pharisäer in unser aller Brust: l) er hält aus Menschensatzung, nnd übertritt Gottes Gebot; 2) er ehret Gott mit den Lippen, aber sein Herz ist ferne von ihm; s) er richtet seinen Nächsten, und ist doch selber dem Gerichte Gottes verfallen. (Gerok.) 15. Da antwortete Petrus sder die tiefgrei- fende Bedeutung des Worts in V. 11 in etwas ahnen, sich aber dessen noch ausdrücklich versichern zu müssen glaubte, ob der HErr in Wahrheit eine Aufhebung der alttesiamentlichen Speisegefetze inAb- ficht habe, da er ja in Kap. 5, 17 selber das Gesetz für unauflöslich erklärt hatte] und sprach zu ihm: Deute uns dieses Gleirhniß [sage uns, was du mit der fmnbildlich ausgedriickten Sentenz von dem, was nicht, und von dem, was wirklich verunreinigt, eigentlich meinest] its. Und Jesus sdem es für jetzt noch nicht darauf ankam, die praktifchen Folgerungen aus dem von ihm aufgestellten Grundsatze ziehen zu lassen, sondern nur· darauf, daß das neue Lebeusgesetz in seiner göttlichen Wahrheit von den Jüngern erfaßt würde] sprach zu ihnen: Seid ihr denn auch noch [gleich den Andern] unverstcindig sdaß ihr nicht von selber schon einen so einsachen Spruch in seinem Sinne verstehet]? 17. Merket ihr noch nicht [denket ihr nach allem Unterricht, den ihr nun schon bei mir em- pfangen, nicht sofort an das, worauf ich habe hin: deuten wollen, nämlichh daß alles, was [von Speisen und Getränken] zum Munde eingehen das gehet kvon da aus] in den Bauch, und wird csoweit es etwa den Menschen verunreinigen könnte] durch den ttatitr- lichen Gang ausgeworfen? 18. Was aber zum Munde heraus gehet sum 210 Evangelium Matthäi 15, 19——23. sich zu Worten nnd Werken zu gesialten], das kommt aus dem Herzen [der Werkstätte des Wollens, Denkens und Begehrens], Und das lwenn es etwas Böses ist] verunreinigt den Menschen smacht ihn, weil ein Ausdruck und Gebilde siines eigenen un: reinen und unheiligen Wesens, auch nach außen hin gemein und verwerflichs 19. Denn ans dem Herzen kommen arge Gedanken sund diese erzeugen dann die argen Werke], Mord, Ehebruch, Hnrerei, Dieberei, falsche Zengnisse, Liisterung sin mancherlei Art und Gestalts 20.» »Das sind die Starke, die den Menschen betunremigen fund vor Gott verdammlich machen]. Aber mit nngewascheuen Hunden essen sweil in gar keiner Beziehung zur inneren Herzensbeschaffenheit siehend], verunreinigt soder entweihet] den Menschen nicht sgleichwie ihn andrerseits auch nicht heiligt, wenn er nur die Händewaschung recht streng be- obachtets Eigentlich verunreinigten schon bo"se Gedanken, auch wenn sie nicht ausgesprochen oder ausgeführt werden; aber die Sünde wird erst durch die Ausführung vollen- det. (de Wette.) Das Gegentheil, wo Gutes aus dem Herzen hervorgeht (Kap. 12, 35), setzt die Bekehrung voraus. (Meher.) Wenn aber, was aus dem Herzen kommt, so beschaffen ist, daß es den Menschen verunrei- nigt, so ist damit hinreichend deutlich angezeigt, daß das Herz nicht gut ist U. Mos 6, 5; 8, 2l), sondern der Erneuerung bedürftig so. Burgen) Lag gleich in dem Worte V. 11 der Keim der Aufhebung der Speisegesetze durch das Gesetz des Geistes, so hatte der HErr doch nicht die Absicht, jetzt schon die Speisegesetze aufzuheben, ebensowenig als seine Anführung des Prophetenspruchs iu Kap. 12, 7: ,,ich habe Wohlgefallen an der Barm- herzigkeit und nicht am Opfer« die Aufhebung des Opfers verorduet hatte. Es tritt hier derselbe Fall ein, daß der hebräische Ausdruck ein relatives Gradverhältniß zwi- schen dem Unwesentlichen und Wesentlichen, das die Heuchelei verkehrt hat, wieder in’s rechte Geleise bringt, indem er das Uuwesentliche geradezu für nichts, sogar fiir verächtlich erklärt dem Wesentlichen gegenüber. (P. Lange) II. V. 21—28. (§. 57.) Vor im vorigen Abschnitt cr- zähltc Zufammcnstoß mit seinen Gegnern scheint einen sehr tiefer: Eindruck auf dcn HErrn gemacht zu haben; »der tmsaubcte Geist, welcher das heil. Land entweiht, das auserwählte Volk: verunreinigt, welcher ihm jetzt fast bei jcdcm Schritt feindfclig entgegentritt und ihn mit feinem Odem anhaucht, drängt ihn sogar hinter dir Grenze des Landes; zurück, als wollte er ihn in dir hcidknwclt hiuciutreiliruJt Indessen verhält ro sirh dort) nicht so, wie die Jtuslcger dag Sachurrhällniß meist auf— fassen, als hätte dcr HErr es satt gehabt, sich mit dcn böswilligen Uachstellcrn noch länger abzugeben, als hätte et, um den unnützen Verhandlungen: mit ihnen cin Ende zu machen, drn plah geräumt; die Dinge liegen vielmehr nun auch in srthsaida und Kapcrnaiilit so, wie in san. IS, 14 f. in Gilde-after, Jesus ist seines Lebens nicht mchr Kehrt, und theils um dcn Widcrsachrrn nicht vor der Beil Gelegenheit zu geben, das; sie feiner sitt) vernünftigen, theils um deu Schriftgrleljrten nud Phari- säern von Jerusalem Zeit zu lassen, wieder zutüciiztv kehren, woher sie gekommen, begiebt er sitt) ganz aus dem Bereiche ihrer Späherblirlge innre-eh, als wollte er iu’s Ausland gehen und dort die tsrlltc lehren Geh. 7, 35). Kbrr gerade bci dieser Verwunderung, wo er mit dem cananäischrn Weib: zusammentrifft, giebt er den stärksten Beweis, wie ganz nnd ausschließlich cr zunächst nur fiir das Voll: feines Eigrnthmng genommen, nur Jsraelo Helfer und Heiland fein will; erst da erfüllt er das Begehren des Weiber, als sie mit ihrem Glauben in feiner eigenen Rede ihn gefangen und auf den Vunlet gebracht hat, daß ein der Zeit der Heiden oorgreifendcr Fall von ihm gar nicht vcrleanut werden kann. (Vgl. s Mark. 7, 24——30). Evangelium am Sonntage ReininiscereJ Ueber den Namen des Sonntags vergl. die Eint. zu Pf. 25. Will die Passions- oder Fastenzeit den HErrn uns als unsern Hohenpriester zeigen, so hatte die Kirche vollkomnien recht, wenn sie für den LSonntag derselben das Evangelium von seiner Versuchung durch den Teu- fel (Kap.4, l sf.) verordnen; denn dort sehen wir einer- seits, daß wir nicht einen Hoheupriester haben, der nicht könnte Mitleid haben mit unsrer Schwachheih sondern der versucht ist allenthalbem gleichwie wir, andrerseits aber auch, daß er versucht ist ohne Sünde und wir also zugleich einen solchen Hoheupriester an ihm haben, der da ist heilig, unschuldig, unbefleckt, von den Sündern abgesondert und höher, denn der Himmel ist (Hebr. 4, 15; 7, 26). Die unerläßliche Bedingung fiir das ganze Versöhnungswerk, die eigene Sündlosigkeit des Versöhners, ist also bereits gewonnen; wir wissen, daß wir mit allem Fug und Recht singen: »O Lamm Gottes nnschuldig«, und können dem ,,am Stamm des Kreuzes geschlachtet« mit der guten Zuversicht entgegengehen, daß wenn dieser Hoherpriester alle Sünde trägt, wir nicht mehr verzagen dürfen, sondern sein Opfer erwirkt wahrhaftig die Vergebung der Sünden, die Gnade Gottes und die Gemeinschaft mit ihm. Aber für wen ist das Opfer geschehen? und wer soll an den Früchten der Versöhnung Theil haben? Jst Jesus allein für das Volk seines Eigenthums, für Israel gestorben? und haben allein Diejenigen Theil und Anfall an der Gnade, die in ihm augeboten wird, die genannt sind die Be- schneidung, so daß die Heiden, die bisher fremd und außer der Bürgerschaft Jsraels gewesen, die keine Hoff- nung hat-ten und waren ohne Gott in der Welt, auch fernerhin ohne Christum bleiben müßten? Das Evan- gelium des zweiten Sonntags in der Fasten belehrt uns eines andern; es zeigt uns den, der aus beiden Eins gemacht und hat abgebrochen den Zaun, der da- zwischen war, und versöhnete beide mit Gott iu Einem Leibe durch das Kreuz (Ephes. 2, 11 ss.), und es zeigt uns, was an die Stelle der Beschneidung nach dem Fleisch, die mit der Hand geschiehet, tritt, nämlich der Glaube. Also werden nun, schreibt Paulus (Gal. Z, 9), die des Glaubens sind, gesegnet mit dem gläubigen Abraham. 21. Und Jesus ging aus von dannen sdie öffentliche Lehrthätigkeit in Kapernauin nun beschließend, wenn er auch privatim hernach noch einige Zeit daselbst gewohnt hat] Und entwich sum den weiteren Nachstellungen der von Jerusalem gekommenen Schriftgelehrten und Pharisäer V. 1 sich zu entziehen, da die Zeit seines Leidens und Sterbens noch nicht gekommen Kap. 12, I5; 14, II] in die Gegend von Tyro uud Sidon [er über- schritt also die Grenzen des heil. Landes und zog Jesus entzieht sich, bis jenseit der Grenze Palästina’s, den Nachsielliingen seiner Feinde. 211 sich nach dem heidnischen Phönizien zurück, vielleicht bis in die Gegend von Sarepta hin, s. Karte V]. Wir finden iii diesem Auszug des HErru aus seinem Vaterlande eine Erfüllung seines Worts bei seinem ersten Auftreten in Nazareth: Luk. 4, 25 f. Wollte er ein Prophet Gottes sein, so mußte er auch darin den Pro- pheten ähnlich werden, daß er in der Heidenwelt eine Zuflucht snchte;,uiid da die Propheten ihren Rückzug nach Phönizien hin öfters genommen hatten, war dieser Weg zn den Heiden dem HErrn von Gott, der die Propheten sandte, schoii gewiesen. Was der HErr in der Shnagoge zu Nazareth ahnenden Geistes zuvor ge- sagt hatte, kommt jetzt zur Erfüllung: der Prophet, welcher in feinem Vaterlande nicht angenehm ist, ist in der Fremde ersehnt und begehrt. (Nebe.) Christus nähert sich den Heiden zum Vorspiel der künftigen Ve- rufung der Heiden —- auch für seine Jünger eine wich- tige elehrung! (Heubner.) 22. Und siehe [ob er hier gleich auf häus- liche Stille sich beschränkte nnd absichtlich alles öffentliche Auftreten vermied, denn noch war die Scheidewand zwischen Heiden und Juden nicht hin- weggethan V. 24 u. 26, konnte er doch nicht ver- borgen sein Mark. 7- 24]- ein cananäisch Weib Nämlich, deren Töchterlein einen unfauberen Geist hatte Kap. 8, 34 Anm., hatte von ihm gehört; sieJ ging [min, von ihrer Noth getrieben] aus derselbigen Grenze kais der HErr das Gebiet der Stadt, in welcher er bisher ssich aufgehalten, eben wieder verlassen wollte, um sich weiter nach Norden hinauf zu wenden Mark. 7, 311 und schrie ihm nach und sprach: Ach HErtz du Sohn Davids, erbarme dich mein; meine Tochter wird vom Teufel ubel get-lagen Von den Kananiterw den Bewohnern Paläftincks vor den Jsraelitem hatten sich in srühester Zeit mehrere Stämme nach Norden gezogen, und aus ihnen hatte sich das Volk der Phöuicier gebildet. Nach Clemens (einer der ersten Bischöse der Gemeinde zu Rom, i· zu Anfang des L. Jahrh. u. Chr) hieß die Frau Justa und ihre Tochter Bernice. (Meyer.) Diese Kananäerin macht ihrem Namen alle Ehre; denn nach richtiger Ableitnng des Worts bedeutet Kananiter einen Gebeugten, Demü- thigen, Untertvtirfigeii (Nicht. 4, 28), sie aber beugt sich vor dem, vor welchem sich zu beugen und zu demürhigen die größte Ehre ist. (Nebe.) Die Leute von Tyrus und Sidon, die alten Phönizier, waren ein kühnes Seesah- rervolk; sie wagten sich auf ihren Schiffen weit hinaus über die Grenzen der damals bekannten Welt in ferne Meere und Länder, um Gold und Silber und Bernstein zu holen. Aber unser phönizisch Mütterlein da, das hat eine kiihnere Reise gewagt, als die muthigsten Secfahrer ihres Volks, obgleich es nur eine kurze Strecke Weges ging; es hat den Schritt gewagt vom Uiiglaubeii zum Glauben, von der Welt zum Heiland, von den todten Götzen zum Sohn des lebendigen Gottes. Nicht nur die Grenzpfähle ihrer äußeren Vaterstadt hat sie hinter sich gelassen, sondern auch die Schrankeu ihrer heidni- schen Vorurtheile hat sie mnthig tiberschrittew den Bann, der auf ihrer Seele lag, hat sie klihnlich abgeworfen mit ihrem »Ach HErr, du Sohn Davids, erbarme dich mein!« Durch die Welt mit ihrer eitlen Lust und mit ihrer schweren Noth ist sie durchgebrocheu zum HErrn· (Gerok.) »Ach HErr, du Sohn David’s, erbarme dich mein! Meine Tochter wird vom Teufel übel geplagt«: es sind wenig Worte, mit denen sie den HErrn um Hilfe bittet, wenn wir sie aber recht uns ansehen wollen," so ist eine ganze Geschichte darin enthalten. Viel, sehr viel muß in ihrem Leben und in ihrer Seele vorge- gangen sein, bis sie zu diesem Worte es gebracht hat. Das Weib war eine Heidiih sie« wußte nichts von. den; lebeiidigen Gotte, noch viel wem er etwas von dem ver- heißenen Erlösey nnd wäre wol) nie zu der Erkenntniß gekommen, daß sie auch einen Gott und einen Erlöser rauche. Siehe, da wird ihr das bgroße Herzeleid ans- erlegt mit ihrer Tochter. Das Wei brauchte Hilfe und Trost, findet aber davon uichts bei ihren Götzen; in ihrem Jammer geht ihr nun ein Licht auf: meine Göt- ter können mir nicht helfen, der Erlöser Jsraels kann es. Da wandte sie sich von den Wegen, die sie bisher gegangen, und ging dem Sohne Gottes nach. Ha te ein! hatte der Ruf Gottes an sie geläutet; gehe nicht länger in der heidnischen Finsterniß, schlage einen an- dern Weg ein, kehre dich zu mir, so will ich mich dein erbarmen. Das ist auch an uns Gottes Ruf in der. Heimsuchung; und zu dem: halte ein! kommt dann der andere: halte an, und der dritte: halte aus! (Caspari.) Der HCrr durchzieht offen am Tage die Welt in seinem Wort und Sacrament und ist wie die Stadt, die anf einem Berge liegt, und doch find Tau« sende, die ihn nicht sehen; aber es giebt Augen, die ihn sehen, wenn er sich gleich am» Ende der Welt verborgen hätte. Das sind die Glaubensaugem welche ihn nie außer Acht lassen und alle seine Wege verfolgen, sowohl wo er sich zeigt als wohin er sich verbirgt. Darum konnte er nicht verborgen sein, sagt Markns Dies Weib trägt ein schweres Kreuz auf ihrem miitterlichen Herzen: ihre Tochter, die Frucht ihres Leibes, ist in des Teufels Gewalt, und sie muß den großen Jammer ihrer zer- rütteten Sinne nnd ihrer verzerrten Glieder Tag fiir Tag ansehen und kann nicht helfen. Sie ist das un- glücklichste Weib unter der Sonne; sie kann nicht weichen von ihrer lieben Tochter, und kann es doch im Hause nicht aushalten. Sie liefe die Welt durch, wenn sie einen Arzt fiir dies unheilbare Uebel wüßte. Da hört sie voii Jesu, dem Sohne Davids; denn wer hätte nicht von dem gehört, dessen Geriicht durch alle umlie- gende Läiider erscholl? Jhr Entschluß ist bald gefaßt. Sie hat nicht blos von seinen Wundern gehört, sie hat auch gehört, wie gut er ist und sich’s nicht verdrießen läßt, daß man ihm für seine Gutthaten übel lohnt; das macht ihr aufnierksame Ohren zu forschen, wo er ehe- gestern und gestern gewesen ist, und wo er heute sein wird. Und wie sie alles genau erkundet hat, da begiebt sie sich eilends auf den Weg. Gott giebt es, daß solche Leute sich zurecht finden, wo jeder irre geht; denn ans der großen Straße wird sie weit hinabgeschaut und ge- fragt haben, aber es weiß niemand von ihm, doch hier iin abgeschiedenen Winkel müssen die Zwei zusammen- treffen —- der, welcher zu feiner Ruhe eilt, und die, welche nicht Ruhe findet in aller Welt. (Miinkel.) Die Feinheih womit die Noth ihren Heiland wittert und findet, ist eine unendliche, wie unbestimmbare Größe. Sie konnte auf die manuigfachste Weise etwas von der Bedeutung Jesu hören; im Nothsall hätte das Mädchen selber in einem hellen Augenblick den Helfer entdecken und der Mutter anzeigen können. Allein dessen« bedurfte es hier nicht: Jesus konnte nicht verborgen bleiben, schreibt der Evangelist mit Nachdrucb (P. Lange) 23. Und er antwortete ihr kein Wort [sondern wandelte, als ginge ihr Schreien ihn nichts an, seines Weges weiter]. Da traten zu ihm feine Iünger [welchen das fortgesetzte Flehen des. 212 Evangelium Matthäi 15, 24——28. Weibes läsiig zu werden aiifingL baten ihn und sprachen: Laß sie doch von dir sfertige sie ab, indem du ihr kurzweg den Willen thustlx denn sie schreiet uns nach fand geht gewiß nicht eher von der Stelle, als bis ihr geschehem was sie bittet]. 24. Er antwortete aber und sprach: Ich bin nicht esaudt, denn nur zu den verlorenen Scha en vom Hause Israel kam diese wieder in die Hürden zu versammeln, aus denen sie sich verloren, und zu dem Hirten zurück: zubringen, den sie verlassen haben, kann daher ihrer, als einer Heidin, mich nicht annehmen Katz. 10, 5 f.; Apostg s, 26]. »Und er antwortete ihr kein Wort«: das ift im hohen Maße befremdlich. Sie bittet, sie klagt ihreNoth mit Augen voll Thränen; sie stellt sie so groß vor, als sie kann; sie erzählt ihm ihre Bedrängnissh und dieser Liebhaber der Menschen antwortet ihr kein Wort. Das Wort schweigt, der Brunnen ist verschlossen, der Arzt hält seine Arzenei zurückx das ist ja etwas Neues, das ist sonderbar! (Chryfostoinus.) Die Jüuger wurden des Geschreies müde, sind in ihrem Sinn frömmey denn Christus selbst; denn sie dünkt, er sei zu hart und un- freundlich, fahren deshalb zu und bitten für das Weib: lein: Ach HErsiz du siehest, wie demüthig und mit gro- ßem Ernst sie dich bitter, gieb und hilf ihr, sie läßt doch sonst nicht ab. (Luther.) Die Jüuger bitten aber eigent- lich nichts zu ihren Gunsten, sondern nur, weil ihr un- gestümes Wesen ihnen lästig ist, verlangen sie ihre Ab- fertiguiig auf die eine oder andere Weise. (Calvin.) Vielleicht auch fiirchtetett sie das Urtheil der Leute. (Bengel.) Eine wirklich ehrenriihrige Voraussetzung, daß auch den HErrm wie sie, solcher Grund je zum Helfen bewege. (Stier.) Kein Flehender soll uns lästig werden; ein Eleuder ist eine heilige Sache: res sacra miser. (Heubner.) Jesus sollte um der Verheiszung willen, den Vätern geschehen, hienieden ein Diener der Beschneidung sein (Nöm. 15, s) und das Heil erst nach feiner Himmelfahrtz wenn es Israel gänzlich verworfen hatte, zu den Heiden übergehen. Wie Verheißung und Gesetz zunächst Israel gegeben war, so sollte auch die Erfüllung der Verheißung und des Gesetzes, das Evan- gelium, zunächst dem Volke Gottes angehören und das Heil nicht nur von den Juden kommen, sondern auch zunächst den Juden angeboten werden. An diesen Aus- trag des Vaters war Jesus, der gesendete, gehorfame Sohn, unbedingt gebunden; er durfte nicht darüber hin- ausgehen, jede Ueberschreitung wäre eine Uebertretung gewesen. Jesus ist auch nie darüber hinausgegangen; denn der Hauptmann zu Kapernaum, der früher für seinen gichibrüchigen Knecht Für-bitte bei Jesu einlegte und Hilfe gefunden hatte, war kein Heide mehr, sondern bereits ein Iudengenossh und die Juden hatten ihn lieb, weil er ihnen eine Schule, ein Bethcius auf seine Kosien erbaut hatte. Hier im cananäischen Weibe trat dem HErrn die erste wirkliche und die einzig bittende Heidin entgegen; und wir begreifen nun den gewaltigen Kampf, der in seinem mitleidenden, erbarmungsreichen Herzen zwischen dem Befehl des Vaters und dem Zu· e seines eigenen Herzens, zwischen dem göttlichen Rath schluß und der menschlichen zudringlichen Bitte entstehen mußte. Soll er dem heidnischeii Weibe gegen des Vaters ausdrückliches Geheiß zu Willen fein? soll er mit der einen Gewährung Hunderte von den bedürftigeii Heiden herbeilocken? soll er den Juden ein absichtliches Aergers niß bereiten, als ob er nicht in dem engsten Sinne des Worts ihr Mefsias und Davids Sohn wäre? soll er um dieses Weibes willen die feststehender: Gesetze des göttlichen Nathschliisses schon vor der Zeit, schon jetzt aufheben und überschreiten und auf gleiche Weise den Schein der Ungeduld auf sich laden, wie die Jitnger in der Wirklichkeit? Ein heftiges Gedränge, in das einer- seits der pünktlichh buchftäbliche Gehorsam egen den Vater, andererseits die Liebe zu den Menschen en Sohn der ewigen Liebe treibt! Jn der That, Jesus kann und darf dem Weibe nicht helfen; die Zeit und Stunde des Heils für die Heiden ist noch nicht atigebrochen, das Weib ist mit ihrer Bitte zu früh gekommen, und es thut Jesu in der Seele weh, daß er so hart und streng gegen die Frau nicht blos sich stellen, sondern wirklich sein inuß. O, was mochte er leiden dem jammernden Weibe gegenüber! was ist aller Haß und Spott der Feinde gegen die Qual der heiligen Liebe, wenn sie hart sein muß gegen sich und Andere! Wäre diese heilige und harte Lie e nur mehr in der Welt! Unserer Zeit fehlt sie gar zu sehr in allen Gebieten, in der Erziehung der Kinder, im geselligen Umgange unter einander, in den Maßregeln der Regierung; itnsere Zeit in ihrer greuzenlofeu Schwäche und vorgeblichen Hutnaniiät ent- wickelt nur zu oft eine wahrhaft unbarmherzige Barm- herzigkeit, eine weicliliche Nachgiebigkeit in allen Dingen, selbst gegen das Böse und Ungerechte, eine lieblose Liebe, die daher unberechenbaren Schaden stiftet und Verderben anrichtet, und versteht nur hart und lieblos zu fein gegen das Gute« und Christliche, wo es gilt, es zu schmähen und zu verfolgen. Sie ist freilich schwer, diese Consequenz und Härte der wahren Liebe, sie ist auch nur möglich bei einer wirklich heiligen Liebe; aber sie ist das alleinige Gegengift und Heilmittel gegen ei11e krankhafte und durch und durch tingesunde Zeit. (Fr. DlrndtJ Der Heiland berust sich auf seine Sendung vom Vater, auf die Mission, die er von Gott empfangen, zu- nächst nur dahin lautend, ein Diener der Beschneiduug zu sein, um der Wahrheit Gottes willen. Die üble Begegnnng, die ihm eben noch von Israel widerfahren, ja, die ihn genöthigt hat, für eine Zeit lang in die Grenzen von Tyrus und Sidon zu entweichen, hat sein Herz gegen Jelrael nicht gewandelt, daß er, von ihm weg zu den Heiden sich wendend, jene weit Verlorenen nun vollends an sich irre machen und ihnen seine suchende Hirtentreue entziehen sollte: nein! er hat in der Heiden Grenze mit Fleiß sich stille gehalten, nicht wollend, daß jemand um sein Dortsein wisse; und selbst das Schreien jener Heidin, die ihn als den Davidssohn begrüßt, ist ihm nur eine neue Mahnung gewesen an das, was er den verlorenen Schafen vom Hause Israel schuldet. Ei: bleibt, wie widrig sich die Erstberufenen unter den Sündern gegen ihn stellen, mit icngeschwächtem Erbar- men, mit ganzer Herzeiistreue bei dem Auftrage, den ihm der Vater an sie gegeben. Und die Jünger wissen nichts darauf z1i sagen, ihre Fitrbitte verstummt; daß in dem Herzen Jesu neben dem Erbarmen über Israel auch noch für die Heiden Raum und die Erstberufiing Jsraels die Berufung der Heiden nicht a11s-, sondern im tiefsten Grunde mit einschließt, war den Jüngern da- mals noch verborgen. (Roffhack.) Zu seinen Jüngern fprach der HErr diese Worte, das Weib hat sie nicht gehört; hätte sie dieselben gehört, so hätte sie, die sich auf die Dialektik Folgerung) des Glaubens trefflich ver- stand, den HErrn an diesem ersten Worte schon festge- halten und gesprochen: Ja, HErr, du bist nur gesandt zu den verlorenen Schafeu aus dem Hause Jsrael von deinem Gott und Vater; dein Gott und Vater sendet mich aber zu dir, dein großen Hirten der Schafe. (Nebe.) Der starke Glaube des cananäischen Weibes. 213 25. Sie kam aber swährend er noch also mit den Jüngern redete] und fiel vor ihm nieder und sprach: HErr, hilf mir sindem du mir gewährst, was ich für meine Tochter von dir erbiite]. 26. Aber er [nun genöthigt, sein Schweigen gegen sie V. 23 zu brechen] antwortete Und sprach [auf griechisch, in welcher Sprache sie mit ihm redete Mark. 7, 26]: Es ist nicht fein sweil wider alle HausordnungL daß man den Kindern sdes Familienhausetq ihr Brod nehme und werfe es vor die Hunde sunter dem Tis e Luk. 16, 21 Anm., sondern zuvor müssen die Kinder satt werden, ehe den Stubenhündchen etwas zu gute kommen kann Mark. 7, 27]. 27. Sie sprach: Ja, HGrr sein solches den Kindern ihr Brod Hinwegnehmen wäre aller- dings wider Ordnung und Rechtjz aber doch sbestehet daneben recht wohl, daß du mir meine Bitte gewährest, denn um deine eigene Rede weiter zu führen, es] essen die Hiindlein von den Brosamleith die [von den im Uebersluß lebenden Kindern bei Seite geschoben] von ihrer Herren Tische fallen sdenn diese Bröckcheii sind das ihnen zufallende Theils 28. Da antwortete Jesus sin dem, was das Weib sagte, die Kraft des heil. Geistes erken- nend, der solches Wort ihr in’s Herz gegeben und auf die Lippen gelegt, und verstehend, wiesein Vater im Himmel in dem vorliegenden Falle selber eine vorgreifende Ausnahme göttlicher Barmherzigkeit von der allgemeinen Regel mache] und sprach zu ihr: O Weib, dein Glaube ist groß sdaß du dem Geiste nach für Abrahams Tochter zu rechnen bistsz dir gesehehe, wie du willst. Und ihre Tochter ward gesund zu derselbigen Stunde [so daß sie dieselbige, als sie nach Hause kam, ganz ruhig auf dem Bette liegend vorfand Mark. 7, 20]. Bislang hat sie ihm nur von hinten nachschreien und er hat seine Augen von ihrer Noth abwenden kön- nen: das ist halbes Werk, nun will sie das Maß voll machen. Sie fällt vor ihm nieder, sie versperrt ihm den Weg, daß er nicht soll weiter gehen; flehend hebt sie ihre Hände empor und zeigt ihm ihre Augen, die in Thränen schwimmen, ihre Angst auf ihrem Angesicht, ihr zerrissenes Mutterherz, und mit schon gebrochener oder heiserer Stimme sucht sie schluchzend sein Ohr« zu rühren. Es hat schon manchen harten Menschen ein solcher Anblick erweicht, sollte der nicht bei Jesu seine Wirkung thun? Sie sieht ihm tief in seine Augen hin- ein; in seinem« Angesichte will sie es lesen, daß er nicht so hart ist, als er sich hält, und in seinen Mienen will sie die Stärkung des Glaubens finden, welcher sie ge- trieben hat. Man kann jemandem viel abschlagen; aber wenn es heißt: Auge in Auge, da wird mancher Be- schluß wankend und das Versagte wohl doppelt gewährt, darum steht geschrieben: ,,ihr sollt mein Angestcht suchen,« und ist die Verheißungdazu gethan: ,,alle, die ihn an- sehen und aulaufen, deren Angesicht wird nicht zu "Schanden.« Aber er antwortete und sprach: ,,Laß zu- vor die Kinder satt werden! Es ist nicht fein, daß man den Kindern ihr Brod nehme und werse es vor die« Hundes« Jst das die Erhörung von dem Angesichte des HErrn? Freilich, er stößt jenes Weib nicht bei Seite, er tritt sie nicht mit seinen Füßen; aber siehe zu, ob es nicht seine Worte ganz so arg machen, als es seine Füße hätten niachen können. Er wiederholt dem Weibe, was er seinen Jüngern gesagt hat; und als müßte man es ihrer Zudringlichkeit derb zu« verstehen geben, wenn sie es fühlen sollte, nennt er sie einen Hund und bezeugt ihr; Mir soll man nicht nachredety daß ich keinen Unter- schied wisse zwischen den Sündern aus den Heiden und dem heil. Volke Gottes, und also den Bund und die Verheißungeu Gottes aufgehoben, gemein gemacht und das Heiligthum den Hunden gegeben hätte; erst kommen die Kinder des Reichs, alsdann müßt ihr Heiden es ab- warten, ob für euch noch etwas- übrig bleibt. (Mi’inkel.) Christus ist nirgend« so hart gemalt im ganzen Evangelio als hier; denn es ist über die Maßen ein hart Wort, das; der HErr sie also da hinwirft vor die Füße, läßt’s bei dein nicht bleiben, daß sie kein Kind, vielmehr eine Heidin ist, sondern heißt sie einen Hund. Das ist ärger, denn so er sie schlechthin eine Heidin hätte geheißen. O dieses, für einen Hund unter den Kindern gehalten zu werden, ist eben soviel als nicht einmal unter die stnechte gerechnet, sondern schlechterdings von dem ewigen Erbe der Kinder ausgeschlossen werden; ja, ist ebenso; viel gesagt, als spräche er: du bist des Teufels, wie du gehst und stehst, troll dich nur immer hin, du hast hier nichts zu suchen. Das heißt ja hoch versucht. (Luther.) Wie wär’s dem Weibe möglich gewesen, das Wort des HErrn auch nur zu ertragen, wenn ihr nicht der Geist der Wahrheit den Abgrund heidnischer Unreinigkeitz siindlicher Verworfenheih worin sie gelebt, unter dem Gesichte der diimonischeii Gewalten, die sich ihres Töch- terleins bemächtigt, schon vorab aufgedeckt hätte! O, da würde ein Anderer in Unmuth und Zorn über die er- litteue Ehrenkränkung oder in Verzweiflung an der Möglichkeit, Erhörung zu finden, dem Meister, der sol- ches bieten kann, für immer den Rücken kehren! Des Weibes gedemiithigtes Herz dagegen weiß sogar aus dem harten Worte noch Trost zu sangen. Der Heiland, statt unbedingt abzuweisen, läßt sich ja mit dem ,,es ist nicht fein« gleichsam auf die Frage, was sich denn wohl zieme, ob sich’s schicken möchte, daß er seine Gutthat an sie Verwende, mit ihr selber ein; und die Zusammen- stellung der Kinder mit den Hunden —— im Grundtext wird der schonendere Ausdruck ,,Hiindlein« gebraucht — erlaubt noch immer an eine Zugehörigkeit auch der letz- teren zu dem Hause, von dem hier die Rede, wenngleich auf einer niederen Stufe, zu denken. Das macht sich der Glaubensgeist indiesem Weibe trefflich zu Ruhe; sie acceptirh was in dem Munde der Juden härtestes Scheltwort war, aus dem Munde des Heiligen, der allein die Macht hat, so zu reden, und doch nicht schel- tend redet, den Ausdruck Hunde, Hündlein aufs Beste: Ja, HErr, ich kann mich wohl für nichts Besseres aus- gebeiuiikli beanspruche auch kein Kinderrechh will nicht wie eine Königstochter gehalten sein; aber laß mich denn nur in dem Recht der Hiindlein, die man im Hause zu seinen Fiißen duldet, wenn sie ihre Augen wartend zu ihren Herren aufheben, laß mich auflesen, was von deinem reichen Tische für solche arine Wesen, wie ich bin, mit abfällt, die Kinder brauchen ja darum nicht verkürzt zu werden. (Rofshack.) Ob sich Christus gleich hart stellt, so giebt er doch kein endlich Urtheil, daß er Nein sage, sondern alle seine Antworten lauten wohl »als Nein, sind aber nicht Nein, sondern hangen und schwei ben; denn er spricht in V» 23 nicht: ,,ich will sie nizht horen«, sondern-schweigt stille, sagt weder· Ja noch Nein. Also spricht er in V. 24 nicht, sie sei nicht vom Hause 214 Evangelium Matthäi II, 29——33. Israel, sondern er sei allein zum Hause Jsrael gesandt, läßt es also hangen zwischen Nein und Ja; also spricht er hier nicht: »du bist ein Hund, man soll dir 1iicht vom Brod der Kinder geben,« sondern es sei nicht fein, daß u. f. w., läßt es abermal hangen, ob sie ein Hund sei oder nicht. Doch lanten alle drei Stücke stärker auf das Nein denn auf das Ja, nnd ist doch mehr Ja drin- nen denn Nein — ja, eitel Ja ist drinnen, aber gar tief heinilich, nnd scheint eitel Nein. (Luther.) Nach Markns hat der HErr noch vorab gesagt: ,,Laß zuvor die Kinder satt werden«; das iebt der Bittenden ein Flinklein Hoffnung mehr, das ist zugleich eine Weissa- gnug des Geistes aus des HErrn Munde, bei der wir denken mögen: ach, sie sind leider zu satt geworden, daß sie das Brod Gottes von sich gewiesen für die Hunde draußen! Derselbe Geist nun, welcher den HErrn so und nicht anders reden heißt, lehrt die cidin zu- fahrend ergreifen, was als Handhabe darge oten war selbst in diesem harten Wort. Sie mag sich hernach ihr Lebelang selbst gewundert haben über die kecke, kluge, dringende Antwort, welche ihr der Geist der Gnaden und des Gebets augenblicklich eingegeben; denn dieser wirkt überall mit in solchen Angstniomenten, wo eine nach Gottes Hilfe ringende Menschenfeele das kleinste Fingerlein zu fassen klug und witzig wird. (Stier.) Wenn Stahl und Stein zusammentreffen, so springen Funken heraus; als das stahlharte Wort des HErrn zu- sammentraf mit dem felsenfesten Glauben des Weibes, da gab ihr Glaube Funken, und die Funken, das sind ihre treffenden Worte. Wenn man eine gute stähleriie Klinge umgebogen hat, daß sie sich krümmte wie ein Reif, dann schnellt sie sogleich mit Macht wieder kerzen- gerade auf; als der Glaube des Weibes sich demüthig krumm gebogen hatte mit dem ,,Ja, HErr!« da fchnellte er gleich einer guten Damascenerklinge unzerbrochen sich wieder auf mit dem nachfolgenden »Aber doch«. Das ist das schönste von allen ihren Worten. Rührend war das ,,Ach, Err«, mit welchem sie zuerst ihn anrief und ihre Noth i m klagte; besser noch war das ,,Hilf, HErr«, mit dem sie steh ihm zu Füßen warf und anhielt am Bitten; noch fchöner war das ,,Ja, HErr«, mit welchem sie ihren ochmuth niederkämpfte und sich demüthigte unter sein kanns, prilfendes Wort; aber am allerschönsten ist das ,,Doch, HErrTC mit welchem sie ihren Kleinmuth bezwang und das Körnlein Trost herausgriff aus feinem harten Befcheid. Siehe, will sie sagen, wir sind« ja die "Hündlein, wir wollen uns nicht messen mit den Kindern, wir wollen ihnen das Brod nicht wegschnappenx aber wenn nun ein Paar Brosamen vom Tische fallen, so gönnt man’s doch den Hündlein unter’m Tisch. Wenn denn von deiner Zeit ein Paar Stunden, von deiner Kraft ein Paar Proben, von deiner Liebe ein Paar Al- mosen abfallen für uns arme Heidenlente — ist das zu viel verlangt? geht denn das den Kindern ab? wirst du uns das weigern, lieber Hausvater? (Gerok.) Es ist die ganze Glaubenstheorie in den drei, vier Worten beisammen: »Ja, HErr; aber doch« —- (o. Zinzendorf.) »Ja, HErr« ist Anerkennung ihrer eigenen Unreinheit, Unwürdigkeit; nach dem Gesetz gebührt ihr nichts, ich bin nichts werth. »Aber doch« ist Berufung auf die göttliche väterliche Barmherzigkeit, die auch mit Hünd- lein, mit gefallenen Creaturen Mitleiden hat. Dies ist das Ringen mit Gott, wie es in Jakobs Beispiel (1. Mos. 32) vorgehalten wird. (Heubner.) Dies Weib hat fiegreicher gerungen als Jakob, der doch aiif dem Grunde einer Berheißung stand; ihr Bitten ist ein Wollen geworden, welchem des HErrn ernster, menschlich gefaßter Wille wirklich weicht, damit der jetzt in ihr geoffenbarte Wille des Vaters geschehe. Wie Markus die ganze Geschichte angefangen hat, mit einem Wollen des HErrn, und konnte doch nicht, so geschieht jetzt, was das Weib will, durch ein heilig wunderbares, eigentliches Nachgeben des HErrm (Stier.) Die Menschen pflegen nicht allein diejenigen Lobsprliche, welche ihrem schein- baren Verdienst und dem Werke ihrer Hände gezollt werden, zum Stolze anzuwenden, sondern auch diejenigen, welche ihnen wegen der Gaben Gottes geschenkt werden, die sie ganz augenfällig ohne alles eigene Verdienst und Würdigkeit besitzenz jeder Besitz ist in sofern gefährlich, es können deshalb solche, die für die Demuth gerne sorgen, leicht auf den Gedanken kommen, als würde es besser gewesen fein, wenn der HErr dem Weiblein kein Lob gesprochen hätte. Allein Christus weiß einestheils sein Lob gar weislich auszutheilein er giebt es denen, die ihre eigene Gerechtigkeit verlassen und ihn allein er- greifen, die ohne Hochmuth demüthig zu ihm fliehen; anderntheils weiß er, daß wahres Lob, wie jede Wahr- heit, zwar mißbraucht werden kann, aber nicht miß- braucht werden muß. Er leitet feine Hilfe für die Be- trübte mit der Anerkennung ihres Glaubens ein nnd bahnt so seiner Hilfe den Weg; dem Zagendem der ge- nug Ungemach ertragen, ist Anerkennung dessen, was ihm Gott gegeben, nicht ein Flügel des Hochmuths, sondern des Glaubens, er empfängt eine solche Aner- kennung aus wahrhaftigem Munde wie eine Weisfagung zukünftigen Segens als Stärkung der Geduld. Die das Lob weder für sich, noch für Andere zu gebrauchen wissen, die es nicht gebrauchen können, ohne es zu mißbrauchen, entbehren für sich und Andere ein Erziehungsmittel Gottes, das er nnd seine Heiligen allezeit gewiß mit nicht minderen Segen angewendet haben, als gerechten liebevollen Tadel. (Löhe.) III— v. 29——39. (§. 59.) von der Grenze Tini and Sidon wieder aiiggehend, zieht sich der HGry wie es Meint, in einem geschmangenen ljalbheeisy der ihn zu· nächst direct) die Gebtrgoiiden und Thalschtiictiten am Fuße des Libanon und Jtntilibaaom dann an dem schnee- bedecliten Gipfel des großen Hei-man vorüber nnd hier- aus nach Jturäa nnd Jlneauitig fährt, in das Gebiet der 10 Städte anf der Südostsette des galilätscheii Meeres znrücli nnd heilt dort (etwa bei der Stadt tjippos Kur. it, 25 Blum) jenen Tauben, der stumm war (1Uarli. 7, 31 ff.); anf seinem weiteren sage dem Meere entlang gelangt er wieder bis zu demjenigen Berge, der schon vor 7 Wochen seine Zuflucht-hätte gewesen, and hat dort Z Tage lang die vollisliaiifen bei sich. Jllle illermathuiig spricht dafür, daß er sie absichtlich bis zam dritten Tage hingehalten und daß dieser Tag der 7. Juni deg 229 n. Ehr. gewesen sei. Ge war das der psiiigsltag jenes Jahres; nnd wie am 17. April den passatag, so friert der tjGrr jetzt den Tag der Pfingsten mit einein Spei- sungswander in der Wüste, das St. Mattliiiao ganz nahe an die Geschicht: vom cananätschea Weibe gerüclit hat. Hatte nämlich der HErr in dieser letzteren Geschichte den Grundsatz ausgesprochen, daß erfl die Kinder« des Hauses satt werden müßten, ehe an die den Hunden gleichslehenden Heiden gedacht werden könne, nnd hatte er dann doch auch von einer Heidln sich eine Gabe seiner Barmherzigkeit entreißen lassen, so sehen wir ihn jetzt sofort wieder deni Volke seines Eigenthum-i sich zuwenden und diesem in solchen Gegenden, wo er noch Aufnahme findet, das Brod mit oollea Händen zatheileii nnd ein— fiiltiglich nnd ohne es anfzuriiiiien (Sali.1, 5) ihm seine Segengwohlthaten spenden. Vgl. Mart. Z, 1——10. 29. Und Jesus ging von dannen saus dem Gebiete von Tyrus und Sidon V. 211 fükbaß U. Saum 10, 3 Anat. l] still! kam [aai Schluße Der HErr heilt an der Osiseite des galiläischen Meeres viele Kranke. 215 der vorhin, in der Eint. zu unserm Abschnitt be: schriebenen Wanderung] an das galilaische Meer sauf dessen Ostseite], Und ging auf einen Berg [den bestimmten, schon in Kap. 14, 13 gemeinten Berg jener Gegend Joh. S, Z] und fehle sich allda lzu Lehrvorträgen an das Volk bereit Kaki. 13, 1]. 30. Und es kam [denii auch] zu ihm viel Volks sdas theils schon unterwegs sich ihm angeschlossen hatte, theils in immer neuen Schaaren herzuströmtes die hatten mit sich Lahme, Blinde, Stamme, Kruppel fGekriiiutnte an Armen oder Füßen] und viel an- dere kSieche nnd GebrechlicheL iind warfen sie fda ihrer zu viele waren, als daß man sie einzeln hätte vorfiihren nnd um ihre Heilung bitten können] Jesu vor die Füße sals sollten sie mit ihrem hilflosen Daliegen für sich selber bitten], und er heilete sie [alle ohne Unterschied]; 31. Daß sich das Volk lwelches in diesen Ge- genden noch nicht so, wie das auf der andern Seite des Meers, an den täglichen Anblick seiner Wunder- werke gewöhnt war] verwnnderte,»da sie sahen, daß die Stummen redeten, die Kruppel [nun] ge- sund waren, die Lahmen gingen, die Blinden sahen lKaps II, d]- iind preiseten den Gott Israel fder so wunderbar wohlthuend in diesem Jesus seines Volkes sich angenommen habe Luk. 7, 16]. Auf das Wunder, das sich mit dem cananäischen Weibe zugetragety folgt abermal ein Verzeichniß anderer Wunder; denn der ganze Lebenslauf Christi mußte also beschrieben werden, daß er entweder lehrte oder Wunder sehen ließ oder beides zugleich that, weil, wie Petrus in Apostg 10, 38 bezeugt, er dazu vom Vater gesalbt wor- den mit dem heil. Geist und Kraft, nnd dazu gesandt, daß er umherzöge und wohlthiite und gesund machte alle, die vom Teufel überwältiget waren. Denn alle diese Krankheiten werden dem Teufel als einem Mörder nnd Feinde des menschlichen Geschlechts zugeschriebem weil sie alle von der ersten Sünde herkommen, wie auch der Tod davon herkommt; weiter vermehrt und ver- größert er dieselben und wirkt sie theils durch sich selbst, theils durch seine Engel, durch Menschen und durch an- dere gleichfalls schädliche Uebel, daß er also gar recht der Ursächer aller Krankheiten uiid Uebel mag genannt werden, gleichwie er genannt wird ein Urheber des Todes und ein Vater der Lügen· Dabei ist aber dies zu merken, daß dieses sein vieles Umherziehen im Lande und sein Wunderthun zur damaligen Zeit den Leuten gestillt; denn sie verwundern sich und preisen Gott, der diese Krankheiten oder Werke des Teufels durch Christum zerstört und aufhebt. Aber hernach, da Christus vor Pilato angeklagt wird, da werden eben diese Wunder und Wohlthaten genannt Aufruhr, Verftihrung, Rebellion wider den Kaiser und Hohenpriester, daß er vor beiden Gerichtsstätten verdammt wird· Das ist der Lohn, welchen die Welt für die Wohlthateu und Wunderthateu giebt: so lange sie bedürftig sind und Gutes empfangen, so loben sie es sehr und bewundern es; aber wenn sie satt worden sind, so verdammen und verfluchen sie’s. Ja, du frommes Frtichtleiu, du liebes Kind, Frau Welt! wie du gewesen bist von Anfang, so bist du noch jetzt und in Ewigkeit. Doch sind diese Wunder fiir uns, die wir erwählt sind, geschrieben; jene stoßen sich daran, wir aber werden dadurch erbaut, wenn wir durch sie lernen nnd glauben, daß wir an Christo einen gnädigeiy »sanftmüthigeii, liebreicheiy gutthätigen HErrn haben, der auch kann u will und weiß zu helfen. Denn hier er- zeigt er sich, daß er der allmächtigste Herr sei über alle diese Krankheiten oder Werke des Teufels; und ist kein Zweifel, daß er auch der allmächtigste Herr ttber den Teufel selbst sei, dessen Werke er mit so leichter Mühe aufhebt und zerstört. Und obwohl iii diesem Leben die gedachteu Wunder nur etliche Personen betroffen haben, doch werden sie iu jenem Leben an alle diejenigen ge- langen, die an ihn geglaubt haben; denn alsdann wird er diese seine Gewalt öffentlich an allen beweisen, die er jetzt nur aii etlichen gleichsaiu zu verstehen giebt und weist, um unsern Glauben dadurch aufzurichten. (Luther.) Jn der nichtjudäischen Wirksamkeit Jesu kommen wenig- stens zwei berühmte Berge vor, die aufs Sorgfältigste von einander geschieden werden müssen: der eine lag am Westufer des galiläifchen See’s unweit Kapernaum, hier war es, wo er die sogen. Bergpredigt sprach (Kap. S, 1) und wo er sich vielleicht auch seinen Jüngern zu- letzt in Galiläa zeigte (Kap. 28, 16); der andere lag am Oftufer des See’s iu Verein, auf ihm war er zur Zeit der beiden Speisungen. (Wieseler.) Die Verklä- rung dagegen hatte anderswo statt (Kap. 17, l Anm.). Jene Höhe, auf welche Jesus sich nieder-setzte, als das Volk herbeikam, lag Magdala gegenüber, auf dem Hochs lande befindlich, welches den Wady ewsemakh ein- schließt (s. Karte Vl.), und zwar war es der nördlich vom Thal gelegene Bergrückenz denn südlich davon war die Gegend, wenn heute noch, damals um so viel mehr bewohnt, während das nördliche Plateau öde war. Daß aber das Volk drei Tage (V. 32) in unbewohnter Ge- gend zubringen und auch im Freien mit Weibern und Kindern übernachteu konnte, wobei freilich nach und nach ihre Speisevorräthe sich aufzehrten, ist ein Zeichen, daß die Begebenheit in die wärmere Jahreszeit gefallen sein müsse. (Lichtenstein.) Das sie »warfen« die Kranken zu Jesu Füßen bezeichnet die Eilfertigkeit bei der Größe des Zudranges zu Jesuz da war keine Zeit zu irgend umständlich abgemessenem Verfahren. (v. Burgen) ,,Zu Jesu Füßen«; denn als Anbetende (Kap. 8, L) sollten sie vor ihm liegen. (Meyer.) 32. Und Jesus rief [am dritten Tage dieses Verweilens in der Wüste, nachdem er nicht nur alle Kranken geheilt, sondern auch die Seelen der Leute reichlich gespeist hatte mit dem Worte des Lebens] seine Jungek zu sich [als wolle er in der Noth, die ihn beschäftigte, über die Mittel der Ab: hilfe sich mit ihnen berathen] und sprach: Es jammert mich des Volks; denn sie fdiese Tausende, die ihr da vor euch sehetJ nun wohl drei Tage bei mir verharren und haben [ietzt, w»o der initgebrachte Vorrath von Lebensmitteln ihnen nun ausgegangen] nichts zu essen; und ich will [doch als der, von dem es auch im Leiblichen gilt, daß bei ihm «nie was verdorben« Pf. 23, I; Luc 22, 35] sie nich! nngeessen [oder, wie Luther hier geschrieben: un- gessen Dan. 6, 18 Anm. 1] von mir lassen, auf daß sie [von denen nicht wenige von ferne her sind] nicht versvchmachten auf dem Wege [nach Hause; was, meinet ihr, ist da zu thun?]. .33. Da sprachen zn ihm seine Jünger fdie nicht ohne Weiteres eine Wiederholung des früheren Wunders Kap. 14, 18 ff. von ihm erwarten zu dürfen glaubten, vielmehr aus seiner Frage schlossen, 216 er wolle dies Mal auf gewöhnlichen! Wege helfen, und da allerdiiigs nicht begreifen konnten, wie das möglich sen: Woher uiögen wir so viel Brods nehmen, daß wir so viel Volks sattigen? Fitr die Erbauung im Glauben und in der Erkennt- niß Gottes war dort in der Wüste trefflich gesorgt, und die Seele hatte keinen Mangel; aber der ållkensch hat auch einei1"Leib, und wenn die Seele gespeist wird, will der Leib nicht leer ausgehen. Den ersten und zweiten Tag ging es noch recht gut: die zusammen gekommen waren, hatten sich mit Speise versorgt, aßen, was sie mitgebracht hatten, und theilten aus an Vedltrftige, so viel sie konnten. Nur scheinen sie nicht berechnet zu haben, daß sie drei Tage in der Wüste bleiben würden und daß die Wüste fernab von menschlichen Wohnungen läge. Was sie sahen und hörten, ließ siealle Gedanken an die Versorgung des Leibes vergessen; sieaßeu, so lange sie etwas hatten, nnd fühlten den Mangel erst, als alles aufgezehrt war und sich der Hunger mit dem dritten Tage einstellte. Die menschliche Klugheit spricht: »das hätte vorher bedacht werden müssen; aber so geht es, wenn man zu fromm ist, vor lauter Frömmigkeit wird das Jrdische versäumt und der Leib vernachlässigh bis die vergebliche Reue hinten nachhinkt.« Der Vorwurf trifft eigentlich den Errn am allermeistem warum hat er das Volk so lange aufgehalten? er konnte leicht den- ken, daß das nicht gnt gehen würde. Schon am zweiten Tage hätte er sagen müssen: Lieben Leute, ihr sehet, daß hier nichts als Gras wächst, und weit und breit ist kein Brod zu haben; macht euch bei Zeiten auf in die Städte und Dörfer, damit ihr nicht verschmachtet. Dann aber htitte er von den kostbaren« Festtagen seiner Offen- barung den dritten streichen müssen. Flltünkelh Was meinst du, daß die Leute bei Jesu get an oder gesucht haben? Ohne Zweifel anders nichts, denn daß sie dem Wort nachgegangeu und dasselbe zu hören begehrt haben; das ist darnach die Ursach, daß er sich ihrer so herzlich annimmt und läßt sich dünken, er müsse sorgen, wie sie zu essen haben, daß sie nicht verschmachten. Daß also dies die vornehmste Lehre sein soll, daß wir am ersten nach dem Reiche Gottes und dem Worte trachten u1id demselben nachgehen sollen; wenn das geschehen ist, so sollen wir darnach den HErrn Christum für den Bauch sorgen lassen, denn er hat’s beschlofsem wenn wir seines Wortes Schüler sind, daß wir nicht sollen Hungers sterben. Nach dem geistlichen Almosen geht das andere Almosen, das geringere auch an, daß der HErr auch dem Leibe will helfen; denn Christus ist nicht darum kommen, daß er Seel oder Leib verderben wolle, sondern beiden helfen. Darum spricht er: ,,Mich jainmert des Volks 2c.« Hier« sage mir: wenn das Volk selbst zn Christo hätte eine Botschaft geschickt, ihre Nothdurft anzuzeigen, ob sie es auch so wohl hätten können werben, als er es selbst bedenkt und auch seinen Jüngern vorhält; denn wie könnten sie stärkere Ursach vorwenden, ihn zu bewegen, denn daß sie sagten: Ach, lieber HErr, laß dich doch jammern des armen, großen Volks, die dir so weit nach- gezogeii sind, dich zu hören. Zum Andern denke doch, daß sie nun drei Tage bei dir blieben und verharrt; zum Dritten, daß sie nichts zu essen haben, denn sie sind in der Wüste; zum Vierteu, wenn-du sie ungessen von dir lässest, so müßten sie unterwegen verschmachten, sonderliih was da sind schwache Leute, Weiber und Kin- der; zum Fünften denke doch, daß etliche sind von fern kommen. Siehe, das bedenkt er alles selbst, ehe es ihm jemand sagt; ja, er ist schon darum bekümmert, ehe sie denken, ihn zu bitten, nnd ihre Noth ernstlich mit den Jüngern beredet und davon rathschlägtz wie ihm zu thun sei. Was ist das alles anders deun eitel lebendig Evangelium Matthäi 15, 33 Am. Predigt, Beweisung und Zeugniß, daß er es so wohl nnd herzlich mit uns meint und zuvor, ehe wir ihm können etwas vorbringen, uns in’s Herz siehet, besser denn wir selbst können reden, daß kein Mensch dem an- dern herzlicher könnte eiureden. Es , spricht er zu deu Jüngern, jammert mich schon und habe schon alles ge- dacht; aber lasset doch ihr euch auch hören, was rathet ihr dazu, wie man ihni thue, daß dies Volk gespeifet werde? (Luther.) Zu den wesentlichen Punkten, wodurch diese Geschichte von der in Kap. 14, 13 ff. sich unterscheidet, gehört-zu- nächst die Versammlung, mit der Jesus es zu thun hat: dort war es die galiläische Volksnienge, die nun schoii lange seine Wunder gesehen und sein Wort gehört, der er darum nunmehr durch die wunderbare Speisung sich als den von Mose geweissagten Propheten des neuen Bandes bezeugen und damit eine Entscheidung herbei- führen wollte, ob sie im Glaubensgehorsam sich ihm zu ergeben bereit sei, wie das in jener Weifsagimg längst zuvor schon gefordert war (5. Mos.18, 15 u.19), welche Entscheidung deun auch am andern Tage in der Schule zu Kapernaum sich dahin vollzog, daß viele sei- ner Jiinger hinter sich ingen und hinfort nicht mehr mit ihm wandelten (Joh;. es, 60 ff.); hier dagegen zieht der HErr, nachdem eine Scheidung zwifchen ihm und jener Volksmenge stattgefunden, sie ihn und er sie bereits aufgegeben hat, allein niitseinen Aposteln von einer ent- legenen Gegend in die andere, und es ist die fremde auswärtige Einwohnerschaft des Steppenplateaus jenseit des galiläischen Meeres, die in öder Gegend sich um ihn sammelt, auch bei ihm verhärtet, nachdem er ihre Kran- ken geheilt hat, nnd hernach, als das Speisungswunder geschehen ist, ruhig seiner Weisung, womit er sie entläßt, folgt, ohne daran zu denken, daß sie ihn zu einem König für den irdischen fleischlichen Sinn machen wollten. Jst so die Physiognomie der diesmaligeii Volksmenge äußer- lich nnd innerlich eine ganz andere, als die der Fünf: tausend am Osterfest, so kommt eine weitere bedeutsame Verschiedenheit dadurch« hinzu, daß damals die Jünger es waren, welche glaubten, rathend und fürsorgend für das zeitliche Bedürfniß eiugreifen zu müssen, weil es fchien, als ob der HErr so sehr an das Geistliche und Himmlische nur allein denke, daß ihm das Jrdische und Leibliche darüber ganz entschwände; hier dagegen ist das Volk so gänzlich in Iesum versenkt, daß es des zeitlichen Bedürfnisse-s vergißt, und nun Er, derHErr, vorsehend und fürsorgend eingreift. Gewöhnlich faßt man die Rede der Jüngerx ,,Woher mögen wir so viel Brods nehmen in der Wüste, daß wir so viel Volks sättigen?« als eine Frage des Zweifels und der Rathlosigkeih und muß nun nach allerlei Erklärungsgründen sich umsehen für diese auffällige Erscheinung, daß die Jünger den frühe-« ren Vorfall so völlig vergessen haben, als wäre er nie gefchehen, als wüßten sie gar nichts mehr davon. Da meinen denn die Einen, es habe überhaupt nur Eine Speisung sich zugetragen, die aber, indem verschiedene Berichterstatter in etwas verschiedener Weise sie erzählten, aus Mißverständniß dieser Verschiedenheit der bloßen Erzählung verdoppelt worden sei, oder wenn es auch zwei Speisiingen gegeben habe, so hätten doch die Be« richte davon in der mündlichen Ueberlieferung noch in höherem Grade, als die Begebenheiten an sich einander ähnlich waren, sich ähnlich gestaltet und die Eoangelisten nun nach dieser Vermischung oder Vermengung erzählt, während in Wirklichkeit die beiden Bege enheiten sich nicht einander so nahe berührt hätten; Andere nehmen einen längeren Zeitraum zwischen den beiden Speisungen an, und da der HErr in dieser Zwischenzeit, wenn wie- der einmal Mangel an Brod eintrat, nicht, wie bei der ersten Speisung, wunderbar half, so hätte sich die Er- Die Frage der Jünger wegen Speisung des dem HErrn nachgefolgten Voltshaufens innerung an jene That seiner Gotteskraft zuletzt gänzlich vermischt und follte eben jetzt wieder ausgefrischt werden durch ein zweites Wunder derselben Art. So wenig wie die erste Ansicht, welche aus den heil. Evangelifteii Mährchenschreiber macht, die selber nicht recht gewußt, was sie eigentlich wollten, können wir die zweite brau- chen, die sich gar nicht erst die Mühe giebt, die Zeitord- nung im Leben Jesu zu erforschen, sondern die evange- lischen Erzählungen als ein buntes Durcheinander be- trachtet, für die es eigentlich gar keine bestimmbare Zeit ehe; es hat aber auch gar nicht noth, dergleichen ünste zu suchen, wir brauchen nur die Jiinger richtig zu verstehen, was sie mit obigen Worten sagen wollen. »Es klingt fast, wenigstens bei Matthäus, wie leise An- spielung, schüchterne Frage, die sie nur ehrfurchtsvoll verdecken: etwa wieder so, wie damals? Sie wagen weder dies noch das über seine jetzige Meinung zu denken, wissen verlegen im Augenblick gar nicht recht, ·was sie sagen sollen, und sagen wirklich das Richtigste und Unverfänglichstex ganz aufrichtig wollen sie weder dreist zufahren mit ihrem halben Glauben an zu wie- derholendes Wunder, itoch ihr halbes Zweifeln als eigentlichen Widerspruch entgegenstellem sie kehren also lieber auch zur damaligen Rede zurück: Woher uns in der Wüste so viele,Brode, das; wir so vieles Volk sät- tigen? Das nimmt der HErr freundlich alsbald, weil doch zugleich so etwas darin lag, als Erinnerung an den früheren Vorgang anf und antwortet darum auch seinerseits (V. 34): Wieviel Brode habt ihr? Das hieß: Allerdings wieder so! (Stier.) Erinnern wir uns des über »die Bedeutung des ersten Speisungs- wunders zu Kap. 14, 21 Gesagten, so ist zwar die dop- pelte Bedeutung, die eine in Beziehung auf den HErrn selber, die andere in Beziehung anf die Jttnger, gleichwie bei jener Gefchichte, so auch bei dieser festzu- halten und nicht etwa die eine aus das erste, und die andere auf das zweite Speisungswunder zu verweilen; wohl aber liegt in der Doppelseitkkeit der Bedeutung der Grund, warum ein so geartetes under zu zweien Malen vollbracht worden ist, und wie nun die Bezie- hung auf den HErrn und seine Bestimmung fttr die Menschenwelt es nöthig gemacht hat, daß das erste Mal das Wunder gerade zu der Zeit geschah, da die Ostern, der Juden Fest, nahe war, soläßt sich aus der Bezie- hung auf die Jün er und ihre Bestimmung für die Kirche schließen, da das Wunder zum zweiten Mal zu der Zeit geschehen, da der Tag der Pfingsten erfüllt war. Schon ein Jahr zuvor, ehe das neutestamentliche Osteri und Pfingstfest an die Stelle des alttestamentlichen treten sollte, ist dieser Wechsel, so meinen wir, als vom Vater gewollt dem Sohne angezeigt nnd von dem Sohne in einer typischen Handlung vorbereitet worden; es ist da auf Seiten der Jünger viel mehr der Geist Gottes, der bei der vorliegenden Geschichte die Zurückhaltung in ihnen bewirkt, daß sie nicht zufahren mit der An- muthung eines abermaligen Wunders von der Art, wie sie es vor einigen Wochen erst erlebt haben, als der Geist ihres eigenen Ich (dem hätte im Gegentheil solche Anmuthung nur zu nahe gelegen, zumal Ort und Uni- stände einander so ähnlich waren), und was sie nun bei solcher Zurückhaltung allein sagen können und auch wirklich sagen, ist wie das Mittel, wodurch der Vater dem Sohne es in die Hand giebt, was er, der nichts von ihm selbst thun kann, sondern nur thut, was er siehet den Vater thun, jetzt zu thun habe (vgl. die Aus- einandersetzung zu Kap. 14, 14 unter Anm. 2). Jesus hat auch zu Pfingsten des J. 29, gleichwie schon zu Ostern d. J» nicht hinaufgehen können nach Jerusalem, mit seinem Volk das Fest« zu feiern; die Obersten der Juden haben ihm die heil. Stadt und das Haus seines 217 Vaters verschlossen mit ihrer Feindschaft anf Tod und Leben, der er sich nicht eher Preisgeben darf, als bis seine Stunde gekommen. Da führt ihn der Vater, in- dem er in sluchtähnlicher Wallfahrt, selbst aus Galiläa heraus edrängt, durch die Grenzmarken des heil. Landes umherzieht, dort in der Wüste eine neue Gemeinde zu, die drei- Tage bei ihm ver-harret und hernach nicht daran denkt, ihn zu haschen und zum Könige zu machen: sie ist das Vorbild und Unterpfand jener Pfingstgemeinde vom J. 30 (Apostg. 2), die an die Stelle der ganzen« Gemeinde Israel tritt und der nun, was dieser zuge- dacht mit seinem Opsertod, auch wahrhaft zu gute kom- men soll. Während also bei der ersten Speisung es gewissermaßen der Israel nach dem Fleisch ist, der den Segen des HErrn erfährt, ist es bei der zweiten Spei- sung der Israel Gottes, wie ihn der heil. Geist aus jenem einst ausscheiden wird; dieser wird um seines Glaubens an Jesum willen in Bedrängniß und Dürf- tigkeit gerathen, er wird mancher Noth und Entbehruug entgegen gehen, daß er würde verschmachten und ver- kominen müssen unter dem übrigen Volk, aber den HErrn jammert derer, die bei ihm verharren, und er setzt seine Apostel in den Stand, sie auch leiblich zu versorgen und zu erhalten. Die Mittel dazu sollen nicht von außen her kommen, Unterftützirngswohlthaten soll die judeni christliche Gemeinde nicht nöthig haben von ihren un- gläubig gebliebenen Volksgenossen in Anspruch zu nehmen, sondern das Wenige, was sie an zeitlichem Hab und Gut selber besitzy soll ausreichen zu ihrer Erhaltung, daß es an dem täglichen Brod für alle sieben Tage der Woche ihr nicht se )le; und was nun dieses zweite Spei- sifingswunder in dieser Weise prophetisch verkündet, das« it ernach geschichtlich zur Thatfache geworden durch die sog. Gütergemeinschaft der ersten Gemeinde, durch das von dem Apostolat abgezweigte Diakonenaint zur Almosen- pslege und weiterhin durch die Collekteneinrichtung bei den heidenchristlichen Gemeinden (Apostg. L, 44 ff.; 4, 32 ff.:6,1fs.311, 27 ff.; 12, 25; Röm. 15, 26 f.; Gal. L, 10). »Ehristi Armenpsleger sind dieselben, die ihm auch predigen und taufen helfen; die irdischen Gaben, die er austheilen will, schafft er selbst herzu, alles aber giebt er den Dürstigen durch dieselben Hände, durch welche er die geistlichen Segnungen reicht. So sehen wir also hier schon das Amt, das den Geist giebt, ver- einigt mit dem Amte, welches irdische Gaben darreicht; das Brod der Seele und das Brod des Leibes sind in denselben Händen. lInd so blieb es auch, nachdem der HErr aufgefahrem der Geist ausgegossen und eine Ge- meinde gesammelt war. Wer hat die freiwilligen Gaben der Gemeinde von Jerusalem, welche mit so großer Aufopferung gegeben wurden, in Empfang genommen? Dieselben Männer, die wir hier in der Wüste zu Tische dienen sehen, thaten’s auch, nachdem sie durch die reiche Begabung des heil. Geistes Väter der Kirche geworden waren; sie dienten zn Tische, sie gaben den Armen und Wittwen aus dem gemeinsamen Schatze aller Glieder der ersten Gemeinde ihre Nothdurft Und auch, als aus dem Apostolate die andern Aemter wie Zweige hervor- zuwachsen anfingen, als die Apostel, wie einst Mose, nothgedrungen ihre Geschäfte auf Andere übertragen mußten, als sie das Amt der h. Diakonen oder Armen- pfleger stifteten, war doch auch dies Amt nach ihrer Meinung nichts anderes, als ein Amt der Kirche und wurde von den Aposteln unter Handauflegung gesegnet. Das Amt der Diakonen ist von dem der Presbyter oder Aelteften rundverschieden; aber beide gehörten der Kirche, beide mugten von heiligen, mit geistlichen Gaben geseg- neten Personen verwaltet werden, beide wuchsen aus der Machtvollkommenheit des ersten Amtes, des Apostolats hervor. Das ist nicht unwichtig: Armenpflege und 218 Evangelium Matthäi is, 34———39. 1e,1. Seelenpflege sind beide geistlich; die Leiber· der Armen und die Seelen aller stehen unter besondern heil. Aeins tern. Gleichwie die Seelen nicht weltgesiunten Männern anvertraut werden, so auch nicht die Leiber der Armen. Alle Leiber sollen Heiligthum sein denen, welche sie tra- gen; die Leiber der Armen genießen besondere Qbsorge und Pflege durch das kirchliche Amt der Dicikonem Wohl den Armen, für welche die Kirche sorgt, die unter heil. Diakouen leben, kranken, genesen und sterben! wohl den Zeiten, wo es Diakonem vom HErru gesetzte Armen- psleger gab! Armenpflege der Kirche ist vom Geiste frei- williger, lanterer, himmlischer Liebe getragen, sie geschieht im Namen des HErrn; da steht immer Er an der Spitze, und wie die Apostel in der Wüste, so schauen die Augen aller Diakonen auf die Hände des HErrly ihr gesammter Dienst ist ebenso Ihm, dem hochgelobten Haupte, wie den Armen gethan. Da ist — alles Menschliche zuge- geben, welches eintreten kann — doch jedenfalls zu ver- muthen, daß nicht der Geiz, sondern milde Liebe und barmherzige Fürsorge den Siickel hüten, daß nie zu wenig, nie etwas blos zum Schein geschehen wird. Wie ganz anders, wo die Armenpflege ein weltlich Amt, ein weltliches Gebot wird, und statt der freien Liebe das strenge Muß und die Gewalt herrscht! Da erwacht Mißtrauen und Widerstreben — nnd der Arme wird, weil er ein Schützling irdischer Gewalt wird, zu einem Gegenstande der Abneigung, zu einer liebes-last, vor der man sich hütet, welche aufzunehmen man sich auf alle Weise weigert, welche abzuschütteln man jedes Mittel ergreift. Ich sage nicht zu viel, ich verweise auf die Wirklichkein wir erleben es allewege, daß Armenpflege unter dem Fittich weltlicher Befehle nicht gedeiht, daß sie spärlich, ärmlich, nichtig, und in ihrer Nichtigkeit überdies voll Mühe, voll Lug und List und Verschlagew -heit ist. Sei du wieder der Armen Schutz und Ge- währsmanm HErr Jesu! brich du wieder den Armen das Brod der Danksagung! leg es wieder in die Hände deines Amtes nieder! laß die Diakonen austheilen und die Aeltesteu wachen, daß dein Sinn vollführt wird! set; deine Armen wieder in die Vorhöfe deiner Kirchen und die Spitiiler und Armenhäuser unter deinen Hirten- stab! Deß wird der Arme sich freuen und deine Ge- meinden werden die Gaben ihrer Liebe, das Armenbrod, das Brod der Danksagung, auf dei11e Altäre ungezwun- gen und viel reichlicher niederlegen, als es unter den Befehlen der Gewaltigen geschieht; deine Armen werden es wieder gut und schön haben, wie in der ersten besse- reu Zeit. (Löhe.) Wird aber der Kirche sogar das Aus- sichtsrecht über die Schule entzogen (Ioh. 21, 15) und in die Hände des Staats gelegt, so hebt nun das in Offenb. It, 7 ff. Geweissagte sich zu erfüllen an; die Staatsgewalt ist freilich weniger dafür verantwortlich, aber doch ist’s nur ein Fortschritt zu dem Ende der Zeiten hin, ja selber schon ein Anfang zu dessen Herein- brechen (Jer. 30, 17 u. 31, 37 Anm.). 34. Und Jesus [ihre Gedanken ganz auf die Umstände bei der vorigen Speisuug Kap. 14, 17f. zurücklenkend] sprach zu ihnen: Wie viel Brods so. i. wie viel Probe] habt ihr? Sie sprachen [in- dem sie aus dieser zlbeiten Frage nun bestimmt er- kannten, was er auch dies Mal thun wolle]: Sieben [Brode] und lgleichwie neulich] ein wenig Fischlein [aber wir wissen schon, was du segnen willst, wird viel, wenns gleich wenig ist 1. Sam. 14, 6]. 35. Und er hießsvermittels der Jüngerj das Volk sich lagern aus die [in der jetzigen heißer-en Jahreszeit ihres Grasschmuckes Joh. 6, 10 nun wieder beraubte Jes. 40, 8 Anm. L] Erde swohl auch in Schichtem wie das vorige Mal Mark. S, 39 f.]. 36. Und nahm shieraufj die sieben Brode nnd die Fische, dankete sdafür dem Geber und segnete sie zur wundervollen Vermehrungh brach sie [die Probe] und gab sie seinen Jüngern sdaß sie die- selbigen vorlegtem desgleichen auch von den Ftschem wie viel er wollte Joh. S, n]- uud die Juuger (gaben sie) dem Volk. Das Wunder der Speisung ist ein besonders großes und auffallendes , wenn es auch in anderer Beziehung ungehörig sein mag, zwischen Wunder und Wunder zu unterscheiden. Jm Unterschied von dem Wunder zu Kana geht hier nicht eine Verwandlung vor sich, sondern eine Verm ehrung, ein Wachfen dessen, was sonst nicht mehr wachsen kann, weil kein lebendiger Keim mehr vor- handen ist; denn es ist ja hier ein bereits von Menschen- hand künstlich bereiteter Stoff. Solches, das nicht mehr lebendig ist, nimmt sonst durch Austheilen ab; nur wo uoch ein Leben ist, kann es sich dadurch mehren und ausbreiten, des Geistes allein wird mehr, je mehr daran Theil nehmen. Diesen Stempel des höheren Lebens drückt der HErr wunderbar auch dem nicht mehr Lebendigen auf und segnet den geringen Vorrath, daß er zum frucht- baren Keime wird. Wer will es fassen? wer begreift in dem Wachsem das wir täglich vor uns sehen, die schöpferische Kraft, die darin wohnt? Wer will es be- streiten, weil er es nicht begreift? (Riggenbach.) Wenn wir gleich Andern viel Gutes thun, so legen wir doch nur von dem vor, was der himmlische Vater uns selbst eingeschafft und gegeben hat, dürfen uns also» dessen nicht rühmen, wenn wir’s nicht von dem unsrigen, sons- dern von dem, was Gottes ist, nehmen: 1.Mos.33,11. 37. Und sie aßen alle sindem ihnen wohl niemals eine Speise so gut geschmecket hat als diese, die sie hier aus Jesu Wunderhand empfingen] Und wurden satt; und haben auf, was uberblieb von Brocken, sentsprechend den sieben Broden in V. 34] sieben Kbrbe voll lgleichwie bei der ersten Speifung, der Zahl der Jünger entsprechend, zwölf Körbe voll Brocken überblieben Kap. 14, 20]. 38. Und die da gegessen hatten, der [d. i. derer] waren lwie aus der Uebersicht bei der Lage- ruug sich ergab] viertausend Mann, ausgenommen snicht gerechnet bei dieser Zahl] Weiber Und Kinder. Je mehr wir von den Gaben Gottes gottgefälliger Weise ausgeben, desto mehr wir einnehmen: Gal. 6, I; Sir. 11, 15 f. (Quesnel.) Der so vielen den Mund füllt, sollte der nicht auch dich, dein Weib und Kinder wissen zu ernähren und zu versorgen? Befiehl dem HErrn deine Wege: Pf. 37, s; Jes. 58, 10 f.; 5,Mos. 14, 29. (Tüb. Bibsi Christus zeigt in diesem Exempel gewaltiglich, daß er ist ein reicher, gewaltiger Herr und Schasfner, ja selbst ein reicher Müller und Bäcker, besser denn keiner auf Erden, der das Handwerk sehr wohl gelernt; ja, er richtet gar viel Handwerke auf einmal aus und ohne einiges Menschen Hilfe pflügt, erntet, drischt, mahlt und bäckt er fast in Einem Augenblick. Nun das kann er, und solchen König haben wir an ihm: wo er hingreift, da ist es alles voll, und wo er geben will, da muß alles genug und überflüssig sein (Kap. 17, 27). Hie sprichst du: Ja, wie geht’s denn zu, weil er ein solcher König ist, so alle Welt reichlich speist, warum läßt er denn seine Christen so oft Noth und Armuth leiden in der Welt? Antwort: Er will hiemituns Wunderbare Speifung der Viertaufend 219 zeigen, erstlich, daß sein Reich auf Erden nicht ist ein weltlich Reich, das da stehe in dem, wie man hier auf Erden esse, trinke, haushalte, des Leibs warte, sondern ein geistlich Reich, drin man göttliche, ewige Güter foll fuchen und finden, daß seine Christen ihr Datum und Trost nicht auf das Zeitliche setzen, sondern nach Gottes Reich trachten, darin ste ewig genug haben und reich sein sollen. Zum Andern will er seine Christen lehren den Glauben zu üben auch in diesem Stück, so dies zeitliche Leben und zeitliche Güter belaugt, also daß sie auch hierin ihm in die Hände sehen und von ihm auch solche Nothdurft dieses Lebens warten; auch erkennen, daß er solch Wuuderwerk stets in seiner Christenheit be- weise, daß sie dennoch muß zu essen nnd trinken haben, ob ihr schon die Welt nicht giebt noch giinnt, sondern nimmt oder sie um das, so ihr Gott giebt, neidet nnd haßt. (Luther.) 39. Und da er das Volk hatte von fich ge- lassen sdaß es nun wieder nach Hause gehe], ltal et in ein Schiff [das vermuthlich einem Schiffer aus Tiberias angehörte und für Geld» zu miethen war Joh. 6, 231 und kam [über den See Gene- zareth herüberfahrendj in die Grenze [in das Ge- biet der Stadt] Magdala [die dem Ort der Spei- fung gerade gegenüber am westlicheit Ufer lag, f. Karte Vl]. Wir haben uns zunächst an die gewühnliche,Lesart, wie sie auch in unsrer deutschen Bibel vorliegt, gehalten und so erklärt, als ob Jesus an der Südgrenze der Landschüft Genezareth gelandet sei; man muß dann au- nehmen, das von Markus dafür genannte Dalmanutha sei blos eine bequemere griechische Aussprache für Dar- banotb (Darbanutha), was f. v. a. Spitzen oder Klip- pen bedeutet, und wirklich lag Magdala neben einer Reihe hoher Klippen, wie denn auch beide Evangelisten nur die Gegend , nicht einen bestimmten Ort angeben. Indessen ist· es 1) an sieh unwahrscheinlich , daß Jesus sich» schon jetzt wieder dahin begeben habe, wo feine Feinde auf ihn lauerten, er hatte überhaupt jetzt mit dem Lande Genezareth und dessen riächster Umgebung nichts mehr zu thun; L) lesen die besten Handschriften statt »Ma dala« vielmehr ,,Ma adan«, für welchen un- bekannten rt wohl nur ein Ab chreiber jenen bekannten Namen gesetzt hat; s) reden schon die alten Erklärer von einem Magdala Gadarae und geben als die Ge- gend, in welche Jesus sich begab, die von Gadara an. Wir haben denn auf Karte VI Dalmauutha an der Stelle des jetzigen Delhemiyeli verzeichnet und süd- weftlich von Beisan den Klian dladsolieideh als muth- niaßlicl)e Stätte von Magadan notirt: diese Gegend ge- hörte noch zum Gebiet der 10 Städte, wie zu Kap. 4, 25 bemerkt worden; sie sollte ein Zusliichtsort für den HErrn auf seiner jetzigen fluchtartigen Wanderung sein, aber der folgende Abschnitt zeigt, wie trotz aller Vorsicht auch hier von seinen Widersachern ihm der Weg ver- legt wurde. Das Its. Kapitel. Von der Pharisäer Zeichen und Sauerteigez Petri Isekenntniß und Schciissec Christi Leiden, und seiner Angehörigen Kreuz. IV. v. 1—12. (§ en) ein aqu- skiukk Kakus-sc im Gtbiet von Ilalmauntha nnd tltagdala (oder richtiger: Magadan nun. 15 , 39 Kann) la Jesus wieder von zahlreichen volle-hausen umringt, ja, der Zulauf in grdser denn je; aber bald auch siud feine Widersacher, die pha- rifiiriz dle mit Sadducäern nnd der lsofaarthet der Hero- deo sich verbunden haben, wieder bit der ljaiid nnd fuclsen mit der rruencrten Forderung eines Jeicheni vorn him- mel ihn in detlegenheit nnd bei dein voll: um sein Lin— , fehcu zu bringen. statt) kurzer, entschiedener Kbfertiguug derselben verläßt er die Gegend und liehrt znrüclt über den See nun) drin gerade eutgcgcngefetzteu Ufer, wo iu dem Gebiete des tlierfürlieu Philipp» er seinen weiteren Aufenthalt fiir dle nächsten drei Monat: nimmt, um in der Stille feinen keideuogaiig nach Jerusalem vorzube- reiten nud feiner Zeit von Rai-ernannt aus anzntketem nach welcher Stadt er nur ffir diesen Zweit: non) einmal heluiliehm auf der Fahrt nach jenem Ufer warnt er die Sänger vor dem Sauerteig der Pharisäer und Saddncäeix nnd die Warnung foll außer anderem ihnen sagen, daß ,,fie jetzt mit einander ans dem, dem tjetdkuthiim ver« full-neu Galiliim wie einst Most mit felneni Volli ani dcm unreinen Ggupteulaud auggehenR aber die Sänger verstehen ihn nicht nnd müssen erst wie in die Kinder— lehre genommen werden, um wenigsteug zu ahnen, was er meint. Wut. mach. s, ll—2l.) 1. Da liedoch uicht sofort bei seiner Ankunft in dem vorhin bezeichneten Gebiet, sondern als Jesus einige Zeit in demselben umhergezogen war, feinen Weg von Dalmanutha nach Magadan nehmend und von da· wieder zurück zu ersterem Ort] traten die Pharisaet Und Sadduciiet [iudem sie von Dalma- nutha aus sich an ihn machten] zu ihm, die ver- snchten ihn und forderten fin befragender Weise, ob er geneigt und im Stande sei, auf folches ihr Begehren eiuzugehenL daß er sie eilt Zeichen vom Himmel swie selbiges in Dan. 7, 13; Joel Z, 3 für die Zeit der Erscheinung des Meffias in Aus- sicht gestellt sei] sehen ließe sdaun wollten sie ihn als den Messias Jsraels, für den er sich von deni Volke ausrufen lasse, anerkennen, seine bisherigen Zeichen und Wunder dagegen wären in ihren Augen noch kein Beweis seiner messianischen Würde) Zum Belege dafür, daß nicht sofort nach Jesn An- kunft, wie viele Ausleger das Sachverhältniß aufgefaßt gaben, sondern erst einige Tage nachher, als der HErr ereits in voller Wirksamkeit in jener Ge end stand, diese Verhandlung mit den Pharisäern und adducäern stattgefundem berufen wir uns nicht auf den Mangel an Brod, der hernach bei den Jüngern fich herausstellt (V. 5), gleich als wäre solcher Mangel nach dem Spei- fungswunder, das an übrigen Brockeii sieben Körbe er- eben hatte (Kap. 15, 37), erst nach Verlauf mehrerer age möglich gewesen; denn jene Körbe waren aus dem Volke entnommen, und wurden nun ohne Zweifel anch die darin aufgehobenen Brocken den Leuten auf ihren Heimweg mitgegeben, daß aber die Jüuger beides an sich behalten hättest, ist eine unstatthafte Vorstellung. Dagegen, wenn wir das l2. Kuh. bei St. Lukas seineui geschichtlichen Inhalte nach für gleichzeitig ansehen mit dem hier vorliegenden Abschnitt, ergiebt sich ein Sach- vekhältniß, wonach der HErr etwa eine Woche lang im Gebiet von Dalnianntha-Magadaii fich aufgehalten hat. Es gehörte dasselbe zu dem Umkreis der Dekapolis oder der zehn Städte, und nach diesem sowie nach dem Land- strich, der unter dem Vierfltrften Philippus vonJtnräa (Kap. 2, 20 Anm.) stand, hat Jesus, seit er in die 220 Evangelium Matthäi 16, 2-——4. Grenze von Tyrus nnd Sidon entwichen (Kap.15,21), sich zurückgezogem nach Kapernaum ist er hernach nur noch in der Absicht gekommen, dort in der Stille mit seinen Jüngern zu verkehren, eine öfsentliche Wirksamkeit aber hat er dem Lande Genezareth nicht wieder gewidmet, sondern mit den geistlicheu Volksführern daselbst, den Pharisäern und Schriftgelehrteiy in eben so entscheiden- der Weise gebrochen, wie er’s hernach, am Dienstag der Leidenswoche, mit derselben Menschenklasse in Jerusalem that (Kap. 23). Soviel wir wissen, ist nun freilich noch kein Ausleger aiif den Gedanken gekommen, mit »deii Abschnitten: Matth. 16, 1—12 u. Mark. 8, 11—26 den in Luk. 12 in Parallele zu stellen; man hat dieses Ka- pitel, das eine Reihe »von Aussprüchen Christi zusam- menstellt, die uns bei den andern Evangelisten in ande- rem Sinne und in anderem Zusammenhange begegnen, und daneben lauter Neues bietet, wovon bei Matthäus nnd Markus keine Spur vorhanden, von Haus aus für einen solchen Abschnitt angesehen, von dem es sich von selbst verstehe, daß er ganz anderer Art und Natur sei, als die erstgenannten Abschnitte. Jndessen beruht diese Ansicht ledi lich auf einer Verkennung des sog. Reise- berichts in uk. 9, 51 — 18, 30. Jn diesem wird nur theilweis uns die Geschichte des Lebens Jesu von seiner Reise nach Jerusalem aufs Laubhüttenfest des J. 29 bis zur letzten Reise dahin- auf’s Ostersest des J. 30 erzählt; der Evangelist richtet sich vielmehr streng nach dem, bei der apoftolischen Predigt von Christo be- folgten Grundsatz, wie er sich in Apostg. 10, 36 ff. an· deutet, der früheren Thätigkeit in Jerusalem und in Judäa zn schweigen und nur seine letzte Ankunftdaselbst zum Leiden und Sterben in Betracht zu ziehen. Hat nun Luk. 9, 51 -— 11,13 den HErrn bis vor die Thore der Stadt gebracht, so bleibt seine Anwesenheit in der- selben während des Laubhüttenfestes und seine weitere Wirksamkeit bis einschließlich zum Kirchweihfest jenem Grundsatz gemäß außer Spiel; erst sein Rückzug von Jerusalem wird in Luk. 13, 1-—9 wieder markirt, die leere Stelle aber, die dadurch entstanden, daß alles das ausgesallen, was in Joh. 7, 11 -— 10, 42 vorliegt, wird in Luk. 1l, 14 —- 12, 59 mit einem Nachtrag aus der Zeit der Wirksamkeit Jesu in Galiläa ausgefüllt. Daß Luk. 1l , 14—36 einen solchen Nach- trag enthält und genau in Parallele sieht mit Matth. 12, 22—50 u. Mark. B, 20—35, wird von niemand verkannt; daß dann weiter Luk. 11, 37—54 sich mit Matth 15, 1-—20 u. Mark. 7, 1—-23 zusammenschließy ist früher dargelegt worden; und wie nun But. 12 zu Matth. 16, 1—1 u. Mark. 8, U— 26 in Beziehung steht, ergiebt sich theils aus der Warnung in V. l: ,,hütet euch vor dem SauerteTzg der Pharifäer,« theils aus der Strafrede Christi in . 54,—56, welche wesent- lich auf dasselbe hinausläuft mit dem, was der HErr an unsrer Stelle (V. 2 f.) wider die Pharisäer und Sadducäer sagt. Allerdings scheint dieser unsrer Zu- sammenstellung das von Luther ansgelassene »Unterdesfen« zu widersprechen, womit Luk. 12. I beginnt: »Unterdessen lief das Volk zu;« darnach stünde das gan e in Rede stehende 12. Kap. bei St. Lukas in unmittel arer Ver- bindung mit dem ,,verstörten Gaftmahl im Pharisäer- hause ,« wie ein Ausleger den Abschnitt in Luk. 11 , 37 —54 betitelt. Als der HErr von jenem Gastmahl sich erhob, um dem Andringen seiner Widersacher auszu- weichen, hatte mittlerweile »das Volk in ganzen großen Schaaren sich um das Pharisäerhaus versammelt, seine Rückkehr erwartend, und in Gegenwart dieser Volks- haufen nun, unter die er jetzt trat, warnte er seine Jünger vor dem Sauerteig der Pharisäer, darunter er seiner ausdrücklichen Erklärung zufol e die euchelei-ver- standen wissen wollte: hatte er does alle rsach gerade zu dieser Warnung, nachdein die Pharisäer so heuchlei risch ihn zu ihrem Gastmahl geladen. Allein das »zum erstens« das unsre jetzigen Bibelausgaben zu dem ,,hittet euch« ziehen, wird von Luther nach dem Vorgang meh- rerer Handschriften zu dem vorhergehenden ,,zu seinen Jüngern« gezogen; und wenn nun gleich die erstere Verbindung die bequemere ist, so daß —der HErr sagen will: vor allen Dingen hütet eiich u. s. w., so hat doch auch die erstere ihre Bedeutung, indem sie zum Finger· zeig dient, daß der HErr, nachdem er mit den Jün- gern geredet, sich hierauf an die Volks-hausen ge· wendet nnd ihnen das gesagt hat, was wir in Matth. 15, 10—20 u. Mark. 7, 14——l6 lesen, womit er an die Stelle des pharisäischen Sauerteigs den Süßteig ·der Lauterkeit niid der Wahrheit setzt durch Aufstellung eines neuen Lebensgesetzes St. Lukas hat nur die erstere Rede, die an die Jiinger, in’s Auge gefaßt, und bot sich da ihm Gelegenheit, aus der Rede Christi bei Aussen- dung der Zwölfe (Kap. 10, 26—33 U. 19 f.) einiges nachzubringeii. Die Verheißung Luk. 12, 11 f. kommt dann noch einmal in Luk.21,s 14 s. vor — ein Beweis, wie Jesus einzelne Ausfpriiche und Sentenzen in der That mehr als einmal in seine Reden an das Volk verflochten und bald in diesem, bald in jenem Zusam- menhange vertverthet hat. Wir können also ganz unbe- denklich annehmen, daß der HErr, beim Austreten aus dem Hause des Pharisäers zuviirderst aii seine Jünger sich wendend, nicht nur schon einmal dieiWarnung vor dem phariläischen Sauerteig ertheilt, sondern auch »in Beziehung auf den darin liegenden Gedanken einige Sätze aus seiner früheren Jntrnktionsrede wiederholt hat; darnach wäre Luk. 12, Jl — 12 noch zu der Ge- schichte in §. 56 unsrer übersichtlichen Zusammenstellung des Lebens Jesu (auf S. 134) zu ziehen iind mit dieser Geschichte in der Weise in ein Ganzes zu verarbeiten, wie wir es am Schluß der Evangelieti thun werden. Jndessen zeigt der Ausdruck zu Anfang jenes Abschnitt-s: Es kamen etliche Vieltausend (nicht blos: ,,Tausende»«, wie man jetzt gewöhnlich in unsern Bibelausgaben liest —- Luther hat wohl beachtet, daß im Grundtext von Mhriaden oder Zehntausenden die Rede ist) zusammen, daß der Evangelist mit dem Vorgange nach dem ver« störten Gastmahl im Pharisäerhause noch einen andern verbindet; damals nämlich sind schwerlich so uuermeszlich große Schaaren vor dem Hause ziisammeugestromy daß es nicht ausgereicht hätte, von Tausenden zu reden, vielmehr, wenn die Leute stch so um Jesum drängten, daß .,sie sich unter einander traten,« so weist»das auf einen Aufenthalt des HErrn draußen im Freien hin, auf einen Wanderzug, bei dem die Menge derer, die ihm nachfolgten und Hilfe bei ihm suchten, lavinenartig anschwoll und zuletzt einer Berechnnng auch nur im Ueberschlag sich entzog. Und wenn nun St. Lukas den-- jenigen Theil der Rede Jesu nach dem Pharisäermahh womit er sich an das Volk wendete, und die darauf be- zügliche Frage der Jlinger (Matth. 15 , 10 Mark. 7, 14 ss.) gänzlich übergeht, wenn er dann weiter nichts erzählt von dem Entweichen in die Grenze von Thrus und Sidon, von der Wanderung im Bogen nachdem ösilichen Ufer des galiläischen Meeres, von der Speisung der 4000 Mann und von der Ueberfahrt nach Magadaw Dalmaiiutha (Matth. 15, 21-—39; Mark. 7, 24 —8,14): läßt er damit nicht deutlich genug merken, daß er alle diese Vorgänge im Geiste überspringt und ohne Weiteres den HErrn aus derjenigen Umgebung, in der er sich nach dem Aufbruch von des Pharisäers Tisch befand, iii die weit größere hineinrlickh in der er. bei seiner Wan- derung durch das Gebiet von MagadansDalmanutha sich befand? Das Bindeglied zwischen diesen beiden, der Zeit und dem Ort nach verschiedenen Situationen, Antwort an die Pharisäer wegenihrer Forderung eines Zeichens vom Himmel. 221 welches ein solches Jneinanderschieben veranlaßte, ist ohne Zweifel die Warnung vor dem Sauerteig der Pharisäer gewesen, die uns hernach in Matth. 16, 5 ss.; Mark. 8, 14 ff. begegnet und die wir schon in Luk. l2, l vor uns hatten; es kommt das auch bei den andern beiden Evangelisteii bisweilen vor, daß zwei Geschichtein die in einem bestimmten charakteristischen Punkte sich mit einander berühren, zu einem Gesamnitbilde zusam- menfließen oder zu einem einzigen Gewebe verflochten werden, fttr welches die eine Geschichte den Aufzug und die andere den Einfchuß abgiebt. Wie wir nun Luk.11, « 37—12, 12 vorhin zu Matth. 15, 1 -— 9 u. Mark. 7, 1—13 gezogen haben, so stehen wir setzt auch nicht in Zweifel, daß Luk. U, II— 21 sich chronologisch an Matth. 15, 39 u. Mark.8,10 anschließt; aus Luk.12,1 behalten wir für jenen Abschnitt die Worte: ,,Unterdessen lief das Volk zu; ·da sing er an und sagte zu feinen Jüngern . . . . die Heuchelei,« für diesen aber den Satz: »Es kamen etliche Vieltausend zusammen, also daß sie sich unter einander traten«, und erzählen dann in unse- rer ausführlichen Zusammenstellung des Lebens Jesu am Schluß der vier Evangelien das Gleichniß vom reichen Kornbauer mit seiner Veranlassung. Hiernach wäre die ganze Situation folgende: Kaum hatte der HErr das Gebiet von MagadawDalmanutha betreten und zog nun von einem Ort zum andern und von dem letzteren wie- der zu ersterem, als sich sofort auch große Volksmassen ihm anschlossen und bald zu förmlichen Lawinen an- fchwollen; ja, eine solche Begeisterung für den Propheten von Nazareth ergriff die Leute, daß einer aus dem Volke ihn zum Schiedsmann in einer Rechtsstreitigkeit machen wollte, die er daheim mit seinem Bruder hatte, worauf dann Jesus das Gleichniß vom reichen Thoren erzählt. Stand also der HErr auf dem neuen Arbeits- felde, das er sich nach seiner Verdrängung aus dem Lande Genezareth in dem Gebiete von MagadawDals manutha aufgesucht, gleich in den ersten Tagen in so ungeheurem Ansehen und Einfluß, daß die Leute myria- deniveis ihm zuströmten und sogar eine köuiglichsrichters liche Gewalt über ihre Angelegenheiten einräumten, so begreifen wir wohl das Hervortreten der Pharisäer und Sadducäer mit der Forderung eines Zeichensvom Him- mel; wie zu Kap. 12, 38 bemerkt, kommt hier ein Kunst- griff zur Reise, der dort nur noch im Aufkeimen be- griffen war, nud der Kunstgriff hatte zum Zweck, Jesum in den Augen des Volks zu Schanden zu machen. Die Forderung war eine Hinterlassenschaft jener Deputation aus Jerusalem, die wir u Kap.15, 1 besprochen haben. Dieselbe war nach dem igntweichen Jesu in das Gebiet von Thrus und Sidon wohl noch einige Tage in Ga- liläa geblieben, hatte aber dann doch die Rückkehr des HErrn von seiner fluchtartigen Wanderung wegen der Nähe des Pfingstfestes nicht abwarten können; sie mußte sich also darauf beschränken, die einheimischen Pharisäer zu instruiren, wie sie sich gegen Jesum verhalten sollten, wenn er wieder in ihre Nähe käme, und sie hatte das in so umfassender Weise gethan, daß nicht blos die Pharisäer in Kapernaum und im ganzen Lande Gene- zareth, sondern auch die in der Umgegend von Tiberias bis tief hinein in das Gebiet der zehn Städte Bescheid wußten. Jn diesem letzteren Theile des Landes war die Verbindung der einheimischen Pharisäer mit den Sad- ducäern und den Anhängern des Königs Herodes (Kap. 12, 14 Anat) eine um so näher liegende, als ja Hero- des seit 8——9 Wochen in Tiberias seine Residenz auf- geschlagen hatte; und die Deputation aus Jerusalem hat gewiß die Verbindung trotz aller Gegnerschaft, die soust zwischen Pharisäern und Saddueäern bestand, ohne Bedenken geknüpft und gefördert, da man sich fitr den beabsichtigten Zweck davon Vortheil versprach, zudem stand damals in dem Hohepriester Caiphas ein Saddu- cäer an der Spitze des Hohenrathes, diese Sekte war also von Haus in der Deputation selber vertreten. Als Wortfijhrer jedoch erscheinen auch hier die Pharisäer, da die ungläubigen Sadducäer auch an einem Zeichen vom Himmel kein Interesse weiter hatten; daher macht Mark. 8, 11 die ersteren allein namhaft. 2. Aber er [statt auf die Forderung eines neuen Zeichens, wie sie es zur Legitimation seiner messianischen Würde ftir nöthig erklärten, einzu- gehen, vielmehr ihre Versiocktheit gegen die bereits vorhandenen Zeichen ihnen aufdeckendj antwor- tete mid sprach: Des Abends sprechet ihr swenn bei Sonnenuntergang die Wolken in seuerrothes Gewand sich kleidens: Es lvtrd lmorgenj ein schöner Tag werden, denn der Himmel ist roth; Z. Und des Morgens swenn da die Sonne unter trübrother Färbung der Wolken aufgeht] sprechet ihr: Es wird heute Ungewitter [Sturm- weiter] sein, denn der Himmel ist roth und trübe. Jhr Heuchler [die ihr mit eurer Zeichenforderung euch geberdet, als läge euch daran, zu einer fesien und gewissen Ueberzeugung zu kommen, als dürfte ich nur einmal thun nach euerm Begehr, und so- fort würdet ihr mir alle zufallen, während es doch in euerm Herzen schon feststeht, daß ihr um jeden Preis mich verwerfen wollet, und ihr jene Forde- rung nur ersonnen habt, um auch das Volk mir abwendig zu machen], des Himmels Gestalt lönnet ihr urtheilen swas es zu bedeuten hat, wenn der äußere Wolkenhimmel zu gewissen Zeiten in eine bestimmte Farbe sich kleidet, vermöget ihr ganz richtig anzugebenL kdnnet ihr denn nicht auch [auf geistigem Gebiet] die Zeichen dieser Zelt sdie so deutlich als die Zeit der Erfüllung der göttlichen Weissagung von dem kommenden Heiland und Er: löser sich zu erkennen giebt] urtheilen? 4. slliid er seufzete in seinem Geist, indem er wohl voraus sah, wohin es mit dieser muthwilligen Selbstoerhärtung im Unglauben uoch kommen werde, und sprach, sein früheres Wort Kap. 12, 39 f. wiederholendqc Diese böse und ehebrecherische Art sucht ein Zeichen, und soll ihr kein Zeichen gegeben werden, denn das Zeichen des Propheten Jonas [denn gleich wie Jonas war drei Tage und drei Nächte in des Walisisches Bauch, also wird des Menschen Sohn drei Tage und drei Nächte mitten in der Erde sein]. Und er ließ sie sals nicht werth, noch weiter mit ihnen zu reden, nach jener «gerechten Strenge«, die er hernach auch iii Kap. 21, 17 gegen ihre Standes- und Gesinnungsgenossen in Jerusalem beobachtete] und ging davon [indem er nach seiner Ankunft an der Südseite des galt: läischen Meeres wiederum in das Schiff trat und nach der entgegengesetzten Seite hinüberfuhr Mark. 8, 13 u. 22]. Bei Plinius (hist. n. XV1II, 78) heißt es: Die Sonne kündigt Stürme an, wenn bei ihrem Aufgange 222 die Wolken sich röthen; werden aber die Wolken egen Untergang der Sonne roth, so verspricht das heiteres Wetter für den kommenden Tags« Auch für unsre Ge- genden läßt sich dieselbe Beobachtung machen, nur daß im Morgenlaiide die Luftwitterungeii weit regelmäßiger und also— auch ihre Vorboten gewisser find als bei uns. Daß auf die Abendriithe bemerkt J. Lange, schiin Wetter folgt, kommt daher, weil solches eine Anzeige ist von dem Ostwinde, der die Dünste der Luft, in welcher sich das Sonnenlicht bricht, von Morgen gegen den Abend getrieben hat, und folglich verursacht, daß am folgenden Tag die Sonne hell aufgeht, auch der Himmel ohne Wolken, Wind und Regen eine Zeitlang helle bleibt; wenn hingegen des Morgens der Himmel roth und trübe ist, also daß sich die Strahlen der aufgehenden Sonne stark darin brechen, so- ist solches ein Zeichen, daß die Winde vom Abend die Dünste gegen Morgen treiben und also am Tage leicht ein Regen oder starker Wind erfolgen werde. Mit unserm Abschnitt stimmt in der Hauptsache der in Luk. 12, 54— 59 überein, nur daß dort 1) nicht die Färbung des Wolkenhimmels, je nach- dem diese am MoRen oder Abend ftattfindet und ein trübes oder lichtes oth zeigt, als üblirhes Wetterglas angeführt wird, sondern die Himmelsgegend, aus wel- cher der Wind kommt, ob aus Westen oder Süden; L) iiicht die Pharisäer und Sadducäer es find, an welche die Strafrede sich richtet, sondern diese dem Volke gilt, und Z) statt der Klage über das zeichenfordernde Ge- schlecht eine Mahnung an dasselbe folgt, sich noch zur rechten Zeit mit Jesu, seinem Heilande (dieser ist, was die Ausle er sämmtlich übersehen haben, unter dem ,,Widersacger« in V. 58 zu verstehen, nicht aber Gott oder gar der Teufel), zu versöhnen, und zwar unter Wiederholung eines Ausspruchs der Bergpredigt (Kap. Z, 25 f.), der nun in einer neuen Anwendung und Be- ziehung auftritt. Allerdings siud das gar wesentliche Verschiedenheiten von der hier vorliegenden Stelle bei Matthäusz dennoch ist die Verwandtschaft damit so über- wiegend, daß an eine neue, selbstständige Begebenheit nicht zu denken ist, wir brauchen den geschichtlichen Zu- sammenhang uns nur so zurecht zu legen, wie folgt. Als Jesus die Pharisäer und Sadducäer abgesertigt hatte und jetzt sich weiter wenden wollte, nahm er an den ihn begleitenden Volkshaufen wahr, daß der Phari- säisch-sadducäische Sauerteig sie wirklich angesteckt hatte: die Gemüther waren durch die Zeichenforderung in höchste Spannung versetzt worden; viele hatten geglaubt, der HEry wenn er wirklich der Messias sei, könne und werde das verlangte Zeichen nicht vorenthalten, die Zzirderung sei ja ganz gerecht, und wer einmal fiir den essias gelten wolle, müsse auch der geistlichen Polizei- behörde eine Legitimation vorweisen; indem er nun leichwoh erklärte: ,,es wird diesem Geschlecht kein jeichen gegeben,« nnd mit der Hinweisniig auf das Zeichen des Propheten Jonas das Geschlecht seiner Zeit mit den heidnischen Niniviten auf ein nnd dieselbe Stufe stellte, trat an die Stelle der früheren Begeistei rung für ihn eine gewisse Verachtnng und Erbitterung. Da erkannte Jesus, daß er auch das neue Arbeitsfeld auf der Südseite des aliläischen Meeres aufgeben müsse, und beschloß, sich nach der gerade entgegengesetzten Seite zurückzuziehen; aber ohne Strafe und Mahnwort wollte "·er die Gegend um so weniger verlassen, als nunmehr in der That die Zeit gekommen, die er gleichnißweise mit den Worten beschreibt: »so du mit deinem Widersacher vor den Fürsten gehest.« Hieran schloß sich die Weg- fahrt über den See, die nach Zurücklegung der Strecke zwischen Dalmanutha und dem Meeresufer eilends iii’s Werk gesetzt wurde; die Jünger hatten da nicht erst mit Brodvorrath sich versehen können, den Meister aber Evangelium Matthäi IS, 5——12. beschäfti te auf der Fahrt der Gedanke an die Verder- bensma t des pharisäisclpsadducäischen Sauerteigs, die ihm an jenen Volkshaufen entgegengetreten war und die, wie er wußte (Joh. 6, 70 f.), auch in den Kreis seiner Jünger eindringen und ihm ein ,,verlorenes Kind« zu- wege bringen würde. 5. Und da seine Jiinger fin dem Schisse, in welches er trat Mark. s, lsj waren smit ihm] hinüber gefahren [d. i. in der Ueberfahrt nach der Nordseite des Sees begriffen waren], hatten sie svor dem Einsteigen in’s Schiff] ver- gesseu, Brod uiit sich zu nehmen saußer dem ein- zigen, welches sie noch besaßen]. 6. Jesus aber sdie Gedanken, die während der Fahrt ihn beschäftigten, aus einmal laut werden lassend] sprach zu ihnen: Sehet zu und hütet euch vor dem Sauerteig der Pharisäer und Sadducäer soder des Herodes Mark. 8, 15]. 7. Da lindem sie nicht verstandem was er mit diesem Gleichniß sagen wollte, sondern den Ausdruck ,,Sauerteig« im eigentlichen Sinne aus- faßten] dachten sie bei sich selbst süberlegten unter einander, worauf er mit seiner Warnung wohl hinziele] und sprachen fals sie nun glaubten, es gefunden zu haben, einer zu dem andern]: Das ivirds sein, daßsiwir nicht haben Vrod mit uns genommen [und so uns in die Lage gebracht, ge- rade jetzt, wo Vorsicht vor aller Berührung mit den Widersachern und ihren Helfershelfern so sehr noththut, solcher Berührung sofort ausgesetzt zu sein, indem wir gleich nach der Landung drüben werden Brod kaufen müssen]. Der Sauerteig oder das verderbliche Wesen der Pharisäer kann nur diejenige Richtung sein, vermöge deren die Pharisäer der Wahrheit des Gottesreichs nur insoweit und nur dann gehorsam werden wollen, wenn sie sich so gestaltet, wie sie in eigenem selbstgerechten Denken dieselbe sich zurecht emacht haben, so daß sie also, statt der Wahrheit ich rlicksichtslos zu ergeben, verlangen, die Wahrheit solle sich ihnen anbequemen; eine Frömmigkeit, die ohne Selbstverleugnung ist der Wahrheit gegenüber und deshalb zur Wahrheit nicht I kommt, steht also in den Pharisäern und ihrem Ver- hältniß zu Jesu vor den Augen der Jüngen Wenn dazu nun in Mark. 8,"15 (gerade so wie in 3, 6 zu den Pharisäern die Herodianer gefügt werden) als gleich verderblich der Sauerteig des Herodes tritt, so kann damit nur diejenige Gesinnung gemeint sein, welche Herodes und sein Hofkreis damit an den Tag legte, daß er den Johannes nm’s Leben brachte, nämlich die welt- liche Leichtfertigkeitz welche nach Wahrheit gar nicht fragt, sondern dieselbe, wo sie sich dein Gewissen bezeugt, als eine unbequeme nnd lästige Macht am liebsten ge- waltsam beseitigt. (Auch der Sauerteig der Sadducäer bei Matth. ist im Gegensatz zu dem der Pharisäer oder dem scheinheilig jüdiscipgesetzlichen Wesen nichts anderes als das leichtfertige heidnisckyweltförmige Wesen, welches der Glaubenslosigkeit Joh. 18, 38 huldigt: Katz 12, 14 Anm.) Vor jener falschen Frömmigkeit und vor dieser lllsiernen Weltlichkeit, welche den Menschen gleicherweise in verderblichen Widerstreit gegen die Wahrheit bringen, sollen die Jünger sich hüten, wenn sie das Gut ihrer Gemeinschaft mit Jesu behaupten wollen; denn das iichtschritstliche Wesen muß gleich fern sein von jener« Warnung an die Jünger vor dem Sauerteig der Pharisäer und Sadducäen jüdifcheii nnd dieser heidnifchen Verkehrtheih wenn es feinen Charakter bewahren will. Aber wie Träumende fassen die Jünger dieses Wort Jesnx sie meinen, er habe bemerkt, woran sie nicht gedacht hatten, daß sie nämlich keine Nahrung mit sich genommen, und gebe ihnen nun unter der Voraussetzung, daß sie Brod kaufeii müßten, Vorsichtsmaßre eln für den Kauf oder die Erwerbuiig desselben, da ie von den feindlichen Pharisäern etwa oder von dem Mörder des Johannes, die ja beide ihre Späher allenthalben haben könnten, nur Schliniines, inöglicherweise eine Vergiftung zu erwarten hätten. Und so reslektiren sie in ängstlicher Verlegenheit über ihre Lage, in der sie auf den Erwerb von Brod angewiesen sind und doih vor demselben sich scheuen müssen. Jhre auf der unumstößlicheii Ueberzengung, daß sie, unt nicht zu verhungern, auf irgend eine Weise Brod von Andern erwerben müssen, ruhende Sorge, die sie glauben läßt, auch Jesus denke an nichts Anderes, ist es, die sie tadelnswerth macht, weil sie nach ihren Erlebnissen in der Nachfolge Jefu zu jener Ueberzeugung überhaupt kein Recht hatten. (Klostermann.) Die Absahrt (V. 4) erschien dem HErrn wie eine Fahrt in die Verbannung hinein; auch die Jünger enipsanden das, sie hatten eine lange, trübe Fahrt, denn wie sie das letzte Mal (Kap. IS, II) nicht den See zuvor dnrchschnitteii hatten von Osten nach Westen, sondern in langer, schräger Linie von Nordosten nach Süd-Westen, so ging die ahrt jetzt in derselben Richtung seeauswärts zuriick. um zweiten Mal sahen sie Kapernauni nur von Weitem; die Hei- niath schien schon halb flir sie verloren. Jesus schaute in ihre trübe Stimmung hinein; sie folgten ihm tapfer nach, aber nur mit halber Welteutsagung ihr Herz riß sich schwer von dem Schandtat; ihrer Liebe und Hoff- nung los. Da sprach Jesus das ernste Wort: iitet euch &c» womit er sein Herz aufschloß. Als die Kinder Jsrael ans Egypten zogen, da mußten sie allen Sauer- teig wegschaffen und znriicklassen is. Mos. 12, 15 ff.); der Sauerteig bezeichnete damals den Weltgeist Egyps tens als ein ansteckendes niid übermächtig verderbliches Princip, sie sollten keine ansteckenden Berderbnisse aus Eghpten mitnehmen nach Canaan. So war jetzt: der Zug des HErrn mit den Jüngern ein Zug wie aus dem unreinen E yptenland: so rein geschieden fühlte er sich von dem hei nischen Wesen der Pharisäer nnd Sad- ducäerz er hatte das Vorgefühh daß dasreale große Passafesh die Zeit seines Todes nahte. Dabei aber be- kümmerte ihn tief der Gedanke, daß seine Jünger unbe- wußt noch etwas von dem Sauerteig der Pharisäer und Sadducäer mit sich führten, namentlich in dem Herzen des Judas. Er fah es klar, daß sie noch nicht rein von den ansteckenden Verderbnissen ihrer Feinde, daher seine Warnung; die Jünger aber faßten das geheimniß- volle Wort nicht. Sie befprachen sich: was kann er meinen? und dachten, das Wort sei buchsiäblich zu ver- stehen, der Meister verbiete ihnen also , in Zukunft bei Nienschen von« der pharisäischen und sadducäifchen Partei Brod zu kaufen, weil er die Gemeinschaft mit diesen aufheben, weil er sie excominuniciren wolle. (P.Lange.) s. Da das Jesus vernahm [merkte, was sie so unter einander verhandelten], sprach er zu ihnen: Ihr Klelugiciubigeu [deren Glaube nicht nur in der Zuversicht manchmal noch schwach, sondern auch in der Erkenntniß mangelhaft ist Kap. 6, So; 8, 26; 14, 31], was belummert ihr euch doch kmit Be: denken unter einander darüber], daß ihr nicht habt Brod mit euch genommen sals drohe von daher eiich die Gefahr, vor der ich vorhin euch warnte]? 223 I. Vernehinet ihr noch nichts sdaß mein Wort nicht könne auss Leibliche gemeint sein, und war doch dies Verständniß durch die Erfahrungen, die ihr in der letzten Zeit bei mir gemacht, euch nahe genug gelegt]? gedenkei ihr nicht an die fünf Probe, unter die Fünftausend soertheilt Kap. 14, 15 ff.], und wie viel Kötbe [der übrigen Brocken] ihr da aiifhiIbetZ 10. Auch nicht an die sieben Brod« unter die viertausend [Kap. is, 32 ff.], und wieviel Korbe ihr da aufhiibet? « 11. Wie verstehet ihr denn nicht [da ihr so schlagende Beweise in Händen habt, wie wenig es verfchlägt, ob wir viel oder weiiig Brod bei uns haoen], daß ich eiich nicht sage vom Brod [in dem eigentlichen Verstande des Worts], wenn ich [wie vorhin geschehen V. 61 sage: Hülei euch vor dem Sauerteige der Pharisäer und Saddiiccier ssondern daß ich etwas Geistliches unter diesem Sauerteige müsse gemeint haben]? 12. Da [indein sie sich schämten, daß sie, die da sollten längst Meister sein, wiederum bedurften, daß man sie die ersten Buchstaben der göttlichen Wette lehre Hebt« s, 121 verstunden sie, daß er nicht gesagt snicht gemeint] hatte, daß sie sich hüten sollten vor dem Sauerteige des Brods [wie er ja das Brod auch ganz außer Spiel gelassen beisei- ner Warnung und sie erst mit ihren Gedanken dies Wort in seine Rede hineingetragen], sondern vor der [die Herzen irreführenden und mit dem Geiste der Unwahrhaftigkeit, Aeußerlicihkeit und selbstsüch- tiger Berkehrtheit erfüllendenj Lehre der Pharisäer und Sadducåer sals einem ansteckeiiden und den in- wendigen Menschen versäuernden Sauerteig l. Corx 5, 6]. Die Pharisäer zeichneten sich aus durch ein augen- fälliges Beobachten der äußeren Gebräuche des Juden- thums: Fasten, Beten, Opfern, Almosengeben, zu be- stimmten Zeiten und in festgesetztem Maße, äußeres, ehrbares Leben, Proselyteninachen für ihre.Sekte, ohne daß sie dabei auf wahre Sinnesänderung und Buße einen besonderen Werth legten; das Aeußere als solches war ihnen die Hauptsache, und sie übertrieben die Aengsb lichleit in der Beobachtung desselben. Sodann bewiesen sie eine ttbertriebene Hochachtung vor ihren mündlichen Ueberliefernngen oder Traditionen, die sie dem geschrie- benen göttlichen Gesetz gleichstellteiy ja iiberordnetem und nach denen sie jenes zu erläutern suchten. Mit jener Werkgerechtigkeit und diesen Menschensatzuiigen verbanden sie ein scharfes Richter: und Verurtheilen aller derer, die nicht genau ebenso pünktlich und ängstlich dachten und handelten, wie sie felbst; sie waren die strengste Sekte unter den Juden und bildeten sich ein, allein im Besitze des wahren, seligmacienden Glaubens zu sein. Jhre Lehre war demnach ein künstliches Gewebe von klein- lichen und unnützen Uebungen und Büßuiigem aus denen aller Geist und Einfluß auf Herz nnd Leben ent- flohen war, ein ditrres, todtes Gerippe, ein Leichnam, nm den sie sich stritten und haderten. Wollt ihr mit einem Worte ihre Jrrlehre und ihr Treiben bezeichnen, so war es der Aberglanbh und wollt ibr aus der, 224 Evangelium Matthäi 16, IS. Ist. späteren christlichen Zeit, wollt ihr aus der Gegenwart ein lebendiges Gemälde dieser Jrrlehren vor Augen haben, so erblickt ihr es an der römischen Kirche mit ihren äußerlichen Religionsübungen, mit der Un- zahl ihrer Menschensatznngem mit ihrem ausschließlichen Charakter, mit ihrer Werkgerechtigkeit und Bekehrungss sucht. — Die Sadducäer glaubten dagegen an keine besondere, sich iim das Einzelne bekümmernde Vorsehung Gottes, an keine allgegenwärtige, alles lenkende Regie- rung der göttlichen Weisheit und Liebe, an kein unsicht- bares Geisteri nnd Engelreich, an keine zukünftigen Be- lohnungen .und Strafen, an keine Unsterblichkeit, kein ewiges Leben. Mit dem Tode sei alles aus, meinten sie; was ihr Verstand nicht begriff, das wurde von ihnen verworfen. Die Folge dieser Klttgelei war der Leichtsinn, die sittliche Ungebundenheit und Genußfuchtx sie sprachen: ,,lasset uns essen und trinken, denn morgen sind wir todt.« Wollt ihr diese sadducäische Richtung mit einem Worte bezeichnen, es ist der Unglaube; und verlangt ihr für diesen Unglauben Namen, Gestal- ten, Bekenney in denen er lebt, es sind die Ungläui bigen, die Rationalisteiy die Lichtfreunde, die Anhänger der neuesten Philosophie. Gott, Tugend, Unsterblichkeit, das ist im Wesentlichen der dürre Jnhalt ihres Bekennt- nisses. Unter Gott verstehen die Einen von ihnen ein persönliches, außerweltliches Wesen, die Andern eine geistige Kraft, die in der Welt, in der Menschheit wohnt, in ihr sich entwickelt und allmälig zum Selbst- bewußtsein gelangt, also eigentlich den Zeitgeist Diesen Gott lassen die Einen ruhig auf erhabenem Throne außer der Welt und sich um nichts in derselben beküm- mern, keine Gebete erhören, keine Schicksale der Einzel- nen lenken, so daß alles eigentlich kommt und geht, nicht nach seinem allweisen und gütigen Willen, sondern nach Zufall und Willkür, wie es gerade kommt und ehtx die Andern betrachten ihn nur als ein Wesen voll Ziebe und Schwäche, ohne Heiligkeit und Gerechtigkeit. Jesus ist in ihren Augen ein bloßer Mensch, der aber wegen seiner tiefen Weisheit und Herzensreinheit in einer besonderen Verbindung mit Gott stand und sich deshalb bildlich den Sohn Gottes nannte. Erlöser ist er nur, sofern er durch seine Lehre und sein Vorbild die Menschen vom Wahn , vom Aberglauben und den Vor- urtheilen feiner Zeit befreit hat. Der heil. Geistendlich ist ihnen nicht Gottes Geist, sondern der herrschende Welt- und Zeitgeist, die durch die christliche Idee er- leuchtete Vernunft. Unter Tugend verstehen sie nicht die Beobachtung der göttlichen Gebote, sondern eine äußere Pflichterfüllung, ein Freibleiben von groben Lastern und Sünden, eine feine Bildung, guten Anstand , geselliges Talent) leben und lebenlassen nach dem Grundsatzt »Rosen auf den Weg gestreut und des Harms vergessen« — im besten Fall: ,,fürchte Gott, thue Recht, scheue niemand« Von diesen ihren selbstgemachten Geboten thun sie soviel, als in ihren Kräften steht; wegen des Uebrigen suchen sie keine Vergebung bei Gott, sondern vergeben sich selbst, und endlich öffnen sie den Himmel für jedermann, denn die Hölle gegört auch zu den längst von ihnen abgestreiften Vorurt eilen. Unsterblichkeit leugnen sie entweder ganz, oder lassen sie nur gelten als Unsterblichkeit des Nachrufes auf Erden, oder als eine allen bevorstehende Seligkeit jenseits. — Beide Richtungen nun, den Pharisäismus und den Sadducäiss mns , den Aberglauben und den Unglauben, vergleicht Jesus mit einem Sauerteiget der auerteig versäuert, was früher angenehm war, nnd verwandelt den süßen Teig in einen sauern· Betrachtet die römische Kirche mit ihren Menschensatzutkaen und Aeußerliihkeitem hat sie nicht die Geister in a en Ländern eknechtet und die Gewissen gebunden? hat sie nicht die Zeugen der Wahr- heit unter dem Namen der Ketzer in allen Jahrhunderten verfolgt? haben ihre Blutgerüfth ihre Scheiterhaufem ihre Jnquisitionsgerichth ihre Folterkammern, ihre Marterinstrumenth ihre Vüßungen nicht Blut in Strö- men vergossen? Und in welchen Ländern ist heutzutage noch die Bettelei auf den Landstraßen und die Armuth in den Häusern und die Zahl der unehelichen Kinder größer, als in den katholischen? in welchen Ländern find am meisten Revolutionen ausgebrochen und Bürgerkrie e und Königsmorde? in welchen Ländern ist der Gran - satz aufgestellt und gehandhabt worden: »der Zweck hei- ligt die Mittel?« in welchen Ländern hat man eine öffentliche Dirne als Göttin der Vernunft und Priesterin der Natur angebetet? in welchen Ländern wird für alle Unsittlichkeiten und Verbrechen wohlfeiler Ablaß ver- kauft? Antwort: in den römischckatholischenl Ja, die Weltgeschichte steht seit länger als einem Jahrtausend da mit Beweis über Beweis, daß die römische Kirche wie ein Sauerteig die Menschheit durchsäuert und unschmacb haft gemacht hat. Von der andern Seite hat aber auch der Unglaube in unsrer Kirche und der Jrrthum der Neugläiibigen und Lichtfreunde wie ein Sauerteig Ver- derben gebracht über ganze Zeiten und Geschlechter. zra t doch einmal unsere Diebe, Trunkenbolde, Haar, he recher, Mörder, welchen Glauben sie haben: es ist der Glaube der Neugläubigen und Lichtfreundq zu dem sie sich bekennen; der Glaube derjenigen, die heutzutage schamlos genug sind, in öffentlichen Volksversammlungen dem Tanz, Spiel, Trunk das Wort zu reden und vor Mäßigkeit und Enthaltsamkeit "von geistigen Getränken zu warnen. Fragt doch einmal, wer hat denn die Kirchen leer gepredigt, und die Sonntagsfeier abgeschafft, nnd aus den Häusern die alten Uebungen der Frömmigkeit und Einfachheit der Sitten und Ehrlichkeit und Treue im Handel und Wandel verjagt? —- es ist die Jrrlehre der Neugläubigen und Lichtfreunde. Fragt doch einmal die Anhänger der neuen Lehre, vor wem sie stch noch fürchten und Achtung haben? Vor Gott? —- o nein! der ist ja der liebe Allvater aller Menschen; vor der Sünde? — o nein! die ist ja nur das unvollkommenq das werdende Gute; vor dem Tode? —- o nein! der Tod führt sie ja zur Seligkeit und muß sie selig machen, da sie ein rechtschaffenes Leben geführt haben; vor dem Gericht? — wer wollte an ein künftiges Gericht noch glauben! darüber ist unsere aufgeklärte Zeit längst hin- aus; vor Strafen? —- Strafen sind ja nur die natür- lichen Folgen unserer Sünde, und denen kann man durch ein wenig Klugheit leicht vorbeugen; vor dem Teufel? — es giebt ja keinen Teufel, wer hat ihn denn Besehen? vor irgend einer menschlichen Autorität, seinen ltern, Lehrern, Obrigkeiten, Königen? — die sind ja gerade ebensoviel wie wir, und wir wie sie, wer hätte uns noch etwas zu befehlen? Fragt einmal, aus wel- chen Büchern sie diese Grundsätze entlehnt und gebildet haben? Es ist nicht die Bibel —- in der stnd sie so wenig zu Hause wie« auf dem Monde; es find die Ro- mane aus den Leihbibliothekem schöngeisligh politische Bücher, verbotene Schmähschriften gegen König, Vater- land und Kirche, die liberalen Tagesblätter voll Lug und Trug, Räuber- und Liebesgeschichtem Diese Bücher haben ihnen den Kopf verdreht und das Gehirn ver- brannt, haben das Christenthum mit seinen ernsten und göttlichen Wahrheiten ihnen zu einer losen, verachteten Speise gemacht, haben ihre Seele befleckt nnd in höchst schlechte Gesellschaft ihre Einbildun skraft und ihr Ge- wissen eingeführt, haben das Ge üste ihres Fleisches, das in jedem Menschen schon stark Ygenug ist von Natur, noch mehr verstärkt durch allerlei eiz und Verführung, von Jesu Christo aber sie gänzlich abgezogen durch Ver- drehung und Lästerung. Wahrhaftig, bei den Lehren Die Meinungen des Volkes über die Person Jesu. 225 und Grundsätzen der Neugllinbigen und Lichtfreunde steht’s schlecht um Freiheit und Gehorsam« Recht und Unrecht, Schuld und Verdienst, Lohn und Strafe; bei ihren Jer- thitmern ist eigentlich von Gewissen und Gewissenhaftig- keit nicht mehr die· Rede, noch von Verlaß auf· ihre Ge- lübde und Erde; »ja, man müßte viillig vor ihnen zu- rlickschaudern und jede Gemeinschaft mit ihnen abbrechen, wenn nicht zum Glücke sie selbst meist besser wären als ihr System. (Fr. Arndt.) Nach der Landung ·au der nordöstlichen Küste des See’s zog der HErr weiter mit den·Jlingern den Weg nach der Stadt Bethsaida-Ju·lias (Kap. 2, A) u. 4, 25 Atem) hinauf und hat da mit Beziehung auf ihre Sorgeswegeii des vergessenen Brodborrathes und zu- gleich in Riickbeziehnng auf das Gleichniß vom reichen Zhoren d(LnkiK12, äYAgn fåådeffrühere Rede in der er pre i t ap. , — ie erinnert« da er er Abschnitt-Year. 12, 22—-31 weh! hier seine cåtenehfiuder Bei Bethsaida angelangt, verrichtete dann der HErr die Heilung an dem Blinden (Mar·k. 8,· 22——26); er führte ihn hinaus vor den Ort und ließ ihn nach d»er Heilung nicht dahin zurückkehrem denn er wollte wahrend der bereitsangebrochenen heißen Jahreszeit von Mitte Juni bis Mitte September, in der er auch im vorigen Jahr seine Wandernngen eingestellt hatte (Kap.·9, 35 Anm.), entweder in der Stadt selbst oder doch in» deren ZTTETTZZ2I"s-TE,"WFIIF»?"3?I«ZT32«ZTie?"-TLch3T?IL3 JTFTH der Verbannnng lebt, aber nun auch die Bildung der neuen Gemeinde ·(zum ersten Mal redet er in II» 13353 silkmfs3F""E3’?2T?eg’å?2ii?"lsi«?,hti, ZEISS? . , — e e e e an seine Jünger und gewinnen so, während wir bei der überfichtlichen Zusammenstellung auf 134 in Be- trefs des 12. Kap. bei St. Lukas ·vieles einstweilen noch a u « ien o s"xZkfkåksk’såx2ksspt-2xmcäkisfug säh« vix? ZEIT-g Fkkühstkgestkx genauere Anordnung: §. 60. Gleichnißg vom reichen Kornbauen Zeichensorderung der Pharisäer und Sad- ducäer, Warnung vor ihrem Sauerteig und Ermahnun zur Unbesorgtheit (Luk. 12, 13—21; Matth.16, 1—1 u. Mark, 8, 11»—21; But. 12, ·22——31). §. 61. ei- lung eines Blinden berBethsaida »(Mark. 8, 22— 6). §. 62. Jesus in der Stille stärkt seine Jtinger und be- reitet sie auf den Tag seiner « iiknnft. Die Bildung der neuen Gemeinde. (Luk. 12, 3 —53.) I« v. 13—28. (§. 63.) Als nach Ablauf der heissen Soniniernionate Jesus den stillen Aufenthalt bei Beth- saidwJulias wieder »oerläßt, wandert er mit seinen Jüngern nun) diorden hinauf in die Gegend von Cäsa- readllhilipnt und hält da eine Prüfung mit ihnen, wie weit sie in der Erkenntnis seiner person und würde vorgesthritten und zu einer eigenen, von der unklaren nnd eher räkli- als vorwärts gekommruen Gesammtmasse Ssraels net) bestimmt nnterskheidenden Gemeinde heran- gewaehseu nnd; es ist namentliih Simon Petrus, der ein gutes Erkenntnis ablegt nnd der vom Geiste Gottes ge- leitet das, worauf es in dieser entscheidenden Stunde ankommt, klar erkennt, weshalb er auch vom HGrrn selig gepriesen nnd in die erste Stelle des Aposielkreises gerürkt wird, die er denn nun) immer im verzeichnisse der Zwölfe einnimmt. Ilathdeni hierauf Jesus weiter von dein aposlolischen Amt nnd dessen tiefngnissen gehandelt, den Jüngern aber verboten hat, mit dem Volke, das ihn nicht für den Messias erkannte, no) in Dispiite einzu- lassen, beginnt er ihnen sein beoorstehendes Leiden, aber nun) die darauf folgende Auferstehung zu nieissagecu Gleich. s, 27-——9, l; link. s, 1lI—27.) Dächseks Bibelwort. Evangelium am Tage Petri nnd Punkt: V. l3—-20.) Jndem die röniische Kirche den Apostel Petrus als den Apostelstirstem als Gründer des bischöflichen Stuhles zu Rom und als den Stifter ihres Primats in der Christenheit ansah, war es nattirlich, daß sie ihn durch kirchliche Feste verherrlichte und auszeichnetr. Zu diesem Zwecke führte fie ein: 1) das Fest der Stnhlfeier des Apostel Petrus am 18. Januar, zur Feier der Errichtung des bischiiflichen Stuhles zu Rom und der Einfetzung des römischen Bisthums durch Petrus; 2) das Fest der Kettenfeier Petri am 1. August, das bald zur Erinnerung daran dienen soll, daß Petrus auf Befehl des Herodes Agrippa I. zu Jerusalem in Ketten liegen mußte (Apostg. 12, 3 ff. —— diese habe hernach Eudolia, die Gemahlin des Kaisers Theodosius II., zum Geschenk erhalten, sie wiederum an ihre Tochter Eudoxia und letztere dann an den bifchöflichen Stuhl in Rom verschenkt, wo sie in einer dem Petrus geweihten Kirche niedergelegt worden), bald zur Erinnerung daran, daß Petrus dnrch Nero in Rom in Ketten eschlagen ward. Für beide Feste hat sich die evangelis e Kirche natürlich niemals interessirtx was dagegen 3) den Peters- und Paulstcig betrifft, so ist die Festsetzung, daß beide Apostel zu einer und derselben Zeit und an einem und demselben Tage unter Nero den Märtyrer- tod zu Rom erlitten hatten, in dieser, aller geschichtlichen Wahrheit widersprechenden Ausdehnung erst ein Macht- sprnch des Papstes Gelasius l. (492——496 n. Chr) Zwar daß ihr Tod auf denselben Monatstag falle, nämlich den 29. Juni, galt schon um die Mitte des Z. Jahrh. für gewiß; doch machen Augustin und Andere seiner Zeit noch einen Unterschied hinsichtlich der Jah- resza l, indem Paulus ein Jahr früher als Petrus hingerichtet sei, und in dieser Fassung hielt auch die evangelische Kirche an der kirchlichen Ue erlieferung« fest. Gerade ihr mußte der vorliegende Text besonders wich- tigfein: »Das Glaubensbekenntniß von Christo, dem Sohn des lebendigen Gottes, dasköstliche Kleinod der evangelischen Kirche; sie hat daran 1) ein hohes Panier im Streite menschlicher Meinungen, Z) eine vollgiltige Urkunde ihrer edlen Abkunft, s) eine sichere Btirgschaft ihrer unverwüsilichen Dauer, 4) einen goldenen Schliissel ziir Thüre des Himmels. (Gerok.) 13. Da snicht sofort nach der Landung am nordöstlichen Ufer des galiläischen Meeres, sondern etwa 3 Monat später, als er seinen Aufenthalt in oder bei Bethsaida-Julias nun wieder verließ] kam Jesus in die Gegend der [5 Meilen nördlich von Bethsaida gelegenen] Stadt Casatea Philippt [Kap. S, 20 »Anm.], nnd fragte [auf dem Wege dahin] seine Junger und sprach: Wer, sagen die Leute, daß [ich, der ich mich als] des Menschen Sohn szu bezeichnen pflege Joh..1, 51; 3, 14; Z, 27; S, 533 Matth 8, 20; 9, S; 10, 23; 12, 8. 32. 40; 13·, 37] sei? 14. Sie sprachen sihm getreulich beriehtend, was sie darüber sowohl auf ihrer Apostelreise Kap. 10, I — 11 , 1., als bei ihrem sonstigen Verkehr mit dem Volke in Erfahrung gebracht]: Etliche sagen, du seiest [der von den Todten »wieder er- standene Kap. 14, 21 Johannes der Tanserz die andern, da seiest Elias svon dem die Schriftge- lehrten auf Grund der Stelle Mal. 4, 5 sagen, er müsse zuvor kommen, ehe der Messias kommt R. T. I« 15 226 Evangelium Matthäi 16, 15. IS. Kap. 17, 10]; etliche, »du seiest sder wieder er- schienenes Jerentias [s;)s. 71, 21 Anm.], oder ssonstj der Propheten einer setwa Elisa]. 15. Er sprach zn ihnen: Wer sagt denn [aber] ihr [auf deren Meinung vor allem es mir jctzt an- kommtL daß ich sei? 16. Dafanttvortete Simon Petrus sder auch in Joh. s, 18 f. den andern mit gutem Bekenntniß vorangegangen wars, nnd sprach: Du bist Christus sder Messias Jsraels, wofür wir dich von Anfang an erkannt haben J0h«1-41], des lebendigen Gottes Sohn [wofür wir dich erst nach und nach, aber doch endlich mit zweifelloser Gewißheit Kap. 14, 33 erkannt]. Im Grundtext beginnt unser Abschnitt gar nicht mit einem »Da« in dem Sinne von »damals«, wie es nach Luther’s Uebersetzung gefaßt werden müßte, sondern statt solcher Rückbeziehung auf das Frühere mit Eröffnung einer neuen Geschichtsperiode in dem Leben des HErrtn Da aber Jesus in die Gegend (das Gebiet) der Stadt Ciisarea Philippi kam, fragte er seine Jttngerz es ist also, wenngleich nach Mark. 8, 27 die hier vorliegende Begebenheit örtlich an das früher Er- zählte sich anschließt, insofern Bethsaida-Julias nordöst- lich vom galiläischen Meere der Punkt ist, von welchem gesus mit den Jüngern ausgeht (mit Rücksicht auf diese ertlichkeit konnte in Luk. 9, 18 ff. die Begebenheit so- gar an die Geschichte von der Speisung der Fünftausend angeschlossen werden, da diese ebenfalls in der Wüste südlich von jener Stadt stattgefunden, obwohl nach unsrer Berechnung nun schon 5 Monat seitdem vergangen waren), doch zeitlich ein wesentlicher« Zwischenraum zwischen beiden Ereignissen zu setzen und die Bestimmung der Zeit nicht mehr nach dem Bisherigem sondern nach dem Fol enden zu treffen. Da ist es nun der Vorfall in Kap. 1 , 24 ff. von der Entrichtung des Zinsgroschens, der einigermaßen einen Anhalt für solche Bestimmung ge- währt; wir haben diesen Zinsgroschen allerdings, wie von den neueren Auslegern metstentheils geschieht, von der judi- schen Tempelsteuey die um die Zeit des Osterfestes zu entrichten war, zu verstehen, doch läßt die Frage der Steuererheber deutlich erkennen, daß Jesus damit seither im Rückstand geblieben und bereits Ende September her- beigekommen ist. Etwa in die Mitte dieses Monats wäre denn der Weggang Jesu von Bethsaida und seine Wanderung nach den zum Gebiet von Eäsarea Philippi gehörigen Märkten oder Dörfern zu verlegen. Bei einem derselben hatte er die Nacht im Gebet zugebracht (Luk. 9, 18); ehe er am andern Morgen weiter zieht, richtet er nun obige Frage an die Jungen Nach der Dar- stellung bei Markus und Lukas handelt es sieh blos um die Messianität Jesu: der HErr will sich überzeugen, ob sie, die von Anfang an in dem Glauben, daß er der Messias, der König Jsraels sei,- sich ihm angeschlossen (Joh. 1, 41. 45 u. 49), diesen Glauben im Gegensatz zu den mancherlei Volksvorstellungem die es überhaupt nicht weiter als bis zu einem bloßen Vorläufer des Messias , zu einem wiedererstandenen Propheten der alten Zeit gebracht haben oder doch, wenn sie auch einen Ansatz zu Höherem machten (Kap. 12, 23), in Folge der phartsäifchen Gegenwirkung auf jenen niederen Stand wieder zurückgesunken sind, und trotz dem Aergerniß, daß ihn die Obersten verworfen und in die Verbannung hineingetrieben, noch fest und unerscbüttert in sich tragen; denn es kommt die Zeit, da solcher Glaube noch einen weit hestigeren Stoß erleiden soll, die Zeit seines Leidens und Sterbens, und um den Stoß auszubauen, müssen sie mit ihrem Glauben tief gegründet sein, mttssen sie einmal feierlich durch Einen aus ihrer Mitte als Ver- treter der Gesammtheit ihr Bekenntniß gethan haben. Schon mit dem Bekenntniß: ,,Du bist der Christ Gottes« schieden sie sich von der übrigen Nation und traten als eigene, selbstständige Gemeinde aus derselben heraus; die neutestamentliche Gemeinde im Gegensatz gegen die alttestamentlichz die sich zur eit der Bergpredigt vor Jahresfrist in der Wahl der wölse nur erst an- bahnte und vorbereitete, war nunmehr dem Keime nach gegründet und gewonnen, und wir verstehen vollkommen aus der Wichtigkeit des Moments, warum der HEry gleichwie vor jener Wahl (Luk. 6, 12), die Nacht zuvor tm Gebet zu Gott hingebracht hat. Wir können auch wohl sagen, schon mit diesem Bekenntniß: »du bist Christus« hat die neutestameutliche Gemeinde, die christ- liche Kirche, gleich bei ihrem ersten Hervortreten ftch wesentlich als eine protestantifche charakteristry denn als Protestanh im Gegensatz gegen alle Verkennung Christi in der jüdisehen Gemeinde, hat Petrus sein Be- kenntniß gethan. Bei Matthäus dagegen handelt es sich um noch mehr, als um die bloße Messianität Jesu, noch um eine tiefere Erkenntniß seiner Person und um eine gründlichere Scheidung von dem durch die Pharisäer und Schriftgelehrten beherrfchten Israel; denn indem der HErr da nicht schlechtweg fragt, wie bei den andern beiden Evangelistenx »wer sagen die Leute, daß ich sei?« sondern sich zugleich als ,,des Menschen Sohn« charak- teristrt, hat er das Bekenntniß zu ihm als dem wahren Messias, wie wenn dieses für die Jünger sich von selbst verstünde und ihrerseits gar nicht mehr zweifelhaft fein könnte, eigentlich schon vorweg genommen und drängt sie damit. auf einen noch höheren Standpunkt, aus den sie sich setzt stellen sollen, hin. Wie nämlich zu Katz. 14, 33 auseinander gesetzt, war der erwartete Messias den Juden damali er Zeit keineswegs auch der Sohn» Gottes im metaphysischen oder übernatürlichen Sinne, Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrhaftiger Gott vom wahrhaftigen Gott, mit dem Vater in einerlei Wesen; so oft Jesus sich dafür erklärt, betrachten die Juden vielmehr dies als Blasphemie, nicht blos, weil er für seine Person kein Recht dazu habe, sondern weil es an sich und für jeden, selbst für den Messias, eine Gottes- lästerun sei, sich in diesem Sinne Gottes Sohn zu nen- nen, un auch diejenigen stellen sich so , die ihn bereits als den Propheten, der in die Welt kommen sollte, an- erkannt und zum König von Jsrael haben ausrufen wollen (Joh. 6, 14 f. 41 f.; l0, 33 ff.; 19, 7 ff.). Bei seinem Wandeln auf dem Meer ist den Jüngern zum ersten Mal das Bekeuntniß entschlüpft: »du bist wahrlich Gottes Sohn«; dabei hat denn Petrus schon in Joh. 6, 68 s. es nicht bewenden lassen, sondern die neu gewonnene Glanbenserkenntniß fixirt und formnlirt, sie aus einer slüchtigen zu einer stetigen und aus einer von der überwältigenden Macht des augenblicklichen Eindrucks in den Mund gelegten zu einer in bestimmte Worte der inneren Ueberzeugung gefaßten gemacht, indem er an die Stelle der ursprünglichen, nur eine ethische oder amtliche Gottessohnschast enthaltende und den be- schränkten jttdischen Mefsiasbegrifs noch nicht ausschlie- ßenden Formel (Ioh. l, 49): »Du bist Gottes Sohn, du bist der König von Israel« die andere setzte, welche die ontologische oder wesentliche Gottessohnschaft ans- sprach und sich hoch tiber den untergeordneten jüdischen Messiasglauben erhob: »du bist Chr1stus, der Sohn des lebendigen Gottes« Wir glauben annehmen zu dürfen, daß der Err bei seiner Frage hier: »wer sagt denn ihr, daß rch sei,« es nicht blos aus das eine: »du bist Christus« sondern auch auf das andere: »der Sohn des Petri Bekenntniß von Christm 227 lebendigen Gottes« abgesehen hat; er will sehen, ob die Iünger sich allseitig und gründlich von der jüdischen Synagoge losgemacht und zu einer eigenen, neuen Ge- nossenschaft zusammengefchlossen haben. Wir glauben dann weiter auf Grund der Verschiedenheit des Verichts bei Markus ·und Lukas einerseits und bei Matthäus an- dererseits annehmen zu dürfen, daß die übrigen Jünger nur das »ich« in der Frage des HErrn herausgehörh das ,,des Menschen So n« aber überhört hatten, sich deshalb mit dem bloßen: ,,du bist Christus« bei ihrer Antwort begnügten, und so die Scheidung nur nach der einen Seite hin vollzogen, während sie die nach der an- dern Seite hin im Herzen verborgen bleiben ließen (denn da allerdings hieß es auch: ,,des lebendigen Got- tes Sohn«); sie verstanden nicht im ganzen vollen Um- fange die Bedeutung des Augenblicks , Petrus allein, dnrch einen besonderen Trieb des heil. Geistes geleitet, erfaßte dieselbe in ihrer ganzen Tiefe und voll- zog die Scheidung der neuteftamentlichen Gemeinde von dem jüdifchen Volksglauben gründlich und allseitig. Und so wird es klar, warum der HErr, ehe er in V. 20 ff. zu den Jüngern überhaupt sich wendet, in V. 17—19 zuvor ein Wort an Simon Petrus richtet, womit er ihn in gewissem Maße an die Spitze der übrigen stellt. ,,Wäre die Lüge des Papstthums so oberflächlich und offensichtlich, daß sie schon in ihrem biblischen Grunde, dem Primate (Vorranget des Petrus, Unrecht hätte, was die gewöhnliche Meinung der Protestanten ist, so würde sie wahrlich nicht zu solcher Macht gelangt sein, daß die ganze Gefchichte des Christenthums sich um sie dreht; aber darin liegt das infernale (unterirdifche oder höllische) Geheimniß Roms und des Papstthums, daß es eine volle biblische Wahrheit mit dem un lanblichsten Schein der Rechtmäßigkeit gestohlen hat.« ir werden davon hernach noch weiter zu reden und zugleich zu er- örtern haben, woher es wohl kommt, daß zwar Mat- thäus diese Verhandlung mit Petrus erzählt, Markus und Lukas aber ihrer geschwiegen haben; für jetzt liegt uns noch etwas anderes ob, das ist eine nähere Erwä- ging der Selbftbezeichnung des HErrm ,,des Menschen ohn««, für welche wir zu Kap. 8, 20 nur erst eine vorläufige Andeutung mit drn Worten eines andern Auslegers gegeben haben. Diese Bezeichnung der Persönlichkeit Jesu: d es Men- schen Sohn, die, am häusigsten von ihm selbst ge- braucht, über 80 Mal im neuen Testament vorkommt (über 30 Mal bei Matthäus und 11 Mal bei Johan- nes, nach Abzug der Parallelstellen bleiben für Christi eigenen Gebrauch 55 Mal), ist ihrem Ursprun e wie ihrer Natur nach apokalyptisch (Dan. 7, 1 Anmz d. h. wie sie zuerst von dem alttestamentlichen Apokalyptiker Daniel (7, 13 f.) in Anwendung gebracht wird, so dient sie auch dazu, das Wesen dessen, den sie meint, ebenso- wohl vor unempfänglichen Gemtithern zu verhüllen, als es vor den tiefer Blickenden zu offenbaren. Ihren Mefsias pflegten die Juden als ,,Sohn Davids« u be- zeichnen (Kap. 9, 27; l2,23; 15, 22; 20,30f.; 22, 42); aber diese Umschreibung konnte der HErr aus mehr als einem Grunde nicht brauchen, und gerade da- rum, weil sie zu offensichtlich, zu gemeinverständlich war, mußte er sie vermeiden, wenn er von innen heraus, durch seine Worte und Werke einerseits und durch die fortschreitende Erleuchtung des Geistes audrerseits, die Leute zscr Erkenntniß seiner Messianität führen und von ihren krankhaften, phantastisihem Messiaserwartungen heilen wollte. Er wählte daher eine andere, die durch ihre nahe Verwandtschaft mit jener ganz geeignet war, die letztere zu ersehen und an empfänglichen Herzen, die mit feinem Ohr hörten, dasselbe auszurichten, daß sie nicht lange in Zweifel fein konnten, er erkläre sich be- 1,9;« stimmt und unzweideutig für den Mesfias (Joh. I, 51; Z, 14); und die doch zugleich der großen, fleichlich ge- finnten Men e durch ihre Neuheit so fremd und unver- ständlich vor am, daß sie nicht wußten, was sie eigent- lich damit anfangen sollten, es zwar merkten, was sie bedeuten solle, doch daneben auch inne wurden, der, welck)er fich ihnen als Messias anbiete, wolle mit ihren landläufigen Mefsiasgedanken nichts zu fchaffen haben, und erkläre sich für einen ganz Andern, den sie mit ihren Begriffen nicht zu erreichen vermochten (Joh. l2, 34). Jst das der Dienst, den die Redensartx ,,des Menschen Sohn« als Umsihreibung für den Messias Jsraels leistet, so ist ihre Meinung und Absicht doch keineswegs damit erschöpft; vielmehr tritt der HErr damit aus dem Kreis eines particularistisch beschränkten Messias und des blo- ßen Davidssohnes heraus und nimmt Stellung zu dem gesammten Menschengeschlecht und Stellung zu Gott als zu seinem Vater im Himmel. Schon in Dan. 7, 13 f. öffnet sich, wie dort bemerkt worden, ein universeller Horizont; nicht mehr nur als israelitifcher König , fon- dern als Weltherrscher erscheint der, der da kommen soll; die Weissagung greift auf das erste Evangelium in 1. Mof. Z, 15 von dem Weibessamen zurück und die ganze Menfchheit steht wieder, wie es vor der« Erwäh- lung Jsraels der Fall war, im Sehfeld der Offenba- rung. unverkennbar ist denn auch an dem Ausdruck: ,,des Menschen Sohn« die Verwandtschaft mit jenem: ,,des Weibes Same«. Der HErr konnte ja, wenn er stch als denjenigen bezeichnen wollte, in welchem die den Stammeltern gegebene Verheißung erfüllt werde, den letzteren Ausdruck nicht als Namen verwerthen, gleichwie er den andern: ,,David’s Sohn« nicht als Umschreibung für den, der Jsraels Messiashoffnung zur Erfüllung bringe, verwerthen wollte, um nicht falfcher Hoffnung Raum zu geben; er wählte also einen damit gleichbedeutenden, welcher ebenfowohl feine vollkommene Gleichheit mit uns, als seine absolute Erhabenheit über alle Menschen erkennen läßt, da beides in jenem Aus- druck enthalten ist, wie aus der zu demselben gegebenen Erklärung von selbst sich ergiebt. Jn allgemeinem Sinne, schreibt der französifche Theologe Godet, be- deutet der Ausdruck: »Menfchen Sohn« einen Spröß- ling des menschlichen Geschlechts, wie es in Pf. 8, 5 heißt: »was ist der Mensch, daß du fein gedenkest, und des Menschen Sohn (Luther: Kind), daß du dich sein annimmst?« Vor allem wollte also Jesus, indem er diese Bezeichnung wählte, feine völlige Gleicharti keit mit uns geltend machen: was Mensch heißt, darf eim Anhören dieses Titels sagen, das ist mein Bruder, mein Vertreter; das bin ich selbst, so wie ich hätte sein follen, wie ich fein sollte, wie ich noch jetzt in ihm werden kann. Aber indem er den Artikel vor »Sohn« setzte: »der Sohn des Menschen«, stellt er offenbar neben der behaupteten Gleichheit feine absolute Erhabenheit fest; er schreibt sich dadurch innerhalb des Geschlechts, zu dessen Mitglied er sich gemacht hat, eine einzigartige Stellung zu; er erklärt sich nicht nur für einen Menschen, für einen wahren Menschen, sondern für den Sprößling des menschlichen Geschlechts im höchsten Sinn, für den erwarteten, vorhergesehenen, moralisch nothwendigen Menschen, den normalen Repräsentanten des Urbildes. Und wie nun der Ausdruck, so aufgefaßt, in der That eine Anspielung enthält auf die ursprüngliche Verhei- ßung, daß durch den ,,Samen des Weibes« Gott den vollständigen Sieg über den Todfeind unsers Geschlechts davontragen werde, das wird um so fühlbaren wenn man sich erinnert, daß in der Formel: ,,des Menschen Sohn« (denn auch das Wort »Mensch« hat den Artikel bei sichs der Mensch nicht ein Individuum, eine Einzel- person bezeichnet, sondern das Geschlecht der Menschen 157 228 Evangelium Matthäi 16, 17. 18. selber. Nimmt so der HErr mit seiner Selbstbezeichs nung Stellung zu der gesammten Menschheit und er- klärt sich ftir beides, für ihren Sproß und für ihre Krone, für Jhresgleichen und für ihr Ideal, so nimmt er damit auch Stellung zu Gott und legt sein Verhält- niß zu ihm, dem Vater im Himmel dar; denn da, wo er die Bezeichnung zum ersten Mal von sich braucht, nämlich in Joh.1,47 ff» steht sie unverkennbar in Rückbeziehun zu dem Titel: ,,Gottes Sohu«, der ihm so eben von athanael beigelegt worden ist, und will, indem sie denselben erläutert, ihn von falschen Vorstel- lungen läutern, die Nathanael zur Zeit noch damit ver- bindet, und den Jünger zur Ahnung seines Einsseiu mit dem Vater hinführen. Er, der HErr, läßt einst- weilen sich noch genügen an dem Glauben, der in ihm den höchsten von allen Gotte-Männern, den größten aller Propheten erkennt, wenn er auch für jetzt ihn damit nur dem Range und noch nicht dem Wesen nach iiber die übrigen Gottesmänner oder Propheten erhebt und erst von einem Messias im Sinne des jtidischen Volksglaui bens weiß; aber Nathanael, nachdem er mit diesem noch unvollkommenen, unerleuchteten Glauben in die Nachfolge des Menschensohnes eingetreten, wird in solcher Nach- folge die Erfahrung machen, daß das, was bei Andern, die in der Schrift mit ,,Menschenkind« angeredet worden (Dan. 8, 17; Heset 2, 1), nur zu Zeiten, in außeror- dentlicher und iibernatürlicher Weise stattgefunden, näm- lich der Verkehr der Himmelswelt mit ihnen und ihrer mit dem immel, bei diesem ,,Menfchensohne« das Täg- liche, Bleibende, Wesenhafte sein und des Erzvaters Jakob Gesicht von der Himmelsleiter (1. Mos. 28, 12) sich thatsächlich verwirklichen wird· Er wird des Men- schen Sohn kennen lernen als einen, dessen ganze Stel- lung nach oben die eines Gott dienenden, in heiligem Gehorsam gegen Gott lebenden, zu Gott betenden Men- schen ist, dem nun aber auch wiederum des Himmels Geister und des Himmels Kräfte als die Diener seines Vaterhauses und als seine eigenen Kräfte zu Gebote stehen; und so wird er die in diesem Menschen Jesus leibhaftig wohnende Fülle der Gottheit erkennen und des Menschen Sohn noch in ganz anderem Sinne als Got- tes Sohn begreifen lernen, als in welchem er ihn jetzt so genannt hat. Bis zu der Zeit, bei welcher wir mit der hier uns vorliegenden Geschichte stehen , konnte das Ziel, von welchem damals der HErr zu Nathanael redete, an letzterem gleichwie an den übrigen Jüngern wohl erreicht sein; und daß es wirklich erreicht sei, dies am Anfang der gegenwärtigen neuen Periode, wo der HErr nun zu seinem Leidens- und Sterbensgange sich anschicken will, klar zu legen, dazu richtet er an die Jünger die Frage: »Wer, sagen die Leute, daß des Menschen Sohn sei?« Das ,,des Menschen Sohn« tritt da zunächst wie eine bloße Umschreibnng fiir »Jch« auf, und als solche erscheint sie bei den andern beiden Evangeliftem weil die Jünger diese Selbftbezeichnung auch wirklich zunächst so gefaßt haben; als nun aber bei der andern Frage: »Wer sagt denn ihr, daß ich sei?« Jesus an die Stelle jener Selbstbezeichnung das »Ich« seht, da entfaltet Petrus mit seiner Antwort den Inhalt des Selbstbewußtseins seines Meisters zuerst nach der- jenigen Seite, wonach er der Christ Gottes, der von Gott verheißene und nun auch wirklich in die Welt ge- fendete Heiland und König Jsraels sei, und thut damit dem Drange, soweit er auch in den übrigen Jüngern sich regt, genug; ihn selber aber drängt es, noch mehr zu sagen, und so entfaltet er den Jnhalt des Selbstbe- wußtseins Jefu zugleich nach der andern Seite, von der gerade er am tiefsten bei seinem eigenen Wandeln ans dem Meer (Kap. 14, 28 ff. — man beachte, daß auch diese Geschichte ausschließlich von Matthäus berichtet wird!) es erfaßt hat: ,,des lebendigen Gottes Sohn« Nach diesem Stande der Dinge werden wir es für ganz in der Ordnung erkennen, wenn der HErr nun seinerseits dem Petrus einen Vorrang im Apostelkreise zuspricht 17. Und Jesus antwortete szunächst auf diesen zweiten Theil seines Bekenntnisses, ehe er dann V. 20 in Beziehung auf den ersten Theil sich an die Jünger insgesammt wendete], und sprach zu ihm: Selig [zu preisen als einer, mit dem Gottes Rathschluß stchtlich etwas Besonderes vorhat] bist du, Simon, Jonas snach anderer Lesart: Johanna, des Jo- hannes Joh. 21, 17 ff] Sohn; denn Fleisch und Blut [wie du es von diesem deinem menschlichen Vater empfangen, deine natürliche Kraft und An- lage] hat dir das swas du so eben bekannt hast] nicht offenbart, sondern mein Vater im Himmel [durch Wirkung feines Geistes, womit er sich an dir in besonderer Weise verherrlichen und dich so bald und so sicher in alle Wahrheit leiten wollte Kuh. 11, 27]. 18. Und ich sage dir auch [wie du gesagt hast, wer ich sei, so will ich nun auch dir sagen, wer du seiest]: Du bist lwofür ich gleich bei deiner Berufung dich erklärt habe Joh. I, 42; Mark. Z, 16., auch in der That und Wahrheit, nämlich Kephas, auf griechisch] Petrus [d. i. ein Fels oder ein Mann, dem in seiner festen Entschiedenheih in der Unerschütterlichkeiy womit er ,,vom Glauben sich nichts läßt trennen,« die Felsennatur eignet], und auf diesen Fels [auf dich, doch nicht auf deine Person als solche oder an und für sich, sondern auf die Felsennatuty die so klar und bestimmt an dir hervorgetreten — im Grundtext steht hier petra statt des vorherigen part-as] will ich baueu meine Gemeine sdaß du der erste Stein sein sollst in dem Grunde der Apostel, der nächst mir, dem Eckstein Ephes. 2, 20., sie trägt], und die Pforten der Hölle [oder des Todtenreichs Hiob 7, I; 1. Kön. 1, 35 Anm., ob diese gleich sich weit werden aufthun, meine vom Reiche der Finsterniß verfolgte Gemeine gleichsam zu verschlingen und in den Untergang hinabzuziehenj sollen sie nicht übertvciltigen snach herkömmlicher Auslegung: alle Gewalten des Todes, des Teufels und feiner Werkzeuge, ob sie gleich meine Gemeine auf alle Weise angreifen und mit aller Macht und List zu dämpfen suchen werden, sollen doch nicht hindern, daß der Bau derselben glücklich von Statten geht und sie bis an’s Ende der Welt besteht]. An welcher Stelle des heil. Landes hätte dieses pro- phetische Wort göttlicher Allmacht, wie wir es in V. 17f. lesen, ergreifender ausgesprochen werden können, als un- mittelbar unter den himmelanstrebenden Felsen des Her- mon, auf dessen unerschüttertem Grunde jene Gauen paradiesischer Schöne bei der Stadt Cäsarea-Philippi er- blühen und ein Gipfel aufsteigt, der unverändert und unerfchüttert auf das Leben der Erde und den Wechsel der Menschen im Laufe der Jahrhunderte und Jahr- tausende herniederschautl (Strauß.) Ein Fels ist das Bild der Festigleih und zwar in doppelter Beziehung, Petrus wird wegen seines Bekenntnisses in die erste Stelle des Aposielkreises gerückt. theils weil er fest steht, theils weil er fest stützt: das eine wie das andere rühmt Jesus an Petrus, um des einen wie des andern willen nennt er ihn einen Felsen. (Fr. Arndt.) Damals, als Jesus gleich bei der ersten Begrüßung den Simon mit dem Beinamen Petrus be- schenkte (Joh. I, 42), hatten die Jtinger sich zu der Mesfiaswürde Jesu bekannt aus die Auctorität Johannis des Täufers hin und getragen von der jugendsrischen Hoffnung, daß ihr ganzes Volk ihn bald jubelnd aner- kennen werde; das Bekenntniß aber, welches Petrus jetzt ablegt, hat einen ganz andern Werth, es ist ein folches, wobei ihm das Fleisch nnd Blut seiner Abkunft und seines Volks keinen Beistand leistet, worin er sich von der Sympathie feiner Zeit verlassen sieht, ein Be- kenntiiiß auf die Gefahr hin, mit der Nation zu zer- fallen und mit Christo verbannt zu werden, ausgespro- chen in der Gotteskraft des heil. Geistes. Und während die Enthusiasmen den Bekennenden jetzt nicht begünstig- ten, war sein Bekenntniß reicher als je. ,,Du bist Chri- stus,« das hatte er auch sonst gesagt; allein die Worte: »du bist der Sohn des lebendigen Gottes«, hatte er nie- mals (auch in Joh. 6, 69 nicht) mit diesem Ausdruck, in dieser Fülle der Erkenntniß geredet. Er fah den Abglanz des lebendigen, alle Welt erfüllenden Gottes, das Ebenbild der Gottheit in Jesu leibhaftig vor sich stehen, obwohl derselbe als Menschensohn jetzt mehr einem armen Flüchtling, als dem messianischen König ähnlich sah; er schritt mit dieser Erkenntniß ganz entschieden über die jüdische Auffassung des Messias weit hinaus. (P. Lange.) Bei allem Confusen oder Berworrenen, was die Leute sagen, ist Petrus nicht irre geworden, sondern nur entschiedener und gewisser; er antwortet daher nicht etwa, wie die Frage gestellt war, mit einem »Ich sage, wir sagen,« sondern rund und rein heraus erklin t die Zuversicht seines Sa ens: »du bist’s.« Das zu » hristus« noch gesügte ,,Sogn Gottes« ist keines- wegs blos ein anderer, gleichbedeutender Ausdruck da- für, sondern der zweite Ausdruck einer tieferen Erkennt- niß; als den Sohn Gottes bekennt er den Menschensohm wie er den Christus entgegensetzt dem Täufer, Elias und den Propheten. Er verstärkt endlich noch den Aus- druck, indem er spricht: des ,,lebendigen« Gottes, was hier weder eine bloße feierliche Formel sein kann, noch vollends wie früher im alten Testament ein bloßer Ge- gensatz mit den falschen Göttern, sondern schon eindringt in die Tiefen des Zeugnisses: Joh. 6, 57; das Verständ- niß der Gefchichte von außen findet in dem »Menfchen- fohn« esus für’s Erste den Israel verheißenen Christus; die Philosophie des Glaubens erkennt, indem sie das Wort recht liefet, hört, vernimmt und versteht, in diesem Christus alsbald den Sohn des lebendigen Gottes. (Stier.) Mit dem Wort: »du bist Petrus« ist ausge- sprochen, daß Simon in den Wo en der Anfechtung, die an den Glauben der Jünger s lagen, unerfchüttert geblieben; sein Bekenntnißz »du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes,« war also keineswegs das erste Aufleuchten seines Glaubens (Jo . S, 69), das aber war roß, daß Simon in der schweren Krisis, die seit einiger Zeit über die Sache Jesn hereingebrochen war, die Freudigkeit feines Glaubens an Jesu Messianität und an die Jnnigkeit seiner Gemeinschaft mit dem lebendigen Gott sich nicht schmälern ließ. Denn nicht blos die Klagen von Ehorazim Bethfaida und Kapernaum waren kalt geblieben, auch die Begeisterung der Volksmasfe war erkaltet —- einsam und von dem Geschick des Täufers hedrogy wanderte Jesus hin und her; zu jeder Zeit aber atte Beifall und Abwendung der Masse für das menschliche Herz etwas mächtig Imponirendes Wer fühlt es dem Worte in Kap. 15,12 nicht ab, wie bange den Jüngern im Blick auf die Pharisäer werden wollte? 229 Auch daß sie von ihrem Hauswesen jetzt hatten fcheiden müssen, um das Wunderleben Jesu zu theilen, mochte ihnen nicht leicht fein; viele Monate nachher macht sich Simoiis Schmerz darüber in Kap. 29, 27 noch Luft. Früher hatten die Jünger festen Boden unter den Füßen, jetzt nicht mehr:. das war es, was Jesus voraus erblickte, als er nach der Speisung über das Meer u den Jüngern wandelte; sie sollten erkennen, daß für ihn auch die Wasserwogen zur Straße werden. Simon hat es erkannt; was er dort erlebte, als er zu Jesu aus dem Schiffe hinausgetreten war (Kap. 14, 30 f.), blieb nicht fruchtlos für ihn. Dieses Unerschüttertsein feines Glaubens in der schweren Zeit ist der Grund , warum Jesus sich seines Bekenntnisses so innig freut; was er Ah, Jahre zuvor bei der ersten Be egnung, seine Gei- stesart in dem Angesichte lesend, zu ihm gesprochen: »du sollst (wirst) Kephas heißen ,« darf er jetzt, nach Simons Bewahrung, wieder aufnehmen, darf es ver- wandeln in: »du bist Petrus« (Geß.) Du bist jetzt eben vor mir, was in aller Zukunft deines Apostels berufs immer völliger zu fein du verordnet und deshalb längst von mir Petrus geheißen bist: ein fester, freudiger Bekenner, auf dessen Bekenntniß und Glauben sich etwas bauen läßt, ein tüchtiger Fundamentstein zum Bau Gottes auf Erden, wie der alte Tempel auf Felsengrund steht. Daß dies jetzt dem Petrus nicht blos im Namen aller Apostel, sondern mit einem gewissen Vorzug seiner Persönlichkeit gilt, hätte man auf protestantifcher Seite nie künstlich wegleugnen sollen; denn eben der Namen« gebung und Berufung Sinn liegt ja gewiß in nichts anderem, als daß nun diesem Simon dieser Name so völlig eignet. »Und auf diesen Felsen«, dtis fetzt un- ividerfprechlich die persönliche Beziehung auf Petrus fort; ,,dief er Fels«, das kann ebenso wenig eine den Glan- ben und das Bekenntniß des Petrus von seiner Person losreißende Kraft haben» als man berechtigt ist, die Ver- heißung auf die Person des Petrus, abgesehen von fei- nem Glauben, zu beziehen, auch werden im ganzen Sprachgebrauch des neuen Testaments nicht Lehren, Be- kenntnisse, Gesinnungem sondern nur Menschen, Personen als Pfeiler und Säulen des Baues bezeichnet (vgl. 1. Petri 2, 5). Also Simon Petrus behält freilich den Vorzug feiner Berufung und Stellung im Apostelkreise, der ihm hier deutlich, schon über die zwischenliegende Verleugnnng siegreich hinausblickend, angewiesen wird: »auf dich, als (den ich machen will zum ersten Bekennen Verkündiger und Hauptapostel Jsraels Apostg. l, 15; L, 14; Mark. 16, 7), und selbst der Heiden« (Apostg. 10. 15, 7). Aber nun sagen wir auch mit gleichem Recht weiter: Petrus ist der erste und hauptfächlichste Grundstein, doch 1) nicht in feinem Menfchlichen als Simon Jona, sondern eben als Petrus; Z) nicht allein, sondern mit den andern Aposteln; 3) endlich nicht selber, was nimmer ein Mensch fein mag, »der eigentliche Grund und Fels im tieferen Sinne. Sobald F eisch und Blut wieder sprechen will, wird er als Satan abgewiesen (V. 22 f.); auch Johannes und Ja- kobus sind Säulen mit ihm (Gal. 2, I) nnd auf den zwölf Gründen (Ossenb. 21, 14) stehen zwölf Namen ohne Unterschied, wie in Kap. 19, 28 desgleichen zwölf Stühle verheißen sind; endlich allerdings, worauf wäre denn wieder Petrus, der doch nicht in sich selber feste steht, erbauet, wenn nicht auf den einigen von Gott ge- setzten Grund- und EcksteiUP Der HErr hat bedeutsain nur gesagt: »auf dich will ich bauen,« nicht » run- den«; ein Mensch kann der erste Banstein aus ottes Grunde sein und insofern selber ein Grund, mehr nicht. Wie auf einen Prediger oder Slliifsionay dessen natürliche Eigenthümlichkeit und neue Creatur zusammen dafür verordnet ist, eine Abtheilung der Gemeinde Christi, so 230 Evangelium Matthäi 16, II. 20. ist auf Petri apostolisches Wirken im Anfang die ganze Gemeinde gebanetz aber ein solcher Fundamentalsiein ist darum ferner kein Haupt, kein Fürst und Herrscher über die Andern oder das ganze Haus, denn auf seinen Dienst (1.Cor. Z, 5) wird gebauet, nicht auf sein Be- fehlen, wie denn auch in den Evaiigelien, der Apostel- geschichte und dem ganzen neuen Testament sich keine Spur von solcher Herrschaft, wohl aber das Gegentheil lGal. Z, il ff.) fin et. (Stier.) Es wird in Ephes 2, 20 ausdriicklich gesagt, daß die Kirche auf den Grund der Apostel gebauet sei; da verheißt nun der HErr dem Petrus: Jch will dich zum ersten Grundstein· legen, ich will dich würdigen, daß du nach der Ausgießung des heil. Geistes mit der ersten Predigt den Grund der Kirche neuen Testaments unter den Juden und durch die Predigt in dem Hause Cornelii unter den Heiden legen sollst. Diesen Vorzug hat Petrus gehabt; weil er vor den andern Jüngern sein Bekenntniß ablegte, hat er diesen Primat gleichsam zu einer Erkenntlichkeit dafür bekommen. Daß man’s aber im Papstthum dahin zie- hen will, daß Petrus das Haupt der Apostel, ja der ganzewKirche gewesen, ist-offenbar falsch. Christus be- strafte 1a solche Gedanken, wer der vornehmste unter ihnen sein sollte; und was in V. 19 von Petro steht, wird in Kap. 18, 185 Joh. 20,. 23 auch den andern Aposteln beigelegt, welche deshalb in Z. Cor. II, Z; 12, 11; Gal. 2, s. 9 alle gleich gehalten werden, ja in dem Concil (Apostg. 15, is. II) that Jakobus den Aus- sprnch, und nicht Petrus; er wird auch in Gal. Z, 9 Jakobo nachgesetzt und V. 11. 14 von Paulus bestraft; er begnügte sich, ein Aeltester (l. Perris, V, nicht aber« ein Fürst der Apostel zu heißen. Wie will man denn auch nur mit dem geringsten Schein erweisen, daß der Papst zu Rom dessen Nachfolger aus göttlichen Rechten sei, da die monarchische und weltförmige Gewalt, deren. sich der Papst anmaßt, von dem geistlichen Apostolat und der armseligen Gestalt Petri himmelweit unterfchies den istl Daß Petrus im J. 42 n. Chr. nach Rom ge- kommen und 25 Jahr auf dem päpstlichen Stuhl ge- sessen, haben hauptgelehrte Katholiken selber geleugnet. (Starke.) — Die Hölle ist das Reich des Todes, welches allerdings mit dem Reiche des Teufels zusammenhiingtz aber doch ein weiterer Begriff; sie ist hier bildlich ge- dacht als eine Burg mit Thoren, und diese Pforten ver- halten sich in sofern angriffsweise, als sie sich wie ein klaffender Ab rund des Todes ausgethan haben, um vorab den· C ristus , sodann seinen Petrus, die Apostel, die Gemeinde durch den Märthrtod zu verschlingen. Es hat lange allerdings den Anschein, als sollte die Ge- meinde Christi ei1i Raub des weitgeöfsneten Hades wer- den; allein die Pforten der Hölle werden nicht siegen, d. h. sie werden übermocht werden; Christus wird in feiner Gemeinde vielmehr das Reich des Todes über- winden und aufheben. Der Gegensatz, daß die alttestcp mentliche Gemeinde den Pforten des Hades verfallen wird, ist wohl mit Bewußtsein vorausgesetzt. (P.Lange.) Will man, wie die kirchliche Auslegung thut, die Hölle im abgeleiteten Sinne (insofern der, der des Todes Ge- walt hat, der Teufel ist Hebt. 2, 14 nnd also auch Er im Reiche der Todten herrscht) für gleichbedeutend mit »Reich des Teufels« nehmen, so kommen die Pforten der Hölle insofern als Angreifer in Betracht, als sie wider die Gemeinde des HErrn alle Gewalten der Finsternis alle Ungethüme aus sich herauslassen, also nicht als verschlingend, wie bei der vorhergehenden Anf- fassung, sondern als ausspeiend erfcheinen. Noch anders deutet Luther den Ausdruck, indem er sagt: »Die Pfor- ten in der Schrift heißen» eine Stadt und ihr Regiment oder Gewalt; denti bei den Pforten oder Thoren haben sie ihre Gerichtshandel gehabt (5. Mos Its, 18). Also heißen hier die Pforten alle Gewalt des Teufels mit ihrem Anhang, als da sind Könige und Fürsten mit- den Weisen dieser Welt; die müssen sich alle wider den els und Glauben legen,« und in der Randglosset »die Hö en« pforten sind alle Gewalt wider die Christen, als da sind Tod, Hölle, weltliche Weisheit und Gewalt« 19. Und will dir [indem ich dich, wie zum ersten Grundstein für den Bau meiner Gemeine, so auch zum Schatz- oder Hofmeister ,Dan. l, 3 Anm. in meinem Reiche mache] des Himmelreichs Schlüsse! geben [daß du aufthuest, nnd niemand zuschließe, daß dn zuschließest und niemand aufthue Jes. 22, 22]. Alles [nun], was du svermöge solcher Amtsbefugniß, mit unbeschränkter Gewalt über die Gnadengüter meines Hauses zu schalten und zu walten] auf Erden binden [für unvergebene und dem Gericht vorbehaltene Sünde erklären] wirst, soll auch im Himmel gebunden sein [so daß der, dem du die Sündenvergebung nicht. zuertheilen kannst- sie auch von Gott nicht empfängt und vom Himmelreich ausgeschlossen ist]; und alles, was du auf Erden [wo es ja darauf ankommt, daß eine heilsbegierige Seele der Vergebung ihrer Sünden ,und ihres Antheils am Himmelreiche recht gewiß und froh werde] lösen svon Schuld und Verdamm- niß freisprechenJ wirst, soll auch im Himmel los sein [so daß der, den du frei sprichsh auchsfkei ist vor Gott und ungehindert in’s Himmelreich eingeht]. Was hier dem Petrus als dem Mittelpunkt des Apostelkreises in Aussicht gestellt wird, die Macht, auf Erden die Sünden zu behalten oder zu vergeben, das wird in Kap. 18, 18 mit denselben Worten und also auch in demselben Umfange den Aposteln zumal als Amtsbesugniß zuertheilh ebenso in Joh. 20, 23., und ist daher von einem Primat des Petrus im Sinne des römischen Papstthums hier nicht die Rede, als gebühre dem Petrus und» dessen angeblichen Nachfolgern jene Macht ausschließlich oder auch nur vorzugsweise; sie ist indessen hernach von Petrus als dem Wort- und Chor- führer der Apostel zuerst und hauptsächlich ausgeübt worden in Apostg. 2, 41; 5, 4 f. 9 f.; 8, 20 ff.«; 10, 47 f., bis sie dann auch an solchen, die nicht einmal Apostel oder doch ganz unabhängig von ihnen waren, hervortrat (Apostg. 8, 37; 9, 17 f.; I. Cur. 5, 4 u. 2. Cur. 2, 10). Nun verlangt freilich der Zusammen- hang unsrer Stelle, daß dem Petrus etwas Besonderes, Eigenthümliches bei dieser Verleihun der Schlüssel- gewalt verbleibt, was in enger Beziehung zu seinem Bekenntniß wie zu seinem Namen steht; wir brauchen aber» auch nicht vergeblich zu forschen, was dies sei, wir dürfen uns nur erinnern, daß der Beiname des dama- ligen Hohenpriesters Kaiphas ganz derselbe Name ist wie Kephas, nur in etwas anderer Aussprache, nnd daß dieser Hoherpriester in Kap. 26, 63 den- HErrn selber ganz zu dem nämlichen Bekenntniß herausfordertz welches hier Petrus auf Antrieb des heil. Geistes von ihm ge- than. Es läßt sich nicht verkennen, daß Jesus aus diese beiden Umstände Beziehung nimmt, wenn er den Petrus hier so in den Vordergrund stellt: Kaiphas, der den jüdischen Bauleuteii mit Verwersun des —Steins, der zum Eckstein verordnet, voranging, hat sich um sein Amt gebracht und das ganze Haus Jsrael mit sich in’s Ver- derbenhinabgezogety das Reich Gottes wird von den Juden genommen werden (Kap. 21, 42 f.); wird in Jes. 22, 15 ff. an die Stelle des Hosnieisters Sebna in Jesus verbietet seinen Jüngern, jemandem zu sagen, daß er der Messias wäre. 231 Eliakim ein anderer»gesetzt, so hier an die Stelle des jüdischen Kaiphas ein chriftlicher Kephas als nhaber der Schlüssel zum Hause Davids , dessen Herr hrisius ist (Offenb. s, 7). Daß die römischen Päpste in der Ausdeutung nnd Verwerthung dieses Vorgangs zu weit gegriffen, leuchtet jedem unbefangenen Gemüthe von sel er ein, und sie haben ihr Urtheil schon in dem, was in Jes 22, 25 ff. Zeschriebeii steht, und weiterhin in dem, was wir in ffenb. 17, 15 ff. lese1i; wenn aber der HErr es zngelassen, daß die Bischöfe zu Rom wirk- lich einen Primat von solchem Umfange in der Kirche erlangt haben, wie die Geschichte ihn aufweist, und wenn er zu diesem Primat auch Jahrhunderte lang durch den vielen Segen, den er für ganze Völker wie für einzelne Seelen damit verknüpft hat, sogar als zu seinem Werk sich bekannt, so ist das kein unmittelbares Ergebniß und keine felbstverständliche Folge von dem, was er hier mit Petrus verhandelt, sondern nur eine mittelbare Wieder- aufnahme desselben. Die römischen Bifchöfe hatten zu der Zeit, wo es sich noch im besonderen Sinne darum handelte, daß das von den Juden genominene Reich Gottes den Heiden gegeben werde, durch ihre Glaubens- festigieit und ihren Eifer für den HErrn und feine Ge- meinde sich im geistlichen Sinne als des Petrus Nach- folger erwiesen; es ist ihnen da im Nachbild zu unsrer Geschichte zum Heil der abendländischeii Völker ein Pri- mat beschieden worden , der darum noch sinnfälliger in die Augen treten und durchgreifender nach Art der jü- dischen Kirchenverfaffung sich ausgestalten mußte, weil jene Völker selber nach Art Jsraels erst unter das Ge- setz als den Zuihtmeister auf Christum genommen wer- den mußten, bevor sie zur evangelischen Freiheit gelan- gen konnten, und die Weissagung auf diesen Primat liegt in Ossb. 11, 3sf. vor. Nicht ohne Grund ist dort von zween Zeugen die Rede: im Wesen der römischen Kirchg soweit es göttlichen Ursprungs ist, liegen dieselben zwei Momente. wie im Worte Gottes selber, Gesetz und Evangelium; seitdem aber die römische Kirche ihre Ge- walt zu binden derart emißbraucht hat, daß sie das Evangelium selber hat inden wollen, ist sie mit ihrer ierarchie in das Wesen des Kaiphas und feines ohenrathes versunken (die Päpfte hätten besser gethan, sagt Luther, wenn sie anstatt der Schlüssel Petri den Beutel des Judas hätten in ihr Wappen stechen lassen), zum Kephas ist ein Anderer geworden, und die auf die- sen gebauete Gemeinde hat die Verheißnng davon ge- bracht, daß die Pforten der Hölle sie nicht überwälti en sollen, was zur Zeit des Antichrists feine herrlichste r- füllung finden wird. Hat das Evang. Matthäi, wie wir hernach in den Schlußbemerb noch besonders darauf aufmerksam machen werden, zu feinem Zweck, die Thatsache zu reihtfertigem daß eine Gemeinde galiläischen Ursprungs, nur geleitet von gemeinen Leuten aus dem Volk, aus der vom Ho- henrath geleiteten GemeindeGottes sich abgesondert hat, um dann weiter über die Grenzen Jsraels hinaus sich weithin durch die Welt zu verbreiten, so ergiebt sich von selbst, von welcher Wichtigkeit hier unserm Evangelisten gerade das in V. l7—19 Mitgetheilte sein mußte; denn es ist Christus, der Err, der Sohn Abrahams und Davids und der So n des lebendigen Gottes selber, der die Besonderung vollzogen und an die Stellung der Leitung der Gottesgemeinde durch den Hohenrath und den Hohenpriester Kaiphas die Leitung durch das Apostel- collegium und dessen activen Repräsentanten Kephas gesetzt hat. Jst nun aber seit der Gefangennahme des Petrus durch Herodes Agrippa I., obwohl er aus dessen Gewalt wunderbar errettet wurde (Apostg. 12, 1 ff.), dennoch sein Primat in der Kirche mehr und mehr zu- rürkgetreten sApostg 15, 13 ff.) und dafür der Einfluß und die Wirksamkeit des großen Heidenapostels in den Vordergrund getreten, wie aus der Darstellung der Apostelgeschichtc von Kap. 13 an sich ergiebt, so werden wir wohl richtig urtheilen, wenn wir die Abfassung des Gang. St. Matthäi etwa in die Zeit des J. 45 n. Chr. (vgl. die SchlußbemJ verlegen; denn daß nach dieser Zeit, besonders nach Abwickelung all der Ereignisse, die in Apostg 13 —28 vorliegen, also nach fester Begrün- dung der heidenchristlichen Gemeinden und angesichts der immer näher rückenden Katastrophe über Jerusalem und den Tempel, die dem Petrus gegebene Verheißung als erledigt und von keiner wesentlichen Bedeutung mehr für die heidenchristlichen Gemeinden betrachtet wurde, geht aus der Nichterwähnung derselben bei dem zweiten und dritten Evangelisten hervor , die ein unerklärliches Räthsel wäre, wenn der Anspruch der römischen Päpste auf die Rechtsnachfol e in Betracht jener Verheißung auf einer wirklichen . illensmeinung des HErrn bei sei—- nen Worten beruhte. Petrus selbst, schreibt Coccejus (d. i. Johannes Koch, geb. 1603 in Bremen, s· 1669 als Professor der Dogmatik in Lehden), als wolle er seinen Namen erklären, nennt in 1· Petri Z, 4 f. zuerst Christum einen lebendigen Stein in dem Sinne eines lebendig machend en Steines, dann diejenigen, die zn ihm hinzutreten, lebendi e Steine in dem Sinne von lebendig gemachten Steinen; an diesem Ausspruche ist nun freilich nicht richtig, daß Petrus hiermit feinen Namen deuten wolle, wie er denn auch für »Steiu« nicht das griech. Wort petroz sondern lithos gebraucht, wohl aber spricht aus dem Apostel das Bewußtsein, daß der mit seinem Namen ihm gegebene besondere Beruf bereits erloschen war, und er verliert sich nun gerne nicht blos unter den Aeltesten der Gemeinde als ihr Mitältester (1. P. 5, 1), sondern auch unter den Glie- dern der Gemeinde als einer der lebendigen Steine, die auf dem lebendigen Steine Christus sich bauen zum geist- licheii Hause. Dasselbe Bewußtsein und dieselbe An- fpruchslosigkeit prägt sich denn auch in dem von ihm abhängigen Evang. St. Marci aus; Petrus selber hat der mündlichen Ueberlieferung, nachdem durch Matthiius bereits dafür gesorgt war, daß des HErrn besonderes Wort an ihn nicht verloren ginge, diejenige Gestalt gei- geben, die nun auch in dem Evang St. Lucä sich ab- spiegelt und ihn unter den übrigen Aposteln geradezu verschwinden läßt, so daß er lediglich als deren Mund erscheint und nicht einmal mehr den eigenen Zusatz zu dem gemeinsamen Bekenntniß vor ihnen voraus hat. 20. Da [vom Simon Petrus sich hierauf an den ganzen Kreis der Zwölfe wendend] verbot et seinen Jtmgetn [mit Beziehung auf das, was jener in ihrer aller Namen bezeugt: »du bist Christus«], daß sie niemand sagen sollten, daß er [selbst] Jesus der Christ fund nicht ein bloßer Vorläufer desselben, wie das Volk meinte] wäre [sondern mit dieser Botschaft warteten, bis die rechte Zeit dazu ge- kommen]. Die Freude über die von Jesu gebilligte feste, sichere Erkenntniß hätte die Jünger verlocken können, alle jene anders Wähnenden V. 14 also leich belehren zu wollen; der HErr wollte aber eine äußerlich aufgedrungene Er- kenntniß nicht haben, sondern wünschte eine innere, natnrgemäße Entwickelung des Volks. (Ebrard.) Es war noch nicht Zeit, Jesum als den Christ oder den Messias, den Gesalbten Gottes öffentlich zu verkiindigen, so lange der endgiltige oder unwiderle liche Beweis da- für noch nicht gegeben war. Aus Zefu Thaten und Worten konnte ihn jedermann erkennen; wer das nicht that, dein war mit der direkten Aussage: »Jesus ist der 232 Evangelium Matthäi 16 , 21 —- 27. Christ,« damals noch nicht zu helfen; erst seit dem Pfingstfest ist die eit dazu (Apostg. Z, 36), denn seit- dem lie t Gottes eugniß in einer Weise vor, die dem Unglau en jeden Vorwand entziehn (v. Burgen) 21. Von der Zeit an [wo das Erfülltfein der alttestamentlichen Messiasverheißung in seiner Person zum ersten Mal zwischen ihm und den Jüngern so bestimmt und ausdrücklich verhandelt worden war] sing Jesus an [nachdem er bisher nur verblümteu gleichnißartiger Weise darauf hingewiesen V. 4; Kap. 12, 39 f. Anm.] und zeigte seinen Jungern [legte es ihnen in klaren, runden Worten offen dar], wie er mußte [dem Rathfchlusse Gottes und den Aussagen der Schrift gemäß Joh. B, 14 f.; Luk. 24, 261 hin gen Jerusalem gehen und viel leiden von den Aeltesten und Hohenprteftern nnd Schrift: gelehrten sdie ihn in noch viel entschiedenerer Weise zu Jerusalem, als seither in Galiläa, verwerfen würden], und [sogar] getödtet werden und sdarnach durch Gottes Macht, der ihn kräftiglich erweisen würde als seinen Sohn] am dritten Tage anfer- stehen. Ein schweres Gebot, das Gebot des Schweigens in V. 20! Denn wie sehr wird jedes der vorher gespro- chenen Worte des Nieisters das Herz der Zwölfe mit jauchzender Freude erfüllt haben! mit welcher Freude könnten sie jetzt dem Volke die große Kunde bringen! Statt dessen fii t Jesus dem befremdlichen Verbote eine noch befremdli ere Eröffnung hinzu: er müsse leiden, getödtet werden, am dritten Tage auferftehen — leiden und getödtet werden in Jerusalem, der Stadt des großen Königs (Kap. 5, 35), er, der fich soeben als dieses Königs Stellvertreter bekannt hat; und zwar von den geistlichen Häuptern des Volks. (Geß.) Aber gerade nach dem entschiedenen Bekenntniß V. 16 ent- sprach die Leidensverkündigung sowohl der Fähigkeit der Jüngey als ihrem Bedürfniß — ersterer, um die schwere Kunde zu ertragen, letzterem, um die wahre und höchste Vorftellung des uiessianifchen Werks und die Ablegung falscher Hoffnungen zu beginnen. (Meyer.) Die Leidens- verkündigung ward mit gleicher, theilweis wachsender Bestimmtheit drei Mal vom HErrn ausgesprochen: das erste Mal hier, das zweite Mal in Kap. 17, 22 f., das dritte Mal in Kap. 20, 18 f. Daß die Jünger trotz dieser bestimmten Voraussagung, als sie in Erfüllung ging, sich nicht darein zu finden wußten, sondern mit Jesu Tode ihre Hoffnungen für begraben hielten (Luk. 24,. 21), ist nicht befreindlich für jeden, der den Trotz und die Verzagtheit des menschlichen Herzens aus eigener Erfahrung kennt und weiß, wie sehr das Verftändniß auch der klarsten Darlegung bedingt ist von der Stellung des Herzens zu der dar elegten Sache. Nun lief aber, was Jesus von feinem eiden und Auferstehen sa te, so schnurstracks gegen die Erwartungen und Vorste un en der Jüngeiy daß sie gleich anfangs es nicht zu verstehen und zu reimen wußten; als aber der Schrecken des Geschehenden über sie hereinbrach, war von ihnen so viel Freiheit und Unbefangenheit des Geistes nicht zu erwarten, daß sie jetzt an das vom HErrn gesprochene unversiandene Wort sich erinnern sollten. Erst als auch seine Hinweisung aus die Auferstehung erfüllt war und die erscheinenden En el in dem leeren Grabe Jefu sie daran ·erinnert»en, amen ihnen Jefu Worte wieder in den Sinn. Sie waren also nicht umsonst gesprochem sondern erreichten ihren Zweck, wie so vieles andere, was Jesus zu ihnen gesagt hatte, später, als fie seine Worte zusammen halten konnten mit der Erfüllung: Joh. 14, 26 u. 16, 4; 2, 22. (v. Burgen) 22. Und Petrus nahm ihn zu sich [d. i. bei Seite, um vertraulich mit ihm zu reden], fuhr ihn an [nach anderer Lesart: fing an ihm mit Ab- mahnungen zuzusetzen] und sprach: HErtJ schone dein selbst [und begieb dich nicht so ohne Noth in Gefahr]; das swas du eben von vielem Leiden und schließlichem Getödtetwerden gesagt hast] widerfahre dir nur nicht [sondem du mußt beizeiten deine Vor- sichtsmaßregeln gegen die Aeltesten und Hohenpriester und Schriftgelehrten treffen] 23. Aber er [Jefus, der ihn gar nicht erst ausreden ließ] wandte sich [unwillig] um [von ihm ab] Und sprach zu Petro [der mit s einem Anfahren ein· recht scharfes Anfahren verdient hatte]: Helk dich, Satan [du Widersacher oder Verführer 2.Sam. II, 22], von mir [vgl. Kap. 4, 10] du hist mir argerlich sivillst mir zum Aergerniß oder Anstoß werden mit deinem, wenn auch gut gemeinten, doch dnrchaus verwerflichen Rathe]; denn du mei- nest nicht, was göttlich sdenkest in diesem Fall nicht auf das, was dein heil. Rathschluß Gottes], sou- drn was menschlich [der sündlichen Neigung der« enschen gemäß] ist. , Bisher hatte der HErr die den Jüngern noch nicht begreifliche Lehre von seinem Leiden und Sterben nur angedeutet; jetzt hat er deutlicher davon geredet, um sie immer mehr darauf vorzubereiten und für die Noth- wendigkeit desselben empfänglich zu machen. Man kann sich den Eindruck denken, den diese unumwundene und bestimmte Ankündigun auf die Jünger in ihrem da- maligen Zustande niacgen mußte nach eines jeden Ein- zelnen Eigenthümlichkeitx das stille, staunende Sinnen eines Johannes oder Nathanaeh das melancholische Ge- schlageiisein eines Thomas, dem gegenüber das listige Aufhorchen des Judas, und dann wieder etwa das arg- lose Fragen eines Andreas oder Philippus. Bei keinem indeß kommt es zu einem Ausspruch der stillen Gedanken; Petrus allein, der lebhafte Jünger, der immer der erste ist im Antworten unter den Jüngern und auch unge- fragt vor ihnen feine Gedanken äußert, Petrus allein ist dreift genug, ohne viel Besinnens herauszufahren und fich durch den ersten, nächsten Eindruck der Worte Christi zum heftigen Widerspruch verleiten zu lassen; er faßt Jesum beim Arm oder Kleide, zieht ihn bei Seite, fährt ihn an und ruft aus: »HErr, schone dein selbst; das widerfahre dir nur nicht« So geht es oft im Leben: unsre Freunde find oft unsre schlechtesten Rathgeber; die uns zu lieben und es gut mit uns zu meinen vorgeben, können uns die Gefährlichsten werden, sei es, daß sie uns zu lockenden Unternehmungen treiben, die über unsre Kräfte gehen oder nicht an der seit sind» uns eine Ehre zuwenden wollen, die uns me r eine Last als eine Luft ist, sei es, daß sie uns von Beschwerden ab- halten wollen, die von der Erfüllung unsrer Pflicht uii- zertrennlich find, oder uns die Opfer zu verleiden suchen, die wir der Wohlfahrt unsrer Brüder bringen wollen, Sie befragen dann mehr ihre Liebe zu uns, als die Liebe zu Gott, und sorgen mehr für unser irdisches Wohlbefindem als für unser ewiges Seelenheil. (Fr. Arndt.) Die Art, wie der HErr das Wort des Petrus zuriickweist, deutet noch auf mehr als den bloßen Mangel Jesu erste Leidensverkündigung an die Jünger und Strafworte an Petrus. 233 an Auffassung des schwer zu sassenden Gedankens hin. Petrus verkannte ganz sein Verhältniß zum HErrm er trat als der Ermahnendq Zurechtweisende auf; was Christus als nothwendig für sich und sein Werk hinge- stellt hatte, will er entfernt wissen. Aber selbst dies vollendet den Gedanken noch nicht; das »du bist mir iirgerlich« führt auf die Idee, daß die Rede Petri nicht blos sündlich war von seinem Standpunkte aus, sondern auch versuchlich für den HErrn Unzweifelhast müssen wir uns den Erlöser in einem fortwährenden Kampf gegen Versuchungen denken; die großen Hauptmomente der Versuchung, beim Beginn und beim Schluß feiner Wirksamkeit, geben nur concentrirt, was fich durch sein ganzes Leben hinzieht Hier nun tritt zuerst ein Mo- ment heraus, in welchem sich ihm die Versuchung von der Seite nahte, daß die Möglichkeit ihm vorgehalten ward, dem Leiden und dem Tode auszuweichen; sie war um so gefährlicher und versteckter, da sie ihm zukam durch den Mund eines theuern Jüngers, der eben seine göttliche Würde seierlich bekannt hatte. Aus dem reinen lanteren Born des Lebens Christi selber konnte kein un- lauterer Gedanke aufquellen; aber eben weil er der Sieger sein sollte über die Sünde, mußte sie fich ihm nahen, damit sie in allen Formen überwältigt würde, und nach seinem menschlichen Sein, das erst nach und nach die ganze Fülle des göttlichen Lebens in sich auf- nahm, machte die nahende Sünde auch Eindruck anf ihn. Einen solchen heiligen Moment haben wir hier: mit dem Blick seines Geistes durchschaute der Erlöser sogleich die Quelle, aus der dies ,,fchone dein selbst« entquollen war, und tödtete so die sprossende böse Wurzel in ihrem Ursprung. Hiernach erhellt denn auch fogleich, wie die Anrede ,,Satan« zu fassen ist, die an Petrus gerichtet wird; der Satan ist niemand anders, als der Fürst dieser Welt, der sein Werk hat in den Kindern des Un- glaubens, aber auch in den Kindern des Glaubens, so- weit der Geist Christi sie noch nicht geheiliget hat, d. i. soweit der alte, dem süudlichen Einfluß ausgesetzte Mensch noch in ihnen lebt. Diesen Einfluß hatte Petrus in sein Herz ein elassen, ohne zu wissen, was er that; der HErr aber ringt ihn zum Bewußtsein dessen, was er that, indem er das Element nennt, aus dem der Ge- danke geboren wurde, welchen auszusprechen er schwach genug gewesen war. Wie also bei dem obigen Bekennt- niß (V. 16) das Göttliche als herrschend in Petrus her- vorgetreten war, so machte sich nun das Böse, das Fleisch, in ihm geltend; und wir haben somit hier in Petrus ein Bild des Ebbens und des Fluthens des in- neren Lebens, welches jeder in sich erfährt, der die er- lösende Kraft Christi an feinem Herzen kostete. Wo die Sünde mächtig wird, da wird die Gnade übermächtig; aber auch umgekehrt, wo die Gnade mächtig ist, da offenbart sich auch die Sünde gewaltig. (Olshausen.) Sowie Petrus in dem Momente seines Bekenntnisses ein Organ des ewigen Felsen geworden war, so vertrat er in diesem Moment seiner Verdunkelung , wenn auch unbewußt, nicht in satanischer Bosheit (anders als Judas, der in beharrlicher Weise und ihm selber wohl bewußt Vertreter des satanischen Interesses wurde, das zuvör- derst kein Kreuz Christi und kein Kreuzesreich wollte), sondern in sündiger Menschlichkeih die Sache des Sa- tans; er wiederholte die Stimme der Versucl)ung, welche Jesus in der Wüste überwunden hatte. Diese Versu- chung hatte Jesus bereits hinter fich, darum konnte er auch diesen Versucher sofort hinter fich zurückweisen; allein sein Wort galt nicht blos dem versucherischen Geist, in welchem jetzt Petrus zu ihm redete, es galt auch dem verirrten Jüngen Dadurch wurde Petrus zum Versucher für ihn, daß er ihm vortratund den Weg vertreten wollte; er mußte dadurch wieder zum treuen Jünger, zum gesegneten Petrus werden, daß er demü- thig hinter den Meister zurücktrat und ihm nachsolgte. (P. Lange.) Es zeigt fich in diesem Conflikt des Pseudo- Petrus mit Christo — wenigstens von Weitem , als in einem weissagenden Bilde — der anmaßliche Nachfolger dieses Apostels, wie er, das Papftthum und die besseren Päpste milde zu deuten, in menschlichem Gutmeinen für das Kreuzgeheimniß des Kreuzreiches blind ist, und so, indem er des Hausherrn Stellvertreter fich dünkt, ihm die Stelle vertreten, ihn eigentlich selbst aus dem Hause treiben will. (Stier.) « 24. Da [nachdem er mit dem beschämten Petrus in den Kreis der Zwölfe, die er schon bei seinem fich Umwenden V. 23 angesehen hatte, zu- rückgetreterq sprach Jesus zu seinen Jungern [zu- gleich diejenigen aus dem Volke heranrufend, die in einiger Entfernung ihm nachwandelten]: Will mir jemand nachfolgen sals mein Jünger und meines Reiches theilhaftig werden — denn ich über: lasse es der freien Wahl jedes Einzelnen, ob er ferner, wie bisher, auch bei der nun immer bestimmter hervortretenden Kreuzesstraße, die ich wandeln muß) mit mir ziehen will Joh. 6, 66 f.], det vetleugne fich selbst [indem er den eigenen, auf das irdis e Leben und seine Gentisse gerichteten Willen daran- giebt] und nehme fein Kreuz swelches immer gerade ihm zum Tragen in den Weg gelegt wird] auf fich [entfchlossen, es auch· wirklich zu tragen] nnd folge [so, nachdem er sein Kreuz auf die Schultern ge- nommen] mit sals dem HaUptkreUzträgerJ nach. 25. sTrotz des scheinbaren Verlustes macht Einer mit solcher Darangabe des irdischen Lebens um meiner Nachfolge willen dennoch den höchsten Gewinn] Denn wer sein Leben erhalten will smeiner Nachfolge fich entzieht, um des Kreuzes überhoben zu sein und sein Leben in aller Freiheit und Bequemlichkeit des Fleisches zu führen], der wirW verlieren [indem er um dasjenige sich bringt, was dem zeitlichen Leben erst wahren Werth Ver- leiht, um das ewige Leben]; wer aber sein Leben verlieret um meinet willen, der tvird’s finden [in-« dem er davonbringt, was alles Darangegebene in überschwänglichen Reichthum erfetzt Kap. 10, 38 f.]. 26. lGar nichts dagegen gewinnt, wer mit Ver- leugnung meiner alles auf Erden zu gewinnen scheint Denn:] Was hiclfe es dem Menschen, so er [an- genommen, daß das überhaupt einmal geschehen könnte] die ganze Welt gewönne und nähme doch [damit, daß er mich verleugnet] Schaden an feiner Seele ldaß sie ewig verloren geht]? oder was kann der Mensih [von alle dem, was er auf Erden be- sessen, und wäre es auch die ganze Welt] geben, damit er sals entsprechenden KaiifpreisJ feine Seele sdie er vorher -für den Gewinn der Welt daran- gegeben] wieder life? [vgl. Pf. 49, 8 f.] 27. [Die Zeit aber wird kommen, wo die- jenigen, die um der Welt willen Schaden genom- men an ihrer Seele, sie gern wieder lösen möchten 234 um das, wofür sie erst ihre Seligkeit auf's-Spiel gesehn] Denn es wird je sgewiß einmal] geschehen, daßbes Menschen Sohn fvom Himmel, dahin er nach den Tagen feines Leidens und seiner Aufer- stehung V. 21 zurücktehren wird, um bei Gott verkläret zu werden mit der Klarheit, die er bei ihm hatte, ehe die Welt war Joh. 17, 51 komme in der Herrlichkeit seines Vaters mit feinen Engeln sdie durch solches ihr Geleit ihn als zum Richter der Welt verordnet kennzeichnenjz und alsdann wird er einem jeglichen vergelten nach seinen Werken [und also derer auch sich schämen, die sein und seiner Worte sich gefchämt unter diesem ehebreche- rischen und sündigen Geschlecht Mark. 8, 38]. Da in V. 24 das Bild herrscht, daß Jesus als Füh- rer auf dem Wege zu einem bestimmten Ziele voran- geht, so bedeutet das ,,mir nachfolgen« nicht die Thätig- keit des Gehens als solche, sondern das Mithingelangen an das Ziel, auf welches er zugeht; wer das will, der muß mit solchem Entfchlusse in seine Nachfolge eintreten, wie ihn die Worte bezeichnen: »der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich.« « Zu dem eigenen Selbst, dessen Berücksichtigung sonst alles Thun bestimmt, muß er sich als zu einem Fremden stellen, das keine Rücksicht verdient, um allein auf den vorangehenden Jesus zu sehen; denn da dieser einen Weg geht, welcher über eine Richtstättq durch gewaltsame Tödtung hin- durch führt, so ist der ihm Nachfolgende gebunden, dieses alles auch für sich mit zu wagen. Der Entschluß dazu ist das Aufnehmen seines Kreuzes; das Kreuz ist ja die Strafe der rebellifchen Sklaven, und der zum Kreuze Verurtheilte mußte sein Kreuz selbst zur Richtftätte tragen, daher ,,sein« Kreuz das bestimmte Kreuz, an welchem der Einzelne sterben soll. Durch ein Gericht geht also Jesus voran, in welchem die sündige Menschennatur in ihrer Empöruug gegen Gott getödtet wird und an dessen Vollzuge der Einzelne selbstthätig mitwirken muß; und nur der, welcher sich durch sein Selbst nicht mehr be- stimmen läßt, welcher entschlossen ist, sich selbst dem Volls zuge des in der Be leitung Jesu über ihn kommenden Gottesgerichts zu ü erlieferu, nur der vermag der Füh- rung Jesu nachzukommen, und hiervon hängt die Mit- gelangung an’s Ziel ab. Wer nämlich, so schließt sich der begründende Satz V. 25 an, mit Jesu an das Ziel gelangen tvill, auf dem Wege dahin aber sich durch die Nücksicht auf die Erhaltung seines Selbftlebens bestim- men läßt, dem wird es dabei gerade verloren gehen; wer dagegen darüber, daß er sich lediglich durch die Rücksicht auf Jesum bestimmen läßt, sein Selbstleben verlieren sollte, der darf versichert sein, daß er es so gerade sich am sichersien erhält. (Klostermann.) Je tiefer Jesu Erniedrigung, desto höher soll seine Verherrlichung werden. Jesus konnte nicht anders als die erhabenen Worte über seine Wiederkunft hier· beifügen, sonst wäre, daß er in Einem Moment seine Messianität (und Gottes- sohnschaft) und sein Getödtetwerden ausspricht, für die Jünger völlig verwirrend gewesen; als Brücke zum Reden vom Kommen in Herrlichkeit dient ihm das Wort, daß den Verlust der Seele der Gewinn der ganzen Welt nicht aufwägen könnte. (Geß.) · Einer Menschen- seele wahres ewiges Heil ist unendlich mehr werth als die ganze Welt: so muß man Gewinn und Verlust gegen einander berechnen, und wer nicht so gerechnet hat, wird am Ende zum ewigen Verlust erfahren, wie ungeheuer er sich verrechnet; da wird der Bankerott ausbrechen mit seinem »was kann der Mensch geben?« (Stier.) Evangelium Matthäi is, 28. 17, I. Mit Betrachtung des Werthes der Seele fängt Scriver den »Seelenschatzs« an. (Heubner.) 28. Wahrlich [fuhr er hierauf gegen die, über das von seiner Wiederkunft in Herrlichkeit Gesagte ganz betroffenen und erstaunten Jünger fort, ihnen ein Wahrzeichen für diese Wiederkunft in dem, was sie theilweis noch selber im Fleische erleben würden, gebend] , es stehen etliche hie [unter euch, die ihr hier um mich siehet, sind etliche], die nicht fchmes cien werden den Tod, bis daß sie des Menschen Sohn [der in der Auffahrt von ihnen genommen ward] kommen sehen in seinem Reich kso daß dar-- selbe schon mit Macht aufgerichtet vor ihnen da- steht, ehe sie selber von hinnen genommen werden Joh. 21, 22 f.].» » · · Der Vorgang be: Easarea war in Jesu Zeugniß epochemachenu JBts jetzt hatte er »sich zwar als den Messias beschrieben, aber sich nicht so genannt: jetzt besiegelt er Petri Wort, der ihn den Messias nennt. Bis jetzt hatte er mehrere Male, aber nur im Vorüber- gehen und in räthselhaften Worten, auf die ihn bevor- stehende Tödtung hingedeuten jetzt spricht er feierlich gegen die Junge: aus, daß und wo und von wem er müsse getödtet werden. Jn der Bergpredigt hatte er das- Zusammentreffen der Menschen am Gerichtstage mit ihm als dem Richter vorausgesetztz in der Jnsiru tionss rede die Zrvölfe für die Nöthe des Apostelberuss durch fein baldiges Kommen ermuthigt, beide Male ohne Er- läuterung des räthselhaften Wortes: jetzt geht er von der Ankündigung seines Sterbens über zu einer nicht min- der feierlichen Ankitndigung herrlichen Kommens, wo- bei die Nothwendigkeiy daß seine Jünger im Kreuz- tragen ihm folgen, zur Brücke dient, um dieses Wieder- kommens willen set es der Mühe werth mit ihm zu sterben. Endlich hatte Jesus schon in der Bergrede seine Jüngerschaft bezeichnet als der Erde Salz und Licht, und als er aus den Jüngern Zwölfe zu Sendboten er- wählte, mochte die Zahl manches denkende Gemüth an Jakobs Söhne erinnern; jetzt wird auch dieses Räthsel klar, indem er zum ersten Mal von der Erbauung der neuen Gemeinde spricht. Jn der Zeit vor Cäsarea war dies der Zielpunkt von Jesu Ofsenbarungeu, daß die Empfänglichen in Jsrael durch innerliches Ueberwundeni werden von seiner heil. Macht ihn als den geweissagten König erkennen sollen: von Cäsarea an zielt sein Zeugniß darauf, die Jünger einzuführen in die Erkennt- niß, daß der König sterben müsse und wieder kommen werde. Ein armer Nazarener ist der ersehnte König des Heils; dies widersprach allen israelitischen Gedanken so sehr, daß man begreift, warum Simons Wagniß, es zu glauben und seinen Glauben trotz der Abwendung der Volksmen e von Jesu festzuhalten, als ein Werk des himmlischen aters von Jesu gepriesen wird. Aber daß der Messias werde getödtet werden, erschien der israelis tischeti Vorstellung als ein· noch größerer Widerspruch; deshalb ergmg es Jesu wie dem, der aus ein Gebirge steigt, die erste öhe war erstiegen, als Simon in sein Bekenntniß aus rach, aber sofort mußte er sich auschickem die Jünger auf eine zweite, nicht minder steile Stufe emporzujührem Jmdieser Emporführung können wir 2 Stadien unterscheiden: zwischen Casarea und der Todesreise begnügt er sich, von Zeit zu Zeit zu wieder- holen, was er bei Cäsarea gesagt (Kap. 17, 12. 22 f.; 20, »18f.·), und zwar fcheint sich Jesus dabei jedes Mal so ziemlich derselben Ausdrücke bedient zu haben, wie man bei schwer lernenden und vergeßlichen Hörern gerne thut. Nur insofern findet Verschiedenheit statt, als bei Cäsarea nur die Häupter Jesu Verkündigung von seiner Auferstehung nnd Wiederkunft. 235 sraels als die Urheber des Todes erscheinen, in Nov. 0, 19 in zweiter Linie auch die eiden, und daß in letzterer Stelle die Weise des Miß andelns und Tödteus näher beschrieben wird. Auch die Antwort an jene Pharisäer, die ihn mit Herodis Plänen schrecken wollen (Luk. l3, 31 ff.), ist für Jesu Borauserkenutniß der Umstände seines Sterbens bedeu- tungsvoll: um diesen Fuchs kümmere er sich nicht, die festbestimmte Zeit seines Wirkens kaufe er aus, und dann komme der Vollendungstag; aber selbst noch.an diesem, also bis unmittelbar vor dem Vollendetwerdem müsse er frei sein Reisen fortführen, weil das Privilegium des Prophetenmordes Jerusalem gehöre. Es wird nicht gehen, wie es beim Täufer ging. Auf den. Grund, warum sein Getiidtetwerden geschehen müsse, geht Jesus erst gegen Ende seiner Todesreise ein (Kap. 20, 28; seh. 12, 24; Matth. W, 2 u. 26 ff.); im Ganzen kann man demnach Jesu Todesverkiindigung in -3 Stadien theilen: l) bis zu Cäsarea dann und wann eine dunkle Andeutung, L) zwischen Cäsarea und der Todesreise klares Aussprechen der Notwendigkeit, 3) in den letzten Tagen kurze, aber entwickelun sreiche Worte über den Zweck. Aehnlich verhält es ft mit Jesu Unterweisung —der Jltnger über seine Wiederkunft. Was nun diese Wiederkunft selber betrifft, so dürfen wir aus Kap. 26, 64 entnehmen, daß er mehrere Tage feines Kommens im Sinne tm« , wobei die früheren zum letzten sich verhalten wie Vorbid und Gegenbild und wie die Wehen zur Geburt; hieraus erklärt sich denn sein Wort in Kap- 10, 23 und an unsrer Stelle — es ist sein Kommen zur Zerstörung Jerusalems , was er in beiden Anssprüchen meint. Jn V. 27 unsrer Stelle ist allerdings so gut wie in dem gleich lautenden Wort Kap.25, 31 die Rede vom letzten Kommen; das hindert aber nicht, daß Jesus in V. 28 zu einem früheren Kommen übergeht, vielmehr eignet fiel) die Veränderung des Ausdrucks (kommen »in seinem Reich« während bei V. 27 kommen »in der Herrlichkeit seines Vaters mit seinen Engeln)«, ganz zu der Annahme, daß in B. 27 das letzte, in V. 28 ein vorgängiges Kommen zu verstehen sei. (Geß.) Das 17. Kapitel. Christus wird verklärt, der Mondsüchtige geheilet, der Zinsgrosohen entrichtet. II. v. 1—13. (§. 64.) Jlcht Tage nach den im vorigen Jlbschnitt enthaltenen Gesprächen Jesn mit den Jüngern, als er mittlerweile weiter in die Einsamkeit hineinge- zogeu, verläßt er mit den dreien, die nun) sonst eine be- sondere Stellung im Jlposlelkreise einnehmen, gegen Jlbend die Herberge, lvo er znletzt tin) aufgehalten, uud führt sie ans einen hohen Berg; hier dringt er die Uanst im Gebete zu, während die Sänger zuletzt dem Schlafe ver- fallen. Jlls er dann in der ersten Frühe des neu an— beruhenden Tages verklärt wird nnd Moses nnd Elias bei ihm erfn)einen, mit ihm von seinem Todesleideu zu handeln, erwachen die Sänger, von der man« der Er— sn)eiuung, die in ihrer nänjsien Umgebung sin) eingestellt, gleinssam in’s Leben gerufen; aber nur kurze Zeit haben sie dieselbe vor Augen und hören das Geforäch mit ihren Ohren uud schmenieu die Kräfte der zukünftigen Welt in ihrem Herzen — Moses uud Elias beginnen sin) wie— der znränkzuziehem petrus will das Jluseinandergehen der heiligen Versammlung mit einem nnsiatthaftea Wort verhindern; da gerade nimmt eine lin)te Wolke die tsimmelsbürger in un) ein, ans der Wolke aber fällt eine stimme, die Gottes des Vaters ist nnd Iesmn fär Gottes lieben Sohn, an dem er Wohlgefallen habe, erklärt uud die Sänger an ihn oerweist und sie ihm als den ernsten Llittler vertraut. Es gehet jetzt den Dreien, wie» den: Psalmisten, der da spricht Of. litt, l20): »in) surn)te min) vor dir, daß mir die Haut sn)anert«; sie fallen auf ihr Jlngesinst vor Smrenieu nnd erst, da der Mir: sie an- riihrt und ihnen tröstlich zusnrichß sind sie im Stande, In) zu erheben, don) ist nun alles vorüber« Jluf dem Uännoege gebietet ihnen Jesus, dies Gestnn zu ver· snnoeigen bis zu seiner Auferstehung; sie fassen das Ge- bot zu Herzen, haben aber non) mancherlei Fragen tu setresf der Jluferstehunm von welnjee der Wir: geredet, nnd der Wiederkunft des Elias, auf weinte die Sn)rift- gelehrten verspeisen, und geben damit den-Stoff zur ilnterrednng ans dem weiteren Wege zur- Herberge. Mark. St, D— is; kalt. St, 28—-—36.) (Evangelinm am 6. Sonntage nach EpiphaniäJ Die EpiphaniensPerikopen erhalten einen herrlichen Abschluß: die Verklärung des HErrn ist der köst- lichste Schlußstein dieses Zeitraums der Epiphanie des Sohnes Gottes, dieser Gotteserscheinung; sie ist eine Vorausuahme des herrlichenEndes und ossenbart so in prophetischer Perspektive die Zeit der Erquickung, die Zeit der Verklärung, welche an dem Ende dieser Welt- zeit eintritt. Wir haben hier ein eichen und Unter- pfand, daß das Werk des Errn a en Hindernissen zu Trotz, welche die lehren zwei Perikopen klar legten, zum Abschluß gelangt. (Nebe.) Die Begebenheit aus dem Leben unsers HErrn steht mit Recht auf der Grenze der Epiphanieni und Passionszeiy denn eine Epiphania, eine Erscheinung und Offenbarung des HErrn ohnegleichen und eine Ankttndigung des Leidens und Ausgang-Z Jesu, wie wir sie auch fonst nirgends lesen, finden wir hier beisammen. (Löhe.) Die Offenbarung der prophetischen Herrlichkeit Christi in den Evangelien der Epiphaniew Sonntage ist eine steigende: das erste Aufleuchten des Lichtes; er kehrt ein bei den Menschen mit Heil und Gnade; er. heilt Kranke; er gebietet über die Elemente; herrlicher noch ist es, daß er trotz seiner Macht und Gewalt so langmüthig uud eduldig ist; aufs Herrlichste endlich wird er als der wa rl)aftige Propbet bestätigt in der Verklärung Auf dem Berge erscheint er, und die größten Propheten des alten Bandes, Mosesund Elias, reden mit ihm; der Vater aber bezeugt ihn als seinen lieben Sohn, an dem er Wohlgefallen habe» den wir hören sollen. So bestätigt ihn die Stimme des ewigen Vaters selbst als den höchsten Pro heten, und damit stimmt überein das eigene Zeugniß C risti und das seiner heil. Apostel. (Dieffenbach.) . 1. Und nach sechs Tagen ldie seit der Ver: handlung in Kap. IS, 13 ff. inzwischen vergangen, also s. v. a. bei acht Tagen nach diesen Reden Luk. I, 28] nahm Jesus [der mit seinen Jüngern von Cäsarea immer weiter nach Norden sich ge- wendet] zu sich sals Zeugen des außerordentlichen Vorgangs, der jetzt mit ihm sich begeben würde] Petrum, Und Jakvbttm [den Aelteren Hase. to, 4 Anat. Nr. 3], und Ighannem seinen [der Jakobus] Bruder, und fuhrete sie beiseits svou den übrigen Jüngern hinweg, die er unten in seiner Herberge Mark: s, 28 zurückließ] auf einen hohen Berg [zu beten]. · »Daß Jesus nur den eugsten Kreis seiner Jünger mit sich nimmt, beweist seine Ahnung von einem Ge- heimniß, das sie dort erleben werden. Die Auferstehung 236 Jesu wird in der Schrift bald als That Jesu, bald als That des Vaters dargestellt; danach wird auch die Ver- klärung als die Wirkung beider zu denken sein. Sie enthielt den thatfächlichen Beweis, daß Jesus reif wäre zum sofortigen Eingang in die himmlische Welt, also das Sterben, welchem er entgegenging, ein freiwilliges sei: wovon bei jedem edlen Menschen ein Kleinstes vor- handen ist als Abbildung des Seelenadels im Auge, im Angesicht, in den Bewegungen, der ganzen Gestalt, das war bei dem heil. Menschenfohn in Vollkommenheit Zu dem an ihm selbst geschehenden Erlebniß tritt die ehrerbietige Begrüßung seitens der Repräsentanten des alten Bandes, endlich die Stimme vom Himmel, die- selbe, die bei seiner Taufe von ihm vernommen ward. Je menschlicher wir uns Jesum denken, je schmerzlicher also seinen Entschluß, in die Hände seiner Feinde sich übergeben zu lassen, desto me r muß einleuchten, wie wichtig dies alles nicht für die Jünger allein, sondern für Jesum selber war: dem Bekenutniß seiner Sterbens- willigkeit, das er am Jordan vor seinem Vater gethan, ist eine Antwortsvom Himmel gefolgt; so folgt auch der Verkündigung feines Sterbens an die Jttnger eine«Ant- wort vom Himmel her.« Nachdem wir so im Allge- meinen den rechten Gesichtspunkt gewonnen, aus welchem unsre Geschichte zu betrachten ist, fassen wir die einzel- nen Umstäude näher in’s Auge. Alle drei Evangelisten bringen die Verklärunlg in engen« Zusammenhang mit ein und derselben Bege enheit, nämlich mit der Leidens- Verkündigung im vorigen Abschnitt; sechs Tage nach dieser Ansage geschah, was hier berichtet wird, so er- zählen Matthäus und Markns, und finden die Kirchen- väter in dieser Zeitangabe eine Andeutung der 6 Jahr- tausende (2. Petri 3, Si , die in der Weltgeschichte ver- gehen werden, bis der HErr kommt in. seiner Herrlichkeit. Daß volle Tage zu rechnen sind, also weder der Tag der Leidensverküiidigung noch der der Berklärung selber mitzuzählen ist, ergiebt sich aus Lukas, der des Aus- drucks ,,bei acht Tagen« sich bedient; es fällt somit die Verklärung mit der Leidensverkündigung auf ein und denselben Wochentag, vermuthlich auf einen Sonntag (die Leidensverkündigung etwa auf den 18. und die Verklärung auf den 25. September). ,,Sechs Tage vor Ostern, am ersten nach dem Sabbath, hielt Jesus seinen Einzug in Jerusalem. vom Volke mit feierlichem Rufe als der Messias eingeholt; am sechsten Tage dar- nach starb er am Kreuze, am siebenten ruhete er im Grabe, und am Morgen des achten Tages, des ersten in der neuen Woche, stand er vom Tode wieder auf.« — Der Berg, auf welchem die Verklärun stattgefunden haben soll, ist der, erst mit dem 4. Jahr . beginnenden Ueberlieserunäl zufolge, der Thabor in Nieder-Galiläa (Richt. 4, 6 nm.); allein diese Annahme scheint ihren Ursprung lediglich einem poetischen Interesse zu verdanken. ,,Abgeschieden von allen Nachbarbergen erhebt er sich in feinem Waldschmucke wie ein Altar im Felde; der Gipfel besteht aus einer länglichen Ebene, 15 Minuten lang nnd 8 Min. breit, und herrlich ist die Aussichh welche sich hier eröffnet, nicht so sehr wegen der Höhe des Berges, als wegen der Stellung desselben zwischen der wunderbaren Tiefe im Osten, den majestätischen Höhen im Norden und den weiten Thalklüften im Süden. Auf den scharfen dunkeln Farbenton, den der Anblick des Tiberiasgrundes und der Ebene giebt, antwortet gleich einem Echo von einer fernen Gebirgswand das blendende Weiß des Schnees auf dem Gipfel des Antilibanom unmittelbar zn den Füßen dehnt sich die Ebene Jesreel aus mit ihren Fruchtgesildem jenseit derselben steigt der liebliche Carmel empor und hinter diesem leuchten die schimmernden Fluthen des Mittelmeers hindurch, hinter den Bergen Ephraims aber liegen die Hügel Jerusalems Evangelium Matthäi 17, 2——4. verborgen« Müssen wir all dergleichen begeisterten Schilderungen gegenüber uns sagen, daß jetzt es um etwas ganz Anderes sich handelte als um schöne Aus- sichten m die weite Welt, die Jünger vielmehr ,,einer zwiefachen Aussicht in das Jenseits, in das Geisterreich der Helden des alten Bandes und die Zukunft der Ver- klärung ihres HErrn im neuen Bunde« bedurften, so zeugt im Gegentheil auch alles dawider, daß Thabor in Wahrheit der ,,heilige Berg« gewesen, auf dem Petrus mit den andern beiden Aposteln bei dem HErrn waren, seine Herrlichkeit sahen und die Stimme vom Himmel hörten (2. Petri 1, 16 ss.). Der Berg war in älteren Zeiten nicht so unbewohnt und öde, wie er heutzutage ist; da vielmehr dessen nähere und fernere Umgebung stark hevölkert und mit Städten besetzt war (Jos. 19, l2; l. Thron. 7, 77), hätte der HErr hier nicht ,,besonders allein« (Mark. I, Z) mit seinen Jüngern sein können, auch war der Berg von den Zeiten Antiochus des Gr. an (seit 218 v. Chr) bis zur Belagerung durch die Römer nach der Zerstörung Jerusalems fortwährend ein Ort der Kämpfe und keineswegs zu einem Heiligthum des Friedens geeignet. Was aber am meisten gegen ihn spricht, ist der biblische Text selber; denn wenn auch 5—-6 Tagereisen wohl hingereicht hätten, den HErrn die etwa 12 Meilen von Eäsarea bis nach dem Thal-or zu bringen, so hatte er doch mit dem Volk in Galiläa jetzt nichts mehr zu thun, nnd die Evangelisten, die erade für die jetzige Periode so sorgfältig sind in Anga e der Zeit und der Oertlichkeih lassen ausdrttcklich ihn erst nach der Verklärung (V. 22»; Mark. 9, 30) nach Galiläa zurückkehren. Dem ganzen Zusammenhange nach sind. wir somit an die Ausassung gebunden, daß Jesus eben in der Gegend von Cäsarea selber auf einen Berg ge- stiegen sei, und zwar wird derselbe uns noch besonders als ein hoher bezeichnet; da liegt es am nächsten, an den, von Cäsarea nur 2 Meilen entfernten südlichsten Gipfel des großen Hermon (5. Mof. Z, 9 Anm.) bei dem jetzigen Ort Kefr Dawar zu denken, und behalten. wir uns ein Kärtchen zur Veranschaulichung jener Ge- gend für Mark. 9, 2 vor. Auffallend erscheint, daß der HErr nur drei seiner Jünger mit sich nimmt, da die Glaubensstärkung welche sie durch das Sehen seiner Herrlichkeit und das Hören der himmlischen Stimme er- fuhren, für alle, wie man denken sollte, gleichmäßig Bedürfnis; war; doch handelt es sich in erster Linie so- wohl hier, als bei der Erweckung von JairiTöchterlein (Mark. 5, 37) und bei dem Seelenkampfe inGethsemane (Kap. 26, 37), wo auch diese drei es sind, die er be- sonders allein mit sich nimmt, weniger um eine Glau- bensstärkung für die Jünger, als um eine Zeugenschaft für den HErrn, und da verfährt er nach dem Gesetz in 5. Mof. 19, 15., daß in dem Munde zweier oder dreier Zeugen die Sache bestehe. Gerade Petrus, Johannes und sein Bruder Jakobus werden zu dieser Zeugenschaft ausersehen, weil sie für die erste Zeit der Gründung der Kirche zu deren Säulen verordnet waren; als solche treten auch Petrus und Johannes in Apostg. Z u. 4 und 8, 14 ff. deutlich hervor, daß jedoch daneben Ja- kobus ebenfalls eine hervorragende kirchliche Stellun einnahm, ergiebt sich daraus, daß Herodes Agrippa . ihn zum ersten Opfer seiner Verfol ung der Gemeinde macht (Apostg. 12, tff.), und wie sehr gerade an einem Jakobus neben einem Petrus und Johannes gelegen gewesen sein muß, erhellt dann weiter daraus, daß an des älteren Jakobus Stelle in der Leitung der allge- meinen Angelegenheiten der Kirche alsbald der jüngere (Kap. 10, 4 Anm. Nr. s) tritt (Apostg. 12, 17; 15, 13 ff.; 21, 18 ff.; Gal. l, 19; L, 9 u. 12). Steht nämlich die Gesammtzahl der Apostel in unverkennbarer Beziehung zu den 12 Geschlechtern oder Stämmen der Kinder Christi Verklärung 237 Jsrael und charakterisirt die auf diesem Grunde erbaute Gemeinde als das legitime Israel, das die Verheißung ererbt, wie sie auch zu verstehen giebt, in welchem Sinne St. Paulus es meint, wenn er in Röm. 11,26 weissagt, daß noch einmal ,,ganz Israel« selig werden wird (nicht der Bollzahl aller einzelnen Glieder, sondern der Voll- zahl der 12 Stämme in Jeichmäßig bemesseneui Um- fange nach Offenb. 7, 4 fis; so steht die Dreizahl der vertrautesten Jünger des HErrn wiederum in Beziehung zu den drei Erzvätern des auserwählten Volkes, und wie in diesen die drei Grundtugenden des religiösen Lebens für die alttestamentliche Gemeinde sich darstellen, so in jenen für die neutestamentliche: Petrus der Mann des Glaubens, Johannes der der Liebe, Jakobus der der Hossnung Jn I. Cor. 13, 13 setztder Apostel die Hoffnung an die zweite und die Liebe an die dritte Stelle um deß willen, was er von der Liebe rühmen will, und weil er von dieser das »Bleiben« noch in einem um- sassenderen Sinne aussagen kann (V. 8 ff.): auch von Johannes hat der HErr gewollt, daß er bleibe bis zu seinem Kommen (Joh. 21, 22 fs.), und nun nehmen die Drei nicht nur an unsrer Stelle (vgl. Mark. 5, 37; 14,33), sondern auch in den Apostelverzeichnissen (Mark. Z, 16 ff. u. Apostg. l, 13) in der That eine Rangord- nung ein, die jener Rangirung der 3 Tugenden ent- spricht. Auf 2 Apostel desselben Namens, wie wir ge- sehen haben, vertheilt sich die Repräsentation der Hofs- nung: Jakobus I. u. 1I. Es liegt darin eine sinnbild- liche Darstellung des Schicksals, das die Hoffnung in und auf Israel erfährt: Jakobus I fällt frühzeitig als erstes Opfer der Verfolgung und stellt die zu Schanden gewordene Hoffnung bei Jsraels erster Berufung zum Heile in Christo dar; Jakobus 1I. war, bevor die teuf- lische Cspntschlossenheit der Feinde Christi im J. 62 n. Chr. über ihn den äußeren Sieg davontrug und das Volk in die Bahn des Verderbens hineinriß , nahe daran, das jüdische Ofierfest in ein christliches zu verwandeln, und ist das Unterpfand jener Hoffnung, die für und über Israel noch aufbehalten ist. Jndem uns so Jakobus zu einer weiteren Repräsentation sich gestaltet, zu der desjenigen Volkes, an welches auch sein Name erinnert, in Betreff der Berufung zur Kirche Jesu Christi, wird wie von selber Johannes zum Repräsentanten der mor- genländischen Kirche, der er in den letzten Jahren seines Lebens vorstand und für welche zunächst die 7 Send- schreiben in Ofsenb. 2 u. 3 ihm diktirt werden; daß dann Petrus der Repräsentant der abendländischen Kirche geworden, bedarf keines näheren Nachweises, und ergiebt sich nun ein weiterer Ausschluß, worum der HErr es zugelassen und theilweis selber so gefügt hat, daß die Jdee von dem patrimonium Petri oder dem Erbgut des heil. Petrus eine so große Rolle in der Kirchen- geschichte hat spielen dürfen, bis dieselbe mit der Wie- derberusun Jsraels ausgespielt sein wird. Z. nd [Jesus, da er betete —- wie es scheint, die ganze Nacht hindurch, bis der Morgen von ferne anbrach] ward verklaret sseinem ganzen äußeren Ansehen nach anders, und zwar dahin gestaltet, daß er in himmlischer Glorie erfchien] vor ihnen [die beim Beginn dieses außerordentlichen Vorgangs aller- dings noch vom Schlafe überwältigt, aber noch unter demselben wieder zum Erwachen gekommen waren und nun auf einmal fertig vor sich sahen, was mitt- lerweile sich entwickelt hatte Luk. 9, 32], und sein Angesicht leuchtete liest, da die Verkläriing sich ausgewirkq wie die Sonne swie es einst auch mit den Gerechten bei ihrer Vollendung der Fall sein wird Kur. 13, 435 Dass« 12- 3], und seine Kleider svon dem Lichtglanz des heil. Leibes, den sie um- schlossen, durchdrungen] wurden weiß, als ein Licht [Ps. 104, 2 und glänzten in folcher Weiße wie der Schnee, daß sie kein Färber auf Erden kann so weiß machen Mark. s, 3]. 3. Und siehe, da erschienen ihnen [den Jüngern, als ihre Augen auch weiter auf Jesu Um- gebung blickten] Moses und Elias, die [standen in der himmlischen Klarheit, zu der sie eingegangen, der eine, nachdem er der Verwesung entnommen worden 5. Mos. 34, 6 Anm. I, der andere, als er im Wetter gen Himmel fuhr 2. Kön. 2, 1I., zu beiden Seiten Mal. 4, 4 s. und] redeten mit ihm [oon dem Ausgang, welchen er sollte erfüllen zu Jerusalem Luk. 9, 31]. 4. Petrus aber finden: die beiden nach vollen- detem Gespräch nun wieder von ihm wichen Luk. 9, 331 antwortete [mit Beziehung auf dieses Weg- gehen, welches ein Zeichen war, daß der ganze Vor- gang— setzt zu Ende sein würde] und sprach zu Jesu sals welcher ja Macht habe, diesen Himmel aus Erden länger festzuhalten]: HGrr, hie swo du mit uns in himmlischer Gesellschast weilst] ift gut sein fund da laß uns doch länger mit ihr beisammen bleiben]; willst du, so. wollen wir [ich mit den beiden Mitjiingerm die wir dir gern allen Dienst erzeigen] hie drei [Laub-] Hütten saus Zweigen des umstehenden GehiischeÄ machen, dir eine, Mosi eine, und Glia eine ser wußte aber nicht, was er redete, sondern nur die Bestür- zung ließ ihn mit dem Ausdruck seines Herzens- Verlangens einen so ungereimten Vorschlag des Mundes verbinden]. Am Abend ging unser HErr oftmals aus hohe Berge, um in der tiefen, ungestörten Stille eines solchen Aus- enthalts zu beten. So war’s auch dies Mal, denn Abend war es, da er den heil. Berg bestieg; das ver- räth uns nicht allein die ganze Gestalt der Geschichte, welche wir lesen, sondern auch bei St. Lukas die aus- drückliche Erwähnung des tiefen Schlafes, aus welchem Petrus und die beiden andern Begleiter Jesu durch das himmlische Gesicht geweckt wurden. Tiefer Schlaf be- fällt wachsame Männer am hellen Tage nicht, am wenig- sten in Gesellschash die man scheut und liebt. (Löhe.) Was das Beten Jesu betrifft, das er bis zum Anbruch des Morgens verzog, so läßt uns sein Wort in V. 21 einen Blick in die sittliche Arbeit thun, die sein Beruf auch von ihm gefordert hat; denn »das natürliche Ver- ständniß des Wortes ist, daß nicht etwa blos für die Jttnger, vielmehr auch sijr den Meister der Sieg in jener Angelegenheit nur die gewaltigste Concentration oder Zusammennahme der Seele zum Bitten um Gottes Kraft, und diese Concentration nur durch tiefste Samm- lung der Seele zu gewinnen war. (Geß.) Verklären bedeutet etwas hell und klar machen, Einen mit Licht und Herrlichkeit zieren, mit Glanz und Schönheit um- geben. Dies kann auf eine doppelte Weise geschehen« I) in deklarativer (anzeigender) Weise, wenn man das Wesen, die Hoheit und Würde einer Person zur Anerkennung bringt, ihre Vollkommenheiten riihmt, sie Andern mit lebendigen Farben vor Augen malt. In 238 Evangelium Matthäi 17, 4 Arm. diesem Sinne heißt es von Gott, daß er verherrlicht sein wolle (2. Mof. 14, 17). Darauf ging die Haupt- absicht Jesu bei seiner Menschwerdung und in seinem ganzen Wandel auf Erden, die Lebensherrlichkeit Gottes in seiner Person auszuprägen und zur Anerkennung der- selben durch Lehre und Vorbild einzuladen (Joh.17, 43 1, 6; 7, 183 8, 50); namentlich verherrlichte er seinen Vater durch seinen vollkommenen Gehorsam bis zum Kreuzestod, da stellte er seine Heiligkeit und Liebe, seine Weisheit und Wahrhaftigkeit in’s hellfte Licht. Der Vater aber verklärte Jesum in dem an egebenen Sinne, als er seine verborgene Würde und Ho eit herausstellte, in ein klares Licht setzte, theils durch die Zeugnisse vom Himmel, theils durch die Wunder, welche er durch ihn nnd an ihm vollbrachte, theils durch sein Leiden und Sterben, seine Auferstehung und Himmelfahrt (Joh. 12, 28; 16, 45 Apostg. 3, 13). Der heil. Geist verklärt Jesum in den Herzen (Joh. l6, 14), wenn er die Herr- lichkeit Christi, seiner Person, seines Amtes, seiner Gna- dengüter völlig und allseitig enthüllt 1ind Lebenseindrücke davon in’s Herz giebt. Er zündet dazu ein Licht an im Verstande, erregt die Gefühle der Dankesliebe und erweckt den Willen zu inniger Hingabe an Jesumz die denn von erzen an ihn glauben, in aufrichtiger Liebe an ihm ängen, ihr Kreuz willig auf sich nehmen und in sein Bild sich umgestalten lassen, in denen ist er verklärt (Joh. 17, 10) und seine Klarheit spiegelt sich in ihnen mit aufgedecktem Angesicht (2. Cor. 3, 18). — L) Jn realer (thatsächlicher) Weise geschieht es, indem Gott« seine Herrlichkeit, seinen Lichtglanz auf jemand legt, in- dem er das Niedere in’s Höhere, das Fleisch« in den Geist erhebt, aus der Finsterniß das Licht herausführt, an seiner göttlichen ebensherrlichkeit Antheil giebt. Solche Verkläruug erbat sich Jesus vor seinem Sterben (Joh. 12, 28; 17, l. 5); es ist dies im vollen Sinne, wie Stier- sagt, die durch sein ganzes Entäußerungsi und Bersöhnungswerk als Lohn für ihn und Heil für uns erworbene Durchgeiftung und Vergottung seiner Menschheit, seines Fleisches und Blutes, wovon Johx 6 handelt. Diese Verklärung hat ihre bestimmten Stufen und endigt mit der Aufnahme Jesu in die volle, über- irdische Lebensherrlichkeit Gottes, in welche er als Men- schensohn eingeht; seinen Nachfol ern aber ist die Theil- nahme an seiner Herrlichkeit ver eißeii., wozu wefentlich die Verklärnng des Leibes, seine Umwandlung und Durchdringung mit Lichteskräften ehört (Joh. 17, 24; Phil. 3,»21). Die Verklärung C risti auf dem Berge war für ihn selbst eine göttliche Einweihung zu seinem bevorstehenden Leidens- und Todesgang und für die Jünger eine Befestigung in dem Glauben, wovon sie zuvor ein gutes Bekenntniß abgelegt hatten. Während Jesus betet, bricht unerwartet seine verborgene Gottes- herrlichkeit hervor, die Gestalt seines Angesichts verän- dert fich, er fängt an wie die Sonne zu leuchten, seine Kleider werden weiß wie der Schnee. Diese Herrlichkeit kommt nicht von außen an ihn, wie die Sonne sich im Wasser spiegelt, sondern sie tritt aus dem Inneren her- vor und verbreitet fich über das Aeußere (Fronmüller.) Wundersame Wandeln-IF, weit über das hinaiisgehend, was wir von Mose esen, dessen Angesicht glänzend ward, wenn Gott mit ihm geredet, also daß er eine Decke mußte vor sein Angesicht legen, um nicht die Kin- der Jsrael zu schrecken (2. Mos. 34, 28 fs.). Denn nicht der Wiederschein einer fremden Klarheit, sondern die ihm inwohnende Klarheit bricht aus der Knechts- gestalt des sich im Gebet opfernden Menschensohnes.her- vor. Dasselbe Angesicht, welches wenig über ein halb Jahr darauf von den Juden beschimpft, verhöhnt, ver- speit und mit Fäusten geschlagen wird, strahlet wie die Sonne, die Nacht zum Tage machend; und die dort mit Blut bespritzten Kleider, welche die Kriegsknechte von seinem Leibe reißen, ihn zur Geißelung zu binden und an das Kreuz zu erhöhen, werden von der durchs scheinenden Glorie dem Schnee und Lichte gleich. lRofss hack.) Seltsam, wie doch die äußersten Spitzen der Freude und der Trauer bei der größten Verschiedenheit auch wieder· so viel Aehnliches haben können! Jetzt schwebte Christus von himmlischem Lichte· umflossen vor den Augen der dreiJüugey und eben diese drei Jünger sahen i Nacht jammernd am Boden liegen; auch dort erschien zwar ein Abgesandter des Himmels, weniger jedoch um ihn anzubeten, als um ihn zu stärken. Jetzt umgeben ihn Moses und Elias, aus deren Blicken und Zügen wie aus den seinigen nur Seligkeit strahlte; bald sollte er, der Gekreuzigt« zwei gekreuzigte Missethäter an seiner Seite haben. (Theremin.) Der HErr erschien seinen 3 Aposteln hier in verklärtem Leibe: wie konnte er das? » Zwei Ansichten sind möglich, und die sind auch aufgestellt worden: entweder war dieser Leib der Verklärung ein donnm superadditum, eine ganz besondere Gnade Gottes, oder dieser Leib war ein donum naturelle, ein Erzeugniß des Lebens Jesu Christi selbst. Nach der ersteren Ansicht war es nicht eine Selbstverklärung Jesu, sondern eine Verherrlichung seiner« Erscheinung, welche ihm widerfuhr, ihm selbst angesichts feines nahenden Todes ein erquickender Vorschniack feiner errlichkeih seinen Jüngern aber eine Verbürgung dersel en. Dem gegenüber wird aber wohl die andere Ansicht Recht be- halten. Christus ist wahrhaftiger Mensch, er ist der zweite Adam; der Mensch ist ein geistsleibliches Wesen, Geist und Leib sind in ihm geeint, und zwar sind sie im Anfang nicht geeint worden, um aus einander zu gehen, sondern um sich immer mehr zu durchdringen und nun in geschlossener Einheit bis in alle Ewigkeit zu bestehen. Sterbensfähig war des Menschen Leib, das Sterben war aber für ihn keine Nothwendigkeit; durch Gehorsam unter Gottes Gebot sollte die Sterbens- fähigkeit des Leibes in den Sieg des unsterblichem ewigen Lebens verschlungen werden, erst durch den Eintritt der Sünde ward die Sterbensfähigkeit zur Sterbensnoth- wendigkeir Die normale Entwickelung nun, welche bei dem ersten Menschen nicht zu Stande kam, findet sich bei dem zweiten Adam, dem fündlosen HErrm Etwas Aehnliches von diesem Leuchten des Leibes Jesn Christi kraft des Geistes, der ihn erfüllte, finden wir in dem verllärten Angesicht gottinniger Beter. (Nebe.) Man weiß, wie die Freude das Antlitz des Menschen oft er- hellt, wie die Liebe dasselbe verschönt, wie es durch »die Seligkeit eines Sterbenden oft wunderbar verklärt wird. Die Offenbarungen der zukünftigen Welt machen die heil. Propheten oft blaß wie Todte (Dau. I0, 8) , oft lichtftrahlend vor Freude (2. Mos. s·4, 29 ff.); hier nun haben wir das Höchste, was sich in dieser Art im Men- schenleben zutragen konnte. Die Geiftesfülle Christi ilbersirahlte sein ganzes Wesen; ja die himmlische Licht- natur seines inneren Menschen, welche sonst noch gebun- den war von dem dunkleren Wesen seiner irdisä en Er- scheinung, brach jetzt hervor und übergoß selbst ein Ge- wand mit einem weißen Lichtschimmen der den itaunens den Jüngern durchaus neu war. Dies war ein mäch- tigeres Wiederkehren jener Erscheinung, welche Johannes der Täufer sah, als der Geist über Jesum herab kam, ein Vorschein seiner einftigen stetigen Verklärungz es war der erste Moment des Wnnderbarem das die Jün- ger jetzt erleben sollten, eine Geistererscheinung mitten im Diesseits. Das himmlische Wesen Jesu brach aus seinem irdischen hervor; es war, als stünde er jetzt schon auf den Höhen des Jenseits, als gehörte er bereits der Geisterwelt an. (P. Lange) Wir sftnden in der heil. n hernach bei dem uugewissen Schimmer der ’ Ueber die Verklärung des HErm 239 Geschichte einen Verklang davon in jener ernsten Herr- lichkeit Mosis, dessen glänzendes Angesicht die Kinder Jsrael nicht mehr anzublicken vermochten, und einen Nachklang in des Stephanus Angesicht, welches aussah wie eines Engels Angesicht (Aposig. S, 15). Aber höher als des Moses oder des Stepharius Glanz ist auf dem Berge, der mehr als Sinai ist, die Verklärung dessen, der in fich die Herrlichkeit trägt als des ein eboreneu Sohnes vom Vater voller Gnade und Wahrhgein Sie leuchtet durch die Hülle hindurch, das hat seinen gött- lichen Zweck vor allem für Jesum selber: wie dort bei der Taufe, da er sich hingab, alle Gerechtigkeit zu er- füllen, so ist es ihm jetzt, da ihm die ernste Todeswirki liihkeit näher gerückt ist, da er sich anschickt sein Antlitz nach Jerusalem zu richten und in den bitteren Tod zu gehen, eine Antwort des Vaters auf fein Gebet, daß er ein Wohlgefallen habe an diesem Gange des Sohnes; es ist ihm in dieser Antwort eine Bestätigung. daß er die Macht habe fein Leben zu behalten oder zu lassen, daß niemand es von ihm nehme nach dem Nechte des Todes über die Sünder, daß er sich sreiwillig seiner Herrlichkeit entkleide und um seines Viittlerberufs willen freiwillig aus die Verklärung verzichte, die ihm sonst könnte ohne den Gang durch des Todes Thal zu Theil werden, daß es somit nur fein freier Gehorsam sei, kraft dessen er von der Höhe der Herrlichkeit in die Tiefe des Leidens hinabsteige. Das sollten aber auch die Jünger aus diesem Vorgang lernen, und wenn sie es noch nicht zu fassen vermochten, so waren sie auf Ostern angewiesen, wo ihnen das Licht ausgehen sollte. (Riggenbach.) Zwei verklärte Männer des alten Bun- des erscheinen, die von Gott auf wunderbare Weise aus der Welt genommen sind, wie sie in ihrem Leben vor Andern ausgezeichnet waren. Was wollen die hier, nnd was bringt sie zu Jesu in dieser NachtP Moses hat das Gesetz gegeben, welches der Zuchtmeister ist auf Christum, und Elias ist der vornehmste der Propheten, welche von Christo geweissagt haben. Gesetz und Pro- pheten haben von Christo ezeugt, ehe er erschien; nun er erfchienen ist, sind hier in der Person des Moses und Elias abermals Zeugen, jedoch, wenn sie in alter Zeit von Christo eredet haben, so reden sie hier auf dem Berge mit C risto. Was mag das sein, was sie zu reden haben? Es muß etwas sehr Wichtiges fein, gleich als wenn ein himuilifcherRath gehalten wird, ein großes Werk Gottes auszuführen. Der Evangelist hat uns nichts davon berichtet: er scheint anzunehmen, daß niemand zweifelhaft sein könne, was verhandelt sei. Lukas giebt uns dann einen kurzen Wink: die beiden Männer, sa t er, redeten mit Jesu von dem Ausgang, den er erfü en sollte zu Jerusalem. Das sind allerdings recht düstere Sachen, welche in diesem Scheine der Ver- klärung verhandelt werden, der Ausgang zu Jerusalem, das Leiden am Oelberge, der schmachvolle Kreuzestod, bei dem die Sonne ihren Schein verlor, und das Be- gzräbniß welches das Licht der Welt mit Erde und odesnacht verdeckte: wer kann darauf kommen, daß diese üßeste Stunde, über welche Freude und Wonne ausgethüttei ist, mit Betrachtungen zugebracht wird, die von Weinen und Seufzen, von Verspeiung und Ver- fluchun , von Geißelhieben und Blutvergießem von Tod und ölle handeln? Dennoch reden eben davon Moses nnd lias mit Jesu, wie sie selbst in ihrem Leibesleben davon gezeugt und geweissagt haben; aus lichten weißen Grund malen sie dunkle Gestalten des verrätherischen Jüngers, der mörderischen Hohenpriester und Aeltesten und des blutigen Holzes des Flusses. Als zwei Zeugen stehen sie neben dem HErrn und bezeugen, daß es so geschehen wird und daß alles die lautere Wahrheit ist, daßkein anderer Christus ist, als der da leidet, und daß dieser Christus leiden wird, welcher jetzt in Klarheit dasteht. Das bezeugen sie vor den Ohren der Jungen welche hierfür bis jetzt noch keine Ohren gehabt haben und nur mit Schrecken und höchstem Widerwillen daran denken; den Jüngern foll jede Ausflucht genommen wer- den, als könnte man die Weifsagungen der Propheten und die Worte Jesu noch anders verstehen, als sie lauten. (Mitnkel.) Es ist von der höchsten Bedeutung, daß die Jlinger den Moses und den Elias mit Jesu von seinem Ausgange in Jerusalem reden hörten: damit brach in ihnen der Morgen der Erkenntniß an, daß Jesus im Zusammenhange mit dem alten Testament bleibe, wenn er auch in Jerusalem ein trauri es Ende nehme; daß er darin Eins sei mit dem Geiste jenes Gesetzgebers, der die Frevler zum Tode verdammte, jenes Eiferers, der Feuer vom Himmel fallen ließ, daß er aber bei aller Jnnigkeit dieses Zusammenhangs erade dadurch, daß er den Tod erleiden solle, über sie Finaus sei. Jn dieser Vision wurde ihnen also die Einheit des alten Bundes mit dem neuen, und die Erhabenheit des neuen über den alten gezeigt; die Geister der beiden Testa- mente begrüßten sich wieder, wie dort am Jordan, da Jesus getauft ward. (P. Lange.) Wir dürfen hier einen zwar nur fltichtigen Blick thun in einen jener geheim- nißvollen Knotenpunkte der Geschichte, wo das Werk Gottes aus Erden verknüpft erscheint mit dem Loos der Geschlechter, die früher schon dahin gegangen waren; wo es offenbar wird, wie das auf, Erden vollbrachte Werk auch die noch angeht, die schon lange zu ihrem Volk versammelt stnd, im HErrn aber noch alle leben. Es ist hier etwas von jener Freude des Vaters Abra- ham, da er den längst erwarteten Tag des HErrn sah. und frohlockte (Joh. 56). Es ist die Freude der Väter, daß nun die Stunde auch ihrer Erlösung nahe gekommen sei; es ist die Freude aller derjenigen, die sich gesehnt hatten den Erlöser zu sehen, und hatten ihn nicht gesehen, die durch den Glauben Zeugiiiß überkoms men, aber das Verheißene noch nicht empfangen hatten, weil sie nicht ohne uns sollten vollendet werden Gebt. 11, 39 f.). Und diese Freude hat ihr Fiindament in dem Aus ang, welchen der HErr in Jerusalem erfüllen sollte. Hier that der Gesetzgeber, der aller Sünde den Fluch Verkündigt, hier that der Propbet, der sich ver- zehrt hatte im Eifer um den Gott Zebaoth, einen Blick in das Geheimniß der Verföhnun ; hier schaute Mofe zum Voraus die Erfüllung aller spfer und konnte noch brünstiger als in den Tagen seines Fleisches den HErrn HErrn preisen, daß er barmherzig und gnädig und ge· duldig sei und von großer Gnade und Treue (2. Mos 34, 6); und Elias spürte noch ein anderes stilles sanftes Säuseln als dort in Horebs Höhle (l. Stdn. 19, 12 f.), wenn hier auf dem Berge der Verklärung der sanft- müthige Geist des HErrn Jesu ihn anwehete. Sie merkten etwas von dem wunderbaren Wege, auf dem der FErr fich anschickte, den Eifer Gottes und seine Barm- erzigkeit zu versöhnen, die heil. Strenge des Gesetzes zu erfüllen und zugleich zu überwinden. sNiggenbachJ Mose und Elias, obwohl im Himmel wohnend, küm- mern sich um das Reich Gottes auf Erden, wissen da- von, reden ja von Jerusalem und von den wichtigen Dingen, welche in der nächsten Zeit in der heil. Stadt geschehen werden: es ist, als wären sie noch hier zu Hause, als wären sie mit allem bekannt. Und umge- kehrt, Petrus redet von den himmlischen Boten zwar mit kindlicher, bereitwilliger Demuth, aber doch auch wieder so vertraut, als wäre er immer schon mit ihnen zusammen gewesen. Hütten will er ihnen ja bauen: dir eine, spricht er zu Christo, Mosi eine und Elia eine; so sicher· kennt und nennt er sie, so gerne will er bei ihnen sein und ihnen dienen. Damit ist uns ein Blick 240 Evangelium Matthäi 17, 5—10. in die Ewigkeit aufgethan; vom Berge der Berklärung machen wir einen sicheren Schluß auf die himmlische Stadt. Ebenso wird es dort sein, alles wird zutreffen; was ewig zusammengehörh ja was nur zeitlich zusam- mengehört, wird sich dort kennen. Die sich nie esehen, geschweige die fich hier gesehen und gekannt, wer en sich dort beim ersten Anblick erkennen und mit einander be- kannt Lein. (Löhe.) Wenn der Leib des Menschen die Ausga e hat, daß er nicht blos Werkzeug und Wohn- stätte, sondern auch Spiegel des Geistes sein soll, so wird man erwarten dürfen, daß der verklärte Leib erst recht ein treuer Spiegel des Verklärten Geistes ist, daß er gleichsam ein Transparent oder Dnrchscheinbild des ihm innewohnenden Geistes ist. Mose und Elias find solche charakteristische Geister, daß am Ende auch ein vom Geiste erleuchtetes Auge von selbst erkennen kann, wer sie sind, wenn sie erscheinen. (Nebe.) Außer sich selbst entrückt durch die Erscheinung, ruft Petrus: «Meister, hier ist gut sein; laß uns drei Hütten machen, dir eine, Mofi eine und Eliä einel« Der Berg der Verkläriing, meint er, soll fortan für den HErrn, für jene beiden Männer und für die Jünger ein bleibender Aufenthalt sein. ,,Er wußte aber nicht, was er redete,« bemerkt die Weisheit der Schrift; denn swie konnte er einen solchen Glanz, eine solche Freude auf dieser dunkeln Erde für etwas anderes als für eine vorübergehende Er- scheinimg halten? Hatte er denn nicht gehört, wovon jene Männer, die in Klarheit erschienen, mit Jesu rede- ten? Mitten unter der Verklärung des HErrn war der Gegenstand des Gespräches, welches sie mit ihm führten, das furchtbare Leiden, welches ihm als dem Erlöser der Menschen bevorstand. (Theremin.) Die eigentliche Sache, auf welche es ankommt, hat Petrus gar nicht gefaßt; im Fluge hat er gehört, was Moses und Elias von dem Ausgange zu Jerusalem reden, aber das hastet bei ihm nicht, er bleibt bei den außerordentlichen Erschei- nungen stehen und hat davon nicht mehr als die dun- keln überschwänglichen Eindrücke. Das lehrt uns, daß es nicht genug ist, wenn uns Gott herrliche Offenba- rungen giebt; der Mensch weiß wenig damit anzufangen und wird wohl gar dadurch verwirrt. Es kommen manche in unsere Gottesdienstn was fie siichen, sind süße, selige Gefühle, mächtige Rührungem glänzende, erhabene Reden und sinnenberauschende Schaustück; aber die Predigt vom Kreuze, vom Fluche der Sünde, von den tiefen Wegen Gottes mit unsrer Seele mögen sie nicht und verstehen ste nicht. Nichts erscheint ihnen überflüssiger, als was das Wichtigste im Evangelio ist, das Kreuz Ehristi. Diese Leute sind eben so verwirrt in ihrem Kopfe, als svoll Rührungen in ihrem Herzen; und wenn sie gar noch über und außer dem Worte Gottes nach hohen Offenbarungen vom Himmel herab trachten, so find sie in Gefahr, um das ganze Evangelium, wenn nicht gar um ihren Verstand zu kommen. Sollen uns Gottes Offenbarungen zum Segen sein, so müssen wir erst durch tiefere Erfahrungen auf den Wegen Gottes geführt werden: ohne solche Erfahrungen im eigenen Herzen, welche nicht blos in Rührungen und Gefühlen bestehen, bleiben wir arme Leute«, wenn auch jeder Tag seinen eigenen Berg der Verklärung hätte. (Münkel.) war war Petrus seiner nicht mächtig, als er das sagte; inweggehoben aus dem gewöhnlichen irdischen Dasein, im Zustande der Entzückung, konnte er nicht wissen, wie wenig seine Worte in »diese Welt herein paßten, wie »un- statthaft sie waren, wie ganz· andere, schmerzlicheDinge bevorstanden (,,er wollte die Geisterwelt ganz m das Diesseits hereinziehen und in der Welt der irdischen Er- scheinuiig in plastischer Bestimmtheit festhalten, wollte eine Kirchengemeinschaft gründen, worin die Hütten des Moses und des Elias neben der Hütte Christi fortbe- stehen; so redete er als Simon, nicht als·Petrus, und ist einThpus iener Kirche, die sich aus ihn beruft«). Aber ist nicht dennoch das Wohlgefallen an der himm- lischen Genossenschaft und das laute, fast ungestüme Ber- langen, sie festzuhalten, wunderbar und ein Beweis gött- licher Wirkung in ihm? Sonst pflegt der Mensch vor jedem Hereinragen einer andern Welt in die hiesige zu verwelken und zu vergehen: hier ist davon nichts zu merken; nicht befremdend, sondern heimathlich wohl- thuend wirkt das himmlische Gesicht auf die Jiin er, und ob sie schon ein Zittern und Entsetzen befallen hat, ist doch ihre Wonne nicht geringer. Es ist dieser Zu- stand mangelhaft, es fehlt ihm an Klarheit, Ruhe, Har- monie; es ist auch nicht der höchste Zustand, den es giebt, nicht das Ziel der letzten unsrer Wünsche. Aber gegenüber unsern gewiihnlichen Zuständen ist doch die selige Bestürzung der Jtinger etwas Herrliches gewesen; es war doch jedenfalls eine Stufe aufwärts zu er voll- kommenen Ruhe und Freude, von welcher Mose und Elias kamen. (Löhe.) Das Petrusworn ,,hier ist gut sein« als Aufschrift am Altar des heil. « Abendmahls; denn auch da sehen wir, wie die Jün- ger auf dem Berge, l) den Verklärten Heiland vor uns, Z) die Gemeinschaft der Heiligen um uns, Z) die Welt und ihren Jammer unter uns. (Gerok.) 5. Da er noch also sals einer, der irdische und himmlische Dinge thörichter Weise zusammen- - bringen will] redete, siehe, da überfthattete sie fnämlich die beiden Himmelsgestaltery Mose und Elias] eine lichte Wolke ldas Zeichen der Ge- genwart Gottes nach Art der alttestamentlichen sohechina Z. Mos II, 21f.; 16, 10; 33, 7 sf.; 40, 34 sf.; I. Köiu 8, 10 ff» und nahm die beiden gänzlich vor ihren Augen weg] Und siehe, eine Stimme aus der Wolke sdie Jesum allein zurückgelasscn hatte] sprach: Dies lden ihr hier vor euch habt] ist mein lieber Sohn, sgleichwie solche Stimme vom Himmel herab schon bei der Taufe im Jordan geschehen war Kap. Z, 17 ; sie setzte aber dies Mal, Jefum ausdrücklich als den in 5. Mos. 18, 15 ff. verheißenen Propheten besiätigend, hinzu :] den sollt ihr hören. Diese Wolke ist Gottes Antwort auf Petri Vorschlag; er zeigt dem Petrus eine andere Hütte, die nicht von Menschenhänden gemacht ist. Mose und Elias treten in diese Hütte ein, der HErr noch nicht: Petrus soll es mit seinen Au en sehen, da die Worte des HErrn ihn noch nicht vo kommen überzeugt haben, daß der HErr schlechterdings jetzt noch nicht in seine Herrlichkeit ein- gehen kann. (Nebe.) Nach der Absicht des Verfassers heißt es von der Lichtwolke nur insofern: sie ,,überschattete« sie, als dieselbe den Jüngern nicht erlaubte einzuschauen. Das stärkste Licht ist für das Au e Finsterniß, weil es blendet; daher wird in der chrift gleichbedeutend gebraucht (1. Tim. s, is; 2. Miit. 20, U; l. Ksoir. 8,12): »Gott wohnt in einem Lichte, da niemand zukommen kann,« und: ,,er wohnet im Dunkel« (Olshausen.) Mit dem Worte: »Dies ist mein Sohn« wird Christus aus der Reihe der erschafsenen Geister entnommen und hoch über alle creatürlichen Begriffe erhoben, als der mit dem Vater gleichen Wesens ist und bei ihm Herr- lichkeit hatte vor Grundlegung der Welt: und mit dem Zusatze: ,,mein lieber Sohn, an welchem ich Wohlge- fallen habe,« legt der ewige Gott vor armen Menschen- aiigen sein erz dar, wie es wallet gegen diesen Sohn über dem erke, in welchem er sich als Knecht und Durch eine Stimme vom Himmel werden die Jünger an Jesum, als den Sohn Gottes, gewiesen. 241 Lamm dem Vater zum Gehorsam er iebt. Beides aus- zugründen, dahin reicht kein endli er Verstand; aber das Zeugniß steht da, unerschütterlich und unwiderruflich, daß, wer es höret, sich anbetend davor beuge. Wohl recht hat Einer gesagt: ,,wer dies Zeugniß Gottes von seinem Sohne leugnet, der ist der größte Lügner, und wer dagegen gleichgiltig ist, der hat nichts Gewisfes in seinem Herzen und "Munde.« Du sprichst: Jch leugne es nicht, aber ich zerbreche mir darüber den Kopf nicht; mögen das die Theologen unter einander ausmachen! Wahrlich, nicht dein Kopf, aber dein Herz wird darüber zerbrochen werden müssen, so oder so; denn nicht den Theolo en, sondern dir, dir und allen Menschen gilt das Zeugnis Gottes von seinem Sohne — es ist der Kern und Stern aller Gottesoffenbarung an die Welt, es hängt dein Seligsein daran. ,,Den sollt ihr hören«: mit diesem Wort bindet der Vater sogar die Jünger, die das Gesicht esehn, lediglich und gänzlich an Jesu Wort, an Jesu und; denn nicht durch Gesichtep sondern durch’s Gehör allein kann ein armes Menschenherz ge- nesen, nachdem es einmal durch das Hören auf der Schlange Wort aus der Wahrheit gefallen ist, weniss nun den höret, der der Schlange den Kopf zertritt. O der Thorheit derer, die, zu stolz dafür, als Männer der Wissenschaft seine Person und seine Rede vor den Richter- stuhl ihrer Vernunft ziehen wollen, der blinden Vernunft, die wider den Glauben ficht, statt als Kindlein an seinem Munde zu hangen! (Roffhack.) Wie man zweifelnd an einer Geschichte mäkeln kann, die zu herrlich ist, um blos ein inneres Bild zu sein, und »sich einem jeden, der fie vernimmt, durch Überirdische Schönheit als völlig wahr bekundet: das wäre nicht begreiflich, das ließe sich nicht erklären, wenn wir nicht die ftindenvolle Nacht des Herzens kenneten, aus welcher jener Mangel an Einfalt und jene bedauernswerthe Blindheit stammt, die sich freut falsch zu sehen und nicht zu sehen, als hätte sie daran Gewinn. (Lö .) b. Da das [was so deutlich als ein Zeugniß des» gegenwärtigen Gottes selber sich bekundete] die Jüngers lwelche schon beim Erscheinen der Wolke von Schrecken ergriffen worden waren Luk. 9, 34] höreten, fielen sie auf ihr Angesicht, und erschracken sehr [waren nun so völlig vom Schrecken überwältigt, daß sie da lagen, als wären sie todt Dass. 10, 9 f.; Offenb. I, 17]. Die fttndigen Menschen können mit Gott nicht zu- recht kommen ohne einen Mittler, ob er gleich nicht im gern, sondern in Gnaden mit ihnen redet. (Canstein.) ott kennt unsre Gebrechlichkeit, daß wir das Gewicht seiner Majestät nicht ertragen können und von dem Glanze seiner Herrlichkeit geblendet werden; darum hat er uns seinen Sohn gegeben, den sollen wir sehen und hören. Wollen wir mit Gott verkehren, so, sollen wir mit seinem Sohne verkehren; und was wir von Gott wissen und haben wollen, das ist uns in dem Sohne egeben. Wer Gott sucht außer dem Sohne und ohne ihn, der sucht entweder einen Schatten oder ein verzeh- rendes Feuer. Danke Gott, lieber Christ, daß es ihm gefallen hat, sich dir in einer so troftreichem freundlichen rscheinun zu zeigen, wie dein Heiland ist; zu dem HErrn Je u wagen auch Zöllner und Sünder zu gehen, denn er spricht zu allen: fürchtet euch nichtl (Münkel.) 7. Jesus aber lder aus dem Verklärungss stande inzwischen in seinen gewöhnlichen Stand zu: rückgetreten war] trat zu ihnen, rührete sie an und sprach [wieder in der alten vertraulichen Weise mit ihnen verkehrend]: Stehet auf, und fürchtet Dächseks Bibelwert l euch nicht, lals müßtet ihr vergehen Jes. S, s» und war dies freundliche Anrühren zugleich ein gar wirksames, das alle Furcht von ihrem Herzen nahm Dan. 8, 18]. 8. Da sie· aber lindem sie sich jetzt in die Höhe richteten] ihre Augen aufhuben sdie noch immer von dem Eindruck des gehabten Gestchts erfüllt waren und es gleichsam vom Neuen auf- suchten] , sahen sie niemand, denn Jesum allein [und auch diesen nur in gewöhnlicher Gestaltund Kleidungs « 9. Und da sie [bierauf, dem HErrn folgend, der ihnen ooranschrittj vom Berge herab gin en, gebot ihnen Jesus und sprach: Ihr ollt dies Gesicht [das, was ihr auf dem Berge iu leibhaftiger Wirklichkeitgesehen Apostg. 7, 311 nie· mand [auch euern Mitaposteln nichtsfa en, bis des Menschen Sohn von den Tod en auf- erstanden ist. « Als die drei Jünger ihre Augen aufhuben, sahen sie niemand als Jesum allein; aber er wird ihnen dennoch ein ganz Anderer gewesen sein als zuvor, der Glanz seiner Verklärung wird ihn in ihren Augen allezeit um- geben ·haben, die Ehrerbietung Mosis und Eliä, das Zeugniß des himmlischen Vaters selbst wird sie zu Ehr« furcht und Anbetung geneigt gemacht haben. Gewiß brannte ihnen das Herz danach, am hellen Tage und auf den Dächern predigen zu dürfen, was sie in stiller Nacht auf dem Berge geschaut hatten; allein gerade diese Sehnsucht blieb ungestillt, der HErr verbot ihnen vor seiner Auferstehung irgend jemand etwas zu sa en Die Offenbarung auf dem heil· Berge war eine Lgors sorge flir zukünftige Zeiten; zu seiner Zeit sollte sie durch die drei frommen Zeugen bekannt werden und die Herzen in dem Glauben stärken, daß der HErr allezeit, im Stande der Erniedrigung wie im Stande der Er- höhung, einer und derselbe gewesen und geblieben, Got- tessohn und Menschensohm groß und hehr, menschen- freundlich und barmherzig. Jetzt aber sollten die Jün- ger schweigen und warten, und alleine für sich den Segen haben und benutzen, der aus dem Anschaun der Verklärung ihnen so reichlich zugeflossen war. (Löhe.) Damit sie sich des Vorzugs der Augenzeugenschast nicht überheben, die andern sie nicht in ihrer jetzigen Thor- heit darum beneiden; damit das Ganze bleibe, was es ist und sein soll, nicht ein Schauspiel für die Augen,- die nach Wundern sehen, sondern ein Zeugniß, hernach durch den Geist in’s Wort gefaßt für den Glauben, eine Stimme des Vaters — darum hat der HErr nur die Drei zugelassen, und verbietet nun auch diesen die Rede vor der Zeit. Sie müssen auch ihre Ehre dabei mit Verleugnung erlangen; zuvor: könnt ihr schweigen? heilige Geheimnisse würdig bedenken und bewahren? dann sollt ihr sie einst reden vor der Welt. (Stier.) 10. Und seine Junger snachdem sie unter einander schon darüber sich befragt, was er wohl unter dem Aufersiehen von den Todten in Bezie- hung auf seine Person meine, wenn er bis dahin ihnen Schweigen auferlegt habe, ob er damit viel- leicht auf die Aufrichtung seines Reiches in Israel hindeute] fragten ihn [in Betreff einer andern dunkeln Sache, die im Zusammenhang mit jener ihre Ge- danken beschäftigte und in die sie sich um so weniger R. c« I. 16 242 Evangelium Matthäi 17, 1 1 —— IS. zu sinden wußten, als das Wort in Kap. U, 14 während ihrer Abwesenheit zur Apostelreise gesprochen worden, dagegen Johannis eigene Aussage in Joh. J, 21 ihnen noch in Erinnerung war] , und sprachem Was sagen denn [wenn die Aufrichtnng des messia- nischen Reichs nun nahe bevorsieht, wie wir aus deinem Wort: ,,bis des Menschensohn von den Todten auferstanden ist,« schließen müssen] die Schtistgelehrten [aus Grund der Weissagung der Propheten Mal. 4, 5 f.], Elias müsse zuvor kom- men? [ist das vielleicht damit ersüllt, daß wir heute den Elias bei dir gesehen haben auf dem Berge? Aber warum ist er so schnell wieder verschwunden und nicht vielmehr mit uns herniedergestiegen unter das Volk, um alles zurecht zu bringen und dir eine freie Bahn zu bereiten? warum soll es in dem bisherigen Geleise weiter gehen und sogar da- hin kommen, daß, wie du uns gesagt Kap. 16, 21., des Menschen Sohn miisse leiden von den Aeltesten und Hohenpriestern und Schriftgelehrten?] 11. Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Elias soll ja sgewißj zuvor kommen und swenigstens dem Berufe nach, der ihm gegeben istJ alles zu- recht bringen [die Schriftgelehrten legen das pro- phetische Wort ganz richtig aus, wenn sie das als die Vorbedingung zur Erscheinung des messianifchen Reichs bezeichnen] 12. Doch ich sage euch [wie ich das auch dem Volke bereits gesagt habe Kap. 11, 14]: Es ist Elias sin der Person eines bestimmten Mannes, den ich euch nicht erst zu nennen brauche] schon kommen salso daß der eine Theil der Weissagung, soweit es sich um Gottes Thun handelt, vollständig erfüllt ist], nnd sie [an denen er alles zurecht bringen sollte] haben [die Wirkung dieses seines Berufs vereitelnd, wie das aber in der Schrift ebenfalls schon vorgesehen ist] ihn nicht erkannt [wenn sie auch einen Anlauf zu dieser Erkenntniß genommen Joh· l, 21J- sondern lmit seiner gewaltsamen Be- seitigung] an ihm gethan, was sie wollten [Kap. 14, 3 ff.]. Also [indem er mit diesem seinem Schicksal ein Vorgänger dessen geworden, der nach ihm kommt] wird auch des Menschen Sohn leiden müssen von ihnen [wie das von diesem die Schrift noch viel bestimmter und offenkundiger als von jenem oorausgesagt hat — das ,,alles zurecht bringen« will nicht für sich »allein, sondern im Zusammenhange mit der ganzen übrigen Schrift betrachtet sein]. 13. Da [als er sagte: ,,sie haben an ihm gethan, was sie wollten«] verstunden die Sänger, daß er von Johanne dem Täufer zu ihnen geredet hatte swenn er erklärte: ,,es ist Elias schon kommen«]. Das Nähere über diesen Abschnitt müssen wir uns zu Mark. 9, 10——13 vorbehalten, wo die Darstellung ausführlichey aber auch in vielen einzelnen Punkten noch schwieriger iß. III. V. 14—23. (§. 65.) »Wie wenig es an der Zeit war, daß die Sänger auf dem Berge der Vetklärnng Hütten bunten, das tritt uns im skhreienden Gegensatz vor die Augen, wenn wir den tjErrn hinnnterbegleiten: da ili der erfie Austritt, der ihm begegnet, ein besonders klägliches Beispiel des Elends; Um einen Besessenen handelte sinke, wo der Satan vorzüglich hartuäekig wüthetez wo der Vater des silottdsüctjtigeu offenbar so lileinglänbig geredet hatte, daß auch die Sänger im Glauben gelähmt waren; wo die Schriftgelehrten ihnen hämische Vorwürfe machten, nnd alles Volk im Glauben wankte. Mitten in diesen Jammer tritt er hinein, wo der Kranke vom Teufel, die Andern alle vom sllnglauben übel geplagt sind: ist es zum verwundern, daß sie sich über sein Kommen gerade jetzt, nnd wer weiß, vielleirht anrh über eine Svnr der Verklärnng, die er noch wie Most herniederbrachttz eutselzeu müssen? nnd der tjErig kann er anders, als mit scharfem Wort im Eifer der Eiche den Unglauben strafen, in welchen Volk nnd Sünger sich verstriclien lassen, sobald er ans einen Tag von ihnen weicht? Seid ihr denn nicht das böse nnd verdrehte Geschlechtz wie jiloses Israel beschrieben hat (5. sit. 32, 5)? Während ich droben Ehre empfing, bereitet auch ihr Sänger mir solche Schande? Darauf heilt er den Sohn des geängsteten Vaters, der seinen dlnglanben beklagt; »den Jüngern aber wiederholt er das Wort von seinem Sterben nnd Jlnferstehem das sie nicht zn fassen vermögen. Es bleibt bei der Herrlichkeit, die mir in der Verlilärung zngesichert ist; aber nur dnrch des Todes Schmach nnd Qual, welche die Verkehrtheit des argen Gesajlertjts mir auferlegt, kann ich sie erlangen.« (.tdiarli. Si, 14-——32; Eva. Si, 37——-45.) 14. Und da sie sJesus und die drei Jünger, bei vollem Tage nun wieder unten in der Thal: niederung an dem Orte ihres Ausgangs in V. I angelangt] zu dem Volk kamen [denn dieses um- ringte eben in großen Schaaren die dort zurück- gebliebenen neun Jünger, die darunter befindlichen Schriftgelehrten aber setzten denselben mit ihrem Wortwechsel scharf zu Mark-. 9, 14 ff.] , trat zu ihm saus dem Kreise des Volks] ein Mensch [auf seine Nachfragen bei den Schriftgelehrtem was sie mit den Jüngern zu disputiren hätten, sich als die Veranlassung der entstaudenen Bewegung bekennend] Und fiel [mit flehentlicher Geberde] ihm zu Füßen, 15. Und sprach: HErr, erbarme dich über meinen Sohn [außer welchem ich sonst keinen habe Luk. 9, 38., also daß mir sein Elend doppelt zu Herzen geht]; denn er ist [in Folge der Besessenheit von einem unsaubern Geist, der ihn von Haus aus schon sprachlos und taub gemacht hat Mark. 9, 251 moudsüchtig [wird beim Mondwechsel immer von furchtbaren Paroxhsmen befallen] nnd shat nun an der Epilepste oder fallenden Sucht, die da über ihn kommt] ein schweres Leiden [daß er schäumet und knirschet mit den Zähnen und immer mehr dem Tode entgegensieht Mark. 9, 18]; er scillt [sogar, weil die Paroxysmen ganz plöhlich und unangemeldet sich einstelleu, ohne daß man ihn von der Stelle, wo er sich gerade befindet, zuvor hinwegbringen könnte] oft in’s Feuer nnd oft in’s Wasser [als habe es der unsaubere Geist darauf Ein mondsüchttger Knabe, den die Jünger nicht heilen konnten, wird zu Jesu gebracht. 243 abgesehen, ihn noch vor der Zeit auf gewaltsame Weise umzubringen Mark. s, 22]; 16. Und ich hab ihn [da du bei meiner Her: kunft nicht selber hier warestj zu deinen Jüngern gebracht, und sie konnten ihm swiewohl sie es mit ihm probieren] nicht helfen. Zweierlei Uebel also sind es, wovon der einige Sohn diesesMenschen geplaget wird: 1) das ständige Uebel ist die Befessenheit von einem spraihloseii und tauben Geist; und zwar hat diese Besessenheit bald mit der ersten Lebenszeit des Kindes angefangen, wie wir aus Mark, 9», Z; erfahren — ein thatsächlicher Beweis für die Richtigkeit dessen , was zu Kap. 8, 34 bemerkt wurde, daß die Besessenen durchaus nicht etwa besonders verschuldete Menschen gewesen, diese Seelenkrankheit viel- mehr geradejo wie Leibeskrankheit ganz unverschuldet (in dem herkommliihen Sinne des Worts) einen Men- schen betreffen konnte. Wir sind darum, worauf wir zu Kap. 26, 7 noch weiter zu sprechen kommen, durchaus nicht befugt, die Maria Ma dalena, von welcher sieben Teufel waren ausgefahren (· uk·. 8, 2·), als Eine Person, wie gewohnlich geschiehet, mit jener tief gefallenen Sün- derin im Hause des Pharisaers Simon (Luk. 7, 36 ss.) zu betrachten; eiiie von sieben Geistern besessene Person war nichts weniger »als eine verführerische Buhlerin, ihre Besessenheit aber im sittlichen oder figiirlichen Sinne von schwerer Verfterickung in Satanjs Sündenbanden zu verstehen, wäre eine ganz willkürliche Verdrehung des einfachen Wortsinnes, die auch aus dem Worte Christi in Kap. 12, 45 keinen Grund der Berechtigung herneh- men kann. 2) Als zeitweilige-s oder periodisches Uebel kam dann die Epilepsie hinzu, deren einzelne Züge sich in der Bem. zu Kap.l·), 32 zusammengestellt finden. Die Mondsucht tritt dabei mehr in den Hintergrundz der Vater hatte beobachtet, daß sich die Paroxysmen an den Mondwechsel zu knüpfen pflegten, was mit dem überhaupt gestdrten Vervenleben des Kindes zusammen- hangy sonst aber giebt er lauter solche Krankheitser- fcheinungen an» die auf den in der alten Medicin sogen. morbus eomitiahs hinweisen, der nach· dem Zeugniß des griechischen Arztes Paulus von Aegina im 7.Jahrh. hauptfachlich Knaben befallt und daher auch morbus puerilis heißt» Er galt für ein verzweifelte-s Uebel, und nahmen» die Alten zur Beseitigung desselben sogar Blut Hingerichteter zu Hilfe; wir wundern Uns um so weniger, daß er hier als noch besondere Aeußerung der Besefsenheitz als eine zweite Wirkung des unsauberen G·eistes, der schon die Taubstummheit erzeugt hatte, aus- tritt, da er damit in einer gewissen Wahlverwandtschaft steht, denn Sitz und Ausgangspunkt für beide. Uebel ist das ·J,kier·venleben; der Dämon,»der desselben einmal sich beuiachtigt hatte, konnte nun leicht es in der fiirchtbarsten Weise mißbrauchen und trieb am bequemsten sein»Spiel, wenn es durch den Einfluß des Mondes am gereiztesten und empsanglichsten war. Der Vater hatte gewiß nicht Unrecht, wenn »er deefem Damon die Absicht zuschrieb, , o a m EIZFJkIPTJxHFQMFZITTE kikizfskknågesnä JTFQT22«E2H2TI«" ausrotten wollte, stand ihm die dämonische Macht gegen- üher«, und als er nun Jesum bei seiner Ankunft mit dem Kinde nicht antrisft, wendet er sich sofort an die zurück- gebliebenen Jiingey daß diese es verfuchen möchtem den unsauberen Geist zu· beschwören Es tritt da sein Aber· glaube, womit er die Teufelaustreibung auch im Namen Jesu unter den Gesichtspunkt einer Kunst stellte und diesen Namen als eine Art Zauberforniel betrachtete, « recht deutlich hervor, wie er denn hernach unmittelbar zu dem HErrn selber spricht: ,,kannst du was«; er würde sicherlich nicht mit den bloßen Jüngern anstatt des Meisters sich begnügt haben, hätte er eben nicht von einer Kunst geträumt, welche Schüler von ihrem Lehrer erlernen und dann mit demselben Erfolg betreiben können wie dieser. Die armen Jilngerl sie amen ge- wiß in keine geringe Verlegenheit, als die Bitte an sie gerichtet wurde. Zwar hatte der HErr vor etwa einem halben Jahr zu ihrem apoftolischen Berufe ihnen auch die Macht verliehen über die unsauberen Geister, und sie hatten bei ihrer damaligen Aussendung große Dinge ausrichten dürfen (Kap. 10, I; Luk. 9, 10); aber ein so verwickelter Fall, eine so schlimme Art der Besessenheiy wie hier, war ihnen bei dem HErrn selber noch nicht vorgekommen, und sie hätten darum den Fall gewiß lieber bis zu seiner Rtickkehr vorbehalten, ohne einen Versuch zu wagen. Aber gerade das Außerordentliche und Furchtbare dieser Art von Besesseuheit hatte die ganze Umgegend in eine aufgeregte Bewegung gebracht; das Volk umgab in großen Schaaren den Vater mit seinem Kinde, sogar die Schriftgelehrten des Orts hatten sich eingefunden; und da mögen denn diese, die wir allerdin s uns nicht so feindselig gegen Iefum wie ihre galiläischeii Zunftgenossen drüben senseit des See’s vor- zustellen haben, die jedoch ein Standesinteresse daran hatten, daß nicht von den Jüngern eines andern Mei- sters etwas geleistet würde, was sie selber und ihre Kinder oder Schüler (vgl. die Bem. über die Exorcistenk Schulen der Schriftgelehrten zu Kuh. 12 , 29) nimmer sich getrauen durften zu leisten, mit Kennertniene erklärt haben, gegen einen solchen Teufel, wie er in dem Kinde stecke, vermöge kein Mensch auf Erden etwas, die Jün er sollten nicht etwa durch das Vertrauen aus die un e- dingte Meisterschaft ihres HErrn zu einem Heilungsveo siich sich verleiten lassen, ste würden damit das Uebel nur steigern und den unfaubern Geist zur entsetzlichsien Gegenwehr reizen. Das Volk stimmte dem bei und es fiel manches Wort, was die Ehre Christi herabsetzte, doch nun auch die Jünger veranlaßte , dieser Ehre sich annehmen zu wollen. War ihnen gleich geboten, nie- mand zu sagen, daß Er, Jesus, der Christ wäre (Kap. 16, 20), so war ihnen doch nicht verboten, es thatsächs lich zu erweisen; und dazu fühlten sie um so mehr sich verpflichteh als sie ja nicht wußten, wie lange der HErr seine Rückkunft verzbgern würde und ob er, wenn er dann wirklich käme, noch Gelegenheit vorfände, gerade vor diesen Volkshaufen und diesen Schriftgelehrten seine Macht zu bekunden, es schien in jeder Hinsicht Gefahr im Verzug. Zudem, seit sie die großen Dinge im Namen Jesu auf ihrer apostolischen Reise ausgerichtetz hatten sie noch viel klarer und bestimmter ihren HErrn für Gottes Sohn erkannt (Kap. 14, 33), und er selber hatte kürzlich erst auf das dahinzielende Bekenntniß des Petrus sein Siegel gedrückt (Kap. 16, 17 sf.); sie meinten also, gerade um des ihnen entgegentretenden Widerstan- des der Schriftgelehrten willen, vor deren Sauerteige sie sich hüten sollten (Kap. 16 , 6 u. 12), das Außer- ordentliche wagen zu müssen, ihre na herige Frage (V.19): ,,warum konnten wir ihn nicht eilen?« giebt ja deutlich zu erkennen, wie sehr sie nach Lage der Uni- stlinde und nach Maßgabe ihrer Beweggründe der rich- tigen Handlungsweise sich bewußt sind. Als sie dann wirklich thaten, wozu sie sich getrieben und so berechtigt wie verpslichtet fühlten, da kam es wirklich so, wie die Schriftgelehrten vorausgesagt hatten: das kranke Kind verfiel bei ihrem Beschwbrungsversuch einem furchtbaren Paroxysmus in derselben Weise, wie es hernach wieder der Fall ist, da Jesus den Knaben zu sich bringen läßt, iioch bevor er sein Machtwort an den Dämon gesprochen hat (Mark. 9, 20), und als der Anfall vorüber war, lag das Kind wohl auch da wie todt, gerade so wie 167 244 Evangelium Matthäi M, 17—20. nachmals bei dem Ausfahren des Teufels (Mark.9, 26). Jetzt drängten die Schriftgelehrten mit einer gewissen Schadenfreude sich heran und wußten sich viel darauf zu gute, daß sie einen solchen Erfolg vorausgesagt und mit Recht vor dem Unternehmen gewarnt hätten; auf Seiten des Volkes aber machte ein großer Unwille sich laut, warum die Jitnger auf ein Unternehmen sich eingelassen, das sie nicht zum Ziele zu führen vermocht, und selbst der Vater erging sich in bittere Klagen wider sie , ob- wohl er sie erst zu dem Heilungsversuch gedrängt hatte. Den Jüngern widerfuhr damit dasselbe, was dem Petrus bei seinem Wandeln auf dem Meer widerfahren war: im festen, freudigen Glauben hatte er den Gang auf das Wasser gewagt, aber da er den starken Wind sah, er- schrak er und hub an zu sinken (Kap. l4,30); da hätten sie denn rufen sollen: »HErr, hilf uns-l« und in den( Glauben, der ein Nichtzweiseln ist an dem, das man nicht siehet, zwar nicht ein nochmaliges Veschwören des Teufels vornehmen sollen (das wäre ähnlich gewesen dem zweimaåifgen Schlagen des Felsen von Seiten Mosis in 4. . 20, II) , wohl aber den fiir todt da- liegenden Knaben bei der Hand ergreifen und aufrichtem wie der HErr es dann thut (Mark. I, 27). Daran denken sie nicht, sondern lassen das Widerstreben des bösen Geistes, den Schein seiner Obmacht, der im Grunde aber nur ein Zeichen seiner Niederlage ist, den Hohn der Schriftgelehrten und das Wiithen des Volkes fiel; schrecken und geben ihr Werk verloren; sie kommen- um die rechte Ruhe und Vesonnenheit, da sie den starken Wind sehen, der wider sie losstürmtz sie gerathen in eine Aufregung ihres Gemiiths hinein, welche die Kraft des Geistes, die vorher mit ihnen war, zurtickdrängtz und niißtranen ihrem Vermögen, noch ehe die Schlacht ent- schieden ist—mit einem Worte: sie lassen die Erschei- nung stch imponiren und erwecken nicht die Gabe, die in ihnen ist, sonst würde der Knabe an ihrer Hand sich empor-gerichtet haben und gesund worden sein zu der- selbigen Stunde, alles Volk würde den Namen Jefn gepriesen haben und die Schriftgelehrten hätten nicht sagen können, daß auch in diesem Namen die bösen Geister nicht weichen. So aber kommt der Knabe erst · nach und nach wieder zum Leben und trägt in seiner tiefen Erschöpfung und seiner noch andaiiernden Sprachs losigkeit alle Zeichen an sich , daß der unsanbcre Geist als Sieger auf dem Plan geblieben ist; die müssen es sich gesallen lassen, daß die Schriftgelehrten ihnen hart zusetzen mit ihrem Dispüh und können nichts dawider thun, daß von Seiten des Volks weidlich auf Jesum gescholten wird, als der die Leute betrijge und als falschen Propheten sich ausweise, und daß auch der Vater schon daran denkt, wie ein um seine Hoffnung Vetrogener mit dem Kinde wieder von dannen zu ziehen, sobald dasselbe sich nur etwas wird erholt haben von der furchtbaren Niederlage. In diesem Augenblicke tritt der HErr daher mit den ihn begleitenden drei Jüngern: ist es auch nicht ein Glanz der Verklärung selber, der auf seinem Angesichte noch liegt von dem Berge her, so ist es doch der Glanz der überhaupt ihm innewohnen- den Majesiät, « die auch sonst nach längerem Gebet-Sum- gange mit seinem himmlischen Vater in entscheidenden Augenblicken durch das Gewand der menschlichen Nie- drigkeit bei ihm hindurchbricht (Joh. is, 6), was die Menge betroffen macht, als sie ihn erblickt, ja mit Ent- setzen sie erftillt, weil das vorherige Schelten und Lästern ihr ietzt als ein Frevel an dem Heiligen Gottes zum Bewußtsein kommt, und sie sucht nun mit ehrerbietigem Entgegengehen aus ihrer Verlegenheit sich zu helfen. Der HErr beachtet die Vegrüßnng weiter nicht; dagegen nimmt er der von den Schriftgelehrten bedrängten Jitnger sich an und will mit seiner Frage: »was be- Jiinger « frage: ihr euch mit ihnen?« gleichsam sagen: ,,suchet ihr denn mich, so lasset diese geheii.« Dem Vater des Kin- des flößt die Hoheit sowohl der äußeren Erscheinung Jesu als feines Verhaltens gegen die Widersacher neuen Muth ein, daß er seine Sache nochmals bei ihm selber anbringt; Buße und Glaube fangen da schon an in seinem wie mit der Verzweifelun ringenden Herzeii stch hin- durchzuarbeitem er muß a er noch besser in die Schule der Erziehung genommen werden. 17. Jesu aber antwortete [ihm, dem nicht ohne alles Recht wider die Jünger sich beschwerenden Vater] und sprach [seinen Blick auf diese richtend und sie bis zu einem gewissen Maße dem Geschlecht ihrer Zeit znzählend, von dessen Sinn sie noch manches an sich trügen und noch nicht recht als Lichter unter ihm schienen b. Mos. 32, b; PhiL 2, 15]: O du nnglclubige nnd verkehrte Art, wie lange soll ich bei euch sein sehe es zu dem rechten Stand und Wesen mit euch kommt]? wie lange soll ich [in eurer Schwachheit nnd «Thorheit] euch dulden sehe ihr endlich einmal zum vollkommenen Alter Ephes 4, 13 herangereift und geschickt seid, von mir zu zeugen, wenn ich nun nicht sichtbar mehr da bin in der Welt Joh. 15, 27]? Btinget mir [der unter solchen Umständen ich freilich noch alles selber thun muß] ihn hierher [dn, der Vater, der du nicht umsonst deine Zuflucht sollst zu mir genommen haben, nnd ihr, die Jünger, die ihr an dem, was euer HErr ietzt thut, sollt inne werden, was auch euch möglich gewesen wäre, wenn ihr eben nicht eine ungläubige und verkehrte Art noch wäret]. 18. Und Jesus sals der Knabe mitten in den Kreis des sich zudrängenden Volks nnd der um- stehenden Schriftgelehrten vor ihn gebracht, in solcher unmittelbaren Nähe des heiligen Gottes aber als- bald von einem neuen entsetzlichen Anfall des un- sauberen Geistes heimgesucht ward, unterhielt sich jetzt ganz ruhig und ohne mit der Vefchwbrung zu eilen eine Zeit lang mit dem Vater des Knaben in der Mark. 9, 21—24 beschriebenen Weise; darnach erst, als das Volk näher heraUdrängteJ hedråuele [er] ihn sden unsauberen Geist in dem Knaben, in- dem er fprach: »Du fprachloser und tanber Geist, ich gebiete dir, daß du von ihm ausfahrest, und fahrest hinfort nicht in ihn«]; und der Teufel siviewohl er zuvor nochmals den Knaben riß, und zwar mit solcher Gewalt, daß derselbe hernach wie todt dalag] fuhr sdennoch unter diesem Paroxysmus] aus von ihm swie ihm befohlen war], -und de! Knabe [von Jesu bei der Hand ergriffen und aus seinem todesähnlichen Zustand aufgerichtet] lvatd gesund zu derselbigen Stunde [also daß alle sich entsetzten über der Herrlichkeit Gottes, die in dem Wunderwerk so sichtlich ihnen unter die Augen trat Luk. I, 43]. Mit dem Wort: ,,bringet mir ihn hieher« giebt der HErr dem Vater die Verheißung seiner gewissen Hilfe; als daher das kranke Kind vor ihn gebracht wird und »Der HErr schilt die Jünger wegen ihres Unglaubens und heilt den besessenen Knaben. 245 der unsaubere Geist in dem Kinde, der die Macht des Starken, der über ihn gekommen, sofort merkt, gleich beim Eintreten in die unmittelbare Nähe Jesu einen aber- maligen entsetzlichen Ausbruch des Uebels hervorruft, kann er, bevor er sein Helferwort spricht, ruhig diesen Ausbruch sich auswirken lassen, ohne dem Vater mehr auszulegen, als derselbe zu tragen vermag, er muß aber ein so langsames Verfahren zunächst um seiner Jün- er willen eintreten lassen aus zwiefachem Grunde. inestheils nämlich galt es, sie in Schutz zu nehmen gegen die harten Vorwürfe der Schriftgelehrten und des Volkes, womit man den gewaltsam ihnen aufgedrängten Heilungsversuch ihnen lohnete, da dieser nun mißrieth; die Umstehenden mußten die ganz besondere Schwierig- keit des vorliegenden Falles sich zum Bewußtsein brin- gen, damit sie aufhörten, die ihrem Gerichtshof gegen· über wirklich Unschuldigen zu verdammen, und so fragt der HErr den Vater des Knaben: »Wie lange ist es, daß ihm dieses widerfahren ist?« Jndem die Antwort daraus ergeht: »von Kind auf,« kommt eine außerordent- liche, den vorliegenden Fall von andern Fällen dämo- nischer Besessenheit bestimmt unterscheidende Schwierig- keit zu Tage: shier war ein selbstbewußtes Leben des Kranken, an welches sich das einfache Besehlswort über den unsaubern Geist ätte anschließen und ihm einen, die feindliche Macht tt erwältigenden Anstoß zur Gegen- wirkung gegen dieselbe geben können, noch gar nicht vorhanden; der Knabe war so frühzeitig schon einem bösen Wesen verfallen, daß sich fein menschliches Wesen noch niemals entwickelt hatte, es war vielmehr wie im Keime erstickt und erdrückt, und wer da helfen wollte, hatte nicht blos, wie in andern Fällen, ein ursprünglich gesundes Leben wiederherzustellen, er hatte ein solches gewissermaßen erst neu zu schaffen und mußte auch die- ses neue Leben unter Schutz und Schirm vor dem Argen stellen sder HErr sagt hier ausdrücklich, was er sonst nie fpricht, nicht blos: »fahre aus von ihm ,« sondern auch: ,,fahre hinfort nicht in ihn« Mark. 9 , 25).i An- derntheils galt es aber auch, den Jüngern vor die Augen zu malen, inwiefern ihr Glaube, so kühn er auch Xe- wefen, dem innersten Kern nach doch immer noch - glaube, und ihre Haltung der Macht der Finsterniß ge- genüber, bei allem Vertrauen auf die größere Macht des Sohnes Gottes, gleichwohl Verkehrtheit war; und da zeigt denn der HErr, ob der Teufel auch noch so arg wüthe und als einen starken Gewappneten fich ge- berde, der seinen Palast wohl verwahret hält, eine ma- jestiittsche Ruhe und Erhabenheih eine göttliche Sieges- gewißheit und des Endes wartende Geduld , die durch nichts sich schrecken und erschütterm aber auch durch nichts fich vorwärts drängen läßt, sondern feste und gemessene Schritte thut auf Gottes Wegen. Es ist gerade wieder so, wie damals, als er aus dem Meere wandelte (Kap. 14, 25), und in anderer Hinsicht auch gerade wieder wie damals, als er dem cananäischen Weibe gegenüberstand (Kap. 15, 21 sf.); denn als der Vater seiner Antwort eine bewegliche Schilderung der Tiefe und des Umfangs der Leiden seines Kindes hinzugefügt, um sein Mitleid zu erregen, läßt er nicht dies bloße Mitleid sich bestims men, sondern eben um dieses Vaters willen, der in Einem Odenzug die Hilfe in Anfpruch nimmt und doch den Helfer verunehrt mit seinem ,,kannst du was« tMark. 9, 22), dehnt er als ein rechter Seelsorger die Verhandlung noch weiter aus. Der Mann hat die Schilderung der Leiden seines Kindes mit der Unter- stelIung geschlossen, daß der böse Geist in demselben tiicht allein es peinige und quäle, verwtiste und zerrütte, sondern auch daraus ausgehe, es umzubringen; und das ist keine falsche Beschuldigung gewesen — indem der Teufel hernach von dem Kinde weichen muß, läßt er wenigstens in dessen todesähnlichem Zustande den Schein zurttck, als ob er dasselbe getödtet, zur Offenbarung dessen, was seine eigentliche Absicht gewesen. Der Mann giebt also dem Teufel, was ihm gebührt: er ist ein Menschenmörder von Anfang, und seine eigene Lust, wie die der ihm Untergebenen Engel ist es, umzubringen; aber den will der Mann noch immer nicht erkennen, der gekommen ist, die Werke des Teufels zu zerstören und der Menschen Seelen zu erhalten, obwohl der Glanz seiner göttlichen Maxestät ihm doch schon in die Augen geleuchtet und das Wort seiner holdseligen Lippen ihm gewisse Hilfe versprochen hat, seiner Herzensstellung — nach hat er vielmehr in Jesu es mit einem bloßen Exorcisten zu thun, dessen Kunst man bewundern muß, wenn sein Werk gelingt. Wir verstehen da, daß der HErr in der Lage war, erst aus dem Herzen des Vaters einen unsauberen Geist zu bannen, ehe er den sprachlosen und tauben Geist aus dem physischen Leben des Kindes vertriebe, und werden seiner Zeit diese Seelenkur näher betrachten (Mark. 9, 23 s.); als sie dann in tiberraschend glücklicher Weise gelungen, also daß auch das nmstehende Volk einen Segen von derselben davongetragen und mit seinem Herandrängen zu erkennen giebt, daß jetzt die rechte Stunde da, wider den Dämon im Kinde einzu- schreiten, erfolgt dessen Heilung in solchem Umfange, daß nicht blos eine Teuselaustreibuug, sondern auch eine Art von Todtenauferweckung sich begiebt (denn ohne die aufrichtende Hand des HErrn würde das Kind, nachdem der Teufel aus ihm gefahren, doch nicht aus seinem todesähnlichen Zustande erwacht, sondern dem Tode wirklich verfallen fein) und das begleitende Wunder den Schriftgelehrten in dieser Gegend nicht gestattet, in die Fußtapsen ihrer Collegen drüben jenfeit des Meeres zu treten und auch in Beziehung auf dieses letzte unter den beiden Wundern an Besessenen zu sa en: ,,er treibet die Teufel aus durch Veelzebub, den O ersten der Teu- fel.« Es ist überhaupt das letzte Zeichen, was Jesus vor seinem Aufbruch aus Galiläa (Kap.19, 1) öffentlich gethan; der Vater hat da das Kleid seiner Unschuld und Gerechtigkeit rein gewaschen von allem Schmutz ,- womit die Bosheit es hat bewersen wollen, und es bleibt den Augen- und Ohrenzeugen nur das Eine, sich zu entfetzen über alle der Herrlichkeit Gottes. 19. Da sals er nun heim Mark. I, 28., d. i. in das Haus kam, woselbst er in jener Gegend Herberge genommen] traten zu ihm seine Junger besonders sweil sie eine Frage auf dem Herzen hatten, deren Besprechung sich nicht für die Oeffent- lichkeit eignen] und sprachen: Warum konnten wir sdeine Jünger, denen du ja Macht gegeben über die unsauberen Geister] ihn [den unsauberen Geist in dem Kinde] nicht austreiben fliegt die Schuld an unsrer Vollmacht, daß diese nicht eine unbe- schränkte sein soll, oder liegt sie an uns, daß wir die Sache nicht in der rechten Weise angefaßt haben]? Forscht man heutzutageauch wohl, warum man so wenig in seinem Amt ausrichten kann, woran es liege? Ach, man ist zufrieden, wenn man nur seine Horen ge- sungen und sein Geld dafür einziehen kann; man begehrt den Geist nicht auszutreiben, mit dem man überein- stimmt, sonst müßte man mit fich selber uneins werden — ja, wie Manche würden nicht selber müssen ausge- trieben werden als Geister, die nicht aus Gott sind! (Starke.) 20. Jesus aber ssosort nur die zweite Ursach 246 Evangelium Matthäi 17, 21—24. als die allein in Betracht kommende gelten lassend] antwortete und sprach zu ihnen: Um eures Un- glanbeus willen [konntet ihr ihn nicht austreiben, wie ich auch das mit meinem Strafwort V. 17 euch schon angedeutet habe]. Denn [was die erste Ursach, eure Vollmacht betrifft, so ist diese über- haupt für alles, was zur Verstörung der Befesti- gungen 2. Cor. 10, 4 noth thut, niemals eine beschränkte] ich sage [vielmehr, was in Beziehung auf’s Erlangen der göttlichen Heilswohlthaten ich vorhin dem Vater des Kindes gesagt Mark.9, 23., fest] euch [in Beziehung aufs Ausrichten der gött- lichen Heilswerke]: Wahrlich, so ihr Glauben habt als ein Senftoru [wahren, wirklichen Glauben, der nicht etwa bei allem äußeren Schein der Größe und Stärke dennoch seinem innersten Wesen nach Unglaube ist, wäre er gleich nach außen hin ein unscheinbarer oder erst beginnender, noch im Keim eingeschlossener Glaube], so möget ihr ffalls einmal es wirklich darauf ankäme, im buchstäblichen Sinne Berge zu versetzen, wie man in sprichwörtlicher Redensart sich auszudrücken pflegt Hiob s, 5] sagen zu diesem Berge sder an der Stelle, wo er sich gerade befindet, euch im Wege sieht]: Heb’ dich [daß ich eine freie Bahn gewinne] von hinnen dorthin, so wird er sdem Befehle alsbald auch ge- horchend] steh heben, nnd euch wird [auch sonst, es sei, was es sei, das ihr thun wollt] nichts nn- möglich sein [denn im Glauben, sofern ihr ihn wirklich habt — nicht blos im Allgemeinen be- fitzet, sondern ihn auch stets bereit habt und fest- haltet für den Augenblick, wo es gilt, ihn zu brauchen und zu beweisen ——- wandelt ihr allemal Gottes Weg, und da geht nun Gott auch euren Steg und steht mit feiner Allmacht euch zu Dienst]. 21. Aber [solchen Glauben, wie ich meine, habt ihr vorhin gerade in dem entscheidenden Augenblicke fahren und euch schrecken lassen von des Teufels Gespenst, womit er euch einreden wollte, es sei unmöglich, ihn zu bannen; ihr habt euch das auch einreden lassen, und das ist der Un- glaube, dessen .ich euch bezichtigen muß. Da merkt euch denn:] diese Art [von unsauberen Geistern, die sich einmal so tief festgesetzt und alles an einem Menschen in Besitz genommen haben, wie es bei jenem Knaben der Fall war] sähret nicht ans [ohne zuvor einen großen Spektakel zu erheben und alle Gegenwehr zu versuchen; da gilt es denn, daß ihr haltet, was ihr habt, und eure Krone euch nicht nehmen laßt, daß ihr stehet im Glauben und männlich und stark seid; das aber seid ihr nicht anders im Stande] , denn durch Beten und Fasten [euer ständiges Leben muß ein Leben im Beten und Fasten sein, wie ihr es an mir selber wahrnehmt — im Beten habt ihr euch mit Gott geeinigt und im Fasten habt ihr euch gegen die Welt abgeschlossen: da hat der Teufel keinen An- knüpfungspunkh euch zu irritiren, wohl aber hat Gott freien Zugang, seine Macht euch beizulegen) Eigentlich fällt jeder Unterfchied weg zwischen wenig und viel, großem und kleinem Glauben: das geringste Maß wirklicher, lebendiger Glaubensmachn von keinem Unglauben und Zweifel im Augenblick gestört, reicht ebenso hin, die größten Dinge zu wirken, wie ein wirkliches brennendes Fünklein einen ganzen Wald an- zlindet; denn Glaube bleibt Glaube, Unglaube bleibt Unglaube — entweder oder! Der HErr legt die All- macht Gottes in unsre Glaubenshand und sagt, daß der Glaube, weil er die Allmacht faßt, in derselben Wunder wirken kann. (Stier.i Dem Glauben kann es nicht darum zu thun sein, im buchstäblichen Sinne Berge der Erde zu versehen; wenn es ihm aber darum zu thun sein könnte und müßte, so würde er wirklich Berge ver- setzen können, denn der Glaube ist ein Eins-werden und Zufammenfchließen des Herzens mit der Allmacht Gottes. Das kleinste feinste Samenkorn dieses Wirkens in Gott kann die außerordentlichften Wirkungen hervorbrin en, und alles fchlechthin muß ihm möglich sein, weil ott alles möglich ist; daher ist aber auch der Glaube nicht von menschlicher Willktir abhän ig, nicht eigenwillig, wie menschliche Schwärmerei. D. Lange) Läßt uns die Verklärungsgefchichte einen Blick thun in das Wohl- gefallen des Vaters an dem Sohne, in die Ehrerbietung, womit die Bewohner der unsichtbaren Welt seinen irdi- schen Lauf begleiteten, über ihre Kunde von den irdischen Dingen, in das Reifsein Jefu zum unmittelbaren Ein- gang in die Ewigkeit, so da egen fein hier gesprochenes Wort: »diese Art fährt ni t aus, denn durch Beten und Fasten« einen Blick in die sittliche Arbeit, die sein Beruf von ihm gefordert hat; denn das natürliche Ver- ftändniß des Wortes ist, daß nicht etwa blos für die Jiinger, vielmehr auch für den Meister der Sieg nur durch die gewaltigste Concentration der Seele zum Bit- ten um Gottes Kraft, und diese Concentration nur durch tiefste Sammlung der Seele zu gewinnen war. (Geß.) Der Mensch muß seine Flügel schlagen, wenn er im Glauben Wunder thun will: er muß fich betend zusam- menschließen mit dem Willen Gottes und fich in dem- selben Maße fastend losringen von der Welt, dann kann er, frei in Gott der Welt gegenübergestellt, die Berge in der Welt versehen; je größer aber das Uebel iß, das er bezwingen soll, desto größer muß seine Uebung in diesen beiden Stücken, also im Leben des Glaubens fein. Möglicher Weise hätten die Iünger vielleicht ein kleine- res dämonifches Leiden mit ihrem schwach gewordenen Glauben, den sie durch Beten und Fasten in der Zeit ihrer Anfechtung nicht gehörig genährt hatten, bezwingen können; allein wenn sie diese Art des dämonischen Lei- dens, diese furchtbare Gebundenheit eines Menschen, der allen verstörenden Einflüssen von Kind auf preisgegeben, bezwingen wollten, dazu hätten sie durch einen Glauben, welcher in der lebendigsten Energie, in der vollen Span- nung und Bewegung zwischen seinen zwei Lebenspolety Beten und Fasten begriffen war, gerüstet sein miissen. (P.Lange.) Das ist die Niichternheit des Jüngers Jesu, daß er sich durch die ihm entgegentretenden Erscheinun- gen nicht befangen und berauschen läßt: sobald er fich darauf besinnt, wer er ist und was er hat, so hören sie auf, ihm zu imponiren. »Was der Dämon auch thue, wie er sich immer geberde, wie grauenerregend er srch äußere« — so weist der HErr seine Jünger an —- ,,stehet nur im Glauben, bewahret denselben in Nüch- ternheit (1. Petri 4, 8; 5, 8), und nichts wird euch unmöglich sein.« (Steinmeyer.) Anstatt des starken alle- zeit bereiten Glaubens aber, dem auch die ärgere Art Wiederholte Verkündigung des HErrn von feinem bevorstehenden Leiden und Auferstehen. von Teufeln weichen muß (das ,,Ausfahren« scheint auf iirgere und stärkere Teufel u deuten, die fchwerer aus- zutreiben sind), nennt er se r bedeutsam das Beten und gelten; er gehet damit noch einen Schriit tiefer in die ache ein und giebt ungefragt auch Antwort auf die zweite Frage, welche die Jünger thun sollten: warum hatten wir denn unsern Glauben nicht, sondern Un- glaubeiist Ihr habt den Glauben nicht genug bewahrt, geübt; dies gefchiehet durch Beten. Wer im Gebete lebt, lebt im Glauben; und wenn wir betend erfunden werden bei irgend einer Aufgabe, dann wird sich auch erweisen, wieviel das ernstliche Gebet unsres Glaubens vermag. Zum Beten hilft endlich das Fasten, die Nüchternheit und Miißigkeit des leiblichen Lebens, deren Gegentheil das Fleisch nur stärken kann wider den Geist; das Wort mag aber dann allgemeiner gelten für die Abkehr von Welt und Natur, welche der Zukehr zus Gott helfen soll. (Stier.) 22. Da fie aber [nachdem sie die Gegend oberhalb Cäfarea Philippi, vielleicht um den See Merom sich herumwendend Karte V» wieder ver- lassen] ihr Wesen hatten in Galilcia shier sich um: her bewegten oder wandelten], sprach Jesus zu ihnen [wohl mit Beziehung auf das Wort in V. 17: ,,wie lange foll ich bei euch sein? wie lange foll ich euch dulden?«]: Es ist znkünftig lsteht in nicht gar langer Zeit bevor], daß des Menschen Sohn iiberantwortet werde in der Meu- fchen Hände sfpäter werde ich mich darüber, welche Menschen das sind, noch deutlicher erklären Kap. 20, 18 f.]; 23. Und sie werden swie ich schon bei Cä- farea euch gesagt Kap. 16, 211 ihn Wien, nnd am dritten Tage wird er aufersteheu sfasset denn diese meine Rede zu euren Ohren Luk. 9, 44 und lasset sie nicht unbeachtet an euch vorübergehen]. Und sie [obgleich sie das, was er von seinem Tode sagte, nicht als möglich sich denken konnten, wagten doch nicht um näheren Aufschluß zu bitten, sondern nahmen ihre Vernunft gefangen unter den Gehor- sam des Glaubens und] wurden seht betrübt [bis sie dann an dem, was der HErr zugleich von fei- ner Auserstehung am dritten Tage geredet, sich wieder aufrichteten, der baldigen Herstellung feines Reiches sich getrösteten und nun sogar in einen Nangstreit unter einander geriethen Kap. 18, 1]. IV« V. 24-27. (§. sit) Jlla der tjGrr nach langer Jlbwesenheit oon Kaperuanm dahin seht wieder zukäm- lioniint, sieht ihm die neue Gemeinde, die er inzwischen zu einer eigenen, von der jädisrljen lilolliggemeiude ab- gezweigten Genossensihaft zu feiner Gemeinde erhoben hat, schon gan; lebendig in ihrer künftigen Lin-grünl- tung nor der Seele; ee bietet sich ihm nun auch sofort Veranlassung, diese feine Gemeinde alo riue freie, non der alten Tempelgemeinde innerlich ausgeschieden: zu behaupten nnd doch für die Jeit der erst allmälig er— folgenden äußeren Ausscheidung am; jener als freiwillig ihr dienstbar und mit dem durch Gottes Schiitinng Zu— grfalieneu auch ziusbar zu charakterisiren. Die veran- lassung, wie unser Text fie uns verführt, ist die Mah- nung an Entrichtung der Temnrlsieuer von Seiten der indischen Steuererheben der Jlponei aber, der Iefu lluterriiht empfängt, ist Petrus, dieser erste Stein iui Zau der neuen Gemeinde; in setreff des Fisches, der feinem Jlngelhalien zugeführt wird, um ihiu deu Betrag der Steuer für ihn selber und deu Meiner zu besonnen, bleibt es sich gleikh, ob wir ein Wunder des sewirtieuo von Seiten Iefu darin erbliaieu oder ein Wunder feines illorherwissciim 24. Da fie nun [nach Beendigung ihres Marsches durch den nordöstlichen Theil von Galiläa V. 22, auf welchem sie alle Hauptorte vermieden und Nebenwege oder Feldpfade benutzten, um mit den Leuten nicht in Berührung zu kommen Mark. g, so] gen Kapernaum kamen sdas fie vor 5.—6 Monaten verlassen hatten Kap. 15, 21], gingen [bald nachdem ihre Rückkunft bekannt geworden] zu Petro sals er draußen auf der Straße sich sehen ließ, während Jesus daheim im Haufe sich befaud], die den Zinsgrofchen einnahmen [die Erheber der fährlich an den Tempel zu entrichtenden Steuer 2. Mos. 30, 15 Anm.], und sprachen [indem sie ihn selber an die Entrichtung der Steuer erin- nerten, gleichwie· wohl schon die übrigen Jünger dazu angehalten worden waren]: Pflegt euer Meister nicht den Zinsgrofcheu [nach dem Grund- text: die Doppeldrachme, gleich allen andern JsraeIiteiiJ zu geben? [Er hat das ja in früheren Jahren gethan; daher es wohl nur aus Zufall, nicht auf Absicht beruht, wenn er m diesem Jahr damit im Rückstand geblieben] Der liebersetzung Luther’s mit ,,Zinsgroscheii« liegt die Voraussetzung zu Grunde, daß es sich um eine an die weltliche Obrigkeit zu entrichtende Steuer handle, und von dieser Voraussetzung aus erklärt dann Luther auch wirklich den gan en Text, als sollte hier gezeigt werden, warum ein Christ der weltlichen und unheiligen (römischen) Obrigkeit gehorchen foll: ,,näinlich man soll die Obrigkeit ehren, auf daß fie nicht geärgert werden, d. i. damit sie nicht die Christen (obwohl diese Könige und Königs Kinder sind und man eigentlich gar kein Recht hat, Zins von ihnen zu fordern, ihn vielmehr an sie zahlen sollte) Ausruhrs beschuldigen können als solche, die der Gewalt nicht unterthan, sondern ein neues bürgerliches Reich aufrichten wollen.« In neuerer Zeit hat Wieseler dieselbe Ansicht wiederholt mit großem Nachdruck verfochten; wenn indessen seine Beweisführung für den Augenblick viel Bestechliches hat, daß man ihm beipflichten zu müssen meint, so dürfte doch (abgesehen davon, daß stch nicht recht einsehen läßt, wie bei einer weltlichen Steuer erst noch hätte gefragt werden können, ob Jesus zahlen werde oder nicht, und eine Bezugnahme auf den falfchen Nessus: Judas den Galrläer Apoftg. 5, 37, wie man sie hat annehmen wollen, ganz außer dem Gesichtskreis damaliger Zeit liegt) fiir die alleinige Richtigkeit der andern Auffassung, nach welcher wir oben den Text erklärt haben und wie fie selber in unsrer deutfchen Bibel derjenigen Luther’s durch Beifügung der Citate: 2. Wes. 30, 13 u. 2. Ehron. 24, 6 gegenüber- gestellt wird, der in V. 27 gebrauchte Ausdruck: ,,gieb ihn für mich und dich« insofern entscheidend sein, als dieses für (griech. ais-et) deutlich genug auf die ursprüng- liche Bestimmung der Tempelsteuey ein Siihngeld zu sein für den, der fie entrichtet (2. Mos. 30, 12 u. 15), anspielt. Sie betrug nach der Bestimmung des Gesetzes ,,einen halben Seckel, nach dem Seckel des Heilig· thunis,« d. i. Bis, Gr., und wurde zur Zeit Jefu, wie 247 «· 248 Evangelium Matthäi 17, 25—-27. aus Jofephus (b. Jud. YIL S. H) erhellt, in 2 Drach- men entrichteh was damit übereinstimniy daß Josesphus anderwärts Grab. III, 8. 2) den ganzen Seele! sei- nem Werthe nach zu 4 attischen Drachmen rechnet; letzi teren entspricht der in V. 27 erwähnte Stater, das gangbarste attische Silberttüch das zwar um ein Be- deutendes das Gewicht des heiligen Seckels überstieg fwir haben zu 2.Mos. 3l), 13 seinen Werth zu I Ihrr. angegeben), aber dieser Mehrbetrag deckte allem Anscheiii nach das Aufgeld, welches bei der Einwechselung gegen den Seele! des Heiligthums noch zugezahlt werden mußte. Nach dem Talmud wurde die Abgabe in sTers minen, von den einheimischen Juden· einige Wochen vor Ostern, von den uinwohiienden zu Pfingsten und von den auswärtigen zu Laubhütten gezahlt. Schon am ersten Tage des Monats Adar (im J. 29 n. Chr. auf den 6. März fallend) wurde im Lande ausgerufen, daß sie fälli sei, und geleistet wurde sie dann zwischen dem 15. u. Z. desselben Monats (20.—30. März). Aus unsrer Chronologie aus S. 134 ergiebt sich, daß die Jiinger damals gerade von Jesu ausgeseiidet waren und er selber sich während ihrer Abwesenheit nicht in Ka- pernaum, seinem eigeatlichen Wohnorte (Kap. 9, 1), wo er steuerpflichtig war, befand (§. 42 u. 43); als er dann am 17. April mit den zurückkehrenden Jüngern wieder daselbst zusammentraf, wich er auf die Kunde von des Täufers Hinrichtung und von des Herodes Absichten alsbald von dannen (§. 47) , und auch nach der Wie- derkehr von der Speisung der Fünftausend blieb er nur den 1. Ostertag dort, indem er schon am andern Tage sich auf die Wanderung durch das Land Genezareth be· gab (§. 48-5I); sein fernere: Aufenthalt in Kapernaum ist ebenfalls nur ein schnell vorüber ehender gewesen (§. 53 u. 54), und nach der Rückkehr aus Nazareth ward· er ganz von dort verdrängt (§. 56), so daß er hernach in 5——6 Monaten nicht wieder dahin gekommen « (§. 57—65). Somit haben die Steuerheber, die sonst, wenn einer bis zum 25.Adar nicht gezahlt hatte, sogar zur Auspfändung schritten, in dieser ganzen Zeit keine Gelegenheit gefunden, die Abgabe von Jesu und den Jüngern beizutreiben, und kdnnen erst jetzt, wo mit Ende September der äußerste Terniin zur Zahlung wegen der Nähe des Laubhiittensestes herbeigekommem die Gelegenheit wahrnehmen; daß es sich um eine nach- trä liche Beitreibung, nicht um eine rechtzeitige Zah un handelt, geht aus dem Wortlaut ihrer Frage von sel er hervor. Wie aber kam es, daß der HErr, nachdem er in den Jahren 27 u. 28 die Tempelsteuer ohne Verzug geleistet hat, wie aus der Antwort des Petrus im folgenden Verse sofort sich herausstellt, im J. 29 die Sache anstehen ließ und sich gar nicht darum bekiimmerte? Osfenbar betrachtete er sich und seine Jttnger, seit er in der Bergpredigt das Bundesgesetz des neuen Testaments erlassen (§. 40), rechtlich als aus- es chieden aus dem Gemeindeverbande der alten 3Jheokratie, und besonders mit Beginn der auf die halb- jährigeStille von Ende September 28 bis Ende März 29 folgenden Periode seiner Wirksamkeit war fein und feines Apostelkreifes Verhältniß zu dem jiidischen Tempel gelöst; er besuchte weder das Osier- noch das Pfingst- sest des J. 29, sondern bereitete die Gründung des neuen Tempels, von dem er schon zu Ostern 27 den Juden geweissagt (Joh. L, 19 ff.), vor — wie hätte er da sich herbeilassen können zii einer Abgabe, die zur Er- haltun des jitdifchen Tempels und zur Beschaffung der altte amentlichen Cultiisbedürfnisse bestimmt war? wie hätte er’s nicht vielmehr die Juden sollen merken lassen, daß es mit ihrem ganzen Religioiiswesem für das sie in ihrer Verblendung sich so ei·eiferten, nun zu Ende gehe und an die Stelle des Judeiithuuis hinfort das Christenthum trete? Sie müssen auch etwas von seiner eigentlichen Meinung mit dem Rückstand in dem er geblieben, gemerkt haben, sie müssen sein Verhalten sich dahin erklart haben, daß er sich für den Messias Jsraelsbekenne und als solcher das Recht der Steuer« sreiheirin Anspruch» nehme; darum gehen die Steuer- heber nicht ohne Weiteres wider ihn» vor, sondern frzgen vorsichtig bei Petrus an, ob sie seinen und seiner it- ilinger Meistenebenfalls zur Steuerzahlung anhalten dürften oder einen abschlägigen Bescheid von ihm ge- wärtigen müßten. Petrus wußte nichts von der Ab« ichtlichkeit des HErrn bei dem Rückständigbleibem ilr ihn war dasselbe nur ein zufälliges, »durch die iußeren Umßande·herbeigeftihrtes, und er antwortete daher· auf die an ihn gerichtete Frage ganz unbefangen iutit einem »Ja«. Es war das auch ganz gut, daß er so antworten konnte, und der HErr hatte gewiß mit allem Vorbedacht bisher noch keine Aeußerung gethan, die solche Unbefangenheit vorher hinweggenouimen hätte; aber nachdem sie ihre Dienste gethan, mußte an ihre Stelle etwas anderes gesetzt werden, nämlich eine be· stimmte Weisung für die Stellung, welche die aus Israel zti sammelnde Christengemeinde zum jüdischen Tempel irnd Gottesdienst einzunehmen hätte bis zu der Zeit, wo mit beidem von Oben her aufgeräumt werden würde. Hiermit haben wir uns den Weg zum Ver- ständniß für das Folgende gebahnt und ahnen auch, welches besondere Jnteresse St. Matthäus nach der ganzen Absicht seines Evangelii an der Geschichte ge- nommen, daß er sie in dasselbe aufgenommen; auf hei- denchristlsiche Gemeinden hatte sie keinen näheren Bezug, daher sie von den beiden anderen Synoptikern (Markiis und Lukas) übergangen wird. 25.· Er sPetrusj sprach: Ja [unser Meister pflegt die Steuer zu zahlen, und werde ich ihu setzt gleich daran erinnern]. Und als et heim [nach Hauses· kaiu [denn der HErr wohnte ja in Kapernaum in seiner Behausung Kap. 8, 15 Anm.], kam ihm Jesus [wohl wissend, was draußen zwischen ihm und den Steuererhebern verhandelt worden war, noch ehe er etwas davon sagte Joh. I, 48; 2, 24 f.] zuvor nnd sprach [indem er nach seiner Weise, bei gleichnißartigen Unterweisungen durch Frage und Antwort das Verständniß nahe zu legen Mark. 8, 19 s.; Luk. 7, 42., auch hier· ein Examen mit dem Jüttger cmstellteL Was dankt dich, Simon? Von wem nehmen die Könige aus Erden den Zoll [die Abgabe von Sachen] oder Zinse [die Abgabe von Personen oder die Kopfsteuerp Von ihren Kin- dern [den Gliedern ihres königlichen HausesL oder von den Fremden [die nicht zu ihrem Hause ge- hören, d. i. von ihren Uiiterthanen]? 26. Da sprach zu ihm Petrus kder in einer so selbstoerstäiidlichen Angelegenheit sich nicht erst auf die richtige Antwort zu besinnen brauchte, son- dern sofort damit zur Hand war]: Von den Fremden svon denen, für die sie blos Herrscher, nicht aber Hausoäter sind]. Jesus snachdem dek- jenige Punkt, auf den er seine Frage zunächst ge- richtet hatte, an's Licht gestellt war, nun eine dar- aus sich ergebende Folge ableitend, auf die es ihm ebezifalls ankam] sprach zu ihm: So sind die Kinde: frei [und gemäß dieser im weltlichen Leben gelten- Zahlung des Zinsgroschens an die iüdischen Steuererheber. 249 den Regel Kap 20, 25 wären denn auch die Kinder in dem Hause Gottes frei von dem Zins- groschen an das Haus Gottes]. 27. Auf daß aber wir sie sdie den Zins: groschen uns abverlangenj nicht ärgern [mit Gel- tendmachung einer Freiheit, für die fie ja doch kein Berständniß haben, sondern die sie nur als gottlose Verachtung des Tempels ansehen und sich gegen uns entrüsten würden], so gehe hin an das Meer sden See Genezareth] und witf den Angel [bei Luther nur in der Bedeutung »Thürangel« weib- lichen, als ,,Fischangel« aber männlichen Geschlechts] aus, und den ersten Fisch, der herauf fahrt saus der Tiefe], den nimm sziehe ihn mit der Angel- schnur an’s Land — gleich der erste, der da an- heißt, wird der rechte sein]; und wenn du feinen Mund anfihuft [ihn vom Angel zu lösen], wirft du fdarins einen Stntet [ein Vierdrachmenstückj finden; denselben nimm [als eine für den bestimmten Zweck dir zugewendete GotteSgabeJ und gieb ihn [den Steuererhebern als Lösung] für mich nnd dich sowohl du eigentlich nicht mehr ein zu Lösender bist, so wenig als Jch es überhaupt bin Joh. 8, 36]. Wir können weder die Meinung der Ausleger thei- len, daß Petrus mit seinem »Ja« den Steuererhebern eine voreilige, unilberlegte Antwort gegeben, noch die, daß der HCrr unter den ,,Kindern« ei entlich nur sich selber meine, so daß er als der So n Gottes die Freiheit von der Abgabe an den Tempel Gottes in Au- spruch nehme; letzteres ist ein schiefer Gedanke (aller Ansprüche auf Befreiung von den Verpflichtungen und Leistungen der Glieder des jüdischen Gemeindeverbandes, die Je us auf Grund seiner Gottessohnschaft hätte er- heben jinnen, hatte er mit Annahme der Beschneidung schon von Haus aus nnd darnach mit Annahme der Taufe noch ausdrücklich sich begeben) und widerlegt sich i von selber dadurch, daß der HErr ja nicht von dem Sohne, sondern von Söhnen oder Kindem überhaupt redet und in dem mir (,,auf daß wir sie nicht ärgern«) sich mit dem Petrus zur Hausgenossenschaft Gottes zu- sammenschließt, mit der so gewonnenen Einsicht aber, daß es sich bei der behaupteten Steuerfreiheit nicht um Christi Gottessohnschaft, sondern um Gottes Hausge- nossenschaft handelt, kommt auch in Beziehung auf den ersteren Punkt die Erkenntnis; daß Petrus mit seinem »Ja« anz gerechtfertigt dasteht und den Steuererhebern ar niäst anders antworten konnte, als er geantwortet gut. Er constatirt nur die Thatsache, daß sein Meister in den früheren Jahren die Steuer gezahlt hat; einer Berichtigung bedarf es nur in sofern, als er das Weiter- zahlen für selbstverständlich und das unterbleiben der Zahlung in diesem Jahre für ein zufälliges, durch die Umstände herbeigeführtes hält, so aber mußte er die Sache ansehen, so lange er noch nicht in Jesu Absicht und Meinung eingeweihet war. Viel leichter kommt man zum Verständniß der eigentlichen Spitze, auf die der HErr hinaus will, wenn man von den Kindern, die da frei sind, einstweilen absieht, und dagegen die Fremden in’s Auge faßt, welche die Zahlung leisten müssen, wie denn auch Jesus seine Frage an Petrus so einrichtet, daß die Zahlungspflichtigkeit der Fremden in den Vordergrund tritt und die Steuerfreiheit der Kinder erst als selbstverständliche Folge hinzukommt; und da ergiebt sich denn folgender Gedankengang. Damit, daß Gott, der König des alttestamentlichen Bundesvolks, alle einzelnen Glieder dieses Volks einer Steuer unter- worfen, hat er ausdrücklich sie noch für Fremde erklärt, sich zu ihnen in das Verhiiltniß eines Herrschers, nicht aber eines Hausvaters gestellt; und die ursprüng- liche Bestimmung der Steuer, eine Versöhnung sei- ner Seele zu sein für den, der sie zahlt, giebt auch den Grund an, warum es in der alttestamentlichen Theokratie noch nicht anders sein konnte: es fehlt eben noch das rechte Lösegeld (Kap. 20, 28), mit dessen Er« legung dann die Erlegung des halben Seckels an den Tempel seine eigentliche Bedeutung verliert. Mit dem Beginn seiner Wirksamkeit im J. 29 (vgl. §. 42 ff. auf S. 134) macht der HErr sich daran, dieses Lösegeld mit Darbringiing seines eigenen Lebens zu erlegen, und wenn es auch noch über ein volles Jahr dauert, ehe» die Darbringung wirklich erfolgt, so ist doch diexenige Periode nun ein etreten, wo dieselbe sich vorbereitet und alles auf sie Zinzieltz gerade Petrus aber, der bei der Lei- densverkündigunlg in Katz. 16, 21 gesagt hat: »HErr, schone deiner sel st, das widerfahre dir nur nicht«, muß beizeiten, weil-auf ihn die neue Gemeinde gebaut wer- den soll, wenigstens ahnen lernen, was für ein Unter- schied seis zwischen dem alten und dem neuen Bunde (vgl. Gal. 4, 21 ff) und daß Christi Leiden und Sterben eben das Mittel ist zur Loskaufung von der Gefangen- schaft unter die» äußerlichen Satzungem das Lösegeld zur Erwerbung der Freiheit der Kinder Gottes (1. Petri l, 18 f.; 2, 24). Zugleich muß er aus des Meisters eige- nem Munde eine Unterweisung empfangen, wie die neue Gemeinde sich zum Tempel und Gottesdienft des alten Bundesoolks zu stellen habe. An und für sich hat die christliche Gemeinde nichts mehr von diesem Tempel und Gottesdienft zu erwarten und bei ihm zu suchen: was soll ihr noch der vorbildliche Opferdienft mit der Ochsen und der Böcke Blut, der ja doch nicht vollkom- men machen kann nach dem Gewissen den, der da Got- tesdienst thut, während sie Christi Blut hat, welches das Gewissen reiniget von den todten Werken, zu dienen dein lebendigen Gott (Hebr. 9)? Sie könnte ihrerseits sich lossagen von dem Tempel und der Steuer an denselben, ste ist frei; und das schickt der HCrr auch, indem er des Petrus Antwort durch eigene Schlußfolgerung weiter führt, ausdrücklich voraus. Aber es kommt eine Rück· sicht hier in Betracht, auf diejenigen nämlich, die noch gefangen find unter den äußerlichen Satzungen, noch ge- unden an den Tempel und Opferdienst: diese dürfen nicht eärgert werden, sondern Petrus muß mehr noch, als seiner christlichen reiheit, seines Berufes zu einein Menschenfischer ( up. 4, 19)· eingedenk sein; es würde sofort die evangelische Heilspredigt in Jsrael alle Anziehungskraft verlieren, es würden die für das alte Heiligthuni noch eingenommeneu Herzen sich völlig gegen die Predigt von Christo verschließew wenn Christus ihnen mit einem Schein des Rechts als ein Verstörer dieses Heiligthums vorkommen müßte. An diesen seinen apostolifehen Beruf, dessen erfolgreiche Wirksamkeit vor allen Dingen gewahrt bleiben muß, erinnert ihn die Art, wie er das Vierdrachmenstück herbeischasfen soll; daß er aber mit der Zahlung der Tempelsteuer vermöge des im Fischmaul vorgefundenen Staters seine christlidse Freiheit vom jüdischen Tempel und Gottesdienst nicht daran giebt, sondern sie nur im Jnteresse der noch zu Bekehrenden zurückstelly dafür bürgt ihm gleichfalls diese Art der Aufbringung des Betrags. Aus der gemein- samen Kasse Jesu und der Jünger hätte der Betrag nicht erlegt werden dürfen, er wäre da von dem Cigenen genommen und hätte nach dem zu 1. Chr. 22, 24 Be. merkten der Steuer den Charakter eines Opfers, eines Sühngeldes für die eigene Seele ausgedrückt, den sie 250 Evangelium Matthäi 18, 1—4. eben nicht mehr haben durfte; indem es aber ein Geld· ftück ist, das Einer aus der jüdifchen Volksgemeinde am Ufer des See’s verloren und der Fifch aufgeschnappt hat, um bei der Lösung von der Angel es aus dem Banche nach dem Munde zu stoßen, ist er von dem Be- sitz derer genommen, in derer Dienst er gezahlt wird, und bei aller Anbequemung im Jnteresse apoftolischer Weisheit dennoch die christliche Freiheit vollständig ge- wahrt. So beruht es also auf einer thatfächlichen Wil- lenserklärnng des HErrm die er in diesen wunderbaren, von dem Unverstand oft genug schon für sinn- und zwecklos erklärten, in Wahrheit aber der sinnbildlichen Lehrweife des HErrn ganz entsprechenden Vorgang ein- gekleidet hat, wenn heruach die Chriftengemeinde zu Jerusalem sich nicht von dem alttestamentlichen Heilig- thum losgerisseu und eine eigene Kirche gegründet hat, vielmehr m: Zusammenhange mit der jüdischen Volks- gemeinde und ihrem Gottesdienst geblieben ist, bis jene gewaltsam sie ausstieß; es hatte das freilich auch seine großen Gefahren, wie wir bei Betrachtung der Apostel- gefchichte sehen werden, doch hat der Brief an die Hebräer seiner Zeit das Seinige gethan, diese Gefahren zu über- winden. Wir fchließen mit einem Wort von P. Lange, dessen Anwendung auf die Behandlungsweise unsrer Ge- schichte wir bei ihm selber vermißt ha en, das aber nach den hier vorliegenden Auseinandersetzungen nun klar und deutlich sein wird: »Der Umstand, daß der Evan- gelist die Ausführung der Weisung nicht berichtet, kann die Annahme, daß der Erfolg der Weisung entfprochen habe, nicht im Mindeften schwachen, sie beweist nur, daß es dem Evangelisten vorzugsweise um den geistigen Sinn dieser Geschichte zu thun war, nicht um ihren äußeren Verlauf; der geistige Sinn aber ist die typische Normirung des Verhältnisses zwischen der freien evan- gelischen Gemeinschaft und der gesetzlichsfymbolischen Gemeinde in der Periode des allmäligeu Ausgangs der einen von der andern« Das 18. Kapitel. Von Hemmnis, gemalt der Schlüsse( und brüderlicher Versöhnung. V. v.1——20. (§. 67.) Die Sänger hatten auf dem Wege gestrittem user bei der Jlnfrichtung von Sesn Reich die hdshste Stellung in demselben empfangen werde, und dieser Streit mußte nach dem, was bei der dtfimliehr nach Kaperuaum laut dem Inhalt des vorigen Jtbschnitts vorgefalleu war, nunmehr zum Austrag kommen. Der Akte, als dte Sänger selber seine Gntscheidnng anzu- rufen im Begriff stehen W. 1), bringt znvörderst durch eine zuoorlkommende Frage ihnen zum Bewußtsein, daß er ihre Gedanken von ferne verstehe nnd um alle ihre Wege wisse, und benutzt hierauf ihr Jlnliegen in drei— suche: Richtung: l) dem tjochmnth, ans welchem der Streit hervorgegangen, stellt er, ein Kind herbeirnfend, gegenüber den Kindesfcun nnd die demäthige Fürsorge für die Kleinen W. 2—5); L) sowohl das 2lergerniß, welches mit dem Streite gegeben war, als der voraus— blim auf alle die Jlergeruissh welche anf solche Kinder warten, veranlaßt ihn zu einer Warnung vor dem Kergernißgeben und zu einer Mahnung, aus sich selber die Jtergernisse auszurotten und den von der Welt ans- geheuden Jlergernissen da, wo ße am tiefsten zu beklagen, mit um so größerer Treue in Wahrnehmung ihres avo- nolischen Berufs zu begegnen W.6—14); Z) die gegen- seitige V erlehuug, welche dte Sänger mit ihrem Streite » angerichtet, ruft eine Vorschrift hervor, wie es, wenn er nicht mehr da sei, von den Seinen in Streitsameu ge— halten werden solle W. 15—20). vgl. Mark. I, 33—50; Ente. I, 46—50; 17, 1 u. L. Evangelium am St. Nichaeliøtage V. 1—1l.) Der Name Michael (d. i. wer ist wie Gott?) be- gegnet uns in der heil. Schrift zuerst als Name eines Menschen (4. Mos. 13, 14) , dann aber erscheint er in dem Gebiet der späteren entwickelten Engellehre (Dan. l0,13) und bezeichnet da denjenigen von den vornehm- sten Engelfürftem welcher das Volk Israel unter seinem besonderen Schutze hat und dessen Sache den Mächten der Finsterniß lgegenüber verficht (Dan.12, l; Judä 9)z als solchen wi er auch in Osfenb. 12, 7 f. aufgefaßt sein, wenn man den symbolischen Vorgang richtig ver- stehen will. Wie die römischskatholische Kirche über- haupt vieles, was zuntichst dem alttestameutlichen Bun- desvolk gegeben und verheißen war, sich angeeignet hat, so nun auch diesen Erzengel als ihr Lieblingsshmboh schon frühzeitig wurde für den 29. September das Michaelisfeft gestiftet (von Papst Felix im J. 480 n. Chr) und kam besonders in Frankreich zur Feier von angeb- lichen Erscheinungen des Erzengels zu großen Ehren. Die evangel. Kirche behielt den Tag bei, gab ihm jedoch die allgemeine Beziehung auf die Engel überhaupt, daß da gehandelt werde von der heil. Engel Natur, Amt und Wohlthatem Für solchen Zweck mag der Vorlie- gende Abschnitt, der gegen Ende aus die Engel hinweist, genügen; er hat jedoch zugleich den Anhalt geboten, daß später mehr der Kinder und ihrer christlichen Er- ziehung, als der Engel selber, gedacht und der Tag zur Abhaltung einer eigentlichen Schulpredigt bestimmt worden ist. · 1. Zu derselbigen Stunde [wo in der vorhin Kap. 17, 25 ff. erzählten Weise eine Ver- handlung zwischen dem HErrn und Petrus statt- gefunden und letzterer soeben von seinem Fischfang mit dem Geldstück zurückkehrte] traten [mit ihm zuglekch] dte lübrigenj Jungen zu Jesu und sprachen [wollten· im Verein mit einander ihn fragen]: »Wer ist doch der Grdßeste tm Himmelreich? skonnten aber damit gar nicht erst zu Worte kommen, sondern wurden durch eine Frage, womit Jesus ihnen zuvorkam, aus der Fassung gebracht.] Zu Anfang des vorigen Abfchnitts waren die Jtinger aus einander gegangen, indem bei der Rückkehr uach Kapernaum der eine dahin, der andere dorthin sich zer- streuet hatte, und fällt in diese Zeit wohl das, was Johannes hernach (Mark. 9, 385 Luk. 9, 49) von sich und etwa von seinem Bruder Jakobus berichtet; Petrus, bei dem die Steuererheber ungefragt haben, wie es ihr Meister dies Jahr mit dem Zinsgroschen halten werde, ob er ihn noch zu entrichten gedenke oder nicht, wobei sie das erstere voraussehen und aus des Jüngers Munde auch sogleich die Bestätigung dieser Voraus- setzung als einer ganz richtigen empfangen, hatte sich in golge dessen zuerst wieder be: Jesu einge--unden, auf dem ückwege von dem Gange an’s Meer it er dann, wie es scheint, noch draußen auf der Straße mit seinen Mit- jüngere: zusammengetroffen, hat ihnen den Vorfall wegen des Zinsgroschens erzählt und seinen Fund im Munde des Fisches vorgezeigt, damit aber den Rangstreiy den die Jünger mit einander schon auf der Heimreise nach Galiläa im Zusammenhange mit der Verkündigung in Kap. 17, 22 s. gehabt (Mark. TO, 33; Luk. 9, 46), auf’s Neue angeregt oder vielmehr ihm eine andere Weudungi Dem Hochmuthe der szJtinger stellt der HErr den demüthigen Kindessinn gegenüber. 251 gegeben. So gewiß das Wort des HErrn an Petrus in Kap. is, 17 ss. diesem einen gewissen Vorrang vor den übri en Jüngern zuerkennt, so war dasselbe damals doch noch kein Anlaß für die Zwölfe ewesen, über ihre Rangstellung in dem bevorstehenden ilgeiche Christi unter einander zu disputireiy weil einestheils der Gedanke an die baldige Aufrichtung dieses Reichs ihnen noch nicht so unmittelbar nahe lag, sondern derHErr nur erst noch von dem Bauen seiner Gemeinde redete, und weil an- derntheils Petrus gleich nachher selber die Veranlassung zu einer scharfen Zurückweisung gab; wohl aber kam den Jüngern durch die wiederholte Ankündigung Jesu in Kap. 17, 22 f. zum lebendigen Bewußtsein, daß es jetzt einem Umschwung der Dinge, einem entscheidenden Wende- punkte in Betreff der Errichtung des messianischen Reichs ent egen gehe. Sie ließen den traurigen Jnhalt jener An ündigung auf sich beruhen und hielten an der Vor· aussetzung fest, das Unglück könne nur vorübergehend, der Endausgang aber müßte ein erfreulicher sein; und so schien es ihnen, noch bevor sie bis gen Kapernaum kamen, an der Zeit, ihre Reichswlirden unter einander auszumitteln, wobei wohl Petrus jene ihm ertheilte Zufage des HErrn geltend machte, Jakobus und Jo- hannes aber Gewicht darauf legteii , daß sie ebenfalls mit auf dem Berge der Verklärung gewesen, den übrigen Neun dagegen mochte es einen Stich in’s Herz geben, daß sie jenen mondsüchtigen Knaben nicht hatten heilen können, obwohl sie darum doch nicht hinter den Dreien zurückftehen wollten und deshalb ihr Anliegen so bald als möglich dem HErrii zur Entscheidung vorzulegen be- schlossen. Als nun aber bei ihrem oben beschriebenen Zusammentreffen mit Petrus dieser ihnen von der Ver- handlung wegen des Zinsgroschens und von dem Be- fehle Jesu, den er inzwischen ausgeführt, erzählte, da mochte das ,,gieb ihn (den Stater) für mich und dich« niederschlagend auf sie wirken; der HErr schien damit den Petrus neben sich gertickt , ihn aus der Zahl seiner Mitjünger, die wohl den Zinsgroschen für sich aus der gemeinschaftlichen Kasse entrichtet hatten, durch die wun- derbare Beschaffung der Steuer Zerausgerückt und so thatfiichlich schon entschieden zu ha en, wer von ihnen allen der Größefte im Himmelreich sei. Ihr Anliegen hat sich da bereits zu der Frage gestaltet, wie sie im Grundtext eigentlich lautet: »Wer also (wie die Sachen jetzt stehen) ist der Größefte? haft du wirklich über den ersten Platz in deinem Reiche schon verfügt?« Der HErr aber, gleichwie in Kuh. 17, 25 den Petrus, läßt sie nicht erst zu Worte kommen, sondern kommt ihnen mit einer Frage seinerseits zuvor; und da faßt er ihr Anliegen nicht in der Form in’s Auge, wie sie durch den Zwischenfall mit dem Zinsgroschen und Stater sich gestaltet hat, vielmehr versetzt er die ganze Sache wie- der in den statas qui) state, d. h. in diejenige Ver- fassung, in der sie vorher auf dem Wege fich befunden, daher auch die beiden andern Evangelisten sie lediglich von diesem Standpunkte aus behandeln. Die Jünger fühlten schon durch die Frage selber: »Was haudeltet ihr mit einander auf dem Wege?« sich beschämt; sie er- kannten, daß sie überhaupt mit ihren Rangansprüchen auf falsche Fährte gerathen, und wagten ihre Angelegen- heit weder in der einen noch in der anderen Form vor- zubringen, es war ja alles schon bloß und entdeckt vor feinen Augen. So gleicht sich der Bericht des Markus mit dem des Matthäus in einfacher Weise aus; und auch Lukas hat Recht, wenn er blos von dem »Ge- danken ihres Herzens redet, den Jesus gesehen« und auf den er im Folgenden Bescheid gegeben habe. L. Jesus [das, was er den Jüngern sagen wollte, ihnen durch unmittelbare Anschauung recht faßlich zu machen] rief ein sin der Nähe befind- liches noch junges] Kind zu sich [der Sage nach wäre es der nachmalige Bischof Jgnatius Von An- tiochien gewesen, der etwa ums J. 108 n. Chr. unter Kaiser Trajan den Märtyrertod erlitt] und stellete das mitten unter sie lwährend er selber sich niedersetzte ,,wie auf den Richtstuhl zur feier- lichen Entscheidung der allerdings hochwichtigen Frau-«]- 3.· Und sprach: Wahrlich, ich sage euch, es sei denn, daß ihr euch uinkehret soon dem Wege, auf den ihr mit diesem hochfahrenden, über Andere fich erhaben diinkenden und auch in der äußeren Stellung sich erheben wollenden Sinne gerathen seid] und werdet wie die Kinder sin ihrem Lebenskreise so einfältig und anspruchsloih so hingebend und aufnehmend], so werdet ihr nicht keinmal] in’s Himmelreich kommen [ge- schweige, daß ihr zu einer hohen Stellung darin gelangen könntet]. 4. Wer nun [in dem, was für den Eintritt ins Himmelreich selber schon die Grundbedingung ist, in der Deinuth und Selbstlosigkeih es am weitesten gebracht hat und] sich selbst niedriget fJes. Z, 24 Anm. 1], wie dies Kind [vor euern Augen hier, also daß er sich zum Letzten macht vor allen und aller Knecht wird Mark. I, 35], der ist der Grbßefte im Himmelreich. Wiewohl die allgemeine szStindhaftigkeit der mensch- lichen Natur sich auch im Kinde schon offenbart, so ist doch die Deinuth, die Anspruchslostgkeit etwas der kind- lichen Natur Eigenthümlichesx der Königssohn schämt sich nicht mit dem» Bettlersohn zu spielen. Diese An- spruchslo igkeit ist hier· der Vergleichnngspunkt; freilich ist diese ei Kindern eine bewußtlose, bei den Gläubi en soll sie eine bewußte werden, aber andrerseits ist ie Stelle auch der wichtigen Stelle in Joh. 3, 3 ganz parallel, denn das ,,werden wie die Kinder« ist eben die Wiedergeburt, in der allein ein solcher anfpruchsloser Kindersinn gewirkt wird —- durch Vorsätze und Anstren- »ungen des natürlichen Menschen kann derselbe nicht hervor ebracht werden. (Olshausen.) Das Kind ist eben dadur groß, hat ein großes, wirkliches Leben, weil es sich durchaus in seine Kleinheit und Abhängigkeit findet. Der äußerliche Anfpruch an die Zukunft verliert die Gegenwart, mit der Gegenwart das Leben, die Wirk- lichkeit; das Kind gewinnt durch seine Anspruchslosigkeit und Sorglofigkeit ein wirkliches Leben in der Gegen- wart von Moment zu Moment. Und eben das ist die Bedingung seines Großwerdenst ein sich überspannendes Kind muß an der Ueberspannung zu Grunde hen. (P. Lange) Gott ziehet seine Kinder klein, wie wir die unsern groß ziehen, und das Wachsen des inwendigen Menschen ist ein immerfort umkehrendes Wachsen in die Demuth und Einfalt hinein. Was ist der Vergleich- punkt für das alles sagende ,,wie«? Kaum läßt sich’s mit einem einzigen andern Wort, als eben kindlich, ganz ausdrücken; doch treten zwei Hauptbegrifsz die auf alles damit Gegebene weisen, sogleich im Worte des HErrn selber hervor: I) die Demuth, in der, man sich selbst erniedriget (V. 4), dann Z) das damit gegebene Vertrauen derer, die an ihn glauben (V. 6). »Wie dies Kind« —- sehrs nur an und werter, wie es fich 252 Evangelium Matthäi 18, Z. s. jetzt gezei t hat und vor euch sieht: ein Kind wird ge- rufen un kommt, wird gestellt und läßt sich stellen, wird geherzt (Mark. I, Bis) und läßt sich herzen; es fol· t, gehorcht, empfängt oder nimmt an (Mark. 10, 15), migtraut nicht, widerstrebt nicht, ist bereit und lenksam für jeden«Grbßeren, weil es eben weiß, ich bin ein Kind und das ist ein freundlicher Mann. Solch demüthiges Vertrauen im Nehmen und Gehorchen, solche einfältige Hingabe an die Liebe nnd Macht Gottes, die uns in- Chrisio umarmen und von der Erde gen Himmel em- porheben will, ist die Kindlichkeit, die in’s Himmelreich führt. (Stier.) Es scheint das Unbedeutendste und Un- wertheste zu sein, klein wie die Kinder werden, und doch ist es das Schwerste; viel eher erobert der Mensch große Königreiche und macht feinen Namen gefürchtet und ge- ehrt anf dem Erdboden, als er es dahin bringt, in den Kindesstand zurückznkehrem Ja dies ist das größte Werk unter allen, die ein Mensch vollbringen kann; es ist das- Werk, das zwar nicht Nachruhm bei der Welt, aber ewigen unvergänglichen Ruhm bei Gott hat. Einst wird er die vornehmste Krone dem reichen, deres hier- in am weitesten gebracht hat; und den wird er auf den höchsten Stuhl setzen, der am geringsten geworden ist. (Münkel.) Giebks denn einen Brunnen der Jugend und eine Quelle der Verjüngung für ein altes Sünder- herz, für ein in Sünde verdorbenes und verkommenes Leben? Ja, es giebt einen Brunnen, drin du die Sünden der vorigen Jahre kannst abwaschen und ver- senken auf ewig; es giebt einen Wunderquell, aus dem du, alter Sündenmensch, verjüngt und neugeboren her- vorgehen kannst als ein Kind, als ein seliges Gottes- lind; es giebt ein neues Leben, ein Paradies, ein Him- melreich für dich zu gewinnen noch auf Erden. Der Brunnen, der Wunderquell," das Himmelreich, das ist Gottes Gnade und Erbarmung, in Christo Jesu aufge- schlossem da senke dein vergangenes Leben hinab in herzlicher Buße, da laß dich reinigen von Christi Blut im Glauben, heiligen von Christi Geist zu neuem Ge- horsam, und du wirst ein neuer Mensch werden, wirst ein heiliges Gotteskind sein, wirst auffahren mit Flügeln wie ein Adler, dem sich sein Gefieder verjüngt hat. (Gerok.) Das Kind ift gleichsam eine Knospe, die noch im grünen Kelche den Purpur verschließt, aber mit jedem Tage neue Herrlichkeit entfaltet: es schlummert in feiner Wiege so süß und hold, als ob Engel mit ihm scherzten; es lebt am Tage seinen Spielen mit solcher Hingabe, als ob kein Ernst des Lebens ihm jemals be- vorstünde und sein Tagewerk nur wäre Genießen und Ausnehinenz es vergißt so bald jeden Schmerz, als ob es geboren wäre, sichzu freuen und nimmer zu trauern. Wollen wir Erwachsene uns eine schöne Lebens eit den- ken, wir versehen uns zurück in unsre Kinderja re, nen- nen sie das Abbild des verlorenen Paradieses; und selbst die Kunst, wenn fie die Engel im Himmel dar- stellen wollte, fand kein besseres, entsprechenderes Bild, als das Kinderbild, oft das bloße Antlitz von Kindern, mit Flügeln angethan. O was gäben Tausende darum, wenn jene goldenen Tage ihres Daseins je wiederkom- men könnten! Wohlan, werdet Kinder Gottes in Christo, und jene goldenen Tage sind euch wiedergekommem ja noch schöiier als in eurer Kindheit, weil nicht mehr be- wußtlos, sondern mit viilligein Bewußtsein. In Christo habt und genießt ihr einen Frieden, der höher ist denn alle Vernunft und den die elt nicht geben, aber auch nicht nehmen kann. Die Leidenschaften schweigen, die Sünden sind vergeben, das Gewissen ist versöhnt, die Begierden sind geordnet, der Kampf in der Brust zwi- schen Wollen und Nichtwollen ist ausgekämpftz und mitten in dem Weh des Erdenlebens ruht das begnadigte Ge- müth selig in den Armen der göttlichen Liebe. (Fr. Amt-n) 5. Und wer [fuhr Jesus fort, indem er das Kind in seine Arme schloß Mark. s, 361 ein solches Kind sirgend eins solcher Kinder, deren Art und Sinn die seinige geworden und zu denen er» nun auch sich besonders hingezogen fühlt] auf· nimmt m meinem Namen Tauf Grund oder wegen meines Namens, d. i. um es, wie er selber an mich glaubt, ebenfalls zum Glauben an mich zu bringen, also nicht aus blos menschenfreundlichen Beweggründen und in, weltlich kluger Berechnungs der nimmt mich aus sdie Wohlthat, die dem- selben geschiehet, wird im göttlichen Gericht so an- gesehen, als wäre sie mir geschehen]. Weil Christus von seinen Jüngern in Absicht eines folchen Kindes keine leibliche Pflege und Wartung sor- dern kann, so muß er wohl seine Absicht auf ihr künf- tiges Lehramt (Joh.21, 15) gerichtet haben, daß sie ins- besondere aus die Unterweisung der Kinder in der christ- lichen Lehre sehen sollten, bei welchen fie noch eher etwas ausrichten würden, als bei den Alten, weil jene mit so viel Vorurtheilen noch nicht eingenommen wären. (Starke.) O selige Arbeit, o herrlicher Gnadenlohiy der Kinder, Waisen und Einfältigen siih annehmen und durch treuen Unterricht und gottselige Erziehung sie Christo» zuführen! (Zeisius.) Es ist mit dieser Aufnahme des Kindes im Namen Jesu ausgesprochen, daß das natürliche Kind hier keinen Gegensatz gegen das geistige Kind bilden soll; auch der erwachsene arme Neger, der in· die Schule Jesu treten will, kann ein solches Kind sein. Jm allgemeinsten Sinne bezeichnet das Kind die scheinbar Kleinen im Himmelreich im Gegensatz gegen die scheinbar Großen, also die Katechisanden und Kate- chiimenen im Gegensatz gegen die Mündigeiy die gelei- tete Gemeinde im Gegensatz gegen die leitende; und zwar der Dienst an einem Einzigen hat schon die gan e Verheißung (P. Lange.) —— Zwischen V. 5 u. 6 sitzt nun die von Markus und Lukas berichtete Frage Io- haiinis wegen des unbekannten, bisher nicht zur Ge- meinschaft der Nachsolger Jesu gehörigen Jüngers, der dennoch in Jesu Namen Teufel austrieb und dem es die Apostel gewehret hatten. Hierauf zugleich bezieht sich also des HErrn Warnung: Wer Einen der an mich Glaubenden ärgert — beleidigt, verachtet, nicht gelten läßt, in seinem stillen separaten Anfängerglaubew der doch schon ein sehr zu refpectirender Glaube sein kann, irre macht; aber das kommt nur ungesucht noch dazu. Matthäus läßt den HErrn mit Recht fortfahren, ohne diesen Zwifchenanlaß anzusehen; denn er hätte wirklich auch ohne denselben seine ede so fortgesetzt. (Stier.) s. Wer aber sdas gerade Gegentheil von dem Aufnehmeii der Kinder in meinem Namen that, nämlich] argert dieser Geringsten Einen, die an mich glauben [indem er das, was bei den natürlich oder geistig Kleinen von Glauben schon vorhanden ist, durch irre führende Reden oder böses Exempel wieder ertödtet], dein wäre besser, daß ein Miihlstein an seinen als gehanget und er ersaufet wurde im N eer, da es am tiefsten ifi [den erwartet ein göttliches Strafgericht, gegen welches diejenige Todesarh durch welche Menschen eines ihnen recht widerwärtigen iind ärgerlichen Verbrechers sich zu entledigen suchen, für nichts zu rechnen ist]. Der reiche Lohn demüthiger Fürsorge und die schwere Strafe für Aergernißgeben an Kindern. 253 Werwollte nicht gern den HErrn bei sich aufnehmen, und wäre es auch, daß er ihn müßte vom Ende der Welt holen? Einen lieberen, vornehmeren Gast giebt es nicht; wohin er kommt, da bringt er das Himmelreich mit sich und beschenkt jedermann königlich. Willst du diesen Gast beherbergen? Er wohnt jetzt weit von dir im hohen Himmel, aber er hat dir den Weg gezeigt, wie du zu ihm kommen kannst; er hat noch einen Ort auf Erden, wo er zu finden ist. Du findest den Größten bei den Kleinsten: »die fromme Kinderschaar ist sein Hofgesindn sie sind seme Fürsten, Grafen, Nähe-und Gewaltige, und was sie angeht, das sind ihm wichtige Reichsans gelegenheiten. Der Weg zu den Müttern geht durch das Herz der Kinder; wer diese gewinnt, der hat auch jene. Derselbe Weg führt auch zum HErrnx wer ihn haben will, der frage bei den Kindern an, und wer ihn aufnehmen will, der lasse sich die Kinder anbefohlen sein. Jhre Sache ist ganz des HErrn Sache; darum sollte man sich der Kinder recht annehmen, für sie beten, sie in Gottes Wort und allen guten und nütz- lichen Dingen für diese und für "ene Welt unterrichten und sie so erziehen, daß sie in llen guten Tugenden aufwachsem Wer das thut, der thut ein recht göttliches Werk und nimmt den HErrn Jesum selbst bei sich auf. Wie schrecklich ist’s dagegen, wenn man der Kinder so wenig achtet, wie’s meistens geschiehtl Man läßt die Kinder aufwachfen, wie das Kraut auf dem Felde; ge- rathen sie, so gerathen sie. Und das ist noch nicht das Aergste: man geht ihnen vor mit schlechtem Beispiel; man leitet sie zum Fluchen, Lügen und Stehlen an, man vergiftet ihre Seelen durch schmutzige Reden, man läftert vor ihren Ohren das Wort Gottes, als könnte man sie nicht früh genug zu Kindern des Teufels machen. Das heißt dem Errn nach seiner Krone und nach feinem Reiche gegrissen; darum spricht er: »wer aber ärgert dieser Geringsten Einen, die an mich glauben u. s. w.« Einen Mörder und Hochverräther bringt man mit dem Schwerte vom Leben zum Tode; aber ein Mensch, der ein Kind znm Bösen verführt und zu Falle bringt, isi viel ärgerer Strafe werth. Es ist ein Seelenmördey der hundertmal fchlimmer ist als ein Leibesmörderz er verdient ersäuft zu werden im untersten Meer und daß ein schwerer Mühlstein an seinen Hals gebunden wird, damit er unten im Meer verfaule oder von den Fischen gefressen werde, und nimmer wieder, auch nicht ein Glied seines Leibes, zum Vorschein komme. Die Strafe verdient er, und das wäre noch eine gelinde Strafe; Gott wird aber solche heillose Seelenmörder noch ganz anders zu strafen wissen, und wenn die Zeit kommen wird, so sollen sie es fühlen, daß ihnen in der That besser gewesen wäre, im tiefsten Meer ersäuft zu werden. (Mlinkel.) Wie die Kirche dem Befehle des HErrn, ein solches Kind aufzunehmen in seinem Namen, ihrerseits m nnbeschränktem Umfange dadurch entspricht, daß sie die neugeborenen Kinder schon zur heil. Taufe durch die Eltern ruft, so haben nun hinwiederum Eltern nnd Er- zieher ihrerseits alsbald vor allem Aergernißgeben sich zu hüten; es ist darum von großer Wichtigkeit, zu er- kennen, daß auch die ganz kleinen Kinder zu der Klasse ,,dieser Geringstem die an Christum glauben«, gehören, und sich nicht durch allerlei Vernunftsbedenklichkeiten gegen folche Erkenntniß zu verschließem Nicht unpassend vergleicht R. Göbel die Taufe mit der sogen. Oculirung auf das schlafende Auge, welche auf Hoffnung hin, daß das dem Wildling eingefügte Auge im Frühjahr er- schlossen werde, in der Hochsommerzeit des zweiten Saftes vorgenommen wird. Das edle Auge bleibt da zwar den ganzen Winter hindurch in gleichsam schlafen- dem Zustande nnd treibt erst mit dem regeren Leben und vollen Sasttriebe im Frühjahr aus; aber es wächst doch schon im Herbste insoweit, daß es lebend bleibt, es wird da schon in den Saftzug des Wildlings aufgenommen, obgleich es erst später sichtliche Schosse treibt. Dem fügen wir folgende längere Auseinandersetzung über die Kraft der Kindertause von Delitzsch hinzu. »Gott, der Geist ist, kann sich im Menschen gegenwärtig setzen, wie und wodurch er will; er kann den Menschen umfangen mit feinem Zorn, oder in Gnaden mit seiner Liebe. Durch die Sacramente nun setzt er sich ihm gegenwärtig in der ganzen Macht feiner erlösenden und neugebärens den Liebe; derjenige Mensch, welcher dennoch nicht glaubt, ist wie ein Minder, der die Sonne nicht sieht, oder wie ein Todter, vor dessen Grabesthiiy wie vor der des Lazarus, Christus der Todtenerwecker steht. Es ist ihm vieles aus Gnaden geschenkt, es ist ein Schatz in seinem Acker verborgen, er kann ihn jederzeit heben; er braucht nur die Augen des Glaubens aufzuschla en, so befindet er sich in einem, ohne und vor seinem G au- ben vorhandenen Paradiese. Das wahrhaftige Licht, welches in die Finsterniß hineinscheint und radjo direoto jeden Menschen erleuchtet (Joh. I, 5— u. 9), hat sich um das Jch des Getauften im engsten Lichtkreise zusammen- gezogen; das Jch braucht sich nur im Glauben zu er- schließen, so wird der ganze Mensch ein Licht in dem HErrn (Ephes. 5, 8)· So verhält es sich mit dem Er- wachfenen, der, ohne lebendigen Glauben zu haben, sich der Taufe untergiebt. Mit dem Kind-e verhält es sich anders. Um den Unterschied zu verstehen, erwäge man vorerst Folgendes: Wie die auf den» Menschen ausgehenden nnd ihn umfangenden unmittelbaren Gna- denerweife Gottes den Glauben zu ihrem ersten und hauptsächlichen Reflexe (Wiederschein) haben, so ist hin- wiederum der Glaube selbst seinem Wesen nach ein aotus dikeotus nämlich eine von uns aus aus Christum und Gott in Christo hin gezogene Linie, ein nach dem in Wort und Sacrament dargebotenen Heil sich ausftreckens des Verlangen, ein von dem angeborenen natiirlichen Zustande hinweg geradewegs auf Christum gewandtes Blicken, ein seiner Gnade erschlossenes Sehnen, wie in der Einheit aller Kräfte auf diese Gnade sich beziehendes Greifen und Ergreifem Dieser actus directus hat an sich schon Gottes Verheißung; die act-us retiexi gött- licher Vergewisserung, freudiger Selbstgewißheit, em- psindlichen Sehens und Schmeckens gehören nicht zum Wesen des rechtfertigenden Glaubens, sondern jener actus direotus ist, wie unsere Alten sagen, die forme- iidej (wesentliche Form des Glaubens). Der Glaube ist alsoseinem Wesen nach tiducia supplex (Zuversicht der Zuflucht), nicht Heini-ja triumphans (Zuversicht der Em- pfindung); sowohl in jener als dieser Beschaffenheit ist der Glaube Gottes Wirkung, dort die Wirkung seiner sich dem Menschen entgegenbringenden Gnade, hier die Wirkung der ergriffenen und sich dem Menschen ver e- wissernden, zu empfinden gehenden Gnade. Jst a er der Glaube auch schon in ersterer Hinsichy als aatio direct-a, Gottes Wirkung, so ist nicht abzusehen, wes- halb die Gnade der Wiedergeburt, welche sich« durch die vom Wort Umfaßte Taufe "in den Menschen einführt, nicht auch schon in dem Kinde den zu ihrem heilsamen Empfang nöthigen Glauben wirken könne. Man sagt, Glaube sei nicht möglich und nicht denkbar ohne Be- wußtsein; aber 1) ist ja der Zustand des Kindes nicht der fchlechthinige Gegensatz des Bewußtseins· Das " sammte dreifache Leben des Menschen (1. Thesf. Z, ist im Kinde schon vorhanden, obgleich im ersten An— fange seiner Entwickelung, also auch schon das werdende Bewußtsein (das Kind ist nicht ein Ding, welches zu einer Person wird,- es ist von Uranfang ein ganzer Mensch in allseitigem Werden); das Unbewußtseiiy ans dem es sich entwickelt, ist verschieden von dem thierischen 254 Evangelium Matthäi 18, 7-—14. Zustande der Unpersönlichkeit und bleibt ja auch in dem erwachsenen Menschen die Kehrseite des Bewußtseins, der Grund, wohin es in unaufhörlichem Wechsel unter- taucht und woher es wieder austaucht, wie nach Gottes Ordnung Nacht nnd Tag als relative Gegensätze unauf- hörlich in einander übergehen. Warum ollte also Gott in dem von ferne aufdämmernden Bewußtsein des Kin- des nicht ebensowohl keimhaften Glauben wirken können, wie entfalteten Glauben in dem tageshellen Bewußtsein der Erwachsenen, zumal da Z) auch in dem Erwachsenen nicht blos im Schlafe, sondern auch inmitten jeder nicht unmittelbar religiösen angestrengten Arbeit und in um- nachtenden Krankheitszuständen der mannigfachsten Art die aotio direct-i« des Glaubens aus dem Bereiche des Bewußtseins in Unbewußtsein entsinkt, ohne deshalb ihr Dasein zu verlieren, welches diese Bande immer wieder durchbricht und selbst in Ohnmacht und Scheintod, in Wahnsinn und in dem an Verzweiflung grenzenden höchsten Graden der Anfechtung für Gottes alles durch- dringendes Auge erkennbar fortbestehen kann? «Der Glaube in seinem vollen gereiften Besiande besteht aller- dings in den vollbewußten Thätigkeiten der Ergreifung in Erkenntniß, Beifall und Aneignung; aber jeder Glänbige weiß aus Erfahrung, daß sein Glaube mit einer geheimen göttlichen Wirkung auf seinen Willen be- gonnen und daß diese Wendung des Willens jene Thä- tigkeiten des Glaubens unentfaltet schon in sich schloß. Auf diesen Einheitspunkt geht der Glaube je und je auch wieder zurück— warum sollte er nicht auch schon im Kinde damit beginnen können? Der Anblick dessen, der Fluch und Tod für uns überwunden, vergleicht sich ja dem Anblick der in der Wüste erhöheten Schlange (Joh. Z, 14 f.): solche Zukehr zu Christo, gewirkt von Gott, ist, wie die vorliegende Stelle bezeugt, auch kleinen Kin- dern schon möglich, und selbst ungeborenen Kindern nicht unmöglich, wie ja die Schrift ausdrücklich geheime geistliche Vorgänge in das Leben noch im Mutterleibe verlegt)« (Luk. l, 155 Jes. 49, I. 5; Jer. 1,«5; Gab 1 , 15 . 7. Wehe der Welt [der ganzen Genossen- schaft derer, die mir und meiner Gemeinde feind- selig gegenüber stehen Joh. 1 , 9 Anm.] der. Aergerniß [d. i. der AergerUisseJ halben [die sie denen, die an mich glauben wollen, bereitet, indem sie, wie sie selber nicht in’s Himmelreich kommen mag, auch Andere nicht will hineingehen lassen Kap. 23, 13]. Es mu ja [wie die Welt nun einmal ist] Aergerniß ommen [und was von dieser Seite unoermeidlich, ist andererseits in den göttlichen Nathschliiß schon mit aufgenommen und ihm eine Bestimmung gegeben, die aufs Offenbar- werden der Rechtschaffenen und aufs Gerichtetwer- den aller, so Lust haben an der Ungerechtigkeit, ab: zielt I. Cor. 11, 19; 2. Thess. 2, 11 f.]; doch wehe [in jedem einzelnen Falle, wo das Voraus- zufehende und Vorausbedachte zur Wirklichkeit wird] dem Menschen, durch welchen Aergerniß kommt. 8. So aber ldie Welt, die da Aergerniß giebt, in dir selber steckt, so vollziehe du auch selber das Gericht über sie an der Stelle, wo sie sich regt, auf daß du nicht mit deinem ganzen Menschen ihr zur Beute werdest und ihrem Gericht versallest; wenn also, wie Aehnliches in Kap. 5, 29 f. mit besonderer Beziehung auf das s. Gebot gesagt] deine Hand oder dein Fuß dich ärgert, so haue ihn ab und wirf ihn von dir. Es ist dir besser, daß du zum Leben lahm oder ein Krüppel ein ehest, denn daß du zwo Hände oder zween iiße habest und werdest in das ewige Feuer geworfen. 9. Und so dich dein Auge ärgert, reiß es aus und wirf es von dir. Es ist dir besser, daß du einäugig zum Leben ein- gehest, denn daß du zwei Augen habefst und werdeft in das höllische Feuer gen-or en. In der Bergpredigt wurde zunächst von der ehebre- cherischen Fleischeslust geredet, hier wird jeder Sünden- reiz überhaupt gemeint und zu dem großen Inbegriff aller in der Welt, von den Menschen kommenden Acr- gernisse gerechnet, oder vielmehr das innere Aergerniß, das einem jeden aus dem eigenen Fleische kommt, als deren erster Grund und abzuhauende Wurzel aufgedeckt. Willst du draußen nicht Aergerniß geben, daß nicht das Wehe dich trifft, nun so wehre dem Aergerniß drinnen, und zwar mit ganzem Ernst; tödte selbst mit dem heil- samen Tode zum Leben den alten Menschen, von dem es kommt. »So aber deine Hand oder Fuß«: damit» redet der HErr jetzt wieder nach der Welt seine Jün- ger an, einen jeglichen, der es ist oder gern werden möchtez denn nur in dieser Beziehung spricht überall seit der Bergpredigt sein Mund das vertraulich und nah anrückende Du, die Andern redet er dagegen durchgän- gig mit Ihr an. Dazu setzt hier, daß ich von meinen eigenen Gliedern, von mir selbst geärgert werde, schon den inneren Streit des alten Menschen mit einem neuen voraus; die Welt kennet und fühlt das nicht —- wer es fühlt, ist schon nicht mehr von der Welt. Und doch ist andrerseits die ärgernde Welt noch in ihm: sie da über- winden, ist kein Ding, das da sanfte thut. In der Bergpredigt setzte der HErr nach der ersten Fortschreii tung des Ansehens zum Verlangen, des Gelüstens zum Thun das Auge vor die Hand; jetzt wendet er tiefer führend es auch um, weil das Aergerniß leider stets neu anhebt und nach dem Abhauen von Hand und Fuß dennoch das Auge wieder nachkommt. Es möchte sich gleichsam statt des unterdrückten Handelns und Wan- delns wenigstens die stille Lust nach schadlos halten; weh- rest du aber nicht dieser auch, so wird sie bald wieder Hand und Fuß bekommen. (Stier.) Es geht nicht ohne scharfe Schnitte und ohne schwere Opfer ab, wenn wir die Aergernisse von uns abthun wollen; wär’ es nöthig, daß wir Hände, Füße und Augen hergeben müßten, sie müßten alle daran, um die Seele zu retten. Allein es giebt noch ganz andere Hände, Füße und Augen, die viel schwerer abzuhauen und ausznreißen sind, und die nothwendig abgehauen und ausgerissen werden müssen: das ist das hoffärtige, zornige Auge, das sind die diebischen gewaltthätigen Hände, das sind die Füße, welche den Weg des Friedens nicht gehen wollen; dazu nimm noch die Lästerznnge und das Lügen- maul, wie viel Unheil wird dadurch angerichtet, wie viel Aergerniß wird dadurch gegeben, wie viele Seelen wer- den dadurch in’s zeitliche und ewige Verderben gestürzt! Lieber Christ, haue alle solche Glieder rein ab, haue sie täglich ab, weil sie täglich wieder wachsen, und besonders wenn du mit den kleinen Majestäten des Himmelreichs, mit den Kindern zu thun hast, so nimm deiner selbst wahr, daß du sie nicht mit einem deiner Glieder är erst. (Mlinkel.) Der Entschluß, Auge, Hand und Fu zu opfern, um des HErrn willen, ist um so schwerer, als Mahnung, die Aergernisse aus sich selber auszurotten, u. wie den Aergernissen der Welt zu begegnen. 255 die Welt jeden verlacht und verspottet, der dem HErrn im Kleinen treu sein und nachfolgen will; sie nennt ihn einen Narren, Thoren, Schwärmen Wahnsinnigem und thut ihm alles nur gebrannte Herzeleid an. Ja, der Entschluß ist sogar unmöglich, wenn wir nicht ein Gut be- sitzen, das uns höher sieht, als die hiichften Güter der Erde, das uns lieber ist, als die liebsten Menschen, das uns unentbehrlicher ist, als die unentbehrlichsten Be- dürfnisse der Welt, das uns das Gut aller Güter, unser Ruhm und unsre Lust, unser Stern und Kern, unsre Sonne und Wonne, unser Höchstes und Liebstes, unser Ein und Alles ist. — Jst dir dein Leib und irdisches Leben schon so lieb, daß du, um es zu erhalten, dich der fchmerzhaften Operation am Auge, an der Hand und am Fuße unterwirfs·t, wie viel nöthiger ist solche Operatioii an der Seele, kostete sie auch unser Vermögen, unsern Ruhm, unsre bisherige glttckliche amtliche Thätigkeiy unser häusliches Glück, unsre besten Freunde und Ver- wandten, ja selbst Gesundheit und Leben, wenn wir da« mit ersaufen können den Gewinn eines inneren bleiben- den Seelenfriedens, den Trost der Gemeinschaft der Heiligen, das Bewußtsein der göttlichen Gnade und die Gewißheit der künftigen Herrlichkeit und Seligkeit. Besser Ein Auge, das auf Gott siehet, als zwei Augen, von denen das eine fich dem Himmel, das andere sich der Welt zuwendet; besser, wie es jemand einmal kräf- tig und bündig ausdrttckte, im Kerker oder am Galgen selig sterben, als auf dem Paradebette zum Teufel fah- ren. (Fr. Arndt.) Jn Mark. 9, 49 f. setzt der HErr das hier Gesagte noch weiter fort und beschließt es mit einer Ermahnung, die auf den Rangstreit der Jünger zurtickblickt und ihnen zu bedenken giebt, daß sie, um ihre Bestimniung als Salz der Erde zu erreichen, sich besonders auch der riedfertigkeit unter einander beflei- ßigen müssen, damit nicht, was der Eine baue, der Andere wieder zerstörr. Hieran schließt sieh, was wir in vorliegender Stelle lesen: mit dem bloßen Vermeiden des Aergernißgebens haben die Jtinger noch lange nicht ihren hohen, heiligen Beruf erfüllt; sie haben viel- mehr derer, die am meisten von dem Aergerniß, das von derWelt ausgeht, bedrohet sind und am leichteften demselben erliegen, sich mit besonderer Hiiigebung und Sorgfalt anzunehmen, und so dürfen sie nicht die Praxis der hoffärtigen Schriftgelehrten, die es unter ihrer Würde hielten, mit den Kleinen sich zu befassen, sich zum Vorbild nehmen, sondern müssen vielmehr von der Weise ihres Vaters im Himmel und von dessen Heils- abstchten sich bestimmen lassen. 10. Sehet [bei Ausrichtung eures apostolischen Berufes] zu, daß ihr nicht [wie die Schriftge- lehrten mit ihrem Verhalten gegen Kinder thun Kaps 19- 131 jemand von diesen Kleinen verachtet sals wären sie zu gering und unbeden- tend, als daß ihr euch besonders um sie kümmern solltet — sie sind im Gegentheil vor allen werth gehalten bei Gott und mit seiner allerbesondersten Fürsorge bedacht]. Denn ich sage eueh sder ich von himmlischen Dingen gar wohl zu reden weiß Jvhs Z, 12], ihre Engel im Hmmiel ldiesenigen Engel, die mit der Obhut dieser Kleinen betrauet und zu ihrer Aufsicht· bestellt sindj sehen allezeit das Angesicht meines Vaters im Himmel sbesinden sich als seine vertrautesien Diener beständig in seiner unmittelbaren Nähe Jer. 52, 25; Esth. I, 14 und bringen’s sofort vor ihn, wenn den- selben etwas Ungebührliches angethan wird]. 11. [Wie ihr aber niemand von diesen Klei- nen verachten sollt, so auch niemand von denen, die sonst von den Pharisäern und Schriftgelehrten für zu gering und schlecht gehalten werden, als daß man sich ihrer annehmen dürfe Lnk. 15, S; 18, 9.] Denn des Menschen Sohn san welchem ihr euern Meister und die Richtschnur für euer Ber- halten habt] ist kommen, selig zu machen, das verloren ist [Luk. 19, 10., und da müßt ihr gerade den Verlorenen die meisie Sorgfalt zu- wenden]. 12. Was sum an irdischmenschlichen Ver: hältnissen euch die Liebe des Menschenfohnes zu jeder einzelnen verlorenen Seele und seine Sorgfalt zur Rettung derselben, seine Freude über ihren Gewinn, wenn die Rettung ihm gelingt, zum Be- wußtsein zu bringen] dünket euch? Wenn irgend ein Meusih hundert Schafe hatte, und eins unter denselbigen sieh verirrete; läßt er nicht die neun und neiinzig ans den Bergen [auf welchen sie eben zur Weide gehen] , gehet hin nnd fnkhet das verirrte? Ist. llnd so sichs begiebt, daß ers findet; wahrlich, ich» sage euch, er freuet »sich daruber mehr, denn nber die neun nnd neanzig, die nicht verirret find [Luk. 15, 4-—-6]. 14. Also auch ists vor euerin Vater iui Himmel lder den Sohn vom Himmel hernieder- gesendet, auf daß er, die 99 Schafe seiner Heerde auf den Bergen zurücklassend, hingehe nach dem einen verlorenen, dem gesammten Menschenge- fchIechtJ nicht der Wille, daß jemand von diesen Kleinen [oon den Kindern V. 10 sowohl, wie von den verachteten Sündern V. 11] verloren werde. » Was zunächst den Namen Engel (oon dem griech. ers-»Das) betrifft, so bezeichnet derselbe einen Boten oder Abgesandten; er ist also nicht Wes ensname (dieser ist ,,Geister« Hebu I, 14), sondern Amtsnamr. Derselbe hat an und für sich in der Schrift eine weitgreifende Beziehung: jeder Creatur, welche eine Offenbarung Got- tes mitzutheilen, eine Botschaft des HErrn an die Men- schen auszurichten hat, kann er beigelegt werden; selbst die personificirten Naturerscheinungem welche feine Macht und Herrlichkeit kund thun, wie Sturm und Blitz, wer- den Boten oder Engel Gottes genannt (Ps.104,4; vgl. 148, 8), ebenso Menfchen, welche die Offenbarungen Gottes den Menfchen vermitteln (so die Priestey insofern sie das Gesetz Gottes bewahren und verkünden Mal. 2, 7, die Propheten Jes. 6, 8, Johannes der Täufer Mal. Z, 1; Mark. I, Z; Stil. 7, 27, auch die Apostel, sowie die Vorsteher der Gemeinden Ofsenb. 1, 20 u. s. w.). Im engeren Sinne heißen dann Engel jene höheren Geister, welche im Dienste Gottes zur Kundthuung iind Ausführung seines Willens versendet werden, sowie der Sohn Gottes selber, der utierschaffene Engel, welcher als Engel des Bundes kommen sollte in’s Fleisch(Mal.3, 1), um die vollkommene Offenbarung Gottes den Menschen mitzutheilen, der darum wie den Namen des Engels, so auch den Namen des Apostels (d. i. Gesandten hehr. Z, l) führt, welcher wie der urbildliche Sohn und HErr, von dem alle creatürliche Sohnfchaft und Herrschaft, so auch der urbildliche Bote ist, von welchem jedes creatürs 256 Evangelium Matthäi IS, 14 Anm. liche Botenamt abbildlich herstammh Darum wird nun auch in Joh. 8, 28 der Vater als der wahrhaftige Sender bezeichnet, weil der Sohn der wahrhaftige Ge- sandte iß, derjenige, in welchem die Idee der Sendung vollkommen verwirklicht ist. Wenn nun bedeutsame Naturerscheinungen nur im eigentlichen Sinne als Boten Gottes bezeichnet werden, der Sohn Gottes nur vor- übergzhend vor seiner bleibenden Einsenkung in’s Fleisch den amen des Engels des HErrn führt, unter den Menschen nur die besonders dazu Berufenen und mit dem Amte Betrauten als Gesandte Gottes austreten, so werden jene höheren Geister im eigentlichen und engeren Sinne, ausnahmslos und bleibend Engel genannt, weil sie im alten wie im neuen Bunde nur zum Zwecke der Ausrichtung göttlicher Botscha t auf Erden erscheinen und ihre, der Welt zugekehrte Betimmung ganz darin auf- geht. Daß aber die Engel Geschöpfe des allein un- geschassenen Gottes sind, versteht sich aus der allgemein christlichen Glaubensregel von selbst, wonach es eben außer dem dreieinigen Gott nichts Ungefchaffenes giebt; sind Ungeschaffensein und Gottsein eng zusammengehö- rende Begriffe, existirt kein Gott außer dem einen, und ist alles, was außer ihm existirt, von ihm als Vater, durch ihn als Sohn und in ihm als heiligen Geist Fschaffem so sind auch die Engel geschaffene Wesen. enn im Schöpfungsbericht des 1. B. Mosis von ihrer Erschaffung nicht die Rede ist, so hat dies wohl darin seinen Grund, daß in demselben der Mensch als das höchste Ziel der Schöpfung und alles Andere ihm unter- geordnet und dienstbar dargestellt werden soll und durch den Bericht von der Schöpfung einer höheren Geister- welt diese Absicht. leicht verdeckt und verdunkelt worden wäre. Aus Hebt: I, 14., wo die Engel ausdrltcklich Geister genannt werden, ergiebt sich ihre absolute Im- materialität (unbedingte Unkörperlichkeit); zwar hat schon die Mehrzahl der Kirchenväter gemeint, es sei ihnen nur unser grobmaterieller Leib abzusprechem etwa wie in Lin. 24, 39 gesagt wird, ein Geist habe nicht Fleisch und Bein, womit noch immer bestehen könnte, daß er von einem feineren, ätherischen Leibe umgeben wäre, doch hat hernach das 4te Lateranensische Concil vom J. 1215 ihre unbedingte Unkörperlichkeit ausgesprochen. Dem stimmten dann auch die Scholastikey sowie die älteren Lehrer unserer Kirche bei, welche die Engel als rein geistige Perfönlichkeiten bestimmten; die Leiber, in denen sie erschienen, seien nur angenommene zum Zweck der Sichtbarmachung für den Menschen, da er auch die wechfelnden Formen derselben. In Kuh. 2, 30 soll also keineswegs gesagt werden, daß der Auferftehungsi leib der Menschen den Engelleibern gleich sein werde, sondern nur, daß er geist ich sein werde, wie die Engel, deren Existenz als reiner Geister die von den Saddu- cäern geleiignete Existenz und von ihnen verkannte um- bildende Macht des Geistes erweist; die Ehe dient nur für dieses irdische, dem Tode unterworsene Leben der nothwendigen Fortpflanzung der Geschlechtey nach der Auferstehung hingegen werden die Menschen» auch der leiblichen Seite ihres Wesens nach ganz geistlich gewor- den und dein Tode entnommen, und so wenig wie die Engel, diese reinen, unfterblichen Geister des Himmels, der irdischen ehelichen Gemeinschaft bedürftig oder auch nur fähig sein. Daraus nun, daß die Engel rein gei- stige Geschöpfe sind, lassen sich von selbst einige weitere Schlußfolgerungen ableiten. Zunächst werden sie jeder physischen Veränderung enthoben sein, welche bei uns durch die Leiblichkeit gesetzt und bedingt ist, so namentlich der physischen Fortpflanzung, dem Wachsthum , Altern und Sterben; ihre Zahl muß demnach durch die Schö- pfung ein für alle Mal von Gott gesetzt sein, ohne eine nachträgliche Vermehrung aus und durch stch selber zu erleiden. Auch Gott selbst hat diese Zahl nicht etwa allmälig vergrößert, da feine Schöpferthätigkeit mit dem Werke des sechsten Tages abgeschlossen war, sondern wie das Menschengeschlecht durch allmälige Abstammung von Einem Paare in’s Unendliche stch vermehrt hat, so sind die Engel durch gleichzeitige Schöpfung in uner- meßlich großer Zahl (Dan. 7, 10) vorhanden. Eine besondere Frage ist die nach dem Verhältuiß der Engel zum Raume. Als erschaffeneu endlichen Geistern wer- den wir ihnen nicht Allge enwart zuschreiben dürfen, welche nur Gott, dem unen lichen Geiste zukommt; ihre Gegenwart wird demnach immer als auf einen bestimm- ten«Ort beschränkt zu denken fein, so daß sie nicht gleich- zeitig an diesem und an einem andern Ort zugegen sein können, diese ihre definitive Gegenwart wird aber, wenn sie durchaus immaterielle Geister sind, in unkörperlichey den Raum nicht ausftillender Weise stattfinden, weshalb wir sie als punktuelle Gegenwart werden bezeichnen können. Auf einen bestimmten Raum mit ihrer Gegen- wart begrenzt, werden sie aber nicht bleibend an einen und denselben Raum gebunden zu denken sein, wogegen auch ihr hänfiges Erscheinen, ihr Kommen und Gehen, ihr Aufs und Niederfahren, von dem uns die Schrift berichtet, entscheidet; vielmehr, da sie keinerlei leiblichen Hemmntsfen unterworfen sind, so wird ihre Ortsveräns derung mit einer uns unmeßbaren Geschwindigkeit sich vollziehen, da sie, obgleich nicht allgegenwärtig, doch durch den bloßen Willen im nächsten Augenblick von einem Orte an den andern sich zu versetzen im Stande stnd, so· daß wie ihre Gegenwart eine punktuelle, soihre Geschwindigkeit eine momentane, d. i. nur einen Moment erfordernde, wird genannt werden können· Bedeutsamer und praktisch wichtiger als die Folgerungen, welche aus dem negativen Begriff der Nichtkörperlichkeit der Engel sich ergeben, sind die, welche ans dem ositiven Begriffe ihrer Geistigkeit resultiren. Als persönliche Geister wer- den sie Erkenntniß , Macht und freien Willen besitzen; als höhere und doch erschasfene, endliche Geister wird ihre Stellung in allen diesen Beziehungen eine mittlere fein zwischen dem Menfchen und Gott. So steht ihr Wissen in der Mitte zwischen göttlicher Allwissenheit und menschlicher Wissensbeschränktheitz ihr Wissen ist keinfallumfassendes, denn sie kennen nicht den Tag des Gerichts ·(Kap. 24, 36), sie begehren hineinzuschauen in den geheimnißvollen Rathschluß der Erlösung (1. Petri l, 12), welcher auch ihnen sich allmälig nach Maßgabe seiner geschichtlichen Verwirklichung enthüllt (Ephes.3, 10); ihr Wissen ist aber höher und umfassender als das menschliche, denn sie treten als Boten Gottes und Aus- richter göttlichey den Menschen unbekannter Befehle und Ueberbringer ihnen verborgener Kunde auf, und indem das Wissen des Gerichtsta es selbst den Engeln wie dem Sohne (Mark. 13, 3«) abgesprochen wird , ist mit der Beschränktheit doch zugleich die übermenschliche Höhe ihres Wissens (2. Sam. 14, 20) aus edrtickn Die Macht derEngel wird dieselbe Miitelste ung einnehmen zwischen gdttlicher Allmacht nnd menschlicher Machtbes schränkung wie ihre Erkenntnißt sie besitzen tibermenschs liche Kra t, denn sie werden als Gewaltige oder starke Helden (Pf. 103,20), als Engel der Kra t (2. Thess I, 7; But. l1, El) bezeichnet, deren Beistan wirksame: als der menschliche tst (Kap. 26, 53), welche größere Stärke und Macht haben als die übermiithigen Menfcheii (2. Petri Z, 1l); dennoch können sie als endliche Ge- schöpfe nicht allmächtig sein, und insofern das Wunder- thun eine schöpferische Machtwirkung enthält, ist und bleibt Gott derjenige , welcher Wunder thut allein (Ps. 72, 18; 136, 4), nur insofern schon der mit rei- heit und Macht begabte Mensch in seiner Herrscherste ung zur Natur als der Wunderthäter im relativen Sinne Zur Lehre von den Engeln. 257 des Worts bezeichnet werden kann, wird dies in noch höherem Grade von den Engeln gelten, wie sie denn auch in der Schrift als Ausrichter übermeiifchlicher Werke austreten (Kap. 28, 27 Apostg. 12, 7. 10; 2. Theff. 2,9; L. Wes. 7·, 22 Anm.). Es läßt sich von vornherein vor- aussehen, daß die Fülle» der inviduellen Unterschiede, die mannigfachen Abtusnngen und Gliederungen, welche das gesammte Univerum bis zur Menschenwelt hinauf durch- ziehen, sich auch iii die Unsichtbare Welt der höheren Geister hineinziehen werden. Die Schrift bestätigt diese Voraussetzung; zu allen Zeiten hat man mit Recht in ihren Unterscheidungen von Erzengel und Engel (1. Thefs 4, IS; Jud. V. 9), von Cherubim und Seraphim (1. Was. 3, 24; Jes 6, Z. 6), von Throneii und Herrschasteiy Fürftenthümerm Obrigkeiten und Gewalten (Röm. 8, 387 Ephef. I, 21; 3, 10) eine Rangordnung in der Engel- welt angedeutet gefunden. Es wird ihnen also nicht nur Persönlichkeit, sondern auch Individualität, Verschie- denheit der Begabung an Erkenntniß und« Macht zuzu- fchreiben sein, worauf die Abstufungen der Würde, der Stellungen, des Berufes nnd der Bestimmung beruhen. Näher m das Wesen und Geheimniß dieser Unterschiede einzudringen ist uns versagt; die Schrift giebt hier eben nur das daß, nicht das wie an, und aus den verschie- denen Namen der Engel, welche sie enthält, läßt sich keine stchere Theorie über die eigenthümliche Beschaffen- heit ihrer Ranqorduuiigen und Klassen ableiten. Eine genauere Einsiclt in. das Wesen dieser Unterschiede ist darum verscblosen geblieben, weil die Engel für uns, in ihrem Verhältniß zum Menschen, alle insgemein nur eine allgemeine Gefammtheit bilden und der Ge- gensatz, der zwischen ihnen und uns stattfinden ein durch- reifender und bei allen gleicher ist; aber auch in ihrem erhältnisse zu Gott findet innerhalb der uns verbor- genen Verschiedenheit ein allen gemeinsamer Beruf, eine generelle Ausgabe statt. Je höher nun die Engel ihrer Natur nach und je näher sie Gott gestellt find, in desto höherem Grade werden sie die Aufgabe jeglicher Creatur, vom Wurme im Staube bis zum Bewohner des Him- mels hinauf, zu erfüllen haben, nämlich Gott zu ver- herrlichenund ihm zu dienen. Darin sind auch nach der Schrift die Verrichtungen oder Geschäfte der Engel beschlossen. Sie stehen ununterbrochen in der Anbetung und im Lobpreis des HErrn ob der Herrlichkeit seines Wesens und feiner Werke: die Seraphim verhüllen ihr Antlitz und rufen ,,Heilig, heilig, heilig ist der HErr Zebaoth 2c.« (Jef. C, 3); an der Spitze des lobenden Universums, das aus eben so vielen Gottesbvten als Geschöpfen besteht, stehen seine Engel, die starken Helden (Pf. 103, 20 ff. 148); ihm, dem HErrn, jauchzten alle Kinder Gottes zu bei der Schöpfung (Hiob 88, 7), ihn lobten die himmlifchen Heerfchaaren bei der Geburt des Erlöfers (Lnk. I, 13 f.); nnd wie gegen dem Vater, so beu en alle, die im Himmel find, ihre Knie gegen den Sosn und bekennen seinen Namen, der über alle Namen ift (Phil. L, 9 ff.). Wie nun schon ihr immerwährender Lobpreis der Herrlichkeit des HErrn ihr rechter engeli- fcher Gottesdienft ist, so dienen sie auch dem HErrn, in- dem sie den Menschen dienen, durch Ausrichtung seiner Befehle, durch Uebernahme des Botenamtes , von dem sie den Namen tragen; und gerade in diesem ihrem willi en Dienste besteht ihre vollkommenste Verherrlichung des Errii. Bei allen großen Entwickelungsepocheu der göttlichen Offenbarung , beider Schöpfuug , der Gesetz- ebung, der Erlösung finden wir die Betheiligung der Engel. Gleich bei der Schöpfung treten sie hervor, die Werke des Schöpfers bewundernd und sie im Verein mit den Morgensternen preisend ( iob 38, 7); die Ge- setzgebung auf Sinai ist durch i ren Dienst vermittelt (Aposig. 7, 533 Gal. Z, l9); und wie bei der ersten Däch sel « s Bibelioerh "sie auch bei der letzten Schöpfung, so erschallt ihr Lobpreis und ergehet ihr Dienst auch bei der zweiten Schöpfung, die mit der Ge- burt des Erlösers ihren Anfang nahm (Luk. I, 13 ss., 30 ff.; 2, 10 s.; Matth. 4, I1; Joh. l,51; Luk.22,43; Matth. 28, 2. 5 ff.; Apostg. I, 10 .). Und so werden großen Kata:.·trophe, dem Vollen- dungswuiider der göttlichen Ofsenbarungs- und Heils- geschichte, bei der Wiederkunft des HErrn und. dein End- gerichte zugegen sein, cils fein himmlisches Heer ihn ge- leitend und ihm hilfreich und dienstbar bei der Ausfüh- rung feines großen Endzweckes zur Seite stehend (Kap. 13, 41. its; is, 27; 24, 31z 25, 31; I. These 4, 16; Z. Th. l, 7). Aber nicht nur bei den neuen Anfätzem den fchöpferischeii Anfängen und wunderbaren Entwicke- luiigsknoteii des Reiches Gottes aus Erden sind sie mit Wort und That, lobend, verkündend und aus-richtend gegenwärtig, sondern auch iii der wischeuzeit zwischen Himmelfahrt und Wiederkunft zum ericht, während der Zeit des naturgemäßen, stetigen Verlaufes und der ge- ordneteu, geschichtlichen Entwickelung der Kirche Christi auf Erden begleiten sie mit ihrer Theilnahme die Ge- meinde der Heiligen: sie freuen fich im Himmel über die Sünder, welche Buße thun aus Erden uicd zum HErrn sich bekehren (Luk. 15, l0), find in den Versamm- langen der Gläubigen zugegen (1. Tor. 11,10; l. Tim. 5, l) und folgen mit gespauntem Interesse dem Gange des HErrn mit seiner Kirche, sowie der fortsihreiteiiden Offenbarung seiner Herrlichkeit aii ihr (Ephes. Z, 10; 1. Petri l, 12). Daß übrigens die Engel Gottes dem Volke Gottes auch in seinen volksthümlicheii Interessen und in der Erstillung und Erreichung feines ihm von Gott gegebenen Volksberufes schtitzend und helfend wider böse nnd feindlich widerstrebende Mächte zur Seite stehen, läßt fich aus Dan. 10, 13 ff. ableiten( Wie aber der Gemeinde Gottes iii ihrem himmlifchen und irdischen Gemeinbei·iife, so sind sie auch dem einzelnen Frommen von der Wiege bis zum Grabe gerade für die Lage der Gefahr und Bedrängniß, der Ohnmacht nnd Hilflosigkeit als Hut und Wache, wie als unfichtbare Streiterfchaar wider die listigeii Anläufe des Reiches der Finfterniß zngeordnet (Pf. 34, 8; 91, Il f.); dieser Eugelschutz und diese Engelhilse trat in der ossenbarungs- und heils- geschichtlichen Zeit oft stchtbar und wunderthätig in die Erscheinung Bzum Besten der auserwählten Rüftzeuge Gottes (1. of. II; Daii. Z, 25. 28; 6, 22; Apostlg. 5, l9) 12, 7ff.), wie denselben auch öfter die auf lei - liches niid geistliches Heil bezüglichen Botschaften, Aus- träge und Offenbarungen des Errn durch diese Him- melsboten überbracht wurden ( up. 1, 19 sf.; 2,13. l9; Apostg. 10, Z. 5; 27, 23 f.). Uiid nachdem das Leben der Frommen überhaupt von der Jugend bis zum Alter unsichtbar von den Engeln behtttet worden ist, wird ihre Seele zuletzt nach ihrem Tode durch der Engel Hände getragen in Abrahams Schooß (Luk. 16, 22). Wie aber zum Schuh und Heil der Frommen, so stehen sie ei1dlich auch zur Strafe, zum Untergange und Verderben der Gottlofen, der einde und Widersacher des Reiches Gottes bereit (2. öu.19, 353 Pf. 78, 49; Apostg.12, 23), wie sie auch mit den bösen Geistern selbst in den Kampf treten, welche die Auserwählten Gottes antasten oder die Gemeinde Gottes verderben wollen (Jnd. V.9; Offeub. 12, 7 ff.; TO, I ff.). So niin verstehen wir das Wort des Hebräerbriefs (1, I4), daß die Engel allzumal dienst- bare Geister seien, ausgesandt um Dienst um derer willen, die ererben sollen die Seligkeit; ihre Wirksamkeit gehört in der That, wie das ganze Wort Gottes von Anfang bis zu Ende bezeugt, nicht sowohl der Natur- sphäre an sieh, als vielmehr der Offenbarungsfphäre an; sie dienen dem Reiche Gottes und seinen Angehörigen, und find Vermittler der allerbesoudersten Vorsehung N. T. 1» 17 258 Evangelium Matthäi 18, 15 —— 17. Gottes. Nur in außerordentlichen Fällen sreilich, wäh- rend der Zeit der Offenbarung iind der Wunder, wo sie eben eiii neues Heilsmomeiit zu verkündigen hatten, ver- mittelten sie Einzelnen auf das eil der Seele bezüg- liche Kunde, während in der geschichtlichen Zeit der Kirche die verordneteii Diener des Worts die Engel Gottes an die Gemeinden sind; aber auch gegenwärtig bezieht sich« ihr unsichtbarer Dienst, selbst insofern er nur Leib und Leben zu beschützeii hat, doch iiur aus die Gläubigeii, welche ererben sollen die Seligkeit, deren Leben eben erhalten wird, damit ihnen die Vorberei- tungs- und Gnadenzeit nicht verkürzt·wer«de. Hinsicht- lich der Frage, ob jedem Menschen ein eigener Schutk engel zugeordnet sei, welche von den Kirchenvatern und Scholastikern bejaht wurde, habeii die älteren Dogmatiker unserer Kirche eine weise Zurückhaltnng beobachtet; sie halten es zwar für wahrscheinlich »und stellen nur· die Verwahrung auf, daß der Schutz eines Menschen keinen- falls in der Weise einem einzelnen Engel zugeschrieben werden dürfe, daß er der Hilfe der ti rigen Engel be- raubt werde. Ueber eine solche Wahrscheinlichkeit führen in der That auch die bekannten Stellen Matth. 18, 10 n. Apostsckk 12, 15 nicht hinaus; das· apokrhph Buch Tobiä (oap. 5) kann aber noch weniger eine sichere Entschei ung geben. (Philippi.)· Christi Wort: ,,ihre Engel im Himmel sehen allezeit das Angesicht meines Vaters im Himmel« deutet allerdings, obwohl nur so eben mit einem Wink, ans Special-Schwengel derPer- soneii (das alte Testam. redet nur von Schutzengeln der Reiche Bau. 10, 13 n. 20), doch nicht so, daß jeder Mensch als solcher seiUenSchUtzengel habe »und behalte sein Lebelang; das ist ein· Privilegium· dieser Kleinen, d. h. der sowohl natürlichen als geistlichen Kinder, weil die einen vor dem Ausbrnch des Verder- bens, die andern wieder nach demselben als auf dem Wege zur Seligkeit solcher Führung bedürftig und fähig sind. Jedes Kind hat seinen Engel, bis die Sünde ihn ·vertreibt, wie wir noch an dem Abglanz eines Engel- scheins im Angesicht und Gestalt der Kinder spüren könnten; die Kinder gehören als solche noch mit zu den ,,Kiiidern Gottes« lHiob I, 6), bis das Aergerniß von außen und innen macht, daß sie verloren gehen. Jeder Gläubige wiederum, der durch die Gnade der Erlösung selig werden möchte, bekommt als neues geistliches Kind seinen Engel wieder und bedarf dessen sonderlich in der Anfänger-Schwachheit, jetzt zu tiefer gehenden Mahnun en und Bewahrnngen, als die schwachen, thörichten Kind ein in leiblicher Gefahr (wohl besser zu sagen: wegen der Taubeneinfalh welcher der Welt gegenüber noch die rechte Schlangenklu heit sehlt). Wir vergessen der En el viel zu sehr, obwo l· uns der HErr imtäglichen Ge et (3te Bitte) an sie erinnert; wir sagen insonderheit un- sern Kindern viel zu wenig (wie von der Kraft ihrer Taufe, so) von ihren Engeln, wie wir selber nicht» ge- nug als Gläubige an die unsern gedenken. (Stier.) Die En el werden ausgesandt zum Dienst um derer willen, gdie ererben sollen die Seligkeit: die Kinder sind olche, welche die Seligkeit ererben sollen, denn ihnen at der HErr das Hixnmelreich beigelegt; wenn er selbst auf Erden gekommen»ist, auch ße zu sucheii und selig zu machen, so dürfen die Engel nicht· hinter ihrem HErrn zurückbleiben. Er ·hat die Kindlein geherzt und geseg- net, was wollen die Engel Besseres thun, als daß sie den Kindern zur Hand ehen und ihnen dienen? Kinder können sich selbst nicht Felsen; sie haben noch nicht soviel Verstand, daß sie ihre Gefahren erkennen und meiden können —- sie spielen mit dem Feuer und scherzen mit der Schlange, sie erschrecken nicht vor dem Abgrund und wagen sich an die gefährlichsten Oerter. Es ist hoch zu verwundern, daß nicht viel mehr Schaden und Unfall geschieht, als es der Fall ist, zumal der Teufel seine Lust daran hat, Unheil anznrichtem und mit seinen bösen Geistern Tag iind Nacht umher schleicht zu verderben. Dennoch wird so nianches Kind in der augenscheinlichften Gefagr bewahrt; und wenn man denken sollte, es müß- teii i m alle Glieder zerbrochen werden, so kommt es wohlbehalten und mit lachendem Muthe davon. Bis- weilen geschieht es sogar, daß die Kinder, welche ängst- lich gehütet werden, auf ebener Erde ein Bein brechen oder iii eiiiem uiibewachten Augenblicke Gift zu sich neh- men; damit will Gott zeigen, daß Er die Aufsicht führt und daß es ihm nicht gefällt, wenn man so schlechten Glauben zu seiner Aufsicht hat. Wozu hat er denn die En el verordnet, wenn sie zu nichts dienen und das blose Zusehen haben sollen! Es ist zwar nicht gut ge- than, wenn man die Kinder verwahrlost; doch damit wird die Sache auch noch iiicht gebessert, daß.man die Kinder aus dieser himmlischen Hut und Wacht heraus- nehmen und sie unter die Obhut kurzsichtiger, sündiger Menschen stellen will. Der HErr sagt: ,,ihre Engel im immel«, nnd legt also den Kindern Engel bei, wel e er ihre besonderen Engel nennt, welche Sorge für sie tragen müssen, und es ist nichts dagegen, sie ihre Schutzengel zu nennen; es ist Gott nicht genug, daß er sein Auge auf die zarten, schwachen Kindlein richtet, er bestellt ihnen auch solch herrliche Wächtey daß sie wie die Königskinder in Gottes Reiche gehalten werden. Und nun sagt der HErr weiter: ,,ihre En el sehen das Angesicht meines Vaters im Himmel«; hin estellt vor den Thron Gottes, sehen sie Gott nach den ugen, und lefend in dem Buch des Angesichts Gottes und von sei- nem Angenlicht erleiichtet, verstehen sie sich viel besser als wir auf den Willen Gottes und können ihr Werk viel mehr nach seinem heil. Rath einrichten. Endlich sagt der« HErr: ,,ihre Engel sehen allezeit das Ange- sicht meines Vaters im Himmels« denn die Kinder, so lange sie noch in diesem seligen Kinderstande leben, find auch allezeit in Gottes Reiche und haben allezeit das Wohlgefallen Gottes. Es ist kein Augenblich wo sie außer der Gnade Gottes sind , weil sie nie den Geist Gottes betrüben; ihr kindliches Werk, das sie treiben, wird für lauter gutes Werk gerechnet, deswegen können auch ihre Engel allezeit vor Gott erscheineih ihre Ge- fahren vor Gott bringen, für sie von Gott Hilfe erbitten und seine huldreichen Befehle empfangen, ihm an den Kindern zu dienen. Zwischen Gott und den Kindern stehet nie eine Wolke; nur der Engel des Lichts stehet zwischen beiden, die Kinder allezeit in den Schein des milden Angesichts Gottes zu tragen. Ach, bliebe das immer so! Allein es kommen die Jahre, wo statt des Lichtengels eine dunkle Wolke zwischen beide tritt. Wenn die Sünde in dem Mensgien erwacht, wenn böse Lüste und Begierden ein unhei igesi euer in dem Herzen an- zündet» wenn die Hand na der verbotenen Frucht greift und der Fuß den breiten Weg betritt, wo bleibt da der Engel des Lichts? Er muß von dannen ziehen - wie Einer, dessen Haus und Habe vom jähen Blitz ver- zehrt ist; denn es kommen andere Gäste, welche sich des Menschen bemächtigem nnd die sind die dunkle Wolke, welche zwischen ihm und Gott steht. Deswegen, wer ein Kind ärgert und zum Bösen verführt, der thut große Sünde an ihm und nimmt ihm mehr, als wenn er ihm Haus und Hof und sein väterliches Erbe nähme; denii er bringt es um seinen Engel und übergiebt es den Unholden und bösen Geistern —- wehe dem Men- schen, ihm wird ebenso geschehenl (Münkel.) »Welche alles umspannenden Uebergänge in der unvergleichlichen Rede des HErrn! von Einem Kindlein, das den Apo- steln Demuth predigen muß (V. 2 ss.), zu der ganzen großen Welt voll Aergerniß und Wehe daraus (V.6s.); - sein verlorenes Schäflein fucht. Vorschrift, wie es von den Jüngern in Streitsachen gehalten werden solle. 259 vom ewigen höllischen Feuer (V. 8 s.) zu den Engeln im Himmel vor Gottes Angesicht und Thrhn (B. 9); vom schärfsten Wehe (V. S) wieder zur« ärtlichsten Liebe, die kein armes Menschenkind verachtet haben will (B.11)!« Gerade was klein ist vor der Welt, das gilt in des HErrn Augen viel, und des Geringeii und Verachteten erbarmt er sich am meisten. Die vornehm- sten Engel, die allezeit vor Gottes Thron stehen und dienen, giebt Gott gerade den Kleinen und Geringen bei; und der Verlorene ist vor dem HErrn so werth geachtet, daß er es mit allem Fleiße sucht, wie ein Hirte Wie Er ist, so sollen auch seine Jüiiger fein; wie Er das Verlorene sucht nnd des Kleinen und Geringen siih erbarmt, also sollen auch seine Jiinger thun. Es will der Vater im Himmel auch die, welche vor der Welt klein und gering sind, nicht verloren gehen lassen, sondern er beruft sie alle zu feinen Gnaden. (Dieffenbach.) Der treue Hirt,«der seine Tausende (die Engelheerden —— so Chrill von Jerusalem in Gutach. 15) auf den himmlischen Bergen verließ und das verlorene Schaf der Menschheit sucht, ist Christus; so ist es Pflicht des Seelenhirten, der Verirrten, Besse- rungsfiihigeii sich besonders anzunehmen. Aenstliche Pirtenliebe soll treiben, sie zu· retten, »v l. die herrlichen Predigten von Rieger: die herzli e Sorgfalt des himmlischen Vaters und Christi um eine einige Seele. l766. (Heubner.) 15. Sündiget aber dein Bruder an dir sin- deni er irgendwie mit seinem, eines Christen un- würdigen Verhalten dir Aergerniß bereitet], so [hüte dich, daß dir das nicht eine Veranlassung werde, ihn wieder zu ärgern, sondern, damit du das Böse iiberwindest mit Gutem Röm. 12, 211 gehe hin lzu ihm nach dem Vorbild dessen, der gekommen ist, zu suchen und selig zu machen, das verloren ist V. 11 ff.] nnd sitase ihn lüberfiihre ihn von seinem Unrecht durch ofsene Vorhaltung Las. 17, Z; Joh. 16, 8; Z. Mos. 19, 17] zwi- schen dir nnd ihm allein sdenn die alsbaldige Ver- handlung im Beisein Anderer würde mehr ver- derben als gut machen]. Hötei er dich [indem er deine Bestrafung annimmt, sein Unrecht einsieht und um Verzeihung bittet], so hast du sdurch Zu: rückführung von einem Wege, auf welchem er in Gefahr stand, verloren zu gehen] deinen Bruder [nicht nur dir selbst, sondern auch deinem HErrn und der Gemeinde I. Cor. 9, 19 ff.; 1.Petri3,1] gewonnen [und seiner eigenen Seele vom Tode ge- holfen Jak. 5, 19 f.]. Its. Hbret er dich nicht sstellt vielmehr, was er gefehlt, in Abrede oder sncht es zu beschönigen und zu rechtfertigen] , so nimm [bei deinem aber- maligen Gange zu ihm] noch einen oder zween sandere christliche Brüder] zu dir, auf das; [nun- mehr, wo die Bußzucht schon zu einer Art Rechts- verfahren sich gestaltet, auch die für ein solches giltige Vorschrift in 5. Mof. 19, 15 beobachtet werde, nämlich] alle Sache bestehe auf zweier oder dreier Zeugen laußer deinem auch des Einen oder der zween] Munde [Joh. 8, 17; 2. Cor. 13, 1., und dem Schuldigen keine Llusslucht mehr gelassen sei]. 17. Höre! et die nicht [mit ihrer Ermahnung und Zurechtweisung, wodurch sie aus Grund des ihnen wohlbekannten Sachoerhaltes ihm suchen zu Herzen zu reden], so sage es der Gemeine [ob oielleicht der sittlichen Macht, die in der Gesammt- heit liegt, es gelinge, seinen bisherigen Widerstand gegen die Einzelnen zu brechens Hötet er [aber auch] die Gemeine nicht [und giebt mit seinem be- harrlichen Sichverschließen gegen alle Bekehrung zu erkennen, daß es bei ihm sich nicht mehr um einen vom Unkraut überwucherten Weizen, sondern um ein Unkraut handelt, das den Weizen völlig erstickt hat], so halt ihn als einen Heiden nnd Zölluer [hebe alle weitere christbriiderliche Gemeinschaft mit ihm auf und beschränke dich auf den rein bürger- lichen, allgemeinen Verkehr Röm 16, 17; 2.Thess. Z, 6. I4]. Die brüderliche Zucht, wie der HErr sie hier vorschreibt, ist beides zugleich, Seelsorge fiir den Ein- zelnen, der efehlt hat, und Wahrung des geistlichen Wohls der esarnmtheit; sie beginnt mit der Bestrafung unter vier Augen, von welcher wir ein Beispiel heilsamen Erfolgs in Gal. 2, 11 ff. lesen, und ist, wie Dr. Luther sagt, das hier ge ebene Gebot Christi gleich so nöthig als: »du sollst nicht tödten, du sollst nicht stehlen« Es ist aber eins von den Geboten unsers Heilandes, das am wenigsten in Acht genommen wird; denn was thut man wohl insgemein? da man feinen Bruder im Ge- heimen bestrafen sollte, lobt man ihn in seiner Ge en- waryverachtet und beschreit ihn aber öffentlich. — ,, an muß den Leuten selber sagen, was man an ihnen aus- zufetzen hat, niemand aber etwas davon erzählen«; doch ist auch die Wohlthat nicht zu uiiterschätzem welche darin liegt, daß im bürgerlichen oder gefelligen Verkehr der Menschen unter einander«die öffentliche Sitte gewisse Schranken gezogen hat, die es oft sehr schwer machen, einem in’s Gesicht zu sagen, was man von ihm hält, und daß ein bestimmtes Maß der gegenseitigen Achtung, und Höheren gegenüber sogar der Ehrenbezeugung nnd bescheidenen Zurückhaltung, inne gehalten werden muß — was follte denn werden, wenn auf diese Weise nicht dem vorgebeugt wäre, daß einer gegen den andern ohne Weiteres feinen Argwohn und Neid, feinen Haß und Groll, feine verletzte Eitelkeit und feine hämifche Schaden- freude auslassel Dei: HErr hat es eben mit feiner Gemeine zu thun, nicht mit der bürgerlichen Gesell- fchaft als solcherz und indem er das »Du« gebraucht, redet er nicht in den großen Haufen hinein, sondern ziehet zu sieh heran, wer schon feines Sinnes geworden ist und sein Wort recht zu gebrauchen versteht. Auch ist das Strafen, davon er redet, etwas· ganz anderes als das, was die Weltkinden »Einem die Wahrheit sagen« heißen; die können das überhaupt nicht, weil sie elber iiicht aus der Wahrheit sind, das Wort der Wahrheit nicht hören uiid durch den Geist der Wahrheit sich nicht heiligen lassen (Kap. 7, 3 ss.), sie wendige Bosheit nach außen kehren und das Gift ihres, den Bruder haffenden Herzens demselben in’s Angesicht spritzem Die brüderliihe Bestrafung dagegen ist ein Ueberzeugen von der Sünde und ein Helfen zur Buße, ein Aergernißaufheben in der Wahrheit und ein Ber- lorenes-Snchen in der Liebe: ,,wie ich die eigene Sünde in mir richte zur Heiligung vor Gott, so auch die fremde, damit nicht ihre Schuld »meine eigene werde dnrch Versäumnis; dieses HiebesdienftesJJ Still nnd leise anhebend vor Gott, steigt sie erst bei mangelndem 178 können nur die in-. 260 Evangelium Matthäi 18, 18——·22. Erfolg durch Stufen auf zu immer schärferem Ernst. Das Nächfte nach der Bestrafung unter vier Augen ist die Hinznnahme von 1-—«2 Brüdern; es ist das eine Verstärkung der Lichttraft der heiligen, auf Rettung zie- lenden uiid in Christi Gemeinde waltendeii Liebe, um die in dem siindigeiiden Bruder wirksamen finsteren Kräfte zu überwinden, nachdem diese durch den Wider- stand seines erzens gegeii den ersten Anlauf sich ver- stärkt und eine sestere Stellung genommen haben. »Kannst du nicht schon bei der ersten stillen Zusammen- tunft deinen Bruder gewinnen , so gieb ihn nicht bald auf, weil deine Weisheit und Liebe nichts an ihm aus- gerichtetz fahre nicht zu mit dem Urtheil: er höret nicht und wird uicht hören , weil er mich nicht gehöret hat. Nimm zu dir einen oder zwei, natürlich nicht die Ersten Besten, sondern die dem Vorfall und euch beiden in Be- kanntschaft und Liebe die Nächsten sind; folche, die auch brüderlich mit sagen inöqenr du hast vor uns und an uns gesündigt, die er auch als seine Brüder ehren kann, wenn er irgend will. Das Gespräch gestaltet sich da schon förmlicher zum Friedensgericht.« Jn dritter Jn- stanz soll dann die ganze brüderliche Gemeinschaft her- beigezo en werden, ob nicht die in ihr roncentrirt wir- kende acht der das Verlorne suchenden Liebe durch- dringe; behalten aber auch dagegen die finsteren Kräfte in dem, der gesiindigt hat, die Oberhand, so soll der also in der Sünde Beharrende als eiii der Gemeinde uicht mehr Zugehöriger betrachtet und behandelt werden. Der HErr setzt bei dieser Vorschrift offenbar apostolische Christen und eine apostolische Form der Gemeinde vor- aus; tvo solche fehlt, da läßt sich auch seine Weisung iiicht in Ausführung bringen. In der ,,deutschen Messe· vom J. 1526 unterscheidet Luther zwifchen einem kirch- licheii Zustand, wo man noih keine geordnete, gewisse Versammlung habe, darin man nach dem Evangelio das Volk regieren könne, sondern nur eine öffentliche Reizung zum Glauben und Christenthum, eine Uebung der Ju- gend u. s. w., und zwischen einer rechten Art der evan- gelischeu Ordnung, da diejenigen, welche ernstlich Chri- sten sein wollen, sich mit Namen einzeichnen und beson- dere Versammlungen halten, wo dann auch nach dem hier vorliegenden Wort Christi gehandelt werden könne; zu einer Gemeinde der letzteren Art habe er, wie er weiter sagt, die Leute nicht, köniie und möge sie daher auch noch nicht anrichten. Dergleichen Erwägun en sind’s denn auch, welche zu dem Zweifel veranlaßt ha en (Kap. II, 30 Anm. 2 am SchliißV ob man die Abge- fallenen und Ungläubigen in den Bann thun dürfe; in- dessen würde schonder Begriff der Kirche als einer Er- ziehungsanstalt zum Heil, da sie den einzelnen Christen das Wort der Wahrheit und die sarramentlichen Gna- dengaben mittheilt, erfordern, daß sie, um das Heilig- thuiii niiht den Hunden zu geben und ihre Perlen uicht vor die Säne zu werfen (Kap. 7, 6), offenbare und be- harrliche Sünder von den Sacramenten ausschließe, nnd selbst zu der Zeit, wo die ueutestamentliche Gemeinde nur« erst eine lediglich missionirende und noch keine förm- lich conftituirte war, empfingen die Jtinger den Befehl (Kap. 10, 14), den Staub eines Hauses oder einer Stadt, wo sie nicht aufgenommen worden, von ihren Füßen zu schütteln und damit von aller innerlichen Gemeinschaft mit solchem Hause oder solcher Stadt sich loszusa en; die Versagung kirchlicher Ehren ist also unter allen m- ständen den Un läubigen und Verächtern gegenüber uicht blos ein göttli es Recht, sondern auch eine heil. Pflicht. Es treten denn doch La en ein, wo sich uicht mehr warten läßt, bis die bgefallenen sich selber von der Kirche ausschließen, wo vielmehr die Kirche ihrerseits sich mit ihnen auseinandersetzen muß, will sie die Ehre ihres HErrn uicht völlig Preisgeben. Auf eine eigentliihe E x co m m u nica t i o n oder Tlusschließuiig aus derKircheii- gemeinsihast deutet nun auch das Folgende hin, wo Jesus nicht mehr mit einem »Du« das einzelne Glied seiner Gemeinde anredet und dessen Verhalten gegen einen sündigenden und in seiner Sünde beharrenden Mitbruder regelt, sondern mit einem »Ihr« sich an die- jenigen wendet, welche er zur Leitung der Kirche nnd zur Wahrnehmung ihrer Rechte und Pflichten berufen hat; er eignet da diejenige Schlüsselgewalh welche er in Kap. 16, 19 zunächst dem Petrus als dem ersten Stein des Grundes, auf welchen die Gemeinde gebauet ist (Ephes. Z, 20), übertrug, den Mitapofteln und Mitältes sten desselben (1. Petri 5, l) in gleiihem Umfange und mit dem nämlichen Anftrage zu, daß sie, während das einzelne Gemeiiideglied einem Abgefallenen gegenüber nichts weiter thun kann, als ihn, der sich selber innerlich von der Gemeinde losgesagt hat, auch seinerseits nicht mehr als ihr wirtliches Glied zu betrachten und zu be- handeln, desfen Ausschließung äußerlich und thatsächlich vollziehen und ihn ausdrücklich in ein Verhältniß zur Gemeinde versehen, wie die Heiden und Zöllner ihr gegenüber es einnehmen. l8. Wahrlich, ich sage ench [die ihr in der Gemeine zu meinen Dienern und zu Haushaltern über Gottes Geheimnisse gesetzt seid], was ihr straft eures Amtes und getragen von meinem Geiste] auf Erden binden werdet [weun ihr nun einem, der seine Sünde uicht hat erkennen und sich davon be- kehren wollen, dieselbe zum Gericht behaltetj, soll auch im Himmel gebunden sein sdaß wirklich der Zorn Gottes über ihm bleibt und sich endlich über ihn entladetL und was ihr auf Erden lösen werdet, soll auch im Himmel los sein [kämet ihr daher in den Fall, einen, der von der kirchlichen Gemeinschaft hat ausgeschlossen werden müssen, in dieselbe wieder aufzunehmen, wie die zur Buße und zum Glauben sich wendeuden Heiden und Zöllner aufgenommen werden, so soll ihm seine vorige Sünde erlassen sein nnd er nicht in das Gericht kommen 2. Eos. Z, 6 ff.]. Wir mtissen es uns« nach Maßgabe der Schranken, innerhalb welcher das Bibelwerk siih zu halten hat, ver- sagen, auf die schwierigen Fragen, welche an den Artikel von der Kirchenz naht, namentlich auch in Betresf ihrer Durchfiihrung in dieser unsrer Zeit sich knüpfen, näher einzugehen, auch sind Verhältnisse in immer rascherer Entwickelung begriffen, welche die Aufgabe schließlich zu einer für Menschen geradezu unlösbaren machen werden, bis der HErr, was nach Offenb. U, 11—13 zur be- stimmten Zeit gewißliih geschehen wird, auf einmal ganz andere Verhältnisse an die Stelle setzt und seiner Ge- ineinde wieder die Möglichkeit verschafft, nach seinem Worte sich zu halten. Anders als die evangelische Kirche steht in dieser Beziehung die katholische: sie beweist ge- rade in dieser unsrer Zeit, wo der ersteren die Hände immer fester zugeschnürt werden, bis die zween Zeii en zuletzt überwunden sind und ihre Leichname auf er Gasse der großen Stadt liegen (Ossenb. 11, 7 ff.), welche Macht der LErr an sich seiner Gemeinde verliehen hat, und es wir der Macht dieser Welt gar schwer werden, wider den Stachel löcken, damit sie wenigstens ein Be- wußtsein behalte, was derjenige vermag, wider den sie ei entlich streitet. Aber es ist nicht die Sache Christi se der, für welche die andere Kirche die Macht Christi ausbietetx es ist im äußersten Hintergrunde die Sache Von der Kirchenzucht und der Gebetserhörung 261 desjeni en, in dessen Dienst am Ende der eiten die- jenige artei übertreten wird, welche zur Zeit die trei- bende Kraft in den katholisch-kirchlichen Bewegungen ist (Offenb. 13, 11 ss.), und sie wird diese Kirche durch ihren Mißbrauch des Namens Jesu zuletzt dahin treiben, daß es heißt: »gehet aus von ihr, mein Volk« und dar- auf die Stimme erschallt: ,,sie ist gesallen, sie ist gefallen, Babylon, die große« (Ofsenb. 18). »Auf der Grenze zwischen dem 10. u. 11. Jahrh. hat ein römischer Bi- schof (Sylvester 1l.) selber noch bekannt: »wenn der römische Papst wider einen Bruder sündigte und nach öfterer Erinnerung nicht die Gemeinde hören wollte, so sollte er nach dem Gebot des HErrn als ein Heide nnd Zöllner gehalten werden; denn je höher er zu sein scheint, desto schwerer kann er fallen.« Wie die Sprache seit dem fünften Jahr vor Eintritt des letzten Viertels unsers Jahrhunderts ganz anders lautet, und da die Wiege fertig geworden ist, in welche der Antichrish wenn er kommt, sieh bequem hineinlegett kann (2. Thess 2, 4), brauchen wir nicht ausführlich auseinander« zu setzen; da kann die Zeit nicht ausbleiben, wo unsre Kirche, die der ihr bevorstehenden immer schwereren Zukunft mit dem Trost (Micha 7, s) entgegengehen darf: ,,freue dich nicht, meine Feindin, daß ich darnieder liege; ich werde wieder aufkommen-«, in das Erbe der Macht Jesu Christi eintritt. 19. Weiter [von einer andern Seite her, was nämlich den eigenen Zugang meiner Gemeine zu allen Gnaden- und Heilsschätzen des Himmelreichs betrifft] sage ich euch: Wo zween unter euch sden denkbar kleinsten Bruchtheil derselben bildend] eins werden auf Erden sstch etwas zu erbitten von oben], warum es simmer auch] ist, das sie bitten wollen, das soll sweil von meinem Geiste ihnen in’s Herz gegeben, der nur etwas eingeben kann, was nach Gottes Willen eingerichtet ist] ihnen widerfahren von meinem Vater im Himmel kApostg 12- 5]« 20. Denn wo zween oder drei versammelt sind in meinem [genauer: auf meinen] Namen smir zu Ehren, auf meinen Befehl und im Ver- trauen aus meine Verheißung, da man sich aus meinem Wort erbaut und allerlei Gutes für sich und Andere erbittet], da bin ich mitten unter ihnen slege selber durch meinen Geist in ihren Mund, was sie bitten sollen, und bitte mit ihnen]. Mit dem Binden und Lösen geht es zu, wie mit der Gebetserhörungx es gilt im Himmel, weil es nur Zeug- niß für das im Himmel schon Giltige war, gerade wie das Gebet erhbrt wird, weil-es durch des Geistes Trieb im Glauben schon aus dem oberen Rath nnd Willen hergekommen« ist. Stier? Der allgemeine Ausdruck: ,,warum es Ist« pflegt so eschränkt zu werden,»daß man alles für· das Wohl der Gemeinde Förderltchh dem christlichen Lebensgebiet Angehörige darunter versieht; das ist allerdings insofern richtig, als das Geistliche der einzige Gegenstand der Thätigkeit der Gläubigen ist, in dem ihnen alles andere, sofern es an sich gut ist, auf- geht. Aber eben, weil ihnen alles darin aufgeht, ist das ,,tvarum es ist« auch im eigentlichsten Sinne zu nehmen, indem jedes, sofern es im Verbande mit den Bedürf- nissen der Kirche steht, Gegenstand des Gebets der Gliiubigen werden kamt. Die Möglichkeit des Miß- brauchs dieses Befehls oder vielmehr dieser erhabenen Erlaubniß des Erlbsers für die Seinen ist dadurch ans- geschlofsety daß eben des Vaters Geist in Christo Jesu selbst es ist, der die Gemeinschaft des Geistes, das dar- aus entfprin ende Einswerden für den einzelnen Fall und das Ge et selbst schafft und anregt. Wo also alles dieses nicht wirklich vorhanden oder in bloßer Täuschung vorausgesetzt ist, da finden die Worte des HErrn keine Anwendun ; wo es aber im Wesen ist, da haben feine Worte an ihre ewige Wahrheit. (Olshausen.) Aufs Einswerden kommt? an, daß sie nicht nach Privatasfekt oder Interesse glauben, daß die Sache gut sei. Die zahlreiche Gesellschaft aber machrs auch nicht aus, fon- dern das macht’s, daß Er dabei ist, daß er der dritte oder vierte Mann unter ihnen ist. (Goßner.) »Wer sagen kann: du und ich, kann von einer Gemeinde sagen und auf die Gemeindegnade Anspruch machen« VI. b. 2l—35. (§. sit) In Verbindung mit der bis-« hcrigen Unterweisung giebt Petrus dem tjEtru heran· lassnng zu einer weiteren; das Wort vom tjlugeheu zu dem siiudigendctc Bruder nnd vom Gewinne desselben, wenn er die sirasende borhaltung annimmt, setzte ja alg selbstverständlich voraus, das; der tjitigehende ihm zu ver— geben bereit sei, ja so sehr-dazu bereit sei, daß das Strafen nur als Mitte! zum Jtwettie erscheint, sticht das Strafen eigentlich eg iß, wag denc Fehlende-i ins Haus gebracht werden soll, sondern die Vergebung. Das nuu lkaau der in einer Zeit, wo die pharistiisctze schrittwe- hülluug schau gar sehr um sich gegriffen hatte, groß ge- wordene Jiinger nicht fassen; iltu will es bedänkem daß man doch auch mit der itlergebcuswiltiglteit nicht zu weit gehen dürfe, er glaubt dle Grenze derselben weit genug zu stritten, wenn er zu einem siebenmaligen vergeben steh erbietet, es wird ihm aber alte Grenze Itiedergerlssen und zur Warnung das Gteikhniß vom Schatttolinekht vorgeltaltem Wie der Inhalt von v. 7 ff. in kalt. 17, 1 u. 2 in einem ltnrzen Zlbriß wiedergegeben wird, so der Inhalt von b. 15 is. in stillt. 17, 3 u. 4. 21. Da sals der HErr in V. 15 ff. von dem rechten Verhalten gegen den an uns siindigenden Bruder redete] trat Petrus swelchem dabei ein Be- denken in der Seele aufgestiegen war, ob nämlich ein solches Hingehen zu dem Beleidiger mit einem zum Vergehen und Erlassen bereitwilligen Herzen nicht auch seine Grenze habe, wenn es nicht auf der andern Seite ein grenzenloses, immer mehr sich häufendes Sündigeti herbeiführen solle] zu ihm und sprach: HEry wie oft muß ich denn meinem Bruder, der an mir sitndigeh vergeben sgenauesn wie oft soll’s denn sein, daß mein Bruder an mir sündigt, und ich habe ihm zu ver- geben]? Jsks genug swenn ich da als Maß annehme:] siebenmal? 22. Jesus sprach zu ihm: Jch sage dir, nicht siebenmal sist genug als Maß, bis wohin du gehen sollst], sondern swenn er siebenmal des Tages an dir slmdigen würde, und siebenmal des Tages wie: derkäme zu dir und spräche: es reuet mich, so sollst du ihm vergeben Luk. 17, 4., und wenn sich das 70 Tage nach einander wiederholte, so sollst du ihm vergeben] fiebenzigmal siebenmal fund also dir überhaupt kein Maß noch Ziel stecken, vielmehr dich freuen, wenn der siindigettde Bruder durch buß- fertige Gesinnung es dir möglich macht, ihm alle- zeit und allemal zu vergebens 262 Evangelium Matthäi is, 23-—27. Wie oft darf denn ein Bruder sündigen an mir mit Recht und Anspruch darauf, daß ich ihm vergebe? Das könnte ja sehr oft und arg werden, das muß doch wohl auch seine Grenze haben. (Stie"r.) Der Talmud (Kap. 5, 22 Anm.) sagt: man vergebe einem Menschen ein-, zwei- bis dreimal, aber das vierte Mal vergebe man ihm nicht; diese jüdische Tradition mochte schon damals bekannt sein, und « will es Petrus lieber noch einmal so hoch ansetzen. (Starke.) Er meinte damit »etwas ganz Außerordentliches zu thun, recht hochherzig sich zu» erweisen, und erwartete eine beipflichtende Ant- wort auf seine weite Ausdehnung der Liebesfragr. (Fr. Arndt.) »Die Zahl des HErrn tm Gegensatz zur Zahl des Apostels sagt, daß über das Vergehen nicht Buch hren sei, daß es vielmehr ein Fortschreiten in’s szn unbegrenzte ist, daß nicht gezählt, sondern frisch und fröhlich in einem fort vergeben werden soll. (Nebe.) Wenn ich noch zählen kann, hab ich ja das Vorige noch nicht vergessen, eigentlich also noch gar nicht von Herzen vergeben. (Stier.) Es giebt einen alten Denkspruch, der heißt: Böses um Gutes thun ist teuflisch, Böses um Böses thun ist thierischx Gutes um Gutes thun ist menschlich, Gutes um Böses thun ist göttlich. (Gerok.) Ein solcher Haufe ist die Kirche, daß, wo ein Sünder ihm läßt sagen und läßt sich strafen, so hat er Ver- gebung der Sünde, und dieselbe Vergebung gilt so oft, als sie von ihm begehrt und gesucht wird. (Luther.) Siebenzigmal siebenmal (= 490 Mal) lesen Hie- ronymus, Erasmus u. s. w., dagegen siebenund- siebenzigmal (= 77 Mal) Origenes, Augustin u. A. Der letztere Ausdruck würde der uralten Racheformel des Lamech in 1. Wes. 4, 24: ,,Kain soll siebenmal ge- rochen werden, aber Lamech siebenutidsiebenzigmaW mit vollem Bewußtsein als Versöhnungsformel in entspre- chender finnbildlicher Zahl gegenüber-treten; indessen wird auch wohl jene Stelle so übersetzt: ,,stebenzigmal, und das wieder fiebenmal«, d. i. siebenzigmal siebenmal, wenngleich nicht mit voller sprachlicher Berechtigung. (P. Lange.) Evangelium am W. Sonntage nach Crinitatish Zur wahren Heiligung gehört auch barmherzige, versöhuliche Liebe gegen den Nächsten; es hat der HErr uns unsere Schuld erlassen, darum sollen wir auch willig sein, dem Nächsten zu vergeben, und nicht, wie der unbarmherzige Knecht im Evangelio, unsere Schuldiger würgen. (Diessenbach.) Stellte das vorige Evang. den lebendigen Glauben hin als dasjenige, was uns zu dem Heile verhilft, so hören wir jetzt, daß dieser Glaube in einem Leben sich zu erweisen hat, das da Liebe und Vergebung übt. (Nebe.) Das Haus ist die erste und nächste Stätte, an welcher sich die Herrlichkeit des neuen Lebens in Christo offenbart; der zweite Lebenskreis ist der Umgang und Verkehr mit anderen Menschen, als mit unsern engeren Haus enossen, mit denjenk en, zu welchen uns der Beruf, as Schicksal, die Führung Gottes, die Nachbarschaft oder die eigene Zuneiguu und Freundschast hinführt. Auch auf diesem Gebiet fin et ein wesentlicher Unterschied statt zwischen dem Thun und Lassen des wiedergeborenen und natür- lichen Menschent unser Evang. weist uns auf die ver- schiedene Beschaffenheit und auf die verschiedenen Folgen beider Umgangsarten hin. (Fr. Arndt.) Die Vermahnung zur Versöhulichkeih so oft sie komme, ist immer und immer wieder rechtzeitig und am rechten Orte, und man darf sogar behaupten, zu dieser Tugend dlir e man noch viel öfter als zu andern Tugenden er- wohnen, weil sie eine besonders schöne und eben des- halb auch eine besonders schwere Tugend ist. Darum kehrt auch die Ermahnung zur Versöhnlichkeit in so manchem Sonntagsevangelio des Kirchenjahrs wieder, darum redet die heil. Schrift überhaupt so oft von ihr, darum handelt sogar eine von den sieben großen und stehenden Bitten des Vaterunsers von ihr. (Löhe.) Wie lerne ich dieschwere Kunst, meinem Schuldiger von Herzen zu vergeben? I) Sieh deinen Schnld- ner an: wie klein ist seine Schuld! 2) sieh aus dich selber hin: brauchst du nicht auch Geduld? Z) sieh auf zu deinem Gott: wie groß ist seine Huld! (Gerok.) 23. Darum sdamit du an einem Gleichniß ler- nest, warum eine so unbegrenzte Bereitwilligkeit zum Verzeihen deine Pflicht ist und wie strafbar und verabscheuungöwürdig dagegen die an irgend einem Punkte hervortretende Unversöhnlichkeit gegen den fehlenden Bruder sein würde] ift das Himmel- reich gleich ses verhält sich mit ihm in Beziehung auf Abrechnung und Erlassung oder Bezahlung der Schuld wie mit] einem [Menschen, doch nicht einem gewöhnlichen Menschen, der nur in beschränkten Ver- hältnissen lebtzsondern einem] Könige, der lnach Maßgabe seiner hohen Machtstellung und seines weiten HerrschergebieteSJ mit seinen Knechten sden Beamten oder Dienern, welchen er fein Land und die Einkünfte desselben zur Verwaltung über- geben hatte] rechnen wollte [um von dem Stand der Dinge in Betreff ihrer Verwaltung seines Ver- mögens sich zu überzeugen] — 24. Und als er anfing u rechnen, kam ihm [wohl gleich in dem Er en und Höchstgæ stellten, den er herbeiführen ließ] einer Vor, der war ihm snach dem Ergebniß dessen, was er in seinem Amte verwahrlost und veruntreut hatte] zehn tausend Pfund [oder Talente d« 2618Thlr. 2. Mos 30, 13 Anm., also mehr als 26 Millionen, nach anderer Berechnung noch weit über 13 Mill.] schuldig [die er jetzt hätte ersetzen müssen]. 25. Da er’s nun swie selbstverständlichs nicht hatte Izu bezahlen [denn wie groß hätte sein eigenes ermögen sein müssen, um damit ein solches Deficit zu decken], hieß der Herr! [in An: wendung eines herkömmlichen Rechtsmxttels 2. Mos. U, 2 AUUL I] verkaufen [zum leibeigenen Knecht] ihn und fein Weib und seine Kinder, und kdazuj alles, was er hatte, und bezahlen [damit das strenge Recht wenigstens insoweit seinen Verlauf habe, als der verhältnißmäßig ganz unbe- deutende Erlös zur Deckung hinreichtes 26. Da [von Schrecken und Angst ergriffen] fiel der Knecht nieder und betete ihn knach der Weise morgenländischer Demüthigung I. Mos 33, 3 Anm.] an II. Kön I, 16] und sprach: Habe Geduld sund halte des strengen Urtheils Lauf einstweilen noch hin]; ich will dir? alles bezahlen. 27«. Da jammerte den Herrn desfelbigen Knechts [den die Noth in solcher Weise bedrängta daß er in der Verwirrung seiner Seele sogar zu einem Versprechen seine Zuflucht-nahm, welches Zur Heiligung gehört auch barmherzige, versöhnliche Liebe gegen den Nächstem 263 weit über alle Möglichkeit hinausgrisss und ließ ihn los ldaß es um ein Verkaufen sich nicht weiter handeln sollte], und die Schuld [wörtlich: das Darlehn, das derselbe in gewaltsamer Weise mit Unterschlagung an sich gerissen, aber zugleich alles Andere, was er hätte erstatten müssen] er- ließ er ihm auch sindem er soweit mit seiner freien Gnade über das Gebetene hinausging, als der Knecht mit seinem Angstversprechen über den Bereich des Möglichen hinausgegangens Jm Anfang müssen wir soiiderlich merken auf das Wörtlein Himmelreich; denn solch Gebot von Ver- gebung der Sünden foll man nicht in, das Weltreich ziehen, da Aemter und Personen i1ngleich find, und des- halb immerdar Eins über das Andere Macht und Be- fehl hat, Da foll man (Vater, Ren, Frau, weltliche Obrigkeit) der Bosheit nicht ziise en noch Jedermann thun lassen, was ihn gelüsiet, sondern das Uebel soll man strafen und die Leute zur ucht, Ehrbarkeit und Billigkeit halten; das weltliche egiment ist dazu von Gott eingesetzt und igordneh daß es wehren, steuern uiliilt ståafeihi sollstdie cksheit It Wglt — ftiichy dasli es os eit ra en önne enn azu i es vie zu xeriiigeh sondern fdaß es die äußerlichen groben Laster Ziff« siiiwiå Zikikkskkätsiiichsöäs VEZRTTWZT Fikskäi e an ne , . · weltlichen Regiment ist nicht Vergibung, sondern Strafe (1. Wiss. I, S; Rom. 13, 4); wo man im weltlichen Regiment vergeben sollte, »so würden ich und ·du niihts behalten. Aber es geht leider also zu» daß die, so im weltlichen Regiinent und Amt find, nicht allein nach- lässig und aul sind, das Böse zu strafen, sondern helfen auch das öse starken, lassen es gehen, wie es geht; darum muß man diese Lehre fleißig treiben, auf» daß man lerne und wisse, daß das äußerliche Regiment strenge sein soll (1. Sam. 15, Z. 9. 19»ss.; l. Kon. 20, 29 ff. u. 22, Z! ff.). Wohl aber gehort dieser Befehl von Vergebung der Sünden in«das Himmelreich oder cegtliche siegimeiik bda wdirß gleich siHd und Zur sEHien «· rru ü er uns a en e wir a e genie en o en. oolch Himiiielreich fähi hienieden auf Erden an »und heißt mit einem andern Namen ·die christliche Kirche hier auf Erden» da Gott durch sein Wort und seinen— Geist innen re iertz in derselben Kirche, sofern du nicht ein sonderlich mt hast, da »Gott das· Unrecht strafen heißt, soll es also gethan sein, daß immer einer »dem andern vergeben und keiner -s"ich»rackzen, sondern jeder Barmherzigkeit und Freundlichkeit seinem Nizchsten er- zeigen· foll, wo er’s bedarf. (Luther».) Der Honig, der mit seinen Kuechten rechnen wollte, ist Gott, die Knechte find wir: da er jeden! von uns sein· Gut gegeben hat, dagaig zu wizthsschåftknä sg nilissen gut; atnclä dxn Ertrtag ewinn e u e rin en a in ie gu en Werke, welche Gott von unå verlangt. Er läßt uns wirthschaften auf eigene Verantwortung, aber von Zeit zu Zxit fordert er feine Knechte vor» ch und laßt sich die eehnungen oorlegem Das geschieht,»wenn er uns in unserm Gewissen ·zur Rechenschaft zieht iind alle unsre· Werke. in das Licht seines Anjgeesichtes stellt; denn es giebt Zeiten, da mer en wir die des lebendigen Gottes, des Richters über alle, und horen die Stimme: thue Reshnung von deinem Haushaltenz (Mitiikel.) Wir nehmens ost so leicht, sonderlich mit Gedanken und Worten; Gott aber rechnet anders als wir, »und vor ihm ist nichts· verborgen und nichts wird übersehen. So ost sein heil. Gesetz mahnend an unsre Herzen klingt, will er mit uns rechnen; so oft ein Tag dahin ist und ein Jahr feinen Lauf vollendet hat, ist es eine Erinne- rung für uns, daß Gott Abrechnung halten will; so oft wir zur Beichte kommen, sollen wir deß gedenken. Wir aber schieben die Abrechnung so gerne hinaus, bis der HErr am Ende unsre Rechnnng schließt durch den Tod; am jüngsten Tage ioird dann unser Sihuldbuch uns vorgehalten werden, wenn wir’s auch hier auf Erden niemals sehen wollten. (Diessenbach.) Die Knechte sind natürlich keine Sklaven, auch zunächst nicht einmal ge- meine Unterthanen, sondern Kroiidiener und Minister; ihre Rechnung zeigt in der ungeheuern Summe sozu- sagen »kiinigliche Schulden«. Die nächste Anwendung bezieht sich folglich auf die Apostel und Großen in der Gemeinde, die desto mehr fehlen können, je mehr ihnen anvertraut ist; doch wird damit die fernere Anwendung aus jedes Menschen Rechnung vor Gott nach seinem hohen Berufe nicht ausgeschlossen — viel schiildig sein können ist selbst noch eine Ehre und Würde. Denke man nun an Talente Silber-s oder Goldes, immer find zehntausend soviel, daß auch Haman in Esth. Z, 9 aller Juden im Lande Reichthum, recht viel zu, sagen, so hoch anschlägt. Die sah! entspricht wohl als sprich- wörtlich roße dem »sie zigmal siebenmal«; doch weil vom Re nen die Rede ist, will der HErr zugleich sagen, daß Gott unsre Sünden wirklich zählt und wägt. Wahrlich, schon die Zahl ist für uns unzählbar, und das schwere Gewicht jeder mitzählenden Sünde schon ein Talent; denn es giebt keine sog. kleinen und leichten Sünden. Gott will rechnen mit seinen Knechten, und er muß es wollen, obgleich er nur die Rechnung zieht, um sie zu quittiren, die Schuld nur zur Erkenntniß bringt, um sie zu vergeben (Jes. I, 18): ohne Rechnen kein Erlassen, es giebt hier kein Vergehen und Quittiren in Bausch und Bogen, unbesehen. (Stier.) Ueber die Höhe der Schuld nach unsrer Geldwährung streiten fich die Ausleger; für uns ist nur von Juteresse zu erken- nen, wie durch die verschiedenen Angaben die Schuld des Kiiechtes als eine ganz unermeßliche hervortritt —- ,,wer kann merken, wie oft er sehle?« (Ps. 19, 13) Boos berechnet diese Schuld aus eine einfache Art; er fast: Der Gerechte fällt des Tages siebenmal (Spr. 24, 1 ); weil nun das Jahr 365 Tage hat, so fällt er in einem Jahr schon 2555 Mal — wie oft in seinem ganzen Leben? Augustiniis gedenkt bei den 10,000 Pfund an die 10 Gebote und läßt jedes 1000 Mal von uns übertreten werden — ein recht praktischer Fingerweisi (Nebe.) Wenn Gott Rechnung halten will, so läßt er die Predigt von seinem Gesetz ausgehen, durch welches wir erkennen lernen, was wir schuldig sind; als wenn Gott zum Gewissen sagt: »du sollst keinen andern Gott gaben, sondern mich allein für Gott halten, mich lieb abeii von ganzem Herzen und dein Vertrauen allein auf mich setzen« — das ist die Rechnung und das Re- gister, dariii geschrieben steht, was wir cschuldig sind. Das nimmt er in die Hand, liest es uns er und sagt: siehe, das sollst du thun, du solltest mich allein stirchten, lieb haben und ehren, du solltest allein auf mich ver- traiien iind dich des Besten zii mir versehen; so thust du das Widerspiel nnd bist mir feind, glaubst nicht an mich und setzest dein Vertrauen auf andere Dinge —- summa Summen-um, da siehest du, daß du keinen Buch· staben vom Gesetze hältst. Wenn nun das Gewissen solches hört und das Gesetz recht an Einen kommt, so sieht der Mensch, was er schuldig ist zu thun und nicht ·ethan hat, wird gewahr, daß er keinen Buchstaben ge· halten habe, und muß bekennen, daß er nicht einen Augenblick Gott geglaubt oder eliebt habe. (Liither.) Zu bezahlen hat der Kuecht freilich nicht: wo wollte es der Sünder hernehmen, der wohl in Sünden fortfahren und neue Sünden häufen , aber nicht Eine Slinde ab- 264 Evangelium Matthäi 18, 28—30. tragen kann? Aber einigen Ersatz soll er leisten; er soll fühlen, daß man nicht ungestraft das Gesetz Gottes brechen darf, damit er feinen Muthwillen verlernt und Gott fürchtet. Er soll mit Weib und Kind, nnd allem, das er hat, in die Sclaverel verkauft werden; aus des Königs Diensten verstoßen, soll er sein Gut und seine Freiheit verlieren und in Miihsal und harter Arbeit sein eben zubringen. Das ist ein schweres Schicksah von Gottes Angesichte verstoßen und ein leibeigener Knecht der Welt und ihres Fürsten zu sein; ist das auch noch nicht das äußerste Verderben, so ist es doeh der gerade Weg dahin, nnd das ist der verdiente Lohn derjenigen, welche sich an dem guten großen Gott versündigen und ihm nicht die Ehre geben, ihn über alle Dinge zu fürchten, zii lieben und ihm zu vertrauen. (Miinkel.) Der zu erwartende Kausschilliiig reicht natürlich nicht aus, den enormen Schaden zu decken; darauf ist es aber auch gar nicht abgesehen, es soll Recht und Gerechtigkeit geübt werden, es werde der Schaden ersetzt oder nicht. Der Mensch handelt häufig so , daß er den Schuldigen laufen läßt, weil er von ihm doch keine Wiedergut- machung erwarten darf: Gott der HErr handelt nimmer so; er erleidet, wenn ein Knecht ihm auch 10,000 Talente durchbringt, keinen Schaden, denn er ist der Herr über alles, aber er will, daß das Recht dem widersahre, welcher sich an ihm vergangen hat. (Nebe.) Ehe der König mit ihm Rechnung hält, hat der Kuecht kein Ge- wissen, fühlt die Schuld nicht und wäre nimmer hin- gegangen zu bitten, hätte mehr Schuld gemacht und nichts darnach gefragt; da aber die Rechnung gehalten ist und fein Herr heißt verkaufen ihn, fein Weib u. s. w. und bezahlen, da fühlt er’s und siehet beides wohl, seine große Schuld, darnach sein Unvermögen »und die Strafe, darum fällt er vor dem Herrn nieder, betet ihn an und spricht: Habe Geduld mit mir. Das nennen wir zu deutsch ,,zu Kreuze kriechen« und Gnade begehren: das will der HEriz daß wir’s lernen sollen, so wir an- ders von der Schuld wollen ledig werden; denn wer die Schuld nicht bekennen, sondern leugnen wollte, wie die Pharisäer thun, die sich für fromm und gerecht halten, der würde feine Sache nur ärger machen. (Luther.) Was aber hat der Knecht eigentlich fiir Gedanken, wenn er spricht: »ich will dir alles bezahlen l« — Alles be—- zahlen, 10,00() Pfund: wo will der Bettelmann die hernehmen? Judessen, wenn ein Mensch in Angst und Noth ist, so muß man seine Worte nicht auf die Gold- wage legen; fein eigentlicher Sinn geht wohl dahin, daß er seine Wirthschaft bessern und den angerichteten Schaden nach seinem Vermögen wieder gut machen will. Und das ist ja ein löbliches Versprechen; nur sieht man es dieser Art Buße an, daß sie noch recht schwach ist. Der Knecht sucht fein Heil nicht blos in des Königs freiem Erbarmen, sondern auch znm guten Theil in sei- nem eigenen Thnn und Werk; er will einen Theil der Schuld tilgen und hofft dai1n für den andern Erlaß zu bekommen. Er ist darin vielen unserer Christen gleich, welche sich der Vergebung ihrer Sünden getrösten, weil sie ihre Sünden bessern und gute Werke thun; die sind auch bisweilen so kühn, daß sie Gott goldene Berge versprechen und nie wieder sündigeii wollen, wenn er ihnen für dies Mal die Schuld erlassen willkk Sie wissen noch nicht, daß beides ein Gnadengeschenk Gottes ist, die Vergebung der Schuld nnd die Besserung des sünd- haften Lebens; wir müssen Gott daher um beides bitten, wie im heil. Vaterunser aus die 5. Bitte als G. folgt: nnd führe uns nicht in Versuchung (Münkel.) Der arme Tropf ist der erste Papist gewesen, der von eigenen Ge- nugthuungen schwatzte, nur mit dem Unterschied, daß jener es in der Angst und Verwirrung sagte, diese aber aus ernster Meinung es behaupten wollen. Man sollte am eigenen Bezahlen gän lich verza en und sich auf lauter Gnade und Barmherzigkeit erufen. (Rieger.) Das ist ein goldener Vers (27): »Da jammerte den errn desselbigen Knechts und ließ ihn los, und die chuld erließ er ihm auch;« den sollten wir wohl zu Herzen fassen, denn hier wird uns mit kurzen Worten als in einer Summa das ganze Evangelium oorgestelly welches ja nichts anderes ist als die frohe Botschaft, daß Gott unseres Elends sich erbarmet hat und hat Gnade für Recht ergehen lassen und unsre Schuld ver- geben. Jhn jammerte unser, darum hat er seinen ein- bornen Sohn dahiiigegeben, und hat uns losgelassen, weil Jesus sich als Bürge eingestellt hat; die Schuld ist erlassen, weil Jesus Christus sie für uns bezahlt hat; der Schuldbrief ist mit dem Kreuze durchstrichem wir dürfen nur im Glauben annehmen, was Gottes freie Gnade uns darbietet. Darauf weist uns die hl. Schrift immer wieder hin, und wir können’s nicht oft genug erwägen, daß wir gerecht und selig werden durch die freie Gnade Gottes in Christo Jesu. (Dieffenbach.) Der römischckatholifche Glaube und das natürliche Herz stimmen tresslich auch ohne Wiedergeburt, der evangelifche Glaube nnd das menschliche Herz nur mittels der Wie- dergebnrt. Die Papisteii sagen von einem Evangelischem der katholisch geworden, er sei (in den Schooß ihrer Kirche) zurückgekehru ganz richtig, der katholische Sinn und Glaube ist die alte-Haut, die hat jeder in der Christenheit von aus oder Natur aus — evangelifch nach Sinn und Glau en wird der Mensch erst dnrch den heil. Geist. (Eberle.) «) Hiernach bedarf das 1. Formular zum Sündenbekenntniß in der Prß Agende eine Aenderungz »und nie mehr zu sündigen.« 28. Da lals ihm eben erst solche Barmher- zigkeit von feinem Herrn widerfahren war und ihm doch das Herz noch voll sein mußte von dessen Gnade, die überschwänglich mehr an ihm gethan, als ·er selber zu bitten sich getraut] ging der- selbige Knecht hinaus [aus des Königs Schloßj uud fand sauf dem Wege nach Hause] eisueu seiner Mitknecht« der war ihm hundert Groschen sgriech Denare åi 772 Gr. = 25 Thlix L. Mos. 30, 13 Anm., nach anderer Berechniing F 20 Thus. 22 Gr.] schuldig; nnd er griff ihu au lsich auf ihn los stürzend, als hätte· er einen guten Fang gemacht] uud wurgete ihn sfaßie ihn beim Halse oder der Kehle, um ihn so- fort vor Gericht zu schleppen] und sprach: Be- ahle mir [gleich hier auf der Stelle], was Jugend] du mir schuldig bist srein bis aus den letzten Heller, oder ich schleppe dich flugs vor den Richter) 29. Da fiel [iiun, unbewußter Weise ihm das Bild vor die Seele führend, wie er so kurz vorher selber in großer Angst und Noth vor dem König gelegen V. 26] sein Mitknecht nieder— svor ihm zu seinen Füßen] und bat ihn und sprach [wiederum ganz unbewußt dieselben Worte brauchend, die er selber vorhin geredet]: Habe Geduld mit mir; ich will dir alles bezahlen snur daß das hier keine leere Vertröstung, kein unerfüllbares Versprechen war, wie vorhin das seine, sondern nach kurzer Frist jedenfalls auch erfüllt worden wäre] Das Gleichnisz vom unbarmherzigen Knecht. 265 30. Er wollte aber nicht sGeduld haben und Barmherzigkeit üben], sondern ging hin sihn wirklich in aller Form des strengen Rechts vor den Richter schleppendj und warf ihn fkraft des richterlichen Spruchs, den er sich ausgewirktj in’s Gefängniß, bis daß er bezahlen, was er schuldig war Ida mußte derselbe aber natür- lich liegen ohne Hoffnung, das; anders als mit seinem Sterben sich die Thüren des Gewahrsams jemals für ihn wieder öffnen würden]. Von dem Danke, welchen der Knecht seinem Herrn mit Worten etwa abgestattet, schweigt Jesus; denn er hat von einem Danke zu erzählen, der in Werken ge- schieht und der jedes Wort über jenen ersten geradezu überflüssig macht. Aus der Königsburg iß. der Knecht kaum herausgetreten, zu Weib und Kind ist er noch nicht heimgekehrt, keine Zeit konnte die frommen Vor- sätze, die er gefaßt, die Eindrücke, welche er empfangen hatte, vermischt haben; er mußte noch ganz hingenom- men sein von seines Herrn Gnade, erz und Mund mußte mit den Worten des Psalmisten (103, 1 ff.) jubeln: ,,Lobe den HErrry meine Seele 2c.« Da sindet er einen seiner Mitknechtq also einen Knecht, der, wie er selbst, auch jenem großen Herrn und König dient: sollten wir nicht erwarten, daß sich jetzt das Herz des Knechts weit aufthut, um mit feuriger Zunge seinem Mitknecht das Lob seines Herrn ozn verkündtgen? Dieser Mitknecht ist unserm Knechte I Denare schuldig: was find 100 Denare gegen 10,000 Talente? eine Bagatelle! Wir erwarten, der Knecht, welchem Barmherzigkeit widerfahren ist, wird an diesem seinem Mitknecht Barm- herzigkeit erweisen: erkennt er nicht die Hand Gottes, welche ihm diesen Mitknecht zuführt, daß er Gelegenheit habe, seinem Herrn und König an dem Geringften seiner Knechte seinen Dank zu bezeugen? Aber was geschieht! — kaum daß der. Knecht seinen Mitknecht wahrgenommen, da gedenkt er an dessen Schuld, stürzt auf den Schuldner los, packt ihn an nnd dreht ihm den Hals um. (Nebe.) Dieser arge Knecht hier, den der HErr zum warnenden Beispiele ftellt, hatnichts gelernt, hat die Gnade gar nicht im Herzen verstanden und angenommen, sondern trägt sie als einen Raub davon; er geht hinaus, sobald er kann, fertig und froh, daß er nur los ist, es wieder zu treiben, wie vorher. Er findet, wie wir alle bei jedem Schritte finden, wenn wir es suchen, einen seiner Mitknecht« mag’s ein Geringerer sein gegen seine hohe Stellung zum König, in der er so große Schulden machen konnte, doch ist auch der Tagelöhner des Königs Unterthan, an dem man sich nicht vergreifen kann, ohne den König zu erzürnem Hier kann die Schuld jeden- falls nur gering sein im Verhältniß zu jener großen; denn der leichtsinnige Prasser aus des Königs Kasse hatte wohl viel zu verschwendeuLust und Fähi keit, aber wenig Andern zu borgen. Erst jetzt, wo im durch seine Rechnungslage das Erlassen oder Bezahlen in’s Bewußtsein gerufen worden, denkt er an seine Activa, wohl gar im Gleichniß, um damit für das abgewiesene Bezahlen dennoch so viel als möglich beizutreibeiy welche äußerste Verkehrtheit dann im tiefsten Hintergrunde dem pharisäischen Sinn entspräche, der durch Strenge des harten Gerichts über den Nächsten sich vor Gott erecht machen will; das Nächste jedoch bleibt die nach leich- nißweise bezeichnete Verkehrtheit überhaupt, sich nicht zu erbarmen, wenn Gott sich unser erbarmet hat (Sir. 28, 3 f.). Der König verwies für sich auf das Gesetz Jsraels (V. 25); der Knecht wendet gegen den ge- meinen Mann, seinen Mitknecht, das noch schärfere römische Recht an, welches dem Gläubiger erlaubte, den Schuldner am Halse gepackt vor Gericht zu führen. (Stier.) Wir sollen doch den Schaden und Uubilligkeit, so uns von Andern widerfahren, recht ansehen und wohl bewegen, so werden. wir gewißlich befinden, wenn wir’s auf die Goldwage legen, daß die Schuld, so wir egen unsern HErwGott haben, wird sein wie 10,000 fund gegen 100 Groschen, die uns unser Nächster schuldig ist. So will nun der HErr sagen: Wenn ihr leich euern Schaden wollet so hoch aufmutzem darum eu dünkt, ihr habt Ursach zu zürnen: was isks denn? es ist noch nicht ein Gulden gegen die 100,000 Gulden, die ihr unserm HErpGott schuldig seid. So denn Gott gegen euch das Auge zuthut —— er will solche große Schuld nicht rech- nen noch ansehen: wie könnt ihr denn so unbarmherzige harte Leute sein, daß ihr nichts nachlassen und alles so genau nehmen-wollt? Thuks nicht um Gottes willen! eget eure Sünde auf eine Wage, und eures Nächsten auch, und thut nicht mehr denn euer himmlischer Vater » mit euren vielen und großen Sünden gethan hat, so seid ihr rechte Christen. (Luther.) Warum unsre Schuld gegen Gott so unerschwinglich hoch angesetzt ist? Es ist Gott, der majestätische, unendliche Gott, gegen den wir sündigen; und so groß Gott ist, so groß ist auch unsre Sünde. Was will dagegen die Schuld der Knechte unter einander bedeuten? so weit Gott von dem Men- schen absteht und so tief der Mensch unter Gott steht, so weit und tief muß beiderlei Schuld geschieden werden; was unser Bruder uns zu Leide thut, ist nicht der Rede werth gegen das, was wir Gott zu Leide thun — man könnte sogar fragen, ob die Summe von 100 Groschen nicht noch zu hoch angesetzt wäre. Viele giebrs nun aber, die dem harten Mann, der unnachsichtlich seine Schulden eintreibt und nur vom strengen Rechte wissen will, obgleich er doch selber sich nur in das Guadeurecht hat werfen können, leider nur zu ähnlich find! Sie haben ein gutes und genaues Gedächtmß für alles, was ihnen an ethan ist, nnd das Gedächtniß erlischt nicht, wenngleich ihre übrigen Kräfte erlöschen; sie tragen sich damit herum und suchen jede Gelegen eit auf, wo sie ihrem Nächsten schaden und ihm sein nrecht nicht ein- fach, sondern zehnfach vergelten können. Sind sie grobe Leute, so fahren sie plump und geradezu damit heraus; sind sie feine Leute, so rächen sie sich mit Spott und Stachelreden und treten ihrem Beleidiger heimlich über- all in den Weg, um ihn an seinem Fortkommen zu hindern und seine Pläne zu vereiteln. Mit leiß helfen sie dazu, ihn zu würgen, und mit Luft se en sie sein Mißgeschick; will aber ihr Beleidiger sich mit ihnen ver- söhnen, so werfen sie ihn so weit weg, daß ihm der Muth vergehen muß, sich ihnen zu nähern, und geschieht es dennoch, daß es zu einer Versöhnung kommt, so machen sie ein leeres Schauspiel daraus und sprechen mit dem Munde etwas, dazu das Herz Nein sagt. (Münkel.) Ein Gewerbsmann in Westphaleu hatte einem entfernten kleinen Handwerker jahrelang Garn ge- liefert und keine Bezahlung von ihm erhalten, so daß die Schuld bis über 50 Thlr. anwuchs; der Gläubiger, selbst nicht eben reich, machte sich endlich persönlich auf den Weg, sein Geld einzufordern und nöthigenfalls mit Hilfe des Gerichts einzutreiben. Er tritt in die Stube des Schuldners und trifft da die Spuren der äußersten Armuth, des tiefsten Elends; besonders fällt ihm ein zerlumpter, verwahrloster Knabe auf. Er besinnt sich nicht lange: Lieber Meister, spricht er, ich sehe wohl, mein Geld bekomme ich nicht, ich will also euern Sohn hier an Zahlungsstatt annehmen. Der arme Mann wußte zuerst selbst nicht, was er ans diesem Antrag machen sollte, und war dann freudig erstaunt, als sein Gläubiger ihm die Schuld erließ und sein verwahrlosies 266 Evangelium Matthäi 18, 31—-35. 19, I. 2. Kind in Pflege und Erziehung nahm. Fürwahr, ein schönes Gegenstück zu dem Gläubiger in unserm Gleich- · nißl (Gerok.) 31. Da aber feine Mitknechte [die, wie sie vorher Zeugen seiner Begnadigung von Seiten des Königs V. 27 gewesen, so nun auch Zeugen seiner Ausführung gegen den eigenen Schuldner V.»30 waren] solches [was in letzterer Beziehung von ihm geschah] sahen, wurden sie [diese Hei: ligen, welchen Gottes Gnade ein ,,Wunderding« ist, die aber unter den Andern, welchen fie »gering« scheints wie die Rosen unter den Dornen stehen] « sehr betrübt [über einen derartigen Mißbrauch des edelsten Kleinods für arme, elende Sünder, wie die Menschenkinder alle sind und deren jener Knecht als ein vornehmster erfunden worden war], nnd kamen und brachten vor ihren Herrn kes ihm haarklein auseinandersetzend] alles, was sich be- geben hatte sweil sie nicht dulden mochten, daß die Gnade so. schnöde verachtet und im Besitz des Verächters ferner gelassen würde]. «) Vgl. V. 7 des Liedes: Aus Gnaden soll ich selig werden -—. 32. Da [denn ,,gleichivie frommer Leute Fürbitte nicht umsonst ist, so ist der gemeine Fluch, das gemeine Klagen über die Bösen auch nicht vergebens« Hebt 13, 17] forderte ihn sein err vor chsich und sprach zu ihm: Du Schalkskne t.[Jer. 23, 11 Anm.], alle diese Schuld [die sich auf deiner Seite mir gegenüber herausgestellh als du das vorige Mal vor mir stiindeft V. 241 habe ich dir erlassemdieweil dn mich batest snicht blos dir Geduld gewährend, bis du mich bezahlen, könntest, sondern mich deiner erbarmend als eines, der das doch niemals würde vermögen]; 33. Solltest du denn [aus Pflicht der Dankbarkeit gegen mich] dich nicht auch erbar- men über deinen Mitknecht sder dich, um Ge- duld bat], wie ich mich iiber dich erbarmet habe sdaß du ihn nicht blos los gelassen, sondern ihm auch die Schuld erlassen hättest]? 34. Und sein Herr [der vorher schon so viel Ursach gehabt hatte über ihn zu zürnen, statt dessen aber die Gnade und das Erbarmen hatte walten lassen] ward sieht, wo die auf Muthwillen ge- zogene Gnade nothwendig in das Gegentheil um- schlageii mußte] zornig und iiberantwortete ihn [indem er nicht blos einfach ihn in Gefängnis-hast legte, sondern nach peinlicher Gerichtsordnung mit ihm ver- fuhr] den Peinigern [Folterknechten], bis daß er bezahlete alles, was er ihm schuldig war. Es sind auch giitartige Mitknechte da, welche besser verstehen, was dem Köng an seinen Unterthanen wohl- esällt, welche des hart ehandelten Partei nehmen mit lgyerzlichem Erbarmen und nicht umhin können, die ganze sie betrlibende Geschichte ihrem Herrn, mit dem sie in dem traulichen Verhiiltniß gleicher Gesinnung sieben, kund thun (,,Strenge aus Erbarmen gegenüber der ärte aus Erbarmen«: P. Lange.). Das sind die rommen, die tlber alle Lieblosigkeitvor ihren Augen zum Gott der Liebe seufzen; der HErr will uns mit diesem Zuge des Bildes lehren, daß jedenfalls nicht blos nach der Allwissenheit, sondern auch auf diesem vers— mittelnden Wege, uns zur tieferen Beschämiing unsre neue Schuld, wenn wir nicht Schulden vergeben, vor Gott kommen muß. Da mnß sich der Unbarmherzige nicht blos vor dem Allbarmherzigem sondern schon vor den barmherzigen Mitlnechten schämen, und schon darin liegt-sein überslihrendes Urtheil: warum du nicht auch also? Der sündige Mensch trauert (Ps. 119, 136), der Unterthan wird betrübt und klagt’s dem hErrnx aber Gott selber, der König in seiner Majestäy zürnet und schilt den Knecht einen »argen« ——- jetzt erst arg im eigentlichsten Sinne des Worts, früher noch nicht bei allem mutbtvilligen Schuldenmachen in der Verblendung jetzt aber, weil der keine Barmherzigkeit übt, dem sie doch selber widerfahren. Denn das ist die Krone unsrer Verworfenheih daß wir bei Gott Bettler, ge en unsre Mitbrüder aber Tyrannen sind. (Stier.) ott kann viele Schwachheiten und Gebrechen an den Seinigen tragen, er vergiebt selbst schwere Sündensltllh wie er dem König David seinen Mord und Ehebruch und dem Petrus seine Verleugnung vergeben hat; denn es ist keine Sünde so groß, daß sie nicht vergeben werden könnte, wenn der Sünder Buße thut und um Vergebung bittet. Das bezeugt dieses Gleichniß selbst, und das hält der König dem Schalksknecht noch einmal ausdrücklich vor. Anders hingegen ist es mit der Sünde »der Un- vers öhnlichkeih daß jemand seinem Bruder nicht ver- geben will, der ihn darum bittet· Diese Sünde gehört zu den himmelschreiendem denn sie steigt aus zu dem gerechten Gott und läßt ihre laute Stimme sammt der Stimme der betrübten Gemeinde vor seinem Throne hören, daß Gott den Schalksknecht vor sein Gericht sor- dern muß· Alle andern Sünden, wenn sie bereut wer- den, so werden sie aucb gebessert und hinweggethanz aber diese Sünde will weder sich selbst bessern lassen, noch Besserung von Andern annehmen, fie will ungestraft und ungebessert sein. Und doch ist sie so schändlich, daß sie die Gnade Gottes verachtet nnd ihr nicht dankt, alle Liebe und alles Erbarmen in sich erstickt und erwttrgtz und die Einigkeit der Gemeinde zertrennt und den Frie- den in Krieg verkehrt. Will Gott seine Gemeinde retten nnd sein Evangelium nicht gar zu Grunde gehen lassen, so muß er mit Ernst drein sehen und dieser Sünde ein Ziel setzen. Die unbußsertigen Menschen meinen freilich, nachdem der HErr ihnen alle Schuld erlassen, dllrfe er sie nicht wieder einfordern; sie lassen sich die Sünde vergeben und glauben, darnach ihr Slindenleben wieder von vorn anfangen zu können, weil die alte Schuld sie nicht mehr drückt nnd für die neue guter Rath ist, wie für die alte. Sie sollen aber hier lernen, daß mit der neuen Schuld die alte wieder lebendig wird, daß diese neue, da einer seinem Mitknecht die 100 Groschen nicht nachlassen will, ihm angerechnet wird wie die 10,000 Pfund; diese iniissen jetzt be ahlt werden, und zwar, weil das eine unendliche S uld ist, damit, daß der Schuldner ewige Pein leidet, es ist also eine wirkliche Bezahlung, a er eine solche, bei der die Zahlung kein Ende nimmt. (Mlinkel.) Die Rache dünkt zwar oft den Menscheii süß, aber ach! sie ist nur überzuckertes Gift, nur versüßte Galle, und ihr Nachgeschmack ist bitter wie die Hölle; süß nnd beseligend ist allein die ver- gebende und tragende Liebe, sie hat Frieden und das Bewußtsein der göttlichen Gnade, indem sie vergiebt giebt sie gleichsam die Beleidigung weg und vernichtet sie, sie betrachtet und behandelt ihren Beleidiger, als wenn er sie nicht beleidiget hätte, und fühlt die Schmerzen Der HErr wandert aus Galiläa nach Judäa durch Peräa. 267 und Stiche nicht mehr, die er ihr zugefügt hat. Ver- gebung ift ein Schild, an dem alle feurigen Pfeile der Boshaften ohnmächtig abprallem (Fr. Arndt.) 35. Also [wie in diesem Gleichniß der König ein unbarmherziges Gericht ergehen ließ über den, der nicht Barmherzigkeit gethan Jak. 2, 13] wird euch [den Angehörigen meiner Gemeine, als deren Glied vorhin Petrus geredet V. 21 f.] mein Himmlischer Vater auch thun ffuhr der HEry nachdem er das Gleichniß geredet, sein Wort aus der Bergpredigt Kap. 6, 15 wiederholend, fort], so ihr nicht vergebet »von eurem Herzen, ein jeglicher fernem Metbruder seme Fehle [thut ihr’s aber gleich das erste Mal recht gründlich und aufrichtig, so erleichtert euch das das Vergeben beim zweiten und dritten Fall und macht es euch immer mehr zum eigenen Bedürfniß für alle fol- genden Fälle, so daß ihr das «siebenzigmal sieben- mal« wie von selber lernt]. Wie wir aus Luk. 17, 5 ff. erfahren, fühlten die Jtinger die Kraft ihres Glaubens dem, was der HErr von den Seinen hier gefordert hatte, noch nicht gewachsen und baten ihn, daß er ihnen denselben stärken wolle. Er erinnert sie nun mit einem, dem Ausspruch in Kap. 17, 20 ganz ähnlichen Wort, daß es nicht eigentlich auf das äußere Maß des schon vorhandenen Glaubens an- komme, sondern auf den Besitz des innerlich recht ge- arteten Glaubens; denn der richte schon in Senfkorns- umfang alle dem natürlichen Auge unmöglich fcheinenden Dinge aus. Darnach giebt er ihnen zu verstehen, daß fte diesen Glauben im Grunde noch gar nicht hätten, so lange ihr Herz noch nicht von allem Anfprechen eigener Verdienstlichkeit ihrem Gott und HErrn gegenüber ent- leert sei; und daß das noch nicht der Fall sei, hatte ja Petrus mit feinem: »ist’s genug siebenmal?« wobei er schon das zu einem besonderen Verdienst sich anrechnen, daß er mit seiner Zählung so weit ßch versteige, deutlich genug zu erkennen gegeben. Es ist das Wort des HErrm was er von dem, seinem Herrn in aller Anspruchslosig- keit dienenden Knecht redet, unverkennbar eine Hinwei- sung auf seine eigene dienende Liebe, welche die Jiinger in feinem nun bald bevorstehenden Leiden und Sterben aus’s Höchste witrden steigen sehen; erst auf diesem Grunde würde er dann im Stande sein, ihnen seinen heil. Geist zu schenken und durch diesen den Glauben rechter Art m ihnen zu schaffen. Das 19. Kapitel. Von Etjefcheidunsp Kindern und Llieichlhum l. v. 1——12. (§. an) Jus das eauvynikkuskkt des S. 29 nahe herbeigeleomn1en, haben die Brüder Sesn an ihn die Aufforderung gerichtet, Galiläa zu verlassen und sich der Hauptstadt des Eandce endlich als mefsianischen König zu zeigen Geh. 7, 1ff.); er hat ste abgewiesen mit dem siebenten, daß er auf dieses Fest nicht für solchen Zweit« in Jerusalem ersrheinen werde (eiue mesfianisctje Selbst— ertilärung an die heil Stadt hatte er erst für Ostern des I. 30 nor, vgl. Kap. 2l,1 ff.). dlachdem sie aber ihrer— seits abgeteilt sind, beginnt unmittelbar darauf für ihn die Zeit, da er sollte von hinnen genommen werden Gute. O, 51), in ihrem allerersten Anfange; denn seit dem Auftreten Johanuis des Täufers Gan. 3,1ff.) sind uuu Zootte Jahre verflossen, und ist also die Mitte jener Jahrwoche herbeigetkommem von der iu Don. S, 27 die Rede; er verläßt also Galiläa und gelangt auf dem Wege, uiie er aus §. 70—87 der nachfolgenden chtonotogischen llebersicht zu entnehmen, zuerst nach Jerusalem und Judiia uud dauu zu Kafang des I. 30 nach Ilerda: hier hat er mit Pharisäern das Gespräch iiber die Ehesch eiduu g. Ware. 20, 1——12; kalt. M, 14——1t3.) 1. Und es begab sich, da Jesus diese Rede snicht blos die unmittelbar vorhergehende in Kap.18, sondern auch alle früheren seit Kap. 5 — im Grund- text liebt: diese Reden] vollendet [und nunmehr — in den ersten Tagen des Oktober a. 29 n. Chr. — seine prophetische Thätigkeit in Galiläa zum Abschluß gebracht] hatte [wie er später in Kap. 26, 1 für Judäa unt; Jerusalem sie abschloß], erhub er sich aus Galilna fes für jetzt, bis er würde von den Todten auferstanden sein Kap. 26, 32; Es, 7., gänzlich verlassend], und kam fnakh etwa einem halben Jahre] in die Grenzen des judischeii Landes [in das Gebiet der Landschaft Judäa, das er denn bei der Ankündigung in Kap. 20, 17 ss. auch wirklich betrat], jenseit des Jordan kreisend, oder auf dem Wege durch Peräa kam er dahin]. 2. Und es folgte ihm [auf dieser seiner Reise durch Peräaj viel Volks nach sgerade so wie bei seinen vormaligen Wanderungen durch Galiläas und er bettete sie sdie Kranken, die-man] daselbst fzu ihm brachte, vgl. Kap. 4, 24; 8, 16; 9, 353 l2,15; 14, 45 ff.]. Sahen wir auf Grund der Uebersicht zu Kap. S, l bei allen Abweichungen im Einzelnen dennoch im Großen und Ganzen eine wesentliche UebereinsiimmuM unter den drei ersten Evangelisten in den Abschnittem atth.4,12 —18, 35; Mark. 1, 14—9, 507 Luk. 4, 14——9, 50., so begegnet uns von da an bis zur letzten Reise nach Jerusalem, wo die Uebereinstimmung wieder hervortritt (Matth. 20, 17 ff.; Mark. 10, 32; Luk. 18, 3l), eine solche Berwandtschaft nur in den Abschnitten: Matth. 19, 1-20, 167 Mark. 10, 1—31 u. Luk. 18, 15——30. Allerdings erzählt Matthäus hier am reichhaltigstem Lukas am kiirzesten, doch springt die Gemeinsamkeit des Stoffgebiets sofort in die Augen; dagegen giebt Las. 9, 51 —18, 14 einen Reifeberichh der in seiner Abwicke- lung erst aus den in Joh. 7, 1 - 11, 54 mitgetheilten Begebenheiten uns zur Klarheit kommt. Während nämlich die zwei ersten Evangelifiem Matthäus und Markus, nur die Wirksamkeit Jesu in Galiläa dar- stellen wollten, um sodann ohne Weiteres auf die Ge- schichte seines Leidens und Sterbens in Jerusalem ein- schließlich der Auferstehung am dritten Tage iiberzu ehen, wobei sie den zwifcheninneliegenden Aufenthalt in eräa nur als bloßen Uebergang behandelten, hat dagegen der dritte Evangelist, St. Lukas, gerade diesen Aufenthalt in Peräa mit Vorliebe in’s Auge gefaßt und die srtihere Wirksamkeit in Galiläa dergestalt als Vorbereitung dazu behandelt, daß er manches aus derselben erst jetzt bei- bringt; und wenn nun, wie er auch wirklich thut, die Wirksamkeit in Peräa nur als Vorstufe zu dem, was in Judäa und Jerusalem vollendet werden sollte, sich be- handeln ließ, so war damit von selber ein Eingreifen in dasjenige Gebiet gegeben, welches hernach der vierte Evangelist fast ausschließlich bearbeitet hat, in die Zeit der Wirksamkeit Jefu in Judäm Diese theilt sich in 2 Hauptabfchnittq welche in ,Joh. 6 ihren Markstein 268 Evangelium Matthäi is, 2 Anm. haben, in die Wirksamkeit vor und nach der in Galiltia; auf die letztere, von Joh. 7 ab beschriebene kommt es denn hier an. Wir haben bereits zu Kalt. 12, 22 n. 16, l darauf aufmerksam gemacht, wie der Abschnitt Luk. I, 51-— 13, 9 theilweis (Kap. 11, 14-— 12, 39) Nachträge aus der galiläischen Wirksamkeit enthält, im Uebrigen aber (Kap. I, 51—11, 13 u. Kap. 13, l—9) in dieselbe Zeit fällt, die in Joh. 7, 1—— 10, 42 vor- liegt, nur daß Johannes die Anwesenheit Jefu in Jeru- salem und in der Landschaft Judäa, Lukas dagegen die Reise dahin auf dem Wege durch Peräa (s. oben V. 1) in’s Auge faßt. Gleithen wir beide Evangelisten mit einander aus , so erzählt zunächst Joh. 7, l — 10 (vgl. §. 69 auf S. 134) das, was dem Ausbruche Jesu von Galiläa vorher· ing. Etwa am andern Tage nämlich, nachdem der H rr nach Kapernaum zurückgekehrt war und dort die Verhandlungen mit Petrus und den übrigen Jüngern gehabt hatte (Matth.17,24——18,35), kamen seine Brüder zu ihm und forderten ihn auf, aus seiner bisherigen Verborgenheit herauszutreten, über- haiipt die Landschaft Galiläa zu verlassen und auf das bevorstehende Laubhüttenfest snach Jerusalem zu gehen, um sich dort öffentlich für den Messias zu erklären und den Thron David’s in Vesitz zu nehmen. Wir können nnter diesen ,,Brüdern« weder leibliche Brüder (die hatte Jesus überhaupt nicht K . 2, 23 Anm.), noch seine Vettern (die hatte er, abgesghpeii von Jofes, unter die Zahl der Apostel aufgenommen Kap. 10, 4 Anm. Nr. 9——1l) verstehen; wohl aber haben wir an seine Schwägersleute, die Ehemänner feiner Schwestern zu denken, wozu uns der weitschichtige Gebrauch des Aus- druckes bei den Hebräerm darnach er öfter nur die nächsten Verwandten, Gefreundte und Familiengenofsen bezeichnet, ohne über das Verwandtschaftsverhältniß etwas Näheres anzugeben (1. Mos 13, Z; 24, 27; 31, 23. 32), um so mehr berechtigt, als in Mark. Z, 21 u. 31 ausdrücklich zuvor von solchen die Rede ist, die Jefu Verwandtschaft bildeten, ehe dann das Wort ,,Brüder« von ihnen gebraucht wird, zum Zeichen, daß letzteres in Beziehung auf ihn nur jenen allgemeiiien Sinn hat. Was nun seine Verwandtschaft oder seine Brüder in all- emeinereni Sinne betrifft, so geben die beiden Stellen up. 12, 46 u. 13, 55 f. deutlich zu erkennen, daß so- wohl in Kapernaum als in Nazareth man von solchen Brüdern, die daselbst ihren Wohnsitz hatten, reden konnte. Dort hatten, wie wir zu Kap.8,15 auseinandergesetzy seine Mutter Maria und sein Vetter Joses mit den An- gehörigen des Petrus sich zu Einem Hauswesen zusam- mengeschlofseiy und es erklärt sich nun, warum der HErr in Kap. 17, 24 ff. es mit der Erlegun des Zins- groschens für sich und den Petrus genug sein läßt, ohne auch für die übrigen Jünger zu sorgen, er handelt da eben als der eigentliche Hausherw hier dagegen waren seine Schwestern oder Busen, als daselbst verheirathet- znrückgebliebeiy wie denn auch die Nazarethaner nnr von ihnen sagen: ,,find sie nicht alle bei uns?« während sie von den Brüdern oder Vettern blos die Namen an· geben. Von diesen Schwägersleuten ift nun ohne Zweifel es gemeint, wenn in Joh. 7, 5 gesagt wird: ,,auch seine Brüder glaubten nicht an ihn«; es soll da- mit offenbar gezeigt werden, daß dieselben, wie die meisten ihrer Volksgenossem besonders auch wie ihre Mitbürger zu Nazareth (Kap. 13, 54 ff.), nicht wußten, was sie aus Jesu machen sollten. Einerseits konnten sie dem Eindrucke des Außerordeiitlichem Wunderbarem das an ihm ihnen entgegentrat, nicht widerstehen; sie fühlten wohl, daß er ein Mann sei, der sich ganz zum Messias Jsraels eigne, und hätten es gewiß gern gesehen, wenn er sich dafür auch öffentlich bekannt und dasjenige ge- than hätte, was man von dem, der da kommen sollte, im Volke erwartete, dann, so rechneten sie, falle doch gewiß ein gut Theil Ehre und andrer Glücksgüter für sie als seine Verwandten ab. Andrerseits aber konnten sie ihn so , wie er sich gab, nicht als den Messias an- erkennen; dies sein Wesen, wie er es bisher getrieben, führe vielmehr von dem endlichen Durihbruch des messianifchen Reichs immer weiter ab, und werde zuletzt ihm selber ein schmähliches Ende bereiten, wie er denn schon jetzt in Galiläci sich nicht mehr öffentlich zeigen dürfe nnd bereits viele seiner früheren Anhänger daselbst eingebüßt habe. Mit diesem letzteren Umstand verhielt sich’s in der That so: Jesus hat sich seit Kap.15, 1 ff» d. i. seit etwa 4 Monaten, nicht mehr in Kapernaum sehen lassen; die frühere Begei·terung, die für ihn herrschte, daß man ihn sogar ha chen und zum Könige maihen wollte (Joh. 6, 14 f.) , it inzwischen zu einem niedergebrannten Feuer geworden, man fragt noch kann! nach ihm, er ist für die Leute wie verschollen, ja man vermißt ihn nicht einnial. Jiidem seine Brüder oder Schwägersleute von solchem Stande der Din e zu Kapernaum, in ihrem Nazareth drüben hören, t ut es ihnen leid, daß sie früher sich so wenig um den beküm- mert haben, der die Familie aus niedrigem Stande, wie sie meinen, zu hoher Ehrenftellung hätte emporheben können; sie möchten ihn nicht der Gefahr des Verkom- mens, der er nach ihrer Meiniin durch einen falsch eingeschlagenen Weg sich ausgesetzt Hat, überlassen, son- dern in das rechte Geleis bringen, wo dann noch Hoff- nung für ihn sei, zum Ziele zu gelangen, und sie halten für die richtige Bahn die, daß er, statt in Galiläa so zu sagen im Winkel sich zu verbergen, seine Anhänger in Judäa und Jerusalem, die er früher sich gewonnen (Joh. 2, 23; Z, 22 ff.), dann aber gewissermaßen im Stich gelassen (Kap. 4, 12 ff.) , wieder aufsnche und vor ihnen als Messias sich ausweise. Da nun die Zeit herbeigekommen ist, wo bald die Wallfahrten nach Je: rufalem zum Lanbhüttenfest ihren Anfang nehmen, be- geben sie sich nach Kapernaum hinüber, um zu sehen, ob sie nicht dort mit Jesu zusammentreffen können, ihm ihren Rath zu ertheilen und wohl auch bei Ausführung desselben irgendwie behilflich zu werden; sie treffen ihn wirklich dafelbst an, nachdem er kurz vorher von seiner mehrmonatlichen Abwesenheit zurückgekehrt ist, und bringen ihre Sache vor, er aber weist sie ab und bricht erst nach ihrer Entfernung aus Galiläa auf, sich einen Weg wühlend, auf welchen er ,,nicht ofsenbarlich, sondern gleich heimlich« nach Jerusalem gelangen kann. Dieser Weg liegt denn in Luk. 9, 51—11, 13 uns vor: I) Der HErr bleibt auf der Westseite des Jordan und will mitten durch Samaria ziehen; da ihm aber die erbetene Herberge von den Samaritern verweigert wird, zieht er an der Grenze weiter bis etwa nach Salim (Karte W; 2) als er von dort aus feine Reife fortsetzt, meldet sich einer zu seiner Nachfolge, dem er aber nicht erlaubt, zuvor einen Abschied mit denen, die in seinem Hause sind, zu machen, sondern den sofortigen Eintritt in den Dienst des Reiches Gottes zur Bedingung stellt; 3) gleich darauf sendet er die 70 Junge-r, unter denen wohl schon der Neuaufgenomniene sich befindet, nach denjenigen Ortschaften Peräcks aus, nach welchen er später, wenn er sein Vorhaben für Judäa und Jeru- salem ausgeführt, selber zu kommen gedenkt, und zieht mit den Zwölfen in sehr langsamen Märschen das Jordanthal hinab; El) in Jericljo trifft er mit den von ihrer Sendung zurückkehrenden Siebzig wieder zusam- men und erzählt einem Schriftgelehrten,- der ihm eine versiichliche Frage vorgelegt hat, das Gleichniß vom barmherzigen Samariter; Z) sein Weg nach Jerusalem führt ihn über Bethanien, dort kehrt er im Hause der Martha ein und redet von dem Einen, das noth ist; Zur Chronologie des Lebens Jesu. 269 s) noch am Abend kommt er bis an den Fuß des Oel- bergs, verbringt daselbst die Nacht im Gebet und ertheilt am andern Morgen feinen Jüngern den Unterricht vom Gebet. Hier bricht des Lukas Reisebericht ab; in Joh. 7, 14 ss. sehen wir denn Jesum mitten im Fest (Son1i- abend, den 15. Oktober des J. 29) im Tempel austreten, in Joh. 8, 59 aber sich, von den Juden mit dem Tode bedrohet, aus dem Tempel zurückziehen. Schoii mit diesen 6 Abschnitten giebt fich ein großes persönliches Interesse zu erkennen, welches der Evangelist Lukas ge- rade an dem 5. Abfchnitt des Lebens Jefu, wie wir dasselbe uiis eingetheilt haben, genommen, und noch mehr tritt ein solches dann in der Darftellung der Wirk- samkeiLEhrifii in Peräa hervor, welche die übrigen Evangelisten eigentlich ganz bei Seite gelassen haben; das kann nicht zufällig sein, auch iiicht etwa darauf be- ruhen, daß die fchrift ichen Berichte, welche er benutzte, gerade für diese Partie besonders reichhaltig gewefeii waren (denn welche derartige Berichte außer den zwei ersten Evaiigelien sollen wir uns denken, die damit, daß sie für die Kirche verloren gegangen, nicht in die Klasse derer gestellt wären, denen er in Kap. 1, I ausdrücklich sein ei enes Evangelium gegeiiüberstellt?), wir glauben vielme r, daß er von nun an als Augenzeuge redet und fein so . Reifebericht nichts anderes ist als eine Zusam- inenste ng alles dessen, was er von Anfang selbst ge- sehen und gehöret hat (l·. Joh. I, 3). Nachdem er in Kurs. l, 5———2, 52 dasjenige zusammengestellt, was außer dem in Matth. 2 Mitgetheilten aus der Kindheitsge- schichte sonst noch bekannt war, um sein Evangelium »von Anbe inn« (1,3) ordentlich zu schreiben, darauf in Z, 1 ——9, 0 dasjenige wiedergegeben, was die herkömmliche Ueberliefernng (Matth. Z, 1 —- 18, 353 Mark. I, 1—— 9, 50) aus der galiläifchen Wirksamkeit Christi zu be- richten hatte, dabei aber Einiges einstweilen zuriickgelegtz was er in den Reisebricht aufnehmen wollte, beginnt er in I, 51—56 denselben mit der, diesen Abschnitt des Lebens Jefu einleitenden Geschichte, die ihm wohl aus dem Munde des Johannes und seines Bruders Jakobus selber bekannt geworden; in 9, 57——62 verbindet er dann alsbald zwei Vorfälle aus der galiläischen Wirk- samkeit des HErrn (Matth. 8, 18——22) mit der Ge- schichte von seinem eigenen Eintritt in den Dienst des Wortes. Während wir nämlich zu Kap. 8, 22 den- jenigen, der sich zur Nachsolge Jesu mit der Bitte mel- dete: »aber erlaube mir zuvor, daß ich einen Abschied mache mit denen, die in meinem Hause sind,« als einen völlig Unbekannten behandelt haben, tritt derselbe nun- mehr aus seiner Unbekanntfchaft für uns heraus und unterscheidet fich wesentlich von jenem Schriftgelehrten, der. zwar keine Bedingung für seine Nachfolge stellte, dafür aber auf die vom HErrn ihm gegebene Weisung nicht eingehen wollte, fchließt vielmehr mit dem zweiten, in welchem wir den Thomas wieder erkannten, zu einem Gesinnungsgenossen sich zusammen. Es ist freilich zu dieser unsrer Zeit üblich geworden, St. Lukas, den Ver- fasser des Z. Evangeliums und der Apoftelgefchichte, als einen Heidenchriftem dessen Herkunftsort vermuthlich Antiochien gewesen, zu betrachten; dieser Annahme liegt indessen lediglich die Stelle Col. 4, 14 vgl. mit V. 11 zu Grunde (weil Paulus den ·Arisiarchus, Markus und Justus als feine einzigen Gehilfen »aus der Befchnei- dung« bezeichne, folge von selber, daß Lukas nicht auch ein folcher gewesen, sondern aus den Heiden stamme), sie behält a er ihr volles Recht, wenn wir dagegen an- nehmen, er sei ursprünglich allerdings entweder ganz oder theilweis von heidnifchen Eltern geboren, doch dann als Proselyt der Gerechtigkeit (3.Mof.17,9Aiim.) zur jüdifihen Kirche übergetreten und von da aus zur Erkenntniß Jesu Christi gekommen. Und zwar verlegen wir feine Herkunft in eine der zehn Städte (Kap. 4,25 Aiim.s, von denen vielleicht Pella (unter der Voraus- setzung, daß diese einerlei mit dem jetzigen Tubakat Fahl! am Jordan gewesen) die hierher gehörige war; dort lebte er als Arzt und war bereits zum Glauben an die ineffianifche Herrlichkeit Jesu gelangt, als dieser nach der, von Seiten der Samariter verweigerten Auf- nahme in die Nähe feiner Wohnstätte kam , faßte den Entschluß, sich ihm als Nachfolger anzubieten, und ward auch, weil er den ernsten Vorhalt, den der HErr ihm darauf machte, zu würdigen verstand, zum Jspünger an- genommen und bald darauf als einer der Siebzig mit ausgefendeh Was besonders für feinen Glauben ent- scheidend gewesen, ist allem Anfchein nach dasjenige aus der galiläifchen Wirksamkeit Christi, was er an ver- fchiedenen Stellen feinem Reifebericht einverleibt und damit, wenn auch nicht gerade als Selbstgefehenes oder Selbstgehörtes, doch als etwas hat bezeichnen wollen, daran er selbfteigenen Aiitheil nehme. Jn 1,1 f. nennt er nämlich die Thatfachen der evangelischen Geschichte folche, »die unter uns vollendet worden (Luther: ergan en) sind-«; das »unter uns« giebt zu verstehen, daß, evor es zu dieser ,,Vollendung« kam, er bereits zu dem heiligen Kreis der Jünger und Jtiiigeriniieii Jefu (vgl. 24, 22 u. 24: ,,etliche Weiber der unsern« nnd ,,etliche unter aus«) gehörte, er also von da an, wo dieselbe eintrat, als Augenzeuge im Gegensatz zu denen, die »sich’s unterwnnden haben, zu stellen die Rede von jenen Gefchichten«, schreibe, und wenn er nun gleich beim Beginn der in dem heil. Kreise ergangenen Ge- fchichten noch nicht zugegen gewesen, so hat er’s doch alles von Anbeginn erkundet bei denen, »die es von Anfang selbst gesehen und Diener des Worts gewesen sind«, und »sich nicht mit der blos abgleleiteten nnd theil- weis auch schon abgeschwächten Que e der in Umlauf befindlichen Ueberlieferung begnügt. Was schon Theo- phhlakt vermuthet hat, daß der Ungenannte von den zwei emmauntischen Jüngern in 24, 13 ff. er selber, St. Lukas, gewesen sei, dürfte kaum noch zweifelhaft fein. Zuerst ist· u bemerken, schreibt P. Lange, daß Lukas die Gefchi te· jener Jünger allein erzählt, und zwar so anschaulich, daß dadurch schon die Vermnthung nahe gelegt wird, er erzähle als Augenzeuge; besonder aber ist· auffallend, daß er den Namen des einen Jün- gers nicht nennt, während er doch den des andern an- giebt, ohne daß bei dem, was dieser sagt, die Beifügung feines Namens von irgend welchem Belang für die Sache selber wäre ——«,,init em Verfahren des Johannes ver- glichen, zielt dieser Umstand daraus hin, der Verfasser rede in dem· erftereirFalle von sich selbst« Jedenfalls, so wagen wir in weiterer Benutzung der vorhin ange- zogenen Stelle 1·, l—4 zii behaupten, gehörte es zu den Erfordernissen eines Evangelisten , der-das Leben Jefu Christi in grundlegender und rechtsgiltiger Weise für alle Zeiten der Kirche zu beschreiben unternahm, daß, wenn erauch nicht von Anfang selbst alles gesehen nnd ein Diener des Worts gewesen, wie das mit Matthäus und Johannes der Fall, er doch mit feinem ei enen Leben in das des HErrn verflochten war. Selbst ei Marias, der eigentlich nur»als Dolmetfcher des Petrus die Thaten und Reden Christi wiedergiebt, findet· jenes Erforderniß in sofern statt, als derselbe ohne Zweifel jener Jüngling Rwefeii·ist, der bei der Gefangennehniun Jefu eine olle spielt (Mark. 14, 51 f.); wie vielme r muß es an Lukas-zu» seinem Rechte kommen, den wir als Ge- hilfen desjenigen Apostels kennen, der fiir fich selber dem Heilande wahrend feines irdischen Lebens fern gestanden, aber· dann doch auch von ,,feinem« Evangelio und Predigt von Jesu Christo redet (Röm. Its, 25)1- Wir gehen noch weiter nnd wagen sogar zu behaupten, daß 270 überhaupt keine Schrift des neutestamentlichen Kanon es giebt, die von einem andern, als von einem unmittelbar durch den HErrn selber berufenen Apostel oder Zeugen geschrieben wäre; was die Gelehrten über Apollo oder Barnabas beibringen, um diesen oder jenen zum Ver- fasser des Briefes an die Hebräer zu machen, und was sie über den Schreiber der Epistel St. Judä anführen, ist ebenso Phantaste und Selbstersindung, als der Jakobus Ill., den sie auszählen, und der Presbhter Johannes, von dem sie reden, um die Epistel St. Jakobi, die dritte Epistel St. Johannis und die Offenbarung an den vermeintlich rechten Mann zu bringen. Die ausfälligeii Berührungen des Briefes aii die Hebräer mit dem Evangelio St. Lucä und der Apostelgeschichte, nicht allein iii Wortschatz und Wortführnng, sondern auch in charak- teristischen Lehrpunkteiy geben vielmehr ganz unzwei- deutig zu erkennen, daß dieser Evangelist auch der Schreiber jenes Briefes ist. Er hat gewiß längere Zeit mit der jerusalemischen Gemeinde in der engsten Bezie- hung gestanden, ist eins ihrer ältesten Glieder und einer "hrer ursprünglichen Diener des Worts gewesen, ehe er, wie Barnabas und selbst Petrus, mit der antioehenischen Gemeinde sich verband und von da aus ein Diener des Ast. Paulus wurde; darum hatte er auch, als der jem- salemischen Gemeinde nach Abgang ihrer apostolischen Leiter ein unmittelbarer Jünger des HErrn noth that, um sie iii schwerer Anfechtung mit Christi Auctorität zu berathen, offenen Zugang zu den so eigenthittnlich ge- stellten Herzen, ja vielleicht ist er’s auch gewesen, der nicht lange hernach die Uebersiedelung jener Gemeinde nach Pella vermittelte — (Apoftg. 28, 31 Anm.). Haben wir Recht mit unsrer Annahme, daß es sich in Luk. I, 61 s. um des Lukas eigenen Eintritt in die Jüngerschaft Jefu handelt, so erklärt stch, warum der- selbe von dem Auf ruch des HErrn aus Galiläa an so selbstständig und ausführlich schreibt, als sollte sein Evangelium zu einer Ergänzung der beiden vorange- henden werden: er befindet sich nun in seinem eigenen Lebenselement sowohl in persönlicher Hinsicht, als von Seiten der auf die Berufung der Heiden zum Reiche Gottes hinzielenden Bedeutung der jetzt folgenden Epoche. Um mit den beiden vorangehenden Evangelisten die letzte Reise Jesu nach Jerusalem zu seinem Leiden und Ster- ben in— ihrer ganzen Größe und einzigartigen Herrlich- keit recht hervortreten zu lassen, hat freilich auch »Er es schlechterdings verrnieden, den Errn schon jetztnn Je- rusalems Thore eintreten und im Tempel erscheinen zu lassen; ja, er läßt ihn da, wo Jerusalem mit seinem Pohenrath und seinem Volk hätte mit zur Sprache ge- racht werden müssen, nicht einmal bis Bethanien kom- men und übergeht die Geschichte von der Auferweckung des Lazarus, bei der er auch keinensalls gegenwärtig ewesen. Aber wenn nun auch durch diese Ausscheidung bestimmter Vorgänge sein Reisebericht den Charakter einer gewissen Zusammenhangslosigkeit oder doch Unvolls ständigkeit bekommt, so hat er demselben doch deutliche Spuren eingedrticktz um die Ergänzung aus dem Evan- gelio Johannis, das gerade Jerusalem und Judäa zum vornehmsten Schauplatz der Thätigkeit Christi macht, an der rechten Stelle zu vollziehen. An der einen Stelle: Luk. 11, 13 haben wir das· oben schon gethan» indem wir auf das nunmehrige Eintreten dessen, was in Joh. 7, 14 ff. erzählt wird, hingewiesen haben; lassen wir da den Johannis weiter berichten bis zu der abermaligen Verdrängung Jesu aus dem Tempel, die ihn nöthigte, hinüber senseit des· Jordan sich zurückzuziehen (Jvh.10, 39 sf.), so sehen wir in Luk. 13, 1—9 ihn auf diesem Wege des Rtickzu s, wie ihm die Leute von den durch Pilatus umgebra ten Galiläern erzählen, er ihnen aber, nachdem er zuvor ausdrücklich die Rede auf Jerusalem Evangelium Matthäi 19, 2 Alma. gelenkt hat, das Gleichniß vom unfruchtbareii Fei en- baum vorträgt, der Evangelist bezeichnet aber den in- fchnitt, den dieses Gleichniß in der fortlaufenden Ge- schichte macht, sehr bestimmt dadurch, daß er iii 13, l0 --21 ebenso einen Nachtrag aus der galiläisihen Zeit auf dasselbe folgen läßt, wie er in 11, 14—12, 59 einen solchen hat voraus-gehen lassen. Was den hierauf fol- genden Abschnitt Luk. is, 22—35 betrisst, so können wir in den Worten des HErrm ,,ich muß heute und morgen und am Tage darnach wandeln« keinen Grund finden, diesen Abschnitt, wie Wieseler gethan, für gleich- zeitig anzusehen mit Joh. 11, 6; wohl aber stimmt der- selbe mit Joh. 10, 40 ff. gut zusammen und versetzt uns. der Zeit nach in den Anfang des J. 30 n. Ehr. Unter dem ,,heute« versteht der HErr den gegenwärtigen Ab- schnitt seines Wirkens, der durch seinen Rückzug in Joh. 11, 54 eine vorläusige Unterbrechung erfahren wird; das ,,morgen« ist sein Wiederhervortreten an die Oef- fentlichkeit, das in Luk. 17, 1I ff. zur Darstellung kommt und bis zum Einzng in Jerusalem. reicht, der Tag darnach ist dann sein Wirken in den ersten Tagen der Eharwoche Luk. 19, 45 ff., mit welchem er zugleich in diejenige Periode eintritt, da er soll »ein Ende neh- men.« St. Johannes hat, wenn er als Stätte der gegenwärtigen Wirksamkeit Christi den Ort angiebt, da Johannes der Täufer vorhin getauft hatte, Bethabara jenseit des Jordan (Joh. l,.28 im Sinn; das Zeu niß von Christo, welches der Täufer dort abgelegt, ebte denn auch wirklich, wie des HErrn Absicht war, in den Leuten auf, und es glaubten viele an ihn. Das ärgert die Pharisäer, sie möchten daher Jefum gern aus dieser Gegend hinwegsüchselm und so reden sie ihm, wohl unter Hinweisung auf des Johannes Ende, vor, daß Herodes Agrippa, der damals allem Anschein nach wie- der einmal in Livias residirte, ihm nach dem Leben stehe. Er. der HErr, sagt ihnen, es leide es nicht, daß aber- mals ein Prophet, wie Johannes, eine Ausnahme von der Regel, wonach Jerusalem die Prophetenmörderin sei, mache, sein Ende werde dort durch sie, feine Widersaiher, erfolgen, und zwar zu der bestimmten Zeit; mit des Herodes Nachstellungen habe es keine Gefahr. Er ist, indem er das sagt, schon in Begriff von Bethabara anf- zubrechen; und wirklich zieht er nun nach den Städten und Märkten in Peräa, bei denen er durch die 70 Jtinger sich hat anmelden lassen (Luk. 10, l); daraiif bezieht sich denn des Lukas Angabe in 13, 22, die das in Joh. 10, 40 ff. Gesagte unmittelbar weiter führt. Wir können jetzt Luk. 14, 1—16, 18 anschließen, ohne daß eine Unterbrechung des fortlaufenden Zusammenhangs be- merkbar wäre; und da findet denn auch der vorliegende Abschnitt Matth. l9, 3 ff. mit Mark. 10, 2 ss. seine chronologische Stelle, indem Luk. 16, 18 damit parallel läuft. Das ist aber auch der Zeitpunkt, wo die Nach- richt von des Lazarus Krankheit (Joh. 11, I ss.) an Jesum gelangt. Der HErr, als er die Meldung em- pfängt, siehet im Geist, daß die Krankheit bereits zum Tode ausgeschlagen ist, daß er also, wenn es sich um eine bloße Heilung handelte, zu spät kommen würde, nnd verstehet, daß der Vater Größeres, als die Schwe- stern gebeten haben, durch ihn will vollbringen lassen; indem er nun noch zween Tage an dem Orte bleibt, wo er sich gerade befindet, benutzt er irgend eine bestimmte Veranlassung, die uns jedoch nicht näher mitgetheili wird, um das Gleichniß vom reichen Mann und armen Lazarus (Luk. 16, 19—31) zu erzählen, in welchem unverkennbar für die Jtinger zu leich ein Merkzeichen lie en sollte, daß Lazarus in Bei anien nicht mehr am Le en sei. Sie verstehen den leisen Wink nicht; und so sagt’s ihnen Jesus nach Verlauf der beiden Tage, als er jetzt nach Judäa ausbrechen will, zuerst figürlich Ferneres zur Chronologie des Lebens Jesu. 27l dann, als sie auch das nicht verstehen, in osfener Rede heraus, wie es mitLazarus steht und was mit ihm ge— fchehen soll (Joh. 11, 7 ff. — an dem Unglauben, wo- mit die Juden ge en die Auferweckung des schon vter Tage Gelegenen si verstecken, bewahrheitete sich’s denn, was Jesus in Luk. 16, 31 den Abraham sagen läßt: «hören sie Mosen und die Propheten nicht 2c.«). Diese Geschichte endet damit, daß der HErr für einige Zeit nicht mehr frei unter den Juden wandelt, sondern· sich nach Ephrem, bei der Wüste Quarantania, zurückziehy nach etwa 6 Wochen verläßt er feine Einsamkeit wieder, und indem er nun nach demjenigen Punkte unterhalb des See’s Genekareth sich begiebt, wo die galiläischeii estpilger über en Jordan zu setzen pflegten (etwa bei ethsean), um jenseit desselben nach Jericho und Jeru- salem zu gelangen , begreifen wir vollkommen, warum es in Luk. l7, 11 von ihm heißt: ,,er zog mitten durch Samaria und Galiläa.« Jndem aber diese Stelle zeit- gesehichtlich sich an Joh. II, 54 ff. anschließh be reisen wir zugleich wie St. Lukas in l7, 1—1«.) Worte hristi beibringen konnte, die noch der Wirksamkeit in Galiläa angehören; er hält damit Kap. 16, 31 u. 17, II chro- nologisch auseinander, und benutzt den Ruhepunkt, der die Abfolge der nicht vollständig mitgetheilten Begeben- heiten gewährt, wie schon in 11, 14-—12, 59 u.13, 10—-21., zur Mittheilung dessen, was er aus dem vor- deren, die Wirksamkeit Jesu in Galiläa behandelnden Theile seines Evangeliums (3, l——9, 50) aus dem oben angegebenen Grunde stch für den Reisebericht vorbehalten hat. Wir lassen jetzt die Fortsetzung der auf S. 134 einstweilen abgebrochenen chronologischen Uebersicht nach Maßgabe der hier angestellten Erörterungen folgen: Jahres- zahl. Nähere Zeitbestimmung. Begebenheiten. Nach Chr. 29 Anfang Oktober Ist. Okotber (Freitag) 15. Okt. (Sonuabend) l9. Oktbr. (Mittwoch) ? . »Ja; bin das I7. Dezember 10, 21 20.— 27.« Dezember 30 Anfang Januar m P« 88. 89. 90. Luk ld 14 Anfang Februar 2te Hälfte des März ZU. ·Z 931 . Die Heilung eines Blindgebornen am Sabbath: Joh . . Verhandlung mit dem Geheilten und mit den Pharisäern: Joh. 9, 35 Fünfter Abschnitt. Von der Reise aufs Laubhüttenfest bis zur Leidenszeit (Ein Zeitraum von ca. 6 Monaten) . Ausbruch aus Galiläa. Die Samariter verweigern den ihr Land: Matth.19, I u. Z; Mark. 10, l; Luk. 9, . . Anssendung der Siebzig Jesus trifft mit ihnen in Jericho wieder zu- sammen: Luk. 10, 1—24. « . Egsrggelöinåå Schriftgelehrteti und Gleichniß vom barmherzigen Samariter: u . , — . Aufenthalt in Bethaniem . Unterricht vom Gebet: Luk. 11, 1—13. . Jesus, mitten im Fest zu Jerusalem, lehret im Tempel: Joh. 7,11—36. . Der letzte große Tag des Festes: Joh. 7, 37— 53. . Die Begnadigung der Ehebrecherim Joh. 8, 1—1l.] Licht der Wein« Jesus zieht stch vom Tempel zurück: Joh. 8, 12—59. Durchzug durch H! — 6’2. 37. Maria und Marthm Luk. 10, 38—42. Gwischenzeit von 6—7 Wochen) . I, 1——34 . gigdensfzjfesu am Kirchtveihfest und Rückzug von Jerusalem: Joh. 10, « . Gleichniß vom unfruchtbaren Feigenbaumx Luk. is, 1—9. . Jesus zu Bethabarm Verhandlung über das Seligwerden und Ver- handlung mit etlichen Pharisäern: Joh. 10, 40—42; Luk. 13, 22 —«35. . Die Reise durch Peräa. Das Gastmahl des Pharisäer-Z: Luk. 14, 1-—24. . gedesgn das nachziehende Volk über die rechte Nachfolgn Luk. 14, Die Gleichitisse vom verlorenen Schas und Groschen und vom verlorenen Sohn: Luk. 15, 1—32. . . Gleichniß vom ungerechten Haushalten Luk. 16, l——13. Verhandlung den Pharisäern: Matth.19,3——12; Mark. 10, 2—12; Nachricht von der Krankheit des Lazarus Gleichniß vom reichen und armen Manne: J , 31. Auferweckung des Lazarus und Rückzug nach Ephrenn Joh. 11, 7—54. (Zeit der Stille von ca. 40 Tagen) Reise durch Sacnaria und Galiläa. Die zehn Aussätzigem Luk. l7, 11——19. 2 Von der· Zukunft des Reiches Gottes: Luk. -17, 20—37. Die Gletchnisse vom ungerechten Richter, sowie vom Pharisäer und Zölltier im Tempel: Luk. l8, 1—14. §. 94. Die Segnun der Kinder und der reiche Jüngling: Matth. 19,13—«-30; Mark. 10, 1 —-31; Luk. l8, 15—30. §. 95. Gleichniß von den Arbeitern im Weinberg: Matth. 20, 1—16. oh. 11, 1—·—6; Luk. 16 19— 272 , Evangelium Matthäi 19, 3«—9. Aus dieser Uebersicht ergiebt sickb wie der HEry nachdem er zu Anfang Oktober a. 29 Galiläa verlassen und von der Mitte des Laubhiittenfestes an bis nach dem Kirchweihfeste (l5. Oktbr. bis 27. Dezbr.) in Judäa und Jerusalem sein Werk getrieben (§. 70—82), zunächst für einige Zeit zu Bethabara am Jordan (Karte V) weilt; er ist schon im Aufbrnch von dort begriffen, als er einem, der ihn mit einer Frage über das Seligwerdeii ange- gangen, mit einer ernsten Mahnung und drohenden Weissagung antwortet, wie wenig aber das Schreckbild des Herodes, womit die auf sein wachsendes Ansehen neidischen Pharisäer ihn aus jener Gegend hinwegtreibeii wollen, es ist, was ihn zum Weiterzieheii bewegt, legt er damit ossenkundig an den Tag, daß sein nunmehriger Weg zu den Städteii und Märkten, welchen er vor einem Vierteljahr seine Ankunft hat melden lassen (§. 71), ihn der Residenz des Herodes in Peräa, derselben Stadt Livius, von welcher vor 9 Monaten der Befehl zur Hin- richtung des Täufers ausgegangen und in welche jetzt der König nach längerer Abwesenheit zurückgekehrt ist, immer näher führt (§. 83). Die Pharisäer versuchen es da auf andere Weise , ihn vor dem Volke zu Schanden zu machen, und treiben, wie vormals ihre Zuiiftgeiiosseii in Galiläa, ihr Spiel bald mit heimlichem Belauern unter der Maske der Freundschaft, bald mit verdächi tigenden Reden vor den Ohren der Leute; er aber weiß ihren Angrissen in meifterhafier Weise zu begegnen, scheidet sich, wie früher in Galiläa, so jetzt in Peräa, nur in viel rascherem Verlause, sowohl von den unent- Thiedenen Nachfolgerm als von den erklärten Wider- achern, und seht sich mit seiner, das Verlorne suchenden -"irtentreue um so mehr in den Herzen der Zöllner und Vitnder fest (§. 84—86). Was er denen zur thatsäch- lichen Erweisung ihrer aufrichtigen und gründlichen Be- kehruiig in dem Gleichniß vom ungerechten Haushalter (§. 87) fiir einen Fingerzeig giebt, das fällt auf einen fruchtbaren Boden; denn das Verfahren mit dem un- gerechten Mammon, wie es hernaih Zachäns von sich bezeugt (Luk. 19, 8), ist nichts anderes als eine Frucht der in jenem Gleichniß ausgestreuten Saat. Dagegen ist das Herz der Pharisäer mit so festen Banden an den Dienst des Mammon gebunden, daß sie Jesu lieber spotten , als seine Lehre beachten , und während jeder- mann von den bußfertigen und heilsbegieri en Seelen in Gottes Reich mit Gewalt hineindringet, leiben sie, die sich selbst rechtfertigen vor den Menschen, draußen stehen und reifen dem Gericht immer mehr entgegen (Luk. 16, 14-—17). Hier schließt denn, wie aus der, die ganze Verhandlung nur summarisch andentenden Parallel- ftelle: Luk.16, 18 hervorgeht, die folgende Geschichte sich an. Z. Da [nicht in der ersten, sondern in der letzten Zeit des Wandelns Jesu im Lande jenseit des Jordan, bereits in den ersten Tagen des Febr. a. 301 traten zu ihm die Pharisäer, vetsuchten ihn Imit einer verfänglichen Frage] und sprachen zu ihm: Jsks auch recht [wie Moses ja das ausdrücklich gestattet], daß sich eiu Mann scheide von seinem Weibe, sia steht ihm das Recht der Scheidung so unbeschränkt zu, daß er sie vornehmen kann, wie ein Theil unsrer Schriftgelehrten behauptet 5. Mos. 24, 1 Arm] um irgend eine Ursache see sei, welche es wolle]? Man darf die Absicht der rage der Pharisäer nicht dahin deuten, als hätte man esnm in den Streit der beiden Schulen, der des Hillel mit der des Schamniai, verwickeln wollen, daß er’s mit der einen oder der an- dern Partei verderbe; denn daß irgend einer von beiden wäre daran gele en gewesen, ihn für sich zu gewinnen, ist doch keinenfa s anzunehmen, und überdies ist Mark. 10,3 ausdrücklich so gefaßt, daß man siehet, es handelt sich um die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit der Eheschei- duiig überhaupt. Ohne Zweifel erwarteten die Phari- säer, Jesus werde sich für die letztere, für die Unzu- lässigkeit erklären; vielleicht hatten sie etwas von seinem Ausspruch in der Bergpredigt Kaki. Z, 31 f. gehört, wenn aber das auch nicht der Fall gewesen wäre, so kannten sie ihn schon hinlänglich von Seiten seiner heil. Strenge nnd seiner ernsten Behandlung religiöser Fragen, um stch eine Antwort aus feinem Munde zu Versprechen, die dem Manne jede Art der Scheidung von seinem Weibe verböte, und da hatten sie sich schon darauf ein- gerichtet, ihn als einen darzustellen, der das Gesetz auf- hebe und Mosen nicht mehr wolle gelten lassen. Und wie nun von dem Volke einerseits sie voranssetzeu konnten, daß das sich weder seinen Moses werde nehmen lassen, noch insbesondere auch das Recht zur Scheidung, in welchem man eine Art Ersatz hatte für die nicht mehr in der Sitte der Zeit liegende Vielweiberei, so berechneten sie wohl andrerseits, daß, wenn Herodes etwas von dem neuen Lehrer, der in seiner unmittel- baren Nähe sich eingefunden und da Grundsätze ver· breite, welche eine Wiederholung des Johannis-Wortes für ihn sein mußten: ,,es ist nicht recht, daß du deines Bruders Weib habest« erftihre — und daß das alsbald geschehe, dafür hatten sie jedenfalls auch schon gesorgt —, der König sich nicht lange bedenken würde, den neuen Propheten ebenso aus dem Wege zu räumen , wie er’s mit dem Täufer gethan; aus dem ganzen Zusammen· hang der evangel. Geschichte geht nämlich deutlich her- vor, daß, wo nicht in Livias selbst, doch wenigstensin der nächsten Umgebung der Stadt die Frage an den HErrn gerichtet wurde. »Der Mensch fragt gerne recht weit und viel: ist nicht das oder das auch erlaubt? aber wenn er so fragt und nach seines Herzens Mei- nung ein Ja zur Antwort haben möchte, hat er sich damit gewöhnlich schon selber im Gewissen das Nein gesprochen« 4. Er antwortete aber [s1e bei ihrem eigenen innersten Gewissen erfassend, das von selber schon ihnen bezeugte, was allein er, als ein Lehrer von Gott gekommen, auf die Frage für einen Bescheid geben könnte] und sprach zu ihnen: Habt ihr kdie ihr ja der Schrift Meister fein wollt] nicht gelesen [was in desselben Mosis Urgeschichte, auf dessen Gesetz ihr ench steift, nämlich in I. M. l, 27 bezeugt wird], daß, der iin Anfang [der Creatur] den Menschen gemacht hat [also Gott der HErr selbst] der machte, daß ein Mann und Weib sein sollte lschUf sie, wie es heißt, ein Männlein und Fräulein, so daß sie gleich anfangs wie aufs Engste zusammengehörten und ein durch untrennbare Ein- heit verbundenes Menschenpaar bildeten], Z. Und sprach [die Erkenntniß der Unauslös- lichkeit seiner Verbindung mit dem Weibe dem Manne auch in’s Herz legend und ihn zu einer Be- stätigung derselben fiir alle nachfolgenden Geschlechter anregend I. Mos. 2, 23 f.]: Datum [wegen der unbedingten Zusammengehörigkeit zwischen Mann und Weib, hinter welche alle anderen Verhältnisse und Beziehungen zurücktreten] wird ein Mensch sweun die Zeit zur Eheschließiing für ihn kommt] Jesu Gespräch mit den Pharisäern über Ehefcheidung Vater und Mutter verlassen [indem er aus der unmittelbaren Verbindung mit ihnen heraustritt] und an seinem Weibe hangen [sich dem für ihn bestimmten Weibe gleichsam anhängen, als hätte er nunmehr erst gefunden, was seinem Vereinigungs- trieb volleommen entspricht], und werden die zwei [indem ihm auf Seiten des Weibes ein gleiches Verlangen nach ihm entgegenkommt] Ein Fleisch sein [so·daß sie sogar zu Einem Leibe sich zusammen- schließen]! b. So sind sie nun [die einmal durch das Band der Ehe Verbundenen, wie ihr aus diesem, dem Adam in den Mund gelegten Gotteswort euch abnehmen könnt] nicht smehrj zwei [neben einan- der hergehende Personen, von denen eine jede auf sieh selbst gestellt wäre], sondern Ein Fleisch salle Zweiheit an ihnen ist durch den auch leiblich sich vollziehenden Zusammenschluß in die unbedingte Einheit aufgehoben]. Was nun Gott [wenn er Mann und »Weib so völlig an einander hingiebt] zusamniengefuget hat, das soll der Mensch sder doch nimmermehr ein Recht hat, an Gottes Ordnung zu rütteln und sie umzustoßen] nicht scheiden [son- dern scheiden kann allein der, der zusammengefügt hat, und er ihut’s, wenn er über einen Theil früher den Tod verhängt als über den andern Röm. 7, 2 s.]. Mit derselben Stelle, auf welche Christus hier sich beruft, um die Unauslöslichkeit des ehelichen Verhältnisses zu beweisen, erklärt er zugleich die Monogamie oder Einehe für allein dem Willen Gottes nnd dem Wesen der Ehe entsprechend; indessen war unter der Zucht des Gesetzes, des Znchtmeisters auf Christum, die Vielweiberei unter den Juden allbereits verschwunden und stand die Einehe in ihrem alleinigen Recht fchon fest, daher dies nicht erst nachgewiesen zu werden brauchte. 7. Da sprachen sie [indem sie zwar diesem, in die Urgeschichte bei Moses zurückgreifenden Schrift- beweis an sich nicht widersprechen konnten, aber doch meinten, das Gesetz, das ja auch von Gott sei und nicht gebrochen werden dürfe, gehe sie näher an]: Warum hat denn [wenn es sich wirklich so verhielte, wie du behauptest, daß von einer Schei- dung unter keinen Umständen die Rede sein könne] Moses [in Z. M. 24, I] geboten seinem Manne, vor dessen Augen das von ihm geehelichte Weib nicht mehr Gnade sindet], einen Scheidebries [der- selben] zu geben nnd sieh [in dieser gesetzlichen Form, also von RechtswegeUJ von ihr zu scheiden? [hat er damit die Scheidung nicht für zu Necht bestehend erklärt und auch, falls nur seine Vorschrift ordent- lich ersüllt wird, zu einer rechtskräftigen gemacht?] 8. Er sprach zu ihnen: Moses hat euch [nicht, wie ihr das Sachverhältniß von vornherein in verkehrter Weise auffaßt und damit selber erst Schrift mit Schrift in Widerspruch setzt, geboten, sondern nur] erlaubt sum etwa einer Unlust willen euch] zii scheiden von euren Weibern, suiid zwar Däch s e l«i Bibelrvert hat er das unter göttlicher Zulassnng gethan] von eures Herzens Häriigkeii wegen süber die er oft genug klagt 2. M. 32, 9; b. M. 9, S; 10, 16 und von der er wohl wußte, daß sie durch das Gesetz von außen nicht zu überwinden sei]; von Anbeginn aber [wo Gottes Ordnung sich noch in ihrer Ursprünglichkeit darstellt, ungetrübt durch die Rücksichtnahme auf menschliche Verkehrtheii, die sich nicht fügen und beugen mag und die Heiligkeit des ehelichen Verhältnisses auch noch in anderer Hinsicht abgeschivächt hat l. Mos. 16, 2 Anm., bis es wenigstens damit besser geworden V. 6 Anm.] ist’s nicht also gewesen ssondern da steht die Ehe noch da als die Verbindung des Mannes, gleichwie nur mit Einem Weibe, so auch zur schlechthin unauflöslichen Gemeinschaft für’s ganze Lebens s. Ich sage aber [als erläuternde Schlußfolge aus dem in V. 4——6 Vorgetragenen] euch [mei- nen Jüngern, fuhr der Hist» als er mit den Zwölfen wieder daheim Blatt. 10, 10, d. h. in der Herberge war, die er in jener Gegend inne hatte, fort und wiederholte damit sein Wort aus der Bergpredigt Kap- Z, 31 f«J: Wer sich von seinem Weibe scheidet, es sei denn um der Hurerei seines thatsächlich von ihr vollzogenen EhebrUchsI willen, und freiei eine andere, der bricht die Ehe [indem er gewaltsam aus Gottes Ordnung, nach welcher er noch an sein voriges Weib gebunden ist, her- aus bricht) Und wer die Abgeschiedene seine, die von ihrem Manne geschieden ist] freiei, der bricht auch die Ehe [denn er bricht gewaltsam inGottes Ordnung, nach welcher die Abgeschiedene noch ihrem vorigen Manne angehört, hinein]. , Es sind das Grundsätze und Vorschriften für die- jenigen, die nach Gottes Wort sich halten nnd ihr Be- kenntniß zu Christo auch mit ihrem Wandel bekrästi en wollen: die haben, wenn sie zur Eingehung einer åhe schreiten, sich durchaus dessen zu enthalten, daß einem Geschiedenen resp. einer Geschiedenen geschehe, und sie werden auch Andern nicht zu einer solchen Ver- bindung rathen und helfen; sind sie aber in den Ehe- stand eingetreten, so halten sie an der geschlossenen Ver- bindung fest, »so schlimm es ihnen auch dabei ergehe, und die Möglichkeit einer Scheidung, wie das bürger- liche Gesetz sie bietet, ist ftir sie gar nicht vorhanden. In dem einen Falle, daß ein Ehebruch vorliegt, erkennt der HErr allerdings die Rechtmäßigkeit der Scheidung ftir den unsjchuldigen Theil an; es ist das aber eigentlich keine Schei ung mehr, sondern nur die selbfiverständliche Folge der in dem Ehe ruch vollzogenen Scheidung, und nicht von einer Fortsetzung bestehender Ehe kann für den unschuldigen Theil, der das began ene Verbrechen etwa zn vergeben sich eutschlbsfe, die Re e sein, sondern nur von einer Wiederaufnahme der abgebrochenen Ehe. Luther riiunit in seiner Schrift von Ehesachen aus dem J. 1530 noch einen zweiten Scheidun sgrund, die bös- liche Verlassnng ein, und erachtet zu iesem usatz sich berechtigt dnrch das Wort des Apostels in 1. or. 7,15; indessen bleibt es doch Zweifelhaft, ob Paulus sich sollte die Vollmacht zugeschrie en haben, die merkwürdig scharf begrenzte eigene Festsetzung des Hlkrrii durch einen zweiten Scheidungsgrund seinerseits zu erweitern, viel- R« c· I. 18 es mit 273 · 274 Evangelium Matthäi 19, 10——13. mehr spricht er an jener Stelle den christlichen Gatten nur von der Verpflichtung frei, dem sich von ihm fchei- denden nngläubigen andern Theil nachzugehen nnd auf Fortsetzung des ehelichen Lebens zu dringen, nnd das ist noch etwas Anderes als die Einräumung des Rechts zu förmlicher Scheidung — letzteres gestattet die Wieder- verheirathung, während ersteres zn seiner Kehrseite das Ledigbleiben hat bis zu einer irgendwie anders an den zurlickbleibenden Theil herantretenden Scheidung. Je mehr aber so der Christ für seine eigene Person klar und bestimmt weiß, wie er sich in Betreff der Eheschei- dungsfragsfrage zu verhalten hat, desto schwieriger ist diese der Kirche und ihren Dienern am Wort gemacht der staatlichen Gesetzgebung gegenüber, der man zwar, da sie es im großen Ganzen-mit bloßen Staatsbürgerm nicht mit lauter lebendigen Christen zu thun hat, das Recht nicht absprechen kann, die Stellung Mosis einzu- nehmen und um der Herzenshärtigkeit der Leute willen auch aus andern Gründen, als dem von Christo festge- setzten, zerrüttete Ehen zu trennen (,,die Christum nicht hören, denen wäre es noch so gut, daß Mosis Gesetz ginge, ehe man das leiden müßte, daß zwei Eheleute keine gute Stunde bei einander hätten, nur müßte man ihnen dabei sagen, daß sie nimmer Christen wären, sondern im heidnischen Regiment«: Luther); wohl aber entsteht der Kirche eine große Noth dadurch, wenn von ihr gefordert wird, auch für ihr Thun das bürgerliche Recht an die Stelle des Gebotes Christi zu setzen und bei der Wiederverehelichnng von Geschiedenen eine Ver- bindung, die Christi Wort ausdrücklich für Ehebruch er- klärt, einzusegnen Wir erachten es um so weniger an diesem Ort für unsre Aufgabe, auf die Schwierigkeit und ihre Lösung näher einzugehen, als gegenwärtig das Verhältniß zwischen Staat und Kirche in einer großer! Wandlung egrifsen ist; die Wandlung wird sich freilich in einer Weise vollziehen, welche die Lage der Kirche »Um so verwickelter macht, bis der HErr nach ihrer völligen Niederlage sie in neuer Kraft erstehen läßt, aber eben darum ist mit Schreiben nnd Reden, mit Beschlüssen und Petitionen überhaupt nichts mehr auf- zuhalten, sondern der Blick fest auf den HErrn nnd seine weitere Führung zu richten, deren Ausgang in Offenb. 11, 13 angedeutet wird. » · 10. Da sprachen die Jungen zu ihm:» Stehet die Sache eines Mannes unt seinem Weibe also [daß er durch ein unauflösliches Band an sie ge- bunden ist und unter keinen Umständen sich wieder von ihr los machen darf], so ist’s sda man dem zu erwählenden Gatten zu rechter Zeit nicht immer in's Herz sehen, auch die kommenden Ereignisse und Zustände nicht im Voraus berechnen kann, um sich gegen eine Lage vorzusehen, die sich später nicht mehr ändern läßt] nicht gnt ehrlich werden [son- dern besser, man bleibt im ledigen Stande]. 11. Er sprach aber zu ihnen sihre Aeußerung nach zwei Seiten hin mit einem und demselben Wort berichtigend, Poch zugleich ihnen zu versteheu gebend, wie leicht gerade ein solch tiefliegendes und vielsagendes Wort dem Mißverstand und Mißbrauch ausgesetzt sei, und sie daher zu desto größerem Ernst bei Anhörung desselben ermunternd]: Das Wort swelches ich euch seht» sagen werde] fasset nicht jedermann [daß er’s in der rechten Weise auch verstehe und anwende], sondern [nur die fassen es] denen es gegeben ist [so daß nicht blos menschlich gute Meinung dazu hinreicht, sondern eine höhere göttliche Erleuchtung unbedingt erforderlich ist]. 12. Denn sum das Wort, das ich im Sinn habe, nun einzuführen Luk. I, 44] es fiudetliche verschnitten [zur Enthaltung von der Ehe gezwungen], die sind aus Mutterleibe also geboren kindem ein natürliches Gebrechen ihnen auhaftet], Und sind etliche verschnitten, die sanders als jene, welchen Gott unmittelbar das Ehelosbleiben als ihr Theil zugewiesen hat] von Menschen [in selbstsüchtigem Jnteresse] verschnitten sind [aber, da Gottes Zu- lassung nun einmal zu einer Schickung für sie ge- worden, wenigstens mittelbar sich ebenfalls als zum Ledigbleiben bestimmt ansehen müssen — was nun beiden Klassen in dieser äußerlichen Weise auferlegt ist, das ist ihnen ohne Weiteres auch äußerlich ge- geben, sie bedürfen keiner besonderenGnadenhilfe von oben, sich des Weibes zu enthalten], Und find [dagegen in einer ganz anderen, dritten Klasse] etliche verschnitten, die [in Erkenntniß des Willens Gottes, der auch sie zum ehelosen Stande berufen hat, obwohl sie leiblich alle Bedingung zum Ehe- lichwerden besitzen] sich selbst verschnitten [freiwillig auf dies ihr Vermögen und das damit zusammen- hängende Bedürfniß VerzichtetJ haben, Um des Him- melreichs willen sum den Anforderungen, welche dessen Bewährung und Verbreitung an sie siellt, gerecht zu werden I. Cor. 9, 5 f.]« Wer es swas ich damit sagen will] fassen mag, der fasse es seine nähere Erklärung kann ich nicht dazu geben, sondern muß jedem Einzelnen überlassen, daß er für seine Person und für seine Verhältnisse sich die Erleuchtung zur heilsamen Anwendung dieses Worts und die Kraft zur Ausführung bei dem sich hole, der in alle Wahrheit leitet Joh. 16, 13 f.] Der HErr hat wohl vorausgesehen, wie mancher Mißverstand nnd Mißbrauch sich künftig in seiner Kirche an die es Wort knüpfen werden; er hat es aber anch deutlich genug gesagt, wie man sich vor Mißverstand nnd Mißbrauch bewahren könne· Bekannt ist, daß Origenes (etwa 185 n. Chr. zu Alexandrien eborenl von dem Entschlussg um des Reiches Gottes wi en jedes Opfer zu bringen, getrieben, indem er glaubte, den mächti sten sinnlichen Trieb in sich ertödten zu müssen, und a e verlenmderischen Nachreden für die Fälle ab- schneiden wollte, wo er auch Frauen christlichen Unter- richt zu ertheilen hatte, das ,,sich selbst verschneiden« in buchstäbliche Ausführung gebracht hat; er wurde hernach selber über diesen Schritt ängstlich, ob es auch ein rechter gewesen, und bedurfte gar sehr der Tröstung und Auf- richtung durch seinen Bischoa Von einer andern Seite her begegnet nns die Auffassun der kathol. Kirche, welche das ehelose Leben für eine hö ere Stufe christlicher Voll- kommenheit ansieht und das Cölibat seit der Mitte des 11. Jahrh ihren Geistlichen mit Gewalt aufgenöthigt hat. Wir werden anderwärts Gelegenheit finden, auf diesen Punkt zurückzukommen, für die vorliegende Stelle reicht zum Verständniß Folgendes aus. Jn der Aenße- rungdersünger machte sich ein ziemlich sleischliches, weltformiges edenken geltend; sie brachten zum Aus- druck, wie der natürliche Mensch, der, wenn er im Ehe- stande sich befindet nnd das Wort Christi von der Un— Gespräch Jesu mit den Jüngern über Ehe und Ehelosigkein 275 auflöslichkeit seines Verhältnisses zum Ehegatten hört, solchem Wort entgegentritt mit der Ausfluchtt »das ist eine harte Rede, wer kann sie hören ?« dagegen willkür- lich dem Ehestande lieber sich zu entziehen sucht, so lange ihm der Weg dazu noch offen ist. Jn zarter und feiner Weise iebt der HErr den Jüngern zu verstehen, wie das Sichenthalten von der Ehe dem natürlichen Men- schen nur alsdann in gewisser Hinsicht ungeftihrlich sei, wenn es auf ein natürliches Verschnittensein sich gründet und in diesem der We zur Ausschreitung ihm verwehrt ist; sie sollten also ja Zieh hüten, mit ihrem ,,es ist nicht gut ehelich werden« das Wort umstoßen zu wollen: ,,es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei«. Dagegen giebt-es allerdings gerade in Gottes Reich Verhältnisse und La en genug, wo es dem Menschen gut ist, ledig zu blei en; wo ies der Fall, da niuß dann aber Gott die Kraft zur Ausführung, die Gnadengabe der Keusch- heit verleihen. Und wie er nun das an denen thun muß, die er zur Ehelosigkeit berufen, so daß das Ehe- losbleiben nicht steht in iemandes Belieben, sondern in Gottes Berufung; so kann er andrerseits auch denen, die in ihrem Ehestand in eine Lage gerathen, wo der natürliche Mensch die Scheidung sucheii würde, die Kraft der Geduld und die Gnadengabe der Entsagung ver- leihen, um alle Mißstände u überwinden und alle Leibes- und Seelengefahren zu be egen. II· U.13-—-30. (§. 94.) Bald nach der iui vorigen lztbsihnitt egrzishltendiillekaiådtiiiaijitg mit gen såharixgekki ang an eum e a r von er ran e Eazaruø Geh· it, lsf.); indem er noch zween Tage aii iåem nämliche? Ortxe bletitiy äizo di? sdiitschaastt Prämie-e- ern ihn erre cht at enn er n em e n vom reiihen Mann nnd afmen Eazarus Gute. 16, 19 ss.) den dem letzteren lieigelegten Uamen unter anderem auch dazu, däen iiintgiern zu nersttkhen zu fgetieikerdeatßg dgeerckmcibixndelfstelg ran en ager man n gern en sein Wort: »die üraiikheit ist nicht zum Tode« gerade in dem, dem äußeren Wortlaut entgegengesetzten Sinne aufzufassen sei. Es folgt nun die weitere Geschichte von der Jtæiiskrwekligigy dkle Fazjfiiztiio Mit dem dklikctidzug HJGesn nach pirem o . , .. er veriue er rr etwa 6 Wochen lang; als er dann mitten durch Samaria und Galiläa gezogen (t1.’ule.17,11sf.) »und ans dem Wege senken der Jordan wieder in die uamliihe Gegend gelangt i , wo »er vor anderthalb Monaten dar Gesprach iniitvtdeäichslldliarisaern iibieridie Ghjescheititeittniixugfecttijattkttk VI; ge ag iuae ivr m vor egeu » der Segiiung der Kinder und vom reichenIuiig- ling lesen. Haare. 10, 13——31; Eule. is, 15——30.) 13. Da [nicht gleichzeitig mit der vorigen Begebenheit, wohl aber in derselben Gegend wie damals Kap. 15, 1 Anm. 1]· wurden sals er durch Peräa nach Jerusalem hinaufzog und»bei Livius sich der Stadt Jericho gerade gegenuber befand, der Zeit nach in der zweiten Halfte des Monat März a. 30] Kindlein sdes zartesten Alters, von den Elgiütcscetrn noch auffdeiä ZlrmeOiib glHttragTiiJ zu ihm ge ra [wie man on en er en er Schulen sie zuführte, hier aber erkannteG man schon, daß in Jesu noch ein ganz anderer ottesmann dem Volke gegeben sei, als welche dieses an seinen gewöhnlichen Schulvorsteheru besaKß, rund drängte sich desto ungestümer mit den ind ein an in heran) daß er die Hände auf sie legte und sunter der Handauflegung, diesem Segenskanal l. Mos 48, 14 u. Z. M. 4, 1 Anna» über ihnen und für sie] betete; die Jünger aber [indeni sie meineten, ihr Meister habe jetzt keine Zeit, sich mit Kindern aufzuhalten, und dürfe nicht mit dergleichen Zu- muthungen behelliget werden] fuhren sie« szunächst die, welche die Kindlein brachten Mark. 10, 13., in ihnen aber eigentlich die zu Jesu kommenden Kindlein selber V. 14] an [um sie zurückzutreibens -Ein herrlicher Contraft im Verhältniß zum Vorigen! ruft P. Lange bei Behandlung unsrer Geschichte aus: der Abschnitt ist die Verklärung des vorigen, die leben- dige Apologie (Vertheidigung) der Ehe. Aehnlich schreibt Stier: Nichts konnte passender zu den Reden Jesu über Ehestand und Ehelosigkeit kommen, als eine Anf- forderun , des von Gott noch immer natürlich geseg- -neten E estandes Frucht, die Kinder, auch mit dem Segen der Gnade, des immelreichs anzuerkennen; es leuchtet uns hier die eisheit des, dem Sohn auf Erden die Wege des Zeugnifses wie des Opfers berei- tenden Vaters darin entge en, daß in diesem und keinem andern Augenblicke man Zesu die Kinder zum Segnen brachte. Indessen haben diese Ausleger nicht bedacht, daß nach Mark. 10, 10 der HErr ja auf die Verhand- lung mit den Pharisäern mit den Jüngern nach Hause ging und erst dort seine Unterweisung fortfetzte; eine Erklärung des »Da« in dem Sinne: ,,da gerade — in diesem und keinem andern Augenblicke« wäre also nur möglich, wenn man anehmen wollte, die Mütter wären mit ihren Kindlein zu Jesu in das Haus gekommen, dem aber widerspricht schnurstracks der Inhalt des 15. Verses, welchen wohl niemand vom Aufbruch aus dem Hause verstehen wird, sondern nur vom Weiterziehen auf dem Wege. Nichts desto weniger findet gewiß eine enge Veziehun statt zwischen unserm und dem vorigen Abschnitt, ein errlicher Coutraft zwischen der göttlichen Segensfrucht der Ehe in den Kindern und dem men ch- lichen Mißbrauch oder der menschlichen Verachtung der Ehe je nach dem Belieben des Fleischesx iind um diesen Gegensatz recht grell hervortreten zu lassen und mit der Geschichte vom Segnen der Kinder und ihrer Aufnahme in das Himmelreichdas Wort von der Un- trennbarkeit des ehelichen Verhältnisses unter einen be- sonderen Nachdruch sowie das von dem Ledigbleiben um des Himmelreichs willen in das rechte Licht u stellen, hat es der HErr so gefügt, daß die aposiolis e Ueber- lieferung, wie sie in den beiden ersten Evaugelisten sich darstellt, jene Geschichte mit diesem zwiefachen Wort in unmittelbare Verbindung gebracht hat, nachdem es Gott zuvor schon so gefügt hatte, daß jene Geschichte einige Wochen später an demselben Orte sich zutrug, wo dieses wiefache Wort aus dem Munde hristi gekommen. us 1. Cor. 9, 5 geht unzweifelhaft hervor, daß die Apostel der Mehrzagl nach, besonders auch die Brüder des HErrn und Kep as verheirathet waren; daß sie das schon zu der Zeit gewesen, in welcher Jesus noch bei ignen war, ist, von Petrus abgesehen, kaum denkbar, i re Aeußerung in V. 10 und des HErrn Rede in V. 12 läßt vielmehr schließen, daß sie damals noch hätten ledig bleiben, können, wenn sie das für ihren Beruf hätten erkennen müssen. aben sie nun von ihrer vor- eiligen Aeußerungt ,,es ist nicht gut ehelich werden« sich gerade durch die Zurechtweisung: ,,etliche sind ver- schnitten, die sind aus Mutterleibe also geboren it» und sind etliche verfchnitten, die sich selbst verschnitten haben um des Himmelreichs willen« bekehrt und nach der Himmelfahrt Christi und der Ausgießung des heil. Geistes den Ehestand erwählt, so liegt darin ein gewaltiges Zengniß gegen den Hochmuth und die Verblendung in lsV 276 Evangelium Matthäi 19, 1 4 — 17 . der röm.-kathol. Kirche, womit deren Theologen die Re- formation bezichtigety sie sei ,,nach der dreifachen Anlage des Menschen nichts weiter als im geistigen Gebiet ein Abfall der Wissenschaft vom Glauben, im sittlichen ein Verrath der Kirche an den Staat und in der Leib- lichkeit die Auslieferung des Geistes an das Fleisch.« Ja, von dem durch pelagianische und hierarchische Men- schensatzungen verderbten und mit, neben der Schrift her laufenden und sie aufhebenden Ueberlieferungen versetzten Glauben sind .wir Evangelischen allerdings abgefallen, aber nicht von dem» apostolischen Glauben: sonst könnte der Fall nicht vorkommen, daß in unsrer Kirche ent- standene Predigten auch auf Kanzeln der andern Kirche von deren eigenen Dienern hin und wieder ehalten oder doch nachgebildet würden; und schon ist die Zeit herbeige- kommen, wo der als Glaube schlechthin gepriesene katho- lische Glaube sich zu einem Lehrinhalt zugespitzt hat, der die eigenen früheren Verfechter dieses Glaubens zum Abfall der Wissenschaft oder vielmehr ihres chriftlichen Gewissens treibt. Die nun abfallen müssen, weil sie fühlen, daß sie. anders keinen Frieden haben und anders nicht zur Seligkeit gelangen können, die müssen gegen- wärtig vor den Gewaltmaßregeln und Bannflüchen der als Kirche schlechthin gerühmten römischen Hierarchie sich bereits selber unter den Schutz desselben Staates flüchten, der vormals der »sogenannten« Kirchenverbesserung Raum verschasst hat, damit dieses Kind des christlichen Gewissens nicht gleich in der Wiege erdrosselt würde, sondern durch die vernünftige lautere Milch des Evan- gelii fortwachsen und zu einem gedeihlichen Leben sich sentwickeln könnte. Freilich wissen wir Ebangelischen wohl, daß in Egyptew wohin Jakob’s Haus gezogen ist, um m theurer Zeit erhalten zu werden und m ein roßes Volk auseinander zu gehen, auch ein neuer König aufkommen kann, der nichts von Joseph mehr wissen will, und daß dann die Egypter die Kinder Israel halten werden wie einen Greuel und sie zwingen zum Dienst mit Unbarmherzigkeitz das Leben kann da noch einmal recht sauer werden, es kann und wird im geistlichen Verstande sogar zu dem Befehl kommen, daß von den Kindern, die geboren werden, nur die Töchter am Leben bleiben sollen —- wir gedenken auch hier wie- der an die Zeit, die in Offenb. 11, 7 ff. vorliegt. Aber wenn der HErr sein Volk aus Egypten wird ausgeführt haben mit starker Hand (Osfenb. 11, 13) und wird sich in der evangelischen Kirche eine Gemeine zugerichtet haben , die da herrlich sei und nicht habe einen Flecken oder Runzel oder deß etwas; wenn drüben die wirklich nur sogenannte Gefellschaft Iesu sich vollständig als die Wegbereiterin dessen, der Christi Widerspiel ist, wird entpuppt haben (Osfenb. 13, 11 ff.), und die wirklich Christum suchenden und auf ihn hörenden Seelen seine Ankündigung vernehmen, daß nun Babylon der großen gedacht sei vor Gott, ihr zu geben den Kelch des Weines von seinem grimmi en Zorn (Ofsenb. 16, 19): dann wird auch der süße raum ein Ende haben, als sei der Cölibat an sich selber schon eine Herrschaft des Geistes über das Fleisch und das Ledigbleibenmüsseu ohne Weiteres schon ein Verschnittensein um des Himmelreichs willen; man wird dann hellere Augen» haben zu erken- nen und eine gerechtere Wage zu urtheilen, welche von beiden Kirchen der Auslieferung des Geistes an das Fleisch sich schuldig gemacht, ob die, welche ihre Diener lässet Brunst leiden (1. Tor. 7, 9), oder die, welche ihnen vollkommen frei giebt zu freien. »Ist die Wurzel heilig, so sind auch die Zweige heilig,« schreibt Paulus (Röm. 11, 16) mit Beziehung auf einen andern Fall; die andern Apostel, von denen er uns erzählt, daß sie anders, als er, eine Schwester zum Weibe mit umher geführt, haben den umgekehrten Schluß in Beziehung auf das Ehelichwerdem ob es gut sei oder nicht, dahin emacht: ,,sind die Zweige heilig, so ist auch die Wurzel heilig« sie haben an den, von ihrem Meister so hoch gehaltenen und so sonderlich gesegneten Kindern gemerkt, daß die Ehe unter einem andern Titel- stehe als unter dem der obsooenae oupiditates (unzüchtigen Begierden), unter den sie im J. 385 ein röm. Bischof gestellt hat. »Um des Himmelreichs willen«: das ist der herrschende Grundton; ob aber damit Töne sich verbinden sollen, die in’s Ehelichwerdem oder Töne, die in’s Ledigbleiben, wie bei Paulus, hinauslaufen, das hängt von dem Meister ab, der das Instrument des im Glauben ihm ergebenen Herzens spielt. Was, um auf diesen zweiten, der evangeL Kirche gemachten Vorwurf noch einmal zu- rückzukommew die staatliche Regierungsgewalt in ihr betrifft, so ist darin nur eine Fügung Gottes zu erken- nen, der sich nicht entgehen ließ und von der schon nach einem Menschenalter von jetzt ab offen zu Tage treten wird, was damit bezweckt worden, wenn nun der ganze Weg durchlaufen ist. Längere Zeit war die oberste Aus- sicht und Regierung der Kirche in der Abwartung, ob nicht die Bischöfe sich zuletzt doch noch der reinen Lehre zuwenden würden, als diesen vorbehalten, unbestimmt geblieben, bis sie nach und nach auf die weltlichen Fürsten, die zu Pflegern und Säugammen der Kirche geworden waren, als sog. Nothbischöfe übergingz diese übten sie dann seit dem 5ten Jahrzehent des Reforma- tionsjahrhunderts durch die Eonsistorien als Episkopab behörden aus, doch fand sich frühzeitig schon Ursach, daran zu erinnern, daß Christus die Seinen nicht aus der piipstlichen Sclaverei errettet habe, um sie zu Knechten der Politici zu machen. Soll nun ein Vor- wurf darin liegen, daß die evangel. Kirche schließlich ganz unter die Gewalt des Staates gerathen ist, so fällt der Vorwurf auf diejenigen zurück, welche die längere Zeit ihnen offen elassene Stelle zum Eintritt in die Kirche des reinen orts und Sacraments leer gelassen und damit das Uebel herbeigeführt haben; es straft sich das gegenwärtig nun damit, daß sie alle ihre Episkopak macht an den römischen Stuhl verloren und selbst ihr christliches Gewissen demjenigen Einflusse zum Opfer haben bringen müssen , der jenen Stuhl beherrscht, in den Kampf mit der Staatsgewalt aber, den sie im Dienste einer ihnen aufgedrungenen Lehreheraufbeschworew mit einem Brandmal eingetreten sind, das ihnen noch manche Schmerzen bereiten wird , bis die Zeit kommt, wo die Nachfolger können wieder gut machen, was die Vorgänger übel gethan, als sie nicht den Willen des HErrn erkannten, der es ihnen so nahe legte, was schließlich bei, dem jesuitischen Wesen heran-Komme, und welcher Segen sie für die deutsckpevangelische Kirche in ihrer schweren Bedrängniß und dem deutschen Christen- volke in einer auch politisch entscheidungsvollen Zeit werden könnten, sie aber mochten sich nicht entschließen, der Wahrheit die Ehre zu geben. 14. Aber Jesus lindem er unwillig ward über die Jünger, die noch so wenig zu Herzen gefaßt, was er ihnen vor etwa einem halben Jahr in Galiläa gesagt Kap. 18, 2 ff» und ihm den Kin- dern gegenüber nach Art der Pharisäerschüleu welche ihre Meister nicht mit ,,Kleinen« behelligen ließen, aber nicht in seinem Sinne, dienen wollten] sprach smit einem Ton seiner Stimme, der es deutlich merken ließ, wie die Grundstimmung seines Herzens auch da nicht getrübt worden, wo sie durch Un- willen und Zorn hatte hindurchgehen müssen, vgl. Jokx 2- 15 f.]: Lasset die Kindlein und mehret Segnung der Kinder. 247 I- ihnen nicht smit euern Anfahren und Abweisen derer, die sie tragen], zu mir zu kommen sgleich als müßten sie erst werden wie ihr, um ein Recht dazu zu haben]; denn solcher [indem sie zu mir gebracht werden und ich nun, ohne »daß schon eine Scheidewand zwischen meiner mittheilenden Hand und ihrer empfangenden Seele bestünde, sie segnen kann] ist das Himmelreich [und erst dann ist dieses auch euer, wenn umgekehrt ihr werdet wie die Kinder Kap.18, 3; Mark. 10, 15; Luk. 18, 17]. 15. Und [indem er die Kindlein auf die Arme nahm und herzete] legte [er segnend] dte Hunde auf sie, und zog [darnach, als der auch hier einen Theil seines Heilandswerkes auf Erden vollbracht] von dannen [wie es scheint, durch die Stadt Livias hin- durch, aus welcher heraus die Mütter mit ihren Kindern ihm entgegengegangen waren oder in welcher selbst sie ihm dieselben zugeführt hatten] Hat man’s mit Menschen zu thun, so lautet die rechte Regel: Sei doch kein Kind — traue, schaue wem! Hat man’s aber mit Gott zu thunund will in sein Reich, dann kann’s nicht genug immer neu lauten: Sei doch nur ein Kind — folge dem Ruf, traue der Ver- heißunY nimm die Gabe, gehorche dem Wort, alles als ließest u dich heben, tragen, herzen und segnen! Völlig begründet gegen allen Einwand, welcher dies Nehmen des Himmelreichs nicht versteht, ist der Gebrauch, welchen die Kirche von dieser Erklärung und That des HErrn (nach dem Wortlaut bei Mark. 10, 13—16) als Ein- setzung der Kindertaufe macht: derselbe, der hier gewiß nicht mit leerer Eerimonie, blos dem Aberglauben der Bringenden zu Gefallen (thut er denn sonst je der- gleichen?) gesegnet hat, giebt auch den größeren, das ganze Himmelreich ausschließenden Segen der Taufe den etzt zu ihm Gebrachten und läßt, wie hier, das Ge- orachtwerden schon als ein Kommen gelten; denn es ist wirklich ein Kommen, ganz -so genügend wie das der Erwachsenen, die auch nichts zu bringen haben als stch selbst und ihre sündige Natur. Sind aus derselben be- wußte Sünder hervorgebrochen, dann gehört die Buße und der Glaube zum rechten Kommen, dann soll ohne dies beides niemand getauft werden; aber ein Kindlein bedarf der Buße nicht, und seinem Glauben kommt, wie dem unsern, ehe er da ist, die Gnade, woran wir glauben, zuvor. Empfangen wir nicht alle Gnade, die wir hernach erkennen, so zuvor unbewußt als Kindlein, als Embryonen gleichsam der Wiedergeburt?. Wer her- nach glaubet, wie er schon getauft ist, wird selig; denn auch wer getauft wird, weil er geglaubet hat, empfing in seinem Glauben schon die Erftlinge der durch’s äußere Sacrament verstegelten Taufgnade Man kann daher kühnlich sagen, daß sogar nur die Kindertaufe dem Be- griff des ersten Sacraments, insofern es das zuvorkom- mende, grundlegende, alleinwirkende Geben und Auf- nehmen von Seiten Gottes ist, in der Wirklichkeit voll- kommen entspricht. Und wenn getaufte Kinder sterben, sind ste gerettet und selig, ehe sie widerstreben konnten. Wenn ungetaufte? — auch dann ist völlig begründet der nur um des Unglaubens willen weniger allgemeine Gebrauch, welchen die Kirche von demselben Spruch: »Lasset die Kindlein zu mir kommen!« in Liedern und Leichenreden macht zum Troste bei Kinderbegräbnissem Der sie sterben läßt, heißt sie eben damit zu ihm kom- men und wird gewiß jenseits denselben Segen für sie haben, den er ihnen hier nicht vorenthält. (Stier.) Jn Peräa war Jesus nicht blos ein Mann von heiligem Ansehen, sondern schon bestimmter in seiner Würde er- kannt; die Gläubigen dort waren schon zartsinnige Christen und erkannten, daß Christus auch kleine Kinder segnen könne und diese wirklich von ihm einen Segen empfangen könnten. (P. Lange.) l6. Und siehe, einer saus der Menge, die Jesu nachfolgete, und zwar einer, der zwar noch jung V. 20, aber doch schon ein ObersterLuk.18,18., vermuthlich Vorsteher einer der Shnagogen der Stadt Kap. 9, 18 war] trat zu ihm [nach Mark. to, 17 gen.: lief, da Jesus hinausgegangen war auf den Weg oder schon im Begriff stund ,· aus der andern Seite die Stadt wieder zu verlassen und seinen Weg weiter in der Richtung nach Jericho hin Kuh. 20, 17 zu nehmen, vorne vor, ihm gleichsam den Weg vertretend, knieete vor ihn] nnd sprach: Guler Meister, was soll ich Gutes thun [d. i. welches besondere Gute soll ich noch thun], »daß ich das ewige Leben [nach welchem so sehr meines Herzens Verlangen steht und welches ich doch, wie mein Gswisxen mir sagt, noch nicht ergriffen habe] möge cl M. — h In dem Kreise der Jünger hat der Vorfall einen tiefen Eindruck zurückgelassen; das merkt man an der verhältnißmäßig großen Ausführlichkeitz womit alle drei Synoptiker ihn mittheilen, und besonders auch an dem ,,stehe«, womit St..Matthäus seine Erzählung beginnt. Von Peräa schied Jesus mit einem andern Erfolg seiner Wirksamkeit, als von Galiläa: nicht nur, daß die Mütter ihre Kindlein «brachten, sie von ihm segnen zu lassen, sondern auch in der Klasse derer, die sonst ihm feindselig, «lauernd und versucherisch entgegentratem machte einer sich bemerklich, der sich mächtig zu ihm hingezogen fühlte und ihn aus seinem Gesichtskreise nicht wollte verschwinden lassen, ohne sich Antwort aus die Frage seines Herzens bei ihm geholt zu haben; und wie er das nun anfängt, bekundet eben so sehr die tiefste Ehrerbietung gegen den Propheten aus Nazareth, als sein nachheriges Weggehen von ihm in Vetrübniß (V.22) die Liebe zu ihm an den Tag legt. »Es ist in gewisser Hinsicht die Nikodemus- Gestalt (Joh. Z, 2) der Synoptiker, wiewohl seine Ge- schichte leider weniger befriedigend, als die dieses Meisters in Israel, endet.« Zu bemerken ist in Beziehung auf die Anrede an Iesum und die Form der an ihn gerich- teten Frage, daß, während bei Markus und Lukas das »Gutes« in der Frage fehlt und es blos heißt:· »was soll ich thun?« es bei Matthäus nach richtigerer Lesart in der Anrede wegsällt, so daß diese nur lautet: ,,Meister«. Auch in der Antwort tritt hernach eine Verschiedenheit zwischen Mark. und Luk. einerseits und Matth. andrerseits, wenn wir die richtige Lesart bei diesem berücksichtigen, hervor; in der Evangelienharmonie sind aber alle diese Verschiedenheiten in eine höhere Ein- heit zusammenzufassen. Jm ganzen Verlauf der Ge- schichte kommen »drei Stufen des Heilswegs, dargestellt in drei Fragen des Herzens« zur Erscheinung: ,,1) die Frage des Anfängers heißt: was soll ich thun, daß ich das ewige Leben haben? Z) die z rage des Fortschritts lautet: was fehlet mir noch? «)die Frage, die zum Ziele führt, ist: je, wer kann denn selig werdens« (Gerok.) » 17. Er aber sprach zu ihm: Was sfragest du mich über das Gute? das ist eine Frage, die sich eigentlich von selbst beantwortet, denn Einer ist der Gute, und da kann es überhaupt nichts 278 Evangelium Matthäi 19, 18—21. Gutes geben, das irgendwo anders als in seinem geoffenbarten Willen zu suchen wäre. Und was] heißest du mich gut [als wäre ich das aus mir und in mir setberTs Niemand ist gut, denn der einige Gott fund aus ihm und in ihm muß sein, wer gut sein will]. Willst du aber lum nach dieser Abweisung des Verkehrten, was in deiner Anrede und in deiner Frage liegt, dir denjenigen Bescheid zu wiederholen, den die Schrift längst fchon gegeben Z— MOL 18- 55 Jes 48, 17 f.] zum Leben ein- gehen, so halte die Gebote. Indem derselbe Jesus, welcher die Bergrede mit der Seligpreisung der geistlich Armen begonnen und in den Worten: ,,alles ist mir übergeben von meinem Vater« sich als den einzigen Weg zum ewgen Leben dargestellt hat, der auch so leich hernach in . 29 das Ererben des Lebens an as Bekenntniß f eines Namens an- knüpfen wird -, den Jünglin hier auf’s Thun der Ge- bote als die Brttcke zum Le en weist, kann seine Rede nur pädagogisckz im erziehlichen Sinne gemeint sein: der Frager soll erst in den ganzen Ernst des Gesetzes eintreten; wenn er einmal dem Moses recht glauben wird, ist er auf dem Wege, Jesu zu glauben. Hiernach muß man denn auch in dem vielbesprocheiten »was nennest du mich gut? niemand ist gut denn Einer, Gott« eine auf die Gemüthssiellung des Jünglings zielende Absicht vermuthen. Wir haben den Ausspruch auch hier in dem Wortlaut bei Mark. (10, 18) und Luk. (18, 19); in gewichtigen Handfchristen des Matthäus findet sich aber statt dessen: »was sragest du mich über das Gute? Einer ist der Gutes« während andere Handschriften mit Markus und Lukas gehen. daß bei Matthiius die abweichende Lesart die ursprüng- liche ist; denn welche Abfchreiber mochten ein Wort än- dern, welches auch bei Marlus und Lukas stand? Wie aber wird Jesus selber gesprochen haben? Was Mark. und Lul. ihn sagen lassen, legte ihm gewiß niemand in « den Mund, weil es befremdlich klingt: diese Worte sind also von Jesu selber gefprochenz Um so mehr hat man den ersten Evangeltsten beschuldigh statt dieses von Jesu stammenden ein ihm besser belie endes gesetzt zu haben, weil ihm jenes als Verneinung des Gutseins Jesu un- lieb gewesen; es ist aber schwer zu glauben, daß dem ersten so heftigen Anstoß erregte, was den zwei andern unanstößig war. Dazu ist das Wort bei Matth. so geistvoll und für das We schwärmen des Jttuglings von dem Gebot der Gotteslie e in den Nebel irgend welcher überaus guten Dinge eine so trefsende Rüge , daß die Herstammung des Ausfpruches von Jesu überaus wahr- fcheinlich bleibt. Was hindert denn die Annahme, daß Jesus beides gesagt, die Ueberlieferung aber bald an dieses, bald an jenes Wort sich gehalten habe? Die Antwort Jesu wird also gelautet haben: »was fragst du mich über das Gute? Einer ist der Gute. Und warum nenneft du mich gut? Niemand ist gut außer Einer, Gott« Befremdlich bleibt das »was nennest du mich gut 2c.« nur so lang, als man nicht seinen Erziehung-8- zweck in’s Auge faßt. Der Jüngling, die Brust voll Begeisterun , behandelt Jefnm als einen solchen Aus- bund von erechtigkeih wie er selbst jetzt einer werden will: welch’ treffliche Mediciry wenn nun eben der Mann, welchem er auf dem Wege einer übergesetzlichen Gerechtigkeit nachgehen will, Gott als den einzig Guten preist! Aus diesem Worte Jesu aber, wie die sog. Kritiker gethan haben, ein Geständniß machen, daß auch er sich von einzelnen Schwankungen und Fehlern nicht frei gewußt, heißt Jesum verwickeln in schreienden Es wird kein Zweifel sein, Widerspruch mit sich selbst; seine Absicht kann durchaus nur sein, in dem, von dem Jüngling gemeiuten Sinne das Lob des Gutseins von sich abzuweisen. Dieser schwärmt voii einer Güte, welche hinaus sei tiber das Gesetz; solches Gutsein erkennt Jesus nur Gott selber zu, er weiß fiir sein Theil als des Menschen Sohn sich unter die Gebote gestellt und eben jetzt lastet es schwer auf feiner Seele, daß des Vaters Gebot auf seine Ueber- gabe in die Sünderhände zielt, die Vorboten des Geth- fetnanekampfes regen sich. JefuGutsein ist der Gehor- sam, immer tiefere Beugung unter die stets schwerer werdende Hand des sein Leben ordnenden Vaters —- ,,von dem, was er litt, hat er Gehorsam gelernt« (Hebr.»5, 8). Verfehlungen aber gegen das Gebot oder auch nur Schwankungen zwischen Gehorchen und Nichts gehorchen waren niemals in ihm; in Gethfemane hat der Geisteswille den Naturwillen in hartem Rin en niedergekämpfh Schwanken aber heißt, wenn sich er Geisteswille, das Jch selbst jetzt zu dem Fleische, jetzt zu dem Gefetze, oder halb zu dem Fleische, halb zu dem Gesetze neigt. (Geß.) Vor der Vermessenhett des Jüng- lings, der von dem Guten, dieser ewigen Gabe Gottes, glaubt, es könne von dem Menschen in der Gestalt des äußerlichen Werkdienstes gethan, ja gemacht werden, und der sogar andeutet, er habe es darin schon sehr weit gebracht, zieht sich das Bewußtsein Jefu in hoher Demuth, wie wenn er über eine so stotze menschliche Werkheiligkeit vor dem Vater erröthete, von dem auch Er sein Gutsein hat, in Gott zurück: will jener ihn in der Wahrheit gut nennen und nicht, trotz seiner lebhaften Verehrung, dennoch nur mit einer Beimifchung von ges« dankenlofer Titulatur als den Futen Meister preisen, so soll er wissen,"daß er sein utsein wie sein ganzes Leben aus dem Vater hat und in dem Vater findet. Wie er stch also nicht im schiefen, mißverständlichen Sinne ,,Messras« nennen läßt, so auch nicht ,,guter Meister«; und so wird der Jüngling veranlaßt, über die Gottestiefe des Guten in diesem ,,guten Meister« nachzudenken. (P. Lange.) Das Wort »was heißest du mich gut 2c.« ist Ausdruck der nämlichen demuthsvollen Unterordnung unter Gott, von welcher durchdrungen Jesus auch, obwohl mit dem Vater sich eins wissend, doch den Vater als den ihn Sendenden, Lehrenden, Heilig·enden, Verklärenden, mit einem Wort als den Größeren bezeichnet; immer ist ja doch der Vater der Urquell, wie alles Seins, so auch alles Gutfeins, der absolut Gute, in seiner Heiligkeit ewig scch gleich, wäh- rend ihm gegenüber auch der Sohn als Mensch,.»ein im Guten und Heiligen sich Entwickelndey durch Prtifungew Schmerzen und Leiden zur göttlichen Herrlichkeit srch Vollendender ist. (Ullmann.) 18. Da sprach er zu ihm: Welche? [denn diejenigen von Gottes Rechten und Satzungen ken- nen zu lernen, deren Halten ein besonderes Ver- dienst bewirkt und mir dadurch zum ewigen Leben oerhilft, darauf kommt es mir eben an.] Jesus aber [ihm absichtlich zunächst die Gebote der an- dern Tafel vorhaltend] sprach: lJch meine die:] Du sollst nicht todten. Du sollst nicht ehebrecheu Du sollst nicht stehlen. Du sollst nicht falsch Zeugnis geben [2. Mos. 20, 13——16; 5. M. 5, 17——20],. 19. lDann zuriickgreifend aus das Vierte Ge- bot, fuhr er fort-J Ehre Vater und Mutter [2. M. 20, 12; 5. M. 5, 16]. Und [die Aufzählung mit dem Wort: Z. Mos 19, 18., in welchem er zu- gleich das 9. u. 10· Gebot nach ihrem positiven Vom reichen Jüngling. 279 Inhalt wiedergab, abschließend, setzte er hinzu:] du sollst deinen Nächsten lieben als dich selbst. An Verschiedenheiten des Wortlautes in Mark. l0, 19 u. Luk. l8, 20 ist vorab zu bemerken. daß dort die um- ständlichere Verhandlung des Errn mit dem Fra er, wouach er ihm erst fagt: »wi st du zum Leben eingehen, so halte die Gebote«, dieser dann weiter fragt: ,,we che9« indem er nicht daran denkt, daß Jesus die gewöhnlichen meinen könne, weil diese ja nicht zum Leben hülfem und der HErr nun doch ihn darauf zurückweist als wirklich von ihm gemeint, in ein kurzes Wort zusammengezogen wird: »du weißt ja die Gebote Wohl«, was den Sinn hat: frage nicht, wie du thust, nach besonderen, außer- ordentlichen Geboten, wenn es sich um Erlangung des ewigen Lebens handelt, besinne dich nur einfach auf das, was du fchon weißt, und halte es (Micha G, 8). In der Anführung der Gebote der II. Tafel ist nun aber weiter bei Mark. und Luk. das 6. Gebot dem 5ten vor- angestellt, wie das auch in Röm. 13, 9 geschieht; es liegt da die Weise der griech. Uebersetzung der Septua- ginta zu Grunde , welche in den jlid. Schulen bereits Eingang gesunden hatte, vielleicht aber anch eine Bezie- hun auf die Jugend des Fragers, für welchen das 6. Gebot von besonderer Bedeutung war. Ferner führt Markus das 9. u. 10. Gebot aus das Wort zurück: »du sollst niemand täufchen (niemand etwas vorenthalten oder entziehen)«, Lukas aber nimmt ganz von beiden Geboten Abstand. Daß der HErr überhaupt nur auf die Gebote der andern Tafel eingeht, hat seinen Grund darin, daß es sich zunächst um ein Thun mit Worten und Werken handelte, und von da aus erst weiter eingedrungen wer- den sollte in die Gesinnung; dafür eigneten sich diese Gebote am besten, und wie nun schon nach Anführung der negativen Gebote (5—8), deren Ausdruck am meisten in’s äußere Werk und Wort greift und vor denen der selbstgerechte Menfch sich am leichtesten rechtsertigh das von Gesinnung sprechende 4. Gebot in positiver Form auftritt, so dann ganz positiv und das Jnnere erfassend das von der Nächftenliebe Die Gebote der I. Tafel, die ihre Summe haben in dem Wort: 5. Mos S, 5., sparte aber einstweilen der HErr sich abfichtlich auf, um dann in V. 21 dem, der da gefragt: »was oll ich (für ein besonderes) Gutes thun (das ich isher noch nicht gethan hätte), daß ich das ewige Leben möge haben P« wirklich ein Besonderes , an das er noch nicht gedacht, zu nennen, dabei jedoch sich ganz innerhalb der 10 Ge- bote zu halten, auf die er ihn mit dem Worte ver- wiesen: ,,willst du zum Leben eingehen, so halte die Gebote« Für den vollständigen Wortlaut der Aufzäh- lung, wie er aus Christi Munde hervorgegangen, von denen aber jeder der Evangelisten etwas, das sich von selber ergänzt, weggelassen hat, halten wir diesen: »Du sollst nicht ehebrechen. Du sollst nicht tödten. Du sollst nicht stehlen. Du sollst nicht falsch Zeugniß reden. Du sollst niemand täuschen. Ehre deinen Vater und Mutter. Und: Du sollst deinen Nächsten lieben als dich-selbft.« Das 4. Gebot, das die luth. Zählungs- weise zur I. Tafel rechnet, ist hier in die Gebote der II. Tafel hineinverflochten, woraus man aber noch nicht schließen darf, daß jene Zählungsweise falsch sei; dem HErrn ist es überhaupt nicht darum zu thun, über Auf- einanderfolge und Zählung der Gebote einen Bescheid zu geben, daher er im Verhtiltniß des 6. und 5. Gebots zu einander sich ohne Weiteres dem Gebrauch der jüd. Schulen anschließt, es kommt ihm vielmehr für jetzt auf das in die äußere Erscheinung tretende Halten der Ge- bote oder auf das Verhalten gegen die Menschen in Worten und Werken an, und in dieser Beziehung war das 4. Gebot, das an der Grenze zwischen den Geboten der ersten nnd denen der andern Tafel steht, allerdings hierher zu rechnen. 20. Da sprach der Jüngling [der bisher zwar ein rechtschaffenes, sittenreines Leben geführt, das ihm auch so frühzeitig schon zu dem Amt eines Schulvorstehers verholsen hatte, aber doch die Ge- bote nur nach dem äußeren Buchstaben begriff, ohne eine Ahnung zu haben von ihrer tiefen, all- umfassenden Bedeutung] zu ihm: Das fwas du mir da vorhältst] habe ich alles [wie ich ohne Lüge und Heuchelei versichern kann] gehalten von meiner Jugend auf; was fehlet mir noch swas ist-s, worin ich noch zurück bin, um, wenn ich auch das noch gethan, das ewige Leben davon zu bringen]? 21. Jesus [indem er in ihm ein aufrichtiges Sorgen und Streben um das ewige Heil erkannte und ihn gern ganz für seine Nachfolge gewonnen hätte, um ihn da von dem inneren Schaden, an dem er noch litt, zu heilen, sahe ihn mit einem Blicke an, in wclchem deutlich sein Liebesverlangen zu lesen stund Mark. to, 21, und] sprach zu ihm: Willst du [wie du da bekennest und zugleich das Vertrauen aussprichsh mit meiner Hilfe zum Ziele zu kommen] vollkommen sein, so gehe hin, verkaufe WCS ZU hbst lKaps 13- 46J- Uud gieb’6 [den Er- lös des Verkauften] den Armen, so wirft du [für den preisgegebenen Schatz der Erde Kap. 6, 19 f.] einen Schah im Himmel haben; und komm kunter Darangabe deines bisherigen Amtes] uud folge mir nach [daß ich dir einen Dienst in meinem Reiche übertrage, bei dem du sreilich das Kreuz wirst auf dich nehmen müssen in Schmach und Verfolgung und mancherlei Selbstverleugnung Mark. 10, 21]. · Was den Sinn dieses Zuspruches Christi betrifft, so wird derselbe von Seiten katholifcher Theologen benutzt fiir ihre Lehre von den eonsiliis evangelicis und den operxbus superer0gati0nis, von sittlichen Rathschltigem deren Beobachtung noch über die eigentlichen Gebote der frir jeden Christen nothwendigen Pflichten hinausgehe und so einen Ueberschuß von guten Werken gebe; als ein solches oonsjljum evangelicum betrachten sie die« Aufforderung zu freiwilliger Armuth; aber diese Lehre ist uberhaupt entschieden» gegen den Geist und die Lehre des Evangeliums, da kein Mensch» über das hinaus thun kann, was zu thun seine Schuldi keit ist (Luk. 17 10). Die Meinung des Erlöfers kann aber auch nicht diik sein daß der Verkauf und die Vertheilung seiner Güter an die Armen an sich wirklich das Einzige sei, was dem Jüngling noch mangele, um zur Vollkommenheit zu ge- langen und des ewigen Lebens theilhastig zu werden; »Es fvkdekt 1a von ihm, daß, wenn er dieses gethan, er ihm nachfolgen und· sich ganz seinem Dienste widmeu solle, und nur damit er dieses ungestört könne, ohne darin durch die fortwährende Sorge um seine irdischen Schatze innerlich und äußerlich gestört zu werden, stellt er an ihn die Forderung , stch derselben zu enkäußerzy da der Erloser wohl erkannte, wie das Herz des Man- nes» darf« noch ZU seh? FAUS- um bei fortdauerndem Besitz derselben stets bereit zu sein, sich allem zu unter- werfen, was der» Dienst des Reiches Gottes ihm aufer- legen würde. Die Erfüllung dieser Forderun verlangt des! Erloser nur als Beweis, daß ·es in Wa rheit fein vo er Ernst sei, der Vollkommenheit nachzutrachten, die 280 Evangelium Matthäi 19, 22——28. zum Besitze des ewigen Lebens führt; nur so haben wir gewiß im Sinne Christi das ,,willst du vollkommen fein« zu fassen, (Bleek.)· Zu Grunde liegt der Forde- rung Christi die allgemeine Pflicht jedes Christen, um Christi und des Reiches Christi willen alles Andre für Schaden zu achten und in vollkommener Selbstverleug- nung nichts vorzubehalten, was er nicht um die Eine köstliche Perle hinzugeben in jedem Augenblick willig und bereit wäre. Wie ein jeder im gegebenen Falle diese Allen gleiche Pflicht zu erfüllen habe, ob durch fo- fortige Fingabefeines Besitzthums oder durch gott e- füllige erwaltung desselben, darüber entscheiden die e- sonderen Umstände, die besondere Lage oder Berufs- stellung , in der er sich befindet; nur daß fein Herz so los sei von der Liebe des Mammon, daß er frei über diesen zu verfügen Macht habe und nicht mehr innerlich von ihm gebunden und beherrscht sei, ist der auf alle älle anwendbare Inhalt der Forderung (1. Cor.7,29ff.). Zur dieser Freiheit aber stand der Jünglin nicht, und dies ihm aufzudecken war der nächste Zwe des Befehls Christi. Hätte der HErr auf die Frage des Jünglinge» »was fehlt mir noch?« geantwortet: du hängst noch an deinem Mammon! so hätte der Inn ling es nicht ge- glaubt und leicht das Gegentheil begauptem so, wie durch den Befehl des HErrn geschieht, auf die Probe gestellt, kann er nicht leugnen, sondern muß schweigend zugeben, was wahr ist. Denn zu hoch kann die Forde- rung dem nicht erscheinen, der an den Geboten Gottes sich nicht genügen läßt, sondern mehr zu thun begehrt als diese verlangen; überdies liegt in der Aufforderung: »und komm, folge mir nacht« eine Anmahnung und Zu- sage (V. 28 f.), die das verlangte Opfer reichlich auf- wog. (v. Burgen) » » 22. Da der Jungling das Wort horete sdaß er verkaufen solle alles, was er habe, und den Armen geben], ging er [nnmuths Mark. I0,»22 und] betrübt von ihm; denn er hatte viel Guter san denen hing sein Herz, daß er sich nicht ent- schließen mochte, sie herzugebem und doch wäre er gern Jesu Nachfolger geworden]. Es ist durchaus wider den Sinn der Stelle, wenn manche Ausleger einfach voraussehen: hätte der Jüng- ling nur die Vorschrift des HErrn befolgt, so wäre alles gut gewesen; weil er es aber nicht that und trau- rig fortging, war er verloren. Damit ist die pädago- gifche Weisheit des HErrn verkannt. Allerdings war sein Davongehen hbchft bedenklich und Beforgniß erregend für seine Zukunft; allein, daß er betrübt davon ging, deutete auf einen inneren Kampf, in welchem er noch durch die Gnade zur Selbsterkenntniß kommen konnte. Und das war es, was ihm wirtlich fehlte auf evange- lischem Grunde, die Selbsterkenntniß und Nachfolge Christi, nicht aber das letzte Siegel äußerer Heiligkeit. (P. Lange.) 23. Jesus aber [um sich her blickend, was für einen Eindruck wohl dies traurige Davongehen des Jünglings auf die Anwesenden gemacht, und ihnen bei dieser Gelegenheit ein ernstes Wort zur Beherzigung mittheiIenVJ sprach zu seinen Jüngern: Wahrlich, ich sage euch, ein Reicher sder viele Güter in dieser Welt sein nennt] wird schwerlich in’s Himmelreich kommen sdenn solche Güter fesseln nur gar zu letcht das Herz also an sich, daß der Mensch ganz von dem Leben aus Gott abkommt und lieber das Himmelreich drangiebt, als feine Schätze auf Erden]. 24. Und weiter sage ich euch [um euch dieses ,,schwerlich« in seinem ganzen Gewicht fühlen zu lassenjx Es ist leichter, daß ein Kameel smit sei- nem Höcker auf dem Rücken Richt 6, 5 Anm. und den Lasten, die man ihm aufgepackt hat] durch ein Nadelöhr gehe, denn daß ein Reicher ins Reich Gottes komme. . Wir Abendländer, die wir an die einschneidende Spruch- und kühne Redeweise des Morgenlandes nicht gewöhnt sind, können uns so gar nicht darein finden, daß der HErr hier wirklich ein Kameel mit einem Nadelbhr sollte zusammengestellt und von einem Durchgehen des ersteren durch das letztere geredet haben, da ja schon bei dem bloßen Denken daran ein Unding herauskommt; man hat daher entweder für »Kameel« einen andern Begriff gesucht und dem Wort des Grundtextes die Be- deutunlg »Schiffs- oder Ankertau« angedichtet, oder unter »Nade ishr« eine niedrige, enge Pforte verstehen wollen, wie denn allerdings im jetzigen Morgenland die kleinen Seitenpförtifen neben dem eigentlichen Thor einer Stadt mit diesem iigttrlichen Ausdruck bezeichnet werden. Aber letztere Vezexchnung hat ohne Zweifel erst in Folge dieses Ausspruchs Christi sich gebildet, während dagegen im Talmud als sprichwörtlicher Ausdruck zur Bezeichnung von etwas geradezu Unmöglichen die Nedensart vom Durchgehen eines Elephanten durch ein Nadelöhr vor- kommt; es muß also dabei bleiben, daß wir die Worte so nehmen, wie sie lauten, und soll offenbar das Nadels öhr das Bild des sichtbar kleinsten Durchganges, den es giebt, vor die Seele führen, um die enge UBforte, die zum Leben führt (Kap. 7, 13 f.), als gar sehr enge zu beschreiben, als das Allerengfte für den Menschen, was sie denn in der That auch ist. Dieser Pforte steht der Reiche gegenüber wie ein mit einem Höcker versehenes und mit Lasten bepacktes Kameel: es ist fchwer, daß er feine Last ablegt, und es ist schmerzhaft, daß er seinen Höcker wegfchneidet -— geschieht es dennoch (uud in V. 26 sagt der HEry wer das dem Reichen selber Unmögliche Ding gleichwohl zu vollbringen vermag und die Opera- tion so ein Ende gewinnen läßt, daß er es könne ertragen), so ist die Pforte ihrerseits doch nicht so enge, daß sie nicht auch ihm den Durchgang gestatten. Geschieht es aber nicht, bleibt die Last und bleibt der Höcker, so muß der Reiche auch draußen bleiben — einem, der in fei- nem Reichthum das Leben finden will, mit einem Herzen, das an demselben hängt, auf denselben sein Vertrauen setzt, in demselben lebt und webt; schließt die Pforte zum ewigen Leben sich zu; denn sie ist das Thor einer Stadt kleiner Elfen oder feiner Geister , für ihn nicht größer, wie das Oehr einer Nadel für ein Kameel 25. Da das seine Jnnger höreten sdaß so schwer einem Reichen der Eingang tn’s Himmel- reichgemacht sei], enlsehten sie sieh sehr sweil sie« fühlten, daß ein jeder feinen Antheil an der Welt- liebe der Reichen habe und selbst der Aermste mit mancherlei Fäden seines Herzens an die Güter dieser Welt gebunden sei] und sprachen: Je shier Ausruf der Verwunderung, s. v. a. ei], wer kann denn [w»enn’s so schwer einem Menschen gemacht ist] selig werden? [sind wir da nicht alle mit einander vom Himmelreiche ausgeschlossenij M. Jesus aber sahe sie lwährend einer kurzen Pause, die er machte, mit bedeutungsvollem BlickJ an sals wollte er sie erinnern, wieviel die göttliche Gnade bisher schon an ihnen gethan, und daß sie Von den Gefahren des Reichthnms 281 also sich selber ein thatsächlicher Beweis wären von der Macht dieser Gnade] nnd sprach »zu ihnen: Bei den Menschen IfreilichJ isrs unmoglich kaus eigener Kraft zu bewirken, daß sie selig werden]; aber bei Gott sind alle Dinge möglich sund da darf einer nur ihm und seiner Wirkung am Herzen sich ohne Widerstreben hingeben, so wird es schon geschehen, daß er das ewige Leben ererbe]. Dem Menschen an sich bleibt’s unmöglich, auch nur die Blindheit des Herzens zu durchbrechen, daß er sich als Sünder erkennt und recht siehet, was ihm fehlt; dann wieder unmiiglich, dies in rechter Buße vor Gottes Angesicht zu bekennen, im Glauben die Gnade zu neh- men; dann immer noch unmöglich, in der Gnade zu be- harren bis an’s Ende. Aber es geht alles durch Gottes Wirkung, zuvorkommende, vorhaltende, stärkende und bewahrende Macht l. Petri 1, 5. (Stier.) Diese Er- munterung war für die Apostel nöthig, daß sie bei ihrem Amte nicht muthlos würden und keinen Reichen für die christliche Kirche unempfänglich halten möchten. (Heubner.) Evangelium am Tage St. Paris: Betiehrung: v. 27—30.) Der Tag fällt auf den 25· Januar. Nach dem . strengen Grundsatz der Kirche, zu Evangelien nur Ab- chnitte aus einem der heil. 4 Evangelisien zu wählen, st die geschichtliche Thatsache des Tags, weil sie schon in das Bereich der Apostelg (9, 1—2 )fällt·, zur Epiftel genommen, wie es auch in Betresf der Pfingst-Perikopen der Fall ist, zum Evangelium aber das vorliegende; daß dasselbe gut und treffend wählt sei, ergiebt sich schon aus Pauli Wort in Philipp. 3, 7 f., vollends aber läßt das Gleichniß in Kap. 20, I ff., welche auf’s Engste mit unsrer Geschichte zusammenhängt, ein helles Licht auf den Zusammenhang der Bekehrung Pauli mit dem Worte Petri fallen: ,,Siehe, wir haben alles verlassen und sind dir nachgefolgey was wird uns dafür?« In der evangeb Kirche wird der Tag kaum noch gehalten, während bei Luther sich ein Sermon für denselben findet von der Berlassung aller Dinge. 27. Da Iwohl mit einem gewissen wehmüthigen Rückblick auf seine Familie in Kapernaum Kap. 8, 14 f., die er in der Nachfolge Jesu schon früher einmal Kap. 15, 21 — 17 , 24 fast 4 Monate lang nicht gesehen und von der er jetzt wieder seit V. 1. über 5 Monate getrennt gewesen Kap. 16, 7 u. 18 Anm.] antwortete Petrus smit Beziehung auf den reichen Jüngling, der betrübt von dannen ge- gangen war nnd .von Erdengut das nicht hatte wollen darangeben, was auf das Herz eines Men- schen noch lange nicht eine· so fesselnde Macht aus- übt, als die Liebe zu den Seinen], nnd sprach zu ihm: Siehe, wir sauf diesem »wir« liegt ein Nach- druck] haben alles lnicht blos Besitz; und Gewerbe, sondern auch Freunde und Hausgenossenj verlassen nnd sind dir kbis hierher] nachgefolget [mit dem sesten Entschluß, dir auch weiter zu folgen, wohin du immer uns führen magst]; was [also, da du dem Jüngling schon einen Schatz im Himmel ver- sprachst V. 21, wenn er seine Güter verkaufen würde und dir nachfolgen würde] wird uns dafür? seinen besonderen Ersatz für unser so frühzeitiges und höchstes Verlassen, welches zugleich das von dem Jüngling geforderte in sich schließt, mußt du außer jenem mehr allgemeinen wohl noch im Vorbehalt haben.] f 28. Jesus aber sdem es für dewAUgeiiblick weniger darauf ankam , das Unlautere, was in dieser Frage lag, dem Petrus zu oerweisen, als vielmehr den Jüngern zum Bewußtsein zu bringen, was für ein reicher HErr er sei, der überfchwänglich lohnen »und über alles Bitten nnd Verstehen ersetzen könne, was einer um seiner Nachfolge willen daran gegeben] sprach zu» ihnen: Wahrlich, ich sage euch, daß ihr, die ihr mir seid nachgefolget sihr meine zwölf Apostel —- aosichtlich schloß er den Judas Jscharioty noch nicht von dieser Verheißung aus, obgleich er schon einmal eine Hindeutung auf dessen Verraih gegeben Joh. 6, 70 f., sondern schränkte seine Zusage erst später ein, alsJudas sich selber ans dem Kreise der Zwölfe ausgeschlossen Luk. 22, 28 ff.], in der Wieder- geburt [wenn nun herwiedergebracht werden soll alles, was Gott geredet hat durch den Mund aller seiner heil. Propheten von der Welt an Apostg 3, 21], da des Menrhen Sohn wird sitzen auf dein Stuhl seiner Herrlxkhkeit [das Reich Jsrael wieder aufzu- richten Apostg I, 6], werdet ihr auch stszen auf zwölf Stühlen [in Luk. 22, 30 ist mit Rücksicht auf den durch Judas leer gewordenen Stuhl hier keine Zahl genannt] und richten die zwölf Gefchlechter Jsrael szu entscheiden, wer an der erstern Aufer- stehung soll Theil haben, und die in das Reich der tausend Jahre Ausgenommenen zu regieren Offenb. 20 4 —- 6]. « Los: Fa« weiß wohl, daß dem Fisch» seine« Kahn, dem Zii ner sein Häusleity einem jeglichen das Seine zu verlassen, wenig oder viel, schwer fällt und daß am Ende der Aermste genug thut, sein Alles aufzugeben, daß dem Bettler ein Paar Spargroschen fast mehr am Herzen hängen könnten, als dem Reichen große Summen; und so ganz unbedeutend war wiederum nicht, was z. B. Petrus in Kapernaum, was die Zebedäiden mit ihren Tagelöhnerm was Matthäus, der das große Mahl in seinem Hause geben konnte, besaßen. Darum erkennt er zuvor mit großer Huld und Freundlichkeit völlig an, daß ssie ihm wirklich mit Verleugnung nachgefolgt sind, läßt ihren Gehorsam» gegen den apostolischen Beruf in allen Ehren und zeigt ihnen ohne Tadel die Apostel- throne als dessen sie; er schaut selbst zuvor freudig weissagend in die zukünftige errlichkeit, von der er weiß, daß seine Zwölfe sie erer en werden, von der er auch haben will, daß sie darauf hinschauen, denn man soll sich auf den zukünftigen Lohn freuen: Luk. 6 , 23. (Stier.) Welches ist nun aber dieser zukünftige Lohn, den der HErn den Zwölfen als den ihnen besonders anfbehaltenen zn Aussicht stellt? denn man muß V. 28 wohl unterscheiden von V. 29, wo die Rede von den åzwblseii auf Andere übergeht nnd eine für Alle ohne nterschied giltige Verheißung in Aussicht stellt. »Ja der· Antwort Jesu an Petrus wird Mehreres dunkel bleiben, schreibt ein Auslegey bis es von der Erfüllung fein Licht erhält; er sa t nicht, wie die Wiedergeburt vorzustellen sei, auch ni t, in welcher Weise die Zwölfe ihr Richteramt ausüben werden, und wie sollen wir’s verstehen, daß Jsraels Stämme abgesondert ihr Gericht empfangen?« Wir brauchen indessen nicht erst auf die 282 Evangelium Matthäi 19, 29. 30.t 20, 1—3. Erfüllung zu warten, um Licht über unsern Vers zu bekommen, es ist uns schon in der oben angeführten Stelle aus der Offenb. St. Johannis gegeben; freilich liegt die richtige Auslegung dieses prophetischen Buchs noch gar sehr im Argen, und thut doch gerade dieser unsrer Zeit, wo wir der Erfüllung des ersten Theils jenes Büchleins , von dem in Offenb. 10 die Rede ist, so nahe stehen, ein klarer Blick in die nächste Zukunft so dringend noth, weshalb wir uns wohl früher an die Auslegung werden begeben inüssen, als die Reihenfolge der biblischen Bücher des neuen Testaments uns zur Offenb. St. Johannis führt. Jn Mark. 10, 28 u. Lui.-18, 28 if: mit Absicht bei der Frage des Petrus der Satz weggelassen: »was wird uns dafür, d. i. was wird unsre Prärogative, unser besonderer Lohn oder Vorzug sein?« Diese beiden Evangelisten schrieben zu- nächst für die Heidenwely der besondere Lohn der Zwölfe aber hängt mit dem tausendjährigen Reich, dieser Prärogative Jsraels (Jes. 65, 25 Anm.), zusammen, und da nun Markus u. Lukas darauf hier nicht näher Bezug nehmen, sondern ausschließlich das für alle Ge- schlechter der Erde Giltige in’s Auge fassen wollten, so kürzten sie beides, die Frage des Petrus und die Ant- wort des HErrn, ab, gaben nun aber auch das allge- mein Giltige in der Antwort Jefu desto enaner, wäh- rend dies im folgenden Verse bei Matt äus gar sehr in’s Kurze gefaßt ist, so daß wi uns die nähere Er- klärung bis zum Markus verspa en niüssem « · 29. Und wer laußer euch — hier gilt mein Wort zugleich den aus andern Völkern berufenen Dienern meines Evangelii] verläßt Häuser, oder Brüder, oder Schwestern, oder Vater, oder Mutter, oder Weib, oder Kinder, oder Eileiter, um meines Namens willen [um ihn hinauszutragen in die Welt und mein Reich auszubreiten] , der wird’s sim geist- lichen Sinne] hundertfciltig nehmen [oder wieder empfahen noch jetzt in dieser Zeit] und [in der zu- künftigen Welt Offenb. 21 u. 221 das ewige Leben ererben. 30. Aber [wie ich euch alsbald an einem Gleichniß werde deutlich machen Kap. 2’0, 1 ff.] viele, die da sind die Ersten, werden »die lichten, und die Letzten werden die Ersten sein [vgl. zu Kap. 20, 16]. « Das 20. Kapitel. lion Arbeitern des Meiiibergs r Christi Leiden; der Jiinger Ehrgeiz; zweier Blinden Hilfe. 1II. v.1—16. (§. 95.) wie seine Wirksamkeit in Galiläa Man. 13, 23 sf.), so skhließt der zhGer nun) die in peräa mit einem Gleiihniß an die Iuager ab; nnd wie nun dar vom Schaliiølinecht durch eine Frage der Petrus veranlaßt war, so fleht auch due von den Zir- beitern im Weinberge mit einer Frage desselben Jinosiele in iinniittelbareni Zusammenhange; wie endlich jenen, so wird auch dieses Gleichniß von Si. Malthans allein erzählt. Es gehort hinfikhtlich der Auslegung zu den schwierigste« die der Mund Jesn geredet; aber gerade die verschiedenen Erliläruiigeversnchq die es ver- anlaßt und damit so mancherlei wahrheiten zur Gott— seltgiieit zu Tage gefdrdert hat, geben den sprechenden Beweis, daß ein Gleichniß Christi allemal ein gni ge« schlisfener Edelsiein ist, der sein Licht nath verskhiedeuea Seiten hin erglänzen läßt. Evangelium am Sonntage Septmigesimäh Noch zwei Sonntage, uiid wir treten in die heil. Passions-Zeit des Jahres ein; ihrem lateinischen Namen Geptuagesimae und sexagesimaiy nach zu urtheilen, gehören sie fchon zu derselben und zählen Von Ostern an zurück (vgl. die Bein. über den Senat. lnvocxavit vor Kap.4, 1), wie man die Jahre der alten Geschichte von Christi Geburt an zurückzählt, der Inhalt ihrer Evangelien aber und der darin enthaltene Sonntags- gedanke stellt sie an den Schluß der Epiphanienzeit und faßt den Erfolg des Lehramtes Christi in 2 Gleichnissen nach 2 Seiten hin unter eine allgemeine Uebersicht zu- sammen, indem nätnlich der Sonntag Septuagesimä das Reich Gottes als eine Sache der göttlichen Gnade dar- stellt, der Sonntag Sexagesimä aber die Hindernisse, die es in unsern Herzen findet, auszahlt. So bilden denn beide Sonntage eine Doppelbrücke aus dem Weih- nachtskreise in den Osterkreis des Jahres, und aus dem Prophetenthum Christizu seinem hohepriefterlichen Werk. (Fr. Ariidt.) Der heil. Prophet Jesus Christus will, daß sein. prophetisches Amt fortgesetzt und fein Wort allen Menschen gebracht werde; darum hat er sich von Anfang an Arbeiter berufen, die in seiner Kraft sein Prophetenamt fortsetzen sollen. (Dieffenbach.) Wenn ein Menschenleben zu Ende ist, ist’s nicht, als wenn nun eben ein Licht ausgelöscht wäre, sondern es soll sein, als ob Same ausgestreut worden sei und untergebracht unter die Erde und zugedeckt, aus dem eiiie Frucht empor- wachfen muß. Es soll sein, als ob eine Woche zurück- gelegt wäre mit ihren Mühen und Plagen, als ob der Sonnabend eingeläutet und der Sonntag vor der Thür wäre, da man an dem Ertrag der Woche, an dem Segen der Werktagsarbeit sich erfreuen mag; es soll, wenn ein Menschenleben zu Ende geht, sein, als wäre ein heißer Kampf ausgekämpft und damit der Friede erstritten, der Friede mit allen seinen Gütern und Freu- den, und der Mensch, der da stirbt, soll nicht sagen: ,,mit mir ist’s nun aus und zu Eiide«, sondern nur: ,,ich bin fertig —- der Same ist ausgestreut, die Arbeit aus- geführt, der Kampf gestritten, nun mag in Gottes Namen das Weitere kommen« Um aber am Ende seines Lebens dies sagen zu können, muß man während seines Lebens sich das fleißig vorgehalten haben, nämlich daß man mit dem Leben ein Ziel zu erreichen und einen Zweck zu erfüllen hat; dann kommt die Frage, wie man das Ziel erreichen und den Zweck erfüllen soll, von selbst. Unser Evangelium sagt uns: Gott nimmt sich der Men- schen an; er will, daß des Menschen Leben nicht ein miissiges Dastehen sei, bis früher oder späterder Tod ein Ende macht, nicht ein gedankenloses Hindämmern durch den Morgen und Mittag des Daseins bis endlich hinein in den Todesschattem sondern daß es ein fortgehen- des Schasfen des Menschen sei an dem, was zeitlich und ewiglich ihm zum Heil gereichen muß. Darum bringt er einen Ruf an uns, und was wir nun zu thun haben, auf daß Gottes Absicht an uns erreicht werde, fassen wir in 3 Regeln zusammen: 1) ruft dich Gott, so hör ihn; 2) nimmt dich Gott, so dien ihm; B) giebt dir Gott, so dank’s ihm. (Caspari.) l. Das Himmelreich ist [nänilich, um an einem, aus menschlichen Verhältnissen entlehnten Gleichniß euch anfchaulich zu machen, was ich so eben in Kap. l9, 30 in Beziehung auf die Lohn- ertheilung an diejenigen, welche demselben gedient Der Apostel Lohn für ihre Nachfolge zur Zeit der Wiedergeburt 283 haben, sagte] gleich einem Hausvater fes ver- hält sich in dieser Hinsicht mit dem Himmelreich wie mit einem menschlichen Hausherrn oder Grund- besitzer], der lzur Zeit, wo Feld nnd Garten und Berg bestellt wird, eines Tages gleich] am Morgen [wenn nun das Tagewerk beginnen soll, d. i. früh 6 Uhr] ausging faus feinem Hause nach dem Markt, wo die, welche auf Gelegenheit zu einem Broderwerb warten, sikh einzufinden pflegenL Ar- beiter zu miethen m seinen Weinberg sfür welchen er schassender Hände bedurfte zur Auflocke- rung und Entsteinigung des Erdreichs sowie zum Beschneiden und Verwahren der Weinstöcke Jes. b, 6]. Keine Art der Feldarbeit ist so mühsam wie die des Weingärtners, aber auch keine Frucht ist so köstlich wie die des Weinstocksz darum hat der HErr die Arbeit seiner Diener mehr als ein Mal mit der Arbeit im Weinberge verglichen. Sie sollen sich auf unbeschreibliche Mühe und Sorge gefaßt machen, aber am Ende wird der Erfolg und Lohn köstlich sein. (Thiersch.) Der Wein- bau wurde in ganz Palästina getrieben, nicht nur bei Hebron und Engeddi (4. Mos 13, 24; Hohel. l, 14), sondern auch bei Sichem, am Carmel, in der Ebene Jesreel (Richt. I, 27; 2. Chr. 26, 103 1. Stdn. 21, 1fs.), am Libanon (Hohel. 8, H; Hof. 14, 8) und jenseit des Jordan (Jef. 16, 8 f."; Jetu 48, 32 ff.) , und bildete einen sehr bedeutenden Zweig des israelitischen Land- baues, indem die Reben sich durch ihre Größe und Stärke und die Trauben durch Süßigkeit auszeichnen. Die Weinberge oder Weingarten wurden auf Hügeln und Bergen angelegt, indem man das Erdreich umgrub und auflockerte, von Steinen reinigte, mit einer Mauer gegzen das Wegfpiilen der Erde durch die Bergwasser un mit Hecken gegen Verheerung durch Füchfe, Scha- teile, Ziegen und Hafen schützte, auch einen Wachtthurm erbaute, eine Kelter in dem Felsen aushieb und gute Reben anpflanzte, endlich Wachsthum und Fruchtbarkeit der Reben durch Beschneiden derselben mit dem Winzer- messer und wiederholtes Lockern des Bodens zu fördern und zu erhöhen suchte. (Keil.) » 2. Und da er mit den Arbeitern [die gleich bei diesem seinem ersten Ausgange sich ihm zu Dienst erboten »und, weil ihr Dienst für die ganzen 12 Stunden des Tages von ihm in An- spruch genommen wurde, auch ein gewisses Recht auf Festsetzung des Lohns von seiner Seite besaßen, das er ihnen nicht fchmälern wollte] eins ward um einen Groschen [= Denar a W, Er. 2. Mos 30, 13 Arm] zum Tagelohn [wie ja ein solcher Lohn landesüblich Offenb. 6, 6], sandte er sie in seinen Weinberg ssich fleißiger Arbeit zu ihnen verfehend, an der sie’s auch hernach nicht fehlen ließen V. 12]· Man versperrt sich von Hans aus den Weg zu einer richtigen Einsicht in Sinn und Bedeutung des Gleich- nisses, wenn man bei denen, mit welchen der Hausvater eins wird um einen Groschen zum Tagelohn, mit der Mehrzahl der Ausleger an lohnsüchtige Arbeiter denkt, denen der HErr hier den Text lesen wolle, so daß er hernach, wie man meint, solche in Gegensatz zu ihnen stelle, welche auf die bloße Zusage hin: »ich will euch geben, was recht ist« in den Weinber gehen, gleich als iitten diese aller Ansprüche sich bege en und ihrer Ab- sibcht tsiach umsonst hgedienåx tsicehlmehf llwird des! letzteren e en o gut ein o n in usi t ge te t, wie en ersten es ist nur nicht der ganze volle Tagelohn, den sie iii zusprach nejhzieig stkönnens fondksrn blosb ein nach der r eitszeit i e immen er T eil deffe en, und das ist es, was über ihre Erwartung und über den unmit- telbaren Wortlaut der ihnen geinachten Zufage hinaus- geht, mittelbar aber in demselben schon an edentet wird, Faß sxisekehlerititiixgh gäeiswselctzgn gagzem v; ten Sohn ·wie ie e e a e . em ir un o on einer verkehrten Ansicht über das Verhältniß der zuerst ge- mietheten zu« den hernach gednngenen Arbeitern los e- . S macht haben, wird unser Auge nicht mehr verkennen, Faß tiziiltf ärgert; ldie unintitjtielgaretil Fchüler Sees HErgnä iez o o e gemein n · gei am orgen e Tags des neuen Teftaments sind diese zu Dienern Gottes in feinem Weinberge berufen, und nun ermißt der HErr gar wohl, welchen ganz besonderen, für alle nack- folgenden Zeiten entfcheidendenDieiist sie ihm und fei- ijienk VastgrllimsHintxmfel zud läeiftien shckizben dund wie be- euung o e ge een a ie on a, wo nur Wenige feine Herrlichkeis und den Anbruch des Himmel- reighsherkanixktyenf lumssietsnetgiläen alles verlassen hakåen un imna geogt in. nem er dann auf ire Frage: »was wird uns dafür?«- ihnen die Zusagen in Kaki. 19, 2·8 u. »29 gemacht hat, ist durch seinen Mund der Vater im Himmel als Herr des Weinbergs mit ihnen eins geworden um einen Groschen zum Tagelohn, dekICgnBrakt åst soGziktsagen nunhitlibgeflyhlofseiä get: ganze, vo e o n en o auszuza en at, i i nen ver- sprochen, iind zwar gilt ihnen beides, sowohl das in V. 28 Gesa te von dem Sitzen auf Stühlen und Richten dfr 32 Ges ZeZZer Ecsraell ziäsk Zeith der Wiedergeburt, a s as in . a en o)ne usna me, die künfti um des Namens Christi willen verlassen Häuser oder Trü- der it» für diese und die zukünftige Welt Verheißenr. Aber nun sollen die Fwölfe diese Vollzahlung nicht als eine Prärogative für tch in Ansprnch nehmen, als einen Vorzug , an dem keiner von den nach ihnen berufenen Arseiseän iixh GottesdWeEnlhergeh Theil nehmen dürfe, un i ni t mit er o nfü tigen Meinun tragen als müßte durchaus etwas Außerordentliches gund Be- sonderes ihnen vorbehalten bleiben, und zwar so ent- schieden gerade ihnen vorbehalten, daß, wenn das in V. Es angedeutetåBefoniZre auch Aigdern noch zu Theil wer e nun ein eues, rittes no darüber Hinaus- gehendes ausfindig gemacht w«erden müsse, um ihre Dienste schlechterdings in außerordentlicher Weise zu be- sitzt, Xgdetllstdsskksgx DIE« sss Mit-Es« »Ist-«;- er e ein e er rr agen i — ir es so kommen, daß andere, später berufene Arbeiter den- selben vollen Lohn mit den Zwölfen auch in demPunkte empfangen werden, von dem cn zKap 1·9, 28 die Rede ist; einen Rechtsanspruch haben diese freilich nurauf die gtslgegxetkngzzgxlttige Vetrlheåßuncgptiisi Lag» å9,f2ä., dg Iris-un i » ren: ,, a re ein ir , o eu er- den« als ihre Gebühr charakterisirt wird, doch der Herr des Weinbergs hat Macht zu thun mit dem Seinen, idoas cxrstwilh und wird gewissen Letzten geben, gleichwie en r en. 3. Und ging [nach Verlauf von 3 Stunden, wo er erwarten konnte, daß inzwischen neue Arbeit- sucher sich auf dem Markte würden eingefunden haben] aus Um die dritte Stunde [gegen 9 Uhr Vormittags 2.- «Mos. 12 , 2 Anm.] Und sahe [denn auch wirklich, w»ie er vorausgesetzt] andere an dem Markte mussig stehen sdenen heute noch niemand einen Dienst angeboten], 284 Evangelium Matthäi TO, 4-—16. 4. Und sprach zu ihnen kals solchen, die keinen Rechtsanspruch auf den bestimmt bemessenen Tagelohn mehr hatten, weil ein Viertheil des Tages nun schon dahin war]: Gehet ihr auch hin in den Weinberg [wie die zuersi Gewie- thetev V. "2]; ich will euch geben, was recht istll [so daß ihr in keinem Falle zu kurz kommen r o t Z. Und sie [mit solcher Zusage eines Lohns von 74 Denar = ca. 5 Gr. versichert] ingen hin. Abermal ging er aus um die echste und [dann wieder um die] neunte Stunde lMittags 12 und Nachmittags 3 Uhr] und that gleich also [indem er auch den zu diesen beiden Stunden Gemietheten zusagte, was recht und billig sei, den» einen also V, und den andern 74 Denar zum Mindesten zusichertes S. Um die elfte Stunde aber [Nachmit- tags 5 Uhr] ging er szum 5. Mal, ohne sich daran zu kehren, daß« er jetzt nur noch für eine einzige Stunde Arbeiter gewinnen könnte] aus und fand andere [wie bei dem 2. und Z. und 4. Ausgange] miissig stehen [V. 3 u. b] nnd sprach zu ihnen snicht um ihnen Vorwürfe zu machen, sondern ihnen zuvor ihren Nothstandrecht zum Bewußtsein zu bringen und darnach sie’s desto mehr fühlen zu lassen, wiefreundlich er sich ihrer annehme , wenn er noch in der letzten Tagesstunde mit einem Arbeitsantrag ihnen entgegenkomme]: Was stehet ihr hie den ganzen Tag mässig? ldetm nun ist’s schon so gut, als wäre der Tag zu Ende und die Arbeitszeit vorbei.] J. Siesprachen zu ihm: Es hat uns niemand gedinget [wir hätten ja sonst gern-ge- arbeitet] Er sprach zu ihnen: Gebet ihr auch [wie die Andern, die bereits Gelegenheit ge- fanden, in meinen Dienst zu treten] in den Wein- berg, und was recht sein wird [also doch ge- wiß W, Pf.], soll en werden. »Nicht die Gnade eines ohen Apostels, eines Paulus oder Petrus, sondern nur die, die der Schächer em- pfangen, begehr’ ich«: so hat ein berühmter Mann sich auf seinen Grabstein setzen lassen. Das ist denn auch das Grundgefiihl aller rechten Diener Christi, die seit der Apostel Zeiten in Gottes Weinberge arbeiten; das apos stolische Amt auf Erden steht so hoch in ihren Augen, daß sie mit dem eigenen Beruf und Werk nimmer da hin- anreichen, und der Apostel Lohn im Himmel dünkt ihnen so tiberschwtinglich und ausgezeichnet, daß sie gern ihnen den Vorzug lassen und für sich mit der allgemeineren Verheißung in Kuh. 19, 29 sich begnügen. Daran haben wir einen Fingerzeig, wie das von den zur 3., 6., 9. u. 11. Stunde Gemietheten in Betreff ihres Verhaltens Bemerkte zu verstehen sei; denn der Tag, dessen Stun- den hier gezählt werden, ist die Zeit nomvAuftreten Christi· bis zu seiner Herrschaft im tausendxährtgen Reich, und die Stunden selber sind die verschiedener( Zettstufen in der Entwicklungsgeschichte des Rerches Gottes wah- rend dieses Zeitraums. Aus die zur 11. Stunde Ge- mietheten ha en wir dabei unser besonderes Augenmeri zu richtem von Seiten Israels sind es die, welche bei der Bekehrung dieses Volks und bei Ausrichtung feines Missionsberufs eine Art apostolifcherThiitigkeit entwickeln werden«, von Seiten der heidenchriftlichen Völker aber die, welche wider den Antichrist zu zeugen und der An- nahme feines Maalzeichens zu wehren verordnet find. Diese alle kommen bei der Lohnzahlung in den folgen- den Versen zuerst an die Reihe; sie empfangen auch ihren Groschen, d. h. den ganzen vollen Tagelohn, und was das besagen wolle, geht aus Offenb. 20, 4 ff. her- vor; freilich ist das richtige Verständnis; der Offenb. St. Johannis bis jetzt noch ziemlich streitig, aber eben darum auch die richtige Auslegun unsers Gleichnisses, und so werden wir wohl nicht fehl gehen, wenn wir mit Hilfe jenes prophetischen Buches die Schwierigkeiten der vorliegenden Parabel zu lösen versuchen und hierin eine Hindeutung auf die Theilnehmer der ersten Aufer- stehung und der Hcrrlichkeit des Millenniums (des 1000- jährigen Reichs) enthalten finden. 8. Da es nun [mit Eintritt der 12. Stunde oder nach unsrer Rechnung um 6 Uhr] Abend ward, sprach der Herr des Weinbergs zu seinem Skhaffner [der über alle feine Güter ge- setzt war]: Rufe den Arbeitern nnd gieb ihnen den [dir bewußten] Lohn [den ich ihnen zugedacht] nnd heb an [mit der Zahlung] an den letzten [V. 6], bis [du fchließlich auch ge- langest] zu den ersten [V. 2, denn diese sollen vor Augen sehen, was jenenz Theil wird, um so Gelegenheit zu haben zur Darlegung dessen, was für Gefühle sich dabei in ihren Herzen regen] 9. Da kamen, die um die elfte Stunde gedinget lwohl besser: in den Weinberg gesandt] waren, und empfing ein jeglicher seinen [richtiger: einen] Groschen sdas volle Maß, nicht blos einen Theil des Tagelohns, auf den allein sie Anspruch hatten]. 10. Da aber die ersten kamen, meinten sie, sie würden mehr kais 1 GroFchFnJ em- sahenz und sie empfingen anch ein jeglicher einen [richtiger: einen] Groschen [gleich wie die letzten] — 11. Und da sie den empfingen [der Schassner ihnen denselben zum Nehmen hinreichte], murreten sie ldes Nehmens vorerst sich noch weigerndj wider den Hansvater [dessen Stelle hier der. Schaffner vertrat], 12. Und sprachen: Diese letzten aben nur eine Stunde soon 5——6 Uhr] gear eitet, und du hast sie uns gleich gemacht, die wir [mit der vollen Tagesarbeit von 6 Uhr früh bis 6 Uhr Abends] des Tages Last und Hitze ge- tragen haben. 13. Er« [der Hausvater durch den Mund des ihn vertretenden, mit aller seiner Vollmacht bekleideten und ganz in seinem Namen handelnden SchaFfnerSJ antwortete zu einem unter ihnen [der den Sprecher gemacht und das Murren ihrer aller zum Ausdruck gebracht hatte —- wohl mit Beziehung auf Petrus in Kuh. s19, 28 gesagt]: Mein Freund, ich thue dir nicht Unrecht « Meinen ? Gleichniß von den Arbeitern im Weinberge. 285 swenn ich dir nicht mehr gebe, als du jetzt empfängst V. 10]. Bi du nicht mit mir· eins worden um einen rosehen? swoher solltest du also nun ein Recht haben, mehr als den zu verlangen?] 14. Nimm- sdenn ohne fernere WeigerungL was dein ist [nach dem Rechte des zwischen uns getroffenen Abkommens], und gehe hin [nach deiner Behausungs Ich will aber [nach dem Rechte meiner Machtvollkommenheih in das du mir nicht eingreifen sollst] diesem letzten [da, den ich dir aus der Klasse der Letzten V. 9 gegenüberstellg gleichwie du aus der Klasse der Ersten V. 10 als Wortführer hervorgetreten bist] geben, gleichwie dir [nä.mlich auch 1 Groschen, statt des bloßen Zwölftels eines solchen]. « 15. Oder lläge in diesem »ich will« auch nur ein Schatten des Unrechts gegen dich? besinne dich doch:] habe ich [als unumschränkter Herr] nicht Macht zu thun, was ich will, mit dem [Und wenn ich nun solche Macht ge- brauche, um an einem Andern neben dir zu thun über alle Ansprüche und Erwartungen hinaus:] Siehest du darum scheel [nach diesem Andern mit dem bösen Blick desFlteides und der Mißgunst hinüberL daß ich so gutig [gegen ihn] bin [statt lieber dich zu freuen, daß er vermöge solcher Güte dir gleichgestellt worden]? , Der HErr hat keineswegs mit diesem Theil des Gleichnisses sagen wollen, daß an dem Tage der Ver- geltung, in der Stunde der Lohnaustheilung wirklich ein, solches Murren der zuerst Berufenen stattfinden werde; vielmehr, damit es alsdann nicht stattfinde und auch nicht eine Spur von Befleckung mit hoffärtigem und scheelsüchti em Wesen die Seinen aus dieser Welt intdie andere hinüber begleite, hat er sie jetztschon vor das Angesicht des Hausvaters gestellt und die künftige Entscheidun in die Gegenwart hineinverlegl —— in dem Lichte der Zqukunft soll es ihnen möglich werden, alle dunkeln, sinsteren Stellen ihres Herzens beizeiten zu entdecken und sich von dem Geiste Gottes ganz durch- dringen und zu Kindern des Lichtes ausgestalten zu lassen. In der Frage des Petrus (Kap. 19, 27) lag eine gewisse Berechtigung, und Jesus hatte sie mit einer reichen Verheißung beantwortet; es lag aber auch darin ein gewisses Maß von hosfärtiger Vergleichung mit andern, denn Petrus dachte ja, als der reiche Jüngling - von dannen ging, weil er von seinen Gütern sich nicht trennen mochte: gehandelt,« und drückte diesen Gedanken auch aus in den Worten: ,,fiehe, wir (im Gegensatz zu solchen, wie dieser Jüngling einer ist) haben alles verlassen und sind dir nachgefolget.« Da mußte der HErr, nachdem er ihnen gesagt, was ihnen flir das Verlassen des Jhren und für ihre Nachfolge zu Theil werden würde, auch sagen, in welcher Herzensgesinnung allein es ihnen möglich sei, ihre erhabene Stellung zu behaupten; und er thut’s in diesem Gleichniß, das die im Verborgenen schleichende Unlauterkeit nach außen hervortreibt und sie zu einem fichtbaren Geschwür gestaltet, aber auch den Arzt mit dem Messer daneben stellt, den heilsamen Schnitt zu vollziehen. Indessen hat der HErr mit sei- nem Gleichniß wohl auch noch etwas anderes im Sinne: indem er eben jetzt am Schluß seiner Wirksamkeit auch in Periia stand und eben im Begriff war, nach Judäa ,,da haben wir Apostel doch anders» zu seinem Leiden und Sterben hinüberzugehen (Kap.20, 17 sf.) , trat in dem Bilde des reichen Jünglings, der ihn verlassen hatte und den er gleichwohl liebte, das Volk feines Eigenthum-s ihm vor die Seele, das in seiner Mehrzahl ihn auch verlassen und sich für lange, lange Zeit gänzlich von ihm abwenden würde, und dem er nichtsdestoweniger in stiller Liebe zugethan bleiben wollte, um von Zeit zu Zeit stch einzelne Seelen aus ihm herumzuholem in der 11. Stunde aber noch eine große Beute aus demselben davon zu bringen (Offenb. 7, 1—-8),. Jn der Gemeinde der Hundertvierundvierzigtausend zu Zion (Offenb·. 14, 1——5) wird er gewiß auch einmal seine Zwölfe haben, und diesen soll auch die den jetzigen Zwölfen in Kap. is, 28 gegebene Verheißung gelten von dem Sitzen auf 12 Stühlen und Richten der 12 Geschlechter Israel — warum wäre sonst in Offb. 4, 4 von 24 Stühlen die Rede und von 24 Aeltesten aus diesen Stühlen? Petrus und seine Mitjünger sollen das im Voraus wissen, daß am Ende der Zeit, kurz vor Anbruch des Abends , ihr A ostelkreis sich noch einmal wiederholt; in diesem Apofte reife wird man auch alles verlassen und ihm nachfolgen, ja sie werden Jungfrauen sein, als die um des Himrnelreichs willen fich selbst ver- schnitten haben (Kap. 19, 12), aber gleichwohl wird man nicht fragen: »was wird uns dafitr?« so daß in ihrem Munde auch in dieser Hinsicht kein Falsches ge- fanden wird, und sie folgen dem Lamme nach, wo es hingehet (Offenb. 14, 4 f.). Daß dann diese auch ein jeglicher 1 Groschen empfangen, auf den sie nicht ge- rechnet haben, damit, sollen die jetzigen Apostel sich im Voraus vertraut machen (zweifelsohne ist es nicht eine bloße Auslassung oder Abkürzung, daß in V. 9 ff. nur auf die, welche um die 11. Stunde gedingt waren, und auf die ersten Bedacht genommen, von den andern aber keine Rede ist, als hätten auch sie ein jeglicher 1 Groschen empfangen), und sollen nun ihr Herz reini en von aller Eifersucht auf ihre erhabene Stellung , da sie einmal uåistrtiflich erfunden werden vor Gottes Stuhl (Offenb. 1 . Its. Also swie hier im Gleichniß die zuletzt Gedingten den Ersten gleichgestellt wurden] werden sauch im Himmelreich, dessen Verhältnisse das Gleichniß abgebildet hat] die Letzten die Ersten [sein, ohne daß ein Unterschied des Lohnes zwischen den einen und andern je nach dem srühzeitigen oder gar späten Eintritt in den Dienst des« Wein- berges Gottes gemacht würde], Und [andrerseits, um den Satz in Kap. 19, 30 auch in seiner ersten Hälfte wieder aufzunehmen, werden in Anbetracht solcher, wie einer in eurer Mitte sich befindet Joh. S, 70 f.] die Grsten [in einem so schlim- nien Sinne] die Letzten sein sdaß sie gänzlicher Verwerfung und ewiger Verstoßung anheimfallens Denn swas im weiteren Sinne von der Berufung zum Himmelreich überhaupt und von der Theil- nahme an der Hochzeit des Königssohnes gilt Kap. 22, 14., das gilt insonderheit auch von der Berufung zum Apostelamt und der Theilnahme an dem, seinen Trägern bestimmten Lohn:] viele sind berufen; aber wenige sind auserwåhlet [gleich- wie das vorhin in Beziehung auf den Apostelkreis ausgesprochene Wort von den Ersten und Letzten auch auf andere Kreise und Verhältnisse seine An- wendung leidet Luk. 13, 30]. 286 Evangelium Matthäi 20, 17—I9. Wir haben das Gleichniß für’s Erste in seinem nächsten, durch den Zusammenhang nahe gelegten Sinne zu erfassen gesucht; in diesem Sinne ist es freilich für die praktische Behandlung um so weniger geeignet, als die dabei in Betracht kommenden Gesichtspunkte für die Gemeinde verschlossen sind (Jes. 65, ·25 Anni·.); das Gleichniß ist aber so angelegt, daß es eine gar vielseitige Anwendung auf die Alle angehenden chriftlichen Wahr- heiten zuläßt, und geben wir nun aus diesem Gebiete ausreichenden Stoff zur eigentlichen Erbauung. — Der Weinberg ist das Reich Gottes, der Hausvater ist der »HErr, die Arbeiter sind wir. Jesus nnterscheidet nun die Menschen im Weinberge sehr be- stimmt von denen außerhalb desselben; jene nennt er Arbeiter, diese Müssiggänger. Da hören wir es also: jede Arbeit, die nicht für das Reich Gottes mittel- bar oder unmittelbar geschieht, ist dem Müssiggange voll- kommen gleich zu achten und ohne Anspruch auf Beloh- nung. Ein scharfes, aber ein wahres Wort! denn um des Reichs Gottes willen find wir da; dazu hat uns Gott geschaffen, bestimmtz berufen, erlöset —— kurz, alles, was er an uns und für uns gethan hat, ist auf das Reich berechnet. Arbeiten wir nun ni t für das Reich Gottes, so sind wir für dasselbe« müsig, so geschäftig wir auch sonst sein mögen; arbeiten wir vom Morgen bis zum Abend im Schweiße unsers Angesichts und gönnen uns dabei weder Ruhe noch Rast, aber haben - ei aller Arbeit nur unsern irdischen Vortheil oder sinni lichen Genuß oder eitlen Ruhm im Auge, so sind wir Müssiggänger Auf dem Sterbebette helfen uns alle er- rungenen Lorbeeren, alle gebauten Häuser und Palläste, alle reichbesetzten Tafeln, alle glänzenden Titel und Or- den, aller Putz und alle Liebhaberei, Kunst und Wissen- schaft nichts; unser Leben war ein an das Nichts ver- lorenes und vergeudetes Dasein« Nur wenn wir wie- dergeborene Kinder Gottes sind, und weil wir die Selig- keit des Reiches Christi aus Erfahrung kennen, alles ausbieten, Wort und Beispiel, Auge und Mund, Hand und Fuß, um dem HErrn Seelen zu gewinnen und uns selber selig zu machen und die uns hören, nur dann sind wir Arbeiter. O wie viele Müssiggänger giebt es nach diesem Wort des HErrn in der Welt! Zu Tau- senden stehen sie auf allen Straßen, kaufen und verkaufen, verlieren und gewinnen, spielen bald mit bunten Stei- nen wie die Kinder, oder liegen träge wie die Bettler in der Sonne, ihre Hand nach jedem Heller der Unter- haltung und Zerftreuung ausstreckend, bekümmern fich um lauter fremde, vergängliche Dinge, und versäumen darüber-die wichtigsten und nächften Angelegenheiten, ihre Heiligung und Besserung. An Millionen erschallt der Gottesruf vergebens: was siehet ihr hier den ganzen Tag mässig? gehet in meinen Weinberg, und was recht ist, soll euch werdenl (Fr. Arndt.) Die Menschen, so lange sie ihres Lebens Ziel und Zweck nicht kennen, vergleicht der HErr mit Leuten, die am Markte mässig stehen; sie sehen sich das Getreibe eben so mit an, neh- men an, was ihnen der Zufall giebt, einen Ernst des Lebens kennen sie nicht, und wenn der Tag des Lebens um ist, war er rein verloren und hat nichts ihnen hin- terlassen als die Gewißheit, daß er eben dahin ist und nicht wiederkehrt. Da wendet sich nun Gott an die Menschen und ruft sie an, gleichwie der Hausvater die müssigen, unniitzen Leute am Markte, und ruft sie. zu sich; er ruft sie in seinen Weinberg, d. i. in sein Reich, da sollen sie zuerst Arbeit und zuletzt Lohn finden. Dieser Ruf von ihm ergeht in den verschiedenen Zeiten des Lebens. Zu allererst in der Morgenzeit, in der Frtihstunde des Lebenstages, und zu dieser eit geht der Ruf scheinbar am leichtesten zu Herzen; » as Herz des Kindes. ist noch nicht versiocktz und das Hinleben in der Eitelkeit der Welt ihm noch nicht zur andern Natur geworden, es hört mit Freuden von dem Heiland und von seinem Himmel, es kommt ihm kein Zweifel, daß sein Heiland wohl mit ihm meine und daß im im- mel gut wo nen sei. Wohl dem, der als ein ind bereits Gott sein Herz giebt und seinen Ruf hört; und wohl dem Kind, dem durch frommer Eltern Lehre und Beispiel dieser Entschluß leicht wird! Der Ruf kommt wieder in der 3. Stunde, d. i. in der Zeit— der Jugend. Willst du mir dienen? fragt Gott den Jüng- ling und die Jungfrau. Jhr habt ja schon, ihr Jüng- linge und Jungfrauen, so jung ihr noch seid, Beispiele genug gehabt, was das heißt, Gott nicht dienen und fein e en verschleudern, habt bitterem Elend und grim- miger Reue so Manchen früher « oder später zum« pser werden sehen, der gerne noch einmal sein möchte, was ihr seid, dem aber nichts übrig ist, als nun zu ernten, was er gesäet hat. Der Ruf kommt wieder in der S. und 9. Stunde; auch an euch, Hausväter und Zausmütteh wendet Gott gar manchen Ruf: die ugend ist hin uiid alle Entschuldigungen mit deren Leichtfinn und Unerfahrenheit gelten nicht mehr, nicht blos eure eigene Seele, auch die Seelen eurer »Kinder, ja aller eurer Hausgenossen sind euch auf’s Gewissen gegeben — wär’s nicht Zeit zu sprechem »ich und mein Haus wollen dem HErrn dienen?«« Merkt ihr es nicht ereits, wie ein Leben , das kein Ziel in der Ewigkeit hat, immer ärmer und leerer wird? wie» die Tage und Jahre anfangen, so rasch dahin zu schwinden, wie die Hoffnungen, die auf dieses Leben gebaut sind, eine um die andere zu Träumen werden, die keine Spur von Wirklichkeit hiiiterlasfen? Meinet ihr nicht,,es sei Zeit, ernster zu werden? Die Zeit, die bereits hin ist, wißt ihr: wie viel Zeit noch kommt, wißt ihr nicht. Kommt euch manchmal ein Ekel und ein Ueberdruß an dem eit- len, leeren Getreibe und ein Gefühl der Reue und ein Gefühl der Sehnsucht, daß euer Herz etwas Besseres und Festeres haben möchte — das ist alles ein Ruf Gottes: höret ihn! Und sein Ruf geht noch länger fort; er ergeht noch bis in die 11. Stunde — die eine Stunde vor Tagesschluß. Hört ihn, ihr Alten! Ach, es trägt Mancher graues Haar und ist seinem HErru und Gott nie etwas nütze gewesen; Gott hat ihn ge- tragen während seines ganzen Lebens mit treuen Hän- den, aber dienen hat er ihm nicht mögen; Gott hat ihn gezüchtigt mit mancherlei Ruthen, aber dienen hat er ihm nicht mögen. Er hat den ganzen Tag über müssig dagestanden, die Glieder sind kraftlos geworden und das Herz kalt — ma den noch Gott in seinem ReichP Auch den noch, e e die zwölfte Stunde da iftl Wo er das Wort, das er so lange ver- achtet hat, jetzt noch zu Herzen nimmt, wo er jetzt noch bemüht ist, mit bußfertigem, gläubigem, treuem Herzen seinem Gott zu Ehren eine Frucht zu schaffen, ruft ihn Gott und spricht: ,,was«recht ist, wird dir werden«. Nur wenn die l2. Stunde geschlagen hat, wenn dein Lebensweg beschlossen ist, kommt kein Ruf mehr und thut keine Thür zum Reich Gottes mehr fich auf. (Caspari.) Kein Mensch ist so hoch und wird so hoch kommen, der nicht zu fürchten habe, er werde der Aller- niedrigftez wiederum, niemand liegt so tief gefallen oder mag so tief fallen, dem nicht zu hoffen sei, er möge der Höchste werden, weil hier alle Verdienste aufgehoben und allein Gottes Güte gepriesen wird. Damit, daß der HErr spricht: »der erste soll der letzte sein«, nimmt er dir alle Vermessenheit und verbeut dir, daß du dich über keinen Sünder erhebest, wenn du gleich Abraham, David, Petrus oder Paulus wärestx damit aber, daß er spricht: »der letzte soll der erste sein«, wehret er dir alle Ver- zweiflung und verbeut dir, daß du dich unter keinen Neue und bestimmtere Ankündigung Jefu von einem bevorstehenden Leiden und Auferstehew 287 eiligen werfest, wenn du auch Pilatus und Hei-codes, odom und Gomorrha wärest. (Luther.) ,,Hilf, daß ich wandeln mag , als ob durch frommes Leben ich könnt erwerben hier die Schätze jener Welt; doch wollest du dabei mir solchen Glauben geben, der mein Verdienst für nichts und dich für alles hält«: dies war ein schöner und recht edler Gedanke, welchen vor Jahren ein vor- nehmer Staatsminister in einem geistlichen Gedicht von der Gnadenwahl mit hat einfließen lassen; mich dünket, er gebe dem heutigen Evangelio, das durch so viele Deutungen ziemlich verdunkelt worden ist, ein neues und liebliches Licht. (Rieger.) Vom rechten Arbei- tersinn im Dienste des HErrn —- wir können da- für zwei Regeln aus unserm Gleichniß entnehmen: I) geh eifrig an’s Werk, als müßtest du alles verdienen; L) nimm demüthig deinen Lohn, als hättest du gar nichts verdient. Geh- eifrig an’s Werk: scheue keine Mühe und Verliere keineseitz nimm demüthig dei- nen Lohn: nimm ihn auspruchslos vor Gott und neid- los gegenüber den Brüdern. (Gerok.) I. in. 17—19. (§. 96.) Während am achten Tage vor dem grünen Idonnerstage (dein 7. tlksan nach dem jäd. Kalender) unter den Fesipilgerm welche ihrer ilieiuigung wegen bereits in Sleriisalem anwesend sind, um seiner Zeit das passa mit den! ganzen volle feiern zu können . (3. Was. 7, St; 4. M. 9, 6 sf.), eine Frage des Zwei· fels sich erhebt, ob Jesus wohl es wagen werde, auch herauf zu dem Feste zu lioniinen (Joh.11, 55 sf.), ist es, als ob er bei Eivias ihr Fragen gehiirt und mit dem, was er zu derselben Zeit hier in unserm Jlb chnitt zu den Jüngern sagt, die Antwort geben wolle: ,, artet nur ein wenig, ihr Frager, so werdet ihr sehen, daß iih gerade dies mal in voller Oesseutliihleeit und ziemlich— lieit in die heil. Stadt einziehen werde, um alles an mir sich erfüllen zu lassen, was naih der weissagung der Propheten mit des Menschen Sohn geschehen soll« Sagt. Mark. 10, 32—34; link. 18, 31—-34.) 17. Und er [am Morgen des 30. März, eines Donnerstages, von Livias kommend und mit Ueberschreitung des Jordan sich nun der Stelle der Jordanniederung nähernd, wo die von Norden und Nordosten her kommenden Straßen sich vereinigten und es da galt, einer Festkaravane sich anzuschließen] zog hinauf gen Jerusalem sumam Osterfest seinen Ausgang zu erfüllen Luk. 9, 31], und nahm [auf daß er die, welche künftig seine Zeugen sein sollten Apostg 1, 8., recht auf das, was da geschehen würde, hinrichteJ zu fich die zwölf Jünger besonders auf dem Wege [indem er sie, bevor er in die Fest: karavane eintrat, noch einmal in feine unmittelbare Nähe rief], und sprach zu ihnen: 18. Siehe, wir ziehen sdies Mal] hinauf gen Jerusalem [auf das Fett, damit nun das, was ich schon vor einem halben Jahr euch angekündigt habe Kap. is, Si; 17, 22 f., sich verwirk1ichej, und des Menschen Sohn wird [nach Verlauf von 8 Tagen durch den Verrath Eines aus eurer Mitte] den Hohenpriestern und Schriftgelehrten [die seinen Tod bereits beschlossen haben Joh. 11, 47 ff] «i"lberant- woktet werden, und sie werden ihn verdammen zum Tode [Kap. 26, 47 ff.]; 19. Und [die Hohenpriester und Schriftge- lehrten wiederum] werden ihn überantworten den Heiden [damit der römische Landpsieger das über ihn gesprochene Todesurtheil bestätige Kap. 27, 1 fs., und es wird das eine Ueberantwortung sein], zu verspotten und zu geißeln und zu keeuzigen [so daß es durch drei Stufen hindurch mit ihm auf diesem Wege zum Tode geht]; Und am dritten Tage [nach der Kreuzigung] wird er lob des Leidens des Todes nun gekrönet mit Preis und Ehre Hebt. I, 91 wieder ausersteheir Wir stehen hier am Anfang der Leidensgefchichte; die Kirihe hat daher sehr wohl gewählt, wenn sie den mit unsrer Stelle parallelen Abschnitt bei St. Lukas zum Evangelium für den Sonntag Quinquagesimae oder Estomihi bestimmt hat, denn dieser Sonntag ist das Verrat, das in die Passionszeit einführt. Ehe wir aber näher anf die Erklärung unsrer Stelle eingehen, fügen wir der chronologischen Ueberstcht des Lebens Jefu, die zu Kap. 9, 34 u. 19, 2 nur erst für die 5 ersten Ab- schnitte gegeben werden konnte, den Schluß hinzu: Jahres- zahl. Nähere Zeitbestimmung. Begebenheiten. Nai30Chr. 30.März(Donnerstg.) §. 96. . 9·7. . 98. §. 99. §. 100. §. 101. 31. März (Freitag) 2. April Sonntag) Nachfrage nach Jesu in Jerusalem. Die Leidensverkltndignn Uebergang nach Jerichox Joh.11, 55«—57; Matth. 20, 13 Mark. 10, 32—-34; Luk. 18, 31——34. Die Mutter der Söhne Zebedäk Matth. 20, 20—28; Mark. 10, 35—45. Ankunft in Jericho und Heilung zweier Blinden: Matth. 20, 29——34; Mark. 10, 46—52; Lnk. 18, 35—43. Die Eiukehr bei Zachäus und das Gleichniß von den anvertra1ieten Pfunden: Luk. 19, 1—28. i Ziele) Slcålbung in Bethanient Matth. 26, 6——13; Mark. 14, 3-—9; o . , 1—11. Der Ein ug in Jerusalem: Matth. 21, 1-—11; Mark. 11, 1—11; Luk. 19, 9—44; Joh. 12, 12——19. Sechster Abschnith Beginn der Leidenszeit bis zum Begräbnis? Jefu. (Ein Zeitraum von 9 Tagen) beim ——19; 288 Evangelium Matthäi 20, 20. Jahres- Zahl. Nähere Zeitbestimmung. Begebenheiten. « 3. April (Montag) v 4. April (Dienstag) 5. April (Mittwoch) 6. April (Donnerstag) (6-—9 Uhr Abends) ij9—l2 Uhr Nachts) 7. April (Freitag von ·Mitternacht bis 1 Uhr früh) (von 1——3 Uhr) (von 3——4 Uhr) (von 4-—6 Uhr) « (von 9——12 Uhr) (von 12—3 Uhr) J. April (Sonnt. 5 U.) . (Nachm· Z— 8 Uhr) 9. u. IS. April 23. April 30. April 14. Mai 18. Mai (Donnerstag) §. 102. §. 103. §. 1·04. 105. 107. 108. .s111. ne. D « 114. . 115. . 116. ØMØØ §. 117. §. 118. §. 119. §. 120. §. 121. §. 122. §. Es. §. 124. §. 125. §. 126. . 127. . 128 106. 109. 110. . us. Dis 26 Versluchung des Feigenbaums und zweite Tempelreinigung: Matth. 21, 12—17; Mark. 11, 12—-19; Luk. 19, 45——48. Der verdorrete Feigenbaum Foxage und Gegensrage nebst einem Gleichnißx Matth. 21, 18—32; ark. 11, 20—33; Luk. 20, 1—8. Zwei neue Gleichwie, das von den bösen Wein ärtnern und das vom kzönkiggoHochzeitsmahl: Matth. 21, 33 —22, 1 ; Mark. 12, 1—12; u. .-.- » f Die Pharisäer und der Zinsgroschem die Sadduciier nnd die Aufer- stehung: Matth. 22, 15——33; Mark. 12, 13——27; Luk. 20, 20——40. Die Gese esfrage der Schrift? ehrten und die Glaubensfrage Christü Matth. 2 , 34—46; Mark. 1 , 28—37; Luk. 20, 41--44. Strafrede wider die Pharisäer und Schriftgelehrtetn Matth. 23, 1——39; Mark. 12, 38—40; Las. 20, 45—47. Jesus am Gotteskastem Die Griechen und die Todesverklärunzp Mark. 12, 41—44; LUL 2l, 1—4; sog. 12, 20——50. Die Weissagung über die Zukunft: Matt . 24, 1 — 25, 46; Mark. IS, 1——37; Luk. 21, 5-38. Letzte Leidensverkltndigung Christi und des Fohenrathes Beschluß: Matth. 26, 1—5; Mark. 14, I u. 25 Luk. 22, u. 2. Judä Vertrag mit den Hohenpriesternx Matth. B, 14—-16; Mark. 14, 10 u. · List. 22, 3-—-6. gdie Bråreitungbdes Passamahlsz Matth. 26, I7—19; Mark. 14, 12-16; u , — . Feier des Passa und die Einsetzung des heil. Abendmahlsx Matth. , 20——29; Mark. 14, 17—25; Luk. 22, 14—30; oh. 13, 1——-32. Reden Jesu mit den Jüngern und das hohepriefterltche Gebet: Las. 22, ; ch. is, 33—-17, 26. Der Seelenkamps in Gethsematm Matth. 26, 30—46; Mark. 14, 26—42; Luk. 22, 39-——46. Jesu Gesangennehmun : Matth. W, 47—56; Mark. 14, 43—-52; Luk. 22, 47—53;.Ioh,. 18, 1-—11. Das Verhör und die Verurtheilung: Matth. 26, 57—68; Mark. 14, 53—65; Lan 22, 54 u. cis-es; Ich. 18, 12—14 u. 19——24. Petri Berleugnunåp Matth. 26, 69—75; Mark. 14, 66—72z Luk.22, 54——62; Joh. 1 , 15——-I8 U. 25—27. Die zweite Gerichtssitzung beim Tempel und des Judas schreckliches Ende: Matth. 27, 1——10; Mark. 15, 1; Luk. 22, 6 -—71. Die Verhandlungen vor Pilatus, dem römischen Landpflegem Matth. 27, 11—31; Mark.15,2—20; Luk.23,1—25; Jch.18,28—t9,16. Die Kreuzi ung: Matth. 27, 32—44; Mark. 15, 21—32; Lukg 23, 2 sz48; Ich. 19, 17—27. Der Tod: Matth. 27, 45--56; Mark. 15, 33—41; Luk. 23, 44——49; Joh. 19, 28—37. Die Grablegung und die Grabeshitter: Matth. 27, 57—66; Mark. 15, 42—47; Luk. 3, 50——56; Joh. 19, 38—42. Siebenter Abschnith Die Auferstehung und Himmelfahrt Iesu Christi. (Ein Zeitraum Von 40 Tagen) Die Auferstehung und die erste Erscheinung des Auferstandenem Matth. 28, 1—l5; Mark. 16, 1—11; Luk. 24, 1—12; Joh. 20, 1--18. Die Erscheinung vor Simon Petrus und vor den beiden Wanderern gen Emmaus: Mark. 16, 12 u. 133 Luk. 24, 13—35. Fie zweimaligesåsrscheinung im Kreise der Apostel: Luk. 24, 36—43; Dietsrsiheiming am See Genezaretlx Joh 21, 1——25. Die zweite Offenbarung in Galiläm Matth. 28, 16—20. . 129. Die letzte Offenbarung in Jerusalem: Luk.24,44—48;Mark.16,14—18. . 130. Die Himmelsahru Luk. 24, 49——53; Mark. 16, 19 u. 20. Zur Chrouologie des Lebens Jesu. Auf die früheren bestimmten Verkiindigungen seines Leidens folgt jetzt die genaue Charakterisi- rung desselben. Die entwickelte Gestalt dieses Leidens ist aber zunächst nach der geistigen Seite hin der zwiefache Verrath, die zwiefache verrätherische Wegwer- nnd Ueberantwortung Was den ersten Treubruch betrifft, so ist schon angedeutet, daß er aus der Mitte seiner Verehrer selber hervorgehen wird und daß sie alle mit einander es nicht verhindern werden; der Urheber wird jedoch uoch nicht genannt, das Passivum (,,er wird tiberantwortet werden«) läßt noch den Schleier darüber ruhen. Der zweite Treubruch dagegen wird bestimmt bezeichnet als eine That der Hohenpriester und Schriftgelehrtem d. h. des Shnedriums (Kap. L, 4 An1n.), nnd insofern des Volkes Gottes selbst, als es durch diese Behörde vertreten ist: der Kreis seiner Verehrer wird ihn an das feindliche Synedrium verrathen und Preisgeben, das Synedrium und auserwählte Volk wird ihn an die Heiden verrathen nnd wegwerfen. Darnach vertheilt sich auch die äußere Seite seines Leidens in zwei Jnstanzenz der hohe Rath wird ihn richten und verdammen, und zwar zum Tode verdammen; die Heiden werden seine Todesart gestalten —- Verspot- tung, Geißelung, Krenzigung Jn der ersten Verkündi- gung des Todesleidens, das ihm die Hohenpriester be- reiten würden (Kap. 16, 21), fehlt noch der zwiefache Verrath und das Kreuz; in der zweiten (Kap.17,22·f.) tritt der Gedanke des Verraths hervor, aber nur ein- fach ein Verrathenwerden in die Hände der Menschen; hier dagegen hat sich der Verrath zum zwiefachen Ver- rath entfaltet —- ein Doppelverrath, ein Vorrath seitens des falschen Freundes an die Feinde nnd einer seitens des auserwählten Volks an die Heiden treten grauenhaft hervor. Und so entfaltet sich auch das Todesbild zu einem Bilde dreifacher Vernichtnngx der durch Ver- spottung Ver11ichtete (als ohnmächtiger Schwärmer geächtet) sollte nun auch gegeißelt werden; der durch Geißelung Vernichlete (als ein gemeiner, ohnmächtiger Sträfling geächtey sollte nun auch gekreuziget werden (geächtet als ein Kapitalverbrecher). Auf den Yiessias aber, den sein Volk verrathen und verworfen hat, wer- den alle diese einander widersprechenden und sich gegen- seitig ausschließenden Straflasten sallen. (P. Lange) Jn unmittelbarer Nähe von der Stadt Jericho lag, da, wiezu Jos. G, 1 n. «Kön. B« 19 angegeben, diese früher bis zur Quelle Am es Salt-in im Norden sich erstreckte, der Quarantania-Berg (Jos. 2, 16 Anm.); an dessen Fuße also ist es, wo Christus hier mit seiner Begleitung den Karavanen der Osterfestpilger sich au- schließen will , die Wüste des Quarantania aber ist es wiederum, wo er vor 3 Jahren svom 7. Jan. bis 15. Febr. a. 27) 40 Tage nnd 40 Nächte gefastet hat und dann in dreifachem Anlaufe vom Teufel versniht worden ist (Kap. 4, 1 Anm.). Damals war der Teufel von ihm gewichen »eine Zeitlang« (Luk. 4, 13); binnen 8 Tagen von heut ab (in der Nacht vom 6——7. April) wird er in anderer Gestalt, statt des fchtiumendeu Bechers der Weltlust den Kelch der Leiden in der Hand, sich zn ihm nahen, seine Versuchung an ihm zu probiren (»Kap. 26, 36 ff.). Weiter erinnern wir daran, daß an der Siidwestseite jenes Berges szwischen der Wand der Klippen und dem davor liegenden BachthaL das sich in die Ebene von Jericho herabzieht, ein Weg führt, den einst Elias in Begleitung des Elisa von Bethel herniedergestiegein als der HErr im Wetter ihn wollte gen Himmel holen (2. Kön. 2, 4); das ist ja eine gar tresfende Unterlage zu den Worten hier: »am dritten Tage wird er wieder auferstehen.« Wir sehen da recht, wie es keineswegs gleichgiltig ist, ob man beim Lesen der heil. Schrift sich die historischen, archäologischein geographischen nnd chro- D ächsePs Bibelwerh 289 nologischen Punkte, die dabei in Betracht kommen, klar gemacht hat oder nicht; es verhält sich vielmehr so, wie ein Ausleger der Leideusgeschichte von sich bete-unt: ,,Je genauer ich mich mit den Zeitverhältnissen bekannt tauche, je auschanlicher nnd lebendiger mir der Hergang der berichteten Dinge wird , um so leichter muß mir ja das Verständuiß um so zuverlässiger der echt historische Charakter der biblischen Bücher werden« Schließlich ist noch darauf zu Ohren, daß, wenn Jesus auch noch nicht an diesem Tage, am 3(). März, nach Jerusalem kam, sondern erst am 2. April seinen königlichen Einzug in die Stadt hielt, indem er theils bei Zachäus in Jericho (Luk. l9, l fs.), theils in Bethanien (Kap. 26, 6 ff.) sich verweilte, doch diejenigen, die dort im Tempel sich sei- netwegen besragten (Joh. il, 55 f.), noch an diesem Tage die Antwort auf ihre Frage erhielten durch die Festkaravane, welcher er sich bei Jericho anschloß; mit dieser zog der HErr durch Jericho hindurch und ver« richtete in ihrer Mitte das Heilungswulider an den bei- den Blinden (V. 29 fs.), und wenn er nun auch seiner- seits unmittelbar hinter Jericho wieder umkehrete, um in Zachäi Hause abzusteigen, so zog doch die Festlarck vane weiter die 3—4 Meilen Wegs bis Jerusalem und kam dort bis zum Abend an. II« U. 20——28. (§. 97.) Gerade jetzt, wo der ltjsllrr mit klaren Worten seinen Gang nach Jerusalem als einen Gang Zu den Leiden des Todes besehriebeu hat, bringen die Söhne Zebedcii durch ihre Mutter: die fuß- fiillige Bitte oor ihn, daß et ihnen die nächsten Plätze neben seinen: Thron, dessen Jlufrichtting ja nun doch nicht lange inehr anslehen könne, gewähren einige. Er muß ihnen da einen andern Weg weisen, als den ße mit ihrem, an der Weise der Reiche dieser Welt haften- den Gedanken voraussehen, als ginge es auch in seinem Reiche narh Gunst und wiltlküy die Jteinter und Würden je nach Belieben «oergiebt, und muß sie in die Gemein- schaft seines Leidens und Sterbens hineinziehen, wenn sie dereinst mit ihm lieu-schen und richten wollen; und ebenso, als nun die übrigen Iliinger unwillig werden iiber die beiden, als hiiiten die etwas siir sich wie einen Raub hinweguehiiietc wollen, darauf auch ihnen ein Kn- sprueh Zustände, muß er ihnen allen die Jlrt und Gestalt seines Reiches zum Bewußtsein lustigen, da einer nur durch Dienen groß werden kann. (ibgl.iXlark.10,35—45.) Evangelium am Tage St. Iatiotiix V. 20——23.) Unter diesem Tage ist der auf den 25. Juli fallende Gedächtiiißtag Jakobi des Aelteren, des Bruders St. Johannis, des Evangelisten (Kap. 10, 4 Anat. Nr. Z) zu verstehen. Er war ein Sohn des Zebedäus und der Summe, führte mit seinem Bruder zusammen den Namen Bnehargem (Donnerskinder, Mark.3,17), u. erfcheint mit ihm i11Lnk. O, 51 ff. als Feuereiferer und öfter mit Petrus und Johannes als einer von den drei vertrau- testen Jüngern Jesu (Luk. 8, 513 Mark. is, Z; Matth l7, 1; 26, 37). Später» ward er Leiter der Gemeinde zu Jerusalem nnd im J. 44 n. Chr. von Herodes Agrippa I. enthauptet (Apostg. 12, 1f.), so daß er allen Aposteln als Slltärtyreit Christi im Tode voranging; er ist wohl derjenige Jakobus, dem die Erscheinung des Auferstaiidetien in l. Cor. IS, 7 zu Theil ward. 20. Da sals Jesus so eben die in V. 18 f. gemeldeteii Worte geredet, die Jiinger aber, ohne- dies gleich beim Beginn des Wegs von der Hlhnung einer ernsten, schwereren Zukunft ergriffen Mark. 10, 32., geradezu sich fürchteteth in den Sinn der ihnen gemachten Eröffnung weiter einzudringen, so N. T. I. 1 9 290 Evangelium Matthiii 20, 21-—23. daß die Rede ihnen verborgen blieb und sie nicht wußten, was das gesagt war Luk. 18, 34] trat zu ihm [Salome] die Mutter der Kinder Zebedcii seine von den galiläischen Frauen, die ihm nach- folgten und jetzt, nachdem er seit länger nicht mehr in Galiläa gewandelt, den Zugang zu ihm wieder gefunden hatten Mark. 15, 40] mit ihren [beiden] i Söhnen lJakobus und Johannes an der Hand, die so ganz und gar mit ihrem Vorhaben einverstanden waren, daß das, was sie jetzt thun und sagen wollte, so gut war, als thäten und sagten sie’s selber Mark. 10, 35 f.], fiel vor ihm nieder und bat etwas von ihm [gab mit ihren Geberden zu erkennen, daß sie eine Bitte auf dem Herzenhabes Salome erscheint hier als eine Frau von hochfliegen- der Seele, die fich in dem Werthe ihrer Söhne fühlte. Wie es gekommen, daß sie auf einmal bei Jesu und seinen Jüngern war, noch ehe diese kleine Pilgergemeine in die größere Festkaravane eingetreten war, ist durch nichts im Texte angedeutet; die Evangelisten verschweigen bei ihren Berichten viele einzelne Nebenumstände, um unsre Aufmerksamkeit immer in der Richtung auf die Hauptfache zu erhalten. Es wäre nun wohl möglich, die galiläischen Frauen hätten schon vor ca. 14 Tagen, als der HErr von Ephrem aus mitten durch Samaria und Galiläa zog (§. 9I), sich ihm angeschloffen und ihn durch Peräa begleitet (§. 92——95), so daß sie bereits seit Kuh. 19, 13 der kleinenPilgergemeinde augehörten; indessen kommt es uns wahrscheinlicher vor, daß jene Frauen erst nach jener Reise, die Jesum etwa bis Bethsean geführt (Luk. 17, 11), von seinem Wiederher- vortreten aus der bisherigen Verborgenheit (Joh. 11, 54) hörten, sich aus Galiläa nun aufmachten, seiner Spur nachzugehen, und daß da Salome die erste war, der es gelang, ihn mit seinen Jüngern zu treffen, noch bevor er bei Jericho der größeren Festkaravane sich an- schloß. Wohl schon beim Uebergang über den Jordan mochten die Jiinger von dem Gebot in Ioh. 11, 57 gehört haben, und es bemächtigte sich ihrer die Schwermuth des Thomas (Joh. 11, 16); vollends aber erschreckte sie nun die Leidensverkiindigung in V. 18 f. Daß der HErr mit dieser Voraussetzung Recht haben könne, ahneten sie wohl; denn sie wußten Ia, wie hoch der Haß der Obersten schon gestiegen war, und der Gang nach Jerusalem konnte ihnen nicht anders vor- kommen, denn als ein Gang mitten in eine Mörder- grube hinein. Auf der andern Seite jedoch war auf der Stirne des HErrn, der wie der Löwe aus dem Ge- schlecht Juda (Offenb. 5, 5) an der Spitze des kleinen Heeres dahm zog, auch schon die Krone des Sieges zu sehen, welchen er über Fleisch und Blut allbereits da- von getragen und in allernächster Zeit auch über Sünde, Welt und Teufel ganz gewiß erlangen sollte; dieser Muth, diese Freudigkeit setzte sie aber nicht allein in Staunen, sondern machte auch die Hoffnung in ihnen rege, daß es nicht sowohl zum Tode gehe, als vielmehr zum Anbruch eines Reichs der Herrlichkeit, wie sie es sich dachten Und da ist es denn nun Salome vor allen, die bei einer so erschiitternden Aussicht, wie der Meister sie den Jüngern so eben eröffnet hat und die dann die Söhne ihr mitgetheilt haben oder die sie selbst aus der Ferne mit angehört» die Fahne der Hoffnung hoch auf- pflanzeii will; und m der freudigen Zuversicht, die sie zu ihren ,» dem HErrn· so treu ergebenen Söhnen hegt, will sie diese gerade bei den allerschlimmsten Aussichtety die der Sache Christi für xetzt bevorstehen, so fest an dieselbige binden, daß keine Gefahr zu groß und kein Kampf zu schwer sein soll, um ihre Söhne von des HErrn Seite hinwegzntreiben Dafür aber, gleich als wäre es schon geschehen, was ihr ftiirmifcher offnungs- muth sich gar nicht anders denken kann, glei als wäre die Schlacht schon geschlagen, der Sieg schon errungen und der Preis der Tapferkeit von ihren beiden Kindern davongetragen, erbittet sie fich nun auch zum Lohn, daß diese dem König in feinem neuen Reiche zur Rechten und zur Linken sitzen dürfen. »Eine Mutterbitte vor Christi Thron, und was sie gewirkt hat«: das ist’s, worauf der Text unsre Aufmerksamkeit hiulenkt! 21. Und er sprach zu ihr: Was willst du* [welches ist dein Anliegen, das du mir vortragen willstjs Sie sprach» zu ihm: Laß diese meine zween Sohne sitzen in« deinem Reiche iwenn du nun in Kurzem dasselbe aufrichten wirst in Jsrael, auf denjenigen Stühlen, welche ein König seinen beiden obersten Statthaltern und Räthen zuweist], einen zu deiner Rechten, und den andern zu deiner Linken« it) Das sagt er nicht, als wisse er nicht von selber schon, was sie begehre; sondern indem er sie veranlaßt, sich zu erklären, soll sie das Geschwtir offen darlegen, das zu heilen er beabsichtigr (Chrysostomus.) Ein großer Theil der Reden des Sohnes Gottes während seines Wandels auf Erden besteht in Ermunterungen zum Bitten, in Versicherungen von der Nothwendigkeit des Bittens, in Verheißungen von dem überschwänglichen Vortheil des Bittens. Auch diese Frage: »was willst du ?« womit er der Bittenden so gütig entgegenkommt, zeigt, wie frei man fich mit seinem Anliegen bittend zu ihm wenden dürfe, auch dann, wenn es, wie damals, vor Menschen das Ansehen haben möchte, als komme man zur Unzeit. (Menken.) —- ««k) Es scheint, daß die Schriftgelehrten aus Mißdentung der Stelle: Sach. 4, 2 f.; 11 ff. von den zween Oelbiiumeu und Oelkinderty die zur Rechten nnd Linken des güldeuen Leuchters im Gesicht waren gezeigt worden, diejenige Meinung unter das Volk gebracht haben, darauf diese Bitte gerichtet war. (Starke.) Auf diese Bitte mochten sie kommen, weil der HErr iu Kuh. II, 28 gesagt, daß er würde fitzeu auf dem Thron seiner Herrlichkeih und feine Apostel sollten auch auf Stühlen sitzen. Es war aber ihre Bitte eben deswegen desto mehr unrecht, daß sie nicht zufrieden waren, da ihnen allen solches Sitzen ver- sprochen, und daß sie sich iiber ihre Mitjüiiger erheben wollten, da sie vielmehr alles dem Willen und Gutbe- finden ihres HErrn hätten überlassen sollen. (J. Lange) Hoffahrt ist unser innerfter Rock, welchen wir am letzten aus- und am ersten anziehen. (Hall.) Daß auch Jo- hannes bei diesem ehrgeizigen Begehren sich betheiligt, der in seinen Briefen ganz anders erscheint, beweist nur, welche Wandelung durch den Geist Christi mit ihm vor- gegangen ist. (v. Burger.) Der Inhalt der Bitte ist nicht ganz zu verwerfen. Salonie will doch etwas Gutes, etwas Schönes, etwas Großes ftir ihre Kinder: sie sollen groß werden in des Heilands Reich, sie sollen die Nächsten sein an seinem Herzen. Und du Mutter, du Vater, was willst du für deine Kinder? nehmen deine Wünfche auch so einen hohen Flug? haben deine Sorgen auch so ein edles Ziel? Ach’-, ein Brautkranz ftir die Tochter, das liegt hundert Müttern mehr am Herzen als die Krone des ewigen Lebens; dem Sohn einen guten Platz in der Welt zu verschaffen, eine an- ständige Versorgung, ein schwunghaftes Geschäft, ein ehrenvolles Amt, eine reiche Frau, das gilt tausend Vätern wichtiger, als ein Platz im Himmelreich, ja als ein Platz zur Rechten und Linken des Heilands. O Bitte der Salome für ihre beiden Söhne. fchämt euch! Wer sein Kind wahrhaft liebt, wem’s nicht blos ein Spielzeug seiner Eitelkeit ist, sondern ein heiliges, von Gott anvertrautes Pfand, der bete nicht zum himmlifchen Vater: mach mein Kind schön, oder maclys reich, oder maclfs berühmt, oder hilf ihm zu einer guten Partie, sondern der bitte: mach mein Kind fromm und ut, dann ist fein Gltick gemacht, und wenn’s auch keinen hohen Stand in der Welt, keinen glänzenden Platz; auf Erden bekommt, gönne ihm ein Plätzchen nur an deinem Herzen, laß mich’s wiederfinden einst in dei- nem Reich. (Gerok.) 22. Aber Jesus antwortete und sprach [von der Mutter sich unmittelbar an die beiden Söhne selber wendend]: Jhr wissct nicht, was ihr [da für euch durch den Mund der Mutter] biltcts [denn ihr denkt dabei nur an Herrlichkeit und Ehre, bedenket aber nicht, wie mein eigener Weg zum Thron der Herrlichkeit erst durch tiefe Schmach und bitteres Leiden hindnrchgeht und also auch ihr auf diesem Wege allein zum Sitzen auf den zwölf Stühlen, davon ich neulich geredet habe, gelangen könnt]. Könnt ihr [denn, das fraget euch vielmehr, statt sogleich an die Herrlichkeit am Ende zu denken] den Kelch [des Leidens Jer. 49, 12] trinken, den ich lschon nach wenigen Tagen] trinken werde [Joh. 18, 11], nnd euch taufen lassen mit der Taufe feiner Trübsalsfluth, die bis an die Seele gehet Pl« 124, 4 f.], da ich mit getauft werdett [Lnk. 12, 5012 Sie sprachen zn ihm [bereit, mit ihm in’s Gefängniß und in den Tod zu gehen Luk. 22, 33; Makkhi W, 35J: Ja wohl fwir können alles leisten, was du zur Gewährung unsrer Bitte von uns forderst]. 23. Und er sdie Vermefsenheit, womit fie so geschwind Ja sagten in einer Sache, die sie nicht verstunden, einstweilen übersehend und gleich in die- ienige Zeit hinübergreifend, wo sie allerdings durch Gnade und Hilfe des heil. Geistes vermögen wür- den, was sie jetzt« ans eigener Kraft noch nicht konnten] sprach zu ihnen: Meinen Kelch sollt ihr zwar trinken, und mit der Taufe, da ich mit ge- tauft werde, sollt ihr [gleichfalls] getauft werden swenn eure Zeit der Trübsal nnd Verfolgung kommt Aposta 12- 2; Offenb.1, 9]; aber das Sitzen zu meiner Rechten und Linken firgend wem] zu geben, stehet mir nicht zu, sondern fes wird denjenigen zu Theil werden] denen es bereitet ist von meinem Vaterstit ««) Das Fleifch will immer eher herrlich werden, denn es gekreuzigeh eher erhöht, denn es erniedriget wird. (Luther’s Randgl.) Sie ahneten wohl nicht, welche fchreckliche Ehrenstellen sie zunächst erlangt hätten, wenn ihnen ihr Wunsch wäre gewährt worden, nämlich die Stellen der beiden Schächer, welche zur Rechten und zur Linken mit Jesu gekreuziget wurden (Kap. 27, 38). »Ihr wisset nicht, was ihr bittet«, fprach der HErr ohne Zweifel mit einem Schauer über die Ahnungslosigkeitz womit sich tausend Mal seine geliebten Jijnger Gefähr- liches, Verderbliches und noch öfter Ungebiihrliches er- bitten können. (P. Lange.) Der Menschen Schwachheit verräth sich auch im Beten; sie mögen sich so klug dün- 291 ken als sie wollen, so wissen sie doch oft nicht, was und wie sie beten: Rönt 8, 26. (Quesnel.) sit) Der Kelch, welcher jemandem zu trinken gegeben wird, steht für das ihm beschiedene Loos, in gutem oder fchlimmem Sinne, in Beziehung auf Glück oder Unglück; hier steht es in letzterer Beziehung. (Bleek.) Die Alten nnterfchieden eine dreifache Taufe: fluminis (Wass er- taufe), Aaminis (Geistestaufe), sanguinis (Bluttau··e); die letztere schließt einmal die Idee des leidenvollen Untergangs, aber dann auch die des fre denvollen Auf- gangs in fich. (Olshausen.) Für Chri t Reich bilden hochbedeutfam Kelch und Taufe zusammen einen sich ergänzenden Doppelbegriff Zunächst deutet der Kelch auf etwas innerlich zu Schmeckendes, Erfahrendes, wie die Taufe dasselbe als von außen uns liberwäl- tigend bezeichnet; folglich ist bei dem Ersten mehr von dem Uebernehmen im eigenen, freiwilligen Gehorsam (d. h. eben von dem ,,Trinken«) die Rede, das Andre spricht mehr von der ausgelegten Nothwendigkeit des Duldens, von dem Getauftwerd en tin keinerlei Sinn kann jemand sich selbst taufen); endlich liegt, wie der Kelch mehr auf des Vaters ihn zutheilenden Willen zu- rückweist, so in der Taufe ein vorausweisender Wink auf das Nichtbleiben unter dem Wasser, das Hervor- kommen und Auferftehen, und vollendet erst dieser Aus- druck den Sinn des Ganzen. (Stier.) ils-Hi) Jn Offenb. 3, 21 spricht der verklärte, hier der erniedrigte Menfchensohn; daß aber das Sitzen zur Rechten und Linken nur denen gegeben wird, denen es bereitet ist von seinem Vater, dabei bleibt es, denn auch im Stande der Herrlichkeit vollzieht der Sohn blos seines Vaters Willen: Joh. Z, 19 ff. (v. Burgen) Offenbar ist die Antwort des HErrn auf keine Weise verneinend, abschlagend, sondern sie ift Hoffnung gebend, und noch mehr, ist verheißend, ist gewissermaßen gewäh- rend, so sehr es anfänglich das Ansehen hatte, als werde er die Bitte abschlagen Mir is·t es, als ob unser HErr damit den beiden Jüngern sagte: « Was ich euch auf eure Bitte gewähren kann, das gewähre ich euch; die Herrlichkeih um die ihr bittet, schlage ich euch nicht ab, ich sage auch nicht, daß ihr sie nimmer erlangen könnt und nicht darnach trachten sollt, nur bedeutet, was da- zu erfordert wird und welchen Weg ich selbst zu ihr gehen muß —- diefen Weg, der zu ihr leitet, will ich euch öffnen, nnd will euch ihn führen; da wird es nun auf euer eigenes Wohlverhalten ankommen. (Menken.) Der Mutter Bitte, der Söhne Gelübde, des HErrn Segen trug edle Früchte im Leben und Leiden des"herr- lichen Brüderpaars Als Johannes, der einzige Getreue von allen , unter seines Meisters Kreuze stand , als er auf der öden Jnsel Patmos verbannt war um Jesu willen, und vielleicht, wie die Sage erzählt, den Gift- becher trank, der ihm nicht fchaden durfte, da hat er auch getrunken aus dem Kelch seines Meisters, aus dem Kelch von Gethfemane; und Jakobus, dessen Ehrentag wir heute feiern, der Frühvollendete, welcher der Ehre gewürdigt ward , der erste Märtyrer zu werden unter den Aposteln, als er dort zu Jerusalem auf Herodis Befehl unter dem Henkerfchwert fiel, da ist er auch ge- tauft worden mit der Taufe seines HErrn, mit der Vluttaufe von Golgatha. Nun war das Ja wohl ein- gelöst, das sie dort so freudig gegeben, nun war der Mutter Bitte erfüllt — freilich anders, als sie’s ge- dachtt Aber die Krone? aber das Sitzen zur Rechten und Linken? Nun, auch da gewiß sind sie nicht zu kurz gekommen. (Gerok.) Wenn die römische Lehre vom Primat des Petrus wahr wäre, so müßte die Berichti- gung der Zebedäiden ganz anders gelautet haben, etwa so: ihr wißt ja fchon, daß dort bei Cäsarea Philippi (Kap. 16, 13 ff.) die erste Stelle dem Petrus ist ver—- IOI 292 Evangelium Matthäi 20, 24-—34. liehen worden. Wie aber lautet das Wort Jesn so ganz anders! (P. Lange) 24. Da das die Zehn [die» übrigen Jlinger außer Jakobus und Johannes] horeten lwas Sa- lome für ihre Söhne»sich erbeten hatte» V. 21], wurden sie unwillig uber die zween Bruder [daß diese vor ihnen allen etwas voraus haben wolltens Hier sieht man das Beleidigende, Kränkendh was das ehrgeizige Vordrängen für Andere hat: es erbittert wider uns. (Heubner.) Ein Aergerniß kann bald andre Sünden nach sich ziehen, daß ein groß Feuer daraus entstehe; darum hüte dich, daß du niemand auf keinerlei Art Aergerniß gebest: Röm. 14, 13. (Canstein.) 25. Aber Jesus rief sie zu sich sdenn der Rangstreit war, wie der frühere Kap. 18, I ff., auf dem weiteren Wege ansgebrochen Mark. 9, 33 f.] und sprach: Ihr wisset, daß die weltlichen Fürsten herrschen süber die ihnen unterworfenen Völker], und die Oberherren [die Großen ihres ReicheSJ haben Gewalt [die sich oft in recht harter Weise an den Unterthanen geltend Macht] 26. So [jedoch, daß man darum über die Andern hinaus will, um sie dann seine Herrscher: siellung fühlen zu lassen] soll es nicht sein unter euch lin dem Reiche, dem ihr als meine Junger angehörtjz sondern, so jemand will unter euch ge- waltig sein, der sei euer Diener. » 27. Und wer da will der Vornehmste sein, der sei euer Knechtzt 28. Gleichwie des Menfchen Sohn fder König in dem Reiche, um das es hier sich handelt] ist nicht kommen, daß er ihm dienen lasse, sondern daß er diene [Joh. 13, 13 f.;»Phil. 2», 5 ji«] und gebe sein Leben zu einer Erlosung sur viele sals womit er am tiefsten sich erniedrigt und am oölligsien sich hingiebt an den Dienst Aller Joh 15, 13; 1. Joh. Z, 16]. V) Der HErr hebt nicht, seinerseits wiederum nur iiberwältigend, all das aus dem natürlichen Sinn der Menschen hervorgehende Treiben und Trachten der Herr- scher und Großen auf Erden hinweg, sondern er bauet in und unter diesen Formen der Völkergeschichte sein Reich, in welchem die Macht der dienenden Liebe gilt und wirkt; er zerstört nicht von außen hinein die Staats- ordnungen mit all ihren Rang- und Machtstufen, ob- wohl sie leider Ehrsncht und Eigenwillen in sich tragen, sondern er heilt nnd erneuert von innen heraus, indem er seine demtithigen Jünger wenigstens hie und da in die Plätze der Herrschendeu stellt, jedenfalls ihnen, wo sie auch stünden, eine Herrschaft geistiger Macht bereitet, bis einst dieser Welt Gestalt vorübergeht und des Got- tesreiches Ordnung auch äußerlich sich darstellen kann. In diesem Reiche giebt es allerdings auch Rang- und Machtstufem aber mit der Berechtigung und dem Wege dazu verhält sich? umgekehrt: wer wahrhaft groß wer- den (nicht blos gelten oder sich dünken) will, verdiene sich’s fein schönes deutsches Wort) als Diener; wer wahr- haft der Erste s ein will, suche die Würde Und Ehre in der tieferen Erniedrigung, daß er sich gar den Letzten und Kleinsten freiwillig liebend zum Knecht ergehe. (Stier.) Mk) Als Lösegeld für Viele giebt er das Leben, indem das Leben an die Stelle der Vielen tritt, die dadurch erlöst, losgekauft werden; es ist der Preis, der eingesetzt wird für das zu erkaufende Gut, und dies Gut find die Vielen. Der Ausdruck ,,vjele« aber ist nicht eine Beschränkung der Kraft oder Bestimmung dieses Löse- gelds, als sei es nicht für alle gegeben worden, sondern er will nur besagen, daß die Zahl derer groß ist, denen es zu gute kommt. (v. Burgen) Jesus ist der Diener Aller in einem Grade, wie kein andrer Mensch es sein kann; vermögen wir sein Maß auch nicht zu erreichen, so soll doch sein Sinn uns beseelen. (v. Gerlachd 1II. o. 29—34. (§. 98.) war dem heim: schon vei seinem Giuzuge in Ldericlfo ein Minder entgegengetreten, der seine Hilfe begehrte Male. 18, 35 fs.), so begegnet ihm der gleiche Fall auch bei seinem Jluggauge aus der Stadt (.·lkIarlt.10, 46 ff.), uaehdem er durch dieselbe hin- durchgezogem ohne sich zunächst darin aufzuhalten fis-alt. 19, 1). Gerade in der Zeit, wo so viele Festpilger auf ihrem Wege nach Jerusalem in Iericho ein— und ans— gingen, hat ein doppelter Begegniß mit settleru am Wege am wenigsten etwas Zlnffälligeez und wie uoch jeht wegen des außerordentlich heißen ililimas iu der Gbeue von Jericho der Sounenftich (2. Leda. 4, 19 Blum) uirht selten vorkommt, so konnte aus demselben Gesinde, da große Hitze der Sonnenstrahlen: den vielen Staub und jflugfand nngcmein verfeinertz auch Blindheit eine dort häufiger vorkommende Erscheinung sein; es ist aber in fyncbolifcher Hinsicht nicht ohne besondere Bedeutung, daß dem HErrn auf demjenigen Wege, den er an diesem Tage mit Jüngern angetreten, denen seine Rede verborgen blieb, daß sie nicht verstanden, wag er nun zum dritten Mal ihnen gesagt hatte Gruß. 18, 34), und der ihn über jenen punlct auf dem Oelberge führte, wo er unter Thränen über die geillliche Blindheit feines volles klagen mußte Nur. 19, 41f.), sowohl vor dem Eingange in die Stadt, als auch beim Anggange ano derselben, gerade ein Blinder entgegentritt. Beiden bin« gliirltlichelt wird auf die Jlnrufung Ilefu als deo Sohnes Davids, welches llieleenntniß die umsteheitde Menge mit Gewalt hat zurücletreiben wollen, dag aber darum nur della mächtiger auf ihren Lippen sich geltend macht, vou Jesu geholfen: dao ist Jsraetg llieliehruagogeschicijte nach ihrem Anfange nnd ihrem Ende zu Einem Bilde ver- einigt; denn nachdem der HGrr ihrer etliche aus diefem trailer, die islebergebliebenen nach der Wahl der Gnaden (d’töm. 11, 5), gleich anfangs sehend gemacht, muß er erst durch Ilerieho hindurch ziehen, d. i. die Fülle der Heiden in einem Beitraum von vielen Jahrhunderten zu feinem Reiche berufen, bis ro ihm znleht noch gelingt, vou den Herzen derer, dir sich wider ihu verftoctct Italien, die Decke wegzunehmen (2. Gar. Z, 16; käm. 11, 23 ff.). St. illatthäug nun in dem vorliegenden Jlbfchuitt faßt in derselben Wehe, die wir bei ihm schon in Lan. s, 28 ff. beobachtet haben, beide Heilungen ohne weiteres in eine einzige Geschichte zusammen; das ist historisch zwar nugenau, für einen Gvangelisten aber, der cg hauptsächlich mit Israel zu thun hat und gern die schon sehend Gewordenen mit den noch Blinden dahin vereinigen möchte, daß auch diese letzteren ihres Heiland» dlamen aurufeu und durch ihn selig werden, desto bezeichnenden (.tllarb. 10, 46-52; Eule. 18, 35—43.) 29. Und da ste sJesus und seine Begleiter V. 17, nachdem sie etwa um 9 Uhr Vormittags im Jordanthale mit den Festpilgern zusammen ge- troffen, in deren Gesellschaft bis Jericho gekommen und dann ohne weiteren Aufenthalt durch die Stadt hindurchgereist waren] von Jericho auszogen, folgte ihm [in eben diesen Festpilgerw die den großen Heilung zweier Blinden bei Jerichu 293 Propheten aus Galiläa mit Freuden in ihre Mitte aufgenommen hatten] viel Volks nach. 30. Und siehe, zween Blinde saßen am Wege; nnd da sie höreten, daß Jesus voriiberging schrieen sie und sprachen: Ach, HErr, du Sohn Davids, erbarme dich unser! 3»1. Aber das Volk bedrauete sie, daß sie schweigen sollten [denn es meinete von dem festlichen Zuge, in welchem es, seinen Messias an der Spitze, jetzt nach Jerusalem hinaufziehen wollte, die stören- den Bilder des Elends und des Mangels fern halten zu mussens Aber sie schrieen viel» mehr, und sprachen: Ach, HErr, du Sohn Davids, erbarme dich unser! - 32. Jesus aber [der sein Herz nicht sowohl an der Freude eines festlichen Aufzugs weidete, als vielmehr es da hatte, wo Jammer und Elend ihm entgegentrat] stund stille , und rief ihnen , und sprach: Was wollt ihr, daß ich euch thun soll? 33. Sie sprachen zu ihm: HErn daß unsere Augen aufgethan werden [Pred. 11, 7]. 34. Und es jammerte Jesum [vgl. das Sprich- wort: »Ein blinder Mann ein armer Mann» dem gnad’ Gott, der nicht sehen kann«], und ruhrete ihre Augen an, und alsobald wurden ihre Augen wieder sehend, und sie folgten ihm nach. Wenn Lukas (18, 35 ff.) von der Heilung eines Blinden bei dem Herannahen nach Jericho, Markus (10, 46 ff.) dagegen von der Heilung eines solchen bei dem Auszuge von dort berichtet, so unterscheiden sich beide Erzählungen bei aller ihrer sonstigen Verwandt- schaft doch wesentlich in den beiden Punkten, daß a) Lukas seinen Blinden als einen in der christlichen Gemeinde nicht näher bekannten, namenlosen Mann bezeichtiet cui-into; ne— —- ein gewisser Blinder) bezeichnet, Markus dagegen ausdrticklich nicht blos den Namen des Blinden selber, sondern auch den feines Vaters (Bartimäus, Timäi Sohn) angiebt, und daß b) der Blinde bei Lukas auf Jesu Befehl zu diesem hingeftihrt wird, der bei Markus aber auf Jesu Ruf fein Oberkleid abwirft, sich aufrichtet nnd, als wäre er ,,zum Hellsehenden gewor- den im Wunderlichte der Verheißung«, der Stimme dessen,· der ihm gerufen, nachgeht, um so selber sich bei ihm emzufindem Diese beiden Abweichungen verbieten uns, aus den 2 Erzählungen nur eine zu machen, wie manche Ausleger gethan haben, nnd den Vorgang ent- weder (nach Lukas) an den Eingang oder (nach Markus) an den Auszug nach Jericho zu verlegen; wir halten vielmehr daran fest, daß es sich um zwei verschiedene Heilungen handelt: die eine ist dort, die andere hier, die eine an einem Ungenanntem die andere an Barti- mäus, der hernachmals zur christlichen Gemeinde zählte, vorgefallen Wenn nun aber Matthäus in dem vor- liegenden Berichte von den beiden Blinden, deren Hei- lung er an den Ausgang von Jericho verlegt, seinerseits meldet, Jesum habe ihrer gejammert und er habe ihre Augen ungerührt, so ist letzteres so wenig wie ersteres ein besonderer Umstand, der uns veranlassen könnte, noch eine dritte Heilung, die von 2 Blinden, unmittelbar nach der von Markus berichteten anzunehmen, wie ältere Harmonisten dies thun. Eher ließe sich sagen, daß die von Markus berichtete Heilun eigentlich, wie Matthäus genauer angiebt, an zwei linden stattgefunden, nur habe Marias den einen, der ein bekannter Mann in der christlichen Gemeinde war, ausschließlich in’s Auge ge- faßt; indessen liegt es näher anzunehmen, daß Matthäns die von Lukas berichtete Heilung mit der andern zu Einer Erzählung verbunden habe, wobei denn die zweite Heilung (bei Markus) nicht blos in dem Umstande stir seine Darstellungsweise maßgebend war, daß sie beim Ausgange aus Jericho vorfiel, sondern auch in dem an- dern, daß Jesus dem Blinden rief. Warum aber, so möchten wir fragen, hat denn Matthäus, wenn er ein- mal von der Heilung zweier Blinden erzählen wollte, die 2 Geschichten nicht in ihrer Vesonderheit, wie· sie aus Luk. und Mark. sich ergiebt, belassen, sondern zu Einer Geschichte verschmolzen? Da ergiebt sich denn die Ant- wort aus dem in Kap. 21, 1—11 folgenden Abschnitt, der ohne Rücksicht darauf, daß das darin erzählte Er- eigniß erst 3 Tage später vorsiel und zwischen diesem und unserm Ereigniß die erst in Kap. 26, 6 ff. mitge- theilte Gefchichte von der Salbung Jesu zu Bethanien sich zutrug, sofort mitdem hier vorliegenden Abschnitt verbunden ist, als gehörten beide Abschnitte innerlich, von Seiten der Hauptsache, um die es bei beiden sich handelt, zusammen, ob sie gleich äußerlich, durch Zeit und Ort der in ihnen erzählten Begebenheiten, von ein- ander geschieden waren. Wir verstehen auch bald , in- wiefern sie innerlich zusammengehörem es ist nämlich in Jesu Leben jetzt ein Wendepunkt eingetreten, die Zeit seiner Hingebung an die Messiashoffnung seines Volks ist nun herbeigekommen »Nach seiner Taufe hatte er sich eine Weile in die Wüste zurückgezogen, weil ihm die falsche weltliche Ntessiashoffnung seines Volks ver- sucherisch in den Weg trat (Kap. 8 , 13——4, 11); jetzt trat er nach einer Weile aus der Wüste hervor (Kap. 20, 17 ff.), um sich der durch feine Offenbarung gerei- nigten Messiashoffnung seiner Anhänger hinzugeben«, einer Gefahr des Mißverstandes und des Mißbrauches war nun, wo er binnen wenig Tagen leiden mußte, um aus diesem Wege zu seiner Herrlichkeit einzugehen, in jeder Hinsicht vorgebeugt. Indem denn Christus mit Wissen und Willen sich an die Messiashoffnung seiner Anhänger jetzt hingiebt, ist es auch sein heiliger Rath und Wille, daß er vor denen, die ihm nachfolgen, als David’s Sohn, als Jsraels König ausgerufen nnd von ihnen selber als solcher anerkannt werde, während er früher, wenn man ihn Vorzeitig bei diesen Titeln anrief, nicht darauf hörte (Kap. 9, 27 ff.); und wie er diese Absicht auch wirklich erreicht hat, das zu zeigen ist der Gesichtspunkt, von dem aus unser Evangelist den vor- liegenden Abfchnitt mit dem nächstfolgenden so eng ver- bunden hat, daß er den letzteren-mit den Worten be- ginnt: »Da sie nun nahe bei Jerusalem kamen.« Je- richo und Jerusalem — diese beiden Städte gehören ihm auf’s Engste zusammen; und zwar ist es der Aus- zug von Jericho und der Eiuzug in Jerusalem, welche, jener »als Anfangs-, dieser als Endpunkt der Linie, auf der es hieß: »Jesu, du Sohn David’s!« und ,,Hosianna dem Sohne Davids-l« ihm vor die Augen treten -— was in der Mitte lag, der Aufenthalt in Bethanien und die Salbung durch Maria, das läßt er einstweilen außer Betracht, das tritt erst da in seinen Gesichtskreis, wo es sich um den Blutrath der Hohenpriester und Schriftge- lehrten und Aeltesten des Volks und um des Verräthers Blutthat, sowie um die Stiftung des heil. Abendmahl-s handelt. Wissen wir uns in diese Ansehauungsweise des Evangelisten zu finden, dann werden wir es ihm nicht vertibeln, daß er die Stimme am Anfangspunkt jener Linie: ,,Jesu, du Sohn Davids« verstärkt hat durch Hinzunahme des Blinden vor Jericho zu dem Blinden hinter Jericho; hatte er doch auch am Endpunkte der Linie in Betreff des Zurufs: ,,Hos"ianiia dem Sohne Davids! Gelobet sei, der da kommt im Namen des 294 Evangelium Matthäi 20, 34 Anm. HErrnl Hosianna in der Höhe!« ein Volk vor sich, das vorging und nachsolgte, aber hier wie aus Einem Munde redete, und darauf eben (abgesehen von dem Umstande, daß er in Kap. 9 , 27 ff. ebenfalls von zwei Blinden erzählt hatte, die in derselben Weise gerufen, nur· daß der HErr da auf diesen Ruf als den einer vor- zeitigen Huldigung öffentlich nicht hören mochte) kam es ihm an,·den messianischen Festzug Jesu, welcher sich da- mit endigte, daß er den Heiden überantwortet ward, Von demselben Jericho sich eröffnen zu lassen, von wel- chem aus Josua die Eroberung des verheißenen Landes unternommen hatte. Wenn dagegen uns es darauf an- kommt, ein genaues geschichtliches und chronologisches Bild von der letzten Reise Jesu nach Jerusalem zu ge- winnen, so dürfen wir nur die übrigen Evangelisten zu Rathe ziehen, und alsbald kann unserm Wunsche auf’s Beste gewillsahrt werden. Wir verweisen hier, ehe wir von Jericho scheiden, zuvor auf die Geschichte von der Einkehr Jefu bei dem Oberzöllner Zachäus (Lnk. 19, 1——10). Der HErr hatte zunächst nicht in Absicht gehabt, in Jericho zu iibernachten, wenn er auch von Livius aus bereits einen Weg von 2——3 Meilen zurückgelegt und von Jericho bis Bethanien noch einen Weg von ca. 3 Meilen vor sich hatte; als er aber kaum diegBlindenheilung vollbracht hat und eine keine Strecke weiter gezogen ist, gewahrt er den Zöllner auf seinem Baume, der ihm bis zu diesem Standort vorausgeeilt ist, um seine Abfichh ihn zu sehen, sicher zu erreichen. Da trifft es nun ganz zu, was Nebe sagt: »der HErr ist der Magnet, welcher die Menschen an sich zieht; aber da des Menschen Sohn für den Menschen in’s Fleifch gekommen ist, so ist auch der Mensch der Magnet, wel- cher den HErrn an sich zieht, und vorzüglich thut dies der verlorene, aber bußfertige, heilsuchende Mensch. Solch ein Anblick ist Jesu noch nicht zu Theil geworden: ein Oberster der Zdsllner auf einem Baume sitzend und nach dem Sünderheiland ausschauend mit sehnsiichtigen Blickenl Der HErr steht von seinem Vorhaben, nach Bethanien noch diesen Tag zu ziehen, augenblicklich ab: er muß das Hungern und Dürften dieser Sünderseele nach»dem Reiche Gottes und seiner Gerechtigkeit erst be- sriedigen.s« Er kehrt also wieder um, um bei dem Manne einzukehrem das Volk aber, das ihn bisher in feiner Mitte gehabt, murret und nimmt es für eine Ve- leidigung, daß er dem Ehrengeleit einer so großartigen Reisegenosseuschaft die erberge bei einem so verrufenen Menschen vorzieht Nicht nur weist jetzt der, der sich auf dem Wege nach Jerusalem lediglich in der Absicht befindet, um sich lieber mit Schächern kreuzigen zu lassen, als die Verlorenen preiszugeben, die, welche aus dem Heilaiide der Welt immer wieder einen Fürsten der Pharisäer machen wollen, entschieden von sich ab; son- dern, weil seine Umgebung meint, da er jetzt im Begriffe stehe, in Jerusalem als Messias einzuziehen, werde nun auch das Himmelreich von irdisch-weltlicher Herrlichkeih wie. sie·s"ich’s träumte, zur Erscheinung kommen, zeigt er ihr in dem Gleichniß von den anvertraueten Pfunden (Luk.·19, 11—27), wie es mit der Aufrich- tung feines Reichs in Wirklichkeit sich verhalte, und giebt da deiitlich genug zu verstehen, was für einen Ausgang dieser Einzug des Messias in Jerusalem neh- men werde. Damit, so scheint uns, hat Jesus die Fest- karavane, zu der er sich jenseit der Thore Jerichos vor etwa einer Stunde gesellet hatte, den weiteren Weg ohne ihn ziehen lassen, und sie hat noch am Abend dieses Tags das Ziel ihrer Reife, die Stadt Jerusalem erreicht; er selbst blieb aber mit seinen Jüngern und den andern ihm enger verbundenen Seelen den noch übrigen Theil des Tags und die darauf folgende Nacht bei Zachiius in Jericho, um erst am andern Morgen (Freitag, den 31. März) mit dem kleineren Kreis der Seinen seine Reise fortzusetzen. Indem wir ihn auf diesem, 3-4 Meil. weiten, ztoischen öden und steilen Felsgebirgen hindurchführenden Wege begleiten, wo sengende Gluth von den Felsenwänden prallt, nirgends eine Spur von Begetation sich zeigt, als hie und da ein Dornstranch, und der Schritt des Wanderers in der Thalung wiederhalltz erinnern wir uns der biblischen Ortschaften, die uns da entgegentraten Auf Karte III stehen davon Adumim, Bahurim und En-Semes (Jos. 15, 7; 2. Sam. Z, 16) verzeichnen Der Name Ada- mim soll von dem vielen, in dieser Gegend vergofsenen Blute herrühren; die kirchliche Legende dagegen behauptet, daß Adam hier dem Paradiese gegenüber den Verlust seiner Seligkeit beklagt habe. Wir nähern uns dem sogen. Mordthal: es ist da entsetzlich öde, und un- heimlich der Aiiblick der düstern Felsen, die in jähem Absturz bis zu 800 Fuß Tiefe sich senken. Jn diesem Engpaß scheint die Natur selbst die Anlage einer Mör- dergrube begünstigt zii haben, indem in der Todesstille der Gegend, was immer die Höhe herauf- oder herab- steigt, schon aus weiter Ferne ausgekundschastet werden mag und weit und breit keine menschliche Wohnung sich befindet. Es erinnert uns das an das Gleichniß vom barmherzigen Samariter(Luk. 10, 30ss.), der, von Jericho herauf reifend, hier den unter die Mörder Ge- fallenen, an dem der Priester und Levit, von Jerusalem aus dem Tempel kommend, vorübergegangen waren, in seinem Blute liegen fand und das Liebeswerk an ihm verrichtete. Da dürfen wir nur uns besinnen, was der HErr in Hes 16, 5 f. sagt, und wir werden alsbald in der Gestalt des barmherzigen Samariters denjenigen wieder erkennen, der jetzt denselben Weg nach Jerusalem zieht, um sein Heilandswerk an der halbtodt daliegenden Meuschheit zu vollbringen und in seiner heil. Kirche ihr eine Herberge z1ir Pflege bis auf den Tag seiner ein- stigen Wiederkunft vom Himmel zu bereiten. Er, der Sohn Davids, kommt dann weiter bis Bahurim, wo einst sein großer Ahnherr, von Jerusalem vertrieben, von Simei in so schmählicher Weise beschimpft und ver- läftert wurde; auch er, wie er in V. 18 f. uns gesagt hat, geht jetzt dahin, um in Jerusalem hinausgestoßen und verspottet, geschmähet nnd gegeißelt zu werden. Zu En-Sem es, dem sog. Apostelbrunnen, der einzigen Quelle in dieser ganzen Gegend , ruht noch jetzt jeder Reisende ein wenig aus und erquickt sich durch einen Labetrunk, sich dessen erinnernd, von dem in Pf. I10, 7 geschrieben steht: ,,Er wird trinken vom Bach auf dem Wege; darum wird er das Haupt emporheben« Der nächstgelegene Ort Bethanien führt unsdann bereits bis an den östlichen Vorsprung des Oelbergs, und sind - wir da nicht weiter mehr als V, Stde. von Jerusalem entfernt (vgl. Luk. 10, 38 ff.). Jn diesem, von Bergen und Hügel« rings umgürteten, von der mühseligen Wanderung durch die Wüste zur Ruhe einladenden Flecken machte denn Jesus ftir diesen und den folgenden, ja auch theilweis noch ftir den dritten Tag (Freitag bis Sonntag: 31. März-Z. April) Halt und kehrte bei der ihm befreundeten Familie der 3 Geschwister: Laza- rus, Maria und Martha ein. Wie nun da zu Ehren des unerwartet eingetroffenen Gastes noch am Freitag ein Mahl zugerüftet und am Abend mit dem einbrechen- den Sabbath (also gerade 8 Tage vor dem Begräbniß Christi) eingenommen, der HErr aber bei dieser Gelegen- heit von Maria gesalbt und in Judas’ Seele der erste Gedanke an Verrath erweckt wurde, werden wir erst in Kap. 26, 6 ff. lesen; für jetzt richten wir unsre Auf- merksamkeit hauptsächlich darauf, daß noch an demselben Tage viel Volks in Jerusalem, das von Jesu Anwesen- heit in Bethanien durch die vorausgezogenen Pilger- Der HErr im Zuge der Festpilger nach Jerusalem bei Jericho. 295 schaaren gehört hatte Und namentlich auch den von ihm vor etlichen Wochen auferweckten Lazarus sehen wollte, nach dem Flecken hinausging, Andre dagegen, die wegen Anbruch des Sabbaths für jetzt noch zurückbleiben mußten, die Wanderung sich für später vorbehielten. gelangt ist, schiclet er zween Iänger nach diesem xlileklien uud läßt Iich eine Eselin sammt ihrem Fällen herbei- holen, um in Erfüllung einer bestimmten prophelischeu weissagung als Slgraelo messianischer König, für den er sich nun offen bekannt, einen feierlicyeu Ginzug in die Beihanieti Als nun am Sonnabend, bei Gelegenheit des Morgen- opsers, die Mitglieder des Hohenraths die Gespräche der- Leute im Tempel hörten und daraus eine immer mehr sich steigernde Vegeisterung für Jesum wahrnahmen, be- rathen sie sich unter einander, daß das nicht so fortgehen dürfe, man müsse diesen gefährlichen Volksaufregey wo- für sie ihn erklärten, sammt dem Werkzeug seiner an- geblichen Agitation, dem Lazarus, aus dem Wege schaffen (Joh. 12, 1-—11). Dazu hatten sie nun freilich noch keine Mittel in den Händen, denn ihre Stunde war noch nicht gekommen; ja, sie konnten nicht einmal hindern, daß des andern Tages (Sonntag, den 2. April = 10. Nisau) im Laufe des Vormittags abermals viele aus dem Volk, wie sie sich vorgenommen, hinaus nach Bethanien eilten, und dieser Zudrang zog stch sogar bis in die Nachmittagsstunden hinein fort. Dort war Jesus bereits aufgebrochen, doch nur erst ungefähr 10 Minuten weit bis nach Bethphage gekommen, als ihm neue Schaaren aus Jerusalem begegneten: da hören wir nun im folgenden Abschnitt, was weiter geschah. Das 2»1. Kapitel. Christi Einzug in Jerusalem; Reinigung des Tempels, Versluohung des ckeigenbanms und Strafpredigt IV. v. 1—11. (§. 101.) Jllø Jesus in Begleitung seiner Sänger sowie derjenigen zliestbesncljey die während deg vormittags nach tliettntnien gekommen waren und ihn seht, am ilachmittag des Palmsonutagkk von dort nach Jerusalem herütseryoltecu tiig in die dlähe von sethphage Stadt zu veransialtcn Gnade. 1, 1—11; End. 19, Eli-M; Sah. IS, 12—19.) Evangelium am l. Sonntage des Adams, wie auch am palmsonntageJ Merkwürdigerweise kommt dies Evangelium 2 Mal im Jahr als leitender Sonntagsabschnitt vor: beim An- fang des Kirchenjahres, am I. Advent, und beim Anfang der Charwoche, am Palmsonntage Der Grund liegt zu- nächst in einem äußerlichen, geschichtlichen Umstande; lange Zeit nämlich begann das Kirchenjashr mit dem ältesten und höchsten Feste der Kirche, dem heil. Oster- feste, und das Evg. vom Einznge Jesu in Jerusalem war die natürliche Einleitung der Leidenswoche Als später der Anfang des Kirchenjahrs aus das Weihnachts- fest und die Vorfeier desselben in den Advent verlegt wurde, stellte man das nämliche Evangelium an die Spitze der Adveutszeit, zum Zeichen, daß die Weihnachts- feier auch nur eine Vorbereitung aus Ostern, und die Abrundung des Kirchenjahrs zu einem eng abgeschlosse- uen Ganzen nicht verändert sei, behielt jedoch zugleich das Evang. für den Palmsonntag bei. (Fr. Arndt.) Wie ganz anders aber, als am 1. Adventssonntage, hört scch das Evangelium an am Palmsonntagu Dort erweckt es uns vorzugsweise zur Freude. Jn dem Heiland, der seinen Einzug hält in Jerusalem, erkennen wir· die Majestät des sanftmttthigen und von Herzen demüthigen Königs, der, wie in Jerusalem, so auch in jedes Haus und Herz seinen feierlicheu Einzug halten willx wir freuen uns des lauten Hosianna’s, das ihm entgegen- schallt, und von unsers Herzens Stimmung legen wir Zeugniß ab mit dem Liede: »Wie soll ich dich em- pfangen 2c.?« Am Palmsonntage dagegen erweckt das- selbe Evangelium andre Gedanken: der liebliche Glanz 296 Evangelium Matthäi 21, 1——5. ist von ihm hinweg; wie ein Ausleger sagt, scheint es bereits geröthet vom Andenken des Blutes Christi. Nicht die Sanftmuth und Demuth des HErrn, die die Herzen gewinnt, vielmehr die Armuth und Niedrigkeit fällt uns in’s Auge, und der Anstoß und das Aergerniß, das die Herzen an ihn: nehmen. Das Hosianna, wenn wir’s an diesem Tage hören, klingtnicht wie Jauchzen und Willkommenrufem sondern wie Spott nnd Hohn; wir hören bereits das ,,Kreuzige, kreuzige ihn!« heraus, die Palmen, die man ihm auf dem Weg streut, scheinen nicht von Sieg und Frieden, sondern von Weh und Leid zu weissagen, und die Thriinen,— die der HErr weint, als er nahe hinzukommt nnd die Stadt ansieheh fcheinen uns die rechte Antwort darauf zu fein. Nicht als die hochbegnadigte Stadt kommt uns Jerusalem vor, die sestlich ihren König willkommen heißen darf, sondern als die Mördergrubh die da tödtet die Propheten und stei- niget, die zu ihr gesandt sind; nicht als die Tochter Zions, die sich freuen darf des Tags erftillter Weiffas gnug, sondern »als der unfruchtbare Feigenbaum, über dem bereits das Wetter gesammelt steht, aus dem der Blitz bald herniederfahren wird, um den Stamm bis zur Wurzel in Splitter zu zerschlagem (Caspari.) l. Da sie nun [der HErr im Geleit derer, mit welchen er von Bethanien aufgebrochen war] nahe bei Jerusalem kamen sbis zum Weich- bilde der Stadt, das sich auf der Morgenseite noch etwas iiber den Gipfel des Oelbergs hinaus er: streckte, nämlich] gen Bethphage szu deutschx Feigenhaufen] an den Oelberg [vgl. Z. Mos. 24, 5 Anm.], sandte Jesus sindem er hier mit neuen Schaaren, die aus Jerusalem ihm entgegen- kamen, zusammentraf und sofort erkannte, was er fetzt zu thun habe V. 3, aber auch wußte, woher ihm die Mittel dazu kommen sollten V. 2] seiner Itinger zween [wie er auch bei andern Gelegen- heiten sie immer zu zweien ausznfenden pflegte Mark. 6, 7; 14, 13; Luk. 10, 1 — ältere Aus- leger haben hier an Petrus und Philippus ge- dacht], 2. Und sprach zu ihnen: Gehet hin in den Flecken, der vor euch liegt sBethphcigess und bald [gleich nachdem ihr hineingekommen seid] werdet ihr san der Thür eines Gehöfts, draußen aus dem Wegfcheid Mark. U, 4] eine Efelin finden angebunden, und ein Fiillen sauf wel- chem nie kein Mensch gesessen ist— auf dieses aber kommt es mir hauptsächlich an: 4. Mos. 19, L; Nicht. is, u; i. Sake« e, 71 bei ihr; röset sie [ohne die, welche da stehen, erst um Erlaubniß zu fragen] auf und fåhrct sie zu mir. 3. Und so euch jemand etwas wird sagen [was machet ihr, daß ihr das Füllen ablöfet sammt der Eselin?], so sprechett Der HErr sJsraels König, dem ihr wohl euch nicht weigern werdet mit euerm Eigenthum zu dienen 1. Sam. 8- IS] bedarf ihrer; so bald saus dieses ein- fache Wort hin] wird er sie euch [gern und willig] lassen [ja selber beim Ablöfen und Her- führen euch behilflich werdens 4. Das fdieses Aussenden der Jünger von Seiten des HErrn zur Veranstaltung eines solchen Einzugs in Jerusalem, wie hernach beschrieben werden wird V. 6 ffsgefchah aber alles [wie die Jünger hernachmals durch Erleuchtung des» hl. Geistes erkannten Joh, II, 16], auf daß erfullet wurde, das gesagt ist durch den Propheten seinestheils Jef. 62, 11 und anderntheils Sach. I, 9], der da swenn man beide Spriiche zu einem ein- zigen verbindet] spricht: · 5. »»S·aget der Tochter Zion; » Siehe, dein Konig kommt zu dir fanftmuthi , und reitet auf einem Esel nnd [zwar, um bei immter zu sagen, auf welchem von den beiden »nebenein- ander hergehenden Thiere] aus einem Fullen der lastbaren Eselin ldas auf der einen Seite zwar noch itngebraucht und unentweihet ist, auf der an- dern Seite aber auch gar unscheiiibar und unselbst- ständig und der Abkömmling einer ganz gewöhn- lichen Efelsfamilies unzweifelhaft steht wohl fest, daß der Tag dieses Einzugs Jesu in Jerusalem der, in der Anm. zu Kap. 20, 34 bereits angegebene 1(). Nifan (2. April des J. 30 n. Chr» ein Sonntag, vgl. den Kalender in den Schlußbem zu dem l. Ntaccabäerb Nr.4 Zusatz) war. »Von dein l0. Nisan wird der Einzug schon deshalb nicht losgetrennt werden dürfen, weil an diesem Tage bei dem vorbildlichen Passalamm die Ausfondernng vor- genommen wurde (2. Mos. 12, 3); da nun Jesus hier sich selbst als, das Gegenbild des Paffa darstellt, so hat er ohne Zweifel in Beziehung hierauf den Tag des Einzugs gewählt. Nicht ohne Bedeutung ist es auch, daß an demselben Tage das Volk unter Josua aus dem Jordan heraufstieg, um den Kampf gegen die cananitische Weltmacht zu beginnen (Jos. 4, 19): dieser Kampf ist das Vorbild des Gerichts über diese Welt, welches durch Jesum, den wahrhaftigen Josua, vollzogen werden sollte.« Hierzu kommt ferner, daß, wenigstens nach der von uns aufgestellten Berechnung, ziemlich l Jahr zuvor (am 6. April des J. 29 n. Chr.) Johannes der Täufer ans dem Gefängniß die Frage an Jesum gerichtet hatte: Bist du, der da kommen soll? oder sollen wir eines Andern warten (Kap.11, 2 ff.)? und da giebt denn der HErr hier die thatsächliche Antwort, nachdem er frtiher nur eine mittelbare ertheilt hatte. Was nun den Flecken Bethphage betrifft, so steht gleichfalls fest, daß er von Bethanien westlich oder stidwestlich, näher nach dem Oelberg zu gelegen war, nicht aber, wie Ma1iche aus Mark. l1, l u. Luk. 19, 29 haben schließen wollen, jenseit Bethaiiiem auf dein Wege nach Jericho zu; denn wenn in den beiden angeführten Stellen Beth- phage früher als Bethanien genannt wird , fo rechnen die Evangelisten hier Von Jerusalem, dem Zielpunkte der Reise, nicht von ihrem Anfangs-Punkte aus (vgl. Luk. 17, l1). Genauer indessen läßt sich die Lage des Fleckens nicht angeben. Geht man, schreibt v. Raumer, etwa 100 Schritte von der Höhe des Oelbergs dessen Morgenseite hinab, so wird der Ort gezeigt, wo Beth- phage stand; keine einzige Ruine bezeichnet ihn, etwas weiter hinab aber i15 Stadien oder eine kleine halbe Stunde von Jerusalem) kommt man nach Bethanien. Dagegen berichtet van de Velde von einem gewissen Dr. Olin, der auf einem, nach Stidosten vorspringenden Rücken des Oelbergs die Ruinen eines Dorfes, oder vielmehr die Fundamente von Wohnungen, und auch Jesus läßt bei Bethphage sich eine Eselin mit ihrem Füllen herbeiholen einen ausgehauenen großen Regenbehälter aufgefunden habe. Der Weg, hören wir weiter bei Schubert, welcher aiis dem Thale von Bethanien über den Hügel- grat von Bethphage sich nach dem mittleren Gipfel des Oelbergs hinanzog, um sich dann nach dem Kidronthal hinabzusenken, welches die Höhen Jerusalems von den 400 Fuß über dem Kidronbette erhabenen Gipfeln des Oelbergs trennt, verlief sich durch reiche Palmenpslaw zungen, Obst- und Oelgärten. Wenn man die Straße mit deutschen Namen benennen wollte, so könnte man sagen: man kam von Jericho, der duftreichen Palmen- stadt, weiterhin nach Dattelnhausen (Bethanien) über Feigenhausen (Bethphage) nach dem Berge der Oelpslanzung en. Nach Bethphage nun entsendet der HErr seine beiden Jünger und verheißt ihnen, daß sie auf der Stelle, ohne sich erst danach umthun zu müssen, eine Eselin finden würden, und zwar ange- bunden, als habe sie schon gewartet oder als sei sie von ihrem Eigenthümer eigens dazu hingestellt worden, um augenblicklich mit dem bei ihr stehenden Füllen zu dem gewünschten Dienst bereit zu sein. Es ist ja so im Reiche Gottes, bemerkt Nebe in seiner Weise, du stehst nirgends mit deinen fleischlichen Augen Vorbereitungen nnd Herrichtungem der König des Reiches bereitet alles in feierlicher Stille zu, und wenn er dir dann sagt, gehe hin, so siehest du erst, was schon alles geschehen ist. Man hat zwar für die wartende Eselin nnd ihr Füllen einen äußeren, natürlichen Erklärungsgrund ausfindig zu machen gewußt, indem man gesagt hat: unter denen, die zu Ostern auf das Fest reisten, befanden sich auch reiche, vornehme Leute, welche beim Uebersteigen des Oelberges und beim Ersteigen der von der Kidronschlucht nach der Stadt emporführenden Anhöhe sich nicht er- hitzen wollten, und mit Riicksicht auf solche wäre Beth- phage eine Station stir Reitesel gewesen. Damit aber erschwert man sich das Verständniß des Textes, statt es sich zu erleichtern: derjenige, der so mauche weite Reise schon gemacht und noch nie zu feinem Fortkommen fremder Füße sich bedient hatte , nicht einmal bei dem weiten und beschwerlichen Wege von Jericho bis Betha- nien, hat nichts mit dergleichen Erleichterungen und Nachhilsen zu thun; ja, der ganze Eindruck auf die Herzen der Jünger und des Volks, den der HErr mit der eigenthtimlichen Darstellung seiner selbst beabsichtigy wenn er hernach auf dem Eselsfüllen reitend eiuherzieht, geht verloren, sobald auch Andere, und zwar gerade die Reichen und Vornehmen, in solcher Weise in Jeru- salem einzuziehen pflegten. Der Schwerpunkt des gan- zen Verständnisses liegt vielmehr in der prophetischen Weissagung: Du Tochter Zion, freue dich sehr, und du Tochter Jerusalem» jauchze; siehe» dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer, arm, und reitet auf einem Esel, und auf einem jungen Fällen der Eselin. Die Jünger nicht einmal besinnen sich schon jetzt auf diese Stelle, sondern sind erst hernachmals durch den heil. Geist daran erinnert worden (Ioh. 12, 16); und so wird» wohl auch keiner aus dem Volke stch ihrer klar bewußt gewesen sein, als nun wirklich ein Jauchzen und Jubeln auf Seiten derer, die vorgingen, und derer, die nachfolgten, entstand (V.9). Vor menschlichen Augen und Ohren macht sich alles wie von selbst; selbst die Iünger, als nun die Reitthiere herbeigebracht sind, breiten ihre Kleider darüber und setzen Jesum auf das Fällen, als wären sie wie von selbst in den Zug des richtigen, naturgemäßen Handelns hineingerathen. Und doch steht Einer unsichtbar dahinter, der Herzen und Sinne, Lippen iindHände der Leute lenkt wie die Wasser- bäche und sie neiget, wohin er will (Sprüchw. 21, 1). Dieser, der einst dem Propheten eingesehen, was er. reden sollte, wird denn auch jetzt, wo sich erfüllen sollte, was er verheißen hatte, auf irgend eine Weise, sei es durch einen unbewußten Trieb oder durch einen nächt- lichen Traum, sei es durch einen äußeren Umstand oder durch einen unwiderstehlichen Zug seines Geistes (heißt es doch bei jüdischen Auslegern zu Sach. I, 9: »wer im Traum einen Esel sieht, der schaut aus nach Erlö- sung, denn es steht geschrieben: Freue dich sehr, du Tochter Zion, siehe, dein König kommt zu dir niedrig und reitend auf einem Esel« — wie leicht bot sich da in einem empfänglichen Gemijth die Anknüpfung für eine Weisung Gottes dar!), die Besitzer der Thiere be- stimmt haben, sie draußen am Wege anzubindem und daß ihnen dabei zugleich zu erkennen gegeben ward, daß eine Nachsrage darnach geschehen würde, geht dar- aus hervor, daß etliche dabei stehen, als wollten sie sehen, wo es mit der ganzen Sache hinausgehen würde (Mark. 11, 4 f.). Wenn nun die Jünger kommen und nach Anweisung des HErrn die Thiere ohne Weiteres in Beschlag nehmen, so war das an sich schon für deren Besitzer Wahrzeichen genug; denn eine solche Handlung scheinbarer Gewaltthätigkeit unter den Augen derer, die auf der Stelle dieselbe hätten hintertreiben können, ist doch etwas zu Eigenthümliches , sie trägt den Stempel göttlicher Auctorität von selber an der Stirn. Darum spricht auch Jesus: »So euch jemand etwas wird sagen«; es hätte also auch anders, es hätte so kommen können, daß die Eigenthümer die Thiere gelassen hätten, ohne erst etwas zu sagen. Daß sie aber gleichwohl fragen: »Was machet ihr, daß ihr das Füllen ablöset?« (Mark. 11, 5), giebt sich deutlich nicht als eine Frage der Ab- wehr, sondern des Wartens auf den Ausgang einer Sache, die sie in große Spannung versetzt hat, des For- schens nach der göttlichen Weisung, die sie empfangen haben, zu erkennen. Und Gott will auch in der That sie erfahren lassen, wer der ist, dem sie mit ihrem Besitz; sich haben zur Verfügung stellen müssen; er will sie Jesu näher führen und zur Erkenntnis; seiner Messianität bringen -— sie, die in eine eigenthiimliche Lage gestellt waren dadurch, daß sie einestheils Bethanien so nahe wohnten , von wannen Glaubensluft sie anwehete, Und anderntheils an ihrem Orte mitten unter vielen, dem HErrn feindselig gesinnten Priestern leben mußten. Wir dürfen wohl annehmen, daß diese Gottesführung auch nicht vergeblich an ihnen gewesen, daß sie alsbald selber dem Zuge derer, die da vorgingen und nachfolgeten, sich anschlossen und mit eigener Hand ihre Thiere, nachdem der HErr davon Gebrauch gemacht, zurückempfingem dagegen wird das Mysteriöse oder göttlich Geheimniß- volle des ganzen Vorgangs gestört, wenn man annimmt, es habe zwischen Jesu und den Besitzern, die schon zu seinen gläubigen Anhängern gehörten, eine bestimmte Verabredung stattgefunden, ja, weil Jesn eigenes Wort es ist, was dem Ganzen diese myfteriöse Form giebt, streitet die Annahme einer solchen Verabredung geradezu mit der Lauterkeit und Wahrheit als dem Süßteige, in welchem der HErr gewiß sein Ostern hielt (1. Cor. 5, 8). Daß dem Heilande erst, als er bis an die bezeichnete Stelle des Oelbergs kam, die Weissagung des Propheten bestimmt vor diesSeele trat und er erst da seine Maß- nahmen traf, deutet dieser Evangelist auch ausdrücklich an, indem er in V. 1 schreibt: »Da sie nun nahe bei Jerusalem kamen, gen Bethphage, an den Oelberg, da (in seiner Postille hat auch Luther dies Wörtlein mit aufgenommen, in unsrer deutschen Bibel dagegen hat er’s bei Seite gelassen) sandte Jesus seiner Iünger zween«. War es nun Jesu klar bewußt, daß jetzt ge- rade diese Prophetenstelle ihrer Erfüllung harre ssein ganzer Lebens-, Leidens- und Verherrlichungsweg ist ja Schritt ftir Schritt nichts anderes als eine Erfüllung 297 » 298 Evangelium Matthäi 21, 6——-11. der Schrift, und zwar nicht im Allgemeinen blos, son- dern auch der für jeden einzelnen Moment besonders bestimmten Aussprüche oder Vorbilder der Schrift), so war es zugleich auch ihm klar, was sein Vater im Himmel bereits gethan und wie er ihm schon vorge- arbeitet habe, damit er die Erfüllung ganz im Sinne der Weissagung bewirken könne. Gehen wir denn auf die Prophetenstelle (Sach. 9, 9) näher ein, so redet die- selbe im Zusammenhang mit dem Gericht des Unter- gangs, das der Heidenwelt bevorsteht, von der glück- seligen, friede- und freudereichen Zeit, die dagegen Israel aus der Hand seines Gottes zu erwarten hat; um aber die Größe des Heils, das er seinem Volk zu- gedacht, diesem recht fühlbar zu machen und zugleich dem Könige, den er ihn zum Heils- und Se ensspender ver- ordnet hat, eine seiner würdige Aufna me zu bereiten, fordert er die Einwohnerschaft von Jerusalem als nächste Empfängerin des Heils und als Repräsentantin des ganzen Volks zu lautem Jubel auf, zeigt ihr jedoch, damit sie an der geringen Gestalt ihres Königs kein Aergerniß nehme, sondern vielmehr des Heils, das er bringt, recht froh werde, denselben in beiderleiHinsicht. Daß er auf einem Esel reitet (und zwar auf einem Füllen der laftbaren Eselin, nicht aus dieser selbst), ge- hört mit zu seiner niedrig-sanftmüthigen Erscheinung, in der er überhaupt sich offenbart im Gegensatz zu dem hoffärtigdibermüthigen Gepränge der Fürsten dieser Welt; aber genau hinter dieser niedrig-sanftmüthigen Erscheinung liegt auch das Heil und die Gerechtigkeit verborgen, die er zu bringen hat, und wird dadurch gewährleistet. Indem nun Jesus sich auch wirklich in derjenigen Gestalt« zeigt, in welcher die Weissagung ihn zum Voraus dargestellt hat, verkörpert er damit den ihr zu Grunde liegenden Gedanken und predigt den Anfang ihrer Erfüllung ohne Worte in einem äußeren ficht- baren Zeichen; das Volk aber, indem es ihn trotz der niedrigen Erscheinung für seinen König erkennt und frohlockend ihm zujauchzh hilft an seinem Theile mit zur Erfüllung der Weissa ung, daß das Wort: »du Tochter Zion, freue dich se r, und du Tochter Jerusalem, - jauchzel« nicht umsonst gesagt sei. Indessen hat der Evangelist die Prophetenstelle in einer zwiefach vom alttestamentlichen Wortlaut abweichenden Form mitge- theilt: a) er hat die Anfangsworte aus Jes. 62 , 11: Saget der Tochter Zion! an die Stelle des Auf- rufs: »du Tochter Zion, freue dich sehr, und du Tochter Jerusalem, jauchje1« gesetzt, und b) hat die Worte: »ein Gerechter und ein Helfer« hinweggelassem Dazu muß er seine Ursach gehabt haben; und die Urfach liegt darin, daß Jerusalem seinen König wohl für einen kur- zen, flüchtigen Au enblick erkannte und wie im Rausche ihm zujauchzte, a er doch nach wenigen Tagen schon sein Blut über sich und ihre Kinder heraufbeschwor (Kap.27,25), und wenn St. Matthäus auch nichts von den Thränen Jesu über Jerusalem, als er die Höhe des Oelbergs erreichte, erzählt hat, hat er gleichwohl mit dem abgekürzten Spruch aus Sacharja zu diesen Thra- nen sich bekannt. Es war ihm da insonderheit auch nicht möglich, den Spruch in seinem so überschwänglich inhaltreichen Anfang wiederzugeben; er wählte dafür eine viel nüchternere, gemessenere, ernstere Anrede, die aus Jesaias. Wir Menschen sind mit unserm Unglanbeu und unsern Sünden selbst schuld, wenn Gottes Wort ge- kürzt werden muß und Weissagung und Erfüllung nicht eins« das andere decken. » » · s. Die szweens Iunger gingen hin« [nach dem Flecken V. Z] und thaten, wie ihnen Jesus befohlen hatte« [ohne irgend welches Bedenken gegen den an sich so bedeuklich scheinenden Auftrag geltend zu machen, denn noch war im Volke, zumal da, wo die Priester ihren Einfluß übten, das Ansehen ihres Meisters nicht so groß, daß sein bloßer Name schon eine hinlängliche Ge- währ ihnen hätte bieten können, daß sie nicht als Räuber fremden Eigenthums würden behandelt werden; aber sie gingen in Gehorsam gegen fein Wort, das ihnen schwerer wog», als alle Gegen: griinde der eigenen Vernunft link. 5, 5], 7. Und-brachten [nachdem alles genau so gekommen war, wie der HErr ihnen vorausgesagt hatte M« 19, 32 ff.] die Eselin und das Fällen, Und legten lda die Thiere noch unge- fattelt waren, Jesus aber in ehrenvoller und be- quemer Weise reiten solltej ihre [Ober-1 Kleider IT« KöUs 9- 131 darauf [auf beide Thiere, da sie noch nicht wußten, welches von ihnen zum Reiten bestimmt wäre"], und setzten ihn [wie auch dies Könige der Perser nicht sowohl das Pferd be- stiegen, als vielmehr von ihren Großbeamten dar- auf gesetzt wurden] darauf [nämlich auf die Klei- der, und zwar auf die, welche dem Fiillen aufge- legt waren; denn dieses bestimmte jetzt der HErr zu seinem Gebrauch, während die Eselin nur neben- hergefuhrt werden follte"«]. «) Den Aufträgen Gottes miissen wir pünktlich Folge leisten, auch wenn sie mit dem Urtheil unsrer Vernunft streiten. (Piscator.) -— «) Es geschah dies auch nicht zufällig, daß beide Thiere so zum Reiten fertig gemacht wurden; denn nicht nur, daß der Einzng etwas eierlicheres und Würdigeres bekam, wenn auch das ne enher laufende Thier in seiner Weise geschmückt war, sondern es erhielt dadurch die Prophetenstelle (Sach. 9, 9), welche nun einmal von zwei Thieren in einer Weise redet, als stünden sie gleichmäßig dem König der Tochter Zion zu Diensten, auch eine ausgeprägtere Gestalt und fand ihre buchstäbliche Erfüllung. Ist) Eines der merkwürdigften Schauspiele, welche die Welt je sah! Ein König auf einem Esel, und zwar auf einem Esel fitzend, um dadurch gerade sein Reich einzunehmen! Armuth, Niedrigkeit, Demuth ist nicht blos das characteriftische Kennzeichen dieses Königs, son- dern auch das Geheimniß seiner Stärke; es ist ein wunderbarer König, er geht durch Erniedrigung seiner Erhöhung entgegen, er überwindet, indem er scheinbar unterliegt —- dnrch’s Kreuz zur Krone, durch Tod zum Leben! Wollen wir dieses Königs Unterthanen werden, so müssen wir uns diesen: seinem Reichsgrundgesetze unterwerfen, uns erniedrigen und von dem, der von Herzen demüthig war, Demuth lernen. Ja Demuth muß der Iiinger des HErrn besitzen —- ohne sie kann der HErr ihn ja nicht besitzen, wie Beda schön aus- legt: »Der König kam sitzend auf der Eselin, weil er seine Ruhe hat in den Herzen der Niedrigen.« (Nebe.) 8. Aber viel Volks sder größte Theil der dem Einzug beiwohnenden Menge] breitete die [genauer: ihre] Kleider auf den Weg [,,s1e rissen ihre Kleider ordentlich von dem Leibe, und das will viel sagen; sie fragen nicht darnach, daß sie Gäste und Fremdliuge in Jerusalem sind, daß sie auf ein hohes Fest wollen, da jeder gern in heiligem Schmuck einhergehh sondern ergreifen jedes Christi feierlicher Einzug in Jerusalem. 299 Mittel, um den, der ihre Herzen ergriffen hat, möglichst zu ehren«]; die andern [welche daran denken mochten, daß dem Gerechten Sach. 9, 9., welcher den Sieg über ihre Herzen davon getragen und noch weitere Siege erringen werde, auch ein entsprechendes Sinnbild Pf. 92, 13; Ofsenb. 7, 9 gebührej hieben Zweige von den [am Wege stehenden Palm-] Bäumen und ftreueten sie auf den Weg. 9. Das Volk aber, das vorging und nachfolgte [d. i. der ganze Haufe seiner Jünger, die aus Galiläa mit ihm gekommen oder aus Ie- rusalem ihm entgegen gegangen waren, ietzt zur höchsten Glaubensfreudigkeit und zu unwiderstehlichem Bekenntnißdrange geweckt], schrie und sprach [nach den Worten in Pf. 118, 25 f., deren man sonst beim fesilichen Altarumgang am Freudeusest der Laubhütten sich zu bedienen pflegte B. Mos. 23, 43 Anm.]: Hosianna [d. i.: o HErr, hilf doch, gieb Heil und guten Fortgang] dem Sohn Davids [den wir hier in unsrer Mitte haben];’ gelobt sei, der da kommt im Namen des HErrn [nämlich der Messias, der nun erschienen ist], Hosianna in der Höhe [das Wort, das von uns auf Erden gerufen wird, finde seinen Wieder- halt, um auch seine Erhörung zu finden, droben im Himmel, vgl. Rath 2, 4 Anm.]! Hat Jsrael vordem seine Könige mit Palmenzweige eingeholt (vgl. I. Mart. Z, 51), so jetzt Jesum als sei- nen messiantschen König; unwillktirlich thun sie« es, es überkommt sie, so zu thun. Jn seinem letzten Weheruf über Jerusalem kündigt Jesus den Juden das Gericht mit den Worten an (Kap. W, 39): »Ihr werdet mich von jetzt an nicht sehen, bis ihr sprechet: Gelobet sei, der da kommt im Namen des HErrn!« Also, wenn der Ruf, mit dem sie ihn jetzt empfangen, sich wieder- holen und dann zur Wahrheit geworden sein wird, dann soll die Zeit der messianischen Vollendung Jsraels anhebern So ist also dieser Vorgang eine Vorausdar- stellung jener Zeit. (Luthardt.) Wie wenig aber, trotz aller augenblicklichen Begeisterung des Volks, schon jetzt für Jsrael im Großen und Ganzen die Zeit da ist, daß ihm sein messianischer König zum heilbegabten Helfer werden kann, wie der Stadt vielmehr und dem ganzen Volke zunächst ein schreckliches Warten des Gerichts und des Feuereifers, der die Widerwärtigen verzehren wird, bevorsteht, das zeigen Jesu Thränen, die er über Jerusalem weinte, als der Zug die Höhe des Oelbergs erreicht hatte und man nun den Tempel drüben und die heil. Stadt in ihrer ganzen Pracht vor sich liegen fah , mit. 19, 39-44). 10. Und als er zu Jerusalem [von der Ost- seite her, also durch das jetzige Stephansthon s. Karte VII] einzog, erregte sich die ganze Stadt sindem man überall sogleich erkannte, daß dieser Zug einem einzig Hochgefeierten gelte] Und fprathr Wer ist der [der also seinen Einzug hält, und alles Volk iauchzt ihm zu]? 11. Das Volk aber sdas mit Jesu herein kam und ihn bis an die Westseite des Tempels. begleitete, wo er dann die Reitthiere ihren Besitzern zurückstellen ließ] sprach: Das ist der Jesus, der Prophet von Nazareth aus Galiliia sder dort so große Zeichen und Wunder gethan]. ,,Jerusalem kannte die Persönlichkeit Jesu genug, um sich die Frage ersparen zu können, wenn es wollte.« Sie mußten aber in ihrem Aerger und Verdruß, den sie über den ganzen Vorfall empfunden, dennoch also fragen, gleich als sollten sie auch damit ein alttestamentltches Wort (Ps. 24, 8 u. 10) zu Ehren Christi erfüllen; nur schade, daß die Begleiter des HErrn nicht eine volle, unzweideutige und rückhaltlose Antwort gaben, sondern in ihrem» Bekenntuiß aus Rücksicht ans die stolze Stadt sich herabstimmen ließen —- ,,es ist, als hätte sie schon die erste erkältende Luft in Jerusalem angeweht.« Die Pharisäer aber, so lesen wir in Joh. 12, 19., sprachen unter einander: Jhr sehet, daß ihr nichts schasset, denn alles Volk hängt ihm an; ste fühlten also wohl, daß es ihnen noch viel Mühe und Anstrengung kosten würde, diesen Propheten von Nazareth aus Galiläa aus dem Mittel zu thun. Jesus seinerseits nun ging,- wie Mar- kus genauer als unser Evangelist berichtet, ftir heute nur in den Tempel, um alles in Augenschein zu nehmen, also eine Art Kirchenvisitation vorzunehmen; die im folgenden Abschnitt berichtete Kirchenreformatioit vollbrachte er erst am folgenden Tage als erstes Werk dieses Tags, des Montags in der Leidens-Woche. Nach- dem er alles, was er gesehen (,,iiberall den geistlichen Tod in der gleißenden Htille des Lebens, den vollstän- digsten Ruin in der fcheinbarsten Blüthe des Lebens- kultus, das vollendete Heidenthum auf Morijcks gottge- weiheter Fläche«), mit hellem Blick und tiefem Schwei- gen in sein treues Herz ausgenommen, ging er spät am Abend, im Geleit der Jünger, nach Bethanien zurück. Ehe wir hierauf die Geschichte der letzten Lebenstage Jesu weiter verfolgen, ist es nöthig , daß wir mit der Stadt Jerusalem, die der Ort seines Leidens und Sterbens sein sollte (Luk.13,33), etwas näher uns be- kannt machen. Wir müssen da ausgehen vom heutigen Jerusalem (Karte VII); denn erst dnrch mancherlei Schlüfse und Vermuthungen gelangt man zu einer Vor-· stellung darüber, wie die Stadt zur Zeit Jesu und der Apostel beschaffen gewesen sein möge, wobei jedoch vieles noch weiteren Forschungen, als die bis jetzt mit ihren Ergebnissen uns vorliegen, vorbehalten bleibt. Was der engl. Arzt Richardson vor mehr als 50 Jahren schrieb, das gilt trotz aller seitdem angestellten vielseitigen und vvllständigen Untersuchungen noch immer: ,,es ist eine Tantalusqual für den Reisenden, welcher den Ort be- stimmter Gebäude Jerusalems oder die Scenen denk- würdiger Begebenheiten aufsucht, daß der größte Theil der in der heil. Geschichte wie in der des Josephus er- wähnten Gegenstände ganz verschwunden und von Grund aus zerstört ist, ohne eine einzige Spur oder einen Namen zu hinterlassen, utn auszumitteln, wo sie ge- standen;« nur erst, wenn es einmal gelingt, im ganzen Jerusalem eben solche Nach rabungen zu machen, wie sie an der Nordseite des ion gemacht worden sind, lassen sich Entdeckungen erwarten, die den bisher noch ungelösten Schwierigkeiten ein Ende machen, dergleichen Nachgrabungeu sind aber für sich selbst schon eine unge- heure Schwterigkeih da der Schutt theilweis 30—4t) Fuß hoch auf dem Boden der Stadt liegt. a. Das heutige Jerusalem mit seinen gut erhalte- neu, theilweis mit Zinnen versehenen Mauern macht von außen den Eindruck einer mittelalterlicheu Festung; die tausende von Häuser« Kirchen- nnd Moscheen-Kup- peln nebst den« hoch hinaufragenden Minareten (Rund- thürmen) der Moscheen verleihen ihm ein malerisches und großartiges Aussehen. Nähern wir uns der Stadt 300 Evangelium Matthäi 21, 11 Blum. auf der von Sichem her ftihrenden Straße, also von Norden aus, wo man einen weit günstigeren Anblick derselben hat (vgl. die Abbildung zu Kap. 2, 2), als von Westen her, indem da die hohe Stadtmauer die Einsicht verdeckt und nur die Spitzen einiger Minarets darüber hervorragen, so begegnet u11s etwa If« Meile vorher der H ü g el Sko p u s; dort stand einst der Hohepriester Jaddua an der Spitze seines Klerus Alexander dem Gr. gegen- über (1. Matt. 1, 4 Anm.), und dort schlugen hernach im letzten jiidifchen Kriege die Römer zuerst ihr Lager auf (Apostg. 28, 31 Anm.). Eine kurze Strecke weiter hin gewahren wir links von der Straße zuerst das Grab « Simons des Gerechten (1. Macc. 1, 11 Anm.), zu dem die Juden noch heute wallfahrten, namentlich am 23. Tage nach Ostern als an seinem Todestage; darnach kommen die sog. Königsgräben Ein durch Felsen gehauener Hohlweg führt in einen, von 20 Fuß hohen Felsenwänden umgebenen Vorhof; aus diesem gelangt man durch eine niedrige enge Thlir in eine Reihe von 5 Todtenkammerm jede von 12—20 Fuß im Geviert. Es sind das nicht die Gräber von israelitischen Königen, da David und seine Nachfolger vielmehr auf der Süd- seite des Zion begraben liegen; wohl aber wird mit Recht das Grabmal der Königin Helena von Adia- bene, einer Landschaft Assy- riens, hier vermuthet, die, wie Josephus (Ant. XX, 2, 5; 4, Z) berichtet, nebst ihrem Sohne Jzates schon in der Heimath für das Eckftein worden« schon tiußerlich nahe genug gelegt war. »Von dem HErrn ist das geschehen«, so dürfen wir wohl sagen, und zwar zu einem Zeugniß über sie, damit Christi Wort, das sie zu einem Zeugniß wider ihn hatten mißbrauchen wollen: ,,brechet diesen Tempel, und am dritten Tage will ich ihn ausrichten« (Kap.26, Si; Joh. ·2, 19), in das volle Licht der Wahrheit trete. Wir hoffen, es wird dem Leser interessant sein, schon jetzt eine Abbildung der Grotte vor sich zu haben, auf die wir dann zu Katz. 27, 33 Bezug nehmen können. Keine Oertlichkeit in der Nähe der Stadt, schreibt Furrey stimmt so sehr zu den Angaben der Evangelien Der Hügel, an dessen südlichem Ende die Grotte eingehauen ist, hat einen etwas breiten Rückett und läuft gegen Norden fast unmerklich aus; weftlich von ihm zieht stch die vielbelebte und gewiß uralte Straße vorbei, gerade an belebten Straßen aber pflegten die Römer die Ver- brecher zu kreuzigen, und so wird es uns recht anschan- lich, was in Mark. 15, 29 von den Vorübergehenden gesagt wird. Vor der Grotte selber liegt ein mit allerlei Bäumen bepflanzter Garten, den eine Mauer gegen außen absperrt; im Innern hat eine muhamedanifche Familie ihren Wohnsitz, während über derselben ein eben- falls den Muhamedanern gehöriger Todtenacker sich efindet. Von hier aus ge- langt man zum Da1nas- kusthor, das in einer Thaleinsenkung liegt und das schönste unter allen Thoren Jerusalems ist. Judenthtim gewonnenmach Durch dieses Thor hinaus dem Tode ihres Gemahls trug also Christus fein nachJerusalem iibersiedelte, Kreuz (Hebr. is, 12), und dort gerade in der Zeit durch dasselbe wurde einige einerschwerenHungersitoth Jahrzehnte später auch der (Apostg. il, 27 fs.) eintraf Apostel Paulus in der und nun dieser durch Anf- käufe in Alexandrien und Ehpern nach Kräften zu steuern snchte. Nach dem Tode ihres Sohnes kehrte sie zwar wieder in die Hei- math zurück, starb jedoch bald, worauf ihr Enkel ihre und des Jzates Gebeine nach Jerusalem übertragen ließ, um sie in jenem Py- ramiden- Grabmale beizu- setzen. Ungefähr 200 Schritt vor der Stadtmauer, eben- falls links vom Wege, treffen wir auf die Jeremias- Grotte, eine nach Süden zu abgeschrotete Felsmasse, die gleiche Schichtenformation zeigt, wie die gegenüber- stehenden Felsenmonumente der Stadtmauer; mit diesen hat sie vormals ohne Zweifel auch Einen Rücken gebildet, und ist die jetzt dazwischen liegende Vertiefung eine künst- lich gemachte, indem man ganze große Steinmassen hier aussprengte, um sie zu Bauten zu verwenden. Nach den geologischen Beobachtungen des Prof. Fraas in Stuttgart ist der Stein ein harter Marmor; die großen Marmorquadern des Tempels sind diesem Steinbruch entnommen, und da nun, wie wir das nachher näher begründen werden, die Jeremias-Grotte, die ihren Namen davon hat, daß der Tradition zufolge der Pro- phet seine Klagelieder hier geschrieben, der eigentliche Caxlvarienberg oder die Schädelstätte Golgatha ist, so ist auch das ,,wunderbarlich vor unsern Augen«, daß Christus gerade an einer Stätte gekreuzigt werden mußte, wo die Erinnerung an das Wort der Schrift Eis. 118, 22): »Der Stein, den die Bauleute verworfen ha en, ist zum Die Jeremias Wolle. Nacht nach Cäfarea abge- führt (Aposig. W, 31). b. Beim Eintreten in das Innere der Stadt drängt sich uns sofort die Klage und Frage des Zere- mias (Klagel. 2, 15) auf: »Ist das die Stadt, von der man sagt, sie sei die allerfchönste, der sich das ganze Land freuet?« Denn außer dem, daß die Straßen eng und schlecht gepflastert sind, die Häuser meist ganz unansehnlich, mit niederen Eingängen und kleinen ver- gitterten Fenstern, und alle von weißgraulichem Kreide- stein, was eine große Eintönigkeit zur Folge hat; außer dem ferner, daß es an Brunnen mit Wasser fehlt und an Gärten und Bäumen ein großer Mangel sich zeigt, begegnet das Auge sonst noch vielem, was stört und wehe thut —- zerfallenen Vogengängem halb oder ganz« verfallenen Gebäuden, leeren Teichen und großen Trüm- merplätzem und welchen traurigen Anblick machen vollends die Vegegnungem die man hat! Da sind vor allem jene ungllicklichen Menschen zu nennen, denen alle Berührung mit Andern untersagt ist, welche aber doch nicht gehindert werden, das beim Zionsthor im Süden der Stadt ihnen angewiesene Quartier zu verlassen und ihre versttimmelten Hände nach Almosen auszustreckem die sog. Aussätzigenz sodann jene armen Kinder Jsraels (und ihre Zahl ist eine sehr große), welche in bitterster Armuth lebend, blassen Angesichts und in fchmut·igen, schlafrockartigen Kleidern daherschleichend, nach Jertsalem gekommen sind, daselbst zu sterben oder auch dafelkst zu Beschreibung der Stadt Jerusalem. 301 suchen, was nicht allda zusmdenz ferner die in großer s Anzahl herrenlos umherlaufenden Hunde und die da i und dort herumliegenden Thiergeripph denn was fällt i bleibt liegen, wo es gefallen, bis die alles verzehrenden I Hunde die Aufräumung besorgt haben. Bei alledem hat jedoch Jerusalem auch befindet sich der Ecce h0m0-Bogen, anf welchein der Tradition zufolge Pilatus den HErrn mit den Worten zeigte: Seher, welch ein Menschi Es ist ein über die Straße gehender bedeckter Gang, das Ueber- I bleibsel eines alten römischen Triumphbogens aus der Zeit des Kaisers Ha- jetzt noch seineReizeund drian, und hat an sich ist immerhin eine schöne fiir die heil· Geschichte orientalischeStadtNach keineswegs die Bedeu- den Confessionen n. Na- tung, die man ihm tionen, die dort ihren znschreibtz gleichwohl Sitz haben, wird sie in führen wir denselben 4Quartiere oderViertel in sein» frühem; Ge- eingetheiltr l) das ar- stalt und Begrenzung inenifcheQuartier(A) (seit einiger Zeit ist die auf dem Zion; Z) das Juden-Quartier (.J), welches dicht daneben nach Osten liegt, aber daslkleinstevon allen ist; Z) das mnhaineda- nische Quartier (M), an Größe die andern weit übertreffend und im Westen und Norden den Tempelberg umschlie- ßend;4)dasChristen- Quartier ((J), das den nordwestlicheii Theil der Stadt einnimmt. Bei unserm Eintritt in die letztere haben wir zur Linken das Mnhamedaner-Viertel: an der Stelle, wo die via dolo- rosa (der Schmerzensweg: a bis fauf unserm Plan) die Damaskusstraße fchneidet, liegt das Preußische Con- sulat mit dem Pfarrhaus des deutschen Geistlichen, sowie das Hospiz, das jetzt von der Balley Brandenburg des Johanniterordens über- nommen ist; wir lassen es hier bei Seite, eben- so das ChristenViertel in seinem nördlichen, weniger interessanten Theile nnd nehmen so- gleich die via dolorosa vor uns. Ihrer ganzen Ausdehnung nach be- greift diese Straße eine Länge von nicht mehr als 8—900 Schritt; sie beginnt (bei f) nörd- lich an dem Tempel- platze mit dein sogen. Richthaus des Pi- latus (Nr. 7), das jetzt zur Kaferne dient und in dem man noch die Zimmer zeigt, wo Jesus gefangen saß, wo der Gerichtssaal sich be- fand, wo die Dornen- krone für ihn gewun- den und er dann ver- spottet wurde. Man geht aus demselben et- was bergabz hier be- fand sich ehemals die Treppe, auf welcher der Heiland · mit dem Kreuze herabgestiegen fein soll, sie ist aber nach Rom gebracht worden nnd wird jetzt in einem eigenen Gebäude neben der Kirche St. Johann vom Lateran aufbewahrt. Etwa 50 Schritte von der Treppe entfernt Dei« Ecae name-Bogens. Fngnde dei- heis Grabes-Kirch. rechte Hälfte des Bo- gens in eine daran- gebante Klosterkirche ein- geschlossen) dem Auge des Lesers vor, weil er wenigstens an einer Stelle steht, wo wirk- lich die Abfijhrung nach Golgatha ihren Weg genommen. Weiterhin kommt man an einer Kirche vorbei, wo Ma- ria soll bei dem An- blick ihres unter dem Kreuze niedersinkenden Sohnes in Ohnmacht gefallen sein; hierauf, wo die von Nordtvesten her kommende Straße den Schmerzensweg durchschneideh foll die Begegnung mit Simon von Cyrene stattgefunden haben. Nun trifft der Schmerzens- weg eine Strecke lang mit jener Straße zusammen, bis er nach Westen abbiegt, und wird hier das Haus des reichen Mannes, ihm gegenüber das« wo La- zarus wohnte, gezeigt; dann folgt das Haus der hl. Veronika, welche dem HErrn Blut und Schroeiß mit ihrem Schleier abtrocknete. Wir gelangen jetzt zur Port-z. judiciaria oder dem Richtthor ((-); hier wäre Jesus aus der Stadt nun heraus- getreten in’s Freie (Ebr. 13,13), es sind nur noch ca. 200 Schritt zur angeblicheii Golga- tha-Höhe, ehe man aber dahin gelangt, folgt erst noch die Stelle, wo der HErr zu den Weibern gesprochenx Weinetnicht über rnich &c» und ein klein Stiick weiter der Ort seines 3ten Falles. Hier hört die via dolo- rosa auf, weil die Häuserreihe an d.Nord- · .seite der Grabeskirche " den Zugang zu dieser verschließt. Was die letztere, die Kirche desheilz Grabes (-s- bei Nr. 8) betrifft, so ist dieselbe nicht eine einzelne Kirche, sondern vielmehr ein Complex von Kirchen, Kapellety Kapellchen und Heiligthiimeriy und dieses Gebäude-Agglomerat steht »F—- hEvangelium Matthäi 21, 11 Anm. (Forts.) wieder im Zusammenhang mit Klöstern der verschiedensten Consessionetr. Der Zugang dazu ist von der Südseite, den Ruinen des alten JohanniteraHospitals gerade gegen- über; wir wollen versuchen, nach Maßgabe des hier folgenden Grundrisses: Grnndrisl der heil. Gral5e5tiinije. den Leser mit den wichtigsten Näumlichkeiten der sog. Grabeskirche einigermaßen vertraut zu machen. Vor dem Eingang befindet sich ein nicht unansehnlicher, mit großensweißgelblichen Steinplatten gepflasterter, ein Qua- drat bildender Vorhof (a.), gewöhnlich von Verkäusern und Verkäuserinnen besetzt, welche den Pilgeru Rosen- kränze, Crucisixe, Wachslichter u. dgl. zum Kauf an- bieten; indem wir diesen und mit ihm zugleich die Vor- derseite der heil. Grabeskirche der Anschauung vorführen (s. die vorherige Seite!), machen wir zuvörderst aus den links in der Ecke stehenden, von Marmorquadern auf- gerichteten, aber nur noch in 2 Stockwerken vorhandenen Thurm aufmerksam; die herrlichen Glocken, welche Gott- fried v. Bouillon hatte hinaufbringen lassen, haben nur kurze Zeit ihre Klänge über Jerusalem und seine Höhen erschallen lassen, denn schon 1187 ließ Sultan Saladin sie mit Hämmern zerschlagem Unmittelbar neben dem Thurm gewahren wir die beiden Portale der Kirche; im leichten Spitzbogenstyl erbaut, erhebt sich über jedem derselben ein Fenster mit Verzierungem das östliche je- doch ist zugemauert und nur das wesiliche gestattet den Zugang. Tritt man durch dieses in die Kirche selber ein, so sieht man gleich links (b) einen Divan mit Teppicheii und Polstern, aus welchem die türkischen Thür- hüter lagern, zum Kafsee ihre Pfeife rauchend; wir wenden uns nach rechts (c) und gelangen auf einer Treppe von 18 Stufen in diejenige Kapelle, welche die Stätte umschließen soll, wo der HErr an’s Kreuz ge- schlagen wurde (d), kommen aber von da aus in eine zweite, unmittelbar daran stoßende und ebenfalls ge- wölbte Kapelle (e). Hier befinden wir uns der Mei- 1inng nach am Ort der Schädelstätte selber, wo das Kreuz Christi zwischen denen der beiden Schä- cher aufgerichtet ward. Auf der Seite nach Osten steht ein Hochaltar mit dem Crucifix dahinter und mit Gitter- werk davor, das mit Gold und Edelstein besetzt ist (s. die Abbildung auf nebenstehender Seite). Unter dem Altar sieht man den Boden des nackten Felsen durch das Gitterwerk hindurchblickenx in demselben befinden sich 3, ein regelmäßiges Dreieck bildende Löcher, welche für die- jenigen ausgegeben werden, in denen die 3 Kreuze standen; das mittlere, als das des Erlösers, ist mit Silberblech ausgelegt und von dem südlichen, dem des verftockten Schächers, durch einen Riß geschieden. Täglich ertönt hier der uralte Gesang: vexilia regis prodeunt (des Königs Fahnen gehn voran). Während nun im Erdgeschoß unter den eben beschriebenen beiden Kapellen, dort das Refectorium der Griechen und hier die Kapelle Adams fich befinden, dessen Schädel an dieser Stelle gelegen habe und dann von Christi Blut überströmt worden sei, tragen dieselben in dem über ihnen errich- teten Geschoß eine Abtheilung des griech. Klosters, so daß das ganze Golgatha-Gebäude, welches mit einem besonderen Dache überwölbt ist, aus 3 Geschossen besteht. Gehen wir aus der Kreuziguugskapelle auf der davor- liegenden sTreppe herab und wenden uns beim Ausgange ein wenig nach links, so haben wir den Steinder Salbung (t’) vor uns, eine länglichte, mit einem Gitter umgebene, röthlich gesprenkelte Marmorplatte von 8 Fuß Länge und 2 Fuß Breite, auf welcher der Leich- nam Christi von Joseph von Arimathia und Nilodemus gesalbt sein soll. Durch die Halle (B) ehen wir für jetzt, bis hernach besonders von ihr die ede sein wird, ohne Aufenthalt hindurch und wenden uns westlich , so gelangen wir durch» 3 Gitterthüren zwischen 2 breiten Pfeilern (g·) zur eigentlichen Grabeskirche (A); sie bildet einen, mit einer Kuppel bedachten Cylindey dessen Durchmesser 72 Schritt beträgt, die Kuppel aber, wie sie von außen in der oben beschriebenen Fagade der Grabeskirche gleich hinter den beiden Portalen sich prä- sentirt, hat in der höchsten Mitte eine große kreisförmige, mit einem feinen Drahtgitter bedeckte Oeffnung, durch welche Licht in die Kirche fällt. Senkrecht unter dieser Oeffnung ist das heil. Grab (s. die 2te Abbildg. auf nebenstehender Seite l); es nimmt sich wie eine Kirche in der Kirche aus und wird zum Schutz wider den Regen von einem großen Baldachin überdeckt. Vor dem Ein- gange, welcher auf der Ostseite sich befindet und mit edlen Steinarten prächtig geschmlickt ist, steht auf jeder Seite eine steinerne Ruhebank, woneben auf hohen Sil- berkandalabern eine Anzahl Wachskerzen brennt. Das Innere dieses von außen mit Marmorsäulen geschmückten und mit Marmorplatten überkleidetem ungefähr 30 Fuß langen und halb so breiten, mit einer eigenen achteckigen und auf Säulen stehenden Kuppel überwölbten Häus- chens ist nach der Weise der alten Gräber in 2 Abthei- lungen getheilt, deren vordere (h) die Engelskapelle, die hintere (i —— der Buchstabe ist aber auf der Abbil- dung zu hoch hinausgerücky das Grab selber bildet; letzteres ist 8 Fuß hoch, 7« lang u. 6« breit und ent- hält eine Art Sarkophag von roth gesprenkeltem Marmor. Von der Decke der Grotte hängen 48 goldene und silberne Lampen, von denen die meisten das Wap- pen des österreich Kaiserhauses tragen; sie werden Tag und Nacht brennend erhalten, und der von ihnen aus- steigende Rauch zieht durch die Oeffnungen der Decke. Wir verlassen das Innere des Heiligthums, nehmen noch flüchtig die Westseite desselben, welche abgerundet erscheint und an der die kleine unansehnliche Kopten- Kapelle angebaut ist (k), in Augenschein, gewahren aber nun, der letzteren gerade gegenüber , im Umsange des Grabdoms noch eine andere schmucklose Kapelle: es ist die der syrischen Christen. A1n südwestl. Ende derselben fiihrt ein schmaler kurzer Gang eine Stufe tief unter dem Boden der Grabkirche zu den Gräbern Josephs von Arimathia und des Nicodemus; es würde zu weit führen, wollten wir mit der Wichtigkeih welche man neuerdings diesen Gräbern bei der Frage über die Aechtheit des heil. Grabes beigelegt hat, uns länger besassen, wir begeben uns vielmehr aus der Grabrotunde nun wieder nach dem schon vorhin erwähnten Raum (B) zurück und stehen hier in der Halle des Katholiken-, wie die Griechen, oder des Griechen-Chors, wie die abendländischen Christen dies zweite große Heiligthum der Grabkirche nennen. Der iii den Marmorboden der Halle von farbigen Steinen eingelegte Stern U) — nach Andern ist es eine Halbkugel in einem etwa 2 Fuß Beschreibung von Jerusalem (Forts.): Die, sogen: heil. Stätten. 303 hohen Becher von Marmor —- bezeichnet den Ort, wel- chen die Griechen mit Beziehung auf Pf. 74, 12 (Sep- tuaginta und Vulgata übersetzen hier: ·,,Aber Gott ist unser König von Alters her; er hat Heil Mitte der Erde«) für den Mittelpunkt der Erde halten. Begeben wir uns von hier aus weiter nach Osten, so haben wir die eigentliche Kirche der GriechenvorunsJiber dereii Allerheiligstem (O) sich die zweite, mit Bo- genfenstern versehene u. schlank in die Höhe ge- hende Kuppel wölbt, welche wir an der Fa- gade der Grabkirche wei- ter östlich hinter der vor- deren, breiteren, aber niedrigeren Kuppel be- merken.DieganzeKirche, insbesondere der Altar und diePatriarchenstühle ist mit großer Pracht u. vielem Glanze, wenn auch mit wenig Kiinstss geschinackaufgeftihry auf der rechten Seite des Hinterraums besindet sich die Säule improperij (d·«i. der Beschimpfung — nach Palestrina hat Bnnsen den«-Text zu einem Gesange ,,im- proper-ja« verfaßt, der dann vielfach in Gebrauch ge- kommen: Was habe ich dirgethan,meinVolk2c.), an welchkr Christus ge- krönt u. verspottet wurde; ein Stück weiter hin ge- langt man dann zu einer Treppe von28 Stufen zur Kapelle der He- lena (D), wo ein Altar des guten Schächers u. einer der Helena im Hintergrunde sich befin- der. Rechts davor steigt man 13 weitere Stufen hinab zu dem Orte, wo der Sage nach das Kreuz Christi nebst denen der beiden Schächer aufge- funden wurde (m). Wir müssen hier, um die Be- deutiing der beiden Ka- pellen zu verstehen, uns vergegenwiirtigem was die Geschichte der heil. Grabkirche erzählt. In denerstenJahrhunderten n. Chr. gefchieht nämlich der Golgatha-Stiitte gar keine Erwähnung; erst Eusebius n. Hieronymus im 4. Jahrh. berichten Folgendes: Gottlose Menschen, um das gött- liche Denkmal der Un- sterblichkeih nämlich die heilbringendeHöhle, aus dem Orte Erde aus und errichteten daselbst ein Heilig- thum der heidnischeu Göttin Venus, wodnrch die Christen von der Verehrung abgehalten werden sollten; nachdem gewirkt in der dann unter Kaiser Constantin (von 306—337 n. Chr.) Die Kreuzigung5siätie. Das» Innere der heil. Grabes-Kirche. auf wunderbare Weise das Zeichen der allerheiligften Passion des Erlösers, das so lange unter der Erde verborgen gewesen, wie- der aufgefunden war, räumte dieser Kaiser alle von den Heiden aufge- schütteten Hindernisse hinweg und ließ einen prächtigen Tempel über dem Grabe erbauen. In welcher wunderbaren Weise diese Auffindung geschehen, berichten we- der Eusebius nnd Hiero- nymus, noch der Bischof Cyrillus von Jerusalem (um’s Bis n. Ehr.); erst spatere Schriftsteller erzählen, als die Mutter des Kaisers, die heil. Helena, im J. 325 ihre Wallfahrt nach Palästina machte, habe sie in der Gegend, wo der von Consiantin zerstörte Vennstempel gestanden, und zwar an der Stelle, welche die ihr geweihete Kapelle umschließtz so lange gebetet, der HErr möge es ihr gelingen lassen, das heil. Grab und das Kreuz wiederzufinden, bis sie durch göttliche Eingebung den Ort er- fuhr, wo Ie Nachgra- bangen sollte anstellen lassen. Es ist derselbe, wo nunmehr die Kapelle der Kreu findung steht: dorthin atten die Ju- den, um das Andenken an das Leiden Christi ganz zu vernichten, die 3 Kreuze in eine tiefe Cisterne geworfen; sie wurden wieder zu Tage gefördert, das Kreuz Christi aber erkannte man daran, daß Bi- schof Makarius eine Todtkranke mit den bei- den Kreuzen der Schä- cher vergeblich berührte, durch Auslegen des drit- ten Kreuzes jedoch sie heilte. · Die· Basilika (k·aiserlicheStistskirche), die hierauf von 326— 336 erbaut wurde, stand bis zum Jahre 6l4, wo beim Einfalle der Parther unt. Kosroes II s"i»edurchdasFeuergänz- lich zerstört wurde; sie ward indesseii bald wie- der aufgebaut, bei der der Christus von den Todten auferstanden, der Finster- - Eroberung Jerusalems durch deii Khalifen Omar im niß und der Vergessenheit zu übergeben, schütteten über J. 637 verschont, 300 J. später bei einem Aufstande 304 Evangelium Matthäi 21 , 11 Anm. (Forts.) durch Brand verwüstet, hernachmals sogar gänzlich zer- stört, jedoch vom Neuen aufgerichtet, aber a. 1010 auch vom Neuen zerstört, bis der abermalige Aufbau im J. 1048 vollendet ward. Diese vierte oder fünfte Kirche zum heil. Grabe ist diejenige, welche die Kreuzfahrer bei der Eroberung Jerusalems a. 1099 mit so überschwäng- lichen Gefühlen betraten; sie hat dann in den folgenden Jahrhunderten mancherlei Schicksale durch Erweiterungem Verwüstungen und Ausbesserungen erfahren, bis im Jahre 1808 ein auf der Seite des griech. Klosters im Südosten der Kirche ausgebrochenes Feuer große Zer- störung anrichtete. Den Neubau führten die Griechen auf ihre Kosten nnd uach ihrem Geschmacke aus, wo- durch sie manche Vorrechte erlangten, und vollendeten ihn schon im J. 1810. Jndem wir durch die Kirche der Griechen sc) und die Halle der Katholikett (B) un- sern Rückweg nehmen und noch einmal in die Grab- rotunde (A) eintreten, beachten wir noch auf der nord- östl. Seite der letzteren, schon außerhalb derselben an die Säulengänge angebaut, die den römisch-Kathvlischen gehörige Erscheinungs- oder Frauenkapelle (E); in dem Raume vor ihr sehen wir ein Paar Kreise die- jenigen Stellen bezeichnen, wo der Auferstandene der Maria Magdalena erschienen sei, die Kapelle selber aber soll der Ort sein, wo Christus auch seiner Mutter sich offenbarete. Sie hat eine Orgel, die einzige in der ganzen Grabkirche, und rauschen nun die Klänge der- selben nicht selten durch die gewaltigen Räume des ei- ligthutns, um die Herzen der Andächtigen zu erhe en. Bei unserm Austreten aus diesem werfen wir noch einen Rückblick auf die bewnndernswürdige vordere Kuppel Nachdem sie schon seit Jahrzehnten dringend der Aus- besferung bedurfte, wollte die russische Regierung das Werk in ihre Hand nehmen, konnte aber die Erlaubniß dazu nicht erlangen; im weiteren Verlauf der deswegen geführten Verhandlungen erfolgte dann die Muth-Ueber- schreitung und im Zusammenhang damit der Krimkrieg Im Frühjahr 1856 legte hierauf ein Sturm fast zwei Drittel des Umfangs der Kuppel offen, und nahmen nun Frankreich und Rußland das Werk der Restauration ge- meinschaftlich in die Hand, das jetzt vollendet ist. c. Begeben wir uns jetzt über den Vorhof hinüber wieder nach der Straße, die 3 Stufen höher liegt als jener und zu welcher ein sehr niedriger Ausgang führt, so daß man nur gebiickt da hindurch kommen kann! Wir wollen aber, ehe wir unter der folgenden Nummer zu einem neuen Gegenstande übergehen, mit der so wichi tigen Frage uns beschäftigen: haben wir an dem Maße, von welchem wir herkommen, uns wirklich an der Stätte befunden , wo der HErr gekreuzigt und begraben ward nnd am dritten Tage wieder anferstand? oder sollte Golgatha nicht vielmehr an einer andern Stelle der Stadt zu suchen fein? Wenn so Manche, die mit Lösung dieser schwierigen Frage sich beschäftigt haben, unver- kennbar von detu Bestreben geleitet wurden, alle die frommen Gefühle, die seit mehr als 1500 Jahren die Herzen der Gläubigen an jener Stelle bewegt haben, nicht als bloße Täuschung der Einbildungskraft erschei- nen zu lassen, sondern den Ort selber mit einem ge- wissen Maße der Kraft des Kreuzes Christi auszustatten, so hat dagegen schon Luther, der bei seiner Reise nach Rom im J. 1510 mit heißer Andacht die Stufen der heil. Treppe, von der wir oben bei Beschreibung der via dolorosa erzählten, hinaufrntschte, um der Ver- gebung seiner Sünden gewiß zn werden, dem aber ge- rade da zu Muthe ward, als ob ihm eine Donner- stimme zuriefe: »der Gerechte wird seines Glaubens leben,« stch also geäußert: ,,nach dem Grab, da Christus innen gelegen, welches die Saraceneu im Besitz haben, fragt Gott gleich so viel als nach allen Kühen von Schweiz-« Ja, wenn» wir all des blutigen Haders unter den Christenparteien in Jerusalem und all der Greuel gedenken, die seit so vielen Jahrhunderten an der vermeintlichen Grabesstätte begangen worden sind und noch täglich daselbst geschehen (man denke nur z. B. an das grtech. Possenspiel mit der Anzündung des heil. Feuers am Ostersonnabend! vgl. v. Raumerx Paläftina S. 327 ff.), können wir nur die Geftihle derer theilen, die da sagen: ,,es ist uns lieber, daß ein dergestalt ent- weiheter Ort in Wahrheit nicht derjenige ist, an wel- chem unser HErr und Heiland durch sein Leiden, Ster- ben und Anferstehen die Sünde und den Tod besiegte,« und sprechen mit van de Velde: daß der HErr Mosis Grab verborgen hat (5. M. 34, 6), wohl wissend, daß das Volk Abgötterei treiben würde, soll uns lehren, welche Absicht er bei dem Grabe Christi gehabt hat —- ist es doch dasjenige Grab, welches allein unter allen Gräbern der Erde am jüngsten Tage seinen Todten nicht mehr herauszugeben braucht, das Grab des Rich- ters selber; seine Herrlichkeit ist also eine verborgene in Gott, die erst künftig offenbar werden wird (Col.3, 3f.) und nicht ein auswendiger Schmuck sein darf mit Haarflechten und Goldumhängen oder Kleideranlegen (l. Petri Z, 3). Hat man nun zunächst mit großem Nachdrnck geltend gemacht, daß ja eine fast ununter- brochen fortlaufende Tradition für die Aechtheit des hl. Grabes fpreche, so fehlt im Gegentheil an dieser Ueber- lieferungskette gerade das wichtigste Glied, nämlich der Anfang in den ersten 3 Jahrhunderten n. Chr. Nicht anders als durch ein Wunder, wie die Legende selbst behauptet, hat der entweihete und ganz dem Untergang bestimmte Ort können wieder ausfindig gemacht werden; und welcherlei Art nun das Wunder gewesen, darüber lautet der Bericht gar sehr abweichend, indem bald, wie oben mitgetheilt worden, von göttlicher Eingebung die Rede ist, welche Constantins Mutter erfahren habe, bald auch von ihr erzählt wird, ste habe, um die 3 Kreuze aufzufinden, die Juden der Tortur unterworfen. Hier stehen wir offenbar auf dem Grund nnd Boden rein menfchlicher Sage; und wenn wir nun dagegen halten, wie die Evaugelisten des Orts nur ganz allgemein er- wähnen, ohne ihm irgend welche höhere Heiligkeit bei- zulegen, und die Apostel in ihren Briefen niemals auf ihn als einen lebendigen Beweis für die Auferstehung Christi zurückkommen, so können wir es nur für eine Verirrung christlicher Frömmigkeit halten, wenn sie den Ort in der Absicht hat ausfindig machen wollen, um ihm eine besondere Heiligkeit zu verleihen, wie denn auch solches Bestreben erst da in der Kirche hervortritt, wo die Neigung, durch eigene Anschanung der Urdenk- mäler des Christenthnms in Palästina sich zu erbauen und an christlicher Erkenntnis; zu wachsen, bereits eine abergläubische Richtnng nahm. Nach Kap. 27, 32 f.; 28, U; Joh. II, 17; Hebr. 13, 12 ff. steht unzweifel- haft fest, daß die Kreuzigungs- und Vegräbnißstätte Christi außerhalb der Ringmauern Jerusalems lag; das ist nun bei der Stätte, an der wir vorhin gen-eilt haben, nicht der Fall — sie liegt vielmehr innerhalb der Mauern der heutigen Stadt. Man hat diesen Um- stand zn Gunsten der Aechtheit des heil. Grabes gedeu- tet, insofern sich nicht erklären ließe, warum gerade eine solche Stelle dazu ausersehen worden sei, für die der Augenschein so gar nicht spricht, wenn man nicht ein bestimmtes Bewußtsein in sich getragen hätte, das mäch- tiger wirkte als der Augenschein, das Bewußtsein rich- tiger Ueberlieferung von Alters her; woraus denn sreilich sich ergeben würde, daß zur Zeit Christi die 2. Mauer der Stadt nordwestlich nicht so weit hinüberreichte, als es gegenwärtig der Fall ist, sondern entweder an den mittleren Theil der Nordmauer des Zionsberges stch Beschreibung von Jerusalem (Forts.): Die Lage von Golgathm 305 anschloß und von da aus über die porta judiajnria zur Burg Antonia lief, oder aber, wenn sie weiter west- lich nahe bei dem Thurm Hippikus begann und so den Hiskiateich in einem Bogen umging, dann doch alsbald in ziemlich östlicher Richtung sich to wandte, daß die Grabesstätte außerhalb zn liegen kam. Nach dieser An- sicht würde die ganze nördliche Fälfte der heutigen Stadtmauer (auf arte Vll durch laue Farbe gekenn- zeichnet) auf den Fundamenten der von Agrippa erst nach der Zeit Christi begonnenen und dann im letzten jlidischen Kriege von den Juden zu Ende gebrachten Z. Mauer ruhen. Josephus berichtet nämlich (b.juii. V, 4): »Von 3 Mauern war die Stadt umschlossen, wo nicht unzugängliche Schluchten sie umzogen; denn an solchen stand nur eine Ringmauer. Von den 3 Mauern war die älteste wegen der Schluchten und der Höhen über demselben, ans welchen sie stand, unbezwinglich; ihre natürliche Festigkeit wurde durch David und Salomo und die nachfolgenden Könige, die etwas aus dieses Werk verwendeten, noch künstlich erhöht: sie lief im Norden von dem Zippikusthurm aus, erstreckte-sich bis zum Xystus, schlo sich dann an das Rathhaus und endigte mit der westlichen Säulenhalle des Tempels. Die zweite Mauer lief beim Thore Gennath von der ersten Mauer aus; sie umkreiste blos die nördlichen Abhänge und reichte bis zur Burg· Antonia. Die dritte. hatte ihren Ausgangspunkt wiederum beim Zippikusthurm , erstreckte sieh nördlich bis zum Thurm sephinos, zog sich dann gegenüber dem Grabmale der elena nach den Königsgräberm bo um den Eckthurm im Denkmal des Walkers und s loß sich zuletzt an die alte Mauer im Thal Kidron an. Agrippa war ihr Gründer; er führte sie auf, um die neubebauten Theile der Altstadt zu schützen Durch die wachsende Bevölkerung wurden nämlich die Einwohner gezwungen, sich über den Umkreis der alten Mauer hinaus auszu- dehnen. Man überbaute die Nordseite des Tempelberges gegen den Hügel hinan und dehnte sie so aus, daß noch ein vierter Berg, Bezetha, gegenüber von der Burg Antonia, jedoch von dieser durch einen tiefen Graben etrennt, überbaut wurde. Weil nun diese Seite schutz- os war, so begann schon Agrippa I. (41—44 n. Chr.) die vorhin erwähnte Mauer; er befürchtete aber zuletzt, der Kaiser Claudius möchte aus der Großartigkeit der Bauten Verdacht schöpfen, und ließ das Werk ruhen, nachdem die Grundmauer gelegt warf« Wir wollen nun hier nicht näher auf die Gründe der Andern eingehen, welche dagegen die Nordhälfte der jetzigen Stadtmauer für die von Josephus beschriebene Z. Mauer halten und demgemäß dies. Mauer weiter hinaus nach Norden rücken, wie auch wir das auf dem Plane der Karte VII gethan haben; wir wollen vielmehr ganz auf den Stand- punkt derer treten, die, wie oben angegeben, die 2. Mauer so verzeichnen, daß das traditionelle Golgatha außerhalb derselben zu liegen käme und erst die Mauer mit der jetzigen, in den I. 1536—39 gebauten Nordhälfte der Stadtmauer zusammenstimmen würde: was ist aber da- mit für die Aechtheit der Kreuzigungäk und Grabesstätte Christi, wie die Sage sie annimmt, gewonnen? Sagt nicht Josephus ausdrücklich, daß in Folge der wachsen- den Bevölkerung zu Agrippa’s Zeit die Einwohner sich schon längst mindestens soweit über den Umkreis der alten Mauer ausgedehnt hatten, daß eine Mauer nöthig ward, um die neiibebauten Theile zu schützen? Diese neubebauten Theile erstreckten sich jedenfalls nach Nord- weiten bist u dem latein. Kloster, nach Norden bis zum Damaskust or über den BezethwHügel hinweg, auch wenn es ihnen an einer Mauer fehlte, die sie umschloß; und nun wird man doch keinenfalls Jesum mitten in diesem Anbau gekreuzigt haben, sondern das ,,außer dem Lager« Dächsek s Bibelwert in Hebr.13,13 kommt erst dann zu seinem vollen Recht, wenn man die Kreuzigungssiätte über die neubebauten Stadttheile hinaus verlegt -— ihr Thor nach der Straße hin, die gen Sichem führt, hatten dieselben gewiß schon, wenn es ihnen auch an einer vollständigen Umwallung noch fehlte. Was aber die oben berührte, allerdings auffälli e Erscheinun betrifft, daß die Tradition für Golgathaa einen Punt angenommen hat, der wenigstens noch innerhalb der Stadt, wenn auch vielleicht nicht gerade innerhalb der Stadtmauer lag, so erklärt fich das vollkommen daraus, daß man für das zu errich- tende Heiligthum einen sicheren, nicht allen Kriegsuns fällen preisgegebenen Ort bedurfte; auf dem Stand- punkte des durchaus nicht so kritisch, wie unser ge en- wärti es eitalter sich verhaltenden frommen Glau ens des ltert ums machte man sich dabei nicht erst das Bedenkengob die zu tresfende Wahl auch wissenschaftlich sich rechtserti en lasse, unter Gottes Leitung ist es aber durch diese! ehlgriss geschehen, daß, wie Korte sagt, der ärhte rt Golgathcks durch’s Wüsteliegen sei- nen Sabbath des HErrn gefeiert hat bis aus diesen Tag; dafür, daß dieser ächte Ort kein anderer sei, als die unter a. beschriebene Jeremias-Grotte, s richt unter anderem auch die Gestalt des Hügels , wel e ganz die Form eines Schädels nachweist; daß aber um solcher Form willen der für Christum ausersehene Hinrichtungs- platz den Namen ,,Schädelstätte«, also abgesehen von dem, wozu er jetzt benutzt wurde, geführt habe, nicht aber, weil er die gewöhnliche Hinrichtungsftätte für Missethäter gewesen wäre und überall Menschenschädel da herumgelegen hätten (fo erklärt auch Luther nach des Hieronymus Vor ange: ,,heißt, da man die Uebelthäter richtet, als der tilgen, Rabenstein, darum, daß viele Todtenköpfe da liegen«), das ergiebt schon die einfache Erwägung, daß die Juden keinenfalls in der Nähe einer Landstraße das Herumliegen von Schädeln und sonstigen Todtengebeinen duldeten, sondern die Hingerichteten als- bald zur Erde bestatteten (5. Mos. 21, 22 f.) , das er- giebt sich erner aus dem Umstande, daß nahe dabei ein Garten mit einer Familiengruft sich befand (Joh. 19, 41), was gewiß nicht in der unmittelbaren Umgebung einer Richtstätte für Missethäter der all gewesen wäre, und ergiebt sich endlich aus der im Grundtext gegebenen Uebersetzung des hehr. Ausdrucks Golgatha, die niiht von einer Stätte der Schädel, sondern des Schädels redet (Kap. 27, 337 Mark. 15, 22; Joh. 19, l7), ja, die Stätte selber geradezu als Schädel bezeichnet (Luk. 23, 33). d. Wir wenden uns jetzt südlich hinüber nach den Ruinen desgroßen JohannitepHospitals (Nr. 9 auf unsrer Karte), die einen Raum von 140,000 D« einnehmen. Der schöne, große, fast mitten in der Stadt gelegene Platz liegt seinem größten Theile nach öde oder wird zum Anbau von Feldbohnen benutzt; die noch vor- handenen Ruinen mit einigen wenigen bewohnten Räum- lichkeiten werden wir hernach kennen lernen, zuvor er- innern wir uns in der Kürze der Geschichte des Jo- Zaniiiterordens Hervorgegangen ist er aus einer Ver- indung vou Kaufleuten zu Amalsi, einer neapolitanischen Seestadt, die im J. 1048 eine Stiftung zum Schuh der nach Jerusalem Wallfahrenden gründeten, hier in der Nähe des Grabes Christi eine Kirche mit einem Mönrhs- kloster bauten und bald hernach ein Hospital zur Pflege armer und kranker Pilger damit verbanden. Zum Schutz- patron hatte man anfangs den Patriarchen vonAlexandrien Johannes Bleemosynarius (d. i. Almofengebey v. 606 —616 n. Chr.), berühmt durch seine Barmherzigkeit egen Arme und Leidende, sich erwählt, bis später auf rund der Legende, daß Zacharias , der Vater« Johannis des Täufers, an derselben Stelle, wo man sich niedergelassen, R. T. I· 20 306 Evangelium Matthäi 21, 11 Anm. (Forts.) eine Zufluchtsstätte Wunden, dessen Sohn dafür anges dann durch Friedrich Wilhelm IV. eine Wiederherstellung nommen wurde. achdem diese Klosterverbrüderung des älteren Ordens. — Jndem wir jetzt den Johan- durch Papst Paschalis II. im I. 1099 eine besondere niter-Platz im Anschluß an den auf nebenstehender Ordensverfassung durch Seite folgendenGrund- Gottfr. v.Bouillon aber riß näher uns ansehen, große Güter und Besp tritt zuerst die Omar- tzungen erhalten hatte, Moschee mit sehr ho- fügte derProcurator des hem Minarat an der Ordens, Raymuncl du Stelle uns entgegen, wo Puy im J. 1118 zu dieser Khalif beider Er- den Klostergelübden auch oberung Jerusalems im die Verpflichtung, gegen J. 637 sein Gebet ver- die Un läubigen zu käm- richtet haben soll; links pfen, Zinzu und theilte davon ist der Ort des die ganze Genossenschast ehemaligen Großmeistew in 3 Klassen: Ritter, Palastes, jetzt steht ein Priester und dienende griechisches Kloster Brüder, von denen die unter dem Namen »zum erste für den Krieg, die heil. Gethsemane« da- dritte für die Pflege selbst. An der Westseite der Wallsahrer bestimmt befindet sich ein türki- warz aber bald verwan- sches Bad; daran delte der Orden sich schließt sich die andere immer mehr in einen griechischeKirchemit eigentlichen« geistlichen demdazu gehörigenHo s- Ritterorden, dem ein piz Johannis des magister hospitalis Täufers. DieRuinen Vorstand und der durch an der Süd- U. Ostseite seine Tapferkeitnnd weite lassen sich hinsichtlich ih- Verbreitung, sowie durch rer einstigen Bestimmung Privile ien,dieihmvom nicht weiter ermitteln; päpstli en Stuhle zu dann aber stoßen wir Theilwurdem zu großer auf das alte Ritter- Macht und Neichthum Hospital, einen mit emporstieg Als Jeru- Bogeuhallenundzersallk salem durch Saladin nen Wohnräumen um- verloren gegangen war gebenen Freihof. Es is! (1187), verlegte der Or- ein freundliches Auf- den seinen Sitz nach Pto- nahmehaus , namentlich lemais; als dann auch siir Deutfchh insbeson- diese Stadtdurch den Sultan von Eghpten erobert wurde dere Preußen, und erhält Zuschüsse vom Orden der (l29I), siedelte er nach Limisso aus Cypern, später nach Johanniter. Nördlich daran schließt sich die Ruiue der Rhodus über u.blieb im herrlichen alten Jo - Besitz dieser Jnsel bis · hanniter - Kirche: zum J. 1522 sdaher der Maria latina met-For, Name»Rhodiser«). Jm die neuerdings dem J. 1530 erhielten die Könige von Preußen Johanniter von Kaiser vom Sultan geschenkt Karl V. die JuselMalta worden ist; besondere zum Lehn (daher ,,Mal- Aufmerksamkeit« erregt teserritter«), verloren sie das schöne, reich mit aber in Folge von Ver- Steinarbeit, welche die rätherei an Napoleon auf 12 Monaisnamen alle- defsenZugenach Egypten gorisch darstellt, ver- (I798) Und haben sie zierte Eingangs- auch, trotzdem ihr Besitz portal. Als Saladin im Pariser Frieden von Jerusalem eroberte ging 1814 ihnen zugesichert dieses ganze herrliche wurde, nicht wieder er- Eigenthum der Johan- halten. In mehreren Ländern war der Orden aufgehoben und sein Be- niter in den Besitz der Türken über; es ward der Omar - Moschee sitzthum eingezogen wor- auf Morija als erb- den; auch in Preußen liches Kirchenlehen ein- gescbah das 1810 s., doch « «· verleiht, das- Johan- wurde 18l2 eine für den "" «— -- -—- - - — -- niter - Hospital jedoch Adel bestimmte, unter pmak d» Jokjmmjkek.zsikche» unter dem Namen Ma- dem Protektorat des ristanseinem Zweck er- Königs stehende Ordensdecoration gestiftet, die den Namen halten. Unter tiirkischer Verwaltung ist inzwischen alles des preußJohanniterordens trägt· Jm J. 1853 erfolgte ie länger je mehr verfallen; einen beträchtlichen Theil Beschreibung von Jerusalem (Forts.): Der Johanniter-Platz. 307 des Platzes hat man an die Griechen verkauft, neuerdings Schafthor (Joh. 5, 2; Neh. 3, 1), weil durch dasselbe die Ruinen der alten Kirche, wie oben bereits erwähnt, die Schafe, deren Jerusalem namentlich am Passafeste so an Preußen verschenkt, wo man denn bereits angefangen, viele bedurfte, getrieben wurden, wie denn auch jetzt eine deutsch-evangelische Kirche daselbst zu errichten. noch die Beduinen mit ihren Schafen aus der Weide- Wir wenden uns jetzt östlich: da, wo das Gerber- gegend zwischen Bethanien und dem Jordan oder aus Quartier, wie das kleine dem ostjordanischen Lande Stück der Straße heißt, zu » Jtzkzzz hier herein kommen. Zwei Ende geht, liegen nach Süs tzzyzspg — andere Thore, die aber ver- den herunter drei, ziemlich Ø2---.s-7--.0-Æ---I , · schlossen, sind das etwa in lange tiberwölbte Gassen, .: »Ja-cis. z der Mitte zwischen dem Da- welche den Bazar oder « · « maskusthnr und der Nord- Markt der Stadt bilden ostecke der Stadt gelegene (Nr. 10); wir nehmen aber Herodesthor, das nur unsern Weg nach Norden, klein und« schwer erkennbar um wieder die via dolorosa« ist, und das ziemlich in der zu erreichen. Wir gehen da Mitte der Ostmauer des an dem Hause des deutschen Tempkkpkgtzes gekegene gol- Pfarrers vorbei und kommen dene Thor, darum so ge- am Ende des Schmerzens- nannt, weil man es irrthttm- weges in die zum öftlichen licher Weise für dasjenige Thor führende Straße. Hier hält, welches in Apostg.3,2 bsfklldet sich Uns zur Rechten als das ,,f chöne« bezeichnet ein länglichter Graben von wird. Sein doppelter Rund« ziemlicher Tiefe, der den bogen weist auf römischen Namen Bethesda führt, Vaustyl hin, und stammt es weil ihn die Tradition fiir wohl aus der Zeit Kaiser den in Ich. S, 2 erwähnten Hadrians;zurZeitderKreuz- Teich hält; der Boden ist J- züge wurde es alljährlich am jetzt trocken und zum Theil Johaiktkilcr.pkntzes· Palmsonntagegeöffnehindem Grund« des» mit Kräutern und Bäumen P man glaubte, daß Jesus besetzt, das westliche Ende ist iiberbaut, und gehen an der durch dieses Thor feinen Einzug in die Stadt gehalten Südwesiecke zwei hohe Gewölbe neben einander unter den habe, und auch die Muhamedaner tragen sich mit der Häusern130« tief hinein, dieSiidseite dagegen wird von der Sage, daß einst ein König durch dasselbe einziehen werde, Nordosiseite des Tempelplatzes (l.Kiin. 6,1Anm.) gebildet. die Stadt in Besitz zu nehmen und sich zum Herrn der . Te» Reihe-da. Das Thon zu welchem wir hierauf gelangen, heißt ents II ganzen Erde zu erheben, weshalb sie es mit der größten weder das Stephansthor, weil vor demselben, etwas Strenge bewachen und stets verschlossen halten. zur Rechten oder nach Süden zu (bei g), Stephanus soll e. Der weitere Weg führt uns zum Stephansthore gesteinigt worden sein (Apostg. 7, 56 ss.) , oder das hinaus nach dem Kidronthale und über eine Brlicke bin- 208 308 Evangelium Matthäi 21, 11 Anm. (Schluß.) über nach Gethfemane. Es ist das ein Garten, der in dem Winkel der beiden Wege liegt, welche von der Brücke an, der eine den Oelberg hinauf nach der Himmelfahrtskirchh der andere mehr siidlich gewendet am Bergab ange nach Bethanien sich hinziehen; er um- faßt einen aum von 160 Fuß in’s Gevierte, ist mit einer niedrign Steinmauer umgeben und schließt 8 alte, sehr große elbäume in sieh. Innerhalb dieser Mauer zeigt man die Stellen, wo der HErr betete , wo die Jtlnger schliefen, wo Judas den Verrätherkuß ertheilte (Kap. W, 36 ff.); die letztere Stelle ist von den Türken als ein auch ihnen für verflucht eltender Ort eigens ummauert, daß niemand dazu ommen kann. Seit man in jüngster Zeit den Garten im Inneren dnrch weiße Stacketen un Blumenbeete verunziert hat, leicht er in nichts mehr den Bildern, die man gewöhnli von den in schauriges Dunkel ehüllten uralten Oelbäumen veröffentlicht, wie die Anicht auf nebenstehender Seite aufzeigt. Nun kann man allerdings auch nicht auf 10 Schritte genau die eigentliche Stätte von Gethsemane angeben: »nur abergläubische Verehrung hascht nach einer Genauigkeit in Schritten, die niemals zu erreichen ist, und für den freieren Menschen, so tief gemüthlich er auch est1mmt fein mag, bildet gerade das einen eigen- thümlichen Reiz, daß ein leichter, dufti er Nebel ver- wehrt, solche durch Thaten des Geistes gegeiligte Stätten in ihrer vollen Bestimmtheit zu erreicken.« Gleichwohl befinden wir uns hier sicherlich wenigstens in der Nähe der Stätte des allerheiligften Seelenledens Jesu. »Auf der steilen Höhe des Morija leuchteten die Zinnen des Tempels des alten Bandes, wie noch jetzt die uralten Mauern dort aussteigen — der Tempel des neuen Bandes lag betend im Staube; und wie dort sinnbild- lich und vorbildlich tausenden von Opferthieren die Sünde auf das Haupt gelegt worden, das; sie den Tod stiirben, den der Opfernde verdient, so war Christus hier das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt aus Zieh nahm, die Strafe lag auf ihm, auf daß wir Friede ätten.« f. Kehren wir jetzt nach der Brücke über den Kidron zurück, die wir schon vorhin passirten und die in einem, 17 « über dem Wasserbett liegenden Bogen besteht, so haben wir gleich nach dem Uebergang zu unsrer Rechten die den Griecheii gehörende Grabeskirche der Jung- frau Maria. Wir wenden uns nach Süden herunter und kommen, unterhalb der Südostecke der großen Omar- Moschee auf dem Tempelplatze droben, bei den Grab- denkmälern des Josaphat, Absalom te. an die engste Stelle des Kidronthales, wo es zur sörmlichen Schlucht zwischen 2 hohen BeLrZeU wird, die sich etwa 150« hoch darüber erheben. eiterhin erweitert es sich dann wieder: da, wo uns zur Rechten der Mariabrunnen (2. Sam. l7, 17 Anm.), befindet sich eine kleine Strecke weiter unten im Thal zur Linken das Dorf Siloah (si1vän); es liegt zerstreut, und find seine Steinhütten meist vor Höhlen oder ausgehöhlten Gräben aus-gebaut, an mehreren Stellen find sogar die Gräber selbt ohne weiteren Anbau zu Wohnungen benutzt. Die Dorfbe- wohner gelten für ein grobes Volk, zeichnen sich aber durch Fleiß aus. Von dem Berge des Aergernisses, an dessen uße das Dorf liegt, von der Quelle Siloah, die wir hier ganz in der Nähe haben, des- gleichen von den, am Vereinigungspunkte des Kidrons thals mit dem Thale Hinnom gelegenen Königsgärtem dem Rogelbrunnen und dem Stein Soheleth haben wir an den betr. Stellen des alten Testaments gesprochen: beim neuen Testamente kommt nur der von der Quelle Siloah 1100« entfernte und mit ihr durch einen Kanal verbundene Teich Siloah sAbbildung s. auf nebenftehender Seitel) in Betracht (Luk.13,4; Joh. 9, 7). Weiter nach Westen zu zieht dann der, dem Berge des Aergernisses gerade gegenüber liegende Berg des bösen Raths mit der, an dessen Nordostabhange befindlichen Stätte Hakeldama unsre Aufmerksamkeit auf sich. Auf jenem Berge wird ein Landhaus des Kaiphas gezeigt, und soll dies der Ort sein, wo die Juden den ersten Beschluß faßten, Jesum u tödten (Joh. 11, 27 ff.); Hakeldama aber oder der B utacker ist der für Judas Blutgeld gekaufte und ZumBegräbniß der Pilger bestimmte Töpferacker (Kap. 7, 7 f.; Apostg l, 18 f.). Die Richti keit der Annahme, daß dies die Stätte sei, dürfte wo l keinem Zweifel unterliegen, da noch jetzt in der Nähe des Platzes ein weißer Thon gegraben wird und» auch das in Jer. 19, 2 erwähnte Ziegelthor, sowie die Töpferei in Jer. 18, 2 ff. nach dem Hinnomthale uns weisen, unter dem Töpferacker also eine von den Töpfern zu Jerusalem ausgebeutete Thongrube sich verstehen läßt, die deshalb auch nur einen so geringen Kaufpreis kostete. g. Jndem wir uns jetzt nordwestlich hinüber wen- den nach dem südlichen Theil des Zionsberges, so ist zunächst zu bemerken, daß das alte Jerusalem mit seiner Mauer hier weiter herabreichte als das jetzige; wir haben also noch vor dem Zionsthor selber als einst zur Stadt gehörig auch den Platz anzusehen, wo das Grab Davids liegt, über welches schon zu l. Köm Z, 10 das Nöthige bemerkt worden iß. Es liegt etwas Sin- niges darin, wenn die Legende über diesem Grabe das Coenaculum oder den Saal, wo der HErr das heil. Abendmahl eingesetzt habe und wo dann auch die Ausgießung des heil. Geistes erfolgt sei, er- richtet sein läßt; zugleich gewinnen die Worte des Petrus in Apostg. 2, 29: ,,David ist gestorben und be- rabeu, und sein Grab ist bei uns bis auf diesen Tag« Hierdurch eine besondere Bedeutsamkeit; aber gerade da- rin liegt auch die Erklärung, wie man darauf gekom- men ist, die Stätte hierher zu verlegen, während in Wirklichkeit dieselbe jedenfalls wo anders lag. Unmittel- bar hinter David’s Grab liegt der Tradition zufolge das Haus des Zohenpriesters Kaiphas (i), wo Petrus den H rrn verleugnet habe, was aber ebenfalls der Wirklichkeit nicht entspricht, sondern nur einen sinnvollen Gedanken verkörpern Wir geben folgends auf Seite 311 nach Jahnts bibl. Archäologie die An- sicht des Hofes eines Hauses in Jerusalem, welche zur Veranschaulichung dieses hohepriesterlichen Palastes die- nen mag. Treten wir nunmehr zum Zionsthore ein, so haben wir zur Rechten an der Mauer die elenden Hütten der Aussätzigen (h); es sind das jene er- armungswtirdigen Menschen, die, wie oben bemerkt wurde, in den engen Straßen der Stadt umherhocken und bettelnd ihre zerfressenen Angesichter und abgedor- reten Arme den Vorübergehenden entgegenstreckem Nicht weit von den Hütten erblicken wir (bei J) ein arinenisches Nonnenkloster mit einer besonderen Kirche an der Stelle errichtet, wo das Haus des Hannas gestanden haben soll. Wir befinden uns hier bereits innerhalb des arme- nischeiiQuartiers (A) und fassen näher die weitläufigen Bauten des armenischen oder Zions-Kloß ers (Nr. U) in’s Auge, welches in seinen Höfen und äusern um die Osterzeit oft mehrere tausend Pilger be erbergt. Links an der Stadtmauer gegen die Davidsburg hin zieht sich der Klostergartew das Hauptheiligthum aber ist die mit dein Kloster verbundene Kirche Jakobus des Ae!- teren, an der vermeintlichen Stätte seiner Entlauptung (Apostg. 12, 1 f.) erbaut. Nördlich von die en heil. Stätten der Armenier haben wir zu unsrer Lin«:en, nach dem Jafsathore zu, die Citadelle der Stadt (Nr. I) mit dem sog. Davidsthurm oder dem Hippikus (2.Sam. 5, 9 Anm.), zur Rechten aber, in der Nähe des Thurms Beschreibung von Jerusalem (Schluß): Der Oelberg und Gethsemanr. 309 verdankt ihre Entstehung der Anregung des preußischen Königs Friedrich Wilhelm’s IV» er auch das dortige Phasaölis (Nr. 2) und wohl an derselben Stelle, wo anglikanische Bisthum mit 100,000 Thlr. ausgestattet erodes der Gr. seinen prächtigen Palast sich erbaut atte (Schlußbem. zum 1. Maccabäerb Nr. 11, (I), die Gethsemane mit Geist-ca. Christuskirche mit der daran gebauten Wohnung des englischen Consuls (Nr. 4). Der Baustyl ist der moderne gothische, die Form der Kirche das Mein. Kreuz. Sie Teich Sikoatj hat; die Engländer haben. aber dem deutschen Pastor nur soviel gestattet, daß er jeden·2. Sonntag Nachmit- tags emen evangeL Gottesdienst m der Kirche abhalten 310 Evangelium Matthäi 21 , 12 — 1 8. durfte, und auch sonst ihm wenig Geltung angedeihen lassen, weshalb der Besitz einer eigenen Kirche, wie er jetzt in Aussicht sieht, gar dringendes Bedürfniß war. Was den Bau dieser, der deutsch-evang. Kirche anlangt, so ging man nach der Befitzergreisung des Bau-Terrains sofort an das Aufräumen der Stätte, wobei weit über 100,000 Fuhren Schutt entfernt werden mußten, und auch ganz merkwürdige Entdeckungen gemacht wurden. Kreuzgän e, mächtige Hallen, Bogengänge find ausge- deckt, un der wichtigste Fund daselbst war, daß eine vollständige Kapelle loßgelegt wurde. Sofort wurde beschlossen, dieselbe auszubauen; die Arbeiten sind vor Kurzem beendet und die deutsche Gemeinde kann nun einstweilen ihren Gottesdienst in dieser Kapelle abhalten, bis der Bau der eigentlichen Kirche ausgeführt sein wird. V. v. 12—22. (§. 102 u. 103.) idlatthüus berichtet hier wieder in jener kurzen, znsammenfassenden Weise, die wir skhon mehrmals an il)m bemerkt haben, und zieht die Begebenheiten von Jesu erstem Eintreten in den Tempel vom palmsonntag Abend an bis zu seinem Eintreten am ibiensiag früh in ein Gesammtbild zusam- men; aus dem Evangelio St. ellarri aber ergiebt net) der Vorgang genauer in folgendem Zusammenhange. Jtni palmsonutag, als der hGrr in den Tempel kam, besah er no) nur ersi die Zustände daselbst nnd kehrte Jlbends uns) sethanien zum llebernamten zurück; am folgenden Morgen, als er von dort wieder herüberkommi nun) Jerusalem, spricht er unterwegs seinen Fluch über den unfruehtbaren Feigeubaum aus, übt hierauf im Tem- pel sein prophetenamy indem er ihn reinigt, und lehrt nun das volle und heilt die Cleriden; nachdem er den Unwillen der Hohenuriesier und Schriftgelrhrten zurück— gewiesen, begiebt er sieh am Jlbcnd wiederum nun) se« thanien, und ersi am Vienstag früh, bei seiner aber- maligen Rückkehr nun) Jerusalem, scheu die Sänger, daß der Feigeiibanm verdorret ist, äußern ihr Befrem- den uud eins-fangen die Belehrung über die Macht des Glaubens. Mark. U, 1t——26; Lust. 19, 45—-48.) 12. Und Jesus ging sdurch das Thor Nr. 4 auf dem Bilde S. 341 zum Tempel Gottes hinein [und trat da zunächst in den Vorhof der Heiden; hier fand er den Unfug eines förmlichen Tempel- markts Kap. 4, 7 Anm., der schon beim Besuch des Osterfestes im J. 27 seinen Propheteneifer ent- zündet hatte Joh. 2, 13 ff., wieder in voller Blüthe] und trieb [nun, nachdem er die Nacht außerhalb der Stadt zugebracht und andern Tags beizeiten sich abermals im Tempel eingefunden hatte] heraus alle Verliiuser und Kiinser im Tempel, und stieß um der Wechsler Tische und die Stuhle der Tauben- ktiiuiet [und ließ nicht zu, daß jemand etwas durch den Tempel trüge Mark. II, 16]. 13. Und sprach zu ihnen: Es stehet [Jes.56, 71 geschrieben: Mein Haus soll ein Bethaus heißen [allen Völkern, und dieser Bestimmung dient es gerade mit dem Vorhof der Heiden, die hierher kommen auzubeten Apostg. 8, 27]; ihr aber [in frevelhafter Verachtung der Heiden ihren Vorhof für eine gemeine Stätte haltend und ihn dann weiter zu Werken gemeiner Gewinnsucht mißbrau- chendj habt [nach dem Wort in Jer. 's, II] eine Mbrdergrube draus gemacht sdaß nun auch am ganzen Tempel sich erflillen wird, was ihm in Jer. 7, 13 .f. gedrohet ist]. Es ist sehr merkwürdig, daß das erste und das letzte Mal, da unser HErr im Tempel gewesen ist seit feiner Taufe, er dort feinen Eifer kund gegeben hat gegen die Unehrerbietigkeiten und Entweihungem welche die Juden sich zu Schulden kommen ließen. (Quesneel.) An einem Passa beginnt er seine ofseiitliche Laufbahn· in Jerusalem, an einem Passa wird er sie daselbst beschließen; so stellt sich das Ende dein Anfang gegenüber, und Jesn Worte am Anfang (Joh. 2, 19. 2 ) weisen deutlich auf das Ende hinaus. (Luthardt.) Es kann keinem Zweifel unterworfen sein, daß die beiden Handlungen der Tem- pelreinigung ihren Zweck nicht in sich selbst tragen, daß sie vielmehr als shmbolische zu betrachten sind; nur eine oberflächliche Betrachtungsweise kann Mißbräuchq wie sie im äußeren Tempel stattfanden, für das nächste Objekt der Gegenwirkung halten. Daß Jesus bei dem letzten Passa genau wieder dieselben Uebelstände vorfindet, welche er beim ersten momentan beseitigt hatte, zeigt deutlich die Zwecklosigkeit seines Thuns, sobald die Be- deutung desselben in den äußeren Erfolg gesetzt wird. Beide Handlungen stehen offenbar in Beziehung auf Mal. 3., als die nur Verkörperungen eines doppelten Bildes bei diesem Propheten sind. Unter dem Bilde einer doppelten Reinigung des Tempels kündigt dasselbe eine doppelte Reinigung der Theokratie an. Zuerst er- scheint der Bote des HErrn und säubert den Weg vor ihm; dann erscheint plötzlich der HErr selbst, und der Bundesengel reinigt und läutert ie Kinder Levi und naht sich den Sündern zum Gericht. Der Heiland nun kündigt durch die erste Handlung an , daß iu ihm die früher durch Johannes den Täufer repräsentirte Jdee in ihrer höchsten Realität erscheine —- Gottes Gnade, welche die Sünder zur Buße ruft; durch die zweite, daß er jetzt die andere .Seite seines Wesens entfalten, nicht ferner als Prophet, sondern als HErr und Bun- desengel handeln, die hartnäckigen Sünder vernichten werde. Jn Joh. 2, 13 ff. liegt der reformatorische Character der Handlung am Tage; bei Matthäus da- gegen bildet die Tenipelreini un; den Anfang einer ganzen Folge von Reden, sym oli chen Handlungen nnd Gleichnissen, die sich alle auf denelben Gegenstand be- ziehen. Nirgends erscheinen in ihr die Pharisäer als Objekt resormatorischer Thätigkeit, überall die Rechnung abgeschlofsen, das Stäblein zerbrochen, das Urtheil ge- sprochen. (Hengstenberg.) S on einmal, beim Antritt seines Lehramtes, hatte Jesus er Profanirung des ei- ligthums gewehrt, damals zur Warnung und zum n- zeicheu dessen, was sie thun sollten, nämlich durch Buße und Umkehr die Linken bessern und das Zerfallene wie- der bauen; jetzt geschah die Ausfegung des Tempels zum zweiten Male, aber als Vorbote und Anzeichen der Reinigung durch das Gericht, die bald der HErr selbst vollziehen werde an der entweiheten Stätte. Dieser Sinn der wiederholten Handlung entspricht den Gedanken, mit denen Jesus nach Luk. 19, 41 ff. den Einzug ge- halten hatte. (v. Burgen) Ist. Und es gingen zu ihm sals er den übrigen Theil des Tages über das Volk lehrete Luk. 19, 471 Blinde und Lahme im Tempel [in demselben Vorhof, den er eben gereinigt hatte] , und et heilele sie sdas Haus des HErrn aus einer Mördergrube dazu die Juden es entweihet, nun wieder zu einem Hause der Barmherzigkeit heiligend Jes. 35, 5 ff.]. 15. Da aber die Hoheupriester und Schrist- gelehrten sahen die Wunder, die er san den Kranken Der HErr reinigt den Tempel, heilt Elende und straft den Unmuth seiner Feinde. 311 und GebrechIicheUJ that, und szum deutlichen Be- weis, wie sehr er damit die Herzen für sich ge- wann, daß ihrer immer mehr an ihn, als den nun erschienenen Messias, gläubig wurden] die Kinder [den Freudenruf des Volks vom vorhergehenden Tage wiederholend V. 9] im Tempel schreien und sagen: Hosianna, dem Sohn Davids! wurden sie süber die so rasch und so weit um sich greifende Begeisierung für den so sehr von ihnen GehaßteUJ entrüstet lJoh. 12, 19], 17. Und er ließ sie da sverdutzt und voller VerlegenheitJvas ste ihm antworten sollten], nnd ging [da es nun schon Abend war] zur Stadt hinaus gen Bethanien sgleichwie er das schon am Abend zuvor nach dem königlichen Einzug am Palm- sonntage gethan hatte Mark. II , 11] und blieb daselbst szur Herberge mit den zwölfen]- Jesus hat, sonderlich seit Kurs. 20, 17 f., beständig die Schrift im Sinne und Zwandelt seinen Gang auf allen Schritten beim Licht ihrer Weissagung (Stier.) 16. Und sprachen zu ihm sgleichwie sie schon gestern ihn aufgefordert hatten, dem Volksjubel zu wehrt« LUE II, 39 f·Jt Hörest dn auch, was diese sagen [und willst du stille dazu schweigen, daß solche Unmiindige dir eine Ehre anthun, die noch von den Obersten keiner dir zuerkannt hat Jvh- 7- 4812 Jesus sprach zu ihnen: Ja kich höre es wohl, was diese sagen, und nehme damit von derselben Seite her die mir gebührende Ehre in Empfang, von welcher auch mein Vater seinen Widersachern gegenüber sie nimmt]; habt ihr nie gelesen [was in Pf. 8, 3 nach dem Wortlaut der griech. Uebersetzung in Beziehung auf Gott gesagt wixd]: Aus dem Munde der Unmündigen und Sauglinge hast du [dir] Lob zugerichtet? sz os emsases Jerusalem. Gott bereitet sich oft ein Lob aus dem Munde unmün- diger und kaum geborner Kinder gegen Alte und Miit:- dige, die seinen Namen entehren, aus dem Munde einer jüngeren Generation, die noch nicht in Amt und Wür- den steht, egen eine absterbende Generation der Väter, die selbst i ren amtlichen Beruf, den HErrn zu loben, verleugnen. (P. Lange) Wenn die zarteften Kinder und Siiuglinge Gott loben« so tiinnenfie auch itber unsern Begriss beten; und es ist» kein Zweifel, sie können auch glauben, und glauben wirklich nach dem Wort des HErrn m Kap. 18, 6. (Canstein.) 18. Als er aber des Morgens wieder [oon- Bethanien aus] in die Stadt ging [doch war es nicht erst am Morgen des Dienstags, sondern schon am Morgen desselben Montags, an welchem das in V. 12—17 Erzählte oorsiel], hungerte ihn [auf dem Wege den Oelberg herab, denn er hatte 312 Evangelium Matthäi 21, 19—23. in Bethanien sich nicht die Zeit genommen, sein Morgenbrod zu genießen, sondern war in seiner Sehnsucht, zu wirken, so lange es Tag ist Joh. 9, 4., ungessen von dort ausgebrochenL 19. Und er sahe einen seinzeln dastehenden — auf dem Worte ,,einen« liegt nach dem Grundtext ein Nachdrucb so daß genauer zu schreiben wäre: Einen] Feigenbauiu an dem Wege und ging [weil der Baum schon reich mit Blättern bedeckt war und darum sich voraussehen ließ, es würden auch Früchte an ihm zu finden sein, obwohl es sonst noch nicht Zeit war, daß Feigen sein sollten Mark. 11, 13] hinzu und fand stwtz der so berechtigten Erwartung, hier für seinen Hunger etwas vorzu- sindenJ nichts daran, denn allein Blätter, uud sprach zu ihm [nicht aus Unwillen über den Baum, fon- dern weil derselbe ihm sofort zu einem Bilde Je- rusalems und des jüdischen Volkes ward, dem er das bevorstehende Gericht der Verwersung in seinen heutigen Lehren anzukündigeii hatte]: Nun wachse auf dir hinfort nimmermehr keine Frncht swegen der doppelten Verneinung vgl. die Bem. zu Pf. 140, 11]..Und der Feigenbauin verdorrete alsbald snachdem der HErr mit den Zivölfen weiter ge- gangen war]. 20. Und da das [am andern Morgen, also Dienstag früh, wo Jesus wieder von Bethanien her an der Stelle vorbeikam] die Jünger sahen sdaß der Feigenbaum verdorret war bis auf die Wurzel Mark. 11, 20], verwunderten sie sich und sprachen [iiidem Petrus den Wortführer machte Mark. 11, 21]: Wie ist der Feigenbaiim so bald verdorret sdaß ei: heute schon ganz dürr dasteht, nachdem er gestern noch ooll grüner Blätter war]? Matthäus, ohne Rücksicht auf die dazwifchen sallen- den Zeiten, erzählt die Reinigung des Tempels sogleich nach dem Einzug, in Verbindung mit dem ersten Betreten des Heiligthums durch Iesum, und verbindet nachher die Verfluchung des Feigenbaums so- · ·ch mit dem von den Jüngern wahrgenommenen Er- folg nnd ihren Aenßerungen darüber: die sachliche Zusamniengehiirigkeit bedingt beide Male seine Darstel- lung, die Zeitfolge tritt ihm daneben zurück. (v. Burger.) In Betresf des Feigenbaums hat er die zwei Momente der Begebenheit m eins zusammengezogen, um das Be- deutungsvolle der ganzen Handlung mehr hervortreten zu lassen; dabei hat er zugleich die Verhandlungen am Monta selber der Verfluchungsfcene am Morgen vor- ausgeschickt, weil er erst das Gegenbild des uufrucht- baren Feigenbaums, die Hohenpriester nnd Schriftge- lehrten in ihrem un länbigen Verhalten vorftthren wollte. (P. Lange.) Der Feigenbaum wurde in Palästina sehr häufig und fleißig gezogen und den vornehmsten Produkten desselben beigezählt, wie denn die vorderasim tischen Länder überhaupt der eigentliche Sitz dieses Cul- tnrgewächses sind. Er hat handföruii e, fiinflappige, oben rauhe und dunkelgrtine, unten ivei e und fein be- haarte Blätter und einen glatten, mit rauher Rinde be- legten, doch nicht völlig geraden Stamm, dessen Zweige reichlichen und angenehmen Schatten geben, daher man sich gern unter den Feigenbäuuieii behaglicher Ruhe tiberließ (I. Kön. 4, 25; Micha 4, 4; Stich. B, 10; seh. l, 49. 51); die Nabbinen siudirten darunter wie in einer Gartenlaubm Die Blunien liegen in einer fleischigen Hülle verborgen, welche an den alten Zweigen (in Palästina Mitte März) her-vorkommt (Hohel. 2, 13); nicht alle Blumen sind jedoch zwitterartig Die blos weiblichen werden gewöhnlich durch die Feigengallwespe befruchtet, welche ihre Eier in die Blüthen der männ- lichen (wilden) Feigenbäume legt; die auskriechende Brut fliegt, mit dem Blüthenstaube bedeckt, zu den weib- lichen Blüthen und bewirkt durch ihren Stich deren Be- fruchtun . Sehr gedeihlich wachsen die Fei enbäunie an Landstra en und We en, indem der Stau sals absor- birendes Gegengewi t ge en den zu starken Andrang der Säfte) ihre Fruchtbar eit befördern soll. Von den Feigen selbst, die eine sehr gewöhnliche und beliebte Speise waren, kennt man im Orient 3 Arten: Udie Frühfeige, die nach einem gelinden Winter schon im März ansetzt und Ende Juni reift; sie fallen von selbst oder auf gelindes Schütteln ab und werden als Erfri- fchung sehr geschätzt; Z) die Sommerfeige, Karniuse, die Mitte Juni ansetzt und im August zur Reife kommt; man pflegte sie zu trocknen und in kucheuartige, runde oder auch viereckige Massen zu formen (1. Sam· 25, 18 Anm.); Z) die Winterfeige oder spätreifende Kar- muse, die erst, nachdem der Baum schon entblättert ist, reif wird und bei gelindem Winter bis in’s Frühjahr hängen bleibt; sie ist länger als die Sommerseige und hat eine dunkle, violette Farbe. Hiernach trägt der Feigenbaum einen großen Theil des Jahres hindurch, efonders in milden Gegenden; doch fordert er auch, wenn die Feigen gut gerathen sollen, viele Pfle e. (Winer.) Bekanntlich setzt der Feigeubanm erst Frtt te an und treibt dann die Blätter; Jesus erwartete daher, weil der hier in Rede stehende Baum belaubt war, auch schon Früchte daran, namlich frtjhreife Boccoren (vgl. das über die Frühfeige Gesagte), deren regelmäßige Reise erst im Juni eintritt» Die Verflachung des Ban- mes kann nur eine prophetisch ksymbolische Darstellung der Strafe sittliiher Unfruchtbarkeit sein, wie siemsonders dem jttdischen Volke bevorstand und jetzt, an der Schwelle seines Todes, mit feierlichem Ernst verkttndigt werden sollte. Zwar giebt er eine derartige ausdrückliche »Er- klärun nicht; aber dies Bedenken erledigt sieh theils dadnr , daß die Frage der Jünger in V. 20 eine solche nicht veranlaßt hat, theils durch die ganzen folgenden Strafpredigtem welche als beredter Commentar zu dem schweigenden vertrockneten Feigenbauny dessen Sprache aber eine ernste Zeichensprache ist, dastehen. (Meyer.) Der Baum war ein unfruchtbarer, der nur in’s Laub trieb, versprach Außerordeutliches und hatte doch nichts, wie damals alle Bäume. Da sprach der HErm »so esse von dir niemand rucht mehr ewiglichl« Er sprach’s im Bewußtsein un Willen, daß der angeredete Baum seinem Wort gehorchen werde und müsse; das ernste Macht- und Wunderwort brach als ein Blitzstrahl des» Gerichts hervor aus der Tiefe seiner Gedanken, die jetzt in und bei allem nichts anderes dachten, als das nn- aufhaltsam kommende Gericht über das Volk Gottes. So wirkt er das einzige Stra Wunder, das wir von ihm wissen (denn in Kap. 8, 0 ss. war nicht Strafen, sondern Erlauben die Sache), aber nur im Sinnbild an einem Baume, zum Zeugniß für die Menschen. Schon in Luk. 13, 6 ff. hatte der HErr das in den Propheten (Hof. I, 107 Joel l, 7) vorbereitete Gleichuiß ausge- sprochenx daran erinnert fein jetziges prophetisches Thuu ZBULLTJLT genug, Wort und Heuehelwerh als sei wirklich Israel, wozu es berufen se , das früh vor allen Völkern wunderbarlich gereifte Volk Gottes, aber keine Fruchtl War in dem erwähnten Gleichnisse des HErrn mit des Täufers Wort vom letzten Gericht des Ab- Verflachung des Feigenbaums Ueber die Macht des Glaubens. 313 hauens die Rede, so tritt uns hier der Fluch bleiben- der Uns rnchtbarkeit als ein erstes Gericht entgegen: isks nicht so, daß der HErr zuvor die beharrlichen Slinder nur mit Dahingeben und Ueberlassen an ihre Sünde, mit Verwersen nnd Verlassen strafen kanns« Ein merkwitrdiges Prophetenwort (Hesek. 17, 24) redet auch so davon: »ich, der HErr, habe den grünen Baum ansgedorret und den dürren Baum grtinend gemacht« (Stier.). Die Jtinger fragen ni t nach dem Sinn der Handlung, sondern drltcken nnri re Verwunderun ans, wie es doch zugegangen, daß der Baum so fchne ver- dorretx denn die Menschen bleiben insgemein bei Be- trachtung der wunderbaren Begebenheiten in der Welt an dem hangen, was davon äußerlich in die Augen fällt, und erwägen nicht die Unsichtbare Kraft Gottes und seine Regierung: Ies.5,12; Pf. 90, 9. (Canstein.) 21. Jesus aber antwortete und sprach zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch, so ihr Glauben habt [an Gott Mark. U, 22], nnd nicht zweifelt sdasz das, was ihr im Augenblick wollet, nicht euer eigener, sondern sein heil. Wille sei], so werdet ihr nicht allein solches [wie von mir] mit dem Feigen- batun [geschehen] thun; sondern» lvielGrößeres noch Joh. 14, 12., daß z. B.] so ihr werdet sagen zu diesem svor uns liegenden] Berge [auf ivelchem der Tempel steht, darum, weil er eurer Wirksamkeit zur Ausbreitung des Reiches Gottes hinderlich in den Weg tritt]: Hebe dich aus svon dieser deiner Stelle, daß das ganze jüdische Tempelwesen auf einmal ein Ende nehme] nnd tvirf dich in’s Meer ldaß das ausgeartete theokratische Judenthum fort- an in’s große Meer des Völkerlebens gestürzt werde], found-s geschehen [Kap. 17, 20]. , 22. Und swie es in Beziehung auf den in Rede stehenden Fall mit Jerusalems Tempel und dem verstockten Judenthum sich verhält, so auch in allen andern Beziehungen eures geistlichen Lebens und apoftolischen Wirkens] alles, was ihr bittet im Gebet, so ihr glaubet sdaß es euch zu Theil werden müsse, welcher Glaube freilich nicht von Fleisch und Blut kommt, sondern allein von Gottes Geist im Herzen bewirkt wird I. Kön. 17, 21 Aum. 2], so werdet ihss em sahen [Joh. «, 13 f.J. s ist das Wort in V. 21 nicht nur Sprichworts- weise geredet, sondern auch smnbildlicher nnd rophetischer Weise: ihr werdet nicht nur den Fluch ti er den un- fruchtbaren, obwohl blätterreichen Judenbaiim bringen, sondern auch zu diesem Tempelberge sagen: hebe dich, werde zerstört, wies dich in’s Meer, dein Volk werde unter das Meer aller Heiden zerstreut; und es wird geschehen. (Ttib. Bib.) Jn V. 22 redet der HErr ohne Bild und ohne Beziehung aus den besonderen all, und nimmt nichts aus, was nicht dem glänbigen ebet erreichbar wäre. Der Glaube aber ist seiner Sache ge- miß, weil er auf Gottes Wort faßt: wo ich an kein solches Wort, auf keine göttliche Verheißung un An- weisung mich sttitzen kann, da kann ich auch mit der er- forderlichen Glaubensznversicht nicht beten. Hiemit ist aber die einzige Schranke des gläubigen Gebets genannt; eine solche, die lediglich in der Größe oder Schwierig- keit des zu Erbittenden bestünde, iebt es nicht. (v. Burgen) Nur im Geiste der Vers« nung mit allen Menschen können sie also im Segen beten, also nie egen einen Menschen, nie zum Schaden irgend einer eele, eines Lebens, daher der Zusatz in Mark. U, 25 f. (P.Lange.) Gott giebt’s gewiß, was wir gebeten haben, aber u seiner Zeit und gar manchmal in andrer Weise und eftalt, als unser Bitten es verstand; denn sein Erhören ist ein wahrhaftiges, eben darum tiberschwäng- liches iiber unser Bitten und Verstehen (Ephes. Z, 20). Da übersehen und versäumen wir denn leider vielmals das rechte Empfangen; wir hatten Glauben zum Bitten, und haben oder halten ihn doch nicht fest zum Nehmen, wie an der merkwürdigen Geschichte von Petri Errettung (Apostg. 12, 15) zu sehen. (Stier.)- VI. V. 23—Kap.22,14. (§. 103 u. l04.) Als der hGrr an diesem Dienstag im Tempel erscheint, wird er tu seinem kehren des dottio von einer Deputatton des tjohenratho mit der Frage nach seiner Vollmacht zu der Reinigung des Tempels, die er gestern sich erlaubt hat, unter- brochen; zuvor aber ivtll er voii ihnen Antwort auf eine Frage seinerseits, ob Sohannio Taufe vom Himmel oder von den Menschen war, denn du- muhte wirtitich erst beantwortet sein, weiiu seine Vollmacht erörtert werden sollte All. 23——27). von dieser-Abwehr ihren Angriffs schreitet er dann schnell zum Angriif gegen sie selber vor und hält Abrechnung uiit ihnen in drei Gteichuisscin »Das erste W. sit-Bis) wirft diesen geistlichen Häuptern vor, daß sie gegen den Tciiiser trohig blieben, während die Jöllnrr iind huren sich beugten; auch das zweite w. 33—46) malt die Häupter, aber wie ne von Alters her die Propheten niifzhaudelteu und jetzt ihn, den Sohn Gottes und König des Reiches, zu tödten vorhalten; das dritte Gan. 22, 1—14) redet von des ganzen Volkes Schild, nnd zwar gegen die Boten deo Evangelium. Jni l. ist die Spitze der Grimm, daß solchen Menschen Jesus tieine Verantwortung schuldig sei, ini L. und Z. die Wegnahme des Reiches Gottes von Jst-act« Wut. mark. U, 27——12, U; statt. 20, t—19.) 23. Und als et sum die Zeit des Morgen- opfers, Vormittags 9 Uhr Apostg. 2, 151 in den Tempel kam, traten zu ihm, als er knach been- digtem Opfer im äußeren Vorhof nun] lehrete fdas um ihn sich sammelnde Volk], die Hohen- priefter nnd die Aeltesten im Volk sAbgeordnete des Hohenraths, wie in Joh. 1, 19 ff» nur daß die Abordnung hier noch feierlicher gehalten war und an ihrer Spitze vielleicht der Hohepriester Kaiphas und sein Schwiegervater Hanuas selber stunden] Und sprachen [ihn in seinem Lehroortrage unter- brechend]: Aus [waser, d. i.] tvas fåt Macht [oder kraftwelcher Vollmacht] thust du das swas du ge- stern hier im Tempel vorgenommen V. 1212 nud wer hat dir die Macht Dazu] gegeben sdich so als Herrn des Tempels zu geriren]?. Mehr als die Menge, die dadurch in ihrem Verkehr und Getreibe gestört wurde, mehr als die Tanbenkrämer und als die Wechslen denen er die Tifche mit Geld umwars, hatte jene Handlung des HErrn die Hohen- priester und Schriftgelehrten entrüstet, die wohl fühlten, daß es ihre Schuld sei, daß ein solcher, den Tempel und das Fest entweihender Mißbrauch unter dem Volke ein- gerissen; was sie, durch seinen Zorn erschreckt und durch die Ehrfurcht, womit das Volk um ihn her dastand, znriickgehaltem nicht gleich nach der That auf der Stelle thiin mochten, das thaten sie jetzt, mit einer gewissen 314 Evangelium Matthäi 21, 24—-30. Zeierlichkeit begaben sie sich zu ihm, als er eben im euipel ruhig lehrete, und unterbrachen seine Rede mit ihrer Frage. Geflissentlieh erwähnen sie alles dessen nicht, was Jesus bei jener Handlung im Tempel gesagt; absichtlich thun sie, als habe er sieh über sein Recht zu solchen Handlungen noch nie erklärt; ja, sie lassen nicht einmal das Prophetifche feines Lebens und Wirkens ans- gemacht und entschieden sein, fragen vielmehr, als wenn sein Propheten-Verhältniß zu Israel noch sehr ver- dächtig und ungewiß, noch nie in gehöriger Weise liber- zeugend erwiesen sei, als wenn ihnen von dem Zeug- nifse der Weissagnng des alten Testaments und der er- füllenden Uebereicistimmung der Person Jefu Christi und seiner Geschichte mit diesem Zeugnisse eben so wenig etwas bekannt geworden, als von dem Zeugnisse des Johannes seinetwegen, und als hätten sie von all den Werken seines Vaters, von all den Wundern und Thaten, die er nun Jahre lang gethan, bis zu der kürzlich ge- schehenen Auferweckung des Lazarus und der Heilung der Blinden und Lahmen und Elenden gestern (V. 14) nichts gehört oder gesehen. (Menlen.) Jhr Auftreten ist leidenschaftlich vorbereitet, denn sobald der HErr wieder im Tempel sich niedergelassen, sind sie schon zur Stelle; ihre Anfrage ist feindlich in ihrer Absicht, mit ihrer Auetorität wollen ihn die Widersacher nnterdriicken, daher unterbrechen sie ihn auch in seinem Lehrgeschäft selbst; die Form der Anfrage aber ist amtlichckheokratifch neutral ge alten, insofern die jüdischen Oberen ein Recht hatten, einen Mann, der prophetische Akte austibte, nach seiner prophetischen Beglaubigung zu fragen, aber auch in dieser scheinbar berechtigten Form tritt der Un laube in schamloser Frechheit hervor, es ist die höchste mpö- rung selbst im Gewande höchster Lohalität Die beiden Fragen, die sie thun, sind nicht gleich: die »erste fragt nach seiner eigenen Anetorität oder nach dem prophe- tischen Titel, unter dem er austreten will; die andere fragt nach der Anctoritätz von welcher er die seinige ab- leitet oder die ihn beglaubigt hat. Anzudenten scheint diese zweite Frage, daß ihre Autorifation ihm versagt sei; mit der ersten aber wollen sie ohne Zweifel ihm hier schon dieselbe Erklärung abgewinnen, welche sie in Kap. 26, 63 ff. ihm zum Todesverbrechen machen. (P. Lange) 24. Jesus aber [statt die von ihnen beabsich- tigte Selbsierklärung zu geben] antwortete und sprach zu ihnen: Jch will euch auch ein Wort [in Beziehung auf einen einzigen Punkt] fragen; so ihr mir das saget [Bescheid darauf gebet·], will ich euch auch sagen, ans was sur Macht ich das thue [denn zuvor mussen wir mit einander über jenen Punkt in’s Reine kommen, ehe wir über diesen verhandeln können]. 25. Woher [dies die Sache, um die es stch handelt] war die Taufe Johannis [die vor 2—3 Jahren eure Aufmerksamkeit so erregt hat, daß auch ihr zu ihm hinausgegangen Kap. Z, 7 ff.]? war sie vom Himmel [so daß Johannes für einen außerordentlichen Gesandten Gottes erkannt werden muß, der mit seiner Taufe einen göttlichen Anf- trag erfüllt hat], oder von den Menschen [so daß er nur aus eigenem menschlichen Gutdünken etwas angefangen, wobei menschliehe Volksgunst eine Zeit- lang ihm zu Hilfe gekommen, bis menschliche Un- guust seinem Wirken ein Ende maehtejs Da ge- dachten sübeclegtenj sie bei sieh selbst und sprachen [indem sie auch unter einander fiel) beriethen, was sie zurAntwort geben sollten]: Sagen wit [wie wir dem Sachverhalt gemäß Joh. 1, 6 u. 23 doch eigentlich sagen müßten], sie sei vom Himmel gewesen, so wird er zu uns sagen: Warum [wenn er von Gott gesendet war und einen göttlichen Auftrag mit seiner Taufe erfüllte, wie ihr ja selber eingestehetj glanbtet ihr ihm denn nicht [in dem, was er euch bei seiner Taufe sagte von einem, der nach ihm komme und stärker sei, denn er Kap. Z, 11 f.]? M. Sagen wir aber [wie wir gern mdchten, um solchem Vorwurf zu entgehenjjsie sei von Menschen gewesen [und habe darum Johannis Zeugniß auch weiter keinen Werth, als daß in ihm wieder einmal ein Schwärmer das Volk mit falschem Trost in Aufregung gebracht], so müssen wir smit einem so herabsetzenden Urtheil] uns vor dem [umstehenden] Volk fürchten [daß das nicht Steine vom Boden aufhebe und auf uns als Gotteslästerer werfe Joh. 8, 59; Luk. 20, 6]; denn sie hielten [nach anderer Lesarn halten] alle Johannes für einen Propheten [Kap. 14, 5]. 27. Und sie antworteten Jesn snachdem sie unter einander einig geworden, wie sie aus dieser mißlichen Lage sich helfen sollten] und » sprachen: Wir Wissens nicht lköiinen weder behaupten, d·aß des Johannes Taufe vom Himmel gewesen, noch wollen wir’s in Abrede stellen; diese Sache muß als eine osfene Frage behandelt werdens Da sprach et zu ihnen [die mit dieser erheuchelten Unwissew heit, mit diesem in der Sehwebe Lassen einer so hochwichtigem über die ganze Zukunft entscheidenen Angelegenheit ihr Recht, als geistliche Oberbehörde des Landes mit ihm zu verhandeln, verwirkt hatten nnd blos als lauernde Widersacher ihm gegenüber- stztndenh So sage ich euch anch nicht, ans was sur Macht ich das thue [ich will nun meinerseits diesen Punkt ebenfalls in der Schwebe lassen, es mag dabei bewenden, daß ihr wenigstens in euerm Herzen wisset, wie sich’s damit verhält]. Jn zwiefacher Hinsicht ist die Frage nach dem Ur- sprung der Taufe Johannis hier am Platzei in for- meller Hinsicht, weil das Auftreten des Johannes ebenfalls ein solches war, wovon jene Zionswächter nach der amtlichen Befugniß, die sie sich beilegten, Kenntnis; nehmen und ein Urtheil über seine Berechtigung sich bilden mußten; aber anch in fachlicher Hinsicht, denn Johannis Sendung war ein Zeugniß für Christum, nnd von der Anerkenntniß der ersteren war darum die Anerkenntniß Christi nicht zu trennen. (v.Bnrger.) Die eben so tiefe als kluge Antwort des HErrn in feiner Gegensrage war den Fragenden wie ein scharfes drei- schneidiges Schwert; sie mußten sich daran verwunden, sie mochten es anfangen wie sie wollten, mußten selbst Beschämun über sich bringen, sie mochten antworten wie sie wo ten, oder auch ar nicht antworten. Das fühlten sie auch alsobald, un von Verlegenheit, Be- fchaniung und Furcht bestürmt und verwirrt, antworten sie: Wir wissen es nicht. (Menken.) Sie sollten zuvor Frage des Hohenraths nach Jesu Vollmacht und des HErrn Gegenfrage über Johannis Taufe. 315 sich darüber erklären, ob sie die prophetische Auctorität des Johannes anerkannten, ob sie ihn mit seiner Taufe als den von Gott gefandten Herold des Himmelreichs und des Messias gelten ließen; davon hing f eine Er- klärung ab. Wenn sie nämlich den Johannes aner- kannten, dann wären sie noch eine legitime theokratische Behörde, welcher er in Angele enheiten des Reiches Gottes Rede stehen follte nnd wo te; verwarfen sie aber die Auctorität des Johannes, so ließ er sie war noch als die hierarchifchen Gewalthaber im Lan e gelten, allein als die berechtigteii Verwalter der alttestament- lichen Haushaltung konnte er sie nicht mehr anerkennen und brauchte ihnen darum auch in einer Reichssrage nicht mehr Rede zu stehen» (P. »Lange.) Das wollen Hüter des Heiligthums sein, die da behaupten, über eine Sache, wie das Auftreten des Johannes, nicht in’s Reine gekommen zu sein! Aber so steht es mit ihnen: sie scheuen Gott nicht, aber das Volk, das sich seinen Propheten nicht antasten ließe, so wenig es ihm gehorcht wie es sollte. Wenn ihr aber von Johannes nichts zu sagen wißt, das meint die Antwort des HErrm wie wollt ihr llber mein Recht urtheilen? Also sagt er es ihnen nicht, und sagt es doch andeutungsweifu aus der Zeichen Quelle, wie Johannis Taufe, stammt auch meine ollmacht; ihr aber wisset nichts, weil ihr gleich dem Sohne, der Ja sagt und Nein thut, nicht wollt dem Vater gehorchen — das ist die böse Wurzel eures Un- glaubens, die böse Frucht aber wird sein, daß ihr Ver- derber des Volks, ihr heillosen Weingärtner im Wein- berge Gottes, des Vaters einzigen Sohn, der sich von allen Propheten unterscheidet, ermorden werdet in euerm Haß. (Rigsånbach.) 28. as bunket euch aber? sfuhr Jesus als- bald weiter zu fragen fort und hielt sie mit gött- liiher Gewalt noch eine Weile an seinem Munde fest.] Es hatte ein Mann zween Sohne, und [er, der Vater] ging zu dein ersten sd. i. dem einen von beiden] und sprach: Mein Sohn, gehe hin nnd arbeite heute in meinem Weinberge. 29. Er antwortete aber [frech und trotzig dem Vater allen kindlichen Gehorsam aufsagend Luk. 15, 12 —- in letzterer Stelle erscheint er je- doch als der jüngste Sohn]: Jch lvill’s nicht» thun swas du von mir forderst] Darnach sals bei günstiger Gelegenheit ein anderer Sinn sich seiner bemächtigte] renete es ihn sdaß er so schwer sich derstindigtL nnd ging svon seinem bösen Wesen sich rechtschasfen belehrend] hin sin den Weinberg und arbeitete auch wirklich darin] Obgleich von erwachsenen Söhnen die Rede ist, die allein Weinbergsarbeit leisten mögen, steht doch im Grundtext das zärtliche ,,Kinder, ind«, auf daß des Vaters Recht und Liebe desto stärker hervorleiichte Das Arbeiten im Weinberge bezeichnet hier noch die gleiche allgemeine Verpflichtung eines jeglichen, des, Zöllners wie des Obersten in Israel; im folgenden Gleichniß ist es dann amtlich gefaßt. (Stier.) Daß der eine Sohn als der erste bezeichnet wird, ist nicht so gemeint, als ob an diejenigen, welche der Erlöser dabei vor Augen hat, die Aufforderung von Seiten Gottes zur Arbeit an seinem Reiche früher, als an die Anderen ergangen wäre; sondern das Gleichniß bezieht sich auf zwei ver- schiedene Klassen des (auserwajhxten) Volkes (zu welchem Gott in dem Verhältnis Tisses Vaters stand) und auf die Weise, wie sie sich zum Reiche Gottes stellten, und soll durch die Unterscheidung des ersten und, des zweiten Sohnes nur das hervorgehoben werden, daß die einen vormals schienen un ehorsam zu sein, nicht geneigt, dem Willen des himinlif en Vaters zu gehorchen, die andern aber, die durch den zweiten Sohn dargestellt werden, folgsam, während es sich nachher anders zeigte. (Bleek.) Der zuerst trotzige, hernach sich besinnende Sohn steht darum voran als der erste, weil ihm nach V. 31 dies Vorangehen gebührt. (Stier.) Die Zöllner und Huren sind durch den ersten Sohn abgebildet; denn vor der Erscheinung des Johannes verweigerten sie Gott den Gehorsam, auf die Aufforderung, welche er im Ge- setz und in den Propheten an sie ergehen ließ, sagten sie thatsächlich: »ich will’s nicht thun,« aber als Johannes aufgetreten war, schenkten sie ihm Glauben, so daß sie seiner Predigt gemäß nun ihren Sinn änderten und sich dem Dienste Gottes widineten. (Meher.) Wen Jesus meint, ist klar: es sind die Zöllner und die groben, offenbaren Sünder in Israel, die lasterhaftesten und versunkenften Menschen im Volke, die durch ihr ganzes verderbtes Leben Nein sagten zu Gott und seinem Ge- bot, todt waren in Uebertretung und Sünden und völlig erstorben zu sein schienen ftir jede geistliche Anregung und göttliche Einwirkung. Jhr Verfahren versprach wenig oder gar nichts Gutes; und doch waren es ge- rade diese Zöllner und Sünder, bei denen die Predigt Johannis des Täufers sowohl als das Evangelium Jesu Christi den meisten und tiefsten Eingang fand. Sie, die laut und öffentlich erklärten, wir wollen von Gott und seinem heil. Gesetz nichts wissen, wurden von der einfachen Wahrheit des lebendigen Zeugnisses des Buß- predigers tief ergriffen, nahnien von ihm etwas mit, das sie gar nicht hatten mitnehmen wollen und dann nicht wieder los werden konnten, und bewährten es, daß zwischen dem Menschen und der Wahrheit es ein Verhältniß giebt, das nothwendig und ewi ist, und wie lange auch verkannt, wie oft auch über ört, doch zur guten Stunde sich geltend zu machen weiß. Genug, sie faßten nicht nur den Entschluß, ihren Sinn zu ändern und von dem rnchlosen Wege der Sünder umzukehren, sie änderten und befserten sich auch wirklich; je tiefer sie im Laster versunken waren, desto aufsallender und gründ- licher war ihre Bekehrung, desto inniger ihr Umgang mit Christo, so daß die Pharisäer bald spotteten: ,,diefer nimmt die Sünder an und isset mit ihnen« (Fr. Arndt.) 30. Und ek ging [nicht später als zum ersten V. 28, sondern gleichzeitig auch] zum andern nnd sprgich gleich halsto siiämlictx Påcezin Fogiij ggjeahtitii un ar ei e eu e in meinem ein er e . - lvortete aber sanders als jener, dem äußeren Schein nach zu urtheilen, doch hinter dieser, der Grobheit des ersteren sich gegenüberstellenden Feinheit desto ärgere Falschheit verbergend] und sprach: Herr, ja sich werde hingehen und arbeiten]; und ging sob- gleich er that, als ginge er schon, doch] nicht hin. Dei: andere Sohn, der auf die Aufforderung des Vaters antwortet: Ich Herr (so wörtlich nach dem Gråindtsxy inichGlegeigatzdzum iehrstegoSshik : tch wi een,i in’, er eor in ie ri - elehrten und Pharifäegy deren ganzes Reden und Ehun ein beständiges »Ja, Herr«, ein ftetes Vorgehen ist, als seien sie die eifri en und dienftbeflifsenen Jünger des Gesetzes; wie aber i r Gehorsam beschafsen iß, decki der HErr in Kap. Z, 20 ff.; 23, 3 ss. auf. (v. Burgen) In der Anrede » err« drückt sich die gleißnerische Unter- thiliiäigkeit Ins. (h eher? Dis gilhåriftsäer«uniåzSlkchizift- ee rten, ie o enprie er un e e en im o , ie seine, welche Fesus gerade vor sich hatte, unterschiedeii 316 Evangelium Matthäi 21, 31—34. sich wesentlich von den Zölliiern und Sündern; ihr Aeußeres war vielversprechend, viel besser, als bei jenen. Sie konnten sich rühmen, unsträflich zu sein nach dem Buchstaben des· Gesetzes und von den groben Uebertre- tungen, deren jene sich täglich schiildig machten, sich rein erhalten zu haben; sie beobachteten die Gebräuche des Cerimonialgesetzes auf’s Ptinktlichstex sie warteten den Gottesdienst ab, sie fafteten, beteten, aben Almosen die Menge —- wer sie blos äußerlich sa , mußte denken: welche fromme, ausgezeichnete Menschen sind das! welche Heiliåe in Jsraell Wenn irgend einer Ja sagte zu den esetzen des HErrn, so schien es bei ihnen der Fall zu sein; und doch stimmte ihr Jnneres nicht mit dem Aeußeren überein, sie sagten blos Ja, aber weder ihre Gesinnung, noch ihre Handlungsweise war Ja. Ueber- all Widerspruch , überall Schein und Maske, nirgends Geist und Gehalt! Das Schönste und Herrlichste selbst an ihnen war nur Pruuk: überall Tod, nirgend kein Leben! Als nun Johannes austrat, nahmen sie zwar Kenntniß von seiner Taufe und ließen ihn ungehindert Buße predigen den Zöllnern und dem Volk; aber sie selbst entzogen sich Unter allerlei Vorwand seiner ge- waltig richtenden und beschiimenden Biißpredigt, sie thaten weder Buße noch glaubten sie ihm. Und dasselbe galt von ihrem Verhältniß zu Christo überhaupt, wie von ihrer gegenwärtigen Frage und Stellung zu ihm: sie waren und blieben nichts, als boshaste, bewußte Heuchley und schlossen sich somit vom Himmelreich aus. (Fr. Arndt·) 31. Welche: unter den zweien [um meine Frage in V. 28 hier wieder auszunehmen] hat des Vaters Willen gethan? Sie [die Spitze, auf welche das Gleichniß hinauslief, nicht merkend, sondern ganz dreist mit der selbstoerständlicheii Ant- wort zufahrend, als ob nichts für sie dabei zu be- fahren sei] sprachen zu ihm: Der erste [der an- fangs zwar den Gehorsam verweigerte, aber dar- nach es sich gereuen ließ und nun doch noch hin- gings Jesus [nun mit rundem, eigentlichem Wort ihnen bezeugend, was er vorher bildlich ausgedriicktj sprach zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch, die Zollner nnd Hnren süber die ihr euch so erhaben dünket, wie der andere Sohn über den ersten mit seinem ,,Jch, Herr« sich erhob, als wäre er der rechte, ächte] mögen wohl eher in’s Himmelreich kommen, denn ihr [wörtlich: kommen euch zu- vor und gehen in’s Reich Gottes hinein, während ihr mit enerm Wesen draußen bleibt]. 32. Johannes kam zu euch nnd lehrete euch den rechten Weg [wdrtlich: kam zu euch oder trat aus vor allem Volk im Wege der Gerechtig- keit, den er euch nicht blos zeigte, sondern auch selber voranging, so daß er um so mehr für das, was er zu sagen hatte, hätte Glauben finden sollen], und ihr glaubte! ihm nicht [daß ihr euch hättet zur Buße wenden lassen, derer ihr so gut bedurstet, wie alle Andern, und hättet nun auch die Bot- schaft des Evangelii mit Heilsverlangen aufgenom- menjz aber die Zbllner und Hnreii glaubten ihm [indem sie in sich schlugen und zu Gott sich kehreten, wie der erste Sohn V. 29]. Und ob ihrs tvbhl sahet [wie Andere den von Johannes ihnen gewie- senen Weg betraten und sich bei mir, als dem von ihm verkündigten Heiland und Seligmacher ein- fanden]- thatct ihr dennoch nicht Buße [in Erkennt- niß eurer Ungerechtigkeit , welche die des andern Sohnes V. 30 :st], daß ihr ihm darnach auch swie 1ene] geglaubt sund euch mir zugewandt] hattet lfondern verstockt und verhärtet sieht ihr mir als Todfeiude gegenüber]. Viel möglicher ist’s, daß Huren und Buben selig werden, denn hoffärtige Heilige; denn jene müssen zu- letzt ihre Sünden fühlen, diese sterben in i rer eigenen Heiligkeit, wo sie nicht wunderlich beke rt werden. (Luther’s Randgld Gewaltig, furchtbar, unwiderstehlich ergreisend war die Rede des ernsten Propheten, wie eine zerstörende Fluth und wie eine verzehrende Flamme; alles nahm er dem Volke hinweg, nichts ließ er gelten als die Wahrheit im Jnnern der eigenen Seele und in der Tiefe des eigenen Lebens, deckte auf alle Hüllen der Gleißnerei, riß weg alle Schleier der Täuschung, zer- brach jeden Halt gemeiner Selbstgenügsarnkeit, zerschlug alle Stützen einer hergebrachten todten Rechtgläubigkeit nach menschlichem Zuschnitt ohne ·Geist und Leben —- nichts galt ihm, nichts genügte ihm als rechtschafsene Früchte der Buße. Er vernichtete mit Einem Wort allen salschen Trost und alle liignerische Beruhigung (Luk. 3, 8); doch sagt das Evangelium (Lnk. 7, 29): alles Volk, das Johannes hörte, und die Zölluer gaben Gott Recht. Diese aber, die sich für den unterrichtetem gebildeten und sittlicheu Theil der Nation hielten, und das gewissermaßen auch waren, wollten Johannes wohl Recht geben im Blick ans das Volk nnd die Zöllneiz aber keineswegs Recht geben wider sie selbst; sie mochten es wohl noch leiden, daß dem Volke und den Zöllnern solche Wahrheit gepredigt werde, aber sie fanden es un- erträglich, daß man auch ihnen mit solcher Wahrheit so nahe komme. Sich selbst entzogen sie mit mannig altigem, thörichtem und gleißendem Vorwande der beschämendem richtenden, Buße forderuden Wahrheit. Anstatt daß ihr Mehrwisfen, ihre vielseitigere Bildung, auch wohl ihre größere Sittlichkeit ihr Gemüth für ernste Wahrheit, für Wahrheit, die den ganzen Menschen von den tiefsten Gründen seines Wesens heraus, von der Wurzel an heilen nnd bessern, und ihn zum frohen und religen Verhältniß mit Gott führen will, hätte empfinglich machen sollen, nahm es ihr Herz dagegen ein und ver- schloß es dafür; es wurde i neu zum Netze und zum Balle, nnd war ihnen am Ende schädlichey als dem olke nnd den Zöllnem ihr Mangel an höherer Bildung und an feinerer Sitte. Sie traf in ganz voriiglichem Maße die Klage, die zu allen Zeiten einen großen Theil der Menschen trifft: sie erkennen die Gerechtigeit nicht, die vor Gott gilt, nnd trachten ihre ei ene Gerechtigkeit anfzurichtem und sind also der Gere tigkeit, die vor Gott gilt, nicht unterthan; denn Christus ist des Gesetzes Ende, allen, die an ihn glauben, zur Gerechtigkeit (Röm. 10, 3 f.). Diesen Weg der Gerechtigkeit hatte Johannes gezeigt, da er zu Jefu Christo hinwies (Joh. 1, W; Z, 35 f.). MS« e nun keiner von uns da- von gehen als ein eingebil eter Schristgelehrter oder blinder Pharisäer, der von allem, was Buße ordert, was beschämt und dem!ithigt, denkt, es sei ui t ihm, es sei nicht ihm, es sei nur Zöllnern nnd Heiden ge- sagt! Laßt uns der Wahrheit Recht geben wider uns selbst: das allein ist der Weg, ihres ichtes und Frie- dens theilhastig zu werden. (Menken.) 33. Höret [nachdem ich euch im Gleichniß von den beiden Söhnen euer Verhalten im Ein: Gleichniß von den beiden Söhnen als Spiegelbild der Pharisäer und Zdllnen 317 zelnen , gleichsam als Privatpersonen, und die Schuld eures hartnäckig sich verschließenden Un- glaubens vorgehalten] ein ander Gleichnisi [das euch in eurer amtlichen Stellung, als Oberste des Volkes, kennzeichnet und das, mit euerm Verhalten darin muthwillens heraufbeschworene Gericht Gottes euch vor die Augen malt]: Es war ein Haus- vater, der pflanzete fauf seinem Grundstück] einen Weinberg und fubrete swie davon schon in Jes. s, 2 die Rede ist] einen Zaun darum fzur scharfcn Ab- grenzung nach außen hin] und grub eine Kelter darinnen [zur Gewinnung des Mosks aus den Trauben], nnd banete einen Thurm szur Zier und Macht, vgl. Anm. 4 zu Jes. 5, 1 f.] und that ihn den Weingiittnern aus sdaß sie gegen einen Theil des Ertrags Las. 20, 10 ihn bewirthschafteten] und zog [indem er meinte , seinen Weinberg guten Händen anvertrauet zu haben, die ihm die Früchte zu rechter Zeit geben würden V. 411 uber Land [Kap. 25, 15; Mark. 13, 34; Lin. 19, 12]. Der göttliche Prophet Iesus Christus wußte wohl, was über ihn beschlossen sei im bösen Rath der Sünder und im heil. Rath des himmlischen Vaters; da hat er alle Blitzftrahlen der göttlichen Wahrheit, alle Feuer- flammen seiner heil. Liebe gleichsam noch zusammenge- bunden in eine hellleuchtende Fackel, hat wie mit ge- waltigen Hammerfchlägen noch an die verhärteten Ge- wissen gepocht und insonderheit seinen Widersacherw den Schrift elehrten, Hohenpriestern und Aeltesten, noch einen eil in’s versteckte erz treiben wollen mit seinen letzten Strafpredigtem ie ein züruender Prophet des alten Bandes, wie ein Elias oder Iesaias ist et« da hingesianden vor dieses verkehrte Geschlechtz ja vielmehr als der zukünftige Weltenrichter steht er da und leuchtet mit der Fackel der ewigen Wahrheit hinein in den Sündengrund der argen Menschenherzem und zurück in die Sündengefchichte dieses verkehrten Volks, und hin- aus auf den kommenden Siindenlohn, den der gerechte Gott ihnen aufbehalten. (Gerok.) Hat Jesus in V. 28 ff. seinen Gegnern ihre Unwtirdigkeit aufgedeckt, so thut er dies nun noch näher in einer andern Parabel, in wel- cher er ihnen mit hohem, feierlichen Ernst das große Maß ihrer Schuld gegen Gott, bis zur Tödtung des Sohnes, und ihre künftige Bestrafung ankündigt. (Meher.) Offenbar ist zunächst unter dem Weinberge das Reich Gottes im alten Bunde verstanden, und der HErr fchildert in kurzen, gedrängten Zügen die unermeßliche Fülle von Wohlthaten, welche Gott dem Volke Israel in den Tagen des alten Testaments erwiesen hat. Er pflanzte diesen Weinber , als er Abraham aus feinem Vater- lande Ur in C aldäa berief nach Canaan, als Stamm- Vater eines auserwählten, glänbigen Gottesvolks, dessen Zahl den Sternen am Himmel und dem Sande am Ufer des Meeres gleichen würde, Stammvater aller Gläubigen und insbesondere Stammvater Iefu Christi, des Weltheilandes zu werden. Abraham glaubte dem HErrn, und dieser Glaube ward ihm zur Gerechtigkeit gerechnet. Von Jakobs Kindern ward ihm in Egypten eine Nachkommenschaft-geboren, der bald die Grenzen Gosens zu eng wurden; ein Heer von drittehalb Millio- nen Menschen verlassen sie unter Mosis rettender Hand die Knechtschast Egyptens, und am Sinai in der Wüste angelangt führte der Hausvater einen Zaun um seinen Weinberg, d. h. er gab Israel sein heil. Gesetz mit allen feinen Vorschriften nnd Regeln —— dieses Gefetz, das Israel nicht nur unterschied, sondern auch ausschied von allen Völkern der Erde; dieses Gesetz, das Israel zu einem Vundesvolke machte und es schützte vor den Verheerungen des Götzeiidieiisies; dieses Gesetz, das ihm Vorzüge einräumte und Verheißungen mittheilte, wie sie einzig und nnvergleichlich dastehen in der alten Welt. Damit noch nicht zufrieden, grub der Hausvater eine Kelter in seinem Weinberge. Die Kelter ist der Ort, wo der Saft der Trauben ausgepreßt wird und durch den neuen, frischen Most die Arbeit und die Erwartung des Winzers fich reichlich belohnt: was kann sie anders sein, als der Tempel auf Morija mit seinen großarti en Gottesdiensten und der Brandopferaltar mit den tä lichen Opfern, dargebracht zur Vergebung der Sünde Da fand jedes mühselige und beladene Herz in Israel Ruhe und Erquickung, da s·trömte der Friede des göttlichen Worts in die fchmachtende Seele, die den Aussichten und Hoffnungen des Mesfias mit frohen Glauben sich hingab, und die Gewissenswunden wurden heil. Noch mehr: er bauete auch einen Thurm, eine Watte, um den Weinberg zu übersehen und zu schützen gegen den Andrang der einde. Es ist das offenbar die herr- schende bürger iche Gewalt im Lande. Gott giebt seinem Volke Vorsteher und Führer an feiner Statt: kaum ist Moses versammelt zu seinen Vätern, so übernimmt Josua das Herrfcheramt im Lande der Verheißungx kaum hat Iosua mit freudigem Bekenntniß feine Augen geschlossen, so sendet Gott feinem Volke Richter, Männer, die mit großen Heldenthaten es erlösen von dem Joch der Feinde und von dem noch ärgeren Joch des einge- drungenen Götzendienstes; kaum hat diese Periode merk- würdiger Erziehung ihr Ende erreicht, da läßt er sich noch tiefer zu ihrer Schwachheit herab und giebt ihnen nach ihrem Wunsche sogar Könige. So zieht und er- zieht er sie, wie nur ein Vater Kinder ziehen und er- ziehen kann: bleiben sie treu, so erfahren sie nichts als Segen; fallen sie ab, so sucht er sie heim mit dem starken Arm seines grimmigen Zorns; erkennen sie wieder ihre Sünde und flehen um Gnade, so öffnet er wieder feine Vaterarme und nimmt die reuigen Kinder an fein gnu- denreiches Herz. Endlich thut er diesen Weinberg den Weingärtnern aus, giebt ihm ordentliche Lehrer und Aufseher, die die Glieder einer Gemeinde mit Treue und Gewissenhaftigkeit na der erhaltenen Vorschrift warten und pflegen follen. Die ordentliche Reihe seiner Gottesthaten ifi nun vollendetx Israel hat, was es be- darf zu feinem Heile, Gesetz, Königthum, Gottesdienfh Priester und Führer, welche die Gesetze handhaben und dem Volke den Willen Gottes kund thun sollen. Der Pausvater zog daher über Land: Gott zog feine ficht- are Gegenwart zurück, um ihnen Anlaß zu geben, im Glauben und Gehorsam gegen feine Gebote ihre Dank- barkeii und Ergebenheit zu beweisen und zu bewähren. Lukas sagt: er zog über Land eine gute, lange Zeit; er ließ ihnen also Zeit, feinen Willen zu erkennen und zu thun, um in seine Pläne einzugehen. (Fr. Arndt.) Es war den Obersten, Hohenpriestern und Schriftges lehrten gleichsam die Kirche des alten Testaments ver- pachtet und ihnen vergönnt, daß sie allerlei Nutzen da- von ziehen konnten (Hebr. 13, 10); nur daß sie ihr Amt recht warteten· und darauf sähen, daß dem Haus- vater das Seinige nicht entzogen würde. (Starke.) 34. Da nun herbeikam die Zeit der Früchte swo der Weinberg feinen Ertrag gebracht], sandte er [von dem Orte aus, wohin er sich zurückge- zogen] seine Knechte zu den Weingcirtuerm daß sie [diese Knechte] seine [die ihm, dem Hausvatey nach Abzug desjenigen Antheils, der den Weingärtnern 318 Evangelium Matthäi 21, 35——43. ausgemacht war, gebührenden] Früchte empfingen sfür ihren Herrn in Empfang nähmen]. II. Da nahmen die Weingiirtner [welche von einer Herausgabe dieser Früchte nichts wissen und den sie einfordernden Hansvater sich vom Halse halten wollten] seine Knechte [meinend, wenn sie nur mit denen fertig geworden, wären sie auch den Herrn selber los]; einen stciupteti sie [und ließen ihn leer von sich], den andern tödteten sie sdaß er gar nicht mehr zu seinem Herrn zurück- kams, den dritten steinigten sie [zerwarfen ihm schon von Weitem den Kopf mit Steinen, daß er noch vor dem Eingang wieder umkehren mußte Mark. 12, 4]. Einem Schuldner im Leiblichen ist insgemein nichts verdrießlicher, als die Einsorderung der Schuld -— wie vielmehr im Geistlichen (Weish. Z, 12 ff.)l Die Welt hasset Gottes treue Knechte, daß sie von Gottes wegen die schuldigen Früchte: fordern. (Zeisius.) Heutzutage tödtet man sie freilich nicht, man stäupet sie nicht, man steinigt sie nicht; statt in’s Gefängniß setzt man sie höchstens in’s ,,Blättchen«, und statt mit Steinen bewirft man sie höchstens mit dem Schmutz der Lästerung. Man stößt sie auch nicht zum Weinberg hinaus, man läßt sie machen, sie dürfen sich getrost zu Tod arbeiten im Weinberg, einer nach dem andern; aber daneben thut man, was man will.· Ja, man hört sie auch und läuft— ihnen nach, solang ihre Predigt neu und ihre Stimme frisch ist, man läßt sich viel sagen von ihnen und lobt sie wohl gar; nur Eines sollen sie nicht fordern — Früchte, Früchte einer wahren Buße, einer rechtschafsei nen Gerechtigkeit. Wo sie die fordern, wo sie Einem an’s Herz greifen und in’s Gewissen reden, da heißt’s: zrciyir hkis niemand drein zu sprechen, das ist meine Sache. ero . 36. Abernial sandte er andere Knechte, mehr denn der ersten waren sum desto nachdrücklicher an ihre Pflicht sie zu erinnern und durch die größere Zahl der Boten sie von Gewaltthätigkeiten, wie sie dieselben gegen die einzelnen verübt, abzuhaltenjz nnd sie sauch vor denen sich nicht scheuend] thaten ihnen gleich also [wie den ersten]. Auch unter dem alten Bund gab es fchon eine Zeit der Früchte: der HErr hatte genug an seinem Volke gethan, um als Frucht seiner Saat und Pflanzung die- jenige Frömmigkeit von allen zu fordern, welche sich wirklich bei einem kleinen Häuflein in mancherlei Stufe und Gestalt findet. Daß das Gesetz gesetzliche Gerech- tigkeit, deren innerster Grund bei allem Fleiß der Werke doch eine aufrichtige Demuth und beständige Buße ist, wirke; daß die Verheißung vor und neben dem Gesetz Glauben finde und dem zukünftigen Erlöser ein harren- des Volk bereitet sei, wie es zuletzt noch der Täufer bereiten wollte und es in einem Zacharias oder Simeon sich darstellte: dafür sollten die Weingärtner von Anfang sorgen und entstehn, von ihnen wurde es mit Recht gefordert, sonderlich damals gefordert, als nach der Blüthezeit unter David und Salomo die Zeit der Früchte von Rechtswegem im vollsten Sinne vorhanden war. Eine andere Stellung aber, als die in das regel- mäßige Amt Gesetz-ten, haben von nun an die außer- ordentlichen, mehr unmittelbaren Gesandten Gottes, die Propheten, welche hier unter den Knechten zu ver- stehen sind. Es ist eine sehr merkwürdige Erscheinung, deren Betrachten und Bedenken auf viel weitere Ge- danken führt, daß die Mißhandlung und Tödtung fast aller Propheten (denn nur so im Großen und Ganzen ist esnatiirlich gemeint) im neuen Testament eben so entschieden behauptet, als im alten Testament nicht be- richtet,· sondern grade an den Stellen, wo davon recht eigentlich die Rede fein sollte, dennoch verschwie en wird. Denn obwohl in der Geschichte des Elias und eremias z. B. Feindschaft und Verfolgung bis zur Todesgesahr vorkommt, so lesen wir doch in Stellen wie 2. Köm 17, 13 f.; Irr. 7, 25 f.; 11, 7 f.; 25, 4 f.; 44, 4 f. und Sach. I, 4 nicht einmal von Mißhandlung etwas, nur von Ungehorsam und Verachtung; nur in Reh. I, 26 steht ausdrücklich da:·»sie erwürgten die Propheten.« Aber »was die Tradition« der Juden selbst neben dem kanonischen Wort von Jesaias, Jeremias, Hesekieh Amos und Andern berichtet, wird vom HErrn Jesn noch einmal bestätigt auch im offenen Wort: Kap. 23, 31· und Z? (vgl. dann Apostg 7, 52; hehr. 11, 36 sf.). Die Schilderung im Gleichniß ist natürlich nicht speciell historisch auszudeuten, und wenn Matthäus zuerst drei Knechte nennt, von denen der erste noch am besten weg- kam, wenigstens gestäupet wurde, so soll zunächst die Dreizahl eine genügende Vollständigleit der Sendung anzetgen (daß des Herrn Geduld es nicht bei Einem Boten bewenden ließ), wie das vom Stäupeii bis zum Reinigen gesteigerte Uebelbehandeln die allgemeine Regel des« Geschehenen. ·Bei Markus und Lukas finden die drei Knechte fich wieder, sonst ist die Schilderung etwas anders: ·Mark. hebt zuerst das ,,leer von sich lassen« als»rtchtigen Hauptbegriss hervor, läßt nur den dritten getodtey den zweiten aber geschmähet und durch Miß- arideln geschandet werden; Luk. hebt auch mit dem Staupen an, führt aber das Ganze durch das Höhnen und Schmähen nur bis zum Verwunden und läßt sogar die· 2. Sendung an unserer Stelle weg. Diesen 2 ver- schiedenen Sendungs-Perioden muß jedenfalls eine histo- rische Anschauung im Großen entsprechen; wie man aber die 2. Periode, wo noch mehr kamen, be innen solle, wagen wir nicht ganz zu entscheiden. Ne men wir es mit der vorhin angedeuteten Zeit der ritchte genau, so muß ein zweites Anheben etwa nat? der asyrischen Wegsiilzrung mit Jesaia und Jeremicn geme nt sein. (Stier. Die andern Knechte sind die Propheten zur Zeit der assyrz und babylom Gefangenschaft: je mehr Israeks Bosheit stieg, desto mehr auch die Fülle der Rettnngsmittel — unter den schlechtestetc Königen gerade traten die größesten aller Propheten auf, und ehe die drohenden Gerichte einbrachen, ertönen als mahnende und warneude Vorboten die Weckstimmeii eines Jesaias, Jeremias und HesekieL (Fr. Arndt.) 37. Darnach [um auch das Höchste und Letzte noch aufzubieten] sandte er seinen [eigenen] Sohn [den einzigen, den er hatte und der ihm gar lieb war Mark. 12, S] zu ihnen, und sprach [bei sich, indem er zu dieser Sendung schrittjx Sie werden fdoch wohl] vor meinem Sohn sich scheuen sdaß sie nicht auch an ihm sich vergreifen, sondern ihm die Früchte geben]. 38. Da aber die Weingcirtner den Sohn sahen, sprachen sie unter einander: Das ist der Erbe [an dessen Beseitigung gerade am meisten gelegenjz kommt, laßt uns ihn tödten und sein Erbgnt [den Weinberg, dessen bloße Verwalter wir bisher gewesen] an uns bringen [dann sind wir auf einmal dieses beständige Nachsragen nach den Früchten los]. Das Gleichniß von den Weingärtnerm die den Sohn ihres Herrn tödten. 319 Bei diesem Rathe der Menschen ist freilich noch die große Thorheit und der arge Betrug, als ob das mög- lich sei, als ob der Herr des Weinbergs und Vater dieses Sohnes ohnmächtig sei, den Erben zu rechtfertigen und sein Erbe zu behaupten; doch ist es nur der Be- trug des Satans, dessen Gedanke sich eigentlich darin ausspricht. (Stier.) sit. Und sie nahmen ihn [da er nun unter sie getreten war] und stießen ihn lals habe er kein Recht hier zu sein] zum Weinberge hinaus und tödteten ihn sdraußen Hebt 13, 12]. Die Umkehrung bei Marias: sie nahmen ihn und tödteten ihn, und warfen ihn (seinen Leichnam) heraus vor den Weinberg,« stellt den Akt leidenschaftlichery an- ichaulicher hin, verzichtet dagegen auf einen thpischen Zug; denn ohne Zweifel enthält die Folge der Momente bei Matth. und Luk. eine Anspielung auf die der Töd- tung vorangehende Exkommunikation oder Ausfchließung aus dem Volke Gottes. (P. Lange.) Durch die gehoffte und beabsichtigte Besitznahtne des Erbes wird die Herrschsucht der Oberen bezeichnet, welche der Grund ihres Widerstandes gegen Jesum war. (De Wette) An- statt, daß die Obersten der Juden darauf sehen sollten, die Kirche mit gesunder Lehre und gutem Regiment zu erbauen, daß Gott geehret, gefürchtet und seine Gebote gehalten würden, welches die Früchte waren, die er er- wartete, so wollten ste selbst Herren und Meister des Weinbergs fein, indem sie nach ihrem Willen hausten, Gottes Wort verachteten, ihre eigenen Träume und Aufsätze auf die Bahn brachten und in allen Dingen nur auf ihre eigene Ehre und Nictzen sahen. Weil nun Christi Lehre dem schnurstracks zuwider war, so mein- ten sie in dem Erbe zu bleiben, wenn sie nur den aus dem Wege räumtem Joh. 11, 48 ff. (Starke.) Hier sagt ihnen nun der HErr, was die Pharisäer früher erfragen wollten, daß er der eingeborene Sohn des Vaters, der eigentliche Erbe des Reiches Gottes sei; aber so, daß sie diese Erklärung nicht zu ihren bösen Zwecken mißbrauchen konnten, sondern sich ihr Urtheil selbst daraus sprechen mußten. (Olshausen.) 40. Wenn nun [was nach folchem Vorgang doch nicht länger ausbleiben kann] der Hist! des Weinbetgs [von daher, wohin er in V. 33 über Land gezogen] kommen wird, was [meinet ihr] wird er diesen Weingartnern thun? 41. Sie [die Hohenpriesier und Aeltesten B. 23, den Sinn« des Gleichnisses wohl ahnend, doch in erheuchelter Unbefangenheit, als merkten sie nichts davon, und absichtlich eine Geringschätzung gegen ihn und seine Rede zur Schau tragend, als könne es nie ihnen einfallen, ihn als einzigen und lieben Sohn anzuerkennen] sprachen zu ihm: Ek wird [wie sich von selbst oersteht] die Bosewichte übel nmbtingen [genauer: Als Böse böslich umbringen wird er sie], nnd [um vor dem umstehenden Volke zu zeigen, wie wenig sie sich aus diesem Jesus machten und wie sicher dagegen sie ihrerseits in ihrer amtlichen Stellung sich fühlten, fuhren sie sogleich fort, noch mehr zu sagen, als die Frage zunächst erwarten ließ: er wird] seinen Weinberg andern Wcingartnern austhun, die ihm die Ftnehte zu rechter Zeit [ohne daß er erst einen Knecht nach dem andern darnach schicken muß] geben [damit aber sprachen ste unter Gottes Leitung 4. Mos. 22, 23 u. 33 Anm. ein prophetifches Wort aus wie in Joh. 11, 50 f. der Hohepriester Kaiphass Diese andern Weingärtner sind hernach« die Apostel geworden (Kap. 16, 19 Anm.). — »Die Widersacher müssen die Parabel selbst absehließenz insofern aber dieser Abfchluß eine nothwendige Consequenz ihrer gan en An- lage ist, können Markus und Lukas Jesum sel er- den Schluß machen lassen, doch tritt auch bei ihnen noch die Frage: was wird der Herr thun? hervor. Etliche von den Auslegern finden die Fassung bei Mark. und Luk. angemessener, andere die Fassung bei Matthäusz doch ist jede Fassung angemessen im Zusammenhange ihres Evangeliums, nur daß die des Matth. als die ursprüng- lichere erfcheint.« Die der andern beiden Evangelisten dürfte wohl dadurch veranlaßt sein, daß der HErr, nachdem die Widersacher das Urtheil rasch und dreift gesprochen, das Ganze langsam und bedächtig noch ein- mal dem zuhörenden Volke wiederholte: ,,Also, was wird der Herr des Weinbergs thun? Er wird kommen und diese Weingärtner umbringen und seinen Weinberg Andern austhun.« Indem er so ihr eigenes Urtheil sixirte und sie selber verständlich genug als die Wein- gärtner bezeichnete, an welche das Volk bei seinem Gleichniß denken solle , legten sie Verwahrung dagegen ein mit dem in Luk. 20, 16 berichteten Wort: »das sei fernel« als wollten sie sagen: diese Beziehung auf uns verbitten wir uns; denn weder bist du der Sohn des Hausvaters, wofür du dich ausgiebst, so daß unsre Stellung zu dir mit der jener Weingärtner zu dem Sohne überhaupt nicht zusammentreffen kann, noch fällt insbesondere uns ein, dich zu tödten (Joh. 7, 20) — wir sind doch wahrlich keine Prophetenmördey wozu du uns stempeln willst (Kap. 23 , 29 f.). Nun erst wird das Folgende in seinem Zusammenhange verständlich. 42. Jesus san eine Weissagung sie erinnernd, die sie nur zu bald in Erfüllung bringen würden mit dem, was sie in ihrem geheimen Rath bereits wider ihn befchlossen Joh. 11, 53] sprach zu ihnen: Habt ihr nie gelesen in der Schrift swas in Pf« US, 22 f. gesagt wird]: Der Stein, den die Banlente [als nicht geeignet zum Bau des Hauses Gottes] verworfen haben, der ist zum Eck- stem worden. Von dem HErrn ist das sdieses Werden eines von den Bauleuten verworfenen Steins zur Grundlage und zum Träger des ganzen Baues] geschehen und es ist wunderbarlich vor unsern [der Gläubigen I. Petri 2, 7] Augen [weil wir darin fo recht die Tiefe der göttlichen Weisheit erkennen, die alles wider menschliches Er: warten zum Guten zu lenken weiß]. 43. Darum fweil ihr Bauleute in Erfüllung der hier geweissagten Verwerfnng des Steins den- noch vollbringen werdet, was ihr jetzt in Abrede stellt, als wäre es euch noch nie in den Sinn ge- kommen, den Sohn des Hausoaters hinauszustoßen und zu tödten V. 391 sage ich euch [krast meines Amts, als der ich der in Zion gelegte Grundstein bin Jes. 28, 16 und über die Zukunft zu ent- scheiden habe Kap— 28, 18J: Das Reich Gottes soder der vom Hausvater gepslanzte Weinberg] 320 Evangelium Matthäi 21, 44—46. 22, 1——3. wird von euch [den bisherigen Weingärtnern und allen denen, die ihr auf eiire Seite zu ziehen und in euren Wegen festzuhalten wisset, von dem Israel nach dem Fleisch I. Cor. 10, 18] genommen und den Heiden gegeben werden, die seine Frnchte bringen [Röm. G, 22; Ephess 5, 27]. 44. Und lwas den ersten Punkt eures Urtheils, das üble Umbringen der Böfewichte V. 41 betrifft, so gestaltet sich derselbe mit Beziehung auf den zum Eckenkopf gewordenen Stein so :] wer auf diesen Stein [indem er Anstoß an ihm nimmt] fällt fwie ihr thut], der wird [an ihm] »zetfchellen [Jes. 8, 14 s.]; auf welchen er aber fallt [wie das am Ende der Zeiten mit dem Antichrist und seinem Reiche geschehen wird] , den wird er zermalmen [Dan. 2, 34 f.; 44]. Jn V. 43 hat Luther das Wort des Grundtextes, welches er mit ,,Heiden« übersetzt, im collectiven Sinne oder dahin aufgefaßt, daß die Form der Einheit, welche gebraucht worden, dennoch eine Vielheit bezeichnen solle, wie das öfter geschieht, wo man eine Me ·e von vielen einzelnen Dingen oder Personen unter einen einzigen Gesammtbegrisf zusammenfassen will. Wenn nun gleich der Gedanke, der bei dieser Auffassung herauskommt, ganz richtig und biblisch ist (Kap. S, 11 f.; Apoftg. IS, 46), so ergiebt doch der unmittelbare Wortlaut einen noch etwas anderen Sinn; wir müssen nämlich über- setzen: »und einem Volke gegeben werden, das seine Frttchte bringt» Dieses Volk ist die christliche Gemeinde, welche an die Stelle der jtidischen tritt und nun zum Bundesgenossen wird (l. Petri Z, 9), das Israel nach dem Geist, welches die Verheißung in Besitz nimmt, während das Israel nach sdem Fleisch in theokratischer Hinsicht außer Cours gesetzt wird (Gal. 4, 21 ff.); ab- sichtlich ist es mit einem Ausdruck bezeichnet, der be- stimmte Beziehung auf die Heidenvölker nimmt (Jer. 30, 24 Anm.), weil es zwar zunächst seine Bestand- theile aus dem alttestamentliehen Bundesvolke entnimmt in allen denen, die an Christum gläubig geworden, bald aber sich erweitert und vermehrt durch die Aufnahme bekehrter Heiden iu seine Genosfenschafh ohne diese erst durch die Bürgerschaft Jsraels hindurchgehen zu lassen. Vestimmtere Beziehung auf die auch äußerliche Versto- ßung Jsraels und ie ausschließliche Berufung der Heiden, wie sie seit der Zerstörung Jerusalems sich·vol·l- zogen, nimmt der HErr erst in seinem dritten Gleichniß (Kap. 22, 7 sf.). Jn V. 44 wird von dewsluslegern vielfach übersehen, daß Jesus m dem zweiten Satze nicht den Sinn des ersten in anderer Wendung wieder- giebt, sondern vielmehr zu den Widersacherm die er ge- genwärtig vor stch hat, seinen Widersacher der letzten Zeit hinzunimmtx nachdem er in V. 38 s. und 42 die Gegenwart geschildert und auf das Ereigniß der un- mittelbar bevorstehenden Tage Beziehung genommen, auf seinen Tod und seine Auferstehung, dann·in V.«»13, ankiiiipfend an V. 40 f., und ·in V. 44a die baldige ukunft gezeichnet hat, welche die Pflanzunåä einer neuen irche, die Berufung auch der Heiden zum eiche Gottes, sowie die giinzliche Verwerfung Jsraels bringen wird, blickt er in V. 44b in weiterer Entfaltung des Inhalts von V. 42 über der Heiden Zeit und die stillschweigend vorausgefetzte endliche Wiederannahmel Jsraels (Luf. 21, 24) in den äußersten Horizont der irdischen Entwi- ckelungen hinaus auf den Tag des Gerichts über die Heidenwelh welche der in V. 43 ausgesprochenen Er- wartung nicht mehr entspricht (Ossenb. 19, 11 fs.). Wir können wohl sagen: der 44· Vers, nur richtig verstanden und nicht mit der Mehrzahl der Ausleger aus eigener beschränkter Anschauung in seinem Gesichtskreise beschriinkh giebt den Schlüsse! zum richtigen Verständniß der Apo- kalypse oder der Offenb. St. Johannis; das Zerschellen derer, die auf den Stein gefallen, wird in Kap. 6 dieses prophetischen Bachs uns vor die Augen gemalt, und das Zermalmtwerderi dessen, auf welchen der Stein fällt, sehen wir in Kap. 19 -— was dazwischen sieht, zeichnet die Grundstriche der ganzen Kirchengeschichte von Jeru- salems Zerstörung bis zum Gericht ttber die große Hure und zum Fall der großen Babylon. 45. Und da die Hohenpriester nnd Pharisäer [denn zu denen gehörten die in V. 23 genannten Aeltesten im Volk] seine Gleichnisse höreten, ver- nahmen sie, daß er [mit dem Sohn, der zum Vater sagte: Herr, ja! und doch nicht in den Weinberg ging V. 30, und mit den bösen Weingärtnerm welche die Knechte mißhandelten und» tödteten und den Sohn des Hausvaters umbrachten V. 35 fs.] von ihnen redete [denn er sagte ihnen das ja frei heraus und konnten sie zuletzt nichteinmal mehr den Schein annehmen, als verstünden sie ihn nicht] 46. Und sie trachteten darnach, wie sie ihn griffen, [hätten, nachdem sie schon früher den Be- schluß gefaßt, ihn zu tödten, gern ihn auf der Stelle fest genommen, um den Beschluß auch aus- ziiführenJ aber sie fürchteten sich vor dem Voll [daß das fich in’s Mittel legen und sich an ihnen selber vergreifen möchte]; denn es hielt ihn [ent- fchiedener noch als früher Joh. 7, 40 gerade jetzt, wo er so gewaltig und einschneidend wider die Obersten zeugte] für einen Propheten [und da zogen sie es vor, noch eine Weile ihm Stand zu halten und zu thun, als fürchteten sie vor seiner Rede sich nicht] Das 22. Kapitel. Von liiinigiiiher Hochzeit, Zinsgrosiheiy Auferstehung, nornehmsteni gebot und der Person Christi. Evangelium. am W. Sonntage nach CrinitatisJ Viele nehmen es nur zu leicht mit dem Gnadenruse des HErrn und trachten nicht ernstlich nach der Selig- keit, dadurch ziehen sie Gottes Gericht über sich herein; Andere wollen zwar selig werden und folgen dem Rufe, aber in thörichter Selbfiverblendung nehmen sie das hochzeitliche Kleid der Gerechtigkeit Jesu Christi nicht an. Wir sollen in dieser Woche lernen, mit Furcht und Zittern nach der Seligkeit zu ringen, das eigne Wesen, die eigne Gerechtigkeit gründlich abzuthun und durch den heil. Geist uns gerecht und heilig machen zu lasseni die wahre Heiligung aber ist Christi Gerechtigkeit und Heiligkeit. (Dieffenbach.) Vor acht Tagen lernten wir die eine köstliche Frucht des Wachsthums im inneren Glaubensleben kennen, die Gewißheit der Vergebung der Sünden; das heutige Evang macht uns mit der andern, eben so köstlichen bekannt: die Gewißheit unserer himmlischen Seligkeit. Es ist diese Ge- wißheit allerdings die nothwendige Folge der ersten, Gleichniß von dem Könige, der seinem-Sohne Hochzeit macht. 321 denn wo Vergebung der Sünden ist, da ist auch Lebvn und Seligkeit; aber in der Vereinigung beider Gewi - heiten besteht erst das wahre eil der Kinder Gottes. Warum können sie aber ihrer immlifchen Seligkeit so gewiß sein? weil sie l) sich lebhaft sehnen nach dem himmlischen Hochzeitsinahh 2) bereits in den himmlischen Zochzeitssaal eingetreten sind, 3) und das hochzeitliche leid an sich tragen, in welchem der ewige Richter die Seinen als solche erkennt. (Fr. Arndt.) Das heutige Gleichniß hat große Aehnlichkeit mit dem, welches wir am Z. Sonnt. nach Trinit. gehört haben, und eins wird durch das andere erklärt; doch find beide wieder darin verschieden, daß sie eine ungleiche Absicht und einen un- gleichen Ausgang haben. (Münkel.) Dort (Luk. 14, 16 ff.) geht Jesus aus von dem moralischen Satze, daß man nicht geben müsse, um wieder zu empfangen, sondern aus freier Liebe; nachdem er diesen Satz in einem kur- zen Bilde ausgesprochen, giebt ihm eine dazwifchen ge- worfene Erinnerung eines Gastes an das ewige Leben Veranlassung zu zeigen, wie es bei Gott ebenso sei, wie auch er aus freier Gnade beselige, und deshalb auch nur die, die sich als Bettler und bedürftig fühlten, ge- fchickt und geneigt wären, Gottes Gnade anzunehmen; hier dagegen ist jener Ausgangspunkt von der Moral nicht gegeben, der Grundgedanke ist hier, nicht blos die Uugeneiglheit der Selbstgerechtem sondern die blinde Bosheit der· verftockten Feinde zu schildern, und alsdann erst (bei dem Zuge von dem hochzeitlichen Kleide) zu zeigen, wie auch für die, die nicht in blinder Wuth alles Göttliche hassen, sondern gerne zu Gott kommen wollen, es noch eine wichtige Frage sei, ob sie in an- ständigem, festlichem Gewande (der Heiligung) oder in beflecktem Kleide erscheinen, (Ebrcr·rd.) Bei Lukas wird fast nothgedrungeu der naiv dazwcscheiifahrendh falsche Anfpruch auf das Mahl des Himmelreichs gedemüthigh indem der HErr sagt: Soweit seid ihr noch nicht; Ge- ladene dazu seid ihr zwar, aber wenn ihr nicht mit Verleugnung der Welt auf dem rechten Wege kommt, werdet ihr das Mahl nicht schinecken, sondern Andere an eurer Statt! Nur nach Einführung der Zöllner und Sünder an der Pharisäer Statt greift der HErr weis- sagend mit kurzem Wort bis zur Berufung der eiden vor, bricht aber gleich wieder ab und kehrt zum chlnß in den Anfang und Anlaß zurück. Hier dagegen ist es alsbald Hauptabsichh den in Kap. 21, 43 angedeuteten Uebergang des Reiches Gottes an die Heiden weiter zu verkünden und zu begründen, überhaupt nach dem vorigen Gleichniß von den bösen Weingärtneru zu sagen, was dann ferner geschehen wird, wenn der Sohn den- noch das Reich erlangt und behält. Hiernach bei Luk. nur allgemein unbestimmt das große Abendmahl eines Menschen, hier die Hochzeit oder Huldigungsfeier des Königssohnesx dort nur Ein rufeuder Knecht, welcher den Hauptbegriff der Ladung darstellt, ier wiederholt gesandte Knechte; dort bloßes Entschuldigen und Aus- leiben der Gäste, hier Mißhandlung und Ermordung; dort erst die Armen und Gebrechlichen in der Stadt, dann auch Alle draußen an die Stelle der zuerfi Gela- denen, hier sogleich das Ausgehen der Ladung in alle Welt; dort ein vorläufig abbrechender Schluß, daß die Geladenen das Mahl nicht schmecken werden , hier das Strafgericht über die Mörder und ihre Stadt; dort wird das Haus voll von den neuen Gästen, hier schaut der Blick weiter hinaus, daß auch unter diesen Berufe- nen wiederum lange nicht alle auserwählt sein werden. (Stier.) Der Gott der Gnade ein gerechter Richter: 1) er läßt feinen Gnadenruf nicht ungestraft verachten; L) er läßt sein Gnadenwahl nicht unge- straft entweihen. (Nebe.) DächfelW Bibelwort. l. Und Jesus antwortete kauf ihre Er- wartung, daß er noch mehr zu sagen habe, das sie sich erst noch anhören wollten, ehe sie sich mit einander beriethen, wie sie seiner habhaft werden könnten] nnd redete abermal durch Gleikhnisse zu ihnen sfuhr fort, wie er seit Kap. 21, 28 gethan, in parabolifcher Form mit ihnen zu ver- handeln], und sprach: · · · Z. Das Himmelreich ist gleich [mit dem Himmelreich verhält es in Ansehung der Aufnahme und Behandlung, die dasselbe zuerst von Seiten der Juden und dann auch von Seiten der Heiden erfährt, sich wie mit] einem [9»Jienfchen, und zwar näher Kap.18, ·23 einem] Konnte, der seinem Sohne Hochzeit machte lzur Feier der Hochzeit feines Sohnes ein großes Mahl veranstaltete], s. Und. sandte feine Knechte sals die Hochzeit nun geschah und ihre Feier beginnen sollte] aus szu denen, die schon im Voraus zur Theil- nahme daran geladen» warens, daß sie den Gaften zur Hochzeit riefen [damit sie jetzt zum Mahle sich einfändenjz und sie [die der Ruf fürs Erste noch gleichgiltig ließ, als ginge er sie weiter nichts an] wollten nicht kommen [machten gar keine Anstalt, ihm Folge zu leisten, sondern blieben ruhig zu Hause fitzen Kap. 23, 37; Joh. 40 . «Dee nsuig im Gieichuiß ist Gott dee Vater; de: Sohn des Königs ist der auf den Thron der Majeftät zur Rechten des Vaters erhöhete Gottmenschz die Hoch- zeit ist die Zeit des neuen Testaments; das Mahl sind die Gnadengütey die uns durch die Erlösung erworben und bereitet find; die geladenen Gäste find die zur Ge- meinde Berufenen, und da sind die zuerst Geladenen die Juden. (Ziethe.) Die erste Einladun (noch im alten Testament dnrch Mose und die Prop eten)« war eine Ladung zum Feste überhaupt, die zweite (in der jetzigen Epoche durch Johannes den Täufer, durch Christum selbst sowie durch die von ihm ausgefendeten l2 Apostel und 70 Jünger, desgleichen durch alle, die an sich des HErrn Wunderkraft erfahren hatten, von seinem Wort mächtig ergriffen wurden und das Gerücht von ihm im ganzen Lande· ausbreiteten) zum Beginn desselben. (P· Lange) Die Boten gehen dahin, aber wie sehr sie auch rufen, ihr Rufen hat im Großen und Ganzen kei- nen Erfolg; Jesus sagt: »fie wollten nicht kommen« Das Nichtkommen hat feinen Grund nicht in einem na- türlichen oder fittlichen Unvermögeiy sondern lediglich in dem bösen Willen, der gegen die Wunder der Gnade fich verschließt. (Nebe.) Warum wollten diese Gäste nicht kommen? Sie wissen selbst keinen» Grund, sie wollen eben nicht: es giebt Tausende, die kein Wort gegen das Evangelium über die Lippen zu bringen und nichts daran auszuftellen wüßten, im Gegentheil es nur zu loben und zu rühmen haben, und doch keinen Schritt thun, um in die Gemeinschaft des Heilandes zu kommen; sie bedenken nicht, daß fern von ihm· sein eitel Verderben ist, daß es um den Ruf Gottes eine ernsthafte Sache ist, daß es sich handelt um Leben oder Tod, Seligkeit oder Berdammniß, nnd so gehen fie»an ihrer-Gleich- giltigkeit zu Grunde. kCaspariJ Jn tiefer Unwissenheit und träger Passivitszät eben sie dahin, sagen zu allem Ia und mögen doch eigentlich für das Höhere und Ewige 322 Evangelium Matthäi 22 , 4—11. weder Hand noch Fuß rühren; selbst auf dem Kranken- und Sterbebett ist’s nicht möglich, etwas mit ihnen an- zufangen und eine Theilnahme an ihrem Seelenheil zu erzeugen. (Fr. Arndt.) Man müßte sich in der That wundern, wenn der Heiland über den Unjglauben Is- raels an die erste, schon evangelische Pred gt zu seiner Zeit nirgends ein besonderes Strafwort geredet hätte; er thut es hier, und da ist denn das »sie wollten nicht kommen« die noch ganz allgemein gehaltene Ausdeckung des Standes der Sache, wie ihn der unglänbige Wider- stand von den Vätern her vorbereitet hat und wie er in den Tagen des Menschensohnes offenbar geworden. Sie kamen eben nicht, aber aus eigener Schuld eines Nichtwollens, weil ihnen wohl das oerheißene Reich ge- fiel, aber nicht die göttliche Heilsordnung des Kommens in dasselbe, wohl ein Messias, aber nicht der wirkliche, wie er nuii da war; das erste Gnaden- und Bundes- wort: ,,ihr seid mein Volk, Berufene meines jetzigen und künftigen Reichs« hatten sie bestens acccptirt und dünkten sich ja wohl die Gäste zn sein, denen das zu Tische Sitzen mit Abraham, Jsaak und Jakob nicht fehlen könnte, aber an dem Kommen zu Jesu ließen sie es fehlen. (Stier.) 4. Abermal [um an seinem Theile nichts zu versäumen, daß den Geladenen doch noch zu Theil würde, was ihnen nun einmal zugedacht und verfprochen war Rom. 15, 8] sandte er andere Knechte aus »[Kap. 23H, 341 »und sprach: Saget den Gatten: Siehe, meine Mahlzeit szunächst das Frühstück zur LNittagszeit, auf welches aber dann die Hauptmahlzeit zu Abend zu rechter Zeit schon folgen wird, d. i. die Erquickung vom Angesicht des HErrn oder die Herwiederbringung alles dessen, was geredet ist durch den Mund aller Propheten von der Welt an] habe ich bereitet lals ein völlig bereitetes»nun zugerichtet], meine Ochsen und mein Mastvieh ist geschlachtet und alles bereit [was zum Vollgenuß der Selig- keit an meiner Tafel gehsrt Spr. 9 , I ff.]; kom- met zur Hochzeit [und bekehret euch von euerm vorigen Nichtwollen Apostg. Z, 16 ff.; S, 13 ss.]. Der König war gewiß tief gekränkt durch das Aus- bleiben seiner Gäste, welchen er zum Ueberfluß noch hatte sagen lassen, daß nun die Zeit sei, zu kommen (V. 3 vgl. mit Kuh. 3, I; 4, 17; tu, 7; 11,12); aber an diesem Freudentage mag er mit den Geladenen nicht zürnen; Könige ertheilen bei solchen Gelegenheiten so gern eine Amnestie, dieser König thut mehr, seine Liebe geht über alles Maß hinaus: ,,abermal sandte er an· dere Knechte ans« Wie Gott in den Zeiten der Vor- bereitung zu zwei verschiedenen Malen in der dringend- sten und durchdringendsten Weise das Volk eingeladen hat zu dieser Hochzeit, die in der Mitte und Fülle der Zeiten sollte gefeiert werden — durch Mose das erste Mal und durch die Propheten zum andern Mal: so hat er auch in den Zeiten der Erfiillung zwei Mal in ganz besonderer Weise zu deni bereiteten Mahle die Gelade- nen rufen lassen. Auf jene ersten Knechte, welche mit ihrem Ruf: »das Himmelreich ist nahe herbeigekommenl« das ganze jüdische Land in Erregung und Bewegung versetzten, sind andere Knechte gekommen, welche in stär- kerer, herzandringenderer Weise die saumfeligen Gäste zur Fochzeit herbeiführen sollten und wollten. Das sind die eil. Apostel, welche ja zu allererst unter ihrem Volke als die Herolde des HErrn austraten und es nöthigen wollten zu kommen. Der Herr des Mahles sggt es seinen Knechten, was sie den Gästen sagen sollen: so hat auch der HErn welcher seine Apostel zu Israel sandte, ihnen gesagt und in den Mund gelegt die Worte ihrer Botschaft, ihrer Mahnung. Mit einem ,,Siehe« fängt die Instruktion der Boten an; sie sollen ja dem Volke, das Augen hat, aber nicht siehet, erleuchtete Augen geben, daß es die Zeit seiner gnädigen Heim- suchung nicht überstehen und ihm vorstellen, wie ganz eigenthlimlich sich sein Verhalten den Veranstaltungen Gottes gegenüber ausnimmt. Weiter läßt der König seinen Gästen vorstellen: »meine Mahlzeit habe ich be- reiten« Bei den Alten ward das Friihmahh an das bei dieser »Mahlzeit« zu denken ist, um die neunte Stunde zu sich genommen; damit sollte die Reihe der Hochzeitsmahlzeiten beginnen, darin aber prägt sich der Gedanke aus, daß es in dem Himmelreich von einem Genusse zum andern, von einer Seligkeit zu einer höhe- ren fortgeht. Umständlich sagt auch der König, was alles in Bereitschaft gestellt ist, und die Boten sollen es in dieser Umständlichteit den Gästen verkündigem es soll ihnen vor die Augen gemalt werden die Hülle und Fülle der Güter, welche ftir sie aufgetragen sind, es soll ihnen gleichsam der Mund wässerig und das Herz verlänglich gemacht werden; alles ist bereit, alles, was zur Selig- keit nicht blos nöthig, sondern auch das, was nur an- genehm ist, und desto herzandringender heißt es nun: ,,kommet zur Hochzeitl« Sollten die Gäste jetzt nicht kommen? ist diese zweite Einladung nicht eine tiefe Be- schämung, sie, welche schon die erste hätten annehmen sollen, aber sie zögerten so gleichgiltig, so vornehny als ob sie sich aus dem Könige und seinem Sohn wie aus dem Hochzeitsmahle nichts machten? (Nebe.) Die erste Ladung war nur ein allererstes Rufen zur Hochzeit; bei der zweiten dagegen, der eigentlich apostolischem ist nicht blos die Stunde des Mahles genahet, sondern jetzt ei entlich alles bereit; daß diese letzte Bereitung im ver- söhnenden Opfertode Christi liegt, diesen geheimnißvollen innersten Wendepunkt deckt er nattirlich noch zu, er hat nur im vorigen Gleichniß von anderer Seite her dar- auf hingedeutet (Stier..) 5. Aber sie ssihre vorige Gleichgiltigteit V. 3 jetzt noch bestimmter zu erkennen gebend] verach- teten das swas ihnen Verkündigt ward und wozu sie vermahnt wurden] und gingen [den einluden- den Knechten geradezu den Rücken kehreiid] hin, einer auf feinen Acker [an dessen Ertrag er sich gebunden fühlte und dem er um der Nothdurft des Leibes willen die Sorge für die Seele ganz hintenan fetzte], der andere zu seiner Hand- thierung swomit er diese Welt zu seinem Vortheil auszubeuten gedachte, um eine andere aber küm- merte er sich nicht] 6. Etliche aber snämlich die hervorragenden Geister, die es nicht bei der bloßen Gleichgiltigkeit bewenden ließen, sondern die in ofsene Feindschaft entbrannten wider ihren König und sein wieder- holtes Einladen zu der ihnen so widerwärtigen Hochzeit ein für alle Mal los sein wollten] griffen seine Knechte, höhneten und tödteten sie sKap. 23, 34 f.; Apostg b, 8 f.; 7, 58; 12, Z; 21, 27 ff.; Joh. 16, 2]. J. Da das der König hörete kwas die Etlichen mit seinen Knechten gethan Offenb. 6, 9], ward er zornig swie ja das nach solcher Ver- Das gefammte Volk hat sich gegen die Boten des Evangeliums verschulden 323 höhnung seiner Güte und solcher Verletzung feiner Majestät nicht anders sein konnte] und schickte seine Heere» aus und brachte diese Mörder um und zundete ihre Stadt an [daß sie zu einem Schutthaufen ward Kap. 23, 36 ff.; Offb. 6 1—17]. , Die Beziehung ist unverkennbar: es ist das Gericht über Jerusalem und das jüdische Land und Volk, wel- ches in diesen Worten angekündigt wird. (v. Burger.) Jerusalems; Fall ist eine erschlitternd ernste Predigt Gottes an alle Veriichter feines Hochzeitsmahlesx man sollte denken, diese lammen zerrissen alle infterniffe und alle Augen fä en, daß so heiß als ott liebt, ebenso heiß er auch kann zürnen. Wer von seinem Liebeseifer sich nicht will ergreifen lassen, der fürchte sieh vor dem verzehrenden Feuer seines Zornes. (Nebe.) 8. Da [kiachdem solches geschehen] sprach er zu seinen Kuechtem » Die Hochzeit ist zwar ereitz aber die Gaste [denen das Mahl zu- nächst bestimmtJ warens nicht werth [Apostg. is, 46J. 9. Darum [damit die bereits zugerichteten Tische nicht leer bleiben] gehet hin auf die Straßen [genauer: die Ausgänge oder Kreuz- wege der Landstraßem wo am meisten Leute zu treffen find] und ladet zur Hochzeit, wen ihr findet [nur aus das Eine bedacht, daß mein Haus ooll werde Luk. 14, 23]. Knechte 10. Und die [genauer: jene] [solchem Befehl in pünktlichem Gehorsam Folge leistend] gingen aus auf die Straßen Draußen] und brachten [durch Ausrichtung der Einladung, welche denn auch willig angenommen wurde] zu· sammen, wen sie fanden [ohne unterschiea auf welcher Bildungsstufe oder in welchem Sitt- lichkeitsstande sich einer befand], Böse und Gute [solche, die gar tief versunken und völlig verkommen und verderbt waren, in der Mehrzahl, aber auch solche, in denen noch ein Rest des Guten in edle- rem Streben sich zeigte Johz 3, P; Apostg l0, 2; Rom. 2, 14 f.]. und die Tische wurden [in Folge dieser allgemeinen und unterschiedslosen Be- rufung] alle voll [Röm. 11, 25]. Vgl. was in Offenb. 11, 2 von dem innern Chor des Tempels, d. i. dem äußern Vorhof, gesagt wird. —- Die hier angedeutete Ersetzuiig der verstoßenen Gäste durch andere, die zunächst nicht dafür bestimmt waren, ist der Gedanke, den Paulus in Röm. 11 behandelt, 'wo er die vers·toßenen Juden als abgehauene Zweige des Oelbaums d:irstellt, an deren Stelle andere einge- pfropft seien. (Olshausen.) Dei; Geschichte nach fand freilich eine solche Unterbrechung m der Berufung nicht statt, sondern der Anfang zur Berufung der Heiden ging dem Untergange Jerusalems geraume Zeit voraus. (v. Bur er.) Das Wörtlein ,,jene«, welches die Vulgata und Lut er nicht überfetzen und die Ausle er insgefammt als nicht vorhanden betrachten, scheint hervorheben zu wollen, daß jene Knechte, welche mit so geringem Erfolg unter Israel earbeitet hatten, sichnun in die·Heiden- welt mit der inladung zum königlichen Hochzeitsmahle begeben. Es ist das etwas Großes: diese Knechte hatten nicht blos partikularistische Vornrtheile zu überwinden, sie hatten sich auch im Glauben hinwegzusetzen über die traurigen Erfahrungen, welche sie an ihrem eigenen Volk gemacht hatten. Im Gehorsam des Glaubens, auf das Gebot ihres HErrn und Königs gehen sie aus, und ihr Ausgang ist nicht vergebens. Man hätte das Ge entheil erwarten sollen: stieß das Volk, welches feit Jahrhunderten zu dem Hochzeitsmahl des Königssohnes eingeladen und zugerüstet war, die Einladung von sieh, wie durfte man hossen, daß das Volk, welches den Ver- heißungen fremd war, den Ruf der Gnade annehmen würde Aber Gottes Gedanken sind nicht unfere Ge- danken; fie finden unter den Heiden solche, welche die Einladung annehmen, und zwar nicht wenige. (Nebe.) Nach den Gerichten Gottes über Jerusalem und Juda wurde der Segen unter den Heiden desto größer. Schon zuvor, da die Boten merkten, daß die Juden ihre Seligkeit nicht achteten, und Gott auf wunderbare Weise (A·postg. l0, 9 ff.) ihnen den Befehl zu Theil werden ließ , vor die Stadt hinaus , d. i. hinaus vor die Wohnstätten Jsraels auf die Straßen und We - scheiden der Welt, zu den Heiden zu gehen, waren ie hingegangen, zu laden zur Hochzeit, wen sie fänden. Anfangs schien es, als brächten sie von den vier Enden der Erde nur Gute; bald aber zeigte sich’s, daß es war, wie der HErr im Gleichniß sagt: »sie brachten zusam- men, wen sie fanden, Gute und Böses« So ging und geht es noch heute, und es wird und kann nicht anders gehen bis an’s Ende; noch immer sammelt sich’s im Vorsaal der Ewigkeit, in der heil. Kirche auf Erden, alle Tische werden voll, aber es sind Gute und Böse. Es hat der Kirche Gottes fchon oft zum Vorwurf e- reichen mlissen, daß Gute und Böse in ihr waren; aber es ist doch nicht abzusehen, wie es anders kommen kann. Es ist·uns kein Befehl gegeben, jemand aus der Kirche zu stoßen, so lang eine Hoffnung seiner Besserung da ist. Der HErr hat nicht gesagt, daß der Haufe derer, welche hier auf Erden seinen Namen tragen, aus eitel Heiligen bestehen werde: dort, bei jenem Hochzeitmahle, ist kein unreinen sondern lauter reine Seelen, dort ist eine lau- tere Versammlung von Heiligen; hier aber ist es anders. Die Kirche auf Erden ist nur ein Vorsaal, ein Samm- lungsort, ein Hospital, in welchem der Beste nur ein Genesendey eine Rettungsanstaltz in welcher der Beste nur ein werdender Heiliger ist. So wie die Kirche auf Erden sich für eine pur lautere Versammlung von Hei- ligen erkennen wollte, würde sie sich mit der triumphi- renden Kirche verwechseln; ein verdammlicher Hochmuth würde sie ergriffen haben und es würde ihr unmöglich werden, ihren heil. Rettungsberuf zu erfüllen. Ihre Demuth nnd damit die Grundlage aller Heiligung und Heiligkeit des Sünders, ihr »Liebeseiser und damit ihre ganze Heiligung felbst, damit ihr Segen und alle Gnade Gottes würde ihr entschwinden, wenn sie es erzwingen wollte, etwas anderes zu sein, als Christus von ihr sagt, ein Sammelort, welcher auf seine Ankunft, auf sein Gericht, auf seine Auswahl wartet. Erkennen wir das und lassen ·es uns gefallen, im Vorsaale zu sein und noch nicht im ewigen Hochzeitssaale selber! (Löhe.) 11. Da sindem nach Füllung des Hochzeits- faales nun das Fest» selber seinen Anfang nehmen sollte] ging der Konig hinein [in den Saal], dte Gaste zu besehen sob sie auch alle in der, zur Theilnahme am Fest erforderlichen Verfassung wären]; und sahe allda lgleich vorn unter denen, die ihm zuerst in die Augen fielen] einen Men- schen, der hatte lobwohl den von den Straßen Hereingeholten im Vorsaal alles aus des Königs Vermögen war dargereicht worden, was zu einem 324 Evangelium Matthäi 22, 12——14. würdigen Erscheinen an seiner Tafel gehörte Nicht. 14, 19 Anm. 2., dennoch] kein hoehzeitlich Kleid an [sondern war so unverschämt gewesen, in seinem eigenen straßenmäßigen Anzuge in den Saal einzutreten und an der Tafel sich niederzu- lassen], · 12. Und sprach [voll gerechten Unwillens über solche Verhöhnung seines Hauses und FestesJ zu ihm: Freund shier s; v. a. unser jetziges »Geselle« Kap. 20- Ist, wie bist du herein kommen swie hast du es wagen können hier ein- zutreten, wo die Hochzeit eines Königssohns gefeiert werden soll], und hast doch kein hochzeitlich Kleid an [wie es zum Feste stch schickt und wie es ausdrücklich dir auch angeboten worden]? Er aber versinmmete sals der nichts zu seiner Ent- schuldigung vorbringen konnte, denn nur muthwillige Berachtung war es gewesen, was ihn die Anlegung des hochzeitlichen Kleides hatte versäumen lassen]. 13. Da [als der Verächter mit seinem Ver- stummen sich selber das Urtheil gesprochen, daß ihm nun auch der Verächter Lohn geBühreJ sprach der KonigYzu seinen Dienern: Bindet ihm [als einem issethäter, der er »ja auch wirklich ist Kap. 7, 231 Hände und Füße sum ohne wei- teren Prozeß die Strafe an ihm zu vollstrecken] und tverfet ihn [aus dem Festsaale, in» den er ungebührlich sikh eingedrängt·hat] in die außerste Finsternis; hinaus, da wird s ein Heulen und Zahnklappein » » » 14. sMit diesem Menschen aber habe ich nicht einen Einzelnen gemeint, sondern euch den Reprä- sentanten gar vieler von denen, von welchen in V· 10 die Rede war, vorgeführt.] Denn [wie schon in Kap. TO, 16 gesagt] viele sind berufen [zur Hochzeiqz aber wenige find» lzur Theilnahme an der Seligkeit auch] ausertvahlt [es ist nicht genug, daß man seine Berufung annehme, wie die Heiden dies allerdings in großer Zahl thun werden, sondern es muß ein jeder auch Fleiß thun, seine Berufung und Erwählung sest zu machen 2. Petri I, 10., sonst ergeht es ihm genau so, wie den Kin- dern des Reichs in Kap. 8, 12]. Das Volk von draußen, die Heiden von allen Straßen der Welt werden anstatt der ungläubig gebliebenen Juden in das Reich Gottes eingehen; aber, so warnt der HErr nun jene, hüte sich jeder, daß er nicht in falschem Ver- trauen die Güte des HErrn auf Muthwillen ziehe, daß er nicht noch am Mahle selber als unwürdiger Gast entdeckt und ausgestoßen werde. Reiche Gastgeber schenkten ihren Gästen Feierkleider, wie Joseph seinen Brüdern (l. Mos. 45, 22) oder wie der Vater dem verlorenen Sohn (Luk. 15, 22 f.): wer darf das Gnadengeschenk des rechten Joseph verachten? wer das Kleid des Heils aus Gnaden, den Rock der himmlischen Gerechtzzkeit (Jes. 61, 10) verschmähen? Wer den Ruf zum ast- mahl des HErrn annimmt, der weise auch das Feier- kleid nicht von fich, das ihm der gleiche Herr anbietet; das ist am Ende die schlimmste Sünde, wenn einer nicht in Jesu den neuen Menschen anziehen will, wenn einer sich weigert, von Gnade allein zu leben, wenn einer bis an’s Ende im Schmuck der eigenen Gerechtigkeit vor Gott erscheinen will. Ein solcher ist wieder zum Pha- risäer geworden, und wird mit den Heuchlern hinaus- gestoßen. (Riggenbach.) Durch den Schluß dieses dritten Gleichnisses, welcher von der Ausstoßung eines der Fei- den aus dem Hochzeitssaale redet, will Jesus den in- druck verhüten, als ob das Erbarmen, das sich von den Juden weg zu den Heiden wendet, jemals parteiisch verfahren könnte. (Geß.) Auf das warnende Beispiel der Verächter des Rufs, die der gerechte Zorn Gottes trifft und die der Seligkeit verlustig gehen (V.3 ——8), folgt das warnende Bild der unächten An- nahme des Rufs, die der HErr einst richten und ver- urtheilen wird. (Heubner.) Selbst bei denen, die dem Rufe folgen, kann in der Tiefe des Lebens die Sünde bleiben, wenn der Mensch nicht in demüthigen Gehorsam gänzlich eingeht und mit der Einladung auch den von der freien Gnade Gottes dargebotenen Schmuck der Gerechtigkeit annimmt« (Olshausen.) Wir dürfen und sollen, wenn derKönig ruft, kommen, wie wir sind, aber wir dürfen, um sein Angesicht zu sehen und seines endlichen Mahls zu genießen, nicht bleiben, wie wir sind: unterwegs, vielmehrim Vorhof und Vorzim- mer geht etwas vor, dessen sich niemand ungestraft weigern, dem sich niemand unentdeckt entziehen wird. Erst durch die Fortführung bis zu diesem entscheidenden Punkte wird das Gleichniß, welches Gottes ganzen Rath und Weg mit Juden und Heiden weissagend verkündigen will, vollständig; es ift aber auch recht ein abermals in der Pharisäer Gewissen zurückfchlagender Gedanke: solche Leute wie ihr, mit eigener Ehre und Gerechtigkeit, wer- den in alle Zukunft nimmermehr von Gott in seinem Reiche gelitten werden. (Stier.) Der König, welcher durch seine Knechte die Leute hatte einluden lassen, kommt nicht, so oft als neue Gäste eintreten, er kommt erst, wenn alle Tische voll sind, wenn die große Periode der Berufung aller Völker zu dem Himmelreiche zu ihrem Ende gelangt ist; er kommt in der ausgesproche- nen Absicht, seine Gäste zu besehen, zu besichtigeiy zu sichten also und zu richten. Auffallend ist, daß der König hier selbst das Gericht in feine Hand nimmt: warum überträgt er es nicht seinen getreuen KnechteUP Von den Knechten hätte, ganz abgesehen davon, daß sie irrthumsfähig sind, eine Berufung auf ihren Herrn und König stattfinden können; dem soll vorgebeugt werden, es soll jetzt von dem Allerhöchsten selbst Gericht gehalten werden , denn es soll bei dem Spruche nun bleiben in alle Ewigkeit, welchen er fällt. Warum schickt aber der König nicht seinen königlichen Sohn? hat der Vater nicht feinem Sohne das Gericht übergeben? Der Königssohn ist hier im Gleichnisse der Bräutigam, der königliche Vater ist’s, der die Hochzeit ausrichtet; es geziemt sich also nach der Anlage des Gleichnisses, daß der Vater auch zusteht, ob alles in Ordnung ist, er will ja zudem alle Feinde seinem Sohne zum Schemel seiner Füße legen. Schwelle der Ewigkeit geht die Berufung fort; bis an die Thore des Todes kann der Einzelne, bis an die Thore des jüngsten Tages kann die Menschheit überhaupt ihrer Berufung folgen. Dann ist’s ein Ende des Rufens, dann kommt der König und schließt die Zeit sammt der Berufung und beschaut die versammelten Gäste, um aus- zusondern und hinauswerfen zu lassen in die äußerste insterniß, die untauglich erfunden werden. Banger ag, ernstes Geschäft, das auf der Grenze zwischen Zeit und Ewigkeit vollbracht wird! Was ist nöthiger zu wissen als die Regel, wonach Auswahl und Aussondk rung erfolgt? Da kommt nun alles auf das hochzeit- liche Kleid an: es haben oder nicht, das ist die Regel, (Nebe.) Bis an’s Ende der Zeit, bis an die, Das slieich Gottes wird von Israel genommen und den Heiden gegeben werden. 325 nach welcher man angenommen oder verworfen wird. Und man kann leicht verworfen werden; denn der llliensch ohne hochzeitlich Kleid, von welchem der Text redet, ist nur der erste, der hinausgeworsen wurde, vielen nach ihm geschah gleich also, das zeigt uns das Wort: ,,viele sind berufen, aber wenige find auserwählt« Gäbe es nur Einen, der verworfen würde, so könnte man doch fürchten, der eine zu sein; giebt es hingegen viele, so muß man fürchten, und es ist deshalb um so nöthiger, sich um das hochzeitliche Kleid zu bektimmern, das vor der ewigen Pein behütet. Also, was ist das horhzeitliche Kleid? das ist die Frage. Kleid ist Be- deckung des Leibes; von einer Bedeckung nur des Leibes kann natürlich hier nicht die Rede sein, weil von einem leiblichen Kleide die Aufnahme in’s ewige Reich nicht abhangen kann, das leibliche Kleid ist also nur ein Bild für ein geistiges Kleid. Seelen-Bedeckung ist es, auf die es ankommt; alles Andre hilft nicht. Die Seele, so wie sie ist, ist arm, nackt, blind und bloß, mit vielem Schmutz der Sünde befleckt: wer wird sie be- decken, daß sie Gott gefalle? wer giebt ihr die Gerech- tigkeit, die hinreicht, alle Schuld vor Gott zuzudecken und auszuheilen? Wir merken, daß es, wenn wir nicht verworfen werden wollen, auf eine Gerechtigkeit an- kommt, die unsre Gott mißfiillige Seele wohlgefällig machen kann, und wenn wir selig werden wollen, müssen wir uns in die Schule der Gerechtigkeit begeben, welche uns schon in manchem Evangelium des Kirchenjahrs empfohlen und angepriesen worden ist. Erinnern wir uns an den Brauch des Morgenlandes: der Hochzeiter giebt seinen Gästen ein Feierkleid, das ziehen sie an und das Kleid, welches sie mitgebracht haben, ziehen sie aus; das hochzeitliche Kleid ist also kein mitgebrachtes, sondern ein empfangenes, des Bräutigams Gäste sitzen in seinen Kleidern bei seinem Mahle. So ist auch die Gerechtigkeit, nach welcher des Königs Augen bei der Auswahl schauen, keine Frucht angeborener Werke und Anstrengungen der Gäste, sondern sie wird von ihm selbst gegeben; er fordert von seinen ewigen Gästen nichts, was sie haben, sondern er giebt ihnen, was er haben und an ihnen ewig sehen will, und was er e- geben, das fordert er. Der Gast im Gleichniß, welcZer im eigenen Gewande erfunden wurde, war ein unver- schämter Beleidiger des Königs, der ihm ja nicht min- der wie den andern beim Eingang sein hochzeitlich Kleid hatte reichen lassen. So ist auch der Mensch, der am Ende der Tage in seiner eigenen, armseligen Gerechtig- keit erfunden werden wird, ein unverschämter Beleidi er des ewigen Bräutigams und Königs; denn er at eigensinnig die Lumpen behalten und mit Bettelstolz das königliche Gewand aus eschlagen, welches die berufenden Knechte im AuftragChristi denen reichen, welche dem Rufe folgen. Dies Gewand ist nichts anderes als einer- seits die Vergebung unserer Sünden, andrerseits die zu- gerechnete vollkommene Gerechtigkeit Christi. Christus hat an unsrer Statt die Strafen unsrer Sünden ge- tragen; denen, die es glauben, wird nun ihre Schuld vergeben. Christus hat sich unter das Gesetz gethan und alle Gerechtigkeit erfüllt an unsrer Stelle, er hat dem Vater und seinem Gesetz einen vollkommenen Ge- horsam geleistet; das ist nun, als hätten wir es gethan, und wenn wir an ihn glauben, bedeckt uns der Glanz seines vollkommenen heiligen Lebens. Sein Leiden und Sterben kleidet uns mit dem blutrothen Gewande der Vergebung; sein heiliger, thätiger Gehorsam schmückt uns mit dem Lichtgewande der Gerechtigkeit. So oft ich euch in meinem Amte absolvire, reich ich euch Ver- gebung, sprech ich euch Christi Gerechtigkeit zu; der ich euch zum ewigen Hochzeitsmahle rufe, ich kleide euch auch in Jesu Namen mit dem heiligen Gewande der Unschuld und Gerechtigkeit. Beichtend zieht ihr eure Gerechtigkeit aus, absolvirend ziehe ich euch, wenn ihr anders glaubet, das hochzeitliche Kleid an; kein Mensch, welcher im Glauben die Absolution empfängt und hält, wird am Tage der allgemeinen Schau aller Gäste hin- aus eworfen werden —- sein Kleid rette! ihn. (Löhe.) Wo t ihr das Eine, was noth thut, euch zu eigen machen, so müßt ihr demüthig euch darein er eben, daß alles, was ihr von euch selbst habt, vor ott nichts taugt; daß der Schmuck, der eure eigenen guten Eigen- schaften oder lobenswürdigen Werke euch geben, vor Gott nichts ist als ein zerrissenes, befchmutztes Kleid, mit dem man vor Gott sich nicht darf sehen lassen. Hier heißt es: nehmen, in Demnth nehmen das Kleid, das Gott giebt, die Gerechtigkeit, die Jesus Christus uns erworben hat und die umsonst uns gegeben wird, auf daß wir vor Gott erscheinen können. Jhr meint, das sei bequem, sich auf Christi Blut und Gerechtigkeit verlassen und damit des Himmels gewiß sein. Dies hoehzeitliche Kleid zu nehmen ist nun allerdings be- quem, und soll auch bequem sein — in der Taufe ist’s euch allen angezogen worden; aber es rein und glänzend zu bewahren« oder wenn es auf der unsauberen Welt- straße fleckig geworden, es wieder zu reinigen, das ist nicht bequem, da braucht es einen vorsichtigen Gang, um nicht zu gleiten, ein scharfes Auge, den Flecken zu sehen, und heiße, bittere Thränen der Reue, um es wieder rein zu waschen. (Caspari.) O Jesu, du mein Bräutigam, der du aus Lieb am Kreuzesstamm für mich den Tod gelitten hast, genommen weg die Sündenlast: 2. Du bist der Arzt, du bist das Licht; du bist der HErr, dem nichts gebricht; du bist der Brunn der Heiligkeit, du bist das rechte Hochzeitskleid s. Drum, o HErr Jesu, bitt ich dich, in meiner Schwachheit heile wish; was unrein ist, das mache rein durch deinen heil’gen Gnadenscheiw VII· v.15——33. (§.105.) »Ja einem auffälligen Gegen— sah zu der hohen Erregttieit der Seele Sesu bei seinen Jtngrisfen auf die Gegner im vorigen Abschnitt steht deren lhösiichleeit bei dem unn versuchten Gegenstoß: die Pharisäer wollen ihn durch die Frage wegen der Kaiserstener fällen, die Saddiiräer durkh die Zins— ersiehungsfrage läiherliiti machen; beide gebrauchen eine achtungsoolle Form. Dieser Weihseh daß der Sonst— niüthige in solcher Eingang, die Eeidenschastlicheu mit solcher Ruhe reden, ist charakteristisch für diese letzte Zeit; ihn beherrscht der Schmerz um sein volle, die Pharisäer die Hoffnung, eine Antwort hervorzntortiem welche entweder die Verachtung der römerfeindlichen Menge oder eine Anklage der Gnipdrung ihm znwälzeu werde. Jlbrr das wogen seiner Gemüths hindert ihn nicht, den Einen die Antwort zu geben, welche in den Tonsiititeu von Bürgers-sticht und Gewissenorecht für alte Zeiten lichtgebend bleibt, den Andern d as Wort zu sagen, welches allein unter allen die Unsterblichtteitosrage zur Entscheidung bringt« (tltgt. Mark. 12, 13—27; Ente. W, 20——40.) Evangelium am W. Sonntage nach Crinitatish Die wakre Heiligung erweist sich besonders lieblich und herrlict im demüthigen Gehorsam, in der ftillen, einfältigen Unterordnung unter alle Gottesord- nungen auf Erden; dazu weist uns der HErr im Evan- gelium an, indem er spricht: »gebet dem Kaiser, was des Kaisers, und Gott, was Gottes ist.« (Dieffenbach.) Das vornehmste Stück in diesem Evangelio ist, daß uns unser lieber HErr Christus lehrt den Unterschied zwischen den zweien Regimentem welche wir 326 Evangelium Matthäi 22, 15 — 18. pflegen zu nennen das göttliche und weltliche Reich; dieselben Negimente soll man fleißig unterscheiden und ein jedes gehen lassen in seinen Ständen und Aemtern, also daß keines das andere verdamme, wie die Nonen- eister thun. Etliche haben sich gesetzt wider Gottes Reich, welches am meisten Widersacher hat, etliche wider das weltliche Reich; aber Gott hat sie also ausgerottey gefaßt und eine solche Macht darum gebauet, daß sie wohl verwahrt sind wider alle Teufel. (Luther.) Wir stehen nicht blos unter dem Regimente Gottes in seinem Reich, wir haben auch aus Erden ein weltliches Regi- ment, welches die tirsten, die Obrigkeiten und Ge- walten führen; ein hrist muß daher auch wissen, was er von dem weltlichen Regimente zu halten hat, wie weit sich sein Ansehn strecket und worin er ihm unterworfen sein muß. Der HErr Jesus hat zwar ge- sagt (Luk. 12, 14): »Mensch, wer hat mich zum Erb- schtchter gesetzt?« und darum flechten wir uns nicht un- berufen in weltliche Händel, sondern lassen sie denen, welche Amt und Pflicht dazu haben; gleichwohl hängt unser zeitliches Wohl und Wehe vielsach von dem welt- lichen Regiment ab, und niemand darf sagen, daß ihn das öffentliche Wesen nichts angehe. Hat er nicht zu re ieren, so hat er wenigstens zu dienen und an seinem Tkseile zu helfen, daß das gemeine Beste gefördert werde. Darum darf es ein Christ nicht von sich weisen, in dieser weltlichen Sache gewissen Grund zu suchen, zumal da heutigestags eine große Verwirrung ange- richtet ist nnd selbst solche, die Christen sein wollen, auf Jrrwege gerathen sind und großen Schaden genommen oder verursacht haben. (Mtinkel.) Christenpslicht und Bttrgerpflicht —— eines stört das andre nicht: l) ihr Christen, vergißt nicht eure Bürger- pflicht — gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist; 2) ihr Bürger, versäumt nicht eure Christenpflicht — gebet Gott, was Gottes ist. (Gerok.) Der Christ als Bürger: 1) auch in bürgerlichen Verhältnissen erkennt der Christ die Oberhoheit des göttlichen Wortes an; 2) er fragt den HErrn nach dem, was recht ist, Z) und thut dann gern und gewissenhast, was ihn Jesus thun heißt. (Fr. Arndt.) I5. Da [als der HErr nach Beendigung seiner Gleichnißreden eine Pause machte und sie nun ohne Aufsehen sich von ihm zurückziehen konn- ten] gingen die spharisaer sunter denen, die in Kap. 21, 23 als Deputirte des Hohenraths ge- kommen waren] hin lzu den Genossen ihrer Partei, welche damals den Hohenrath beherrschte, um sich mit ihnen zu verständigen, was wohl zu thun sei, um sich der Person Jesu trotz der ihn fchiitzenden Bolksgunst Kap. 21, 46 zu bemächtigen] und hielten einen Rath, wie sie ihn fingen in feiner Rede [ihn durch eine bestimmt vorge- legte Frage zu einem Ausspruch veranlaßten, durch den er sich der römischen Obrigkeit verantwortlich machte, so daß es dann leicht wäre, mittels dieser ihn zu beseitigensz 16. Und sandten [weil es ihnen darauf an- kam, nicht in eigener Person den Plan auszuführen] zu ihm ihre Jiinger soder SchülerL sammt Herodis Dienern [die mit ihrem Herrn des Osterfestes wegen damals gerade in Jerusalem an- wesend waren Kap. 12, 14 Anm.], und sprachen sdurch den Mund jener ihrer Jiingey denen sie alles genau vorgeschrieben hatten, was sie, jedoch nicht im Namen ihrer Lehrer, sondern in ihren eigenen Namen, zu ihm sagen sollten]: Meister, wir wissen fnach alle dem, was wir bisher an dir wahrgcnomrnenL daß du wahrhaftig [auf- richtigen, nur auf die Wahrheit Bedacht nehmenden Herzens] bist, und lehrest ssolcher deiner Wahr- heitsliebe gemäß] den Weg Gottes swas man nach Gottes Willen thun oder lassen soll] recht [so daß man sich auf deine Aussprüche bei schwie- rigen Lebensfragen verlassen kann und nicht mehr zweifelhaft bleibt, welches die allein richtige Ent- scheidung sei], und du fra» est swo du um einen Ausspruch ersucht wirstJ na niemand [unter den anwesenden Zuhörerm ob etwa auch solche da seien, die dir gefährlich werden könnten]; denn du achtest nicht das Ansehen der Menschen sund sürchtest dich auch vor König und Kaiser nicht, wenn es gilt, freimiithig die Wahrheit zu bekennen] 17. Darum [weil uns dran liegt, gerade deine Meinung zu hören] sage uns [ohne auf die hier gegenwärtigen Diener Herodis Rücksicht zu nehmen, denen vielmehr es gar nöthig ist, daß sie auch einmal ein freimüthiges Wahrheitszeugniß aus Prophetenmunde vernehmen], was diinket dich? ifks recht, daß man dem Kaiser Zins gebe skann es mit gutem Gewissen geschehen, daß wir Juden, die wir Gottes Eigenthum und von Rechts wegen ein freies Volk sind S. Mos. 19, S; Joh. 8, 33.,.dem römischen Kaiser, also einem heid- nischen, uns fremden Oberherren s. M. 17, 15., die Schatzung leisten, die er uns auflegt], oder nicht [so daß wir vielmehr dafür eifern müßten, daß von unserm Lande der HErr gesagt hat: ,,es ist mein« Z. M. 25, 2312 Die in Christi Gleichnissen ausgesprochene Wahrheit hatte getroffen und die Pharisäer gingen mit einem Stachel im Herzen von hinnen; allein was half es ihnen, da sie Jesu Liebe zu ihnen nicht erkannten, da sie sich nicht schuldig geben, nicht bekehren wollten? Wenn man die Wahrheit annimmt, ist sie heilsam und heiligt die Seele; wenn man aber ihrer Führung widersteht, ist man hernach härter und schlimmer als zuvor. Das beweist sich schnell: die von Jesn nicht gedemüthigten Pharisäer versammeln sich· Wozu versammeln sie sich? Es wäre» gut gewesen, wenn sie mit stch zu Rathe ge- gangen wären und ihr Herz geprüft hätten, vielleicht hätte sie das Wort des HErrn in der Erinnerung kräf- tiger erfaßt, als da ste es aus seinem Munde hörten; aber daran denken sie nicht. Auch stellen sie keine Unter- suchung iiber das Wort Jefu oder über seinen Wandel an, keine über seine Werke, vielleicht hätte ste eine ge- naue und ein ehende Beschauung eines solchen Mannes und seines T uns und Lassens auch ein wenig zur Be- smnung gebracht; das geschieht aber auch nicht, sie sind voraus über ihre eigene Vortrefflichkeit und über das i-m Reinen, was sie von Jesu zu denken haben. Ohne Abrede und Verhandlung besteht eine gewisse Einigkeit unter ihnen, daß Jesus fallen und ausgetilgt werden solle; ihre Versammlung und Verhandlung soll blos Einleitungen zum Gegenstand haben, Einleitungen zum Versäiigliche Rechtsfrage der Pharisäer vom Zinsgroschein 327 Verderbendes HErrn, sie wollen ihm Schlingen legen, man will ihn fangen in seiner Rede. (Löhe.) Die Pha- risäer wollen den HErrn nöthigen, sich über die Hoheits- rechte der Römer über Judäa zu erklären; erklärte er sich unbedingt für dieselben, so war es um seine Gunst bei dem Volke geschehen, sie hosften aber vielmehr, daß er sich gegen dieselbe erklären werde, und wollten ihn dann dem römischen Statthalter als Aufrührer über- liefern (Luk. 23, 2·). Die Frage, welche sie dazu ge- wählt hatten, schien eine sichere Schlinge zu sein, und die Männer, welche die Anfrage vortragen sollten, wa- ren wvhlgewählh geübte Schüler, welche sich das An- sehn, um die theokratifche Gerechtigkeit besorgt zu sein, mit einem schweren Gewissensbedenkeii zu Jesu zu koni- men (vgl. das »fronim« in Luk. 20, 20), mit meister- hafter Heuchelei zu geben wußten. (P. Lange.) Die Pharisäer hatten Recht, wenn ihnen die Obrigkeit des römischen Kaisers wie eine schwere Landplage vorkam. Aus dem Gesetze Gottes konnten sie nichts anderes her- aus lesen, als daß sich diese Obrigkeit mit dem Gesetze nicht vertrug und daß Gott nicht die Absicht gehabt, sein Volk unter die Herrschaft eines Heiden zu geben. Sie urtheilten: Gott will nicht, daß ein Fremder König sei; also hat der Kaiser nicht Recht über uns zu herr- schen, weil er ein Fremder ist. Darin bestärkte sie noch eine zweite Betrachtungx der Kaiser war nicht viel mehr als ein großer, gewaltiger Räuber, welcher in’s Land gefallen war, die wehrlosen Juden unterdrückt und sich zinspslichtig und unterthänig gemacht hatte; wenn die Juden ihm gehorchten, so geschah das nur, weil ihnen keine andere Wahl als zwischen Unterthänigkeit nnd Untergang blieb. Wenn nun jemand in dein Haus fiele, dir das Deine nähme, sich zum Herrn und dich zum Knechte machte, würdest du sagen, daß er recht daran thäte und dein rechtmäßiger Herr geworden wäre? Dann wäre die Gewalt statt des Rechts , und wer die Gewalt hätte, der hätte auch das Recht; damit würden gut geheißen die vielen teuflischen Kriege, wo- durch die Gewaltigen auf Erden ihre Macht und ihr Reich auf Kosten der Schivächeren zu vergrößern suchen und den Völkern Freiheit und Eigenthum nehmen. Da- ruin konnten die Pharisäer nicht anders einsehen, als daß des Kaisers Obri keit wider göttliche und mensch- liche Rechte sei und so ald als möglich gestürzt werden müsse. Mit ihnen ging fast das ganze Volk, welches nur murrend das römische Joch trug und eine günstige Gele enheit abwartete, dasselbe wieder abzuschütteln: wer ihm hätte sagen wollen, daß der Kaiser sein recht- mäßiger Oberherr sei, der hätte es auch mit ihm völlig verdorben. Nun wäre es den Pharisäern wohl ganz erwünscht gewesen, wenn Jesus in dieser Weise sich entschieden und damit das Volk verletzt hätte; denn mit Ingrimm sahen sie, daß er dasselbe aiif seiner Seite habe und ihr Ansehen durch das seine ganz verdunkele. Doch erwarteten sie solche Entscheidung keineswegs; sie rechneten vielmehr mit Sicherheit darauf, daß er ant- worten würde: ,,es ist nicht recht«, und legen es ge- radezu darauf an, diese Antwort seinem Munde zu ent- locken, denn dann hätten sie ihn als einen, der Aufruhr und Empörung predigesz vor dem römischen Landpsleger verklagen können, um feinen Kopf wäre es Pgeschehen ge- wesen und sie waren des gefährlichen annes los, neben dem sie nicht aufkommen konnten und von dein sie sich öffentlich mußten strafen lassen. (Münk«el.) Die Häupter selbst halten sich für alle Fälle weislich· im Hintergrunde» schicken nur ihre Jünger als angestiftete ushorchey diese· aber in wohlgerüstetey fein angelegter Gefellschaft mit ihnen sonst verhaßten Leuten von des eben zum Fest nach Jerusalem gekommenen Heroves Anhang; nach einer ziemlich langen sauberen Vorrede folgt dann die wirklich damals höchst kitzliche Frage vom Zins an den römischen Kaiser: Du fragst ja nichts nach dem Kaiser, auch nichts nach diesen Herodianern hier, wenn du sie etwa kennst; du weißt, wir Pharisäer sind mit ihnen darüber nicht einig, so richte jetzt zwi- schen uns ein rechtes Gericht; es ist uns ein Gewissens- Punkt, ob es erlaubt oder nicht vielmehr Sünde sei, dem Cäsar gehorsam Kopssteiier zu zahlen, und wir verlangen auf diese »breniiende« Frage, aii der allem Volk viel gelegen ist, eine reine, runde Antwort. (Stier.) Arglistig ist die der Frage vorausgeschickte Vorrede, eine reihte eaptatio benevolentiae (rednerische Bitte um geneigtes Gehör). Wie die Schlange ihre Beute erst mit ihrem Speichel beleckt und bedeckt, um sie desto be- quemer verschlingen zu können, so schmeicheln auch diese dem HErrn erst. Luther sagt: sie fallen nicht flugs auf ihn mit der rage, sondern machen vorher einen freien Zugang, damit sie ihn einnehmen wollen, schmücken sich, als meinten sie es recht und gut und sei ihr roßer Ernst, loben und trauen ihm mit glatten Worten, eißeu ihn Meister, damit sie ihn erinnern seines Amts, seiner Pflicht, daß er sie nicht ohne Antwort lasse, und stellen sich, als wären sie seine lieben Jüngen Wie nun Gott sich aus dem Munde der jungen Kinder und Säuglinge eine Macht zurichten so bereitet sich der HErr hier, der so ganz und gar nicht das Lob der Leute sncht, ein herrliches Lob aus dem Munde der Feinde. (Nebe.) Für diese Pharisäer ist die Sprache nur da, um ihre Gedanken zu verhüllen und zu verbergen. Wissen sie, daß der Meister wahrhaftig ist, warum glauben sie ihm denn nicht (Joh. 8, 45)? aber sie waren so durch und durch Lüge und Heuchelei, daß sie schon alle Em- pfänglichkeit für die Wahrheit verloren hatten. Wissen sie, daß der HErr den Weg Gottes recht lehret, warum folgen sie ihm denn nicht? warum wollen sie den Weg nicht einschlagen, auf welchen er sie hinweiset als auf den einzigen Weg zum Leben und zur Seligkeit? warum richten sie ihre eigene pharisäische Gerechtigkeit auf, während er von Sünde, Buße, Gnade und Gerechtigkeit des Glaubens redet? warum bestehen sie darauf, daß die Menschen gerecht und selig werden müßten durch des Gesetzes Werk, während er sich selbst den Weg, die Wahrheit und das Leben nennt und sein Evaniglelium predigt als eine Kraft Gottes, selig zu machen a e, die daran glauben? Wissen sie, daß der HErr nach nie- mand fragt iind kein Ansehen der Person achtet, warum treten sie denn nicht in seine Fußtapfen und lernen von ihm mit Offenheit und Aufrichtigkeit zu Werke gehen? warum hängen sie überall den Mantel nach dem Winde iind wenden sich bald hierhin, bald dorthin, und reden jetzt so und daiin anders und schmiegen sich überall den Personen und Verhältnissen an? Sie schlagen sich selbst nur mit ihrer studirten Anrede, und obgleich alles wahr ist, was sie sagen, so ist doch die— Wahrheit in ihrem Munde niir eine berechnete Lüge, die ihnen für ihren Zweck angemessen scheint, weil sie meinen, sich dadurch bei dem HErrn einschmeicheln nnd ihn täuschen und sicher machen zu können. (Couard.i Die schlauen Fttchse kannten sich und wußten, daß eine Wanne mit Wasser eher überfließh wenn sie in Bewe- gung gesetzt wird. (Claudius.) 18. Da nun Jesus [der nicht bedurfte, daß jemand Zeugniß gebe von einem Menschen, sondern selber wußte, was im Menschen war Joh. 2, 251 merkte ihre Schiilkheit [wie bei allen frommen Geberden, die sie angenommen, und freundlichen Worten, die sie ihm gaben, sie es doch nur auf sein Verderben abgesehen], sprach er lsich zunächst 328 Evangelium Matthäi 2»2, 19—21. an ihnen selber also beweisend, wie sie ihn gerühmt hatten, als einen Meister, der wahrhaftig sei und nicht achte das Ansehen der Menschen]: Ihr Heuchler, was versuchet ihr mich? Bevor er ihnen eine Antwort giebt, giebt er ihnen einen Beweis seiner Gottheit, indem er ihre geheime Bosheit offen darlegt. Wenn uns jetzt ähnliche Nach- stellungen täglich von den Gottlosen bereitet werden, deren inwendige Bosheit aber sich uns verbirgt, müssen wir Christum bitten, daß er uns mit der Gabe, die Geister zu prüfen, ansrüste nnd das, was er selber ver- möge seiner göttlichen Natur und nach eigenem Recht besaß, uns als ein Gnadengeschenk beilege. (Calvin.) Christus hört und merkt bald an ihrem Fragen, daß sie Schälke sind; aber weil sie ihn Meister und einen rech- ten Lehrer nenneii,« als die da wollen von ihm die Wahrheit hören, wiewohl sie lügen, so müssen sie ihn haben, wie sie ihn fuchen, und hören, das sie nicht erne hören, daß er ihnen antwortet: Bin ich ein zieifter und lehre die Wahrheit, so will ich euch die Wahrheit sagen, was ihr seid und suchet; so lehre und meistere ich, daß ihr Heuchler seid. Das heißt auf deutsch so viel als zwiesältige Schälke und Buben: zum Ersten darum, daß sie nicht fromm sind; zum Andern, daß sie die Schalkheit mit Frömmigkeit bedecken und schmiicken und also die Leute mit salschecn Schein be- trügen wollen. Solche zwiefältige Schälke, sagt er, seid ihr; ihr suchet nicht Gottes Weg noch die Wahrheit, und wollet gleichwohl den Schein haben und mich mit falschem Lob betrügen, daß ich euch für fromm halten soll. Aber weil ihr nicht wollet hören die Wahrheit, dadnrch ihr selig werdet, so höret die Wahrheit, da- durch eure Schalkheit offenbart und verdammet werde; denn ich bin ja ein Meister der Wahrheit, aber Etlichen zum Leben, Etlichen zum Tode und Verdammniß, dar- nach eines jeglichen Glaube und Herz stehet. (Luther.) Der HErr hätte wohl hier abbrechen und die entlarvten Heuchleri beschämt stehen lassen können; keiner hätte ihn an seinem Gewand festgehalten und gesprochen: wo bleibt die Antwort auf unsre Frage? Er thut dies aber nicht; er erkennt es als feine Berufspslicht an, diese brennende Frage zu lösen, sie unter das Licht des Wortes Gottes zu stellen. Christus ist mehr als Pro- phet und Hoherpriestey er ist auch König; er kann sich, da sein Reich zwar nicht von dieser Welt, aber doch in dieser Welt ist, der Politik nichtæganz entschlageiq er will herrfchen über den ganzen enschen, alle Reiche der Welt einnehmen. Es ist ein ganz verkehrter Ge- danke, daß das Christenthum mit der Politik grund- sätzlich nichts zu schasfen habe: das hieße gerade soviel, als ob zwischen Kirche und Staat eine solche Kluft be- festigt wäre, daß kein erübersahren von dem einen Reiche in das andre möglich sei. (Nebe.) 19. Weifet [aber, weil ich trotz eurer Arg- list euch dennoch in einer so wichtigen Frage nicht ohne Bescheid lassen will] mir die Zinsmünze sdiejentge Münze, in welcher die Kopfsteuer zu ent- richten ist]. Und sie [begierig, was er sagen würde] reiihten ihm einen Groschen sromischen Denar d. 772 Er. 2. Mos. 30, 13 Anm.] dar [denn das war die von ihm verlangte Münze] 20. Und er [vgl. Kap. 21, II] sprach. zu ihnen: Wes; saus dem Gepräge hier] ist das Bild und die [den Namen enthaltende] Ueber- scheust? 21. Sie ssich wohl bewußt, daß, wenn sie ihm nicht Rede stehen würden, er ihnen alsbald entgegnen könnte: so antworte ich euch auch nicht auf eure Frage Kuh. 21, 271 sprachen zu ihm: Des Kaisers [wie du siehest, wozu also erst noch fragen?] Da [indem er jetzt die Schlinge über ihnen zufammenzog und seine Fänger V. 15 in ihrer eigenen Aussage fing Richt 5 , 121 sprach er zu ihnen: So [wenn ihr denn einmal eine Münze führt, die nicht euer, sondern des Kaisers ist, und damit euch thatsächlich als seine Unter- thanen bekundet] gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist sihr könnet ihm das Seine, mit dem Zins auch die andern Unterthanpflichtem nicht vor- enthalten], und [gebet zugleich, da eines das andere durchaus nicht hindert] Gott, was Gottes ist [das, was Gottes Gepräge trägt, die Seele, euch selbst mit euerm ganzen inwendigen Wesen Spr. 23, 26]. »Seid klug wie die Schlangeiy und ohne Falfch wie die Tauben,« spricht der HErr zu seinen Jüngern (Kap. W, 16). Die Schlangenklugheit bedürfen wir, weil wir es mit Schlangen zu thun haben, damit wir ihre List merken und ihren giftigen Zähnen entgehen; die Tauben- einsalt soll uns aber bewahren, daß wir nicht die krum- men Wege der Schlangen gehen, sondern Gott und der Wahrheit im reinen Glauben und guten Gewissen die- nen. Diese Einfalt wird uns Weisheit geben, welche höher ist als die Klugheit der Schlangen und alle Netze zerreißt, welche uns von der falschen Welt gestellt wer- den. (Münkel.) Christus will ein großes, hochwichtiges Wort aussprechen für Israel (,,er sah die Empörung gegen den Kaiser schon im Stillen gähren, er wußte, wie bald sie ausbrechen und daß sie zum Verderben des ganzen Volkes ausschlagen würde; wir sahen ihn zwei Tage vorher weinen an dem Schutthaufen der Stadt Jerusalem , welchen er im Geiste sah, sein Herz brach ihm, wenn er an die furchtbaren Tage dachte, wo der Kaiser die Empörung des Volks mit Feuer und Schwert rächte und es wie den losen Staub in alle vier Winde zerstreute; als der Meister in Israel, als der gute Hirte seines Volks will er denn die Gewissen aus Gottes Wort unterrichten, welches der Wille Gottes sei«) und alle Welt; er will es recht iiberfithrend, festhaltend aus- sprechen, an etwas Handgreifliches knüpfen, daß es kein bloßes Wort bleibe; er will das leidenschaftliche, hitzige Zufahren der Antwort Gebietende1i, wie ihm ziemlich und ihnen zuträglich ist, ein wenig dämpfen, ehe der Ausspruch seines Mundes ergeht; er will endlich den Beweis und Entscheidungsgrund von den Versuchern selbst sich reichen lassen. So bedenkt er in Einem Augenblick einfältiger Weisheit mehr, als sie in langer Berathung zusammengesponnen haben. (Stier.) Der Census (Zins), um welchen es sich hier handelt, war damals so sehr lange noch nicht eingeführt. Pompejus legte, als ei; den Streit zwischen Hhrkanus und Aristos bulus schlichtend im J. 63 v. Chr. Jerusalem erobert hatte, den Juden einen Tribut auf (Schlußbem. zum 1. Maccabäerb Nr. 8); diese Steuer wurde von jüdii schen Beamten selbst gesammelt und war dem Lande als Ganzem auferlegt. Cäsar verfügte in seiner zweiten Diktatur Ebendaselbst Nr. I, o), daß die Juden mit Ausnahme des 7. Jahres, des sog. Sabbathjahres, in welchem sie weder Baumfrüchte einsammelten, noch ern· teten, Steuer zahlen sollten, und zwar sollten sie iui Z. Vom Unterschied des göttlichen und weltlichen Regiments 329 Jahre, also dem der Ernte nachfolgenden, die Steuer in Sidon , dem phönicischen Hafenplatze abtragen, den vierten Theil des Gesäeten; außerdem hätten sie an Fyrkanus und seine Nachkommen, wie es von den Vätern ergebracht wäre, den Zehnten zu zahlen. Außer dieser Steuer sollte kein Statthalter, Feldherr oder Gesandter in dem Gebiete der Juden weder Soldaten ausheben dürfen, noch unter irgend einem Vorwande Geld ein- fordern. Wir finden nun unter der Regierung des Tiberius (14-—37 n. Chr. Geb.) auf einmal eine Kopf- steuer für den römischen Kaiser eingeführt: es boten sich nur zwei Gelegenheiten, wo dieselbe eingeführt werden konnte — 1) nach Herodis Tode, wo Augustus lange Bedenken trug, die einheimischen Fürsten Judäcks zu bestätigen (4 v. Chr.), und Z) nach Archelaus Absetzuiig (6 n. Chr.), wo Judäa wirklich unmittelbare römische Provinz wurde (Kap. 2, 20 Anm·). Was den ersteren Zeitpunkt betrifft, so kann da, weil Augustus dem Lande schließlich doch noch einen eigenen Fürsten ließ, die Kopf- steuer auch noch nicht aufgekomcnen sein; es geschah das also erst im J. 6 n. Chr., in welches Jahr der Ausstand des Judas aus Gakiläa fällt (Apoftg.5, 37), wenn auch die Vorbereitungen dazu schon mit der Schatzung zur Zeit der Geburt Christi (Luk. 2, 1 f.) begonnen hatten. — »Die Antwort des HErrn gewinnt unendlich viel an Nachdriick durch den Akt, in tvelchen er sie kleidet: sie selber müssen mit der Münze in der Hand als Unter- thanen des Kaisers vor ihm erscheinen und das Urtheil lesen: des Kaisers. Die Wahrheit der Antwort aber besteht darin, daß jeder sich den faktischen Pflichten eines Staates unterworfen hat, wer in die Rechte desselben, in seinen Geldverkehr eintritt; wer das Miinzrecht des Staats-Oberhauptes anerkennt, der erkennt auch sein Stenerreeht an, wer die Münze vom Kaiser annimmt, muß sie auch ihm wiedergeben. So macht Jesus die Steuerentrichtung zu einer Pflicht des faktischen Rechts — die Mün e ift schon des Kaisers (sie darf ihm also ohne ossene mpörung nicht mehr verweigert werden). Es heißt jedoch: »was des Kaisers ist«, und damit sind alle Staatspflichten gemeint. Dieser Gehorsam soll indessen bedingt bleiben durch den Gehorsam gegen Gott, dem man das, was Gottes ist, entrichten soll; und auch hier wieder ist nicht an etwas Einzelues zu denken, wie nach der gewöhnlichen Erklärung die Tempelsteuey son- dern alle religiösen Pflichten, wie Erasmns sagt: gebet Gott, was Gottes Bild und Inschrift trägt, d. i. die Seele. Ueber den Unterschied einer rechtmäßigen und unrechtmäßigenObrigkeit sagt die Stelle nichtsz sie sagt nur, daß der, welcher den Schutz einer saktischen Obrig- keit angenommen, in ihr Staatsleben eingetreten ist, damit auch ihre Rechte anerkannt hat. Die legitimistische Anhänglichkeit an eine verdrängte Macht muß sich also dadurch im Recht erhalten, daß sie mit ihr auswandert, leidet; innerhalb des neuen Unterthanenverbandes kann sie nur bestehen als Wunsch oder Stimmung, als Sehn- sucht und rechtliches Trachten nach Erlösung. (P.Lange.) Wie schlug doch der HErr die Falschheit der Pharisäer so unerwartet auf’s Haupt, indem er sich die Münze mit Bild nnd Umschrift des Kaisers weisen ließ und nun statt eines aufrührerischen oder auch eines servilen (knechtischen) Worts den Ausspruch that, der so schlagend ihr Gewissen traf, als wollte er sci en: Lasset ihr euch die kaiserliche Münze, wenn ihr te könnt mit Nutzen nehmen, so gerne gesallen, so werdet nicht erst gewissen- haft, wenn’s an’s Zahlen geht; gebet auch von dem, was ihr nehmet, zum Dank für Schutz und Ordnung, Segen und Gedeihen, desseu ihr euch vom Kaiser zu rühmen habt. Gebt ihm auch Gehorsam, Dienst und Ehre, die ihm gebühren, nur nicht die Anbetung, die Gottes ist, wenn der Kaiser sie verlangen wollte; in allem andern ist es Gottes Wille, daß ihr dem Kaiser gebet, was des Kaisers ist. Hättet ihr aber allezeit Gott gegeben, was Gottes ist, die edle Münze, welche seine Umschrift trägt, nach seinem Namen genannt ist, das Gepräge seines Bildes tragen sollte, euer Herz und Wesen, dann wäre euch wohl geholfen auch gegen den Kaiser. (Riggenbach.) Er sagt ihnen aus deutsch mit seinem Wort soviel: Ihr wollt dem Kaiser nehmen, was sein ist, und habt zuvor längst genommen, was Gottes ist; darum seid ihr erstlich Anfrührer wider den Kaiser, weil ihr ihm das Seine vorenthaltet, denket ihm nicht zu geben, von welchem ihr doch bekennt, es sei des Kaisers, zum Andern aber seid ihr auch schänd- liche Gottesdiebe, als die ihr Gottes Wort nicht recht prediget, den Leuten ein anderes dafür gebt und also Gott die Seelen raubt. (Luther.) Christus der HErr hat die Frage der Pharisäer gewiß für» die ganze Zeit entschieden, welche zwischen ihm und dem Ende verrinnen würde; seine klare Antwort sollte, mein ich, allen Hader über das Verhältnis; zwischen Staat und Kirche beschlossen haben, und doch hat sich fast in allen Zeiten der Kirche ein großes Gelüste kund gegeben, die Frage der Pharisäer einseitig zu bescheiden, das welt- liche Regiment des Kaisers durch die Kirche und ihre heilige Ordnung, oder umgekehrt das Regiment der Kirche und die Kirche selbst durch das weltliche Regi- ment und den Staat aufzuheben. Gelobet sei der HErr, welcher heilige Gerechtigkeit lehrt, beiden Gottesordi nnugen, der Kirche und dem Staate, Gottes Schutz und Frieden ziceignet, beide friedlich neben einander stellt, ohne daß eins in das andere ausgehen soll. Sowie eine von beiden Stiftungen des HErrn die andere ver- schlingen will, kommt ein Widerstreben des andern Theils, aus welchem Streit nnd Krieg hervorgeht, oder es kommt eine ungöttliche Unterordnung, aus welcher Elend kommt. Festhalten von Gott gesetzter Grenzen bringt Frieden, lIebergriffe in fremdes Gebiet bricht Gottes Frieden; was Gott zusammengefügt hat in Eins, soll der Mensch nicht scheiden, was er aber neben einander gestellt hat, soll sich nicht allzunah vereinen, daß nicht Gottes Wille zum Unheil verletzt werde. Es ist ja ohnehin nicht von einem feindlichen Gegenüber- stehen die Rede, woraus gegenseitiger Beistand und Hilfe kommen kann. Die Kirche giebt dem Staate ihre Kin- der und lehrt sie heiligen Gehorsam gegen alle Obrig- keit, der Staat wehrt schirmend äußere Gefahren von dem Haufen der göttlichen Gemeinde ab; die Kirche ist eine Erzieherin der Völker zu aller, auch zu aller irdi- schen Ordnung, der Staat krönt sie dafür mit allerlei irdischen Segen. Eines kommt dem andern mit Ehr- erbietung zuvor, eins dient dem andern; unter dem Dienst beider gelangt das Volk des HErrn zu seinem ewigen Ziele. Bei weitem weniger würde erreicht, wenn beide in einander ausgingen; mit zwei milden Händen, mit Staat und Kirche, segnet Gott seine Heerde —- und so, gerade so isks recht und wohl gethan. (Löhe.) Es ist das Grundverderben unsrer gegenwärtigen Zeit, daß diese einfachen Wahrheiten völlig verkannt werden nud daß nun durchaus die Kirche in den Staat auf- gehen und in demselben untergehen soll. Im Laufe von 25 Jahren wird man auch sein Ziel vollständig erreicht haben, nur daß man nicht länger als 3 Tage und einen halben W, Jahrwoche = IV, Jahr) des vermeintlichen Völkerbegllickungsstandes sich freuen wird; im Socialiss mus und Eommunisinus bereitet sich schon das große Erdbeben vor, in Folge dessen der 10. Theil der Stadt fällt und 7000 Namen (Chorführer) der Menschen in der Erdbebung ertödtet werden; die Andern werden dann erschrecken und dem Gott des Himmels wieder die Ehre geben (Offenb. U, 7—13). 330 Evangelium Matthäi 2«2, 22——33. 22. Da sie das höreten, verwunderten sie sich [der eben so klaren und wahren, als ihn gegen alle weiteren Nachstellungen sicher stellenden Antwort] und ließen ihn und gingen davon. Er steht als Sieger auf dem Plan, und seine Feinde gehen dahin als verstockte Sünder in das Gericht der Verdammniß (Nebe.) 23. An demselbigen Tage lwohl bald nach Abfertigung der Pharisäer und ihrer Helfershelfeiq traten zu ihm die Saddnciiey die da snach ihrer ganzen unglänbigen Denkungsart, Schlußbem. zum 1. Maccabäerb 4, c] halten, es sei kein Aufei- stehen [der Todten Apostg. 23, 8., sondern mit diesem Leben habe überhaupt alles ein Ende Weish L, 1 sssL Und fragten ihn lrichteteu durch etliche aus ihrem Kreise eine Frage an ihn, womit sie ihn, der ja auch die Auferstehung lehre, wie die Pharisäer, wollten in Verlegenheit briugen], Die Sadduciier hatten bisher als Partei weniger ofsene Feindschaft gegen Jefum kund egeben, als die Pharisäer; doch können sie es nicht lassen, in der für sie charakteristifchen weltmännifch-leichtfertigen, an Spott streifenden Weise ihren Witz auch noch an ihm zu ver- suchen. (v. Burgen) Sie haben’s wohl nicht mit ange- hört, wie er den Pharisäern das Maul gestopft; darum ist das ihrige noch offen und begehrt ein Gleiches. »An demselben Tage« brachten sie ihre Frage vor, der Welt auch ein großes Wort zur Antwort für allen Unglauben an den lebendigen Gott der Lebendigen zu verschaffen. (Stier.) Es entspricht ganz der Bedeutung dieses Tags, daß alle geistigen Mächte dieser Zeit, wie sie der Fin- sterniß verfallen sind, gegen den HErrn, der den vollen Glanz feines Lichtes jetzt auf Zion hervorbrechen läßt, Sturm laufen;» man merkt schon das Herannahen der großen Stunde der Finsternis; daran, daß alle Parteien, welche sich sonst mit Todfeindfchaft einander bekämpfen, jetzt in der großen Feindschaft gegen Christum zu einer vorübergehenden dämonifchen Einigung kommen. (P. Lange.) Jn den Sadducäern treten die vornehmen Liebhaber des Unglaubens auf den Plan und versuchen durch ein ersonnenes Beispiel ein fchlüpfriges Lachen zu erregen wider Gottes Gesetz und wider Jefum selber. (Riggenbach.) Hält man die Stelle Joh. s, 2—11., welche die Geschichte von der Ehebrecherin enthält, welche die Schriftgelehrten und Pharisäer zu Jesu brin- gen, zwar nicht für einen urfprünglichen Beftandtheil des Evang. St. Johannis, wohl aber für einen ächt evangelifchen Bericht, der nur an einen falschen Ort ge- rathen sei, wie denn einige Handschriften ihn hinter Luk. 21 stellen und damit andeuten, daß jener Vorfall in die Zeit des letzten Osterfestes gehöre, so ist vielleicht der rechte Ort dafür zwischen der vorigen und der nun- mehrigen Geschichte. Nachdem die Pharisäer mit der durch ihre Jünger an Jesum gebrachten Frage wegen des Zinsgrofchens abgesertigt waren, bot ihnen das aus frischer That im Ehebruch begriffene Weib Gelegenheit, die Falle, welche sie ihm mit jener Frage gestellt, durch einen concreten Fall noch einmal auszurichten, insofern nämlich er, wenn er fiel) dafür entschieden hätte, sie sollten die mvfaifche Gesetzesbestimmung auch wirklich an dem Weibe vollziehen, als einer dargestellt werden konnte, der in das Recht der römischen Obrigkeit eingriffe (Ioh. 18, 31), während im gegentheiligen Fall sie ihn der Aufhebung des Gesetzes befchuldigen wollten; aber auch jetzt verloren sie das Spiel, und nun traten die Sadducäer hervor mit ihrer auf gefchlechtliche Verhält- nisse gegründeten Bestreitung der Auferstehungslehre P. Lange vermuthet, sie hätten jetzt schon etwas gewußt von der Verkündigung Jesu, daß er nach dreien Tagen von den Todten wieder auferstehen werde (Kap.27,63), und ihm nun zu verstehen geben wollen, diese feine Hoffnung sei Schwärmerei; er möge also gegenüber den höchsten Auctoritäteiy die ihm den Tod bereiteten, fich bedenken und von feinem Werk zurücktreten. 24. Und sprachen: Meister, Moses [der uns doch die höchste Auctorität in göttlichen, reli- giöfen Dingen fein muß] hat [bei dem Gesetz über die Leviratsehe 5. Mos. 25, 5 ff] gesagt: So einer stirbt und hat nicht Kinder [die er als Erben hinterläßt], so soll fein Bruder sein Weib freien und [selbigem] seinem Bruder Samen erwecken kindem der erstgeborene Sohn aus dieser Schwagerehe in das Geschlecht des Verstorbenen eingetragen wird]. 25. Nun find [in einem einzelnen, bestimmten Falle] bei uns gewesen sieben Brüder. Der erste freiete und starb; und dieweil er nicht Samen fmännliche Nachkommenschaft] hatte, ließ er sein Weib feinem Bruder sdaß der sie dem Gefetz ge- mäß freie]. 26. Desfelben gleichen der andere Ider sie jetzt befahl« nnd [in weiterer Folge] der dritte [dann der vierte u. f. f.], bis an den siebenten sein jeder von ihnen starb, ohne Kinder zu hinter- lafsen]. 27. Zuletzt nach allen starb auch das Weib fund liegt begraben] — 28. Nun in der Auferstehung [wenn es wirk- lich eine solche gäbe], wessen Weib wird sie sein unter den sieben? Sie haben sie alle [in gleicher Weise] gehabt [und demgemäß einer dasselbe An- recht an ihren Wiederbesitz wie der andere]. Der von den Sadducäern hier vorgeführte Fall war ohne Zweifel ein erdichteter, obwohl ein an sich mögliche» sie beabsichtigen durch dessen Vorführung darauf hinzuweisen, daß Mose bei dem Gesetz« über die Leviratsehe unmöglich könne an die Auferstehung der Todten gedacht haben und daß somit diese Lehre in dem Gesetz, und in der als Einheit gedachten heil. Schrift nicht könne begründet sein. Dabei gehen sie von einer sehr materiellen, grobsinnlichen Auffassung dieser Lehre aus, wie sie wohl bei vielen der Pharisäer damals mag gefaßt worden fein nnd wir’s zum Theil auch noch bei späteren jttdischen Gelehrten finden. (Bleek.) Um fleisch- licher, kindifcher und nicht einmal scheinbarer Vorwürfe willen verleugnen öfters blinde Weltmenfchen die theuer- sten und allertröstlichsten Wahrheitem (Tüb. Bib.) 29. Jesus aber [auch hier mit trefsender Antwort sogleich bei der Hand, wie denn überhaupt in feinem ganzen Reden und Thun überall »die wunderbarsten Blitze augenblicklich» großer Be- sinnung« hervorleuchtenj antwortete nnd sprach zu ihnen: Ihr irtet ffackelt im Wahne umher, wenn ihr meinet, mit einem solchen Mährchen die Lehre von der Auferstehung widerlegen zu können] und [zwar liegt der Grund eures Jrrthums, vermöge dessen ihr überhaupt jene Lehre bestreitet, darin: ihr] wisset die Schrift nicht, noch die Kraft Gottes. Verfängliche Glanbenssrage der Sadducäer wegen der Auferstehung. 331 Jesus zeihet sie eines doppelten Jrrthums: ein- mal dessen, daß sie, wie ans ihrem Einwurfe erhelle, den Glauben an die Auferstehung nicht mit der Schrift in Einklang zu bringen wüßten; dies hatte feinen Grund in ihrem Mangel an rechrem Verständnis; der letztern, indem sie nicht in den Geist derselben eindrangen -— in dieser Hinsicht widerlegt er sie in V. 31 f. Der zweite Jrrthum war, daß sie von der Auferstehung eine zu fleischliche Vorftellung hatten, woraus eben ihr Einwurf beruhte; und der Grund davon lag in ihrem Mangel einer umfassenden Erkenntniß der Allmacht oder Schöpfer- kraft Gottes, vermöge dessen sie wähnten, Gotte könne nur Altes und Irdisches wiederherstellen, nicht aber neue Lebensformen hervorrufen -— darauf antwortet der HErr in V. 30, indem er die Natur der Auferstande- nen über die irdische Natur hinausstellt (de Wette; Die Unwissenheit eine Hauptquelle des Unglaubensu I Mangel an Schriftkunde oder doch an Ernst der For- schung; ·2) Mangel an geistlicher Erfahrung oder doch an Aufrichtigkeit der Gesinnung. (P. Lange.) 30. Ju der Auferstehung swenn dieselbe nun am Ende der Welt erfolgt] werden sie [die da würdig sein werden, jene Welt zu erlangen] weder swas Männer· sind] freien, noch swas Weiber sind] sich freien lassen; sondern sie sind sin- dem sie da einen htmmlischem Verklärten Leib empfangen] gleich wie die Engel Gottes im Himmel [auch der leiblichen Seite ihres Wesens nach ganz geistlich und der irdischen ehelichen Ge- meinschaft ebenso wenig fähig und bedürftig wie die Engel, diese bloßen Geister Kap. 18, 14 Anm.]. 31. Habt ihr aber [die ihr dafür haltet, die Auferstehung werde von der Schrift, wenigstens in der Thora oder den 5 Büchern Mosis nicht ge- lehret] nicht gelesen von der Todten Auferstehung,- das euch sals eine unzweideutige, wenn auch nur mittelbare Hinweisung auf dieselbe] gesagt ist von Gott, da er sin 2. Mos Z, 15 f.] sprichtx 32. Jch bin der Gott Abram-me, und der Gott Jsaaks, und der Gott Jakobs? Gott aber swenn er in diesen Worten sein annoch bestehendes Bundesverhältniß mit den 3 Erzväteru betont] ist nicht ein Gott der Todten swas jene allerdings seit ihrer Trennung von dem Leibe einstweilen sind], sondern der Lebendigen sfie müssen also für ein neues höheres Leben durch die Auferstehung aufge- spart sein, sonst könnte sich Gott nicht mehr ihr Gott nennen, sondern würde vielmehr als den Gott solcher, die noch im Leben da sind, sich bezeichnen Hebn U, 16]. Die leiblichen geschlechtlichen Beziehungen haben im Leben der Auferstehung aufgehört; die Auferstandenen leben in verklärten Leibern, ei denen Fortpflanzung so wenig als Tod (Luk. 20, 36) mehr statt hat; sie sind darin den Engeln im Himmel gleich, denn nur in dieser Hinsicht werden sie hier den Engeln verglichen. Daß aus dieser Vergleichung der Schluß gezogen werden miisse, auch die Engel seien mit Leibern umkleidet, nur mit solchen, wie die unsern erst durch die Auferstehung werden, läßt sich nicht behaupten; die Vergleichung be- schränkt sich darauf, daß bei den Auferstandeneu der Tod und die Fortpflanzung aufgehört hat, wie auch die Engel im Himmel weder sterben noch freien. Andrerseits wird sich aber nicht leugnen lassen, daß die Vorstellung von einer Leiblichkeit der Engel sich dem unbefangenen Hörer und Leser dieser Worte sehr nahe legt; wenigstens würde der Vergleichungspuiikt in V. 30 , der doch die Leiblichkeit der Auferstandeuen angeht, kaum zutresfend sein, wenn dem anderen verglichenen Theile Leiblichkeit schlechthin abginge. (v. Burgen) Nebenbei zeigt der HErr den Sadducäern , welche auch die Lehre von den Engeln bestritten (Apofig. 23, 8), wie wenig er ihre Verneinungen flirchtete und achtete, indem er absichtlich die Engel im Himmel anftihrte als Persönlichkeitem deren Dasein man mit Gewißheit vorauszusehen habe. (P. Lange.) Da sich Gott als Gott der Erzväter be- zeichnet, nicht aber zu Todten, d. h. zu absolut Todten, Nichtexistirendem in dem Verhältnisse als ihr Gott stehen kann, sondern nur zu Lebenden, so folgt, daß die gestorbenen Erzväter Lebende sein müssen, lebend nämlich im Scheol (Hiob 7, 9 Anni.), und -— was sich hieraus als nothwendige Folge ergiebt — zur Auferstehung be- stimmt Die ganz gleiche Folgerung bei jlidischen Rab- binen scheint aus unsrer Stelle geflossen zu sein. (Meyer.) Wenn Gott Jahrhunderte nach Abrahams, Jsaaks und Jakobs Tode sich ihren Gott nennt, wenn sie seine Lieb- linge, Freunde, Schützlinge sind, so müssen sie mehr sein als ein bischen Staub und Asche, so müssen sie noch sein, exisiirem So zeigt Christus in Einem Falle, wie man die Schrift lesen, wie sie der Schliissel zur rechten Erkenntniß Gottes sein soll. (Heubner.) Jn Luk·20, 37 wird das Wort auf Mose zurlickgeführh auf den die Sadducäer sich berufen hatten; der Ausdruck ,,bei dem Busch« ist Bezeichnung des Abschnitts, wo der Ausspruch sich findet (vgl. auch Mark. 12, 26). »Der Engel, der im brennenden Busch im Namen Gottes erscheint, sollte auch ein Bitrge sein für das, was ihr leugnet; er ist ein Sinnbild, wie Gott das erhalten kann, was die Natur zu zerstören scheint« 33. Und da solches [wie er in so iiberraschem der, schlagfertiger und fchlagender Weise allen sei- nen Widersachern zu begegnen wußte] das [umher- stehende unbefangene] Volk hörete, entsehien sie sich [auf das Tiefste von der göttlichen Lebensmacht dessen, der hier vor ihnen stund, ergriffen] über seiner Lehre [Kap. 7, 28 und selbst der Schrift- gelehrten etliche gaben ihm Zeugniß: Meister, du hast recht gesagt Luk. 20, 39]. Die Sadducäer und Pharisäer sind die zwei großen Hauptparteien der Jrrfiihrer des menfchlichen Geschlechts, die in verschiedenen Zeitaltern wechseln, indem gewöhn- lich eine die vorherrschende ist. Diese Geister sind noch immer zu bekämpfen: bald Aberglaube mit Scheinheili.g- keit verbunden, bald Unglaube mit dem Schein der Weisheit und Aufklärung. Gegen beide kämpft Christus, kämpft der christliche Religionslehrer; jene stützt sich auf Ansehn, Verjährung, Heiligkeit ihres Vuchstabens, diese auf Vernunftgrltnde, Zweifel, Freiheit des Geistes. (Lavater.) VIII. o. 34—46. (§. uns) nachdem de: nor: sowohl die Pharisäer mit ihrer Recht-frage in Betresf deg Zins— grosrheiuu als die Saddnräer mit ihrer Glaulienssrage in setress der Auferstehung unter dem Staunen des Voller zum Schweigen get-rauft, legt ihm ein von den Pharisäern vorgeschobenrr Schrtftgelehrter noch eine Gesehesfiage vor, das vornehmste Gebot anlangend; diese beantwortend giebt er ihnen eine Gegensragr der Weis s a gnug mit Bezug ans die person deo Messiao kuriert, worauf sie fernerhin davon absiehen, ihn mit oersänglicheu Fragen zu brhelligeu (bgl. mark. 12,28—37; kalt. 20, 4t—44). 332 Evangelium Matthäi 22, 34——43. Evangeliiun am 18. Sonntage nach CrinitatisJ Zur wahren Heiligung (vgl. die Einl. z1i Kap· 6, 24 ff.) ist klare Erkenntniß nöthig. Jni Evangelio zeigt der HErr auf eines Schriftgelehrteu Frage: ,,Meister, welches ist das vornehmste Gebot im Gesetz?« daß die Liebe zu Gott und die Liebe zum Nächsten des Gesetzes Summa ist; durch seine Gegenfrage aber: ,,wie düuket euch um Christo ?« lenkt er von dem Gesetz hinüber zum Evangelium. Es ist nothwendig, daß wir das Gesetz wissenssdenn es lehrt uns, ,,welches die guten Werke sind, so die Gläubigen und Neugebornen zu thun schul- dig find, ihren Gehorsam und Dankbarkeit gegen den gnädigen Vater imHimmel damit zu beweisen z« aber wir können das Gesetz, nur dann recht gebrauchen, wenn wir auch den Kern des Evangeliums wohl erkannt und ergriffen haben. Nur wer Christum erkennt als seinen Heiland und von ihm Leben, Trost und Kraft empfängt, kann zur Heiligung gelangen. Die Liebe ist eine Frucht des Glaubens; wenn wir durch den heil. Geist dies recht erkennen, so werden wir wachsen in der wahren Heiligung· (Dieffeubach.) Es giebt kein Leben im Glau- ben des Sohnes Gottes ohne das Leben in der Liebe, und umgekehrt giebt es auch kein Leben in der Liebe ohne das Leben des Glaubens. Erinnern wir uns, daß nach dem Normalkalender das Michaelisfeft nach dem 18. Sonnt. nach Trinit. zu stehen kommt, so bildet dieser Sonntag gewiß einen herrlichen Schluß zu den bisheri- gen Sonntagen mit seinem Evangelium, welches das christliche Leben nach seinen beiden Hauptmomentem dem Glauben und der Liebe, zur Darstellung bringt. (Nebe.) Wir lernen hier: 1) wie die Liebe eines Christen beschaffen sein muß, Z) was sie bereits voraussetzn (Caspari.) 34. Da aber die Pharisäer sdurch etliche ihrer Partei, die sie beim Abtreten vom Schauplatz in V. 22 als Aufpasser in der Umgebung Jesu zurückgelassen] höreten, daß er den [nach ihnen ausgetretenen] Sadducaerii das Maul geftopfet ssie zum Schweigen gebracht] hatte [so daß sie nichts wider seine Antwort V. 29 ff. zu sagen gewußt, dagegen das Volk sich entsetzt hatte über seiner Lehre V. 33], versammelten sie sich [um einen neuen Angriss gegen ihn zu verabreden, durch den es doch noch gelingen möchte, ihm eine Antwort zu entlocken, die man zu seinem Verderben ge- brauchen könnte]. 35. Und einer unter ihnen [der mit zu jenen Aufpassern gehört und also selbst gegenwärtig gewesen war, als Jesus den Sadducäern so fein antwortete Mark. 12, 28], ein Sihriftgelehrter sindem er es übernahm, die Lehrweisheit des HErrn durch eine schwierige, viel verhandelte Frage jener Zeit auf die Probe zu stellen, die andern aber, die im Augenblick nicht recht wußten, was sie vor- bringen sollten, ihn gern gewähren ließen, eilte denselben voraus] , versuchte ihn [vgl. Luk. 10, 251 und sprachz · 36. Meisteh welches ist »[deiner Meinung nach] das vornehmste Gebot im Gesetz? sbei uns Schriftgelehrten sind die Ansichten darüber getheilt.] In der Wem. zu 5. Mos 24, 4 erwähnten wir be- reits des berühmten jitdischen Gesetzeslehrers Hilleh gest. um’s J. 10 oder 12 n· Chr. Geh. Nachdem das mosaische Gesetz bisher unter 613 Titeln abgehandelt worden war (248 Gebote nach der Zahl der mensch- lichen Glieder, und 365 Verbote nach der Zahl der Jahrestage), ordnete er alles unter 18 Titel und stellte 7 Regeln auf, nach welchen die rabbinische Gesetzesenk wickelung verfahren sollte; darunter stand als erste, daß man vom minder Wichtigen aufs Wichtigere zu schließen habe, und umgekehrt. Nun waren die Meinungen ge- theilt, welches von all den verschiedenen Geboten man als das größte oder wichtigste anzusehen habe; manchc fielen auf die Gebote der Opfer (Mark.12, 33), andere auf den Sabbath, noch andere auf die Beschneidung, doch gab es auch wohl solche, welche die Gottes» und Nächstenliebe am höchsten stellten (Luk.10, 27). Jn dem Sinne freilich, in welchem die Schriftgelehrten unter- schieden, war die Unterscheidung zwischen großen und kleinen Geboten eine höchst bedenkliche Sachr. »Man unterschied große und kleine Gebote, um zu wissen, welche Gebote man nothwendig halten müsse, das ewige Leben zu erlangen. Gehörte ein Gebot zu den Haupt- geboten oder war es das Gebot aller Gebote, so mußte man mit demselben stehen und fallen: hielt man es, so erlangte man die Verheißung; brach man es , so war man der Drohun gewiß. Nicht so mit den kleinen Geboten; die Ue ertretung derselben ging mit dnrch, wenn man nur die großen Gebote gehalten hatte. Da kam natürlich alles darauf an, daß man sich in den Geboten nicht vergriff und.·.nicht ein großes Gebot für ein kleines nahm. Wie alt ist doch diese Weisheit, aus der man noch heutigestags immer wieder fchöpftl Man unterscheidet große und kleine Gebote, kleine und große Sünden ohne Sinn und Verstand. Der Mörder, der Ehebrechey der Dieb sind große Sünder und gelten als eine Pest der menschlichen Gesellschaft; man stößt sie aus, man sperrt sie ein, man thut sie ab, dagegen die Ehre abzuschneiden, zu verleumden, zu hassen, Schulden zu machen, Andern den Verdienst und die Nahrung ab- zujagen, zu geizen, zu übervortheilew das sind alles Dinge, die heutigestags auch ein Ehrenmann thun darf, fängt er es nur fein an, so schändet es ihn nicht. Solche Dinge nennt man Schwachheitssündem und jedes Kind weiß beinahe, daß dieselben schon im Voraus ver- geben sind; so gründlich stellt dieses arge Geschlecht alles auf den Kopf, daß es von Sünden gegen Gott kaum noch wissen wills· Jndessen giebt es ja doch in der That ein vornehmstes und größtes Gebot, das alle an- dern im Keime in sich schließt und zu dem diese sich verhalten wie die Strahlen zum Licht; es istdaher nicht eigentlich das vornehmste und größte, als stünde es vergleichungsweise über den andern, den minder großen und wichtigeu, sondern es ist schlechthin das roße, es ist principal oder grundlegend, und kann über aupt kein anderes sich mit ihm messen. Von diesem Gesichts- punkte aus geht denn der HErr heruach auf die ihm vorgelegte Frage ein. Wir haben aber zuvor noch den Frager in’s Auge» zu fassen, der bei oberflächlichem Blick bei Matihäus als ein Auderer erscheint wie bei Marias; denn während er an vorliegeuder Stelle als Werkzeug der feindseligen Pharisäer und als Versucher auftritt, kommt er beim zweiten Evangelisten wie aus eigenen Antrieb und in wohlmeinender Absicht, um sich bei dem, der die Sadducäer so geschickt und tresfend abgefertigt hatte, Auskunft über die Streitfrage seiner Schule zu holen, und während er bei Markns der Antwort Jesu beipflichtet und der HErr ihm Zeugniß giebt, er sei nicht ferne von dem Reiche Gottes, lesen wir von alle dem bei Matthäus uichts, es sieht vielmehr so aus, als beeilte sich der HErr, ihn mit kurzem, bündigem Be- scheid los zu werden, um dann sogleich die hinter ihm Vom vornehmsten Gebot im Gesetzx der Gottes- und Nächstenliebe 333 stehenden Pharisäer zu fassen. Jedoch, wenn wir tiefer blicken, ist es bei beiden Evangelisten ein und derselbe Mann, der an Jesum herumritt, nur daß Matthäiis ihn von der einen, und Markus von der andern Seite in’s Auge gefaßt hat; wir haben ohne Zweifel die Sache uns folgendermaßen vorzustellen: Der Schriftgelehrte war mit unter den, voii den Pharisäern bei Jesu zu- rück« elasfeneu Auspassern gewesen, als jene nach der Ver andlung über den Zinsgroscheu sich zurückzogen; vielleicht war sein Herz schon in etwas für den großen Lehrer, der zu allgemeiner Verwunderung auf die ver- fängliche Frage geantwortet, eingenommen, daß er gerne mit zurückblieb, um noch weiter ihm zuzuhören, und nun fühlte er sich bei der Verhandlung mit den Saddus cäern noch viel tiefer angefaßt, daß ihm um eine Ge- legenheit zu thun war, selber einmal mit Jesu in Be- rührung zu kommen und sich Ansschluß über jene Schul- frage, die ihm zu einer Lebensfrage geworden, aus sei- nem Munde zu verschassen. Solche Gelegenheit schien dann sich zu bieten, als seine Parteigenofsen sich ver- sammelten, zu einem neuen Angriff gegen Jesum sich rüsteten und doch nicht recht wußten, wie sie mit ihm anknüpfen und was für eine verfängliche Frage sie ihm « vorlegen sollten; er erbot sich, seine eigene Herzensw- geleigenheit verbergend, die Anknüpfung einesGesprächs zu esorgen, sagte wohl auch, mit was für einer Frage er das thun wolle, und die Pharisäer, wenn auch die Frage an sich wenig verfänglich war, erwarteten doch, daß die daraus erfolgende Antwort Jesu ihnen irgend welche Handhabe zu einer eigentlichen Versuchung bieten würde. In dieser Hinsichh von dem Standpunkt der Pharisäer aus betrachtet, kam der Schriftgelehrte wirk- lich als einer, der Jesum ,,versuchte«; wenn er seiner eigentlichen Absicht nach das auch nicht wollte, so hatte er doch seinen Parteigenosseu zum Mittelsmann für eine anzuknüpfende Versuchung sich erboten, und wenn er gleich in solcher Handlungsweise nichts Bedenkliches fand, weil er nach dem Eindrucke, den er von Jesu empfangen, fest überzeugt war, es werde seinen Partei- genossen doch nicht gelingen, diesen Meister in seiner Rede zu fangen, so hat er doch mit eben dieser Hand- lungsweise es gar wohl verdient, daß der Evangelist so kurz über ihn berichtet und bei dem äußeren Schein, den er sich selbst gegeben, es hat bewenden lassen, ohne weiter aus seine innere Meinung Rücksicht zu nehmen. Dagegen hat Markus seine Ehre gerettet, indem er ihn von der Seite zur Darstellung gebracht, die er erst ver- borgen gehalten, bis sie dann doch zum Durchbruch kam; es war das namentlich auch um des HErrn willen wichti , denn ,,mitten unter den arglistigen einden blieb Zoch sein Liebesauge klar und offen, um bis an’s Ende die leiseste Regung des Glaubens zu erkennen,« nnd »diese überwältigenden Eindrücke , womit Christus einzelne Glieder aus der Mitte feindlicher Streitschaaren herausreißtz sind seine schönsten Triumphe, sie bilden die Vorzeichen zu der Bekehrung des Saulus auf dem Wege nach Damastus.« 37.« Jesus aber sprach zu ihm: Du sollst lieben Gott, deinen HGrrn, von gan- zem Heizen,» Vvn ganzer Seele Und Von ganzem emuth sund von allen deinen Kräften Mark. 12, s0]. 38. Dies lWort aus 5. Mos. S, 5., wo ihm noch die Einleitung vorausgehtH »Höre, Israel, der HErn unser Gott, ist ein einiger HErr« Mark. 12, 291 ist das vornehmste und größte lgenauerz erste und große] Gebot. 39. Das andere aber kaus s. Mos is, 181 ist dem gleich [nicht weniger groß und nach anderer S»eite ebenso grundlegendsx Du follst deinen Nachsten lieben als dich selbst. 40. Jn diesen zweien Geboten hanget [wie die Thür in der Angel, um die sie sich be- wegi, und wie die Reihe der verfchiedenen Zahlen in ihrer Summa unter dem Strich] das ganze Gefetz und die Propheten [was bei ihnen von Geboten vorkommt] Der HErr verknüpft die beiden, im alten Bunde ge- trennten Gebote zu Einem, worin Gesetz und Propheten hangen; so liest er im Gesetz und so kann er lesen, weil er das selber thut, und er thut es, weil er diese Ver- bindung von Gott und Mensch in Einer Person leib- haftig ist. Darnm wer Ihn liebt, der liebt in ihm den Vater und die Brüder. (Riggenbach.) Der HErr giebt denen unter den Schriftgelehrten Recht, welche (von Hillel z. B. wird es uns ausdrücklich berichiet) die Liebe für das vornehmste Gebot erklärten; er deutet hinauf gen Himmel, wo der Unsichtbare wohnt, und spricht: Du sollst lieben Gott, deinen HErrn, von gan- zem Herzen 2c.«, dann deutet er hernieder auf die Erde, wo dessen sichtbare Geschöpfe wohnen, und fährt fort: »das andere aber ist dem gleich, dii sollst deinen Näch- sten lieben als dich selbst« Den Worten nach meint der HErr zwei Gebote, dem eigentlichen Sinne nach aber nur eins; es nimmt sich die Liebe wohl ein dop- peltes Ziel, je nachdem sie ihr Auge nach oben richtet, oder je nachdem sie die sreundlich helfende Hand dem Menschen bietet, sie selbst aber ist, dahin oder dorthin blickend, immer ein und dieselbe. (Caspari.) Gott hat gewiß mehr Liebe und Hochachtung für uns Menfchen, als wir werth sind; denn er hat das Gebot von der Liebe des Nächften dem größten und vornehmsten Gebot gleich gemacht und also die Liebe gegen ihn mit der Liebe gegen den Eliächsten auf’s Genaueste verbunden. (Starke.) Jst Gott lieben das erste und größte Gebot, so sind’s die fchwersten Sünden, welche wider die Liebe Gottes gethan werden: 1. Cor. 16, 22. (Qiiesnel.) 41. Da nun die Pharisäer [welche wäh- rend der Verhandlung mit dem Schriftgelehrten sich einer nach dem andern an Ort und Stelle eingefunden, seht, am Schluß derselben] bei ein- ander waren, fragte sie Jesus [ohne ihnen erst Zeit zu einem Angriff ihrerseits zu lassen], 4·2. Und sprach: Wie diinket euch um Christo [in Beziehung auf den Messias, vou welchem Moses im Gesetz und die Propheten ge- fchrieben haben Joh. I, 41. 45 und den ihr noch als zukünfiig erwartet, weil ihr nicht erkennet den, der mit euch redet Joh. 4, 25 f.;- 8, 24 f.]? weß Sohn ist er [nach den Aussagen des alten Tesiamentsp Sie sinit der Antwort, die nach der landläufigen Bezeichnung des Mefsias Kap. 9, 27; 12, 23; 15, 22; 20, 30 sich eigentlich von selbst verstund, sogleich bei der Hand] sprachen: lEr ist der Sohn] Davids [2. Sam. 7, 12 ff.; Jes. 11, I ss.; Jer. 23, 5f.]. 43. Er [indem es ihm darauf ankam, sie zu einer tieferen Erkenntniß der Person des Messias als mit der sie bisher sich begnügt hatten Kap. 334 Evangelium Matthäi 22, 44—46. 23,1-—3. 14, 33 Anm., anzuleiten] sprach zu ihnen: Wie [in welchem Sinne und mit welchem Rechte] nennt ihn denn David im Geiste [vom heil. Geiste erleuchtet und getrieben] einen Herrn [und zwar einen solchen Herrn, vor dem er in tiefster Ehrerbietung als vor Gott selbst sich beiigt,l, da er [in Pf. no, i] sagt: 44. Der HErr [Jehova] hat gesagt zu meinem HErrii fdem ·Mefsias]z Setz-e dich ii»meinei: Rechten, bis· daß ieh lege deine Feinde zum Schemel deiner Fuße? 45. So nun David [in den eben ange- führten Worten seines eigenen Mundes] ihn einen Herrn nennet lund damit Gott gleich stelltz von dem sonst das Wort adonai steht], wie ist er denn sein Sohn? llöset mir doch einmal diesen scheinbaren Widerspruch] 46. Und niemand »lUUte-V khUEUJ konnte ihm fauf solche Frage] ein Wort» antworten [weil sie den Messias für einen blossen Menschen und weltlichen Regenten hielten, der wohl Davids Sohn, aber nimmermehr als Gottes Sohn auch Davids HErr fein könne Kap. 26, 63 sf.], Und durfte [d. i. erkühnte oder wagte Jer. 29,.9] auch niemand von dem Tage an hinfort ihn [zu] fragen sauch wenn er noch ferner im Tempel hätte austreten wollen, was er allerdings schon vom Abend dieses Tages an nicht mehr that Kap. 23, 39 u. 24, 1]. Nach diesen Worten hat der HErr vor feiner Ge- faugeniiehmung kein Wort mehr an die Pharisäer und Schriftgelehrtem an die Hohenpriester und Obersten des Volks gerichtet; wir stehen also hier vor der Schluß« scene und dürfen deshalb schon erwarten, daß nicht der geringen Fragen eine aus dasTapet kommt, sondern daß die Frage aller Fragen, die Frage, um welche· sich das Geschick der einzelnen Menschenseele, das Schicksal der Völker und Nationen auf Erden, ja die ganze Weltgeschichte dreht, jetzt vor uns ausmacht. Das ist denn die Frage nach Christ: Person. Indem· der HErr diese Frage hier vornimmt, giebt er seinen Wider- sachern zu verstehen, daß es irrig ist, jene Frage, welche sie ihm haben vorlegen lasse»n,·die nach dem vornehmsten und größten Gebot, siir diejenige anzusehen, um welche Himmel und Erde sich bewegt; Gesetz und Propheten haben noch eine andere Frage, welche jene weit über- ragt, denn kein Menschenkind kann aii des Menschen Sohn voriibergehem ein jeder Mensch ist auf Christum von Ewigkeit her angelegt. Es handelt sich aber bei der Frage um Christo nicht um feine Lehre, nicht um sein Werk, sondern in letzter Instanz um feine Person: Christus, die Person, ist das verkorperte Heil, ist »das leibhastige Centrum unsers Glaubens, unsrer Liebe, unsrer Hoffnung. Wiederum aber die Person Christi ist nicht zu begreifen, wenn man nicht fragt: ,,weß Sohn ist erst« Er kann nur der Christ sein, wenn er der Sohn Gottes ist; ein Christus, welcher nicht der Sohn Gottes ist, ist ein Meister ·in Israel, ein Lehrer der Welt, aber nicht der Heiland aller Menschen. Die Frage aii unsrer Stelle nun » steht ossenbar in Verbin- dung mit der, welche Jesus in Kasn 16, 13 ff. an seine Jtiuger richtet. Dort bekundet diese Frage, daß ein entscheidender Punkt in dem Leben des Sohnes Gottes auf Erden eingetreten ist; feine Offenbarung als der Prophet niächtig von Worten und Werken hat ihren Abschluß eigeutlich gesunden, und er stellt das Resultat seines bisherigen Wirkens fest, von da an bereitet er sich zu seinem Leiden vor, der Prophet tritt je mehr und mehr zurück und der Hohepriester tritt in ihm hervor. An unsrer Stelle befinden wir uns wieder bei einem solchen Markstein im Leben des Erlösers; feine Offen- barung vor dem Volk und feinen Obersten geht nun zu Ende, er will jetzt auch das Facit seines Werkes unter und an ihnen ziehen. Als der Sohn Gottes hat er bis daher vor dem Volke fich erwiesen; hätten die Pharisäer ihm die Ehre geben wollen, die ihm gebührte, so hätten sie bekannt, wie Simon Petrus dort bekannt hat. Sie wollen aber nicht: so überführt sie Jesus, daß die heil. Schrift den Messias als den Sohn Gottes im Voraus verkiindigt; als der durch die Schrift, wie durch sich selbst bezeugte Sohn Gottes geht er dann in’s Leiden und Sterben. (Nebe.) Der HErr will die Starrheit des landläufigen Messiasbegriffs durchbrechen: so lange sie auf nichts hinblicken als daraus, daß der Messias sei Davids Sohn, werden sie davidische Königspracht ftir sein nothwendiges Kennzeichen achten; aber nimmer hätte diese den Ahn veranlassen können, den Enkel und Erben zu nennen seinen HErrn. War denn die Herr- lichkeit, vor welcher David sich beugte, nichtdie äußere, gab es neben jener Sohnschast, an welcher man bisher festgehalten, noch eine andere, die von oben her, so mußte man es begreiflich finden, daß des Nazareners Armuth keinen Widerspruch bilde gegen seine Mefsiand tät, und so bietet Jesus den Wahrheitsliebenden noch zum Schlusfe eine hilfreiche Hand. (Geß.) Erwägen wir aber, was St. Paulus in 1. Tor. Z, 8 sagt, so hat Christi Verhandlung mit den Obersten seines Volks, die im Kreise ihn umstanden, auch die Bedeutung eines letzten Versuchs, sie vor dem, was sie mit ihm zu thun im Begriff standen, zu bewahren, ihnen die Augen zu öffnen, aii wem sie eigentlich sich vergriffen, und ihnen so das Gericht, das sie damit auf sich laden würden, zu ersparen; dabei, indem er wohl wußte, daß feine Unterweisung und Warnung doch keinen Erfolg haben würde, wurden wenigstens die Worte, die er nur wie beiläufig anfiihrte, daß er werde zur Rechten des Vaters erhoben werden, bis dieser alle seine Feinde zum Schemel seiner Füße werde gelegt haben, zu einer Weissagung wider die, die nun bald im furchtbarsien Maße als seine Feinde sich erweisen würden. Nach Mark. 12, 37 hörte das in weiterem Kreise ihn umstehende Volk ihn gern auch bei dem, was er hier mit den Obersten verhandelte; sie ahneten aber nicht, wie eben diese Obersten ein Ge- richt der Verblendung auch über sie, die eigentliche Nation, herauffiihren würden, das bis aus den heutigen Tag noch aus ihnen lastet (2. Cor. 3 ff.) und erst dann abgethan werden wird, wenn sie werden sehen, in wel- chen sie gestochen haben (Joh. 19, H7). Je mehr die gegenwärtige Christenheit dem Zeitpunkte sich nähert, wo man Christum wissenschaftlich wie praktisch wird ab- gethan haben, je mehr sie zii der großen Stadt wird, die da heißt geistlich die Sodoma und Eghpten, und in demselben Sinne zu einem Jerusalem, da unser HErr gekreuziget ist (Ossenb. 11, 8), desto näher rtickt auch der Tag, da ein Streit im Himmel sich erhebt und Michael und seine Engel streiten mit dem Drachen und feinen Engeln; diese siegen nicht, auch wird ihre Stätte nicht mehr gefunden im Himmel (Offenb. 12, 7 ff.). Da wird’s denn geschehen, daß, nachdem der Verkläger verworfen ist, der sie verklaget Tag und Nacht vor Gott, Israel zur Erkenntniß kommt und die Antwort findet auf die Frage, die an unsrer Stelle seinen Obersten vorgelegt worden, sie aber haben sich nicht Vom vornehmsten Artikel des Glaubens: der— Person Chrtsti. 335 darum gelümmerh wie es wohl kommt, daß David den Messias im Geiste HErr nennet, ja haben in ihrer Bos- heit absichtlich nicht darüber nachdenken mögen, um in ihrem Vorhaben nicht gestört zu werden; ist aber diese Antwort erst gefunden, dann ist gewiß auch das Klagen und Sichbetritben da, von dem der Propbet in Sach. 12, 10 f. redet und die Stelle Ofsenb· 11, 12 wird den Auslegerm die jetzt viel tlber den Sinn derselben hin- und herrathen, klar werden: Joseph giebt sich seinen Brüdern zu erkennen, die ihn verrathen und verkauft hatten, und er muß ihnen stark zuredem ,,tretet doch her zu mir,« ehe sie es wagen, fich ihm an’s Herz zu legen (1. Mos. 45, 1 ff.). Das 23. Kapitel. Warnung nor den Schriftgelehrten und Pharisäern. IX. v. 1—39. (§· 107.) nachdem Jesus« seine wider— sacher für immer zum Schweigen gebracht, läßt er he nun etwas spüren von der Majestät des Richters mitten in der Viedriglieit des meuscheusohnesz während sie da- stehen, beschänct und ergrimmt zugleich über den günstigen Øindrustn den seine Reden beim Voller gemact)t Gute. is, 37), wendet er un) au die Jünger und an sein Voll: und warnt zuoördersi alte frommen Herzen vor den Werken derer, die jetzt noih sich benehmen als die Herren des Tempels, aber mitsainmt dem von ihnen entweiheteu Tempel zum Untergange schon bestimmt sind (V.1—12). Seine Warnung vor diesen Führern, die jedoch nichts sind als verführte, geht dann in einen ersehätternden Weheruf über die Heuchler selbst über (V.13—Z3). Es ist das ernste Gegenbild zur Zergpredigt Man. 5, 1ss.), was wir hier vernehmen: dort loaite er durch eine Seiigvreisnng nun) der andern zu sitt) heran, wer irgend begehrte, durch bessere als der Vharisäer Gerechtigkeit in’s Himmelreich einzugehen; hier hciuft er Wehe auf Wehe über die henchlerischeu Gerechten, die sitt) selbst aussehließen nnd Andere auszuschließen auf alle nur erdentiliche Weise sich lassen angelegen sein. Ihren todten Gottesdieush ihren Ehrgeiz, ihre Habsucht nnd Grbsrhleichereh ihr Schwöreu mit heillosetn Vorbehalt, alle den Tod nnd iUoder unter gleiflender Deine, straft er in so gewaltiger Rede, daß sie bis au’s Ende der Tage gegen allen pharisäergeish der wieder nnd wieder auch in seine Kirche sich einschleicht, ein unnmstößlirlzes Jenguiß bleibt. Er weiß, indem er so redet, daß ihn selber der göttliche Eifer verzehren wird; denn die Gleißner, die der pro— pheteu Gräber bauen nnd von sich rühmen, sie hätten nicht wie ihre Väter Hand an die Propheten gelegt, sie verrathen sieh durch ihr eigenes Wort als die Sohne ihrer Väter, und zwar als Söhne, die den Vätern nur zu ähnlich sehen in Vertslendung und Selbsigcrechtigleeih so werden sie auch das Mast der uererblen Schuld voll machen. Sie gesaziehh diese Vollendung der Schuld, durch Verfolgung der neuen Propheten, Weisen und Schristgelehrtem die er ihnen senden wird, und bringt den Fluch über he, über Jerusalem und überdies Haus; indem er die Drohung ausspricht, soll jedoch das nicht sein letztes Wort sein, vielmehr setzt er an die Stelle des jüngst vergangeuen paluitags, der iu Kurzem zu einem Zreuztag für ihn umschlagen sall, einen andern, an welchen( aus dem Munde des unter schweren Gerichten endtict) mürbe gewordenen nnd zum Gott seiner Väter beliehrten Vollees non) einmal der Jnbelrnf ertönen wird: Gelobt sei, der da liommt im tlaucen des HErrnt (V. 34—39.) Vgl. Mark. 12, 38 -40; kalt. M, 45—47. 1. Da [nun feierlich und entschieden mit der herrschenden, gegen das Wort der Wahrheit sich verstockenden Hierarchie brechend] redete Jesus zu dem Voll sdas in dichten Reihen ihn Umstand] und zu seinen Jüngern [die zuuächst ihn umgaben], 2. Und sptach: Auf Muse? Stuhl [als dessen Nachfolger in seinem Lebe: und Gesetzgeberamts siszeu [wie die Berhältnisse nun einmal sich gestaltet haben und auch in gewaltsamer Weise nicht sollen umgestoßen werden, wenngleich viel Anmaßuug da- bei im Spiel gewesen und viel Schaden Folge davon ist] die Schriftgelehrten und Pharisaer sten- tere den Haupibestandtheil der ersteren bildend]. Z. Alles nun, was sie sder besteheuden Ord- nung gemäß in ihrer Auslegung nnd Verkündigung des Gesetzes] euch sagen, das ihr sum euer Leben nach Gottes Gebot anzustellen] halten follet,· das haltet und thnks [auch wirklichlz aber nach ihren Werken [wie sie selber ihr Leben anstellen, gleich als wäre das eine entsprechende Ausführung der in ihrer Lehreenthaltenen Grundsätzes svllet thr nicht thun. Sie sagetfs wohl [geben’s der Hauptsache nach richtig an, was gut ist und was der HErr von euch fordert Mich. b, 17; Mal. 2, 7], uud thutfs sdochj ntcht ssonderu lassen sich von den Ein- gebungen ihres selbstsüchtigen und boshaften Herzens leitens Nicht die Empfehlung der pharisäischen Satzungen und Lehren an sich und unbeschränkt ist Zrvecl dieser Worte des HErrn (das Gegentheil erhellt schon aus V. 4 u. Kap..15, 3 ff.), sondern hier hat» er es nur mit dem Gegensätze zu thun, der zwischen dem Gebieten oder Lehren und dem eigenen Verhalten dieser ,,Stel1- Vertreter Mosis« stattfinden Von diesem Gesichtspunkte aus kann der HErr sagen: nach ihren Worten könnt ihr euch wohl richten, und stindiget wenigstens nicht, wenn ihr das thut, aber das Gleiche gilt nicht von ihren Thatenx denn bei den Worten wird immer das Ziel der Gerechtigkeit und Wahrheit vorgeschiitzh wenig- stens nie dessen Verleugnnng zugestanden, der Fehler liegt hier in der richtigen Würdigung und Abgrenzung der Vorschriften, die sie häufen (V. 33—26), in ihren Thaten aber herrschen ganz andere Grundsätze und Triebfedern, sie strafen damit ihre eigenen Worte Lügen. (v. Burgen) Verwunderlich erscheint, daß selbst die Satzungen der Schriftgelehrten von den Jüngern respek- tirt werden sollen; aber lieber eine essel noch eine zeit- lang tragen, als durch voreiliges A werfen den Schein erregen, als ob nicht die Freiheit des Geistes, sondern die Zuchtlosigkeit des Fleisches das Motiv der Abwerfung sei. Das Verbot der Priesterehe ist eine schlechte Satzung der Piipstlichenz wenn aber ein Priester seinen Uebertritt zum Evangelium mit der Heirath beginnt, so urtheilen die Evangelischem daß ihm wenig zu trauen sei. Jn unsrer selbigen Rede spricht Jesus aus, daß noch über die jetzige Generation des Tempels Zerstörung hereinbrechen werde (V. 36); dann hatte es ein Ende mit den Satzun en, die Vorschrift Iesu hatte also einen provisorischen C arakter. Von hier aus stillt auch auf die Voraussetzung von Sabbathsscrupelic bei den Gläu- bigen zur Zeit von Jerusalems Zerstörung in Kap.24, 20 ein Licht; mit Einem Wort: daß der HErr seinen Jün- gern über ihr Verhalten zum Gesetz keine klar bestimmte 336 Evangelium Matthäi 23, 4-—-12. Vorschrisi gibt (Kap.28, 20 Anm.), ist ein Beweis mehr dafür, wie sehr ihm der Schwerpunkt seines Wirkens in die durch sein Sterben und Heimgehn gesihehende Er- werbiing des Geistes fiel und das Unterweifen in den Fleifchestagen nur für Vorbereitung galt. (Geß.) Wie Christus am Anfang (Luk. 2, 46; Joh. s, 10) die Mei- ster in Jsrael anerkannt hat, so· läßt er sie auch jetzt am Schlusse sttr eine Weile (bis zum Gericht V. 12) gelten, will sie nicht selbst vor der Zeit herunterstoßen, sondern sitzen lassen, wie sie nun einmal sitzen; mochten sie immerhin mit Hochmuth sich gesetzt haben und sitzen, doch waren ste die wirklichen, im Grunde noch orthodoxen Repräsentanten des gesetzlichen Judenthiims, daher Pau- lus hernach sich anschließend auf sie berufen konnte. (Stier.) 4. Sie binden aber [mit ihren vielen, das Gesetz verschärfenden und bis in’s Kleinste verfol- genden Satzungen] schioere und untriigliche sauer: trägliche Jes. 3, 24 Anm. 1] Bürden szu einem Joch zusammen] und legen sie den Menschen sals etwas, das alles zu thun zur Seligkeit noth sei] aus den Hals; »aber sie wollen dieselben sfur ihr Theil] nicht mit einem Finger regen [geschweige, daß sie Hand anlegten, diese Bürde nun auch auf sich zu nehmen, vielmehr ist es nur ein Spiel spitzsindigen Scharfsinns zur Förderung ihrer Selbst- erhebung, was sie treiben Las. 11, 46]. 5. Alle ihre Werke aber swomit sie vor An- dern den Schein annehmen, als ließen sie die Be- obachtung sich selber auss Höchste angelegen sein] thun sie, daß sie» von den Leuten gesehen sund als Muster der Heiligkeit gepriesen] werden [wie gleich daran zu erkennen, daß nur solche religiöse Uebungen sie sich erwählen, mit denen man ein Gepränge treiben kann Kap. »Es, I. 5. 16]. Sie Uinchen sfür denselben Zweck] ihre Denkzettel lGefetzesriemen oder Gebetsbehälter an der Stirn und dem linken Arm 5. Mos S, 9 Anm.] breit und die Saume sover Quasten, TroddeIiIJ an ihren Kleidern s4. Mos 15, 38 f.] groß. » Alle Heuchler sind Andern scharf, ·ihnen selbst aber halten sie alles zu gut. (Starke.) Ein getreuer Lehrer dagegen braucht Schärfe gegen sich selbst, seine Unter- gebenen aber regiert er mit Sanstmuth und nach der Regel göttlichen Worts: L. Tim. 2, 2·4. (Canstein.) Geistlicher Stolz, Ehr- und Rangsncht eine Hauptklippe des geistlichen Standes. Dem Christen widersteht nichts s» sehr, als sichsehen zu lassen. Lerne die» weise Mitte, dich ebenso wenig deines Glaubens zu sihamem als mit ihm zu Wahlen. (Heubner.) Pharisaische Thorhein große, mit Silber und Gold beschlagene Gebetbttcher und Bibeln, aber dabei schlechte Lust und Andacht haben! (Canstein.) S. Sie leitler Ehre geizig Gal. 5, 261 sitzen gerne fals die Vornehmeren vor den Andern] oben an über Tisch [Luk. 14, 7] und [ebenso] in den Schulen [bei gottesdienstlichen VersammliingenL 7. Und haben-s gerne, daß sie« sals die höch- sten Respektspersonen im Volk von jedermann] ge- grüßet werden aiis dein Markt swenn sie daselbst sich sehen lassen] und von den Menschen snicht bei ihrem Namen angeredet, sondern mit dem Ehren- titel] Rabbi ff. v. a. uiiser »Herr Doctor«] ge- nannt werden. Es findet eine Steigerung statt in den drei Gliedern: sie lieben es oben an zu liegen bei den Mahlzeitem und vorne an zu sitzen in den Schiilen, und gegrüßt zu werden auf den Märkten (freien Plätzen der Stadt); das letzte Glied: und von den Menschen Rabbi genannt zu werden, giebt zugleich den Grund aii, auf den sie ihren Anspruch an die vorher ggenannten Auszeichnungen stützen. (d. Burgen) Nah, abbi, Rabban, Rabbiner ist seit dem letzten oder vorletzten Jahrh. vor Christo der Name eines Lehrers des mosaischen Gesetzes. Der erste dieser Ausdrücke: ,,Rab« (d. i. Großer) stammt aus dem alten Test. und wird schon in 2. Kön. 25, 8 und später in Esth. 1, 8., besonders häufig aber bei Daniel in der Bedeutung ,,Obersier« von der höchsten Charge von Hofleuten aller Art gebraucht; mit dem Auskommen der Schulen schelnt ei: sodann auch in diesen Kreisen gebräuchlich und nach den Shrerkriegen den großen Schulhäupterii bis auf Hillel herab als Titel beigele t worden zu sein. Als nun zur Zeit Jesu der Einflu der Gesetzeslehrer auf das Voll immer mehr zunahm und die Gesetzlichkeit ein Verhältniß des öffent- lichen und des häuslichen Lebens um das andere in ihren Bereich zog, gewann auch der Gebrauch jenes Gelehrtentitels an Ausdehnung; hatte man anfangs nur die Obersten der Schulen ihren Jüngern gegenüber Rabbim genannt, so ward nun allmälig jeder, welcher sich zum Lehrer auszuwerfen vermochte, den Laien ge- entlber ein Rab genannt, mit ,,Rabbi« (d. i. mein ab) angeredet, und diese Anrede wie das französische Monsieur (,,mein Herr«) endlich auch im Nennfall (Nomiuativ) als Titel eines jeden Geseizeslehrers ge- braucht. Während man aber mit diesem Titel so frei- gebig ward, mußte man immer noch eine Auszeichnung für die gefeiertsien Lehrer haben; daher wurden diese statt Rab nun Rabban (ursprünglich wohl aus rabbanu d. i. »Unser Lehrer« abgektirzt) genannt. Der erste Lehrer, von welchem die Beilegung dieses Titels im Talmud nachgewiesen werden kann, ist der große Ga- malielz das neue Testann legt diese Anrede schon Jesu gegenüber einem Blinden (Mark.10,51) und der Maria Magdalena (Joh. 20, 16) in den Mund, denn »Rech- buni« ist nichts anderes denn die galiläische Ausdrucks- weise statt Rabbani = ,,mein Rabban«. Außer diesen zwei Fällen wird Jesus 12 Mal mit Rabbi (,,mein Rab«) angeredet, jedoch nur im Evg. Matthäi (26, 25. 49), Marci (9, Z; 11, 21; 14, 45) und Johannis «(1, 39. 50; Z, 23 4, 31; 6, 25; I, 27 11, 2), indessen Lukas stets eines griechischen Ausdrucks sich bedient; das Zeitalter Jesu war eben auch sttr den Titel Rabbi, wie für den ganzen Nabbinismus, eine Zeit rascherer Entwickelung. Vom Beginne des 2. Jahrh. chriftlicher Zeitrechnung an steht vor dem Namen eines jeden Ge- setzeslehrers der Titel Rabbi, und bleibt es auch durch alle folgenden Jahrhunderte hindurch; unsre europäischen Völker haben daraus ,,Rabbine, Rabbiner« gemachd (Pressel.) 8. Aber ihr [meine Jünger und Apostel sammt denen, die eure Amtsnachfolger in der christ- lichen Gemeinde fein werden] follt euch nicht Rabbi [,,mem Meister«] nennen lassen; denn Einer ist euer Meister [oder Lehrer], Christus [dies Wort, fehlt in vielen Handschriften —- es dürfte vielmehr hier an den heil. Geist als denjenigen Lehrer, den der HErr meint, zu denken fein Joh. s, 45; 14, 26; Warnung vor den Werken der Schriftgelehrten und Pharisäer. 337 I. Joh. 2, 27], ihr aber seid alle [nach eurem, schon im alten Bunde verkündigten Verhältnis zu einander Jer. 3I, 341 Bruder. S. Und sollei [ebensowenig, wie über die An: dern euch erheben, irgend einem unter euch in fal- scher Weise euch unterordnen; ihr dürfet also] nie- mand Vater heißen auf Erden sihm damit die Ehre einer geistlichen Zeugung und Vormundschaft ein- räumen-J; denn Einer ist euer Vater, snamlichs der im Himmel ist [und neben dessen Vaterschaft sollt ihr keine andere stellen Ephes. 3, 14 f.]. 10. Und ihr sollt euch nicht lassen Ehleister sRegierer und Führer] nennen; denn Einer ist euer Meister [und Herr Joh. IS, l3], Christus. Dem Rabbi oder Lehrer (iu V.8) folgt der Vater im Himmel (V. I) und Christus (V· I0) als einiger Führer und Vorgänger — ein Wink ans die drei Ich in Gott, vor denen jedes stolze Jch untergehen muß. Hiermit wird alles Menschenansehu, das zwischen Gott und uns mit aiigemaßter Auctorität sich eindrängen will, abge- than: wer sichs anmaßt, stindiget, und ebenso wer es andern zu estehr Man merke doch, wie der HErr hier alle a ttestamentliche Vormundschaft wegnehmend ein Neues bringt in der ächten Freiheit und Gleichheit, die ausDemuth vor dem nun ganz geossenbartem Allen zit- giiiiglichen Gott sich gründet, ·und wie ·er sich selbst so erhaben mit dem Vater im Himmel gleiihstellt (Stier.) »Meister« (V. 10) ist niehr als ,,Rabbi« (V. 8): der Rabbi ist Lehrer an einer Schule, vor einer Anzahl Schüler; Meister ist Anführer, Fürst, Oberhaupt einer anzen Schulpartei, dem wieder viele Rabbinen folgen. Kein Apostel hat je eine eigene Schule, Partei stisten wollen; die Resorniatoren waren ebenfalls fern davon, haben sich nicht zu Namen her eben wollen. Christen sollen dahin kommen, wo sie C rislum durch sich selbst aus seinem Worte erkennen und in ihm Eins sind, ihm allein folgen; Menschen sind nie unfehlbar. (Heubner.) Daß es überhaupt keine Lehrer und geiftlichen Väter mehr geben, noch jemand diese Namen führen solle, kann der Sinn Jefu nicht ·sein (1. Cor. 4, is; PhiL 10); sondern die hierarchische Anmaßung wird gestraft, mit welcher Menschen sich überheben und für ihre Person eine Auctorität und Ehrerbietung in Anspruch nehmen, die Gott und Christo ebührt, während alles, was sie selbst leisten und gewä ren können, nur den Charakter des Dienstes trägt. Dieser Gedanke (V. 11 f.) wird als Grundsatz ausgesprochen durch die Hervorhebung des Einen Lehrers, Vaters und Führers, dem gegenüber alle die Seinen auf gleicher Linie stehen, alle im Verhältniß der Unterwiesenen, der Geleiteten, der Kinder. (v. Burgen) Gefirast wird das Psassenthum, welches das Amt der sorgenden Leitung zu einer ungeisilichen Herrschast über die Gemeinde zu machen sucht und die geistliche Heerde nicht weidet, sondern sich selbst an ihrer Unmün- di keit weidet und sie auszudeuten sucht zu den sünd- li en Zwecken des weltlichenVorraiigs und Eigennutzes. (Wuttke.) Das Schlimmste ist, jemand »Vater« nennen, d. h. in einem Menschen eine absolute geisiliche Auctorität verehren. (P. Lange) 11. Der Größeste unter euch sdem am meisten an Gaben nnd Kräften, an Würde und Einfluß verliehen istJ soll ener Diener sein [alles das, was ihm verliehen, zum Dienste der Brüder verwenden, nicht aber eine Berechtigung darin erblicken, über die Andern zu herrschen] 12. [Wer das gleichwohl thäte, würde damit sich selber» das Verderben bereiten.] Denn lver sich selbst erhohet, der wird erniedrigetz und saubrer- seitH gilt auch:] wer sich selbst erniedrigen der wird erhohei sLuk. 14, 11; 18, 14., daher das Wort in V. 11 auch diejenige Bedeutung hat, in der es Kap. 20, 26 f. sieht] Es ist hiernach klar, daß die, mit der Aufstellung des Jiifallibilitätsdogma vollbrachte hiichste Versündiguiig des Papstthums an- dem Worte Christi V. 8 ff. aiich dessen Untergang zur Folge haben muß; und bereits fängt dersel e an, sich vorzubereiten, um in einer bestimmt bemessenen Zeit sich zu vollenden (Kp.25,4u.30 Aiim.). » 13. Wehe euch, Schriftgelehrte und Phari- faer, ihr Heuchler, die ihr sdurch Wegnahme des Schlüssels der Erkenntniß Luk. It, 521 das sin der Erscheinung Christi sich ösfnende] Himmelreich [wie- der] zuschließet vor den Menschen. Jhr sfür eure Person, so dringend ihr auch zum Eintreten ge- laden worden seid Las. 14, 17 ss.] komme! uichi hinein, und die saus dem Volke] hinein wollen [sa, den Fuß schon auf die Schwelle geseszt haben, um einzutreten], lasset ihr nicht hineingehen sson- dern reißet sie mit oerleumderischen, irresührenden Reden gewaltsam in den Unglauben zurück Kap. 12, 22 sf.; Joh. 9, 22 sf.]. Der ladet eine schwere Verantwortung aus sich, der Andere an ihrer Seligkeit hindert dadurch, daß er sie vom Christenthume, von Jefu abzieht durch Jrrlehre, falsche Weisheit und Versührung, auch dadurch, daß er die wahren Lehrer verdächtigt und verfchreit (Jes. 32, 6). Der chrisJilicheVegriss von pbscurantisnius sVerfins sterungseisey ist die Bosheit, das wahre biblische Evan- gelium zu verfchreien als Schwärmerei und es verdun- keln, dieses Licht wegnehmen zu wollen, wie in der katholischen Kirche geschieht, indem sie die Bibel weg- nimmt. Was Ungläubige Aufklärung nennen, ist in Wahrheit Verdunkelung. (Heubner.) · 14. Wehe euch, Schriftgelehrte und Phari- faer, ihr Heuchler, die ihr der Wittwen Häuser fresset [oon ihnen euch unterhalten lasset, von ihrem Vermögen prasset] und wendet lange Gebete vor sals wäret ihr Leute, die mit heil. Dingen und gottesdienstlichen Uebungen so beschäftigt seien, daß sie nicht selbst für die niederen Bedürfnisse des Lebens sorgen könnten]; darum [weil ihr die Schinderei unter dem Scheine der Frömmigkeit treibt und einfältige Herzen durch Mißbrauch des Namens Gottes berückei Z. Tim. s, 6] werdet ihr desto mehr Verdaininnisi empfahen. Daß fromme Frauen den Unterhalt heiliger Männer bestritten, kam öfter vor (1. Kön 17, 9 sf.; L. K. 4, 8 sf.; Luk. 8, 2 f.); aber die Möglichkeit des Mißbrauchs solcher frommen Regun und die Scheu schon vor dem Scheine desselben bewir te, daß Paulus nur ungern be- willigte,· sich ihrer zu bedienenl(Apostg. 16, 15). Da. gegen die Pharisäer· und Schriftgelehrten machten ein Geschäft daraus, diese Geneigtheit aicdächtiger Frauen auszudeuten, und vergrdßerten die Schuld ihrer Hab- sucht durch die nichtswürdige Habsucht, mit der sie den felbst Bedürstigen das Jhre abzulocken suchten. (v.Burger.) Was haben wir wohl in den Klöstern gethan? Wir 338 Evangelium Matthäi 23, l5—28. haben von aller Welt ihr Geld und Gut genommen, denn man sagte: Ei, die Mönche beten für uns Tag und Nacht! und konnte da jedermann geben, und wur- den große Domftifte und Klöster gebaut, die jetzt kein König vermöchte zu bauen. Wie haben wir gebetetit Die Mönche, haben sie gesagt, sollen im Dekretal lesen ihre Hans; wenn sie das gethan haben, haben sie die Präsenz verdient, sind der Kirche gehorsam gewesen und ist nicht vonnöthen", daß sie verstehen, was sie beten. (Luther.) » 15. Wehe euch, Schriftgelehrte und Phari- faer, ihr Heuchler, die ihr sin fanatischem, selbst- füchtigem Bekehrungseifed Land nnd Wasser um- ziehet, daß ihr einen [auf dem Worte liegt ein Nachdruck: Einen] Judengenoffen machet [d. i. wenn es auch nur ein einziger Proselyt Z. Mos. 17, 9 Anm. wäre, mit dem euer Vorhaben euch gelingen sollte]; und wenn er’s worden ist, macht ihr aus ihm [dem ihr vorgespiegelt, ihr wolltet ihm »zum Himmel helfen] ein Kind der Hblle, zwiefaltig mehr, denn ihr seid sindem ihr nun mit dem Geiste eures Fanatismus nicht aber mit dem des wahren Glaubens ihn ersiillt, dergleichen Be- kehrte aber es dann viel ärger zu treiben pflegen als ihre Bekehrer]. Als wären sie selbst ganz fertige Muster der Heili - keit, als hätten sie ihr Hirtenamt in Israel wohl vo - bracht und zu Hause nichts mehr zu thun, umziehen sie Land uud Meer nach Proselytem als triebe sie gar großer Eifer, Leute in’s Himmelreich zu holen; aber die aus innerem Trieb der Wahrheit sich an’s Judenthum an- schließenden »Gottesfürchtigen«, welche im Neuen Fest. als eine meist lobenswerthe, den llebergang des Evan- eliums zu den Heiden vertnittelnde Menschenklafse vor- ommen, sind nicht die hier emeinten Proselyten, diese wurden vielmehr von den P arisäern neidisch und ver- ächtlich behandelt und kaum zugelassen, sondern es han- delt sich um vollständige Judengenossem um sog. Prose- lyten der Gerechtigkeit. Solche waren selten, weil sich ein Heide schwer dahin bringen ließ, das ganze Joch des slidischen Gesetzes auf den Hals zu nehmen; hatten darum die Pharisäer auch nur Einen solchen Proselyten zu Stande ebracht, so hatten sie aenug, um hinfort mit ihrer Ero erung zu stolziren. Hier wird die falsche Proselhtenmacherei der nur äußerlxches Wachsthum ihres Leibes erftrebenden falschen Kirche gerichtet, alles Ge- waltanthun ohne Ueberzeugen und Gewifsenverwirrem um Leute zu fangen, ohne sie bekehren zu können oder zu wollen. Jeder Religionsitbertritt ohne Bedürfnis; und Erkenntniß des Herzens ist nur zum Schaden; denn es verschlimmert sich sittliches Verderben, Jrrlehre und verkehrtes Thau, wenn es überliefert wird, von Hand zu Hand, und überall sind die — aner und —- iften ärger noch als ihre Meister. (Stier.) Ju unsrer Zeit find oftmals Juden, die aus unlauteren Motiven zum Christenthutn libertraten, erst rundverdorben und die schlimmsten Feinde des Christent ums geworden; sie profaniren die göttliche Wahrheit, d. i. Gott selbst, und haben nun nichts Heilige-s mehr, wie z. B. Deine, der Prediger der Rehabilitirung des Fleisches. Besonders die jesuitischen Bekehrungen ommen oft nur auf äufzeres Bekennen und Mitmachen hinaus; die nur äußerlich Bekehrten aber entdecken leicht, wie Religion und Glaube ihren Bekehrern nur Mittel oder Maske find und sehen hinein in das· geheime Gewebe ihrer Künste, wodurch ihnen die Religion selbst verächtlich wird, sie werden ein eweiht in die Geheimnisse und übertreffen noch ihre Be ehrer. (Heubner.) 16. Wehe euch, verblendete Leiter soder Weg- weiferKap.15, 141, die ihr smittels der von euch verbreiteten Lehrsätzej faget: Wer da fchlvbret bei dem Tempel, das ist nichts sdessen Schwur hat nichts weiter auf sich, er ist eine Bagatelle, mit der man’s nicht genau zu nehmen braucht]; wer aber schwdret bei dem Golde am soder im] Tempel sbeim Goldschmuck und den Goldgeräthen des ,Tempels oder beim TempelschatzL der ist schuldig [seinen Eid zu halten und nur Wahres damit zu beschwören] 17. Jhr Narren und Blinden, [so kann ich mit vollem Recht euch nennen, wenn ihr so unver- nünftig urthe.ilt und so gar nicht mehr die Wahrheit erkennet; denn] was ist größer, das Gold sin und an dem Tempel], oder snicht vielmehr] der Tempel [felber], der das Gold [erst] heiliget smüßte also die Satzung nicht gerade umgekehrt lauten, wenn es überhaupt zulässig wäre, zwischen oerbindlichen und gleichgiltigen Schwüren zu unterfcheiden]? 18. [Und die ihr weiter saget:] Wer da schlvöret bei dem Altar [im Vorhof der Priesters, das ist nichts; wer aber schloöret bei dem Opfer, das droben sauf dem Altar] ist, der ist schuldig. II. Ihr Narren nnd Blinden, [so nenne ich dafür euch nun abermal; denn] was ist größer, das Opfer swie ihr vorgebt], oder snicht vielmehr, wie jeder Vernünftige urtheilen muß] der Altar, der [erst durch s eine Heiligkeit] das Opfer heiliger? 20. Darum [weil der Charakter der Heilig: keit ursprünglich und eigentlich am Altar haftet, oon ihm aus aber auf alles, was in Beziehung zu ihm steht, übergeht, sage ich im Gegensatz zu euch:] wer da schwöret bei dem Altar, der schwbret swie er ausdrücklich bekennet] bei demselben, und sschwöret damit zugleich, wenn er’s auch nicht sagt] bei allein, was droben ist [er kommt also fchlechterdings nicht um die Verbindlichkeit feines Eides herum, er hat denjenigen Schwur, den ihr selber für wirkungs- kräftig erklärt, den bei dem Opfer V. l8, mit- gethan]. 21. Und [gleicherweife, da der Charakter der Heiligkeit ursprünglich und eigentlich am Tempel haftet und sich von ihm aus alle dem mittheilt, was an und in dem Tempel ist] wer da schlvöret bei dem Tempel, der schwbret sdem Wortlaut nach] bei demselben und [der Sache nach bei dem Golde des Tempels, ja —- um es hier nun zu sagen, bei wem allemal und in jeder Form, sie sei auch, welche sie sei, gesehworen wird, wenn ein Eid ge- schiehen er schwöretj bei dem, der drinnen sin: Tempel] tvohnet sbei dem lebendigen Gott l. Kdn. 3J. S- Des HErrn Weheruf über die heuchlerischeu Schristgelehrten und Pharisäer. 339 M. Und [da nehme ich mit Beziehung auf eine andere verkehrte Unterscheidung nichtverbind- licher Eide von verbindlichen mein früheres Wort Kuh. Z, 34 ff. wieder auf:] tver da schivdtei bei dem Himmel, der schwbret bei dem Stuhl Gottes und [in weiterer Folge] bei dein, der drauf sitze-i. Wie zu allen Zeiten die Selbstsucht, wenn sie ein Jnteresse darin findet, sich unter religiösen Formen »zu bewegen, dem Ernst der Wahrhrt durch Täuschereien auszuweichen weiß, so äußerte sie sich auch unter·den Pharisäern; um zu selbsisiichtigeu Zcvecken von Eiden dispensiren zu können (denn ,,die mit Gebotauflegen und Binden gar streng sind V. 4, die wissen dann, wenn es ihnen so paßt, auch wieder zu dispensiren und zu lösen«: Stier), unterschieden sie zwischen haltbaren und unhalt- baren Eiden Gerade wie in Kap. H, 34 ff. zeigt nun Christus das Leere solcher Unterscheidungen, indem er nachweist, wie jeder Schwur im letzten Grunde auf Gott als den allein Wahrhaftigen geht; die Schwtire beim Tempel, Himmel, Altar haben nur Sinn, wenn man diese erschaffenen Dinge in »ihrer Beziehung zum Ewigen auffaßt. (Olshausen.) So ists-s· noch heute bei den geist- losen Geistlichen und Bauchdienerm es ist ihnen nicht um Gott, sondern um Gold, nicht um den Altar, son- dern um das, das darauf ist, zu thun; das Jnteresse der Kirche, d. i. ihr eigenes, geht allem, was Gottund göttlich ist, weit vor. Aber wehe ihnen! (Tüb. Vib.) 23. Wehe euch, Schriftgelehrte nud Pharisäer, ihr Heuchler, die ihr sals wäre das Gebot vom Zehnten 5. Mos 14, 22 ff. das wichtigste, in der Beobachtung desselben es so genau nehmet, daß ihr’s auch auf die geringsten Gartengewächse aus- dehnt imdJ verzehntet die Miuze, Till und Kiimmel [den Zehnten davon gebt und mit euren Satziingen ihn auch Andern auserlegt], und lasset Dagegen] dahinien [als käme darauf zur Seligkeit nichts weiter an und könntet ihr’s damit halten wie ihr Lust habt] das Schwerste im Gesetz sum das bei demselben sich’s eigentlich handelt und worauf es auch bei seinen Einzelverordnungen als auf die»Haup·t- sache immerdar dringet], naiiilich das Gericht [die Pflege der Gerechtigkeit nach den Grundsätzen des Rechts Pf. 33, s; Hof. 12, 71 ,» die Barmherzig- keit [im Verhalten gegen den Nachsten überhaupt] nnd den Glauben lTreue und Redlichkeit im Handel und Wandel Jer. b, l; Gal. b, 22]. Dies sollte man thun sdie eben genannten wichtigeren Stücke vor allen Dingen sich vornehmen und in Uebung sehen] nud jenes sdas Verzehuten von Minze, Till und Kümmel daneben allerdings] nicht lassen» sda niemand meinen darf, es käme auf sog. Kleinig- keiten bei Erfüllung des Gesetzes nichts weiter an Miso. b, 18; Luk. 11, 42]. Man beachte die Gegensätzn was ihr unterlassen habt, iniißtet ihr thun, und zugleich, was ihr thut, nicht unterlassen; xenesist die Fauptsachq das Unter· geordnete aber, eure peinliche Ze ntbeobachtung,«wi·rd damit nicht auf ehoben, sondern nur in ·seine»richtige Stellung gebra t. (Meher.) Die wahre, innerliche Ge- setzlichkeit stellt die Hauptsache voran, ohne doch im Kleinen lax zu sein. (P. Lange.) 24. Jhr verblendete Leiter swie ich euch schon oben genannt V. 16], die ihr [in höchster levitischer Scrupulositäh um ja beim Getränk auch nicht das kleinste unreine Thier s. Mos. U, 42 mit hin- unterzuschlucken] Miiclen seigei [Wein, Milch u.s.w. erst genau durchseihet, ehe ihr trinkt] und [dagegeu in höchster sittlicher Laxheit, indem ihr mit eurem Verhalten der gröbsten Sünden und Ungerechtig- keiten euch fchuldig macht] Kauieele verschlucken Gegen die gröbsien Laster hatten die Pharisäer gleich- sam einen weiten Schlund und großen Magen, der viel vertragen konnte; aber in Klei i leiten wollten sie ein eng Gewissen haben. (Starke.) ancher meint seinem Nächsten nicht genommen zu haben, was einer Mücke werth sei, und entzieht doch den Armen wohl so viel, als der Werth eines Kameels ist, durch Geiz, Verschwen- dung, Mangel an Liebe er. Jak. 2, 16. (O-uesnel.) 25. Wehe euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuihleh die ihr [mit vielen Waschungen, denen ihr in Erweiterung solcher Vorschriften, wie Z. Mos. 15- 1 ff.; 4. M. It, 20 ff., die Gefäße unter- wersel] die Becher [aus denen ihr trinket] und [die] Schüsseln laus denen ihr esset] auswendig reinlich hallet sdaß ihr ja in keinerlei Weise levitisch euch verunreiniget Mark. 7, 4], inwendig aber isrs voll Raubes und Fraßes sSpeise und Trank, die ihr in Schüsseln und Becherii habt, ist ein mit Unrecht erworbenes Gut und wird im Dienste der Unmäßigkeit verzehrt] 26. Du blinder Pharisäer sder du so gar nichts davon einsehen willst, was Gottes heil. Wille bei seinem Gesetz eigentlich isi], reiiiige zum ersten [indem du vor allen Dingen auf rechtlichen Erwerb und mäßigen Genuß von Speise und Trank Be- dacht nimmsts das Jnivendige am Becher und Schüssel [das, was du darin hast und daraus trinkest und issest], auf daß auch das Auswendige rein Werde sdenn alsdann erst ist die levitische Reinigkeit eine wirkliche und keine blos erheuchelte und eingebildete Luk. It, 39 fs.]. Das ,,werde« hat den Nachdruch damit dann ein- trete, was ihr beabsichtigt, nämlich die Reinheit auch des Aeußerem Die äußere Reinigkeit wird nicht für entbehrlich erklärt; sie ist aber nicht die wahre, welche vielmehr erst durch die Reinigkeit des Inhalts eintritt. (Meyer.) Das Auswendige und Jnwendige des Men- schen sieht oft im grellen Widerspruch, und die äußere Verfeinerung ist oft die Decke der schlimmsten Ausartiing. (Heubner.) 27. Wehe euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ibr Heuchler, die ihr gleich seid wie die Um Früh- jahr frisch] iibertiinchteu Gräber, welche ausivendig [mit ihrer weißen, leuchtenden Farbe] hübsih schei- nen, aber inwendig sind sie voller Todtenbeine und alles Unslaths [daß, wer ihnen zu nahe kommt, sich an ihnen verunreinigt] 28. Also auch ihr; von außen scheinet ihr vor den Menschen fromm [gerechtJ, aber inwendig seid ihr voller Heuchelei und Untugenn 227 340 Evangelium Matthäi 23, 29——37. Die Berührung eines Todten und alles dessen, was mit dem Todten in Verbindung steht, macht nach dem Gesetz unrein, folglich auch das Betreten oder Berühreii eines Grabes und Grabsteins (4. Mos. 19, 11ff.); da- mit nun dies nicht unversehens jemandem widerfahre (Luk. 1l, 44), wurden die Grabsteine, die auf den Grä- bern lagen oder die Eingänge der gehauenen Felsen- gräber verfchlosfen, (jährlich am 15. Adar, nach Been- digung der Regenzeit und beim Herannahen des Oster- seftes) mit weißem Kalk getüncht. Dies gab ihnen zwar ein freundliches Aus-sehn, nichtsdestoweniger deckten sie nur den Greuel der Verwesung und Stätten der Un- xeinigkeit zu; eben ein solcher trügerischer Schein ist die Gerechtigkeit der Pharisäer, nur ein Deckmaiitel über ihre heuchlerische Gesinnung und ihre tiefe Entfremdung vom Geiste des Gesetzes. (v. Burger.) 29. Wehe euch, Schriftgelehrteund Pharisäer, ihr Heuchler, die ihr lrings um Jerusalem her] der Propheten Gräber bauet und schmiiclet der Ge- rechten Gräber [die Grabmäler derselben im Bau erhaltet und verschönertL 30. Und sprerhet sthut es mit dem selbstge- fälligem Vorgeben]: Wären wir zu unserer Väter Zeiten gewesen, so wollten wir nicht theilhaftig sein mit ihnen an der Propheten Blut swir hätten ste vielmehr geehrt und hoch gehalten]. 31. So lindern ihr jene ,,eure Väter» nennt] gebt ihr zwar [d. i. fürwahr 1. Kön. 8, 13 Arme. i] iiber euch selbst Zeuguiß, daß ihr Kinder seid derer, die die Propheten getödtet haben sund werdet's auch bald mit der That bekunden, daß ihr auch ihren Sinn geerbt habt und in ihren Fuß- tapfen wandelt Luk. 11, 47 f.; Apostg 7, 51f.]. 32. Wohlan [wenn ihr denn einmal nicht anders wollet], erfüllet auch ihr das Maß eurer Väter ltraget auch ihr zu ihrer Blutschuld das Eure bei und machet das schon bis an den Rand gehende Maß voll bis zum Ueberlaufeiy damit nun auch das Gericht im vollen Maß hereinbrecheu könne] « 33. Jhr Schlangen, ihr Otterngezüchte lwofür euch fchon Johannes der Täufer erklärt und euch so nachdrücklich vor dem zukünftigen Zorn gewarnt hat Kap. 3, 7], wie wollt ihr sdiesem Zorne oder] der höllischen Berdummniß ldem Gerichtsspruch, der zur Hölle lautet] entrinnen? Bei dem vielfach ausgesprochenen Wehe nnd der ausdrücklichen Benennung der Schriftgelehrten und Pharisäer setzt der HErr auch immer noch dabei: ,,ihr Heuchler«, welches er ohne Zweifel allezeit mit einem besonderen Nachdruck wird ausgesprochen haben, und zeigt damit, daß die Heuchelei ihr Hauptlaster gewesen und vor andern Lastern etwas recht Abscheuliches sei vor den Augen Gottes, den man dadurch zu betrügen meint. (Starke.) Das ist die Art der verkehrten Heuchlen sie preisen die treuen Zeugen der Wahrheit nach ihrem« Tode, die ihnen doch in ihrem Leben nicht leidlich waren nur anzusehen; . sie mögen selig heißen, wenn sie nur nicht lebendig sind (sit ljoet dir-us, dummodo non vivus). Man schmückt der alten Märtyrer Gräber und niacht hingegen an ihrer Statt neue: wehe, wehe den blutdürftigen Heuchlerul (Tüb. Bib.) Die Papisten sind hier recht wohl getroffen; die halten der Apostel und kennen. (Osiander.) Propheten Gebeine heilig und Werth, und verfolgen mit Feuer und Schwert, die sich zur apostolischen Lehre be- Jhr lasset, will der HErr den Pharisäern und Schriftgelehrten sagen, die Väter trotzs dem, daß sie die Mörder der Propheten sind, im vollen Sinne des Worts in Kraft eurer Traditioussatzung als eure Väter gelten und behandelt die alte Blutschuld, die damit auf euch gekommen ist, nur als zufällige Miß- griffe der Väter oder erklärt sie aus »der Barbarei einer früheren Zeit«; wie in unsern Tagen etwa die Jnquisitionsgreuel entschuldigt werden mit der Barbarei des Mittelalters, während sie doch ihre eigentliche Wurzel im Fanatismus haben. Das fortdauernde Bekenutniß aber zu den alten falschen Grundsätzen, aus denen jene Blutschulden geflossen, begründet die Solidarität der geistigen Mitschuld, ja der Fortzeugung der alten Schuld bis zum vollendeten Gericht. (P. Lange.) Es liegt eine tiefe Bedeutung für die Einheit der anzen Schrift und der in ihr verzeichneten Wege zwif en Gott und deu Menschen darin, daß hier Israel aufhört mit demselben, was zu Anfang (1. Mos. 15, 16) von den vor ihnen vertriebenen Amoritern gesagt war, mit der Erfüllung des Siindenmaßes. Spät mahlen die Miihlen der Götter, aber sie mahlen rein: das wußten auch die Heiden, weil es die Geschichte lehrt; so sollen wir auch ohne falsches Klügeln beides, die wartende Langmuth und den endlich ausbrecheuden Zorn Gottes, in seinem Thun erkennen. Der« göttliche Grundsatz, Geschlechter und Völker in Zurechnung einer Gesammtschuld zusam- menzufassen und endlich die Gefammtstrafe über die Letzten zu schicken, geht durch die-ganze Geschichte; der Schliifsel dieses Räthsels liegt schon (doch nicht immerl) im umgekehrt wahren Sinne der Heuchelrede V. 30 und heißt: wären sie zu der Väter Zeiten gewesen, so hätten sie all das Blut auch Vergossen. Wessen innerliche Arg· heit hoch gestiegen ist, der wird dafür angesehen, als ob er alles dasjenige auch begangen hätte, was Andre von gleicher Argheit begangen haben: ein Mörder kommt in die Gemeinschaft aller Mörder, ein Hurer in die Gemeinschaft aller Hurer und Ehebrecher u; s. w. Sie stehen alle als Zweige auf Einer Wurzel, sie wirken alle zu Einem Ziel, sie billigen alle unter einander ihre Werke. (Stier.) Die Pharisäer werden fchließlich unver- hohlen als Schlangenbrut bezeichnet, die deii Samen ihres Vaters in sieh tragen und nach den Werken des- selben thun (Joh.8, 44). Die Worte wollen im Munde des Sohnes der Liebe fast zu hart dünken; aber gegen die Bosheit ist das eben die Offenbarung der Liebe, daß sie als solche gehaßt und gerichtet wird. Der sanft- , miithi e Erlöser ist derselbe, der auch die Kelter des Zorne? Gottes tritt: Jes. 63, 13; Offenb.19, IS. (Olshausen.j tEvangelium am T. Weihnacht5-Feiertage, als am Tage St. Stephuni, des« Markstein) Der Brauch, den Todestag des Stephanus atn 2ten Weihnachtstage zu feiern, schreibt fiel; her aus den ersten uud besten Zeiten der chriftlichen Kirche. Daß der Christ durch den Tod in’s himmlische Leben gehe, war den ersten Christen eine so vertraute und geläufige Vorstellung, daß sie glaubenskühn und glaubensfreudig die Todestage der Blutzeugen Ehristi ihre Geburtstage nannten, und an Christi Geburtstag auf Erden fchlossen sie des ersten Blutzeugen Geburtstag im Himmel (heri natus est Christus in taki-a, hociie nasoitur stephanus in ooe1o). Nach ihrer Meinung sollte man dem Sterben nicht blos gefaßt, ergeben, getröstet, sondern geradezu fröhlich, ver- langend, das Siegesgefühl im· Herzen entgegenschauen. (Caspari.) Nur Eine »Nacht liegt zwischen gestern und Auch die Jünger und Apostel des HErrn werden von diesen Heuchlern verfolgt werden. 341 heute; noch tönen die Halleluja-Gesänge des gestrigen Eesttags nach in den Mauern unsrer Kirchen, i1i den iesen unsrer Herzen, und doch — wie ganz anders ist der Ton, aus dem heute unsre Predigt klingen soll, wie ganz anders das Bild, das der heutige Text ausrollt vor unsern Augen. Das neugeborne Iesuskind haben wir gestern begrüßt zum Beginn seines Erdenlanss: heute steht der Mann Jesus Christus vor uns am Schluß seiner göttlichen Laufbahn; es ist sein Abschieds- wort, das wir vernehmen, und wie ganz anders klingt sein Abschiedswort, als der Gruß gelautet bei seiner Ankunft ans Erden! Als der Heiland geboren war, da ward große Freude verkündigt seinem Volk; aber als er Abschied nahm von diesem Volk, da war’s ein schweres Wehe, das er ihm zum Vermächtniß hinterließ. Als er in der Krippe lag, da erschienen glückwiinschend die Engel Gottes über Bethlehem, da war Israel das begnadigte und gesegnete unter den Völkern; aber als er Abschied nahm, da wandte der Schutzgeist Jerusalems , der alte Vundesengel Israels weinend sein Antlitz ab von dem Volk, über dem er 1500 Jahre lang schützend und seg- nend geschwebt, als wollte er nun den Adlern Platz machen, die sich leichenwitternd sammelten über der un- glttcklichen Stadt, denn von nun an war es aus mit diesem Volk, das Band war zerschnittem der Brief war zerrisseu, der Bund war dahingesallen zwischen ihm und seinem Gott. Wie war das gekommen? wie ward Segen in Fluch verkehrt und Wohl inWehe verwandelt? was liegt enn zwischen dem seligen Tage der Geburt Christi und zwischen der dttsteren Stunde, da er Abschied nahm von seinem Volk? Wenn ihr wollt, dasselbe, was zwischen heut und gestern liegt — eine Nacht; aber eine schwarze, die Nacht der Sünde, des Un lau- bens, der Verstockung hatte stch gelagert über dem olke. Damm ward ihm Segen in Fluch verkehrt; darum mußte der Heiland einen so schweren Abschied nehmen von Jerusalem; darum mußte Stephanus unter Stein- wiirsen sein edles Haupt zum Tode neigen; darum mußte Israel ein Fluch werden unter den Völkern und sein Haus wtiste bleiben auf Erden. (Gerok.) 34. Darum sweil ihr dahingegeben seid, das Maß eurer Väter zu erfüllen V. 321 siehe [wie das nun auch sich vollziehen wird], ich [wenn ich nun werde erhöhet sein von der Erde Kap. 26, 64] sende [als die waltende Hand der göttlichen Weis- heit Luk. 11, 49 in meinen Aposteln und deren Gehilfen] zu euch Propheten, und Weise und Schrtftgelehrte sMänner, welche in der Haus: haltnng des neuen Test. dasselbe sein werden, was in der des alten die Propheten gewesen und nach dieser in der offenbarungslosen Zeit die Rabbinen und Schriftgelehrten hätten sein sollen Luk.21,15; Apg« II, 1]; und derselbigen werdet ihr etliche [wie Stephanus Kap. 7, 56 ff» Jakobus I. u. ll. Kap. 10, 4 Anat. Nr. 3 u. s] tödten und [wie Simon Petrus in Rom] kreuzigety Und etliche [wie namentlich den Paulus] werdet ihr geißeln iu euren Schulen [2. Cur. 11, 241 nnd werdet fie verfolgen von emer Stadt zu der andern [Apostg. 8, 1 ff; 9, 1 ff; IS, 50 f.; 14, 5 f. 19 u. s. w.]. 35. Auf daß über euch kdie ihr der hom- schen Verdammniß nicht entgehen sollet] komme alles das gerechte Blut, das vergessen ist auf Erden, von dem Blut an des gerechten Abels kin I. Prof. 4,»8 f.] bis aufs Blut Zachariass Barachia Sohn sin 2. Chron 2jI- 21 f-J- welchen ihr [in euern Vätern] ge- tödtet habt zwischen dem Tempel Hause] und [Brandopfer-] Altar. 36. Wahrlich, ich sage euch, daß solches alles [die Strafe für alle diese Vlutvergießungen] wird iiber dies Geschlecht kommen [so daß viele von den jetzt Lebenden es selber noch erfahren werden bei Jerusalems Belagerung und Zerstörung] Im All emeinen reicht die Erklärung, wie sie zu Z. Chron. 4, 22 vorgetragen worden, daß der HEriz indem er auf Grund der Schrift die Summe alles im Dienst der Wahrheit und Gerechtigkeit bereits ver- gossenen Blutes ziehen will, mit dem ersten kanonischen Buche des A. T. das letzte (nach hehr. Ordnun ) ver- binde und so an Abeks Ermordung die des Zaäyarias anschließe, wohl hin zum Verständnis; des 35. Verses; indessen fühlt man doch, daß, um vollkommen gerecht und wahr zu sein, sein·Wort in piophetischer Weise auch hinausgreisen müsse in die Zukunft und auf upo- kalyptische Art andeuten, wie das Geschlecht der »Gegen- wart sich als Kinder derer erweisen werde. die die Pro- pheten getödtet haben. Wenn nun das Gegenstück zur Ermordung des gerechten Abels seine eigene ist (Hebr. 12, 24), so hat auch die des Zacharias ihr Gegenstück an der des Jakobus 11. im I. 62 n. Chr. (Apostg. 28, 31 Anm.); auf diese Ermordung) spielt auch, wie wir glauben, die Stelle: Offeub. 6, f. an, und dort han- delt es sich nun wirklich um das Gericht über Jerusalem und Israel, was freilich die Ausleger meistentheils ver- kennen.—Da das antichristische Papstthuni in die Stelle des abtrtinnigen und blutdtjrstigen indischen· Volks· ge- treten ist, so wird die Strafe der unzähligen vielen Blutschulden sich auch einmal recht zusammenziehen und in den letzteren Strafgerichten ausbrechen, davon das 16-—18. Kap. der Offenbarung handelt; in 18, 24·heißt es also: »Das Blut der Propheten und der Heiligen ist in ihr erfunden worden, und aller derer, die auf Erden erwtirget sind« (Starle.) 37. Jerusalem, Jerusalem, die du tödtest [es gleichsam zu deinem Beruf gemacht hast zu tödten Luk. 13, 33 f.] die Propheten und stei- nigest [als Gotteslästerer zu steinigen], die svon Gott] zu dir ·esandt sind [Nah. I, 263 Jer. D, 34], wie o t szuerst gleich im Anfang meiner össentlichen Wirksamkeit Joh. I, 13 ——— 4, 3., dar- nach besonders im Verlauf des letzten halben Jahres Joh.7,10 — 10, 40., und da wieder ganz besonders in diesen letzten drei Tagen Kp. 21- l —— W, 481 habe ich deine Kinder [unter meine, als des wahren Erlösers nnd Seligmachers Obhut wider die Adler des schon im Anzug begrisfenen Gerichts Kap. 24, 281 versammeln kund euch bei mir neues Leben und volles Heil verleihen] wollen, wie eine Henne versammelt ihre Kuchlem unter ihre Flügel [damit ihnen da wohl und warm werde und sie geschirmt seien vor dem räu- berischen Habicht und gedeckt vor jeder rauhen Luft]»; und ihr habt nicht gewollt ldaß mir nun nichts 342 Evangelium Matthäi 23, 38. 39. 24, 1——3. übrig bleibt, als euch dem muthwillens herausbe- schworenen Verderben zu iiberlassen]. Nicht zu übersehen ist, daß dieser Vers einen öfteren Aufenthalt und mehrmals wiederholte Wirksamkeit Jesu in Jerusalem voraus-seht; eine folche findet sich in den drei ersten Evangelisten, die fast nur Jesu Thätigkeit im Norden des Landes beschreiben, vor dem Beginn der Leidenszeit nicht berichtet, das Evang. Johannis, das umgekehrt hanptsächlich Jesu Reden und Thaten in Je- rusalem und Judäa erzählt, tritt daher als wesentliche und nothwendige Ergänzung ein, und das von Johannes Berichtete wird wiederum durch unsre Stelle bestätigt. (v. Burger.) 38. Siehe, euer Haus lTempeL Stadt und Land] foll [in »Erfüllung des Fluchwortes Pf« SZB 26] euch wuste gelassen werden sbis auf die von meinem Vater besximmte Zeit Luk. 21, 24]. » 39. Denn ich sage euch: Ihr werdet mich von jetzt an swo ich vom Tempel mich zurückziehe und durch Leiden des Todes zu meiner Herrlichkeit eiUgeheJ nicht sehen, bis ihr ldie ihr auch durch die Predigt meiner Apostel euch nicht werdet zum Glauben bringen lassen, endlich nach mehr als 1800 Jahren euch zu mir bekehret Röm. II, 25 ff. und nun mit einem andern Herzen und in besserem Geiste, als am vorgestrigen Tage Kap. 21- 91 sprechetx Gelobet sei, der da kommt im Namen des HErrn lwo ich dann allerdings mich euch wieder zeigen werde Offenb. 11, 11f.;14,1 ff.]. Nach jlidischen Erzählungen verlöfchte im 40. Jahr vor Jerusalems erftörung die Lampe im Tempel von selbst; in der T at fällt nach unsrer Chronologie die vorliegende Rede Christi in dies 40. Jahr, noch jetzt aber ist die jüdische Shnagoge gottesleery weil sie Chri- stum nicht kennt (2s. Cor. , l5); und was die Stadt und den Tempel betrifft, so hat jener vergebliche Ver- such des Kaisers Julianus Apostata, den Juden ihr Haus wieder zu bauen, dem Worte des HErrn das Siegel aufgedriickt »Das Wort der Verlassung jedoch soll dennoch nicht das letzte Wort sein bei diesem Ab- schied: bis ihr (späte Nachkommen dieses Geschlechts) den jetzt Verworfenen einst wieder erkennt, freudig als Piessias begrüßt, dann in Wahrheit, wie vor ein paar Tagen das eitle Hosianna erklang (weil jenes als eitel nicht galt, kann der HErr nicht sagen: bis ihr wieder- um sprechet). So scheidet er mit hellschauender Weissagung, daß einst Gottes Volk ihn ehren werde, wie die noch bevorstehende Wiederbringung des Jsrael nach dem Fleisch vom ganzen Alt. Teft. Verkündigt wird seit S. Mos 4, 30 bis Sach. 12, 10; 14, 8ff. (Stier.) Der HErr hatte also vom Tempel Abschied genommen, aber nicht mit dem Pathos eines Aufgeregten, sondern mit der tiefsten Geistesruhe, wenn auch in der mäch- tigfien Bewegung des Gemüths; er stürzte jetzt ebenso wenig vom Tempel fort, wie er später fortftürzte vom Grabe: dort brachte er erst die Leichentücher in Ord- nung und legte sie ruhig beiseit, hier aber ließ er sich noch eine Weile im Vorhof der Weiber nieder, den Opferstöcken gegenüber, welche zum Tempelschatz ge- hörten, und betrachtete das Volk, welches heranströmte und seine Spenden in den Gotteskasten warf (Mark. 12, 41 fs.; Luk. 2·1, I sf.). Man hat mit Grund be- merkt diese Geschichte passe ganz hierher, da sie gerade den Vorwurf Jesu gegen die Schriftgelehrten und Pha- risäer, daß sie die Häuser der Wittwen fressen, bestätigex man sah es an einem Beispiel, wie sehr die Gemüt er der Frommen im Lande ,von den Vätern des Volks ge- stachelt und getrieben wurden, alles, was sie nur irgend entbehren zu können glaubten, dem Tempelfchatz zu opsern, während sichs die Reichen, unter ihnen auch die Pharisäer und Schriftgelehrten, mit diesem Opfer sehr bequem machtetn Dieser Zug zeigt uns aber zugleich die erhaben stille, geistesruhige Stimmung, die Himmels- klarheit des Gemüths, womit Christus vom Tempel Abschied nimmt; wie ein heiliger Fremdling, wie ein beobachtender Reisender aus einer höheren Welt konnte er sich dem Opferstock gegenüber setzen und jenes Opfer- wesen betrachtely in welchem sich damals der Aberglaube seines Volks concentrirte. Er sieht die Spenden der Leute mit scharfen Blicken,an, das ist das Zeugniß sei- ner himmlischeu Unbefangenheit; die zwei Scherflein· der armen Wittwe entgehen ihm nicht, das ist der Meister- blick der Liebe; er erkennt in ihrer ungemessenen, fast thörichten Anstrengung , den Gottesschatz mit ihrem letzten Mittelchen zu unterstützen, den frommen Sinn, die reine Absicht, das Opfer des erzens, das Gott gegeben wird, dies ist der Blick der himmlischeu Wahrheit; er schätzt die Gabe dieses Weibes ab gegen die glänzenden Geld- gaben, welche so viele Reiche gaben, und urtheilt, das Weib habe am meisten gegeben, das ist die Stimme der Gerechtigkeit. Darin aber äußert sich die ewige FrischD Munterkeit und Kraft der vollkommenen, mit dem reinen Herzensschlag identischen Berufstreuh daß er jetzt in dieser Stimmung und Lage geneigt ist, seinen Jüngern über diesen Text, die zwei Scherflein der armen Wittwe, noch einen Vortrag zu halten; einen Vortrag freilich, der in seiner Gemeinde tausendfachen Segen gewirkt hat und wirken wird bis an das Ende der Welt. (P.Lange.) Jetzt lassen heidnische Hellenen an Jesum die Bitte ge- langen, ihn sprechen zu dürfen (Joh. 12, 20 fs.); hier- durch an fein nahes Ende erinnert, betet er laut zu sei- nem Vater, worauf ein Zeichen vom Himmel erfolgt. Nachdem er daran noch eine Mahnung geknüpft, ver- läßt er flir immer den Tempel. (Lichtenstein.) Es war eine merkwürdige Fügung, daß gerade an dem Tage, da der HErr von den Juden Abschied nahm und sich in die Verborgenheit zurtickzog, diese Griechen ihr Ver- langen aus-sprachen; er wurde dadurch veranlaßt, die nahe bevorstehende Ausdehnung seines Reichs auch über die Heiden auszusprecherr. Wie die Weisen aus dem Morgenlande bei seiner Geburt, so sind auch diese Griechen als Typen und Repräsentanten der zur Auf- nahme insein Reich bestimmten Heidenwelt zu betrachten; fein Versöhnungstod ist’s denn nun, welcher die Scheide- wand durchbrichh die ihn mit feinem Volke von den Heiden noch trennt, da aber dieser Tod jetzt bald erfolgt, dürfen die Heiden nur ein klein wenig noch sich gedul- den. (Hengstenberg.) Das 24. Kapitel. Von Zerstörung der Stadt Jerusalem, und dem Ende der Welt. X. v.1—2eqp.25,46· (§.109.) nunmehr seien-i de: tjErr von dem Tempel, wo er die furchtbar drohenden und doch zugleirh einer skhließticheu Hoffnung Raum ge— hendeu Worte des vorigen Kapitel-z Israel wie ein Ver— mältjtniß äliergeben hatte; er ist schon um die Abend— Zeit, als et Jerusalem verläßt, um den gewohnten Weg über den Oellierg nach sethanieu zu wandern. Zudem Ankündigung der nahe bevorstehenden Zerstörung des Tempels. uuu schon beini yinweggeheu von dem Tempel die Sänger ihn auf die pracht und Cerrliitslieit desselben hingewiesen und aus seinem Munde vorläufig die Bestätigung dessen, was er schon früher gesagt, empfangen haben, daß hier nicht ein Stein auf dem andern bleiben werde, treten ibrer vier hernach, da er auf dein Oelberg net) nieder- gesehi, als ob es ihm nicht inägliih wäre, über den Gipfel htnauszusctzreitem ohne zuvor noch einmal einen sinnenden slirte äber die Stadt zu werfen, an ihn heran nnd veranlassen ihn mit ihrer Frage zu einer längeren Weissagungsrede über Jerusalems Jernärung nnd die Hei-neu seiner Zukunft. (vgl. Mark. II, t—37; kalt. El, 5——Z8.) u. v. l——28. Dreifach iß die an Jesnni ge- rishtete Frage der Sänger: 1) wann wird das ge- sihehen, wovon du zunächst geredet, nämlirh die Jer- stärung des Tempels mit dem Gericht äber Jerusalem? L) weiches wird das Zeichen ein deiner Zukunft? Z) und das des Gndes der eilt) Dreifach erfolgt nun auch die Antwort des Hatten; er redet in dem hier vorliegenden ersten Abschnitt zunächst von der Zerstörung Jerusalems, und zwar, um das Wann derselben zu bezeichnen, von der ße vorbereitenden, ihr vorangehenden Jwischenzein doch redet er so, daß in diesem Gericht, welches selber schon eine Jtuliunft des Oiensafeusohues und ein aus dieselbe hinweiseudes Zeiiyeu ist, die beiden folgenden Katastrophen, die er noch im Sinne hat, die entferutere wie die nähere, sthon vorläufig zu schaueu End. 1. Und Jesus ging sunmittelbar nach dem in Joh. 12, 20—36 berichteten Vorfall] hinweg von dem Tempel sum denselben nun nicht wieder zu betreten Kap 23, 39J, und seine Junger traten zu ihm snoch bevor er den äußeren Vorhof völlig oerlassen], daß sie ihn: zeigeten des Tempels Gebäu sdie sämmtlichen Baulichkeiten des Tempelplatzes s. die Abbildung zu Kap. 4, 7., und einer unter ihnen, der das Wort führte, sprach: Meister, siehe, welche Steine und welch ein Bau ist das Mark. 13,1 und wie mit Kleinodien geschmückt Luk. 21, 5]. Z. Jesus aber sihre Meinung dabei wohl ver- stehend] sprach zu ihnen: Sehet ihr nicht das alles sist nicht alle die Pracht, die eure siaunende Ver- wunderung erregt, wirklich vorhanden, so daß ihr euch in mein Wort Kap. 23, 38 nicht zu sinden wish? Wahrlich, ich sage euch, es wird hie san diesem ganzen Gebäu] nicht ein Stein auf dem andern bleiben, der nicht zerbroihen saus seinem Gefitge herausgerissen und als bloßes Werkstück hin- geworfen] werde. Es unterlie t kaum einem Zweifel, daß, die ernste Weissagun : »Sieh, euer Haus soll euch wttste gelassen werden«« i nen im Gemitthe haftete und daß sie näheren Aufschluß tiber sie und insbesondere darüber wünschten, ob denn auch dasherrliche Tempelgebände (Schlnßbem. zum I. Macrabiierh Nr. 11, d) in jener (der Stadt) vorausgesagten Verwüstung mit eingeschlossen sein werde; es schien ihnen unmöglich, daß ein solcher Bau von Gott der Zerstörung preisgegeben werden sollte. Da sie aber sich scheuten, den zarten und slir sie heiligen Gegenstand mit einer imverhtlllten Fra e zu berühren, so suchen sie durch den bewunderuden Hinweis auf die Pracht und Festigieit des Tempelbaues en HErrn dahin zu bringen, daß er ttber diesen Punkt sich ausspreche. (v. Burgen) 343 Sehen wir die Herrlichkeit des festen und geschmitckten Baues in Staaten und Kirchen vor Augen, laßt uns des erftilltetr Wort-es Jesu gedenken zum Präservativ (Ver- wahruugsmitteh egen jedes falsche Staunen und An- hangeiy jedes Kat olischwerden um der irdischen Macht und errlichkeit willen (Offenb. 18); laßt uns den ganzen Welt au betrachten im Lichte dieses auch ihm (2. Petri 3, 10 s) zuvor Gesagten: nicht ein Stein auf dem andern! (Stier.) Z. Und als er [nach dem Herausgehen auch aus der Stadt und nach Ueberschreitung des Kidron] aus dem Oelberge saß [noch am diesseitigen Abhang desselben, dem Tempel gerade gegenüber, s. die Ab- bildung zu Kuh. 21, 11 auf S. 309], traten zu ihm seine Junger sdie in V. 1 f. aus Rücksicht auf das umstehende Voll die Verhandlung nicht hatten weiter führen wollen, jetzt aber solche Rück: ficht nicht mehr zu nehmen brauchten] besonders sund zwar waren es Petrus, Jakobus I., Johannes und Andreas, welche den Gegenstand der Unterrednng wieder aufnahmen], und sprachen: Sage uns, wann wird das swas du vorhin gesagt: ,,es wird hie nicht ein Stein aus dem andern bleiben, der nicht zerbrochen werde«] geschehen? und welches tvird das [vorbedeutende] Zeichen ssowohl dieser Zerstörung des Tempels selber] sein sals auch] deiner sunmit- telbar damit in Verbindung stehenden] Zukunft szur Anfrichtung deines Reiches in Herrlichkeit Apostg I, S] und szngleich] der Welt Ende sdes Endes der Welt oder der Aufhebung desgegeuwärtigen Weltlaufsjit Es sind drei Fragen den Worten nach, aber Eine ihrer Meinung nach; denn die Jttnger haben nicht etwa die Zerstörung Jerusalems, die Wiederkunft Christi und das Ende der Welt als drei zeitlich auseinanderliegende Thatsachen unterschieden, wie wir es wohl können und thun, sondern ihnen fallen diese drei zusammen als die drei Akte des Einen großen Gerichtsdranias am Ende der Dinge. Denn so sah es nach dem alten Testaniente aus: in vielen Weissagungen, besonders merkwürdig in Such. 14, verktiudigten die Propheten des A. T. das Gericht tiber Jerusalem, mit welchem aber die herrliche nnd machtvolle Offenbarung Jehovcus zur schließlichen Errettung seiner Treuen und zum endlichen Gericht über die gottfeindliche Welt verbunden sein werde. So dachten fich’s die Jtingey und in diesen( Sinne fragten sie: ,,wann wird das geschehen?« nämlich das von dir verkündigte Gericht über Israel und Jerusalem, die von den Propheten geweisfagte äußerste Bedrängniß des er- wählten Volks, »und welches ist das Zeichen deiner Zu- kunft«, woran man dein Kommen wahrnimmtli Denn an jene äußerste Bedrängniß soll ja sofort der Tag Jehova’s, wie es atttestanieutlich heißt, d. i. neutesta- inentlich die Offenbarung Christi, sich anschließen; mit . ihr aber kommt auch der Abschluß des ganzen gegen« wärtigen Geschichtsverlaufs, »das Ende der Wein« her- bei efiihrt durch die Offenbarung der Macht Jehova’s, wesjche auf die Zeit der Gnade fol en soll. Jn diesem Sinne autroortet nun auch der H rrx er trennt nicht äußerlich die verschiedenen Städte, daß er zuerst von dem Einen und dann etwa von einem Andern redete, sondern er nimmt sie immer zusammen, so daß er immer von dem Ganzen zumal spricht, ohne die einzelnen Akte des Endes so auseinander zu halten, tote es etwa ein Geschichtsschreiber thun würde. Denn das ist die Weise der bibltschen Prophetie, wie sie auch der HErr beob- 344 Evangelium Matthäi 24, 4—-13. achtet, immer das eine nnd ganze Ende zu weissagen und alles Andere und Borhergehende nur insoweit in die Weissagnng mit auszunehmen, als es im Zusammen- hange damit steht und als ein Moment desselben er- scheint. Mag es zeitlich noch so weit davon getrennt sein —- wie es sachlich damit zusammengehörh darauf kommt es an. Diese Weise der biblischen Weissagung hat einen guten praktischen Grund; denn sie soll nicht Wahrsagung sein, welche der Neugierde oder auch Wiß- begierde der Menschen ein Genüge thun will, sondern dem Heilsftand der Kinder Gottes soll sie dienen, diesen zu sichern gegen die Gefahren, die ihm vom Feinde Gottes und seiner Gläubigen von außen und innen drohen. Deswegen hat sie es nicht zu thun mit ein- zelnen Ereignisfen der Geschichte, sondern mit jenem einen schließlichen Ausgang derselben, welcher eben so voll dro enden Ernstes wie ftärkenden Trostes ist. (Luthardt. Was sich in dieser Weissagung Christi ans das Gericht über Jerusalem und was sich auf das Ende bezieht, fließt beides durch einander: das Erstere ist der vorbildliche Vordergrund, das Letztere der Hintergrund, der den eigentlichen Ge enstand der ganzen Weisfagutig bildet; an dem Vorbil des Ausgangs, den es mit Jerusalem nehmen wird, schaut und zeigt der HErr das schließliche Ende, dergestalt, daß die Züge dessen, was am Ende geschieht, über die Beziehung auf das Geschick der Stadt übergreifen und durch sie an jedem Punkte hindurchlenchtem (Thomasius.) Die Jlinger haben in unbestimmter Zusammenfassung ein Zeichen begehrt: der HErr giebt ihnen für’s Erste mancherlei Vorzei en, bis dann in V. 30 das eine letzte Zeichen fiir das chi- bare Kommen des Menschensohns (analog mit V. 15 für die vorliiusige, noch nicht persönliche Gerichtszukunfy hervortritt. Jn V. 4— 15 haben wir also die Vorzeichen der herannahenden Zerstörung Jerusalems, aber mit so stark gewählten Far en, daß diese erste Periode sogleich nur als ein Typus der späteren erscheint. Fortschreitend vom Allgemeinsien zum Eoncretesten diejenigen Vor- zeichen, welche, wie dem Ende der Welt, so eben darum auch dem Ende des jitdischen Volks vorangehen müssen und werden: in dem zerfallenen wüsten und wirren Israel, das jetzt auch schon ein Draußen geworden, salsche Christi oder Erlöserz in demselben und der Hei- denwelt umher steigende Kriegsnöthe mit begleitenden Wehen der Natur; dann sogar in der eigentlichen Ge- meinde Gottes, der als zu rettender Kern vorhandenen, Aergerniß an der Verfolgung und Abfall, sowie ebensalls falsche Propheten; dennoch bei dem allen fortgesetzte Predigt des Evangeliums in alle Welt; hierauf das unmittelbarste, nächste Zeichen des kommenden Endes nach Daniel. (Stier.) 4. Jesus aber sstatt aus ihre Frage nach dem Wann ihnen Bescheid zu geben] antwortete [ihnen mit der Weisung, iiber sich selbst zu wachen, damit sie gerettet würden, wenn er nun wirklich käme] nnd sprach zu ihnen: Sehet zu [und bleibet nach meinem Hingang fortwährend auf eurer Hut] daß euch nicht jemand [mit falscher Lehre und Weissa- gnug] verfuhre; Z. Denn es werden svornehmlich in der letzten Zeit, die meiner Zukunft und der Welt Ende vor- hergeht, theilweis aber auch schon in der dem Ge- richt über Jerusalem vorangehenden Zeit] viele kommen unter meinem Namen [eigentlich: auf Grund meines Namens, so daß ihr Auftreten auf meinem Namen, d. i. aus dem Messias- namen, den sie sich beilegen, beruht Kur. 18, 5]; nnd werden viele verführen sdaß sie ihrem Vor: geben Glauben schenken und sich auf ihre Seite schlagen]. · Die natürliche nächste Strafe Jsraels ftir Verwer- fung des wahren Christus war das Preisgeben an lügen- haste Retter und Befreier, wie schon in Joh. 5, 43 zu- vor gesagt war; in jeder Zeit des Verderbens und der darum einbrechenden Drangsal wiederholt sich dies Symptom ltigenhaster Tröstungen und Verheißungety her auch chon um die Zeit des babylvnifchen Exils die falschen Propheten sich hausten. (Stier·) Geschichtlich ist der Austritt falscher Messiasse vor der Zerstörung Jerusalems nicht nachzuweisen; denn Simon der Ma- gier, Theudas, der Egypter (Apostg.8,9; 5, 365 21, its) und andere Schwlirmer oder Goöten spielten nur die Rolle von Propheten, die dem Messias vorangehen. (Meyer.) Seit den Zeiten Christi da egen zählt man über 50 Mejsiasse unter den Juden. ( lshansen.) Jn- desfen sind doch alle die schon dem Wesen nach falsche Messiasse, welche die Stelle, die Christo im Reiche Gottes gebührt, einnehmen wollten, also auch die Schwärmen welche vor der Zerstörung Jerusalems als Volksstihrer austraten. (P. Lange) Wie die folgende Weisfagung weit iiber den Zeitpunkt der damals nächsten Zerstörung Jerusalems hinausreicht, so auch das Gewicht und die Anwendbarkeit der ihr voransgeschickten War- nung. (v. Burgen) 6. Jht werdet [aber, um nach dieser vor- läusigen Warnung mich jetzt zu eurer Frage nach den Vorzeichen zu wenden] hören Kriege kin der unmittelbaren Nähe, so daß ihr deren Geräusch und Getümmel selbst vernehmet] nnd Geschrei von Kriegen [in der Ferne, von denen nur das Gerücht zu euren Ohren drängtjz sehet zu nnd ekschreciet nicht [wie ihr nach der Seite der falschen Messiasse hin auf eurer Hut sein miisset, daß ihr ench nicht verlocken lasset, so nun nach dieser Seite hin, daß ihr euch nicht fürchtet, sondern besonnen und getrost bleibt]. Das muß zum ersten [bevor Wei- teres erfolgen kann, was zum Heile aUsschlägtJ alles geschehen; aber es ist noch nicht das Ende da [sondern es kommen noch andere Drangsale, zu deren Ueberstehen es gar sehr der Fassung der Seele und zuwartender Haltung in klarer Erkenntniß des göttlichen Rathschlusses bedarf] 7. Denn es wird sich [in immer höherer Steigerung« der kriegerischen AUsbriIcheJ empören smit aus Umsturz der bestehenden Verhältnisse ge- richteter Gewaltthat erheben] ein Volk über das andere nnd ein Königreich über das andere [Jes. 19, 2J- nnd werden sein [die erschütternden Be- wegungen in der Völkerwelt auch mit dergleichen in der Naturwelt begleitend] Pestilenz nnd thenre Zeit und Erdbeben hin und wieder sindem ein Ort nach dem andern davon heimgesucht wird]. 8. Da wird sich alleterst die Noth anheben ses werden alle die genannten zwar schon große Plagen sein, aber die größte Noth, aus welcher] schließlich das Heil hervorgeht, wird nun erst an- gehen]. . Weissagung von der Zerstörung Jerusalems. 348 Dies ist eine mit prophetischen Farben gemalte Dar- stellung der immer steigenden kriegerischen Ausbrüche, welche in der langen Gährung vor dem letzten Drama des jltdischen Kriegs der Zerstörung Jerusalems voran- gingen, sowie der Naturcalamitätem von denen sie be- gleitet waren. So hat die Prophetie im Allgemeinen ihre völlige Bewährung in der besonders aus Josephus bekannten Geschichte; aber für die Einzelzilge dieser prophetischen Schauung und Darstellung sind gemäß der Natur der ächten Prophetie wörtlich entsprechende Ge- schichtserfiillungen in concreto speziell weder vorauszu- sehen noch nachzuweisen. (Meyer.) Krieg in der Nähe berührend, schreckende Nachrichten von Krieg, Unruhen und Aufftände der Völker wider einander: das ist im Kleinen schon das mit jedem Jahr näher zutreffende Gemälde der Zeit, welche der jüdische Geschichtsschreiber uns beschreibt; sogar an Schrecknissen und Zeichen vom Himmel (Luk. 21, 11) fehlt es nicht vor Jerusalems ersiörung, des Josephus Bericht von dergleichen ( . Jud. VI, 5, 3: ein über der Stadt schwebender Komet I Jahr lang; ein Licht in der Nacht um Altar und Tempel, eine Opferkuh, die im Tempel ein Junges wirft, beides zur O erzeit; Oeffnung eines festen Tempel- thores von selbst; agen und Belagerungsheere in den Wolken; die nächtliche Stimme im Tempebals einer großen Menge: lasset uns von hinnen gehen! um Pfingstem endlich jenes von einem Landmann 4 Jahr vor Ausbruch des Kriegs erhobene und dann über 7 Jahr fortgesetzte Wehe über Jerusalem — vgl. Tanz. hist. V, IS) erlangen durch Christi Wort eine nicht zu verachtende Glaubwtirdigkeit Doch das sind alles nur Vorzeichen, sagt der HErr, das alles ist noch nicht das Ende, dasletzte und eigentliche, weil ja Jerusalems Ende selbst nur ein Vorzeichen des Endes der Welt; das alles wird noch einmal in der letzten Zeit ganz anders kommen, man vergl. besonders die merkwürdig entsprechende Weissa ung Asarja, des Sohnes Oded, an König Assa in Z. C ron. 15, 5——7., welche sichtlich in weite Zukunft hinausreicht. (Stier.) Nicht als Vor- zeichen der Wiederkunft des HErrn soll es angesehen werden, wenn man von Kriegen und Kriegsgeschrei hören wird: solche Strafgerichte Gottes haben von jeher Völker gezttchtigy ohne daß hiermit schon das Ende ge- kommen wäre. Aber wenn dermaleinst die Kriegsgeißel nicht mehr blos einzelne Länder, sondern die ganze Welt durchziehtz wenn eine allgemeine Unsicherheitz eine Auf- lösung des gesammten isherigen Staatensystems ein- tritt und mit einer derartigen Zerrlittung die drei an- dern uchtruthen Gottes: Seuchen, Hungersnoth und Erdbe en sich verbinden, so ist das allerdings ein Vor- zeichen, es ist der Anfang jener Geburt-wehen, aus denen eine neue Ordnung sich hervorringt. Als ehemals in dem ersten Nachtgesichy welches Sacharja (1,11) sahe, der HErr seine Engel ausseiidete, um den gegen- wärtigen Stand der Dinge auf Erden zu erforschen, da brachten sie die Botschaft znrtick: -wir sind durch das Land gezogen, und siehe, alle Länder sitzen stillel Aber einst will Gott, wie er durch den Mund Haggaks (2, 22 f.) verkllndigt, Himmel und Erde bewegen, will die Sttthle der Königreiche umkehren und die mächtigen Königreiche der Heiden vertilgen, will beides, Wagen mit ihren Neitern umkehren, daß Roß und Mann fallen sollen, ein jeglicher durch des Andern Schwern Da wird denn verändert das Bewegliche, auf daß da bleibe das unbewegliche und die Gemeinde Jesu Christi empfange ihr unbewegliche-s Reich (Hebr. 1’ , 27 f.). Diese schreck- lichen Zerrtlttiin en, welche das Wesen der Welt aufzu- löfen besnieiis nd ein letzter gewaltiger Bußruf an sie, ob sie sieh noch bekehren möchte, ehe da komme der große nnd erschreckliche Tag des HErrnx sie aber will fich nicht bekehren und bezeugt es damit, daß sie zu eben der Zeit, wo sie in blutigen Kriegen sich selber zerfleischy ihre Hand kehrt wider die Gemeinde Jesu. (Koch.) 9. Alsdann swenn das Gesagte eintritt, doch zum Theil noch vor demselben Luk. 21, 121 wer-· den sie findem nun sich ersüllt, wasich in Kap. 10, 17 ff. euch schon angekündigt habe] euch über- antworten in Trübsal und werden euch tödten [Apostg. 12, 1 ff; 21, 27 ff.]. Und ihr müsset fgleichwie es euerm Meister geschehen, den man auch überantwortet den Heiden, zu verspotten und zu geißeln und zu kreuzigen Kav.20, 19] gehasset werden um meines Namens willen von allen sin der römischen Weltmacht vertretenen] Völkern lso daß auch das in Kap. 10, 22 Verkündigte eintritt]. 10. Dann [wenn nun über die Christen in Jerusalem und Judäa überhaupt der Haß und die Verfolgung von Seiten der ungläubig gebliebenen Juden zu völligem Durchbruch kommt Hebt 10, 32 f.; 12- 4; 13, 7] werden stch viele ärgern [daß sie der Gefahr sich durch »Verleugnung zu entziehen suchen Hebt. 10, 25] und werden sum von ihnen selbst die Blicke der Verfolger ab- und auf Andere hinzurichtetq sieh unter einander ver- rathen Und [wohl selbst zur Verfolgung mithelfend] sich unter einander hassen [Matth. 10, 35,f., was namentlich im Zeitalter des Antichrists vielfach vor- kommen wird Offenb. 13, 3 ff.]. 1l. Und es werden sschon beim Herannahen der jüdifchen Katastrophe Hebt 13, 9., besonders aber in der antichristischen Zeit Offenb 13, 11ff.; 2. Thess. 2, 9 ff] sich viel falscher Propheten [innerhalb der Gemeinde selber] erheben und wer- den [mit ihren fremden oder gar teuflischen Lehren] viele verführen. 12. Und dieweil die Ungerechtigkeit [tn dem zucht- und gesetzlosen Wesen des ZeitgeistesJ wird überhand nehmen, wird die Liebe fdie man vordem zu seinem HErrn und Heiland bewiesen Hebt 6,10] in vielen erkalten [Hebr. 10, 24; 13, 16 und auch in der Gemeinde eine gewisse Zucht: und Gesetzlosigkeit einreißen hehr. 12, 16; 13, 4 f. u. 17 13. Wer aber beharret kim Glauben den falschen Lehren, und in der Liebe der Zuchtlosigkeit gegenüber beständig bleibt Hebt. Z, 14; 10, 22 f.; Offenb. II, 105 14, 121 bis an’s Ende fwo nun die Zeit der Erquickung Apostg B, 20 eintritt], der wird selig fwörtlichx errettet werden Kuh. 10, 22; Offenb. 7, 9 ff.]. Die in immer zunehmendem Maße sich berpestende geistige Atmosphäre, von der die Gemeinde rings um- geben ist, das Ueberhandnehmen der Gesetzlosigkeih des znchtlosen, ungebundenen Wesens wird auch auf sie einen lähmenden, betäubenden Einfluß ausüben. Da thut denn noth die Gnadengabe der Standhastigkeitz des Beharrens bis an’s Ende. (Koch.) Dies ,,Ende« blickt freilich schoic. auf das letzte Ende, welches in B. 14 noch bestimmter erfaßt wird,- voraus, meint aber für’s Erste das Ende 346 Evangelium Matthäi 24, 14——20. der großen Trübsal Jerusalems (V. 21 f.) für die bis dahin Erhaltenen; bei der Zerstörung der Stadt kam, soviellioir wissen, kein Christ um. (Stier. der Zeit zwischen meiner Auffahrt zum Himmel und meiner unsichtbaren Wiederkunft zum Gericht über Jerusalem, so noch in viel weiterem Umfange bis zu meiner sichtbaren Wiederkunft zum letzten Gericht] geprediget werden das Evangelium vom Reich fgenaueiw dies Evangelium, von dem auch diese meine Weissagungsrede ein Stück und dazu bestimmt ist, überall bekannt zu werden] in der ganzen Welt [Kap-»26- 13; 28, 19] zu einem Zeugnis uber alle Voller sdamii alle dasselbe ver- nommen haben, bevor die Entscheidung gefchiehet, mögen sie es nun annehmen oder nicht Hes 2, 5]; und dann [weil nunmehr alle Vorbedingungen dazu erfüllt sind] wird das Ende [der Welt V. 3] kom- men [gleichwie das Ende Jerusalems auch zu einer Zeit eintritt, wo diese Bedingung in dem entspre- chenden Maß sich verwirklicht hat Röm. 10, 18]. Gewissermaßen haben schon im apostolischen Zeitalter, sogar ehe das Ende über Jerusalem kam, alle Heiden im damaligen Weltreich das Zeugnis; des Evangeliums vernommen; so haben’s die Apostel selbst angeschaut, daß durch die Predigt vor dem Kaiser alle Heiden höreten (2. Tim. 4, 17) und das Evangelium in alle Welt, zu aller Kreatur unter dem Himmel gekommen sei (Col. 1, G. 23). Doch zeigt uns das Vorbild im Kleinen, wie auch für die letzte Zukunft nicht etwa die allgemeine Bekehrung aller Völker, sondern nur ein analoges Predigen zum Zeugnis» daß überall die Bot- schaft vernommen wird, zu erwarten ist; ja, dieser Aus- druck steht sogar sonst ewöhnlich, wo das Zeugniß nicht angenommen wird. enn die zwei verbundenen Vor- zeicheu in ihrem wunderbar widersprechendem Zusam- mentreffen am völligsten vorhanden sind —- Verfall der Christenheit und Ausbreitung der Mission — dann kommt das Ende. (Stier.) Evangelium am 25. Sonntage nach Crinitatish Die selige Hoffnung auf die Auferstehung (vgl. die Eint zum Er. am 24. Sonnt. n. Dr. Kap. 9, 18 ff.) wird erfüllt, wenn der HErr wiederkommt; von seiner herrlichen Wiederkunft und von den Zeichen, welche der- selben vorangehen, handelt denn das Evangelium dieses Sonntags. Ein Christ soll auf alle Zeichen der Zeit achten nnd sich alle Tage durch den heil. Geist bereiten und rüsten lassen auf den Tag der herrlichen Erscheinung Jefu Christi. (Diesfenbach.) Dies Evang. handelt un- verkennbar von dem Gericht über Jerusalem; wie es Jesus vorhergesagt hat, so ist es ersüllt worden, mit der Erfüllung dieser Weissagung aber ist die aller übrigen verbürgt, und somit ist dieselbe für alle Zeiten wichtig. Doch noch »in einer andern Beziehung hat das Evangel. seine sortgehende·Bedeii·i1ing: Jerusaletms Zerstijs rnng ist auch ein Bild unsrer eigenen Zersto- rung im Tode, und da haben ivir denn zu lernen I) inwiefern beides sich entspricht, und 2) was wir zu thun haben, um mitten in solchem Untergange unser eigentliches Selbst zu retten siir die Ewigkeit. (Fr.Arndt.) Handelt es sich aber um der Welt Ende, für welches Jerusalenks Ende der Vordergrund und das Vorbild ist, so fragt es sich: Um was åollen ivir beten in der letzten Zeit? l) nm he e Augen, L) um flüchtige Füße, Z) um starke Herzen. (Nebe.) ) Und es wird sgleichwie schon während 15. Wenn ihr nun sum euch über das ,,Wann«, nach dem ihr gefragt habt V. Z, einigen Aufschluß zu geben, soweit es zu eurer Rettung V. 13 noththuij sehen werdet den Greuel der Verwüstung sden die schiießiiche Verwüstung des Heiligthums herbeiführenden GreuelL davon ge- sagt ist durch den Propheten— Daniel sin Kap. I, 27 vgl. 11, 31 u. 12, 11] daß er stehet an der heiligen Stätte soder wie es dort heißt: ,,bei den Flügeln-«, vgl. Apostg 6, 13; 21, 28 u. Mark. 13,14] — wer das lieset, der merke darauf [und mache sich den darin liegenden Fingerzeig zu Nase, daß er sich nicht durch die falschen Hoffnungen der Andern betrügen la « e . 16. Alsdann fliehe aus die Berge« [1. Mos 19, 17; l. Mute. 2, 28], wer im jiidischen Lande ist [denn das Gericht, welches die Verwüstung der heil. Stätte bringt, wird zu- ersi furchtbar über das Flachland sich ergießen, ehe es Jerusalem selber erreicht]; . 17. Uud wer [in dem Augenblicke, wo er die Nachricht von dem Greuel der Verwüstung, der nun an heiliger Stätte sich fesigefetzt habe, empfängt, gerade] auf dem [f·lachen] Dach sfeines Hauses] ist, der stetge nicht [die nach innen führende Treppe] hernieder, etwas aus seinem Hause kzur Mitnahme auf die Flucht] zu holen lsondein eige die nach außen führende Treppe hernieder oder schreite über die Dächer andrer Häuser hin- weg Kap. J, 2., um so schnell als möglich das v Weite zu gewinnen], · 18. Und wer setwa gerade] auf dem Felde sim Arbeitskleides ist, der kehre nicht szuvor nach Hause] um, seine [besseren] Kleider zu holen [sondern wie er geht und steht, mache er sich auf und davon; denn das sind die Tage der Rache, daß erfüllet werde alles, was geschrieben ist Lin. 21, 20——22; 17, 30 fs.]. 19. »Wehe aber den Schwangeru und Såugern [die beide nicht rasch genug von der Stelle kommen können] zu der Zeit [wo es gilt, ganz unbeschwert und ohne Aufenthalt sich in Sicher- heit zu bringen] 20. Billet aber [den, der es in seiner Ge- walt hat, die Zeit einzurichten, wie es für das leibliche Fortkommen am bequemslen und für ängst- liche Gewissen am unverfänglichsten ist], daß eure Flucht nicht gefchehe im Winter [wo der Regen von oben und die aufgeweichten Wege von unten ein schweres Hinderniß sind], oder am Sabbath [wo nach Bestimmung der Gesetzeslehrer niemand weiter als 2000 Ellen von der Grenze seines Wohnorts sich entfernen soll 2.Mos. IS, 29 Anm.]. Nach dem Laubhüttenfest des J. 66 n. Ehr. ritckte der syrische Statthalter Cestius Gallus bereits auf Jeru- salem los, tischerte die Neustadt Bezetha ein und begann Der Christ soll auf die Zeichen der Zeit achten. 347 die Juden, die sich auf den Tempelberg zurückgezogen hatten, dort zu belagern; schon war er nahe daran, denselben von der Nordseite her mit Sturm zu gewin- nen, als er plötzlich das Unternehmen wieder aufgab, auf dem Rückzuge bis Bethoron großen Schaden durch die Aufständischen erlitt, vollends aber in jenen Eng- pässen (Jof. 10, 10 Anm.) einen großen Theil feines Heeres einbüßte und mit genauer Noth sich nach Anti- patris rettete. Dies Ereigniß ist ohne Zweifel der Wendepunkt in der Geschichte des letzten jüdischeu Kriegs, auf welchen Christi Weissagung hier geht; der Greuel der Verwüstung war damit, daß die jüdischen Zeloten den Krieg mit seinen Greueln nach dem Heiligthnm hin- ge tacht, um dort für die ganze Folgezeit bis zur schlteßlichen Zerstörung sein entsetzliches Unwesen zu treiben. So lange noch der Tempel, der Wohnsitz Gottes unter seinem Volk, unergriffen von dem Greuel der Verwüstung und unentweiht dasteht — so ist die Meinung des HErrn —, ist die Stunde zu allgemeiner Bergslucht noch nichtCgekommem denn das Heiligthum des Landes mit der egenwart Gottes bindet noch das Gottesvolh unzerstreut zu bleiben und auszuharren an seinen Wohnsitzen im Lande; ist aber erst die heil. Tem- pelstätte durch den Greuel der Verwüstung entweihet, so ist damit das Signal gegeben aus dem Lande zu fliehen, aus welchem Gott selbst, weil fein Heiligthum geschändet ist, als gewichen erscheinen muß. »Die Erkenntnis» dieser Wahrheit findet sich auch bei Josephus, welcher in Be- ziehung anf die, von Cestius unerklärlicher Weise wie- der aufgegebene Belagerung bemerkt: »hätte derselbe nur noch eine kleine Weile den Sturm fortgesetzt, so wäre die Stadt in seinen Händen gewesen; allein ich glaube, Gott hatte sich um jener Schlechten willen be- reits vom Heiligthum abgewendet und ließ darum den Krieg nicht schon jetzt zu Ende kommen« Und so gab es selbst viele unter den bessergesinnten Juden, welche nach der Niederlage der Römer die Hauptstadt verließen, ,,wie man aus einem untersinkenden Schiffe sich durch Schwimmen zu retten sucht.« Obwohl in Luk. 21, 20 steht: »Wenn ihr aber sehen werdet Jerusalem belagert mit einem Heer, so merket, daß herbeigekomnien ist ihre Verwüstung,« so hat man doch nicht, wie die meisten Ausleger wollen, bei dem ,,Greuel der Verwüstung« an un rer Stelle und in Mark. 13, 14 an das römische Kriegsheer mit seinen Feldzeichen zu denken, sondern, wie vorhin angedeutet, an die von den aufrührerischen Juden selbst ausgegangene Entweihung der heil. Stätte; bei Lukas ist mit Rücksicht auf den, für welchen das Evangelium zunächst bestimmt war (Luk. J, 3), die Ve- ziehung auf die Danieüsche Weissagung fallen gelassen, und konnte da der Zeitpunkt für die Flucht nur noch nach einem äußerlich in die Augen fallenden Umstande bezeichnet werden. Wie kommt es aber, so müssen wir fragen, daß der HErr die Aufforderung zur Flucht für die Seinen so stellt, als wäre ihnen dazu nur ein ein- Euer, bestimmter Tag gelassen? den sollten sie für den ag des Heils erkennen, durch nichts sich abhalten lassen, ihn ungesäumt zu ergreifen, wie eine slüchtige Bevölkerung, die vom Feinde gejagt wird und in der die Schwangern und Säugenden mit Andern, welche nicht schnell genug laufen können, gar übel daran sind, ihren Ausmarsch vollziehen und, um es zu können, Gott bitten, daß er die Jahreszeit und den Tag dar- nach einrichte. Geschichtlich scheint das nicht zutreffend; denn nach jener Niederlage des Eestius Gallus trat für 2—3 Monate eine Kriegspause ein, die Juden waren für diese ganze Zeit von der römischen Oberherrschaft frei und von ihnen selber verließen bald diese, bald jene, welche von dem Siegesjubel sich nicht berauschen ließen, ans gezogen hatten, nun wirklich an die heil. Stätte« sondern erkannten, was später kommen müßte, also in verschiedenen Abtheilungen und an verschiedenen Tagen das Land. Wie kommt’s denn da, daß Christus den Seinen nicht dasselbe gestattet, sie vielmehr auf einen einzigen entscheidenden Augenblick beschränkt, der nicht einmal zuläßt, daß man sich mit der nöthigen Kleidung und sonstigem Reisegepäck versehe? Ohne Zweifel hat er auch hier seine Rede so eingerichtet, daß zugleich eine Flucht in der letzten Zeit dabei in’s Auge gefaßt ist; wir finden die Stelle dafür in Offenb. 12, 13 ff., jedoch nach derjenigen Auslegung, wie wir sie seiner Zeit geben werden. Es ist das zum Heiland nun endlich ekehrte und in das Land seiner Väter zurückkehrende Israel, um welche es dort sich handelt, und das zu- sammenbrechende Jerusalem, aus welchem dasselbe flüchtet, ist die große Stadt, die da heißt geistlich die Sodoma und Eghpten, da unser HErr gekreuzigt ist (Offenb. 11, 8), die von Christo nun völlig abtrünnig gewordene bisherige Christenheit; dem Weibe werden da zwei Flügel gegeben wie eines großen Adlers, daß sie in die Wüste fliehe an ihrem Ort und daselbst er- nähret werde eine Zeit und zwei Zeiten und eine halbe Zeit vor dem An esicht der Schlange, und die Schlange wird aus ihrem unde schießen ein Wasser, wie ein Strom, daß er sie ersäufe, es gilt also, die Flncht in größter Schnelligkeit zn vollziehen. Nur noch 25 Jahre von jetzt ab Geduld, so lagen wir auf Grund der zu Jer. 29, 14; 30, 17 u. 31, 37 gegebenen Berechnung, nnd die geschichtlichen Thatsachen werden die Meinung des HErrn zu völliger Klarheit erheben! Jndessen muß seine Rede doch auch ihre bestimmte Beziehung haben auf die Flucht der judenchristlichen Gemeinde aus dem Jerusalem des J. 66 n. Chr. Ofsenbar will er, daß die Gemeinde da zusammenhalte, als wäre sie eine einzige Familie, und bestimmt von den ebenfalls slüchs tenden Juden sich unterscheide, daß ihr Abzug an einem einzelnen bestimmten Tage mit Zurücklassung aller Ver- bindungen und ohne allen Aufenthalt, ohne Rücksicht auf irgend welche Bequemlichkeit erfolge, und daß dieser Abzug dem nun sich selbst überlassenen Jsrael als eine äußere Versichtbarung jener zu Pfingsten gehörten Stimme: ,,Lasset uns von hinnen ziehenl« die nach Tacitus (s. zu V. 8) von einem furchtbaren Geräusch Wegziehender begleitet war, sich darstelle; indem er aber die Bitte zur Pflicht macht, daß die Flucht nicht geschehe am Sabbath, nimmt er einerseits auf den, von jüdischen Sabbathscrupeln noch nicht frei gewordenen Gewissensstand vieler in der Gemeinde Rücksichtz welcher ausdrücklich geschont werden solle (vgl. Kap. 23, 3), charakterisirt aber auch andrerseits seine Gemeinde als die, welche vom Judenthum ausgeht, nicht vermöge einer Auflösung, sondern Kraft der Erfüllung von Gesetz und Propheten (Kap. 5, 17 ff.), während die im Ju- denthum zurückgebliebenen Aufständischen im Gegentheil über alle Sabbathsscrupel sich hinwegsetzten und z. V. » ihren Angriff auf Cestius gerade an demjenigen Sabbath gemacht hatten, der sonst so hoch gefeiert ward: Joh. 7, 37 sdieselbe Wuth, welche sie über die Grenzen der Ehrfurcht vor dem Heiligen hinaustrieb , schreibt Jose- phus b. Jud. II, II, 2., ließ sie auch die Schlacht ge- winnen). Was der HErr damit andeutet, daß er spricht: ,,bittet, daß eure Flucht nicht geschehe im Winters· fin- det seine Bestätigung durch die nachmalige Geschichte. Es war bereits Oktober, als Cestius die oben erwähnte Niederlage erlitt; sein Abzug von Jerusalem war der rechte Zeitpunkt für die Gemeinde, denn sie hatte nun Jerusalem belagert gesehen mit einem Heer (nach Luk.) und hatte den Greuel der Verwüftunlg gesehen an heil. Stätte (nach Matth. und Mark.). A er nun sollte sie auch die Kriegspaufq die nach der Niederlage der Römer 348 Evangelium Matthäi 24, 21—28. in Bethoron eintrat und von den Juden für den An- bruch einer neuen Aera, fttr das Anzeichen des Auf- schwungs und der Wiedererhebu ihrer Nation ange- sehen wurde, im Gegentheil als eine ihr geschenkte ganz kurze Guadensrist betrachten und nicht einmal die Negenzeit des Winters herankommen lassen, sondern ihre Flucht sofort bewerkstelligenz im Hintergrunde steht dabei dem HErru schon vor Augen, daß um diese Zeit bereits der zur Fortführung des Krieges ernannt sein würde, der in Bau. 9 , 26 als Flirst erscheint und mit seinem Volk schon kommen wird, um Christo, dem Fürsten (Dan. 9, 25), als Werkzeug bei Ausführung seines Gerichts zu dienen. Indem wir den andern Theil der vorgeschriebenen Bitte ,,oder am Sabbath« noch einmal aufnehmen, glauben wir die Ansicht geltend machen zu dürfen, daß die Flucht der Gemeinde nach Pella, das, wenn man es im heutigen Tabakatkkuhil wieder erkennt (Kap. IZH Anm.), allerdings unter den 4 Wen« (V. 16) versianden werden kann (es liegt auf eine Htigelplateam das sieh etwa 600 Fuß über den Jordan erhebt), an einem Sonntag, und zwar an dem- selben geschehen ist, an welchem St. Johannes die Offenbarung empfing (Offb. 1, 10); es veranlaßt uns dazu die Analogie mit Des. 24, I s., welche gewiß im neuen Testament« nicht fehlen darf, und die gewisse Ueberzeugung, daß die 6 Siegel in Ofsb. 6 nichts Au- deres enthalten als FN Verlauf des jtidischen Kriegs von Ernennung des Vespasian zum Feldherrn an bts zur schließlichen Katastrophr. Freilich werden wir letz- teres an der betr. Stelle den gegentheiligen Auffassungen gegenüber näher begründen und anderwärts zugleich nach- weisen müssen, daß Johannes nicht erst unter Domitian, sondern schon unter Nero nach Patmos verbannt wor- den. Bei dem Wehe über die Schwangeren und Säu- genden, das im eigentlichen Sinne genommen mehr wie eine bloße Redefigur erscheint, um das »schuell, schnelll« recht eindrticklich zu machen und die große Gefahr für solche, welche in ihrem Laufe zurückbleiben , recht nahe zu legen, hat schon Hieronymus eine bildliche Beziehung vorgeschlagen auf diejenigen Seelen, welche ihre Sproß- linge noch nicht bis zum vollkommenen Manne (Ephes. 4, Isz gebracht, sondern nur erst die Anfänge des Glau ens haben; der Gedanke ist geistvoll, und in der That war die christliche Gemeinde zu Jerusalem erade in der letzten Zeit vor Ausbruch des jüdischen iegs eine solche, daß der Verfasser des Hebräerbriefs (5, 12) ihr schreiben muß: »die ihr solltet längst Meister sein, bedttrfet ihr wiederum, daß man euch die ersten Buchstaben der göttlichen Worte lehre und daß man euch Milch gebe und nicht starke Speise« Sie hing mit ungeheurer Zähigkeit an dem alttestamentlichen Bundesvolk und dem indischen Tempel mit seinem Cul- tus, und wurde es ihr da gewiß außerordentlich schwer, denselben für immer im Sttch zu lassen und nicht von falscher Liebe und Hoffnung an dem Ort des Verderbens festgehalten zu werden; erst diese Erwägung führt zu einem vollkommen befriedigenden Verständniß dieser ganzen Warnung und Ermahnung Christi, an der eine prophetischsshmbolische Färbung nicht zu verkennen ist. Wir haben bereits zu Kap. 19, 2 bemerkt, daß ver- muthlich der Evangelist Lukas es gewesen ist, der die Gemeinde zuerst innerlich mit der Epistel an die Hebräer über die ihr drohenden Gefahren erhob und dann auch äußerlich ihre Uebersiedelung nach Pella vermittelte. 21. Denn es wird alsdann swenn nun die Tage der Rache wirklich hereinbrechem denen ihr eben durch rechtzeitige und ungesäumte Flucht euch entziehen sollt] ein groß Trübsal [in Je- rusalem und im iüdischen Lande] sein, als [in solcher Größe] nicht gewesen ist von Anfang der Welt bisher, und als auch [wenigstens bis auf diejenige, die in jener ihr Vorbild hat und auf welche diese meine Worte in zweiter Gel- tung gehen: Offenb. 13, 7. 10. 15 sf.] nicht werden wird sauf Erden] 22. Und wo diese Tage sder auf die Länge nicht zu ertragenden Trübsal] nicht würden verkürzt [so daß ihre Dauer schon bestimmt be- messen wäre in Gottes RathschlußL so würde kein Mensch [unter dem vom göttlichen Zorn heimgesuchten Judenvolkj selig [weil alle bis aus den letzten Mann zu Grunde gehen würden und also eine Hoffnung für Israel, wie sie in Rom. II, 26 f. ausgesprochen ist, nun gegenstandslos wäre]·; aber um der Auserwählten willen [oder der 144,000 Versiegelten,- wie sie in Ossb. 7, 1 — 8; 14, 1—5 erscheinen als bestimmt, die einstige Zionsgemeinde zu bilden, und für welche in allen 12 Geschlechtern Jsraels ein Stamm zu- rückbleiben muß, aus welchem sie seinerzeit hervor- sprossen können] werden die Tage verkürzt [daß ihre Dauer nicht mehr beträgt als eine Zeit und etliche Zeit und eine halbe Zeit Dan. 7, 25 Anm.]. Von der Zerstörung Jerusalems an IV, Jahr rück- wärts gerechnet, würde die hier angeführte Zeitbestims mung uns in den Februar des J. 7 n. Chr. führen; um diese Zeit kam denn in der That Titus, der in Ofsenlx 6 als der erste Reiter mit drei andern im Ge- folge erscheint, in Ptolemais an (.Jos. b. Jud. III, 4. 2). Jn der Geschichte der Christenverfolgungen unter den römischeu Kaisern würde sich ebenfalls nachweisen lassen, daß die eigentliche Drangsal, weni stens an den einzel- nen Orten, wenn auch nicht im esammtumsange des Gebietes der Kirche, die von dem prophetischen Wort einmal festgestellte Zeit nicht überschritten habe; nnd so wird denn auch die Tyrannei des Antichrist, die wir sür das Ende des 20. Jahrh. erwarten (Jer. 31, 37 Anm.), nur W, Jahr = 42 Monate dauern (Offenb. , ; , ). Ju dieser letzten Zeit verliert das Ge- rettetwerden der Auserwählten den leiblichen Sinn des am Leben Bleibens vollständig; sie, die das Maalzeichen oder den Namen des Thieres oder die Zahl seines Namens nicht annehmen, werden sämmtlich ertödtet (Ossenb. 13, 15 sf.), aber erade das ist der Weg, daß sie nicht in das über den ntichrist und seinen Anhang ergehende Gericht (Osfenb. 19, 11 sf.) verwickelt werden. 23. So alsdann szur Zeit solcher Trübsal, wo begreiflich die Sehnsucht nach Erlösung am lebendigsten ist und darum auch große Neigung vorhanden, denen, welche ste zu bringen vorgeben, Gehör zu schenEenJ jemand sauf den oder jenen, den er selber für den gewünschten Heilsbringer und Heilsvollender hält, hinweisend] n euch wird sagen: Siehe, hie ist Chri us, oder da, so sollt ihr’s sdie ihr ja wisset, wer alletn euer Heilsbringer und Heilsvollender ist] nicht glauben ssondern meiner Warnung in Kap. 7, 15 ff. ein- gedenk bleiben, die nun so recht an ihrer Stelle ists. Warnung vor den falschen Messiassen. 349 24. Denn es werden sschon in der Zeit, um die es hier zunächst sich handelt, zur Zeit des Gerichts über Jerusalem, im ärgsten Sinne freilich erst am Ende der Zeiten Ofsenb. 16, 13 f.; 13, 11 ff.; 2. Thess S, 9 ff.] falsche Christi soder Messiasse V. s] zind falsche Propheten [die jenen den Weg bereiten wollenj aufstehen, Und [zur Beglaubigung ihrer vorgeblichen Sendung vom Himmel] große Zeichen und Wunder thuii, daß verfiihret werden in den Jrrthum [als sei wirklich der oder jener von den falschen Mefsiassen der ächte Heilsbringed —- wo es mög- lich wäre [denn Gott wird seinerseits durch ge- waltige Gegenzeugnisse den Eindruck jener Zeichen und Wunder an denen, die seinem Worte noch glauben, wirkungslos machen Offenb 13, 18 nnd ihre Seelen aus der Macht seiner Gnade bewahren zur Seligkeit Offenb. 14, 12 f., was theilweis auch schon in jenen Tagen der Rache Luk. 21, 22 sich zeigen wird] —- auehdie Auserwählten: 25. Siehe, ich hab? [mit dem, ivas ich eben gefprochen] euch zuvor gesagt kwie alles kommen wird, so daß ihr euch nicht braucht über- rafchen zu lassen und nicht, wenn’s nun da ist, in Ungewtssem sein dürft, wie ihr von Haus aus dar- über zu urtheilen habt]. i26. Darum, wenn sie [die euch zu einem solchen falschen Christus hinüberziehen wollen] u euch sagen werden: Siehe, er ist in der Wüite sgehe mit uns zu ihm hinaus], so gehet nicht hinaus; [oder wenn sie ein ander Mal wieder sagen :] siehe, er ist in der Kammer khalt sich zwar zur Zeit vor der Oefsentlichkeit noch ver- borgen, wird aber bald hervortreten und das Heil bringen], so glaubt nicht ssondern erkennt auch das sofort für leeren Betrug]. 27. Denn gleichwie der Blitz kin einem großen, hellleuchtenden Zickzackbogenj ausgehet vom Aufgang uiid scheinet bis zum Nieder- gang [so daß, gleichwie er plötzlich nnd unange- meldet hervorbricht, er auch jedermann von selber sich zeigt und niemand ihn erst aufznsuchen nöthig bat]; also wird auch sein die Zukunft des Menschensohns swexin er erscheint vom Himmel, seine Feinde mit Einem Schlage zu vernichten und sein Reich der Herrlichkeit in Israel aufznrichten Offenb. II, 11 —- 20, S; jenes »in der Wüste« oder »in der Kammer« ist daher von selber schon ein deutliches Merkmal, daß es mit einem der- artigen Christus nichts ist als LügeJ. W. Wo aber sum von der dereinstigen wirklichen Aufrichtung des Reiches der Herrlichkeit wieder zurückzukommen auf das Gericht über das provhetenmörderische Jerusalem nnd das verstockte Judekwolkj ein Aas ist, da sammeln sich die Adler sfür dieses Gericht bedarf es meiner per- sönlichen Erscheinung gar nicht, es giebt da noch Adler unter den Menschenkindern selber, die das Abendmahl des großen Gottes Ossenlx 19, l7 an dem todten Leichnam vollziehen werden Dan. 9, 26]. Was die Juden am meisten zur Empörung trieb, war ein zweideutiges(?) Orakel in ihren heil. Schriften: in jenen Ta en werde einer von ihren Grenzen aus- gehen und die Welt beherrschen; dies deuteten sie auf einen Einheimischem und viele Schriftgelehrten wurden in der Erklärung irre. (Iosephus, b. Jud. VL 5. 4.) Die falschen Propheten sind solche, welche sich fttr gott- gesandte und inspirirte Sprecher an das Volk in der Drangsalszeit ausgehen, wie auch in der früheren Zeit des Nationalunglltcks solche Betrüger als Gegenfätze des wahren Prophetenthums ihr Wesen getrieben hatten (Jer. H, 14; 5, 137 6, 13; 8, 13 u. f. w.). Josephns fchreibt davon (l1, 13. 4): »Neben den Sicariern er- hob fich noch ein anderer Schwarm von Bösewichteriy deren Hände zwar reiner, deren Gesinnungen aber noch ruchloser waren, und die nicht minder als jene Mörder das Wohl des Staates gefährdetetu Es waren dies Verfiihrer und Betrüger, die unter dem Schein göttlicher Begeisterung auf Neuerungen und Umwiilzuugen hin- arbeiteten, das Volk zu Schwärmerei verleiteten und dasselbe in einsame Oerter hinauslocktem wo ihnen Gott Wunderzeichen ihrer Befreiung erscheinen lassen werde. (Meyer.) Wir können besonders auch an jenen Egypter denken, welchen Josephus als einen Gaukler fchilderh der sich das Ansehen eines Propheten zu verschaffen wußte, und welchen Eusebius ganz richtig mit dem Egypter in Apostg. 21, 38 in Verbindung bringt. Weiter könnte man noch auf eine andere Stelle (VI, 5.2) verweilen, wo es heißt: »die Ursache des Untergangs dieser (in einer Halle verbrannten) 6000 Menschen war ein falscher Prophet, der an jenem Tage (des Tempel- brandes) den Bewohnern der Stadt verkündete: heute befiehlt der HErr auf den Tempel zu steigen, um die Zeichen der Erlösung zu schauen. Die Wiitheriche hatten überhaupt viele falsche Propheten unter das Volk ver- theilt, die es beredeten, auf Gottes Hilfe zu bauen, damit sie weni er davon liefen« Wie leicht konnte nicht ein solcher seudoprophet dem Volke, welches so gern ein Zeichen vom Himmel haben wollte, ein Ereigniß von der Art, wie fie zu V. 8 erwähnt worden, als sein Werk darstellen. Von Joh. Gerhard wird schon richtig der Christus »in der Wüste« auf diejenigen falschen Propheten bezogen, welche, wie Simon von Gerasa (IV, 9. 3), in der Wüste ein Heer wider die Römer sammelteu, der Christus »in der Kammer« dagegen auf die, welche heimlich auf listige Ausfälle sannen, wie Eleafar und Johannes. (Nebe.) Die Ausdrücke bilden aber auch einen vielfach sinnvollen Gegensatz der mög- lichen Verlockung: die Einen weisen uns in’s Weite auf die große wüste Kirche, die Andern in’s Enge zu mancherlei Sekten und Separationem (Stier.) Das find die Sekten und Orden, die ein gut Leben an äußerlichen Dingen oder mit Werken suchen, sonderlich sind jetzt die Kammern alle geistlichen Klöster; die Wit- ften aber find die Wallfahrten und Feldftiftr. (Luther.) — Jch habe nicht llrsach, mich zu denen zu rechnen, welche Lobredner vergangener Zeiten und blinde Ver- ächter dessen find, was der gnädige, barinherzige Gott in unsern Zeiten giebt und thut; ich habe Gelegenheit gehabt, einige vergangene Zeitalter etwas genauer ken- nen zu lernen, und ich kam: nicht sagen, daß ich einer früheren Zeit den unbedingten Vorzug vor der unsrigen geben möchte. Jst irgend ein Vorzug vorhanden, so streitet gleich auch ein derber Nachtheil mit dem Vorzug um den Rang, und in der Summe mag ftckys aufheben. 350 Evangelium Matthäi 24, 29 -—-31. Welt ist immer Welt gewesen und die Zahl derjeni en, welche Jerusalem verlassen, weil der Greuel der er- wlts·tung an heil. Stätte steht, war in jeder Zeit klein; die meisten haben sich’s je in der Welt wohl sein lassen, so gut es ging, und ebenso ist es noch· Dennoch kann ich Eins nicht überwältigenz es kommt mir in den Sinn und kommt immer wieder, obschon ich weiß, daß ich nichts zu sorgen habe und daß der HErr doch am Ende im Regimente sitzt und trotz des Siegsgeschreis seiner Feinde und des Jammerrufs der Seinigen alles herrlich hinausfiihrn Dies Eine, was mich um der Zeit willen, in welcher ich lebe, traurig macht, ist die allgemeine ungebundene Freiheit im Urtheil über gött- liche Diu e, die Zuchtlosigkeit der Seelen im Heiligthum, die Frechseitz mit welcher ein jeder anch das Lästerlichste und Abfcheulichste über Gott, feinen Christus und seine Heiligen spricht. Jch weiß nicht, ob sich der große Ab- fall anbahnt, der vor dem letzten Siege kommt, ob, was wir dieser Art erleben, der Anfang oder das Ende sonst einer bösen Zeit ist; aber es erinnert an den Ab- soll, bei vielen ist’s der helle Abfall, und es bebt mir die Seele, wenn ich daran gedenke, wie viele sich in der verfluchten Art gefallen, die sich über alles Heilige zum Richter fetzt und gar nie fragt, ob Verstand und Wille zum Urtheil da ist, ob nicht das ganze Treiben eine von Gott verhängte Verkehrung der Sinne und Geister ist. Was soll aus diesem Geschlecht durch diese Gesinnung, was aus der Jugend werden, die sich zum Verwundern schnell die höllische Sprache des Abfalls in allen ihren bezeichnenden Ausdritcken und Wendungen aneignet und mit einer frevlen, nicht im Mindesten unterdrückten Lust ausübt und anwendet? Der Geist, welcher sie die Sprache lehrt, beherrscht nicht allein die Zunge, sondern fährt in’s Gebein nnd verdirbt Blut und Mark. Eine Masse des Verderbens wird so das Volk, und -—,,wo ein Aas ist, da sammeln sich die Adler« -— das ist wie eine fliegende Jnschrift über dem trnnkenen, tollen Haupte dieser Zeit. Auf darum, weg aus Jeru- salem! Das ist Greuel der Verwüstung, selbst Verwü- stung und Verwüstung bringend. Auf nach Pellal wer eines treuen Herzens ist und den Worten Jesu glaubt, der sammle sich zum heil. Bekenntniß der Wahrheit und iehe unter ihrem Banner gesondert von der verlorenen otte, Jesu nach. Zwar ist Pella nicht mehr aus Erden, sondern gen Himmel entrückt, weil die ganze Erde ver- derbt ist, und es ist drum mit keinem Verlassen irdischer Orte gethan; aber weil wir gen Himmel ziehen und entgegengehen Dem, der da kommen soll, weil es eine lebenslängliche Pilgerfahrt gilt, weil wir Judäa nicht hinter uns bekommen, so lange Lebenskraft in unsern Füßen ist, und den Jordan vor dem Tode nicht erreichen, so wollen wir uns zusammenschließen und in geschlosse- nen Reihen, Wehr in der Hand, das Lied des neuen Bandes im Munde, vorwärts ziehen. Wer den HErrn Jefum lieb hat, der·gebe Laut, der bekenne, der stehe zum Haufen und scheue nicht Kampf noch Wegfahrtl Wie lang wird’s währen, so sind alle die Jahre von hinnen, wie dies Kirchenjahr, und was ist dann unsere Mühe gewesen? Wie leicht wird uns dann unser Sieg der Treue vorkommen; wie werden wir dann fröhlich und unser Mund voll Lachens und Rühmens fein! Der HErr sende uns Hilfe vom Heiligthum und stärke uns aus Zion — Halleluja, Amen! (Löhe.). h. v. Ali-Aar. 25, 30. Stuf die zweite Frage der Sänger: »Welches wird dar Zeichen sein deiner Zic- linnst?·« womit sie offenbar ans die Wiederausriclitung des dieitheg Israel stellen, geht der tJErr nun in diesen! mittleren Theil seiner Weifsagaug ein nnd ver- lifindigt sein Kommen zur Sammlung seiner Knorr— wählten in das nun offenbar hervortreteade Reich Gottes; er redet alter damit noch uiiht von seiner letzten Erscheinung am Ende der Welt, wie er auch noch nichls von ewiger Pein sagt, sondern nur vom Uerlassennierdem hinaus-thun und praußenlileibem vielmehr, nachdem der vorige Abschnitt in der Haupt— sache eo mit Jerusalems Zerstörung nnd Srraelo Jer- hrennng zu thun gehabt hat (vgl. Marli.13,1—23; Eule. A, 5—24) so ilt nun in dem vorliegenden Quark. is, 24—F7; kalt. El, 25——36) Israel- Wiederhersiellnng in Herrlichkeit der eigent- liche Krrnpunlit seiner Rede, nnd stehen damit anky die drei Gletihnisse im Zusammenhang, womit er auf unansgesehte Wachsamlieit und gute sereitschast dringt. 29. Bald [g»enauer: Alsbald oder sofort] aber nach dem Triibsal derselbigen Zeit Iwenn das- selbe Pred. 6, 4 Anm. mit Vollendimg der Zeit der Heiden Luk. 21, 24 nun fein Ende erreicht hat] werden Sonn nnd Mond den Schein verlieren [genauer: wird die Sonne sich verfiustern und der Mond seinenSchein nicht geben], nnd die Sterne werden vom Himmel fallen san dem sie bisher leuchtend gesiandenL Und die Kruste der Himmel [die Kräfte, welche den Himmeldban über der Erde tragen und ausrecht halten] werden sich bewegen sin einer Weise erschüttert werden, daß die bisherige Ordnung der Dinge in der Men- fchenwelt zusammenbrichts Die Trübsal, die der HErr meint, ist die über das jltdische Volk mit der Zerstörung Jerusalems und des Tempels, mit der Verstoßung von Gottes Angesicht und der Gefangenführung unter alle Völker verhängt« diese Katastrophe hatte unmittelbar in Betresf Jsraels selber zur Folge, was in Offenb. S, 12—14 esagt wird: ,,es ward ein groß Erdbeben, und die Sonne ward schwarz wie ein härener Sack und der Mond ward·wie Blut, und »die Sterne des Himmels fielen auf die Erde, gleichwie ein Feigenbaum seine Feigen abwirft, wenn er vom großen Winde beweget wird; und der Himmel entwich wie ein eingewickelt Buch, und alle Berge uiid Jnseln wurden bewegt aus ihren Der- tern.« Die Worte sind bildlich zu fassen von geistigen Vorgängen innerhalb des Reiches Gottes, wie wir sei- ner Zeit weiter ausftihren werden; sie charakterisiren diejenigen gewaltigen Veränderungen, welche jenes Ge- richt in Gottes Reichshaushaltung auf Erden nach sich gezogen. Sie bestehen für die übrige Völkerwelt darin, daß nun diese, die bisher ohne Gott in der Welt war nnd fremde von den Testameuteii der Verheißung von dem HErrn zu seinem königlichen Sitz, zur Wohnstätte für feine Kirche erwählt, Jsrael dagegen zu demjenigen Volke gemacht wurde, das, wie keinen König und kein Vaterland, keinen Altar und keinen Priester, so auch eigentlich keinen Gott hat; denn der Gott Abra- hams, Jsaaks und Jakobs, wenn es ihn anrust, hat sein Aiigesicht im Zorn vor ihm verborgen. Und nun ist dem vormals auserwählten Volke die Sonne, die bis dahin an seinem geistigen Himmel gestanden, zwar nicht unlergegangeiy wohl aber schwarz geworden wie ein härener Sack; es ist das feste prophetische Wort, von dessen hellem Schein nichts mehr im Rabbinismus wahrzunehmen ist, seit man Christum, den Kern und Stern aller Prophetie, verworfen hat, sondern wie ein dunkler Punkt voll tiefer Trauer hängt es da am Him- mel des unglücklichen Volks. lind sein Mond, nämlich das Gesetz, ist in ihm geworden wie Blut; alle Fliiche Weissagung von Jsraels Wiederherstellung in Herrlichkeit. 351 desselben haben sich verwirklicht, seit man iiber Jesum gerufen: ,,sein Blut komme über uns und unsre Kinder,« von einer Gesetzesfreude aber, deren Fest man all- jährlich begeht, kann doch in Wahrheit nicht die Rede sein. Die zwölf Geschlechter, die vordem die Krone tiber dem Haupte jenes Sonnen-Weibes (Offb. 12, 1ff.) bildeten , sind jetzt die vom Himmel gefallenen Sterne, deren Licht nicht mehr glänzt, wenn Dunkel die Völker decketx ja, sie sind von dem Winde auf dem Weg her- abgeworfene Heerlingsfeigem die von den Füßen der Vorübergehenden zertreten werden. Der alte Bund, dieser Himmel der alten Welt, ist zu einem eingewickelten Buche geworden; es ist ausgelesen, Israel ist bei Seite gelegt und eine andere Welt, die aus den Heiden e- sammelte Christenheit, an die Stelle etreten. Nun a er hebt des HErrn Weissagnng uns ii er diese Trübsal, die mit jenen Tagen der Zerstörung Jerusalems be- onnen und bis herein in unsre Zeit schon über 18Iahr- underte gewährt hat, hinweg; er spricht: ,,bald nach dem Trit sal« und will uns sagen, was sofort, wenn Jsraels Strafzeit ihr Ende erreicht hat, und gleichzeitig mit der Bekehrung desselben eschehen wird. Da wird nun die bisherige Christen eit damit an die Reihe kommen, daß Sonne und Mond den Schein ftir sie verlieren, daß Gesetz und Evangelium kein Licht und keine Wärme, keine Kraft und kein Leben, wenigstens in ihrem öffentlichen Wesen, in ihren gesellschaftlichen nnd staatlichen Zuständen mehr haben; die Sterne werden fitr sie vom Himmel fallen, man wird es erreichen, was man will, der Kirchenhimmel mit seinen Lichtern wird zusammenstürzen, nur daß nun auch die Kräfte des Himmels, die das Völkerleben bis daher getragen und in gutem Gange erhalten haben, erschüttert werden und einer gar nnheimlichen Bewegung von unten her, ·ar andern Kräften und Mächten das Feld räumen. nr 2—3 Jahrzehnte noch, und die Verhiiltnissh die bis dahin stch werden entwickelt haben, werden schon eine recht verständliche Auslegung sein zu dem, was wir an unsrer Stelle lesen: die große Stadt der christlichen Völkerwelt in die Stelle des christusmörderischen und von dem HErrn in die Gerichte seines Zorns dahin- gegebenen Jerusalem eingetreten — ohne den Schein von Sonne nnd Mond, ohne den leuchtenden Glanz der Sterne, in arger Selbstauflösung begriffen, daß sie zu Grunde gehen müßte, wäre ihr nicht noch einmal Raum zur Buße und Besinnung verstattet, um noch einmal dem Gott des Himmels die Ehre zu geben, ehe die eigentliche aniichristische Zeit hereinbricht (Offb. 11, is) — dagegen aber Israel, soweit es zur Seligkeit ver- ordnet ist, als wiederhergestellte Zionsgemeinde die wahre Braut Christi, die an den Tag der Hochzeit oder der Erscheinung seiner Herrlichkeit vom Himmel sich be- reitet mit einer Inbrunst der Liebe, von der die der ersten apostolischen Gemeinden nur der vorlanfende Schein gewesen, und mit einer Heiligkeit des Wandels, wie die Kirche der heidenchristltchen Welt sie höchstens als Ideal hat angesirebt, aber nie zn erreichen vermocht tOssenb. l4,·1 sf.). Indessen blickt das Prop etenauge des HErrn in den Worten unsers Verses soglei weiter; mit dem Anfang der hundertjährigen Periode, wie wir so eben sie charakterisirt haben, verknüpft er sofort das Ende und versetzt uns in die Zeit der Herrschaft des persönlichen Antichrist wo es noch viel ärger um die christliche Bölkerwelt des Abendlandes steht, Sonne und Mond ganz und gar ihren Schein verloren haben und mit der Ertödtung aller, die nicht das Thier anbeten und sein Bild und nicht sein Maalzeichen annehmen oder seines Namens Zahl, die Sterne wirklich vom Himmel fallen und die Kräfte des Himmels gänzlich von den Miichten der Hölle verschlungen stnd (Offenb. l3). Wie das Meer und die Wasserwo en werden brausen (Luk. 21, 25), werden wir erst bei uslegnng der Offen- barung St. Iohannis uns deutlich machen können; es gehört hierher der ganze Abschnitt in Kuh. 16, 13- 19, 10 dieses Buchs, doch müssen wir auch das Gesicht in Kap. 14, 14——20 hinzunehmen, worin im Himmel sich vorbildet und vorbereitet, was nach dem Folgenden auf Erden sich vollziehen soll. 30. Und alsdann swenn das im vorigen Verse Geweissagte nicht blos vorlaufend am Schluß des isten, sondern nach einer erst noch eingetre- tenen Gnadenzeit vollständig und allseitig am Schluß des 20sten Jahrh sich erfüllt hat und namentlich die Wogen des Völkerineeres in großem Brausen begriffen sind durch die Versammlung in den Streit auf jenen großen Tag Gottes des All- mächtigen Offenb. 16, 13 ff] wird erscheinen das Zeichen des Menschensohns im [d. i. am] Himmel snämlich ein weißes Pferd mit einem wunderbaren Reiter darauf Offenkk 19, 11 ff.]. Und alsdann [wenn sie dieses Zeichen erblickenl werden heulen [in eine große Wehklage des Schreckens und Ent- setzens ausbrechen Offenh I, 7] alle. Geschlechter auf Erden [weil sie die Bedeutung des Zeichens wohl verstehen werden], nnd werden sin dem wun- derbaren Reiter, dem das himmlische Heer folgt auf weißen Pferden, angethan mit weißer und reiner Seide] sehen kommen des Menschen Sohn in den Wolken [Dan. 7, 13., wie er vormals auf einer Wolke gen Himmel gefahren Apostg l, 9 ff] mit großer Kraft und Herrlichkeit sGottes Gericht zu halten Joh. 5, 27]. Nicht das eichen selber, wie die Ausleger sagen, bleibt bis zur rfiillung ungewiß, sondern nur, inwie- weit das in Offenb. 19 ausdrlicklich angegebene Zeichen eine wirklich gerade so in die Augen fallende Erschei- nung oder nur eine sinnbildliche Figur ist; wenigstens ist das ganz ähnliche Zeichen beim erannahen der er- störung Jerusalems in Offenb. 6, eine sinnbildiche Figur, die auf den römischen Feldherrn Titus deutet. In Luk. 21, 26 ist das Heulen aller Geschlechter auf Erden als ein Verschmachten vor Furcht und vor Warten der Dinge, die kommen sollen auf Erden, bezeichnet und noch in diejenigen Zeitverhiiltnisse hineingeritckh welche der Erscheinung des Zeichens vorausgehen; diese Zeit- Verhältnisse werden also selber ein Bangen und Zagen. ein Verschmachten vor Furcht des bösen Gewissens an- richten, aber es wird in’s unbestimmte Etwas hinein sein, dunkel ahnt man’s wohl, doch eingestehen will man’s sich selbst nicht, daß des Menschen Sohn wirklich sich einstellt, wie er zuvor gesagt hat, bis dann sein Zeichen erscheint und den Leuten nun der Glaube in die Hand kommt. 31. Und er wird sbevor er in dieser Weise und für diesen Zweck kommt] senden feine Enge! sdie er zu Dienst sich bestellt] mit hellen Posaunen [wörtlich: mit einer Posaune lauten Schal- les], und sie werden Dahin, wohin er zur Ret- tung vor dem Gericht sie haben und wo er nach dem Gericht sein Reich ausrichten will, nämlich nach Jerusalem und dem heil. Lande 5.Mos. so, 4 f.; Jes. 11,11 f.; 43, 5 sf.; Sach. s] sam- 352 Evangelium Matthäi 24, 32—36. melii seine Auserwählten [um deretwillen einst die Tage der Trübsal verkürzt worden V. 22] von den vier Winden saus Nord und Ost, aus Siid und West, wo irgend in der Zerstreuung sie sich befinden], und von einem Ende des Himmels zu dem andern. 32. An dem Feigenbaiim lernet sfür die Frage, wann das Reich Gottes durch die Zukunft des Menschensohnes nun zur Vollendung kommen werde Luk. 17, 20; Aposig 1, 6] ein Gleichniß Wenn [nachdem es bisher Winter und alles Leben in der Natur wie verschwunden gewesen] sein Zweig jeszt saftig wird und Blätter gewinnet, so wtsset ihr lnach allgemein inenschlicher Einsicht], daß der Sommer nahe ist. 33. Also auch [auf geistlichem Gebiet, wo freilich die rechte Einsicht nicht jedermanns Ding, sondern vielmehr euer Vorzug vor den Andern ist]- wenn ihr das alles sehet soaß auf der einen Seite Sonne und Mond den Schein verlieren siir das- jenige große Gebiet, welchem sie bisher geschienen haben V. 29, auf der andern Seite aber des Menschen Sohn seine Engel sendet mit heller Posaune und diese ihm seine Auserwählten sam- meln von den vier Winden V. 31], so wisset, das; es sdas Reich Gottes in seiner Vollendung Luk. 21, 31., oder auch Er selber, der es bringt und aiif die angegebene Weise erscheint] nahe vor der Thur ist [Jak. s, 9]. Wir können nicht, wie die Ausleger meist thun, die En el, die des Ptenschen Sohn sendet, seine Auser- wä lten von den vier Winden zu sammeln, von dem verstehen, was nach 1. Thess. 4, 16 f. u. l. Eor.15,52 geschehen wird, und bei dieser Sammlung der Auser- wählten an die Auferstehung der Todten denken; viel- mehr weift das von dem Feigenbaum entlehnte Gleich- niß ausdrticklich darauf hin, daß der HErr einen wäh- rend des Winters der göttlichen Strafzeit wie abge- storben dastehenden geistlichen Feigenbaum im Sinne hat, der seiner Zeit wieder Saft gewinnen und treiben soll, das aber, wenn es eintritt, werde auch der ent- scheidende Wendepunkt in der Geschichte sein, mit welchem sich seine Zukunft verbinde. Wir können nun da keinen Augenblick im Zweifel· sein, daß Israel dieser Feigen- baum ist. Ju Kap. 21 , 19 hat Jesus an einem wirk- lichen Feigenbaum, auf welchem er am Morgen des geftrigen Tages bei feinem Herttberkommen über den Oelberg nur Blätter, aber keine Früchte fand, den Fluch der Verdorrung über denselben ausgesprochem und die Jitn er haben am Morgen des heutigen Tages die Wir ung seines Flnchwortes bemerkt, wenn sie auch die Bedeutung der parabolischen Handlung nicht verstanden: sollte er nun jetzt am Abend, wo er ttber den Oelberg hinweg zum letzteu Mal nach Bethanien sich zurijckziehy aber den Gipfel nicht überschreiten mag, ohne sich erst noch einmal niederzusetzen und mit der heil. Stadt drüben und seinem Volke, das dort seinen Tempel hat, zu beschäftigen, in seiner Weissccgun nicht auch Bezug genommen haben auf die Wiederauf ebung des Fluchs, auf die Neubelebung des verdorreten geistlichei1 Feigen- baumesii So gewiß Jsraeks endliche Bekehrung zu seinem Heilande ein weseutliches Sttick der alttestameut- lichen Weissaguug bei Mose und den Propheten ist. so gewiß sie dem Apostel Paulus zum Trost gereicht hat m seinem großen Schmerze itber sein ungläubig geblie- benes und von Gott verstoßenes Volk (Röm. 11), so gewiß hat auch der ZErr in dieser Stunde nicht vorbeigehen können an sol em Hauptsiitck der letzten Dinge; seine Erscheinung in Herrlichkeit hängt ja davon ab, daß zu- vor Jsrael 1ioch selig werde, und wenn er den Jüngern Bescheid geben will auf ihre Frage: »welches wird das Zeichen sein deiner Zukunft?« so wtirde er ihnen in allen andern Zeicheiy wie die in V. 29 angegebenen, nur solche genannt haben, die schwer zu erkennen sind, wenn nicht auch das damit verbunden wäre, das ebenso handgreiflich wahrzunehmen ist, wie das, womit der Sommer an dem Feigenbaum und allen Bäumen sich anmeldet. Jn Lnk. 21, 29 ist zugleich von den andern Bäumen die Rede; das ist eine Bezugnahme auf den reichlicheren Erfolg der«Heideiimission, der ohne Zweifel ebenfalls auf die Nähe derErfcheinung Christ! hindeuteh aber der entscheidende Wendepunkt ist doch die Bekehrung und Wiederkehr Jsraels (»wenn der verfluchte dürre Feigenbaum von Neuem Saft und Trieb gewinnt, dann wisset, daß die Entscheidung kommt«: Riggenbach), da- rum auch bei Lukas der Feigenbaum noch vor den übrigen Bäumen genannt wird, obgleich er am letzten unter ihnen Blätter gewinnt. Hiernach beziehen sich die Engel mit heller Posaune, welche die Auserwählten von einem Ende des Himmels zu dem andern herzurufen und an einen bestimmten Ort zu versammeln ausge- sendet werden, jedeufalls auf diejenigen Diener Christi, welche Jsraels Bekehrung und Heimkehr in sein Vater- land durch die Kraft der evangelischen, nun empfängliche Herzen findenden Predigt und durch die Macht des in ihnen selbst waltendeu Geistes Gottes werkzeuglich ver- mitteln; es·werden ja gewiß der äußeren Wirklichkeit nach menschliche Persönlichkeiten sein, aber dochsind ab- sichtlich die menschlichen Perfönlichkeiteit zurtickgesiellt und, ähnlich wie Johannes der Täufer in Kap. 11, 10 als Engel bezeichnet worden, Engel dafür genannt, weil es sich dann »Um» mehr als gewöhnliche Judenmissionen handeln wird. Nach unsrer, auf Offenb. 11, 2 u. 3 fußenden Berechnuiig tritt Jsraeks Bekehrung mit dem J. 1897 ein; aus Ossenb. 13, 5 schließen wir, daß der Antichrist vom J. 1992 an sein Wesen treiben wird,»bis er IV, Jahr hernach durch die Erscheinung Christi umkommt. Diese beiden Zeitpunkte, Anfang und Ende der letzten großen Epoche vor Errichtung des tausendjährigen Reichs bezeichnend, hat der HErr an unsrer Stelle gleichzeitig im Auge und faßt sie in Ein gemeinschastliches Bild zusammen, wenn er auch bald bei diesem, bald bei jenem Punkte mit seiner Rede verweilt. · « set. Wahrlich, »ich sage euch, dies Geschlecht sder Gegenwart] wird mcht vergehen [daß alle, die demselben angehören- schon sollten gestorben fein], bis daß dieses alles swas ich euch bisher Verkündigt habe, wenigstens seinem Anfange nach] gcschehe sist aber erst der Anfang gemacht mit Jerusalems Zerstörung nnd der Zersireuung Jsraels in die ganze Welt, so ist damit auch vonselber schon das Ende oder die Zukunft des Menschen- sohnes in Herrlichkeit zur Wiederausrichtung des Reiches Israel —- ,,dieses zähen, auch im Fluch unverwüstlichem in aller Zerstreuung nicht unter- gehenden Geschlechts« ——— gesetzt, gleichwie mit der Empfängniß eines Kindes auch dessen schließliche Geburt]. Himmel und Erde werden vergehen, aber Christi Worte vergehen nicht. 35. [Und da nun auch, wie ich euch früher gesagt Kap. 16, 28., unter euch ihrer etliche sind, die den Tod nicht schmecken werden, bis daß sie des Menschen Sohn kommen sehen in vorlaufender Weise, so ist für sein Kommen zur schließlichen Vollendung alles deß, das er geredet hat, in euern Kreis selber hinein eine thatsächliche Bürgschafh ein greifbares Unterpfand gestellt, und die ganze Kir- chenzeit verläuft fortan zwischen einem Anfang, der meine Worte im Keime und Vorbild schon erfüllt hat, und einem Ende, wo die Erfüllung sich oöllig mit dem Buchstaben der Weisfagung deckt; diese Erfüllung wird denn getvißlich kommen nnd nicht ausbleiben] Himmel und Erde werden [einmal, wenn die Zeit der Aufhebung dieses jetzigeu Welt- laufs kommt Kap. 5, 18] vergeben, aber meine Worte werden nicht vergehen sdaß jemals eine Zeit kommen könnte, wo sie keine Geltung mehr hätten oder zu einem verschwindenden Schalle würden, der keine Wirkung hinter sich läßt]. Bis. Von dem Tage aber und von der Stunde [sowohl wenn der Anfang der Erfüllung mit der Zerstörung Jerusalems geschieht, als auch wenn das Ende mit dem Eintritt der letzten Dinge kommt] weiß sfiir jetzt] niemand, auch die Engel nicht im Himmel [die als Rath der Wächter Dan. 4, 14 doch um manche Zeit und Stunde wissen, auch nicht der Sohn hier auf Erden], sondern allein mein Vater sund der wird erst dann, wenn es noth thut, den näheren Aufschluß darüber durch mich geben]. Wenn bei Mark. (13, 32) ausdrücklich dabei sieht: »auch nicht der Sohn«, so ist das bei Matthäus in ,,allein der Vater« gerade so eingeschlossen, wie in Kuh. 20, 23 der ähnliche Gegensatz vorkommt. Der HErr spricht nicht: »das habe ich euch nicht zu sagen, weiß es für euch nicht«, sondern »der Sohn weiß es nicht«; so steht er damit einfach neben dem Vater und den Engeln. Hier» zu klügeln und zu trennen: als Mensch weiß er es nicht, als Gott aber wohl — folches zugleich Wissen und Nichtwissen zerreißt geradezu die Einheit der gottmeiisihlichen Person, ist unmöglich in dem Menschen- sehne, welcher freilich der Sohn ist, aber der entäußerte. Für sich und seinen Glaubens-weg, in dem er als Vorgänger uns gleich werden mußte« (Hebr. 12,·2), konnte und durfte er manches, namentlich »dieses nicht wissen. (Stier.) Charakteristisch ist iii diesem Worte der Verein von Majestät einer- und von Demuth und Nüchternheit andrerseits Die Majeftät darin, daß er sich den Engeln überordnet s—- eine Leiter von drei Sprossen, nnd die des Sohnes über der der Engel, er könnte es eher wissen als sie; die Ntichternheit und Demiith darin, daß er auch von sich selbst das Nicht- wissen des Tages und der Stuiide bekennt. Manche erklären das so: geschlummert habe» dieses Wissen in ihm, aber absichtlich habe er es in dkesem Schlumuier belassen, habe» nicht darauf· reflektirt; ·sollte· diese Wendiing dahin gemeint fein, ahnungsweise sei das Wissen in ihin elegen, wie in einem, der sich näherer Nachforschung ü· er eine Sache enthalten will, das Wissen von derselben im Grunde dennoch vorhanden iß, so würde sie« dem Worte widersprechen, welches ganz klar das wirkliche Nichtwifsen ausspricht. (Geß.) Das ge- D ä ch s e l ’ i Bibelwerb 353 hört auch mit zu seiner Eiitäiißerun , daß er sich des Wissens von Tag und Stunde bege en, denn dieses ge- hörte nicht zu seinem Beruf, nach dessen Grenzen doch all sein Vermögen und Wissen sich richtete; die Sachen verkündigt er, wie wir es brauchen, die Zeit ist Saihe des Vaters, in dessen Händen zunächst das Re iment der Welt liegt. (Lnthardt.) Auf die parallele teile: Apostg I, 7., in der der Heiland nach seiner Aufer- stehung und unmittelbar vor der Himmelfahrt ausspricht, daß es für die Jünger nicht passe, Zeit und Stuiide seiner Erscheinung zu kennen, darf von der hier vor- liegenden Stelle aus nicht geschlossen werden, daß auch da der HErr dieselbe nicht kannte; da nun der Vater in ihm verklärt war (Joh. 13, 31), so konnte jetzt fein Wissen kein anderes sein, als das des Vaters selbst. (Olshausen.) Aus Osfenb. 1 , 1 lernen wir, daß auch für die Iünger und Knechte des HErrn die Zeit kam, wo das ,,weiß niemand« zu Ende gehen sollte; in Fort- setzung seines prophetischen Amts vom Himmel ans theilt dort der verherrlichte Christus die von seinem Vater für den Zweck einpfangene Offenbarung, seinen Knechten zu zeigen, was in der Kürze geschehen soll, dem Johannes auf Patmos mit, und diese Offenbarung enthält nun mehrmals auch Zeitbestimmungem und zwar einestheils, wie lange die, uiii der Auserwählten willen verkürzten Tage der Trübsal (V. 2l f.) dauern follen, wofür das schon in Daii. 7, 25 u. 12, 7 ange- Ibene Maß» festgehalten wird, anderntheils für die auer der «Zeiten der Heiden« , da sie die heil. Stadt zertreten, die zween Zeugen aber unterdessen weifsagen und das Weib an ihrem Ort in der Wüste ernähret wird, wobei zugleich eine Andeutung über die Ent- wickelungszeit derjenigen «Weltmacht, aus der einst der Antichrist hervorgehen wird, gegeben und damit fiir das Auftreten des letzteren selber der Termin bezeichnet wird (Offb. II, Z. 3. 9; 12, s. 14; 13, 5). Indessen sind diese Zeitbestimmungen immer noch so gehalten, daß ihr Verständnis; erst dann der Kirche klar werden kann, wenn dieser es heilsam ist, Zeit und Stunde zu wissen, um sich iiber das, was da geschieht, die rechte Ansicht zu verschaffen; man würde aber gewiß die Ab: ficht des HErrn verkennen, wollte man alle Versuche, zu jenem Verständniß zu gelangen, von Hans aus für einen verwerflichen Vorwitz erklären, vielmehr, wenn Verhältnisse in der Entwickelung des kirchlichen iiiid politischen Lebens eintreten, die den Wächtern auf Zions Mauern es zur unabweislichen Pflicht machen zii for- schen, wieviel Uhr es sei im Verlaufe des Reiches Gottes auf Erden, können diese sich dessen gar nicht ent- schlagen, das Brich der Weisfagung vor sich zu nehmen und wie an die Enträthselung ihrer Geheimnisse, so an die Entzifferung ihrer Zeitangabeii sich zu begeben. Beides hängt aufs Engste zusammen: die Weisfagung, wie Vaco von Verulam so tresfend sagt, ist die göttliche Geschichtfchreibung die vor der menschlichen den Vorzug hat, daß bei ihr die Erzählung denjenigen Thatfachen, die sie enthüllen will, voran geht, während dagegen die menschliche nur erzählen kann, was allbereits geschehen ist; wie aber die inenschliche Geschichtschreibung ohne Ordnung der Zeit, ohne Jahreszahlen und Datum gar nicht bestehen kann, so kann auchdiese göttliche Geschicht- schreibung, die da weissagt, niiht schleihterdings ohne jegliche Zeitangabe sein, und wer da, wo folche Angaben vorliegen, es verschmähen wollte, sich an ihnen zu orieiitiren, der würde auch nimmer zum rechten Ver- ftändniß der Weissagung selber kommen. Es leidetZnun wohl keinen Zweifel, daß gerade diese unsre gegenwär- tige Zeit in eine sehr bedentungsvolle Entwickelungsi phafe der Weltgeichichte eingetreten ist; aber welche Be- deutung dieser Phase zukommt, in welchem Lichte wir R. T. I. 23 354 Evangelium Matthäi 24, 37-—40. sie nach Gottes Wort beurtheilen sollen, ob sie uns für eine neue Aera des Fortschritts und der Freiheit, der Einigung und der Stärkung, oder aber für den An- bruch des Zeitalters des Antichrists gelten müsse, wer toill darüber einen zuverlässigeu Spruch fällen, da sich im Grunde für die eine Auffassung soviel vorbringen läßt als für die andere und die Herzen der erleuchteten und schriftkundigen Männer selber getheilt sind, indem die einen das Beste von der weiteren Zukunft erwarten, die andern das Schlimmste fürchten? Hier muß Gottes Finger uns geradezu, wie der Zeiger an einer Uhr, auf eine bestimmte Stunde weisen, die da geschlagen hat, auf daß wir nach rückwärts und vorwärts uns genau urechtfinden können und weder fiir eine erträumte Zu- unft schwärmen, noch über eine nicht mehr zurückzu- holende Vergangenheit uns ahhärmeiu Jn der That leistet der HErr in seinem prophetischen Wort uns auch diesen Dienst; es kann namentlich gar nicht mehr die Frage sein, daß jene ,,Zeiten der Heiden«, während welcher Jerusalem zertreten und Jsrael im Gefängniß ist, mit so raschen Schritten zu Ende gehen, daß, wie schon mehrsach angedeutet wurde, nur noch 25 Jahre davon übrig sind. Man nehme zunächst nur einfach den Wortlaut in Osfenb. 1l, 2 vor sich: »und die heilige Stadt werden sie (d.-ie Heiden) zertreten ztoeiundvierzig Monate« uud lasse sich nicht durch die Ausleger ver- wirren, welche unter den »Heideii« die Welt oder die blos äußerlichen Christen, unter der heiligen Stadt aber die Kirche in ihren iichten, wahren Gliedern verstehen wollen, sondern erkenne hier den näheren Aufschluß des Errn zu seinem Wort in Luk. 21, 24: »und Jerusalem ( ie bisher heilige Stadt) wird zertreten werden von den Heiden (genauer: wird sein eine von Heiden zertretene), bis daß der Heiden Zeit erflillet wird (genauer: bis die Zeiten der Heiden werden erfüllet sein); er Zieht für diesen Zustand der Zertretung als Zeitmaß 4«’ Monate an, was, wenn gewöhnliche Monate gemeint wären, nur 3V, Jahr betra en würde, aber eben damit ist diese Auffassung sofort wi erlegt und sehen wir uns zu der andern hingetriebetu daß es sich hier nur um prophetische Monate handeln kann, d. h. um solche, wo, wie bei den Jahrwochen in Don. 9, 24 ff., ein Tag = l Jahr, ein Monat also 30 Jahre ist, so daß wir für 42 Monate die Summe von 1260 Jahren erhalten. Gleichwie nun bei den 70 Jahr- wochen des Daniel es daraus ankommt, den Zeitpunkt oder die richtige Jahreszahl zu finden, von wo an die- selben zu rechnen sind, um alsbald von der pünktlichen Erfüllung der Weissagung sich zu überzeugen, so auch hier bei en 42 Monaten oder 1260 Jahren; vom Jahr der Zerstörung Jerusalems an können wir nicht rechnen, es war auch in der Folgezeit die heil. Stadt nicht eigentlich zertreten von den Heiden, sondern vielmehr hochgeehrt durch die Christen, erst die Einnahme durch den Chalifen Omar im J. 637 n. Chr. hat diese Zer- tretung gebracht uud sie hat Jahrhundert über Jahr- hundert fort edauert trotz der Anstrengungen der Kreuz- züge, die tadt den Ungläubigen zu entreißen, was man mit diesen beabsichtigte, mußte eine fromme Täu- schung bleiben, weil nach dem Wort der Offenbarung erst nach 1260 von jenem Anfang an die Zertretimg ein Ende haben soll, d. i. um das J. 1897. Mit diesem Ende der Zertretung Jerusalems aber sollen nach Christi ausdrücklichem eugniß bei Lukas auch die Zeiten der Heiden sich erfü en, d. h. diejenigen Zeiten, während welcher das Reich Gottes von Jsrael genommen und den Heiden gegeben ist, daß sie seine Früchte bringen; das Sonnenweib, das 1260 prophettsche Tage oder ebenfoviel gewöhnliche Jahre in der Wüste ernähret worden an dem von Gott ihr bereiteten Ort, in der bisherigen Christenwelt (Ofsenb. 12, 6), ist nunmehr entbunden von dem Fluch der Verbannun und in die Stelle des ei entlichen Bundesvolks zurü getreten, was dagegen mit er bisherigen, aus den Heiden berufenen Christenheit geschieht, das sagt uns die Weissagun von den zween Zeugen (Ofsenb. l1, 3 sf.). Sie, in euen sich das chritliche Zeugenthum überhaupt, die Stimme und der Einfluß der Kirche darstellt, uud zwar in der- jenigen Zeit, wo Ansehen und Macht der Kirche am entscheidendsten gewesen, also daß Feuer aus ihrem Munde ging nnd ihre Feinde verzehrete und sie mit ihrem Bann den Himmel verschließen und mit ihrem Eingreifen in die Welthändel die Erde schlagen konnte mit allerlei Plage, so oft sie wollte; sie, diese zween Zeugen, in denen sich leise zugleich die Spaltung der Kirche des Abendlandes in zwei Theile (Moses und Elias —« katholische und evangelische Kirche) andeutet, haben nun ihr Zeugniß geendet, man wird einen Streit mit ihnen halten, und wird sie überwinden und wird sie tödten, doch ihre Leichname nicht lassen in Gräber legen, sondern dieselben liegen lassen aus der Gasse der großen Stadt, und wird sich freuen über ihnen und wohl leben und Geschenke unter einander senden—denn diese zween Propheten quäleten, die auf Erden wohnen. Wenn das 19te Jahrh. seinen Uebergang hält zum 20sten, in jener Shlvesteriiachy was wird es da für Toasie geben aus die ,, gewaltigen Geistessie e und die großen Errungenschaften« des scheidenden Jahzrhundertsl wie wird man fich freuen, das ,,Pfafsenthum« aus allen Gebieten des öffentlichen, gesellschaftlichen Lebens nun heraus edräugt, die eine Kirche gebunden und die andere sich vöäig dienstbar gemacht zu haben! und wie wird man dem neuen Jahrhundert entgegenjauchzem was nun erst dieses ,,Großes und Herrliches« bringen werde, nachdem die Geister ,,srei« geworden! Wer will be- hanpten, wir ,,raseten, die große Kunst mache uns rasend« (Apostg. 26, 24), indem wir also weissagen? Selbst diejenigen, die nichts von Gottes Wort wissen wollen und unsre Bibelanslegnng verachten, sie müssen sagen: ja, kommen wird und muß es so, wie hier gesagt, der Wind streicht schon lustig durch die Segel und bis zu den zwei letzten Jahren des jetzigen Säciilums wird unser Schiff das Land, dahin wir steuern, sicher erreicht haben; wir können uns die toastreiche Shlvesternacht zwischen 1899 u. 1900 durchaus nicht entgehen lassen, sie wird »ein gar zu herrliches Fest bringen! Aber siehe da, was wird’s dann geben, wenn man auch 1900 ge- schrieben hat und vor der Pforte des J. 1901 steht? Ein Jahr und zwei Jahr der neuen Aera, da die große Stadt, die da heißt geistlich die Sodoma und Eghpten, nun auch geistlich zur Stadt geworden, da unser HErr gekreuzigt ist, hat man im großen Flor der commer- ziellen und industriellen Zustände glücklich hinter sich; nnd wie die Eins sich bereits zur Zwei verdoppelt hat, so wird doch wohl, sollte man denken, die Zwei zu einer Vier sich verdoppeln, daß 1 -t— 2 -t— 4 =- 7 sei und auch das Reich des antichristlichen Zeitgeisies seine Jahr- wochen feiei·e, wie das Reich Christi nach solchen zählt. Nun, denken wird man’s wohl; aber Gottes Buch rechnet anders, das hat für die Herrschaft antichristlicheii Wesens ein- für allemal diese Reihe: 1 -i- 2 -t— V» und dann ist’s aus mit der Herrlichkeit, da wird denn auch das J. 1901 mitten inne durchbrechen werden. Man lese nur (Ossenb. 1l, 11): »Und nach dreien Tagen und einem halben fuhr in sie der Geist des Lebens aus Gott,« nämlich in die ertödteten Zeugen, deren Leich- name noch auf der Gasse liegen. Zunächst freilich sind es Andere, von denen das Gesagte gilt; zunächst werden diejenigen verdorreten Beine wieder lebendig, von denen in Hei. 37 geschrieben steht, daß der HErr zu seiner Die letzte Zeit wird die Weltmeiischen ebenso überraschen wie die Sündfluth Zeit einen Odem in sie bringen wolle und es unter i nen rauschen und sich regen soll; zunächst wird des Feigenbaums Zweig saftig und gewinnt Blätter, daran die Jünger des HErrii, welche in den Tagen der Trüb- sal sich nicht haben in den Irrthum verführen lassen, merken können, daß der Sommer nahe ist. Aber wenn nun die ertödteten Zeugen in diesen Andern auf ihre Füße treten,- wenn die Stimme vom Himmel ergeht: ,,Steiget heraufl« nnd die auf ihre Füße Tretenden steigen wirklich auf in den Himmel in einer Wolke, oder, um die Weissagnng von ihrer sinnbildlichen Hülle zu entkleiden, das an Christum gläubig werdende Israel vereinigt sich mit seinem Bräutigam nnd König und zieht nach Canaan, die Verheißung zu ererben — wird nicht eine Furcht fallen über die, so sie sehen? werden nicht ihre Feinde, welche den historischen Christus über Bord geworfen, um den idealen dasiir einzumischen, sich wundern, daß dieser historische Christus trotz aller Machtsprüche der wissenschaftlichen Forschung doch noch lebt? werden nicht die hohen Geister, welche das neue Haus von Werkstücken der Humanität mit dem Mörtel und der Tiinche der Civilisation erbaut, sich fragend an- sehen, wie es doch möglich sei, daß das alte, im ebil- deten Europa gänzlich abgerissene Haus der heiligen christlichen Kirche so auf einmal neu erstehe drüben in Asien auf heiligem Boden? und wird das nicht die erste Bresche schießen in alle Systeme und Theorieen, nach denen es mit der Bibel nichts ist, sondern allein die Forschnngen und Erfindungen des Menschengeiftes das Recht der Wahrheit und des Bestehens auf ihrer Seite haben, wenn der Nazarener gerade jetzt, wo seine Nie- derlage für immer entschieden zu sein schien, die stärkste Festung einnimmt und das fast 2 Jahrtausende lang wider ihn empörte Jsrael sich überwunden ihm zu Füßen legt? »Gebt mir mit einem einzigen Wort einen schlagenden Beweis für die Wahrheit und Unum- stößlichkeit dessen, was in der Bibel steht«, sagte eiii be- kannter Fürst einst zu einem seiner frommen nnd christ- gläubigen Offiziere; die Antwort darauf war: ,,Maje- stät, die Indem« Dieser schlagende Beweis wird denn noch einmal ein viel allgemeineres nnd tieferes Verftummen erregen, wenn man’s nun vor Augen sieht: ,,Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte vergehen nicht.« Wie viele gelehrte Commentare, wie viele in tausend und aber tausend Exemplaren verbrei- tete Bücher werden dann nichts weiter werth sein, als daß man sie in’s Feuer wirft; wie wird man sich schämen, von den Ergebnissen der biblischen Kritik, von denen. man jetzt so viel Aufhebens macht, auch nur noch ein Wort zu erwähnen, weil sie nun als bloße Ausge- burten menschlicheii Aberwitzes offenbar geworden! Die Bvllwerke und Befestigungen, die Anschläge und Höhen, welche sich jetzt so mächtig erheben wider die Erkennt- niß Gottes, so daß die gläubige Theologie ganz um- sonst an ihrer Verstörung arbeitet, wie Spreu vor dem Wind werden sie verstieben, wenn Christus sein gefangen Volk erlösen wird. Aber es kommt auch noch etwas hinterdrein; mit dem Stoß, den die Wissenschaft erlitten, ist es nicht genug, es gehört auch ein großes Erdbeben dazu, in Folge dessen der zehnte Theil der Stadt fallen wird, und die Ertödtung der siebentausend Namen der Menschen. Dann wird auch hier in Europa, auf dem Gebiet der alten Christenheit, den Leuten die Binde von den Augen fallen; sie werden erschrecken über das Haus, das sie sich erbaut hatten und das so viele und so vieles bei seinem Zusammensturz in Schutt und Asche begraben hat, und werden anfangen, dem Gott des Himmels wieder die Ehre zu geben, nachdem die Götter der Erde sie so schmählich betrogen haben. So wissen wir also, vor welcher Zeit wir stehen und wie wir zu dem, was 355 sie bringt, uns zu stellen haben; wir schwärmen nicht für eine neue Verfassung, als sollte von daher das Heil der Kirche kommen, und schreien uns nicht den Hals danach müde, weil sie zu lange zu verziehen scheint, wir zagen aber auch nicht, wenn, nachdem die lutherische Kirche ihr Bekenntniß und ihre Rechte hat hergeben müssen, auch die nnirte Kirche an die Reihe kommt, bis zuletzt der Begriff der· Kirche selber sich·auflöst und der große Haufe an die Stelle tritt. Es ist eben alles in Gottes vorbedachtem Rath beschlossen; aber nun schauen wir aus nach dem Feigenbaum und stellen unsre Rechnung darauf, wenn sein· Zweig saftig wird und Blätter ge- minnt, denn wir wissen, daß dann der Sommer kommt. Wir werden hernach noch von einer andern, um ein Jahrhundert späteren Zeit zu reden haben; aber schon für die hier dargelegte Periode haben die folgenden Worte des HErrn ihre Bedeutung, und begeben wir uns sofort an deren Erklärung. 37. Gleich aber [auch wenn Tag und Stunde einmal. enthüllt werden wird] wie es zu der Zeit Noä war swo ja ausdrücklich Gott zuvor gesagt hatte: ,,noch 120 Jahre« l. Mos. S, 3], also wird auch sein die Zukunft des Menschensohns swas nämlich die Sorglosigkeit nnd unbedachtsame Sicherheit der Menschen angesichts der ihnen be- vorstehenden Katasirophe betrisst]. 38. Denn gleichwie sie waren in den Tagen vor der Sicndsliith soder Sindstuth I. Mos. S, 17 Anm., so unbekümmert um das Heil ihrer Seele und so nur aus das Jrdische bedacht in den Tag hineinlebend, als könne es nie anders werden, denn es setzt ist]: sie Wen, sie tranken smit aller Behaglichkeit wie solche, die nichts zu befahren habenj, sie freieieii sivas männliche] nnd ließe« sich freien swas weibliche Personen waren, noch aus ein recht langes Leben sich einrichtend] bis an den Tag, da Noa zu der Arche eiiiging sden schon 7 Tage zuvor begonnenen Einzug vollendet hatte 1. M. 7, 13]; M. Und sie achtetetrs nicht sweder was ihnen Mit Ver Fkkst der 120 Tage gesagt war, noch was der Bau der Arche und der Einzug Noä in die- selbe ihnen vor die Augen malte], bis die Sünd- sluth kam nnd nahm sie alle sdurch Gottes Gericht] dahin; also wird auch sein die Zukunft des Men- schensohnö sdas mit derselben hereinbrechende Ge- richt bleibt den Leuten bis zum letzten entscheidenden Augenblick verborgen, und wenn es auch noch so deutlich angezeigt und vorbedentet worden, es über- rascht sie mitten in ihren alltäglichen Gewohnheiten und Beschäftigungeii Luk. 17, 26—30]. 40. Dann [wenn mit dem Gericht zugleich die Scheidung der bis daher durch gleiche äußere Lebensstellung mit einander Verbundenen nach Maß- gabe ihrer inneren Herzensstellung sich vollzieht] werden zween smännliche Personen] auf deni Felde sein seiner wie der andere mit Ackerarbeit beschäf- tigt]; einer wird [bei Sammlung der Auserwählten V. 311 angenommen, und der andere sals nicht zu denselben gehörig] wird verlassen [seinem nur irdischen 237 356 Evangelium Matthäi 24, 41—51. Jnteressen dienenden Treiben und dem daraus sich ergebenden endlichen Schicksal überlassen] werden. 41. Zwo sweibliche Personen oder Mägde] werden mahlen auf der Mühle [2. Mos 16, 24 D1nkn.]; eine wird angenommen, nnd die andere wird verlassen werden [Luk. 17, 34—36J. 42. Darum [um aus dem Gesagten eine Folgerung für euer Verhalten zu ziehen] wachet [und seid mit unablässigem Gebet für jede einzelne Stunde bereit Mark. 13, 33]; denn ihr wisset [selber bei dem, was euch noch über den Verlauf » der letzten Dinge geoffenbart werden wird] nicht, san was für einem Tage und] lvelche Stunde [dieses Tages, ob am Abend, oder zu Mitternacht, oder um den Hahnenschreh oder des Morgens Mark. is, 351 euer HErr kommen wird. 43. Das sollt ihr aber wissen [diese aus dem Nichtwissen der Stunde sich ergebende Nothwew digkeit beständiger Wachsamkeih um die es sich handelt, sollt ihr aus einemBeispiel des gewöhn- lichen Lebens in der Weise euch abnehmen]: Wenn ein Hausvater wüßte, welche Stunde [der NachtJ der Dieb [der da oorhat, bei ihm einzubrechen]- kommen wollte, so würde er ja szu eben dieser Stunde] wachen nnd nicht in sein Haus brechen lnssen [weil aber der Dieb ebensowohl zu dieser als zu jener Zeit der Nacht kommen kann, so bleibt ihm, wenn er nicht bestohlen sein will, nichts übrig, als für die ganze Nachtzeit eine Wache zu be- stellen] 44. Darum ldas Beispiel eines im Jrdischen vorsichtigeit Hausoaters aus eure geistlichen Ange- legenheiten übertragend] seid ihr auch [für jede ein- zelne Stunde] bereit; denn des Menfchen Sohn sder in Beziehung aus seinen Tag die Art und Weise eines Diebes befolgt l. Thess. 5, L; 2. Petri Z, 10; Offenb. 3, Z; 16, 151 wird kommen zu einer Stunde, da ihr nicht meiiiet sdaß er gerade setzt sich einstellen werde]. Um dieser Worte des HErrn willen hält man es geradezu für verboten, die Zeitangaben der Offenbarung, deren wir oben erwähnten, vor das Forum der Chro- nologie ziehe1i zu wollen und bestimmte Iahreszahlen daraus zu berechnen, wie wir gethan haben; vielmehr gehörten jene Zeitangaben lediglich in das Bereich der Symbolik inid müsse man deshalb sich begnügen, die geistliche, sinnbildliche Bedeutung derselben zu erforschen nnd klar zu legen, nur so könne der Satz, daß der Tag des HErrn kommen werde wie ein Dieb in der Nacht, unverletzt und die damit zufammenhängende Ermahnung zu beständiger Wachsanikeit in ihrem ganzen Ernste auf- recht erhalten werden. Dagegen haben wir nun gar manches einzuwenden: 1) Gerade diese Verflüchtigiing und Verallgemeineriing der Zeitangaben der Offenbarung schädigt die rechte Bereitschaft, indem sie der Meinung Raum läßt: ,,mein Herr kommt noch lange nicht« (V. 48); ,,nachdem die Väter entschlafen stnd, bleibt es alles, wie es von Anfang der Creatur gewesen ist« 2. Petri s, 4). Jrgendwie muß der Christ feine Be- rechnniigen für die Zukunft machen; sucht er nun dafür nicht seinen Anhalt in der Chronologie der Schrift, so steht er gar sehr in Gefahr, wie vorn der Schöpfun der Welt Jahrtausende vorzusehen, um die vermeintlics gesicherten Resultate der Erderforschung mit der Bibel m Einklang u bringen, so hinten der Entwickelung der Kirchengeschi te noch Jahrhunderte zu leihen, ehe das Ende der Dinge eintreten könne, um die großen Fort- schritte, von der das Geschlecht dieser Zeit träumt, unter- zubringen. 2) Wenn es uns auch gelungen wäre, was wir ja glauben, die Zeitangaben der Offenbarung richtig zu deuten nnd unsre Deutung mit einer gewissen Ueber- zeugungsmacht zu begründen, das wird nimmermehr obigen Worten des HErrn einen Eintrag thun; es wird unsre Berechnung und Auslegung höchstens einen Augen- blick Sensation erregen, vielleicht auch hier oder da den Widerspruch herausforderm zuletzt aber wird sich nie- mand weiter daran kehren, nur einzelnen Seelen etwa wird sie Trost und Aufrichtiing bringen. Den Leuten in den Tagen Noä war es ja auch gesagt, daß Gott noch eine Frist gegeben von 120 Jahren; der Archenbau nnd der Einzug in den Kasten predigte lauter noch als das Wort der Offenbarung, aber das hinderte durchaus nicht, daß man aß und trank, freiere und sich freien ließ, als ob die Welt ewig stünde, ja man trieb sein Wesen nun erst recht, um zu zeigen, wie wenig man sich von Noah’s ,,schwärmerischen Einfällen« incommo- diren lasse. B) Stehen die Zeitan aben einmal da in der Bibel, so müssen auch sie, wie a es, was die Schrift enthält, nütze sein zur Lehre, zur Strafe, zur Besserung, zur Züchtigiiug in der Gerechtigkeit; sowenig aber es ein bloßes Symbol gewesen ist, wenn Gott in Jer. 25,11 u. 29, 10 die Zeit der babylonischen Dienstbarkeit auf 70 Jahre bestimmte und in Dan. 9, 24 ff. die Zeit bis auf Christum zu 70 Jahrwochen bemaß , so wenig haben wir uns bei den apokalyptischen Zeitangabem wenn sie gleich allerdings ein Ausfluß der hl. Sytnbolik sind und sich genau innerhalb der Grenzen derselben halten, auf die sinnbildliche Bedeutung zu beschränken, sondern der HErr rechnet wirklich mit uns nach Jahres zahlen, wie auch die Geschichte feiner Kirche gar nicht anders als in gewöhnlichen, menschlichen Zeitperiodens verlaufen kann. 4) Es ist ganz klar und unwiderfpreclp lich, daß, nachdem mit Dan. 9, 24 ss. eine bestimmte prophetische Chronologie fitr die Zeit Christi begonnen hat, die Zeitangaben in Offenb. 1l———13 eine Fortsetzung dieses Anfangs sein müssen; das giebt sich schon äußer- lich zu erkennen. Gleichwie nämlich jene Daniekfche Chronologie aiis einem Knoten der 70 Jahre bei Jeremia fich entwickelt hat (vgl. Dan. 9, 1ss.) und die 70 Jahr- wochennur eine weitere Entfaltung der in den 70 Jahren enthaltenen göttlichen Meinung sind, so enthalten die 70 Jahrwochen ihrerseits wieder einen Knoten, indem die letzte derselben nur bis zu ihrer Mitte verfolgt ist, der Schluß der Weissagnng aber von der Verftörung der Stadt und des Heiligthums und von dem Wüstebleiben bis zum Ende des Streits sich nicht in den engen Rahmen der zweiten Hälfte dieser letzten Woche spannen läßt; diese zweite Hälfte vielmehr, die einen Zeitraum von ZU, Jahren = 42 Monaten oder 1260 Tagen umfaßt, muß nun ebenso zu 42 prophetifcheii Monaten oder 1265 prophetisihen Tagen sich ausdehnen, wie die 70 Jahre des Jereinia zu 70 Jahrwochen oder 7 X 70 Jahren bei Daniel sich ausgedehnt haben, um die weitere Zukunft auszufüllen. Zur besonderen Erklärung des vorliegenden Abschnitt-s der Rede Christi sei noch be- merkt, daß V. 37——41 von entscheidender Wichtigkeit sein werden bei Bekehrung der Juden; die folgenden Verse dagegen dürften ihre meiste Bedeutung für die Christenheit bei den in Offenb. 11, 13 geweissa ten Er- eignissen haben, in denen, wenn auch nicht sieht ar und zum letzten Gericht, dennoch des Menschen Sohn kommt Die Gleichnisse vom treuen und klugen Knecht und vom bösen Knechn 357 und von den Seinen erwartet, daß sie siir seine ukunft fich werden bereit und wachend zeigen. Damit a er soll natiirlich die entscheidende Wichtigkeit und ernste Be- deutung des Abschnitts flir die letzte und allerletzte Zeit nicht in Abrede gestellt sein; es kommt nur darauf an, daß wir nicht alles dem Geschlecht zur Zeit der Wieder- kunft Christi zum Weltgericht zuschiebem als hätten die, welche diese Zeit nicht erfahren, nur einen mittelbaren Antheil daran. 45. Welcher ist aber nun [der eben ausge- sprochenen Vorschrift: ,,seid bereit« gemäß, unter euch, meinen Jüngern, und euren Nachfolgern im Amte des Worts Apostg 6, 4; 1. Cor. 4, I] ein treuer und lluger Knecht, den Ha, was den empfangenen Annsauftrag betrifft] sein Herr ge- setzt hat über sein Gesinde, daß er ihnen sindem er das Wort der Wahrheit recht theilet 2. Tim. T, 151 zu rechter Zeit Speise gebe? sDoch ohne Zweifel der, der sich darin als einen rechtschasfe- nen und unsträflichen Arbeiter erzeiget und seinen Beruf unablässig und gewissenhast wahrnimmts 46. Selig der Knecht, wenn sein Herr snun auf einmal, ohne sein Eintreten in’s Haus zuvor merken zu lassen] kommt nnd findet ihn also thun [ganz und allein damit beschäftigt, dem Gesinde zu rischter Zeit Speise zu geben, alles Andre aber, daß er etwa sich selber pftege und versorge, bei Seite lassend]. 47. Wahrlich, ich sage euch, er wird ihn - [von dem geringeren Posten auf den höchstem den er»zn vergeben hat, erheben und] nber alle seine Gitter [zum Haushalter Las. 16, 1] seßen [weil er auch dafür der Treue und Gewissenhaftigkeit sich. zu ihm versehen kanns. Dies erste Gleichniß vom treuen und klugen Knecht meint vornehmlich die beamteten Diener des HErrn in feinem Hause oder seiner Gemeinde; zuerst wird be- schrieben des guten, rechten Knechtes Amtsauftrag, wie er ihn selber erkennt, dann seine Treue, die er in Aus- richtung desselben beobachtet, und zuletzt sein Lohn, den er dafür empfängt. Wer ist dieser treue und kluge Knecht, den ich Ietzt schildern will? so fragt der HErr weckend und tnahnend, auf daß jeder sich selbst frage: bin ich’s wohl? und zugleich bedeutet die Fra e (was Luther in Luk. 12, 42 ff. ganz richtig umschrie en hat: wie ein groß Ding ist es um einen folchen!): werden sich wohl viele finden, wenn der HErr kommt? ,,Treu und klug« — das Erste sieht voran, weil die rechte Klugheit des einfältig auf das Eine schauenden Herzens (Lnk. 12, 34) nur aus der Treue kommt, mit ihr Eins ist; doch mögen wir, soviel uns das noch fehlt, auch umgekehrt wenigstens ans Klugheit uns zur Treue trei en lassen. Die Speise, welche der über das Haus· esmde gesetzte Verwalter austheilenzsoT ist Christi ort; und da gilt es: dem seine Gebtihr unverbürgt- und nnverftilscht, weislich nnd getreulich nach Bediirfniß und Recht, zu rechter Zeit darreichen so, daß weder saumselig vorenthalten noch unltberlegt ausgeschiittet wird. Wen der HErr also thun findet, den preiset er selig: zunächst schon, weil er selig ist in dieser seiner That (Jak. 1, 25); sodann weil es ihm neue Seligkeit wird, von seinem HErrn also gefunden zu werden; endlich verheißt ihm der HErr damit eine große Pro- motion vom Wenigen zum Vielen: 1. Tini. Z, II. (Stier.) Abgebildet ift in dieser Erhebung zum höchsten Verwalter-Posten das Mitherrschen im Messiasreiche nach dem die zeitliche Treue und Klugheit im Dienste über« schwänglich vergeltenden Grade. (Meher.) 48. So aber jener [andere, dessen Vorkom- men leider so häufig, daß ich nicht erst zu fragen brauche: wer ist es wohl? sondern ihn als eine bekannte Erscheinung sogleich vorführen kanns, der [dem ersten entgegengesetztd böse Knecht [nämlich], wird [weil ihm der Dienst in seinem Amte nichts gilt, sondern er nur darauf bedacht ist, wie er die damit verbundene Machtbefugniß und den davon abfallenden Gewinn möge ausnutzen] in seinem Herzen sagen: Mein Herr kommt noch lange nicht sdaß ich mich vor einem Ueberraschtwerden in der Art, wie ich mein Amt führe, zu fürchten hätte]; 49. Und fcihet [dann, meinend, er habe noch Zeit genug vor sich, sein Verhalten alsdann wie- der einzusiellem wenn keine Ertappung dabei ihm gefährlich werden könnte] an zu schlagen seine Mit- knechte [sowohl seine treueren und gewissenhafteren Amtsgenossen, daß sie ihm bei seinem Thun und Treiben nicht hinderlich in den Weg treten, als auch die Knechte und Mägde des Hauses selber, denen er zu rechter Zeit ihre Gebühr geben sollte, daß sie darnach nicht verlangen sollenL isset nnd trinket snun, indem er das ihm Anvertraute zum Mittel schwelgerischer Ueppigkeit verwendet] mit den Ttunlenen [die er theils unter dem Gesinde selber ausfindig zu machen weiß, theils von der Straße in das Hans hereinholtsz so. So wird der Herr desselbigen Kuechts kommen an dem Tage, deß er sich nicht versiehet [daß da schon die Wiederkunft geschehen werde], und zu der Stunde, die er sseiner Berechnung V. 48 gemäß] nicht meiner, 51. Und wird ihn zerscheitern sals Opfer schwersten Zornes mit der Säge mitten von ein- ander schneiden 2, Sam. 12, 31 Anm.], und wird ihm [was das weitere Geschick für die Zukunft be- trifftJ seinen Lohn geben mit den Heuchlern sihm seine Stelle da anweisen, wo die Heuchler sind, als deren einer er damit sich erwiesen, daß er bei seiner Anstellung Gutes versprach und auch bei der Ankunft des Herrn sich diesem unter dem Schein der Psiichttreue darzustellen gedachte, wäh- rend doch gleich anfangs sein Herz frivol war und er seines Herrn als eines solchen spottete, der leicht zu betrügen sei]. Da [wo er dann sein Theil empfängt, nämlich in der Hdlles wird sein Heulen und Zahnllappen [Kap. 8, 12; 13, 42; 22, 13; Lin. te, 35—48]. Es ift ganz richtig, daß, wie v. Oosterzee bemerkt, die ganze Kirchengeschichte die Bilder solcher Unwiirdigen uns anfzeigt, und der Geist dieser ganzen Warnung schon in den Vriesen des Apostel Petrus durchstrahlt (vgl. 1. P. 5, Z; 2. P. Z, 3); ebenso läßt sich nicht in Abrede stellen, daß, wie P. Lange darauf hinweist, der große historische Gegensatz der Jnquisttionen nnd der 358 Evangelium Matthäi 25, 1-—4; Jndulgenzen hier ziemlich nahe tritt und der böse Knecht an einen erinnert, dessen Gesinnung neben spöttelndem Unglauben die Selbstbethörung ist, er müsse bei dem langen Ausbleiben des HErrn das ganze Hausregiment an sich nehmen. Gleichwie aber zu dieser unsrer Zeit in der kathol. Kirche das röm. Papstthum im Verein mit denen, die dasselbe beherrschen, durch Vergewaltigung des Episcopats zur Durchsetzung der vaticanifchen De- krete und durch Unterwerfung der Gewissen unter seine absolute Auctorität mittels Provocation und eventueller Excommunikation das ,,Schlagen der Mitktiechte« im allerbezeichnendsteit Sinne ausübt, so fehlt es daran in der evangel. Kirche schon jetzt nicht, nur daß der Bütteh dessen manvorerst sich noch bedient, die ziigellose Presse ist, bis die soviel begehrte neue Verfassung selber die Mittel und Wege an die Hand giebt, alles wahre Zeugenthum miindtodt zu machen, die, welche auf Erden wohnen und von den zween Propheten stch gequält fühlen, zur Herrschaft zu bringen und das Zeitalter, welches wir oben nach Offenb. 11, 7—1O charakterisirtem herbeizuführen. Ein Vorgeslihl davon, daß es so kom- men wird, ist wohl znmeist der Beweggrund der n- rtickhaltung ewesen, womit man das öfter in Aus icht Gestellte der? immer wieder verzögert hat. Wenn es dann endlich in die Erscheinung tritt, wird es fiir’s Erste nicht riede und Heil bringen, sondern zur Auf- lösung der irche führen; hat aber Osfenb. 11, 13 sich erfüllt, dann allerdings wird es feinen Segen haben für die regenerirte Kirche. Das 25. Kapitel. Von zehn Jungfrauen, neriraueten Gentucca, und sängsieni geruht. (Evanget"iuin am 27. Sonntage nach Crinitatigsh Das Ende aller Dinge ist nahe; der HErr wird bald kommen, um seine Braut, die heil. Kirche, heim- zuführen gut« Freude des ewigen Hochzeitmahles Die Stunde a er» da er kommen wird, ist uns verborgen; sie wird heretnbrechen, ehe wir’s vermuthen. Darau mahnt uns das Evangelium von den zehn Jung- frauen: wir sollen, wie die klugen Jungfrauen, allezeit Oel bereit halten, daß wir den HErrn, wenn er kommt, mit brennenden Lampen und mit Freuden empfangen können; nur wer bereit ist, wird mit dem HErrn zur ewigen Freude eingehen. (Diefsenbach.) Das Gleichniß von den zehn Jungfrauen ist nicht der Schluß der großen eschatologischen Rede Jesu Christi, diesen haben wir vielmehr in dem EvangeL des vorigen Sonntags ver- nommen; aber die evang. Kirche, indem sie beide Texte umstellte, hat sicherlich nicht die Anlage des Vortrags Jesu verbessern wollen, sie hat bei der Umstellung ein rein praktisches Jnteresse verfolgt. Es schließt ja mit dem Kirchenjahr nicht die Gefchichte der Kirche, wir wandern aus dem alten Gnadeniahre in ein neues, wir stehen jetzt wieder an einer solchen Grenzscheide und sind dem Ende aller Dinge wieder allgemach näher gekommen; unsre Perikape paßt nun vortrefflich für diesen Sonntag. Daß wieder ein neues Jahr kommt uud nicht gleich das Ende eintritt, könnte uns leichtfinnig und träge machen; darum heißt es heute ,,wacheil« Unsere Lebens- zeit, die ganze Kirchenzeit ist nichts anders als ein Warten auf den HErrn, als ein ihm Entgegengehen. (Nebe.) Das Kirchenjahr begann im Advent mit dem Kommen des HErrn, und schließt heute mit der Bot- schaft: ,,da kam der Bräutigam« es begann mit dem Einzuge Christi in’s irdische Jerusalem, und schließt heute mit dem Einzuge seiner Gläubi en in’s himmlische Jerusalem; es begann mit dem Ho ianna feines Volks aus Erden, und schließt mit dem Lobgesange der klugen Jungfrauen im Himmel; es begann mit der Erklärung: »weil wir solches wissen, nämlich die Zeit, daß die Stunde da ist aufzustehen vom Schlaf« und schließt mit der Mahnung; ,,darum machet, denn ihr wisset weder Tag noch Stunde, in welcher des Menschen Sohn kommen wird« Unsere Bereitschast auf den Tag des HErrm l) was uns dann allein durchhilft, 2) was uns dann nicht mehr durchziihelfen vermag. (Fr. Arndt.) 1. Dann [wenn des Menschen Sohn kommt, um in der Hof. 2, 19 f. verheißenen Weise mit feinem Volke sich aufs Neue zu vermählen] wird das Himmelreich gleich fein fes mit dem Him- melreich, das er bis dahin in seiner Kirche auf Erden gegründet, sich verhalten wie mit] zehn Jungfrauen [bei einer gewöhnlichen menschlichen Hochzeit], die sum die Abendzeih wo nun nach landesüblicher Sitte Richn 14, 11 Anm. die Feier geschehen sollte] ihre Lampen sdie sie schon in Bereitfchaft gestellt, nämlich Fackelstangen mit einer Lampe am oberen Ende, zur Hand] nahmen und gingen aus [indem sie zunächst nach der Wohnung der Braut sich begaben, dort aber sich fertig halten wollten], dem Bräutigam [in festlichem Zuge] entgegen fzu gehen, sobald seine Ankunft gemeldet werden würde V. 6, und ihn in den Hochzeitsfaal bei den Eltern der Braut herzugeleitens Z. Aber fiinf unter ihnen sdie an und für sich ein und denselben Beruf empfangen und ganz das nämliche Ziel vor Augen hatten] waren thörirht ldaß sie ihren Beruf und ihr Ziel nicht in der rechten Weise wahrnahmen], und fünf dagegen waren klug [und verstunden sich auf ihren Vortheils s. Die thörichten nahmen ihre Lampen [als wäre das schon genug], aber sie nahmen nicht Oel faußer dem, welches auf die Lampen schon gegossen war, in einem besonderen Gefäß zum Vorrath] mit sich fweil der Glanz ihres gegenwärtigen Standes den Gedanken an einen künftigen Mangel gar nicht bei ihnen aufkommen lie . 4. Die klugen aber [die durch den augen- blicklichen hellen Schein der Lampen sich nicht tänfchen ließen, sondern vor allen Dingen daran dachten, wie sie denselben für die Stunde der Ent- fcheidung sich sichern möchtens nahmen Oel in ihren Gefiißem sammt ihren Lampen [von denen ste nun erst wußten, daß ste auf alle Fälle ihnen nützen würden] Man verfchließt sich von vornherein dasjenige Ver- stllndniß dieses Gleichnifses, bei welchem alle einzelnen Punkte zu ihrem Rechte kommen, und geräth in unver- meidliche Verwirrung hinein, die bei vielem nicht weiß, was sie damit anfangen soll, wenn man hier schon an Christi Zukunft zum Weltgericht denkt und an die letzte Das Gleichniß von den zehn Jungfrauen. Entscheidung über ewige Seligkeit und Verdammniß; einen so scharfen Lohn, wie den in V. 46 gemeldeten: »sie werden in die ewige Pein geben«, empfangen die thöriihten Jungfrauen ja keineswegs, sondern sie werden blos von der Mitfeier der Hochzeit als nicht dazu e- hörig ausgesihlossem und wenn gleich das nicht vö ig entscheidend ist, so hat man doch kein Recht, einerseits die Verschiedenheit der Brautjungsern von der Braut zu ignoriren oder zu verdunkeln, und andrerseits über die Schwierigkeit, welche an esichts des erscheinenden Welten- richters der Rath der lagen Jungfrauen in V. 9, die wirkliche Befolgung dessel en von Seiten der thörichten in V. 10 und dann deren nachträgliches Kommen mit Oel in V. 11 bereitet, mit ein Paar oberflächlichen Be- merkungen sich hinwegzusetzen, außerdem aber ist zu beach- ten die gleichmäßige Theilung (5 u. 5) sowie der Umstand, daß der Bräutigam nicht sowohl die Braut in s eine Be- hausung heimholt, um dort die Vermählung mit ihr zu vollziehen, als vielmehr zu ihr kommt und die Hoch eit daselbst hält (Richt. 14, 10). Ohne Zweifel hat Stier das Richtige geahnt, indem er schreibt: »wenn man aus Pf. 45, 14 ff. zurücksiehh niöchte sich ergeben, daß die eigentliche Braut das zuletzt wiedergebrachteIsrael ist, die Jungfrauen aber die ihm angeschlosfenen Völker oder die Gemeinden aus der HeidenweltÆ Es spielt ja die endliche Wiederbringung Jsraels eine so große Rolle bei den Propheten, daß es ganz unerklärlich wäre, wenn der HErr in dieser seiner großen Weissa- gnngsrede zwar so deutlich und bestimmt von Jsraels Verwerfung, aber nicht auch von dessen fchließlicher Wiederannahme irgendwie, nicht einmal mittelbar, pro- phezeit hätte. Und so verstehen wir denn unter seiner Zukunft, die er hier im Sinne hat, diejenige, die sich nach dem, was wir schon im vor. Kap. bemerkt haben, in Offenb. 11, 1l ff. andeutet. Daß die aus den Heiden- christen gesammelte Kirche von dieser Wiedervermählung Christi mit dem ursprün lichen Volke seines Eigenthums einen großen, reichen gewinn haben werde, bezeugt St. Paulus ausdrlicklich in Rönu 11, 25., wo man (auders als Luther) zu übersetzen hat: ,,So ihr (der Juden) Verwerfung der (Heiden-) Welt Versöhnung (gewesen) ift (daß diese in Folge»der nun an sie si wendenden Botschaft des Evan elu L. Cor. 5, 20 aus ihrer feindseligen Stellung zu ott heraus- und in das Verhältniß von Kindern zu ihm eingetretreten ist), was (wird dann folgerichtig, da größere Ursachen auch größere Wirkungen hervorbringen) ihre Wiederannahme anders (für eben diese Welt seit? als ein Leben aus den Todten daß sie uämlich zum Le en wiedergelangt, nachdem sie ereits dem Tode verfallen war)?« Ueber dieses dem Tode Verfallen der aus den Heiden gesammelten Kirche des Abendlandes giebt Ossenb. 11, 7—10 Ausschluß; wir haben schon darüber gesprochen, wie es in unsrer Zeit sich zu vollziehen anfängt durch die Lösung des erhältnisses zwischen Staat und Kirche, wodurch die letztere zu einem bloßen Leichnam auf den Gassen der großen Stadt wird , so daß sie zwar den Namen nach fortexisiirt, aber keine Lebensäußerung mehr von sich eben darf, während ersterer das ganze Gebiet des Hölkerlebens für sich in Beschlag nimmt und es nach rein humanistischen, lediglich auf die Ausnutziing des Erdendaseins berechneten Grundsätzen beherrscht. Beide Kirchen zugleich, die katholische wie die evangelische, trifft dieser tödtliche Schlag, wie es jetzt am Tage ist; werden sie aber auch beide es sein, die von-dem Wie- derlebendigwerden der zween Zeugen sin der Wieder- bringnng Jsraels den Segen der eigenen Wiederbele- bung aus den Todten, den Segen einer Regeneratiom wie er in Offb.11, 13 in Aussicht gestellt wird, haben? Schon Starke in seinem Bibelwer macht einen schüch- 359 ternen Versuch , die beiden Hälften der 10 Jungfrauen auf die röm.-katholische und auf die evangelische Kirche zu beziehen; doch macht ihn der Umstand noch unent- schlossen, daß er jene erstere Kirche unter der babhlonis schen Hure sich vorzustellen gewöhnt ist, hier ja aber von Jungfrauen die Rede sei. Da müssen wir nun nach dem Verlauf der Gesichte in der Offenbarung darauf aufmerksam machen, daß Babylons und ihrer Hurerei erst später (von Kap. 14 an) gedacht wird, bis zu der Zeit also, um die es hier sich handelt, die kath. Kirche keineswegs das Recht verwirlt hat, unter den Jungfrauen, die aus den Bräutigam warten, mitzu- zählen (Ephes. 4, 5); aber das eben ist ihr heilloser Schade, daß sie nur ihre Lampen genommen, doch für Oel in den Gefäßen nicht gesorgt hat. Sie ist stolz auf ihren christlichen Namen und erhebt den Anspruch, die wahre und alleinseligniacheiide Kirche zu sein, sie ver- meint, in ihrem o ersten Bischof einen Stellvertreter Christi und ein untriigliches Organ des heil. Geistes zu besitzen, nnd bezieht ohne Weiteres alle Verheißungen des Evaiigelii aus sich als ihr ausschließlich geltend; dabei aber steht sie zu der heil. Schrift in einem Ver- hältniß, bei welchem sie nicht als lernende und heils- begierige Schülerin zu den Füßen des Meisters sitzt, wie Maria von Bethanien, sondern mit ihren Traditio- nen und Satzungen sich über die Schrift erhebt, daß diese nichts anders sagen darf, als was sie ihr zuläßt, womit eine eigene Forschung, ein unmittelbares Schöpfen aus dem Heilsbrunnen und ein Wachsen in der Gnade und Erkenntniß unsers HErrn und Heilandes Jesu Christi eiu für alle Mal nnmöglich gemacht ist. Wir« haben da ein recht deutliches Bild der thörichten, selbst- enugsamen und für die entscheidenden Ereignisse der ietzt bereits im Anzug begrissenen Endzeit nicht ver- sorgten Jun stauen. Schon der Sturz der weltliihen Herrschaft i res Oberhauptes hat die katholische Welt ganz außer sich gebracht und sie hält die Wiederher- stellung dieser Herrschaft für ebenso heilsnothivendig und zukunftsgewiß, als für den gekreuzigten Christus die Auferweckung am dritten Tage gewesen; da es in der Entwickelung des Staatslebens nun gegenwärtig zu der Ertödtung der zween Zeugen kommen soll, ist man Päpst- liiherseits flugs bei der Hand, ein Reich, das die Er- scheinung des antichristisihen Reichs noch aufzuhalten bestimmt gewesen, für dies autichristische Reich selber auszugeben, indem man die Weissagung von dem ohne Hände abgerissene1i Stein, der den Koloß an seine Füße schlägt und sie zermalmt (Dan. Z, 31 fs.), auf dasselbe überträgt, und weiß nicht, daß man vielmehr mit sei- nen eigenen Doctrinen dem Antichrist, der da ist ein Widerwärtiger und sich überhebt über alles, das Gott oder Gottesdienst heißt it. (2. Thefs. L, 4), den Weg bereitet; vollends aber, wenn nun das Geschrei zu Mit- ternacht ertönen wird: »scehe, der Bräutigam kommt, gehet aus ihm entgegen ,« wenn es in den verdorreten Beinen Jsraels rauschen und sich regen wird, nnd die Gebeine wieder zusammen kommen und Adern und Fleisch darauf wachsen und sich mit Haut überziehen und Odem in sie kommt, daß sie wieder lebendig werden und sich auf ihre Füße richten (Hes. 87, 7 sf.) , wenn der HErr aus seinen 144,000 Auserwählten sich eine neue ionsgemeinde errichtet und ihr in der That und Wahr eit alles das zu eigen schenkt, was die römische Kirche von den göttlichen Verheißungen durch Anticipation (Vorausnahme) an sich gerissen (Osfenb. 14, l fs.), dann werden völlig ihre Lampen verlösihen, daß sie nicht mit hinaus kann, dem Bräutigam entgegenzuzieherc ihre glänzende Herrlichkeit ist dahin. Es wird sich dann auch zeigen, was der HErr mit dem Zuge des Gleich- nisses gemeint hat (V. 8 sf.), da die thörichten Jungfrauen 360 zu den klugen sprachem ,,gebt uns von euerm Oel« (wie auch dies aus den Sinn der kathol Kirche weist, s. zu V. 12l, diese sie aber an die Krämer verwei en und jene nun über dem Kaufen die rechte Zeit ver äumenz wir sind eben keine Propheten, welche die Zu::unst schauen, fon- dern nur Ausle er, welche die Gegenwart in das Licht des göttlichen Wortes stellen. Aber das läßt sich aus dem Worte Christi: »ich kenne euer nicht« schon jetzt verstehen, daß es nur um Jahrzehnte noch sich handelt, wo die fünf thörichten Jungfrauen ihre Rolle ausge- spielt haben und nun an die Reihe der Erfüllung das Wort kommt (Offenb. 14, 6——8): ,,sie ist gefallen , sie ist gefallen, Babylon die große-Stadt.« —- Nachdem wir so unser eigen Versländniß von der nä sien und unmittelbaren Meinung des Gleichnisses übersichtlich dargelegt haben, werden wir bei der weiteren Auslegung andere Erklärer nach Maßgabe der gewöhnlichen Auf- fassung reden lassen. Wir nehmen aber zuvor die bis- herberläuterten Verse noch einmal auf, um ein Ganzes zu ieten. 1. Dann sbei der Zukunft des Menschenfohns] wird das Himmel« eh gleich ein fdurch das, was sich da be- geben wird, sich vergleichen] zehn Jungfrauen [darunter alle diejenigen Seelen in der Gemeinde zu verstehen sind, die fich nicht der Welt und ihrem Fürsten, fon- dern dem HErrn und feiner Kirche ergeben], die ihre Lampen sder reinen und gesunden Lehre des göttlichen Wortes gemäß ihre Herzen mit Buße und Glauben zurichtend und mit dem Oel des heil. Geistes sie füllend] nnd gingen aus [von den Andern, den todten Namenchristen], dem Brciuti an! entgegen [um ttber alle Hindernisse weg zu ihm indurchzudringem dessen Erscheinung sie lieb hatten 2. Tim. 4, 8 . Schalle, miichte man sagen, daß dies köstliche Evan- gelium auf deu letzten Trinitatisfonntag nur in so selte- nen Jahren auf die Kanzel kommt, wie dieser Sonntag selber oft Jahre lang nicht Platz findet im Kalender. Und doch andererseits, es ist techt und gut so; dem wun- derbar fchönen Gleichnisfe von den zehn Jungfrauen bleibt auf diese Art etwas von seiner jungfräulirhen Frische, von feinem geheimnißvollen Helldunkeh und wenn’s dann nach Jahren wieder einmal in der Ge- meinde zum Vorschein kommt, so ist’s uns frisch wie eine unberührte Frucht, von welcher der Dust noch nicht abgewischt ist, und neu wie ein kostbares Kleinod, das nur selten aus dem Schrank hervorgeholt wird zu an- dächtiger Betrachtung. — Zehn Jungfrauen führt uns hier der Heiland vor, die im Geleite der Braut den Bräutigam erwarten, wenn er nach der Sitte des Mor- genlandes am Abend mit seinen reunden kommt, seine Verlobte abznholen und in sein aus einzuführen zum fröhlichen Hochzeitsmahl Ein freundliches Bild, das da vor uns aufgerollt wird, eine liebliche Gesellschafy in die der HErr uns einführt! Da ist keiu gewifsenloser Knecht, wie im niichstvorhergehenden Gleichniß, der pslichtvergessen im Haufe handthiert, weil sein Herr ver- zeucht n kommen; da ist auch kein sitteuloses, ungläu- biges eschlecht, das im leichtfertigen Sündenleben der kommenden Gerichte spottet, wie die Leute zu Noah’s Zeit vor der Sündfluth, woran der HErr kurz zuvor erinnert hat. Nein, da sind Jungfrauen, also zarte Seelen, denen es ein Ernst ist zu verleugnen das un- giittliche Wesen und die weltlichen Lüste und ziichtig, gerecht und gottselig zu leben in dieser Welt; Braut- xungfern sind’s, Freundinnen der Braut, die da ist die Kirche des HErrn, also fromme Seelen, die sich in Glaube, Liebe und Hoffnung anschließen an die Gemeinde des HErrm (Gerok.) Zehn ist die Zahl der Fitlle und Vollendungx das Zahlensystem ist dekadifch(1.Mos. 31, 7 Anm.), es ist die Zehn alsv die allumfassende, Evangelium Matthäi 25, 5-—9. alles in feiner Vollendung darstellende Zahl, daher 10 Gebote, 10 Saiten auf dem Psalter. Zehn gehörten zu einer Synagogenversammlung zehn zu einem Leichen- zug, zehn auch zur Einführung der Braut. (Nebe.) Die Jungfrauen nehmen in ihre Hände Lampen oder Hochzeitsfackelm angefüllt mit Oel, daß sie hell brennen und auf dem Wege ihnen leuchten: die Lampen sind die erzen, und das Oel ist die durch den heil. Geist in die Zerzen ausgegossene Buße und Sündenerkenntniß. Ohne Buße kein Glaube, ohne Buße kein Wachsthum im Glauben und in der Liebe zum HErrn, kein lebendiger Gebetsumgang mit ihm, keine Salbung von Oben her, keine Versie elun mit dem heil. Geist aus zden Tag der Erlösung, ein andel im Himmel, kein Tempel des heil. Geistes in der Seele! Es gilt im Christenthum nicht blos die Frage: »gluubst du an den Sohn Gottes?« auch nicht blos die Frage: ,,Simon Johanna, hast du mich lieb?« sondern auch die dritte Frage: ,,habt ihr den heil. Geist empfangen und beweist ihr das durch das tägliche Kleiners und Detnüthigerwerden in euch selbst?« (Fr. Arndt.) Die lammen, das sieht gleich jeder, das ist das Herz, wel es in der Liebe zu Christo brennt; ja solche Herzen will er haben, wenn er kommt, die- selben bereiten ihm die allerschönste Erleuchtung und lassen niemand sehen als ihn, der allein fehenswerth ist. Worauf brennen aber die Flammen? brennen sie nicht auf den Lampen? und woher kommt die Liebe zu ChristoP ruhet sie nicht auf dem Glauben an ihn, kommt sie nicht her aus dem Glauben? was bedeuten die Lampen an- ders als den Glauben? Doch brennen die Lampen nicht von sich selber, sie müssen auch mit Oel gespeist werden; also muß auch der Glaube seine Nahrung haben, näm- lich den heil. Geist haben, welcher die Liebe in unser Herz ausgießt, sonst ist der Glaube kalt und todt. (Münkel.) Das Oel sind die öttlichen Lebenskräfta aus Gottes Wort immer neu ges öpft, im Gebet immer frisch ersteht, in Buße und Selbstprüfnng fleißig gesichtet und gereinigt, durch Uebung und Erfahrung täglich ver- mehrt und ereichert (Gerok.) » Z. Aber funs unter ihnen waren thoricht snach der hergebrachten Lesart des Grundtextes, gegen welche aber die von Luther beobachtete den Vorzug verdient: klugL nnd funf waren llng snach der hergebrachten Lesart: thörich»t]. Z. Die Thorichlen [um welche es hauptsächlich sich handelt wegen der Warnung am Schluß V. 13 nahmen ihre flieh: allerdings ganz hell brennenden Lampen; aber e nahmen nicht [in besonderen Gefäßen Oel mit sich [zum Nachgießen, wenn das in den Lalipiipen xllpefJndliche bei längerem Verzug auf die Neige ge en so te . 4. Die Klagen aber swelche auf die Möglichkeit eines Ver u s sich beizeiten einrichtetenj nahmen Oel in ihren eiäßeih sammt ihren sdurch die getroffene Vorsorgs erst nun einen Werth habenden] Lampen. Ein erk ist’s, welches die 10 Jungfrauen vor- haben, ein Ziel ist’s, welchem sie entgegensirebem sie haben einen Glauben, eine Liebe, eine Hoffnung; glaubend, liebend, hoffend gehen sie Hand in Hand dem Bräutigam entgegen. Dennoch aber besteht unter diesen Engverbundenen nnd Engbefreundeten ein gewalti er Unterschied: auch die Seelen, welche von der Welt ich abgesondert haben, gehören nicht alle zu Einer Klasse; fünf von ihnen waren klug und fünf thörichn Die Fünfzahl -ist die gebrochene Zahl; so heißt ,,slinfe — fttnfe« s. v. a. die einen, die andern: schwerlich will der HErr andeuten, daß ebenoviel thörichte als kluge Christen von ihm werden erunden werden am Tage seiner Zutun t. (Nebe.) Der Gegensatz ift sehr zu beachten, daß für ie thörichteii Jungfrauen das Nehmen 36I Den fünf thörichten Jungfrauen fehlt das Oel des heil. Geistes. der Lampen die Hauptsache war, für die klugen aber das Nehmen des Oels in den Gefäßen; die thörichten werden damit zugleich als zerstreute, eitle, auf den Schein fehende und wohl auch als ansänglich aufgeregt- eilfertige Jungfrauen bezeichnen (P. Lauge.) Ihr Ber- derben war der zu geringe Vorrath an Oel, die Sicher- heit der Ueberzeuguns es stehe gut mit ihnen und fehle ihnen nichts mehr, sie brauchten nicht mehr bange zu fein um ihre Seligke»t, die Vernachlässigung der Gnaden- mittel, um das Glaubens- und Geistesöl in ihrem Herzen zu unterhalten und zu mehren, die versäumte Uebung zum Wachsthum im Glauben, in der Liebe, im Gebet und in der täglichen Erneuerung und HeiliZtng, oder mit andern Worten, der Mangel der täglichen uße und Selbsterniedrignng Mit Necht lautete Luther’s erste These: ,,Da unser Meister und HErr Jesus Christus sprüht: thut Buße! will er, daß das ganze Leben seiner Gläubigen auf Erden eine stete und unaufhörliche Buße fein soll.« Wer blos einmal Buße thut am Anfang seiner Bekehrung und sie nicht täglich vor Gott erneuen, wird bald die Stockungen des geistlichen Lebens in sich wahrnehmen. (Fr. Arndt.) Wie das Oel in der Lampe fortwährend nachgefüllt werden muß, so müssen wir beständig aus der Gnadenfülle Christi schöpfen, wir müssen in lebendiger Verbindung mit dem Himmel bleiben, wir müssen stets um den heil. Geist bitten, ihn suchen und in uns aufnehmen; wir müssen unser Herz fortwährend in solchem Stand erhalten, daß der gute Geist darin wohnen und seine Gaben vermehren kann. Wir dürfen nie stille stehn; denn wer im geistlichen Leben nicht vorwärts schreitet, wird ganz gewiß Rück- fchritte machen, wer nicht darauf bedacht ist, immer reicher zu werden, wird verarmen wie das Oel in der Lampe unvermerkt und unaufhaltsam abnimmt und ver- zehrt wird. Bift du dir keiner Bosheit bewußt und keiner hauptsächlichen Sünde, so bist du darum noch nicht stcher; denn das, wodurch die Jungfrauen zu spät kommen, an der verschlossenen Thür vergeblich anklopfen und das Wort hören mußten: »ich kenne euch nicht,« wird nicht Bosheit genannt, nicht Unreinheit, sondern Thorheit Also Thorheit, Unbedachtsamkeiy Gleichgiltigs keit, Sorglosigkeit ist es, wodurch wir nach Empfang der höchsten Gnade und schon so nahe dem Ziel uns ein so schweres Urtheil zuziehen können, daß wir bei der Zukunft des HErrn, während Andere aufgenommen werden, zurückbletben müssen und die uns zugedachte himmlische Krone verlieren. (Thiersch.) Die thörichten Jungfrauen glaubten schon ergriffen zu haben, das ist ihre Thorheit; sie sind fertig mit dem Werke, das bringt sie um den Anfang des Werkes. Das dagegen war die Klugheit der andern, daß sie sich nicht aus ihren Glauben und ihre Liebe oder auf "i r geiftiges Leben verließen, sondern sich auch mit den nadenmittelu, dem Worte Gottes und den heil. Sacramenten ver« orgteu. Glaube und Liebe sind manchem Wechsel ausge«etzt; heute steht es gut damit, morgen können sie auf die Neige gehen, und über’s Jahr ist vielleicht kein Körnlein, kein Fünk- lein mehr davon vorhanden. Soll es mit uns dahin nicht kommen, so müssen wir uns an Gottes Wort halten, dasselbe hören, lernen, betrachten, damit beständig umgehen und es in unserm Herzen bewegen, wo wir gehen und stehen; dann fließen uns immer vom Neuen die Gaben und Kräfte des heil. Geistes zu zur Stärkung und Erhaltung unsers inwendigen Menschen. (Münkel.) Die Pilger zum Himmel wandeln, zwar, wie es scheint, einander gleich, sind aber doch auch in ihrem Wesen verschieden: bei den einen erfaßt das Herz den Glauben und bei den andern der Glaube das Herz; das vom Glauben ergriffene Herz steht in feinem Dienst, während dort der Glaube uach dem Herzen sich richten soll. (Horter.) Z. Da nun der Bräutigam smit seiner Ankunft] iiorzog, wurden sie»al·le sdie klugen sowohl wie die thörichtenj schlafrtg und ent- schliefen snickten erst ein und verfielen zuletzt tn festen Schlaf]. · · · · Jn freudiger Erregung und mit jubilirenden Stim- men sind die Brautjungfern ausgegangen; aber je länger der Bräutigam auf sich warten läßt, der da kommen oll, desto mehr ermattet die Sehnsucht ihrer Herzen, ie werden träge und müde, das Haupt fängt un zu inken und zu nicken, und bald liegen sie in festem Schlafe allesammn (Nebe.) Weil die klugen sogut wie die thörichten schläfrig wurden, so muß die Schläfrigkeit etwas sein, was die Klugheit nicht ausschloß, den Mangel des Geistes nicht herbeiführt; das Schläfrigwerden ist also nicht Erschlaffen des Christenthums, sondern das Nachlafsen in der bestimmten Erwartung der ganz nahe bevorstehenden Zukunft Christi. Diese Erwartung nahm aus begreiflichen Gründen mit den Jahrhunderten ab, und sie findet sich jetzt keineswegs bei allen gläubigen Christen, von denen wohl keiner so leicht glaubt, daß noch wir den jüngsten Tag erleben werden. (Heubner.) Mit Beziehung auf die Ermahnung in Kap. 25, 42., die in V. 13 unsers Kapitels als Spitze der Erzählung noch einmal herausgehoben wird, ist das Einschlafen als Ueberwundenwerden von einer Versuchung zu betrachten. (Olshaufen.) Diese Verfuchung tritt ein, wenn die Aus- breitung des Weltgeistes so überhand nimmt, daß es den Schein gewinnt, als falle die Geschichte der Kirche dem gemeinen Welt- und Naturlaufe anheim, als werde das Himmelreich nicht vollendet im Gericht und in der Verklärung der Welt, als werde Christus nicht kommen oder wiederkommen; die Gläubigen werden in einer solchen Zeit mehr als je versucht, das Gefühl, mitten in der Vorbereitung zur Hochzeit zu stehen, zu verlieren und den Beruf, die Festlichkeit des Werks ihres HErrn zu vertreten, allmälig aufzugeben. (P. Lauge.) Je mehr der Teufel Gewalt gewinnt und die Zeichen des Endes sieh mehren, desto ängstlicher und sieberhafter wird die Erwartung des HErrn fein (Jrvingianer); und wenn er dann immer noch nicht kommt, wird der leidenschaft- liche Zustand in Ermattung, Stumpfheit und Gleichs giltigkeit übergehen» (L. Harms.) is. Zur Mitternacht aber lipo das tiefste Dunkel herrscht] ward ein Geschrei svon Seiten der den Bräutigam begleitenden Freunde, welches dann in der stillen Nacht sich weit genug oerbreitete]: Siehe, der Brautigam kommt; gehet aus [ihr Jungfrauen] ihm entgegen. 7. Da stunden diese Jungfrauen kvom Schla»f sich rasch emporrassendj alle auf und schmuckten [mit Reinigung von den Schnuppeii und Emporziehung des nur matt noch glimmendeu Dochtsj ihre Lampen. 8. Die thorikhten aber swelche mit Schrecken gewahr wurden, daß dieses Schmücken wegen des zur Neige gegangenen Oels ihnen doch nichts helfe] sprachen zu den klagen: Gebt uns setwasj von eurem Oele; denn unsre Lampen ver- loschen [sind eben im Begriff zu verlöschen, wenn ihnen nicht nachgegossen wird]». I. Da antworteten die klugen kauch hier ihre Klugheit durch richtige Erkeniitniß dessen, was ihnen noththat und jenen vielleicht noch helfen könne, 362 Evangelium Matthäi 25, 10—-14. bewähreiid] und sprachen: Nicht also [von unserm Oel geben wir euch fchlechterdings nicht], auf daß nicht [wie das bei einer solchen Theilung im entfcheidenden Augenblick der Fall fein würde] uns und euch gebreche fund auch unsre Lampen ichließlich noch verlöfcheuh Gehet aber fhier im Ort] hin zu den Kramern und kaufet für euch felbst [da möglicherweise euch noch soviel Zeit bleibt, bis zur Ankunft des Bräutigams wieder zur Stelle zu fein]. · 10. Und da fie [dem Rathe folgend] hin- gingen zu kaufen, kam sinzwifchew noch ehe sie wieder zurück sein konnten] der Brautigam sder seine Ankunft, nachdem er vordem sie hingehalten, ietzt absichtlich beschleniiigte]; und welche [von den zehn Jungfrauen V. l] bereit waren snämlich diejenigen fünf, welche Oel insihren Gesäßen mit sich genommen sammt ihren Lampen V. 4, so daß letztere jetzt wieder mit frischem Glanze leuchteten und sie mit denselben dem Bräutigam noch ein gut Stück· Weges hatten entgegenziehen können], gingen mit ihm hinein zur Hochzeit [in’s Haus der Braut, wo die Hochzeit gehalten werden sollte], und die Thür sum die, welche nicht dazu zuge- lassen werden sollten, fern zu halten] ward Ver- schlossen. · · · · 11. Zuletzt [spaterhin, als die Feier fchon im vollen Gange war] kamen auch die andern Jungfrauen sihrem Vediinken nach nun ebensalls bereit] und sprachen: Herr, Herr, thu uns auf sdenn aiich wir gehören zu denen, die da aus«- gegangen waren, dir entgegen V. l]. 12. Er [der Bräutigam] antwortete aber [von drinnen heraus, ohne ihne·ii die Thür zu össnen]: Wahrlich, ich sage euch, ich kenne euer kdie ihr wohl ausgegangen, mir entgegen, aber dann doch mir nicht entgegengekommen seid, sondern die Zeit der Begegnung versäumt habt] nicht sbetrachte euch vielmehr als Fremde, die nicht hier herein- gehören] · · · Gewiß ist, daß die Stunde, wo die Leute am festesten zu schlafen-pslegen, hier nanientlich eine Zeit bedeutet, wo man die Wiederkunft Christi am wenigsten erwartet. Von wem wird daiin das Geschrei erschalleu? Jeden- falls wird es eine kurz vorausgehende, laut redende Ankündigung sein, wenn wir auch nicht bestimmen kön- nen, von welcher Art. (Redenbacher.)· Es ist des HErrn Gnade und Geduld, daß er die Gemeinde nicht plötzlich überraschen will, darum läßt er das Gesihrei vorangehen; nun hat sie Zeit, sich aufzuraffen und sich zu bereiten, sie mag aber daraus lernen, was das Wort sagt: »die Güte des HErrn ist es, daß wir nicht Gcziar aus sind.« Was sie selig macht, das ist, daß seine üte größer ist als ihre Treue und Wachsamkeit (Münkel.) Der HErr deutet an, daß er dennoch, obgleich der vorherrsche·1id allgemeine Zustand ein Scblasen heißen mag , für ein- zelne Wächter aus Jerusalems Mauern (Jes. 62, 5 ff.) gnädiglich sorgen wird, welche nicht schlafen; ·denn blos den heil. Geist zu verstehen gehet nicht an, weil derselbe doch seine inenchlichen Sprecher haben muß. (Stier.) Sind es nicht thörichte Jungfrauen, die da sagen: ,,gebet uns von eurem Oel?« Die klugen wollen mit ihrer Antwort sagen: wir find dessen, so ihr von uns verlangt, selbst benöthigtx alles, was wir haben, wird fiir uns selbst kaum hinlänglich befunden werden. (Starke.) Es giebt keine Heiligen, die uns mit ihrer tiberslüssigen Ge- rechtigkeit aushelsen könnten; so wenig ein Mensch von seiner Klugheit, Kenntnissen, Geschick, Kunstfertigkeit, Leibeskraft einem Andern etwas schenken kann, so wenig kann einer dem andern etwas abgeben von seiner Ge- rechtigkeit. (G. Lang) Die klugen Jung-reinen ant- worten den thörichten nicht als ihöriihte, ondern als wirklich kluge Jungfrauen; es ist also ver-ehlt, wenn man den guten Rath, welchen sie ertheilen, als einen verkehrten darftellt, wie oft geschieht, und ebenfo unan- gemessen ist es, mit Augustin sich einzureden, ihr Wort sei nicht ein Rath, sondern ein Spott. Die thörichten Jungfrauen schniiicken in diesem Augenblick alles Ernstes eifrigst ihre Lampen, um vor dem kommenden HErrn mit Ehren zu bestehen: sollten die klugen nur ein bei- ßendes, verletzendes Witz- und Spottwort für diese Ge- ängsteten übrig haben? in dem Augenblicke, wo auch ihr Herz erbebt vor der schrecklicheii Majestät des kommen- den Bräutigams, da sollten sie spotten können ihrer un- glückseligen Freundinnen? Es könnte dann nie ein Funke von Liebe zu diesen in ihnen gewesen sein; eine tiefe Wehmuth hat vielmehr ihr Herz überfallen, da sie von ihren thörichten Freundinnen deren furchtbare Lage erfahren, der Schmerz zerreißt ihnen die Seele, daher haben ihre Worte auch etwas von dieser Färbung, denn ihre Rede ist abgebrochen, dem Drang des Augenblicks entsprechend und den Herzensdruck offenbarend. (Nebe.) Wenn fchon in der Bitte der thörirhten Jungfrauen: ,,gebt uns von eiierm Oel« eine Hindeutung auf die- jenige Kirche (die, welche äußerlich im Vortheil vor den anderen scheint, wie auch V.2 die thörichten Jung- frauen vor den andern steheii), welche es zu einem ihrer Glaubenssätze gemacht hat, daß man von dem Schatze der überschüssigen guten Werke der Heiligen zehren könne, nicht zu verkennen ist, so treibt der ihnen ertheilte Rath der klugen Jungfrauen, welche weder ein verkehrter noch ein spöttischer sein kann, volleuds mit Gewalt dazu, das Gleichniß in dem oben zu V. 4 angegebenen Sinne zu verstehen; bei der herkömmlichen Auffassung weis; man damit, namentlich aber mit dem naihherigen wirklichen Hingehen der thörichten Jungfrauen zu den Krämern nichts anzufangen, daß man entweder eine bloße Aus- schmückung des Gleichnisses ohne eigentlich geistliche Be- deutung darin erblickt, oder zu so bedenklichen Ausbeu- tungen sich verleiten läßt, wie z; B. die folgenden sind: »Wie oft schicken Sterbeude zu ihren Seelsorgern und bitten um ihre Fiirbitte, um Vorlesungen aus der heil. Schrift, um Tröstungen aus dem Worte Gottes und das heil. Abendmahl; aber wenn auch die herzbewegendsten Gebete gesprochen, wenn auch ganze Kapitel aus der Bibel vorgelesen, wenn auch die beruhigendsten Trost- fprüche aus der göttliihen Schatzkammer hervorgehen, wenn auch die Beichte und die Absolution noch so be- wegt abgelegt und das heil. Abendmahl noch so feierlich gereicht wird, es ist zu spät; die Zeit ist zu kurz, um das verfinsterte Herz noch zu erleuchten ixiit dem Licht der Lebendigen und die ermattete Seele zu neuem Leben zu entflammen; ehe noch das Wort Gottes sahen und Eingang finden kann, hat die kalte Hand des Todes die Seele vom Leibe getrennt« Sollte dies die Meinung des Textes sein, so müßte es heißen, daß sie, indem sie hingiu en zu den Krämern, deren Thüren verschlossen oder i ren Vorrath erschöpft fanden und kein Oel mehr kaufen konnten; sie bekommen aber wirklich Oel und kommen nun doch noch mit brennenden Lampen, dagegen sind die Thüren des Hochzeithauses verschlossen, und Die Vergeltung trifft nicht nur den Träger des Amts, sondern auch die Gemeinde felbst. 363 lediglich das, daß ihre Lampen erst brennen, naihdem die Zeit der Einholung des Bräutigams vorbei und die Hochzeitfeier selber angegangen ist, zieht ihnen die Aus- schließung zu. Es ist ja freilich richtig, daß in der letzten Stunde, wenn fchon der Tod kommt, wenig Be- kehrung von der Art des Schächers (Lnk. 23, 42) mehr statt findet, und oft, was als solche erscheint, doch mehr nach der Art der Esaus-Buße (1. Mof. 27, 34) gestaltet ist; richtig, daß die Sehnsucht nach dem Himmel nicht kommen darf aus der unbestimmten Begier nach einem glückseligen Zustande oder aus Furcht vor der Hölle, auch nicht ans dem bloßen Verlangen nach dem Wie- derfehen unsrer Lieben, sondern aus der Sehnsucht nach dem Bräutigam. Aber alle diese Wahrheiten ergeben sich ja doch nur abgeleiteter Weise aus dem, was der Heiland sagt, d. h. indem man deren eigentliche Mei- nung nicht zu ergründen oder mit Nücksicht auf das Verftändniß der Leser und Zuhörer nicht zu erörtern vermag und darum auf etwas eingehen muß, was neben dem Wege liegt. Jn dem Ansgange des Gleichnisfes, schreibt Stier, liegen prophetische Winke verschlossen, die erst die Zukunft entsiegeln wird; und P. Lange bemerkt: man muß anerkennen, daß dieses Gleichniß noch wie das nächstfolgende und die vorherige Gleich- nißrede zuvörderft ein hiftorisches Gericht schildert, wel- ches das letzte Endgericht einleitet, aber noch nicht dieses selber völlig abschließt. 13. Darum [weil zur Hochzeit nur ange- nommen wird, wer bei der Ankunft des Bräutigams sich als bereit ersinden läßt V. 10] wachet [und forget für eine Bereitschafn die auf eine lange und nicht, wie die der thörichten Jungfrauen, auf eine kurze Wartezeit berechnet ists; denn ihr tvisset »Weder Tag noch Stunde, in welcher des Menschen Sohn kommen wird. Der hier wiederholte Spruch (Kap.24,42) bestätigt, daß mit der Zukunft des Menschensohnes nicht die zum Weltgericht gemeint ist, sondern die zur Wiederannahme und Wiederhersiellung Jsraelsx das Gleichniß von den 10 Jungfrauen zeigt uns ebenso das Geschick der beiden Theile der aus der Heidenwelt gesammelten Kirche, das einerseits in Annahme, andrerseits in Verlaffenwerden besteht, wie ein solches Geschick in den Sentenzen B. 40 u. 41 von den beiden Theilen des bis dahin eine ge- schlossene Einheit bildenden und in gleichen Lebensver- hältnissen stehenden Juden-Volkes , von den Ver- siegelten und der großen Menge der Andern, ver- kündigt worden. Während das erste Gleichniß oder Gleichnißwort (Kap. 24, 45 ff.) die Vergeltung bezog auf das Amt in der Gemeinde, das zweite (V. 1——12) auf die Gemeinde selbst im Großen und Ganzen, tritt in dem nun (V. 14—30) folgenden Gleichniß die Idee der Vergeltung als Vergeltung gegen den einzelnen Christen bestimmter hervor. Sodann wird hier die Forderung der Wachsamkeit, welche schon im vorigen Gleichniß die Jnnerlichkeit stark betont hat (V. 13), zu einer Forderung anhaltender, unermüdlicher Glau- benstreue und Wirksamkeit im Segen des Geistes Christi. Was das Berhältniß dieser Parabel zu der ähnlichen in Lnk. 19, 12 ff. betrifft, so ist es zu ver- gleichen mit dem Verhältniß der Parabel von der Hoch- eit des Kiinigssohns (Kap. 22 , 2 ff.) zu der ähnlichen äiarabel von dem großen Gastmahl (Luk. 14, 16 ss.). Auch hier dürfen wir uns durch den Schein der Gleich- heit nicht zu der Berkennung der Thatsache verleiten lassen, daß wir es mit einer durchaus neuen und an- dern Parabel zu thun haben. Die Unterschiede: 1) ver- schiedenes Motiv. Bei Lukas will Jesus die Erwar- tung, daß Christi Erscheinung im chronologischen Sinne bald oder jetzt gleich komme, niederfchlagen, bei Matthäus will er die Erwartung, daß sie im reli- giösen Sinne bald komme, beleben. Z) Dort ist der Herr ein Hochgeborner, der ein Königreich einnehmen solt, hier ist er einfach ein Besitzey dort ist das Fern- fein des Herrn Raumferne, hier Zeitferne; dort sind der Knechte 10 (die Zahl des ganzen Weltlaufs), hier sind der Knechte 3 (die Zahl des Geiftes). Dort er- halten alle Knechte jeder 1 Pfund — ohne Zweifel das Eine gleiche Zeugenamh hier erhält der erste Knecht 5 Talente, der zweite 2 und der dritte 1 - also in- dividuell verschiedene Begabung , verschiedenes Maß der Geistes- und Gnadengabe; dort steht der Gewinn nicht im Berhältniß zu den Psunden (10 Pfund aus Einem, 5 Pfund aus Einem, weil der Segen des Amtes ganz unberechenbar sein kann), hier ist der Gewinn der Gabe proportionirt (5 Pfund aus fünf, 2 aus zwei, weil die Geiltesgabe als solche nur einen objectiven Segen haben kann nach ihrem subjectiven Maß); dort bewahrt der letzte Knecht das Eine Pfund, das ihn allen andern gleichstelltz im Schweißtuch, das er uatürlich bei diesem Verhalten nicht braucht (Andeutung der Faulheit), hier vergräbt er es in die Erde (Andeutung der Verkehrung der Geistesgabe in den Dienst des Sinnlithen und Ir- dischen); dort ist der Lohn der Treue ein erweitertes Berufsleben (dem geführten Amte gemäß ein Gesetzt- werden über 10 nnd über 5Städte), hier ein Eingehen zu der Freude des HErrn sder Treue im Geistesleben gemäß); dort wird der faule Knecht nur dadurch be- straft, daß ihm das Pfund genommen wird sEntsetzung aus dem Amte), hier wird er hinaus-geworfen in die» äußerste Finsterniß lverurtheilt zur geistigen Pein); dort schließt das Gleichniß damit ab, daß sich der Hochge- borene in den König verwandelt, der seine aufrührerifchen Unterthanen bestraft, hier schließt das Gleichniß mit dem Rechts-verfahren des Gutsherrn ab, der König tritt aber um so herrlicher in dem letzten Gleichniß (V. 31 ff.) hervor. (P. Lange.) Jm Gegensatz zu den gewöhnlichen Ansichten glauben wir, daß das Gleichniß von den Eentnern bei Matth. als eine weitere Ausführung des bei Luk. vorliegenden von den Pfund en angesehen werden müsse, nicht umgekehrt. Hier (bei Luk.) ist ja die Arbeit für alle Knechte gleich, dort (bei Matth.) be- steht Verschiedenheit der Talente: hier wird dem Knechte nur Belohnung , dort mit der Belohnung ein ausführ- liches Lob ertheilt; hier wird nur ein beschämender Ver- lust, dort auch ein entfetzliches Gericht die Strafe des faulen Knechts — Gründe genug zu der Annahme, daß wirklich das Gleichniß von den Pfunden (bei Luk.) dem von den Centnern (bei Matth.) voraus-gegangen sein muß. (v. Oosterzee.) Unser Gleichniß von den Centnern tritt durch ein ,,Denn«, womit es im Grundtcxt beginnt, in genaue Beziehung zu dem Vorangegangenem weil es der Hauptsache nach ebenfalls zu der Bestärkung von V. 13 dient: ,,Darum wachet!« (v. Burgen) 14. Gleichwie ein Mensch kein Gutsbesitzer unter den Menschen, es macht], der saus irgend welchem Grunde für längere unbestimmte Zeit] uber Land szieht, so auch des Menschen Sohn zu- nächst bei seinem Hingange, um es dann bei seiner Wiederkunft zu machen, wie jener bei feiner Wie: derkehr B. 19 ff. Derselbe nun, bevor er hinweg] zog, rief seinen sdurch die Aufnahme in seinen Hausstand ihm eigen gewordenen] Knechlen svon denen er, da sie ihm nicht fremde Personen waren, 364 Evangelium Matthäi 25, 15—24. wie die Wechsler in V. 27, erwarten konnte, daß sie ausschließlich in seinem Jnteresse wirthschasten wurden] nnd that ihnen seine Güter swas er» an baarem Gelde besaß] ein sum damit durch Handel und Erwerb möglichst großen Gewinn ihm zu ver- schaffen] Beim Beginn der Rede lag es in der Absicht, das ganze Gleichniß an das ,,Gleichwie« anzureihen und am Ende einen Nachsatz mit »also« (etwa: also wird auch sein die Zukunft des Menschensohns) folgen zu lassen (Mark. 13, 34), was aber bei der weiteren Ausführung des Gleichnisses unterbleiben mußte (Röni. 5, 12 sf.); man nennt diese Redeweise ein Ananiapodotoiy eine Rede ohne Nachsatz tMeyerJ Was ist gemeiner als das dem Säen und Ernten in der Natur (V. 24) ent- sprechende Handeln und Erwerben in dem menschlichen Verkehr, das Geldtnacheiy wie der Nordamerikaner fein einzig treibendes Lebensprincip bezeichnet? Der HErr scheuet stch nicht vor der Verunreinigiing, welche Geiz, Ei ennutz und Sünde gewiß auch damals dran gehängt haben, läßt sich dadurch nicht abhalten, vielmehr an- treiben, gerade von dieser irdischen Klugheit und Treue fein himmlisches Gleichniß zu nehmen. Wie in Liil.19 die ähnliche Parabel eng in den Zusammenhan mit V. 11 u. 28 stch fügt, so steht sie hier nicht min er in der engsten Verbindung, um das prophetische »bald« in Kahn. 24, 29 durch ,,lange Zeit« (V. 19) zu erklären. (Stier.) 15. Und einem [dem ersten unter den dreien] gab ei? [bei diesem Einthun oder Uebertragen sei- ner Güter zum selbstthiitigen Geschäftemachenj fuuf Centner sTalente = 13,090 Thlr.]- dem andern zween [= 5,236 Thlr.], dem dritten einen k- 2,618 Thle 2. Mos so, 13 Anm.], einem jeden nach seinem sihm eigenen] Vermogen [nach der ihm beiwohnenden Tüchtigkeit, je nachdem er mehr oder weniger zu verwalten und nutzbar an- zuwenden befähigt war], Und zog snachdem er diese Vertheilung vorgenommen] bald hinweg [ohne sich länger aufzuhalten, daß das Werk der Knechte nun sofort beginnen sollte]. Nicht alle find gleich befähigt, aber es wird auch nicht allen die gleiche Ausgabe estellt; der HErr weiß, was er einem jeden zumuthen ann, das wird ihm auch übertragen, nicht mehr, aber auch nichtwenigeu (v.Burger.) Der Mensch ist Christus; er zog über Land, d. i. er fuhr gen Himmel und entzog dadurch seiner Kirche eine Zeit lang seine sichtbare Gegenwart. (Fr. Arnd.) Auf instruktibe Offenbarung folgt ein ebenso instruktives Schweigen, und nachdem Gott neue Lebensanlagen organisirt, neues Kapital dargeliehen hat, folgt immer zur Erprobung der menschlichen Verwendung ein Weg- ziehen. (Beck.) Jn Luk. ·19 fordert der HErr zehn seiner Knechte; das entspricht den zehn Jungfrauen. Er giebt den zehn 10 Pfund, also einem jeden soviel als dem andern, die Knechte stehen sich alle gleich; damit bekämpft der Erlöser den Ehrgeiz der Apostel und Jiinger damals, aber der Eifer und die rechte Venutzung der Umstände erhandelt einen größeren Gewinn und bringt Unterschied unter die Knechte, und zu diesem Wetteifer will eben der HErr anregen. Das Pfund oder das bei allen gleiche Kapital ist die Wahrheit des Evan e- liums, die an ihnen selbst und an Andern Frucht, Zinsen schaffen soll: je größer der Eifer, je höher die Zinsen. Wenn dagegen an unsrer Stelle der HErr seine Güter verschieden austheilt, einem jeden nach seinem Vermögen, so sind die C entner nicht innere Gaben, sondern die weiteren und engeren und geringsten Wirkung-Streife. Verschieden werden die Knechte bedacht zu jeder Zeit, und doch sind sie sich gleich: der Starke trägt an seiner Last nicht schwerer, als das Kind an der seinen; jeder hat nach seiner Kraft, der ersten Gnadengabe des Schös pfers, an diese schließt sich an, was Gott sonst giebt. Die beiden Gleichnisse heben zwei Seiten einer und der- selben Wahrheit hervor, diese in das rechte Licht zu stellen, und sie ist: die Treue der Gesinnung giebt vor Gott allein Werth. Der Wirkungskreis ist entschieden nach den Gaben des Menschen und der Aufgabe der Zeit, er ist eine Last, die Gott berechnet nach der Kraft dessen, dem er sie auslegtx also stehen sich alle gleich vor Gott, und nur Treue oder Untreue macht den Un- terschied. Die Gabe ist das Evangelium, die Erkennt· niß Christi, christliche Erkenntniß und Wahrheit; die hat jeder, auch zu verhältnißmiißig gleichen Theilen, aber es läßt nicht jeder in derselben Kraft und Reinheit, als er die Erkenntnis; und Wahrheit hat, sie aus sich und Andre wirken, und das macht auch Unterschiede, die nicht fein sollten. (Braune.) 16. Da ging der hin, der fünf Centner ein- psangen hatte, und handelte mit deiiselbigen smachte Handels- und andere Geschäfte damit] und gewann [im Laufe der Zeit] andere fnnf Centner [so daß das ihm anvertrauete Kapital sich nun verdoppelt hatte] 17. Desgleichen auch, der zween Centner ein- pfaiigeii hatte, gewann auch zween Centner sauch bei ihm warf das Kapital einen der aufgewendeten Summe entsprechenden Gewinn ab , verschieden nur der Größe, aber nicht dem Verhältniß nach]. 18. Der , aber einen sCentnerj empfangen hatte, ging hm «[von Haus aus entschlossen, sich nicht erst damit zu bemühen] und machte eine Grube in die Erde nnd verbarg seines Herrn Geld [von dem er doch hätte wissen müssen, daß es nicht als todtes, unsruchtbares Kapital dürfe liegen gelassen werden]. Wie hoch hat uns der HErr estellt durch Anver- trauung seiner Centner und Gaben welche Liebe und Achtung hat er uns gefallenen Sündern dadurch be- wiesen, daß ei« es nicht verschmäht, uns zu Werkzeugen seines Reiches zu gebrauchen, da er gleichsam nicht selbst handeln, sondern durch uns handeln will, um uns An· theil zu gönnen an seinem Werk, Seelen zu retten fiir das ewige Leben, Antheil zu gönnen an der Freude und Seligkeit der En ei, wenn ein Sttiider Buße thut! O fühlet die hohe iirde, fühlet den ganzen Adel und den erhabenen Austrag eurer Bestimmungi Und einer sol- chen uiiverdieuten Ehre ewürdigh geniiget nun auch mit ganzer Seele, soviel ihr vermögen der euch gewor- denen Aufforderung, treu zu sein, bei allem, was ihr thut, des HErrn Ehre zu suchen und das Heil der Menschen, bei allem aufzublicken, wie treue Knechte und Mägde, aus die Augen eures unaussprechlich gnädigen und barmherzi en HErrm um im Geringften wie im Größten und ichtigsten bewährt erfunden zu werden. Niemand aber beneide Andere um der größeren, ihnen verliehenen Gaben und Kräfte willen. Ach, wißt ihr denn nicht: je mehr Gaben, je größer die Verantwor- tung und Rechenschaft? und je mehr Gaben, je mehr Versuchungem sie zu inißbrauchen zum Eigennutz und Auch jedem einzelnen Christen wird vergolten. 365 ur Sünde, und statt für Gott, sie egen Gott und sein eieh zu kehren? Wie oft haben ochbegabte S(hrift- steiler ihre gewandte Rede gemißbraucht zum Lobe der Ueppigkeit und zur Verfiihrung der Unfchuld; wie oft haben tiefe Denker ihre Geifteskraft geschiindet im Dienste der Gottlosigkeit und haben Aufruhr gepredigt und Gott gelästert und das Heili ste mit eklem Witz besudelt; wie oft haben Klinstler ihre schöpferische Ein- bildnngskraft verbraucht zu niedrigen Gebüden heidni- scher, stindiger Luft; wie oft haben einflußreiche Lehrer dur schalen, leichtfertigeu Spott die jugendlichen Ge- müt er zeitlebens um ihren Glauben, ihren Frieden, ihre Tugend gebracht; wie oft der Kaufmann und Hand: werter seine Klugheit und Geschäftskenntniß zum Be- truge seiner Brüder verwendet! O wenn der kluge Geist einem bösen Herzen dient, nicht zu sagen ist es, was für Unheil er in der bürgerlichen Gesellfchaft an- richtet, welche Berheerungen von ihm tiber das Leben ganzer Familien, ganzer Städte, Länder und Zeiten sich ergießen! O wie vieles, was in der Welt groß ge- nannt wird, ist entsetzlich klein vor Gott! wie vieles, was die thörichten und eitlen Menscheii bewundern, be- singen, vergöttern, hat niemals zur Förderung des Reiches Gottes gedient, sondern das Reich der Finfier- niß verbreitet! Darum verachte niemand seinen ge- ringen Stand und beneide niemand die Hochgestellten und Hochbe abten: wer außerordentlich ausgestattet ist von dem H rrn, hat so wenig Urfach darauf stolz zu sein, als derjenige, der wenig empfangen hat, Grund hat zu verzagen und zu verzweifeln. Zwei unter den Knechten hier waren treu; sie sahen sich um nach Ge- legenheit, mit dem Gelde zu wachem, sie scheueten keine Mühe, keinen vergeblichen Weg, keine kostbare Zeit, und es gelang ihrer angestrengten Thätigkeih das ihnen an- vertraute Gut um das Doppelte zu vermehren. Der Dritte aber, dem nur ein Ceutner anvertrauet war, unstreitig, weil es ihm an Geschick und Kraft fehlte, mehr zu übersehen und zu verwalten, hat auch mit diesem einen Centner nichts anzufangen gewußt; er hat aus Furcht und Trägheit denselben verborgen gehalten; das Gut ist ihm mehr eine Last als ein Segen gewesen, uud er hat nichts mit demselben gethan, weder Andern damit gedient, noch seinem Herrn etwas eingetragen. (Fr. Arndt.) Man thut diesem Knecht zu viel, wenn man einen ganz Abgefallenen in ihm sieht; das ist er nicht, so lange er sein Talent noch besitzn Aber man behandelt ihn auch zu freundlich, glaubt seinem eigenen falschen Wort V. 25 mehr als dem Herzensklindigey der es nicht gelten läßt, wenn man ihn blos für einen ängstlichen Charakter hält, der das Hingehen zum Han- deln und Werden gescheut, in falscher Demuth sich gar zu wenig zugetraut hätte. Des HErrn Urtheil giebt ihm den rechten Hauptnamem der alle seine Schuld be- greift: »du fauler Knechtl« Freilich braucht der geist- lich Faule Mühe genug, das ihn zur Thiitigkeit mah- nende Talent sicher aufzuheben, wie er meint, um es gegen Verlust und Diebstahl zu sihtttzen; im Grunde aber verbirgt er’s vor seinen eigenen Augen und be- geht selber einen Diebstahl an seines Herrn Gut, dessen Mehrung er schuldig ist. (Stier.) is. Ueber eine lange Zeit sfeit seinem Weg- zuge V. 151 tam der Herr dieser Knechte swiederj und hielt Rechenschaft mit ihnen swie sie das an- traute Gut verwaltet hätten]. P. Da [als zuerst vorgefordert] trat herzu, der funs Centner empfangen hatte, und legte saußer denselben] andere funs Centner dar und sprach [mit jener Freudigkeit, wie sie aus einem guten Gewissen entspringt l. Joh. 3 , 21]: Herr, du hast mir funs Centner [bei deinem Weggange ein-s gethan soder übergeben]; siehe da, ich habe damit andere funs Centner [zu ihnen hinzu-J gewonnen. 21. Da sprach sein HErr zu ihm: Ei [d. i. gut oder schön], du frommer [mit rechter Ehr- erbietung gegen mich erfüllter] und getreuer [auch in rechtem Verhalten in Beziehung auf das dir anvertrauete Gut erfundener] Knecht, du bist lnach Maßgabe der noch beschränkten »Ver- hältnisse meines bisherigen Hausstandes] · uder wenigem getreu gewesen; ich will dich [in den neuen, überaus herrlichen Verhältnissem die nun folgen] uber viel sehen; gehe [demnach, um in diesen höheren Wirkungskreis überzutretenj ein zu deines Herrn Freude [die er zuvor iich selbst errungen, um jetzt auch die Seinen ihrer theilhaftig zu machen Hebt. 12, r; 1. Petri 1, 8; 4,13;Joh.14, Z; is, 11; 2.Tim. 2, 11 22. Da trat [im weitern Verlauf des Rechen- schafthaltens von Seiten des Herrn] auch herzu, der zween Centuer empfangen hatte, und sprach [indem er noch andere zween Centner darlegte]: Herr, du haft mir zween Centner gethan; siehe da, ich habe mit denselben fund zu ihnen hinzu] zween andere gewonnen. » » 23. Sein Herr sprach zu ihm [gleichwie zu dem ersten V. 2»1]: Ei, du frommer und getreuer Knecht, du bist »aber wenigem getreu gewesen; ich will dich iiber viel sehen; gehe ein zu deines Herrn Freude. Das zugesprochene Lob und die damit verbundene Zusage lautet bei den zwei ersten Knechten vollkommen gleich, weil ihre Treue gleich war. (v. Burgen) Gott als der HErr kann das, was er anoertrauet, wohl wenig nennen gegen das, was er sonst hat und was er uns dagegen geben will; wir aber dürfen es nicht ge- ring achten. (Starke.) Wahrlich, nicht des Vortheils und Erwerbs wegen, sondern um die Knechte zu prüfen und die Bewährten selig machen zu können, hat dieser Herr die Talente vertheilt, wie in Kp. 20 die Arbeiter gedungen, um ihnen Arbeitslohn zuzuwenden; darum empfangen auch die verschieden Begabten bei gleicher Treue doch dasselbe Lob — nicht: du hast viel er- worden! sondern: du bist iiber Wenigem getreu ge- wesen! (Stier.) ,,Froinm« wird jener, wie dieser Knecht genannt, weil beide aus reiner Liebe, in Glauben und Demuth wirkten - «getreu«. weil sie plinktlich das thaten, was sie sollten, mit Sorgfalt und Eifer. (Heubner.) Mit dem Ausdruck: ,,gehe ein zu deines Herrn Freude« geht das Gleichniß über in die dadurch abgebildete Sache. (v. Gerlach.) Derselbe bezeichnet nicht ein Maß, sondern die Art und Beschaffenheit des Lohns; er be- steht in dem Antheil an der Freude und Seligkeit des Herrn, zu welcher der Knecht eingehen soll, in die er aus seinem bisherigen Stande oersetzt wird. (v.Burger.) 24. Da trat sschließlichs auch herzu, der einen Centner empfangen hatte snicht mehr, als eben diesen einen darlegend], und sprach: Herr, ich wußte, daß du ein harter Mann bist [dessen For- derungen über alle Gebühr hinausgehen und gar 366 Evangelium Matthäi 25, 25—30. schwer zu befriedigen sind]; du schneidest sum nur zu gewinnen, auch wohl Getreide auf einem Acker], wo du nicht gesciet hast, und sammelst tin deine Scheuern auch wohl von FeldsiückenL da du nicht sSamen] geftteuel hast [nimmst, woher du kriegen kannst, ungefragt, ob dir’s auch zukomme oder nicht]. 25. Und fitrchtete mich snun einerseits, daß ich dir doch nicht würde genug thun können, auch wenn ich’s versuchen wollte, einen Gewinn zu machen, andrerseits aber, daß ich vollends deinen Zorn auf mich laden würde, wenn mir der Ver- such mißlingen und ich etwa gar den Einsatz dar- über verlieren sollte], ging [darum, um wenigstens mich davor zu bewahren, daß ich auch noch er- setzen müßte, was ich verspielt hätte] hin Und bet- barg deinen Centner in die Erde [von wo ich ihn denn ietzt wieder hervorgeholt habe]. Siehe, da hast du das Deine sgenau so, wie ich’s empfangen, und mehr als das bin ich dir nicht schuldig]. Es möchte scheinen, als wenn alles Ziemliche in dieser Vorstellung fehle, weil kein Knecht seinem Herrn mit folcher Grobheit begegnen wird; allein die Schrift legt einem Menschen oft das in den Mund, was er nur im Herzen denkt, und ift also der Dollnetscher des Her- zens. (Starke.) Statt sich anzuklagen, klagt er Gott an, nennt ihn hart, als der Schweres, Unmögliches verlange, und wenn es nicht geleistet werde, unbarm- herzig dreinschlage; nennt ihn geizig, als der wenig gebe und viel verlange, schneiden wolle, wo er nicht ge- säet, sammeln, wo er nicht ausgestreuet habe; nennt ihn mit einem Worte einen Tyrannen, in dessen Dienst man beständig in Angst und Furcht fchwebe, und fügt dann hinzu, unter solchen Umständen habe er es . nicht gewagt, einen Gebrauch von dem Gute zu machen, der am Ende dem Herrn doch nicht gefallen hätte. (Fr. Arndt.) Seine Furcht war aber wohl noch niederträcly tiger: er möchte nur für den Nutzen eines felbstfttchtigen Herrn stch abmühetr. (P. Lange.) Untreue nnd Pflicht- vergessene hegen eine geheime Widrigkeit gegen Gott; das selbstische Herz ist stets feindlich gegen Gott. (Heubner.) 26. Sein Herr aber [der seine innerste Her: zensbeschaffenheit und den eigentlichen Grund sei- ner Handlungsweise besser kannte, als daß er durch leere Vorwände sich hätte täuschen und mit nich- tigen Entschuldigungen sich hätte abfmden lassen] antwortete und sprach zu ihm: Du Schalk [Tau- genichts, hinterlistiger nnd heuchlerischer Bube Jer. 23, 11 Anm.] und fauler Knecht [Röm. 12, 11J, wußtest du [wie du vorgiebst und ich für den Augenblick dir zugeben will, um mit deiner eige- nen Waffe dich zu schlagen], daß ich schneide, da ich nicht gesciet habe, nnd summte, da ich nicht ge- streuet habe; 27. So solltest dn mein Geld sdas nun doch gewiß nicht als todes unfruchtvares Kapital in die Erde vergraben werden durfte] zu den Wechsletn sin die Bank] gethan haben sdu håttest da weder Mühe noch Wagniß dir selber dantit bereitet], und wenn ich kommen wire [wie es jetzt der Fall ist], hatte ich das Meine zn mitgenommen mit Wucher ssinsgewinn 5. Mos. 23, 20 Anm.]. Die Antwort des Herrn ist keine Widerlegung, denn der Vorwurf verdient keine, sondern eine Schlußfolgk rang, welche—den Vorwurf als wahr angenommen — die Verpflichtung darlegt, die um so mehr dem Knecht obgelegen hätte sich aus der von ihm geschilderteu Sin- nesweise seines Herrn zu entnehmen; sie nimmt ledig- lich die Behauptung des Knechts als eine Voraussetzung ans, die er stch gemacht habe, deren Grund oder Un- grnnd er wissen müsse, weil er so entschieden rede, gleichwohlentbinde ihn diese Voraussetzung so wenig von seiner Pflicht, daß sich dieselbe dadurch nur um so klarer darstelle. (v. Burgen) Die Wechsler hielten bei den Alten öffentliche Bank, nahmen und liehen auf Zinsen. Die Meinung des Herrn bei den Worten: »du solltest mein Geld zu den Wechslern gethan haben 2c.« ist nun diese: »du hättest die empfangeue Gabe, welche du selbst zu nutzen zu ungläubig und träg tvarest, wenigstens Andern übergeben, in dem dir auvertrauten Berufe, in welchem du selbstständig nicht stehen mochtest, hättest du dich Andern unterordnen, von ihnen dich brauchen lassen sollen, zum Besten meines Guts; dann wäre dir zwar der Lohn der andern Knechte entgangen, meine Gabe hätte aber doch für mich Frncht getragen. (v. Gerlachd Gott kann Gewinn oder Frucht von den uns verliehenen Gaben fordern; alles, was von ihm stammt, hat eine innere, Frucht treibende Kraft, wenn es recht gebraucht wird. (Heubner.) 28. Darum [weil er nicht einmal mit frem- der Hilfe meinen Vortheil hat wahrnehmen wollen] nehmet [ihr, die ihr zur Ausführung meiner Gerichte berufen seid] von ihm den Centner sder bisher ihm überlassen war] und gebeks [was er damit zu sei- ner Verfügung hatte] dem, der [nun schon, nach: dem er zu seinen fünf Centnern noch fünf andere dazu erworben] zehn Centnet hat. 29. [Dieses Geben und Nehmen beiderseits ent- spricht ja der Regel, nach der ich in meiner Haus: haltung verfahre.] Denn [wie früher schon gesagt Kap- 13, 12] wer da hat, dem wird gegeben wer- den, nnd wird sderselbe nun, in Folge des immer mehr Empfangens, schließlichj die Fülle haben; wer aber nicht hat, dem wird auch, das er hat, genommen werden. 30. Und den unnützen Knecht sfür den zur Abnahme seines Centners auch noch eine posttive Strafe hinzukommen muß] wekft in die ånßetste Finsternis hinaus; da wird sein Heulen und Zähn- klappen sKap. 8, i2; 22, 13; 24, 51]. Es ist kein Stillstand: entweder vorwärts und mehr, oder rtlckwärts und weniger, das ist der Gang; wo’s keine Zinsen giebt, zehrss Kapital sich auf. Die Arbeit wird» Lust, die Kunst zur Natur, die Fähigkeit zur Fec- txgkettx das Hören des gdttlichen orts wird dessen Leben, das ist der Glaube, und daraus die Erfahrungen, die schon in’s Schauen weisen. Die Treue führt so zur Herrlichkeih die Untreue aber desselbeugleichen zur äu- ßersten Finsterniß, zum Heulen und Zähnklappem (Braune.) Bis hierher haben wir uns in dem Geleise der ge- wöhnlichen Auffassung des Gleichnifses gehalten, wie sie auch in der praktischen Behandlung zu handhaben iß; es herrscht aber da eine doppelte Verfchiedenheit insofern, Das Gleichniß von den anvertrauten Centneru 367 als man einerseits die 3 Knechte entweder von den Dienern der Kirche oder von den einzelnen Christen je nach ihrem Beruf und Staude versteht und andrerseits die übergebeneu Centner entweder aus die empfangenen Gnadengaben des heil. Geistes oder auf die verschieden vertheilten Wirkungslreise deutet, wie das anch in den oben mit etheilten Aussprüchen der Erklärer zu Tage tritt. In essen müssen wir gestehen, daß uns das Gleichniß den Eindruck macht, als ob der HErr, wenn- gleich er diese allgemein giltigen Wahrheiten allerdings auch damit hat einschärfen wollen , doch eigentlich noch etwas Beftimmteres charakterisiren und weissagen wollte; und da hat abermals, gleichwie schon bei der Parabel von den 10 Jungfrauen, Starke in seinem Bibelwerk das Nichtige geahnt, wenn er bei dem, der« seinen Cent- ner in die Erde vergraben, an die röm.-kathol. Kirche denkt. »Die verdorbene Kirche will eine Bewahrerin der Wahrheit sein, aber ans eine unrechte Weise; es wird dem gemeinen Mann Gottes Wort ans den Hän- den genommen nnd die evangelische Wahrheit mit aller- hand schätzen, Fabeln nnd Aberglauben verdunkelt: man will nicht, daß das gemeine Volk die Schrift lese und von der Religion urtheile, unter dem Vormund, weil das eine Gelegenheit zur Ketzerei und Spaltung sei, des HErrn Wille aber ist, der Centner soll ausge- than werden, d. i. man soll die Gaben dazu anwenden, die Wahrheit öffentlich zu lehren und darüber urtheilen zu lassen —- wenn solches gebührend geschiehet, darf man nicht fürchten, sie werde verloren gehen-« Nehmen wir diese Auffassung auf, so würde, nachdem in dem Exempel der fünf thörichten Jungfrauen uns gezeigt worden, wie die katholische Kirche, weil sie kein Oel in ihren Gefäßen mit sich genommen, die Zeit der Ankunft des Bräutigams versäumt und nichts von den Kräften feiner Hochzeit mit Israel zu ihrer eigenen Wiederbe- lebung zu schmecken bekommt, durch das über den Z. Kitecht gesprochene Urtheil nun auch zu verstehen zu geben, daß sie überhaupt des Berufes als Kirche verlustig geht, weil sie das Licht der göttlichen Wahrheit unter einen Scheffel gestellt und ihren Centner in die Erde ver- graben hat (die Aufstellung des Jnfallibilitätsdogmrsis ist nur die consequente Durchführung ihres Princips). Es wird sich das im Laufe des 20sten.Jahrh. ans- wirken; was von den Gliedern dieser Kirche wirkliche Empfänglichkeit für die Wahrheit und aufrichtige-s Ver- langen nach der Seligkeit hat, wird da endlich den Ruf verstehen (Offenb. 18, 4): «gehet aus von ihr, mein Volk, daß ihr nicht theilhastig werdet ihrer Sünden, auf daß ihr nicht empfahet etwas von ihren Plagen,« und wird so der auch nach der Reformation ihr, in so- viel tausend ihrer Pflege anvertrauten Seelen noch ge- · lassene Eentner von ihr genommen werden, das Gericht als über Babel, dazu sie nun vollständig geworden, über sie ergehen und nichts von ihr bleiben, als der Bodensatz aller ihrer Unreinigleit in jenem Orden, von dem es wohl mehr als wahrscheinlich, daß sein eudliches Schicksal das ist, nach dem Falle Babels als das Thier von der Erde sich zu eut nppen und das im Dienst des Antichrist stehende Prop etenihum voll Hi· enhaftiger Kräfte und Zeichen und Wunder abzugeben (3)fsenb.13, 11 ff.; Z. Thess Z, 9 sf.). Wir sind nun auch keinen Augenblick in Zweifel, welchen von den beiden Theilen der evangelischen Kirche wir unter demjenigen Kuechte verstehen sollen, der fünf Centner empfangen, damit fiinf andere erworben und nun den einen Eentner des untreuen Knecht-s in den Seelen, die von der verderbten Kirche libertreten, nnd in den Gaben und Kräften, die diese bis dahin besessen, hinzu empfängt; es wird offen- bar derjenige Theil sein, der nicht schlechthin die Reform, sondern nur die Wiederherstellung des lauteren Evan- geliums zu seiner Hauptsache geuiacht, sich in einer ge- wissen Verwandtschaft mit der katholischen Kirche er- halten, soweit das Grundprincip es möglich machte, und damit eine Brücke hergestellt hat, daß die empfäng- lichen Seelen und die aavertraueten Güter derselben zu ihr übergeführt werden, nur daß sie freilich ans ihrer Niederlage, die sie sich hat müssen gefallen lassen und der sie bis zu einer bestimmten Zeit und bis zu einem gewissen Maße immer mehr wird ausgesetzt sein, zuvor wird wieder aufgerichtet und zn ihrem ursprüng- lichen Wesen tnit größerer Vollkommeuheit der Ansprä- gung erneuert werden (Micha 7, 8). Damit wird denn auch der Weg gebahnt werden zur Erflillnng des Worts: sah. 1t), 16 und zur Herstelluug einer fachgemäßen Union gegenüber der absorptivem Es greift das aber über das zwanzigste Jahrhundert hinaus in diejenige Zeit hinein, von der Luther sagt: »die Welt hat nun gestanden fünftausend fünfhundert (wir können jetzt sogar sagen: nahe an 5900) Jahr, nun soll in 6000 Jahren das Ende kommen;« das Ende, das da zunächst kommt, ist das an den Sturz des Antichrists unmittelbar sich ansthließende und in Ossenb. 20, 1—6 beschriebene, und so wird wohl Stier ganz richtig sehen, wenn er das ,,ich will dich über viel seyen« von einer fortge- setzten und erhöhten Thätigkeit, von einer segnenden Herrschaft im tausendjährigen Reiche versteht. xetzteres bezieht allerdings zuerst und hauptsächlich sich ans Israel, und in szwelchem Verhältuiß zu diesem die aus den Heidenchristen gesammelte Kirche während des siebenten Jahrtausend der Weltgeschichte stehen werde, läßt bei dem Mangel an allen näheren Angaben der Schrift sich nicht erörtern; doch erkennen wir wenigstens soviel, daß der HErr mit seiner Weissagungsrede der Hauptsache nach· sich wirklich an die chronologische Abfolge der Er- eignisse des Reiches Gottes hält. Mit dem Ablauf des siebenten Jahrtausends erfüllt sich das, was der heil. Seher in Offenb. 20, 7—10 fchaut; es erfolgt jetzt der Untergang der alten Erde und des alten Himmels und das Gericht über die wiedererweckteu Todten (Offb. 20, 11ff.). Auf dieses weist dann der Schluß der Rede hin: c. V. 31—46. Ja diesem Kbfchuitt handelt ee sitt) nunmehr uni die wirkliche lehte Zukunft Christi und nni das Gudgericht in seiner letzten und allge- meinsten Gestalt, damit aber auch um das Ende der Welt oder des ganzen gegenwärtigen Weltlanfrg auf welches die Sänger in ihrer Frage oben Gan. U, Z) zu dritt ilezug genommen halten. Seht, am jüngsten Tage, liauu des jtleaschen Sohn feine volle liduiglichs rithterliche Würde entfalten, denn er hat nun seine Narht zum Siege htuausgeführt über alle ihm wider— sterbenden Welt— nnd höltenmächtg es müssen daher alle Geschlerljler aller Zeiten vor feinem Stuhl er— scheinen, ohne daß irgend wer sitt) ihm noch zu ent- ziehen vermöchte; jetzt, am Abschluß der ganzen Heile— geschichtg findet er aber auch, ntle tu der Gesammt- heit der Menschenkinder, so in jedem Einzelnen den Charakter ihres inneren Wesens und äußeren Ver— haltens in vollständiger Jluoprägultg vor, er ltann daher sie oon einander weiden, wie ein Hirt die Srhafe oon den Böltteu scheidet, und den einen das Erbe des ihnen bereiteten Reiches zusprechen, die andern in das ewige Feuer weisen, dao bereitet ili dem Teufel und feinen Engeln. tleber das Samts- ntort hinaus, in utelches hier die Weissaguug arti-läuft, traun es in der That nichte mehr geben: eutigr peln nnd ewiges Leben — damit fchlfrßt die ganze Entwicltelungsgeschichte deg Reiches Gottes auf Erden ab, und damit ist auch die Frage der Sänger in erschöpfendcr Weise beantwortet. 368 Evangelium Matthäi 25, 31-—40. Evangelium am 26· Sonntage nach Crinitatish Von dem letzten Gerichtstage und der ewigen Scheis dung handelt das Evangelium: daran soll ein Christ alle Tage gedenken, denn es ist eine ernste Stunde und wehe dem, der von dem HErrn zur Linken gestellt wird! Wir sollen uiis durch den heil. Geist antreiben lassen, bei Jesu Christo Gnade und Hilfe zu suchen, solange die Gnadenzeit noch währt. (Dieffenbach.) Es ist außer- ordentlich, wie völlig klar das Bild ist, welches uns der HErr vom jüngsten Gerichte giebt; welch eine Wissen« fchaft des Endes setzt das voraus! wie völlig vertraut mit feinen letzten Geschäften ist der HErr schon in den Tagen seines Fleisches, daß er uns auch alle seine Worte voraussagen kann, zur Lockung und zur Abfchre- ckungl Denn so, gerade so, wie er es vorherfagt, wird er thun und reden; seine Worte enthüllen uns die Gründe seiner Urtheilsfprüche und sagen es uns klar, wornach sein Gericht geschehen wird, was aber könnte uns nützer sein, als Kenntniß der Rechte und Gesetze, nach welchen aller Welt und auch uns das Urtheil ge- sprochen werden wird! (Löhe.) »So wir uns selber richteten, so würden wir nicht gerichtet«, schreibt der Apostel (1. Cor. 11, 31): es will demnach die Kirche, daß wir vom Kirchenjahy das nun bald zu Ende geht, nicht scheiden ohne Selbstgericht darüber, was es uns mit seinen Sonn- und Festtagen, mit seinen Lehren und Schicksalen eingebracht hat, und ob wir in ihm weiter- oder zurückgekommen find, damit wir das ewige Gericht des HErrn nicht zu scheuen haben. (Fr. Arndt.) Wo wirst du stehen an dem jüngsten Tage? 1)Rechts oder links? 2) Noch kannst du dich entscheiden: Z) be« denke das Ende! (Nebe.) 31. Wenn aber des Menschen Sohn [am Ende aller Zeit und nach Ersüllung alles Deß, das bis dahin geschehen muß Kap.13, 40 ff] kommen wird svom Himmel Apostg ·1, It; 1· Thess 4, 161 m feiner Herrlichkeit nnd alle heilige Engel mit ihm [Kap. is, 27], dann wird er [als König, dem nun alles zum Schemel seiner Füße gelegt, und als Richter, in dessen Hände das Gericht gelegt ist] sitzen auf dem [in den Wolken des Himmels für ihn her- gerichtetenj Stuhl seiner Herrlichkeit, « 32. Und werden vor ihm [indem das zu- gleich der Tag-ist, wo die Todten wieder aufer- stehen Joh. b, 27 ff.; Offenkx 20, 11 ff] alle Völker versammelt werden sdenn nun istnm uinfasseiidsten Sinne des Worts das Evangelium gepredigt aller Kreatur und kein Volk mehr ohne die Botschaft vom Reich geblieben]. Und er wird fie snicht die Massen der verschiedenen Völker, sondern die Personen in jedem einzelnen Volke] von einander scheiden, gleich als ein Hirte [der jedes einzelne Stück seiner Heerde genau kennt und die verschiedenen Arten des Kleinviehes nicht unter einander gemengt dahin gehen läßt] die Schafe von den Becken scheidet, » 33. Und set, des Menschen Sohn, indem er gleich beim Versammeltwerden aller Völker vor ihm eine ähnliche Scheidung , wie die zivischen Schasen und Böcken, vornimmt] wird die Schafe sals solche, für die er das Urtheil der Freisprechung im Sinne hat] zu seiner Rechten stellen und die Böcke [als solche, derer das Urtheil der Verdammung wartet Kap. 2, 4 Anm.] zur Linken. Unsere Stelle setzt die allgemeinste Christianifirung der Menschheit voraus, wie sie dem letzten Ende vor- . angehen muß, iind zwar der Menschheit diesseits (Kap. 24, 147 Röm. II, 32), nnd der ganzen Menschheit jen- seits (Phil. Z, 10; 1. Petri 4, 6); eine solche Christia- nisirung würde auch schon die Erscheinung Christi an und für sich zur Folge haben, sofern sie die Völker zur Huldigung nöthigt nnd eine ganze Gerichtsperiode hin- durch (Offenb. 20, l ff) währen soll. (P.Lange.) Allem- halben, wo Christus verkündigt wird, da scheidet fchon jetzt sich das Reich des Lichtes und der Finfterniß von einander: wer aus der Wahrheit ist, der höret seine Stimme, wer irgend ein edleres Bediirfniß in der Seele trägt, sucht in Demuth seine Gnade; was nicht aus der Wahrheit ist, das kehrt stch ab von ihm und verachtet entweder stnmpfsmnig sein Wort oder lehnt sich in offener Feindschaft wider ihn auf. Tief innen im erzen nimmt dieser Zwiespalt feinen Anfang; er findet ich überall bereits inmitten der Christenheit, und damit niemand sich selber täusche, so nenne ich euch vier Wahr- zeichen, daran ein jeder merken kann, auf welcher Seite er siehe. fDas erste ist Ehrfurcht und die Freude an dem Wort des HErrn, das zweite ist die Lust zum Gebet, das dritte ist der Haß gegen die Lüge, das vierte der Abscheu vor der Fleischeslust: wo diese vier in einem Herzen beisammen sind, das gehört sicherlich dem Reiche Gottes an; wo sie fehlen, da hat man sich bereits der andern Seite zugewandt. Aber« in dieser Welt gleicht das Himmelreich noch dem Acker, auf wel- chein das Unkraut noch mitten unter dein Weizen steht; die Gnade Gottes läßt beides mit einander wachsen bis zur Ernte und sendet unterdessen ihre Boten aus, allen Menschen die Buße zu predigen und den Glauben an Christum, damit niemand eine Entschuldigung habe. Jst nun die Zeit gekommen, dann tritt die Scheidung auch äußerlich hervor; es wird enthüllt, was tief im Herzen verborgen lag, was der Schleier der Heuchelei bedeckt, was blos mit dem Namen des Christenthums sich ge- kleidet, und was in Wahrheit Christo angehört. Nicht erst innerlich werden beide, die Kinder Gottes und die Kinder Weltalls, von einander geschieden, sondern es wird nur offenbar, wie himmelweit sie verfchieden find. So ist das Gericht Enthitllung des bereits vorhandenen Zwiespalts, aber freilich mit dem großen Unterschied, daß es dann nicht mehr in deinem Belieben steht, auf welche Seite du dich wenden willst, sondern er wird sie von einander scheiden; und diese Scheidung ist ernstis hafter als jede andere, denn sie scheidet auf immer. Sie scheidet den Gerechten von aller Gemeinschaft mit der S nde, von aller Beileckung der Welt und des Fleis es, abcr auch den Unbußfertigen von aller Ge- meinfchaft mit dem lebendigen Gott, mit dem Reiche seiner Gnade iind seines Lichts. So geschiehet jedem, darnach er’s verdient, ja man kann sagen, einem jeden, darnach er begehrt hat: wer den HErrn liebt, steht zu seiner Rechten, wer sich statt seiner die Welt zum Herrn und Götzen erwählt hat, empfängt mit der Welt das Verderben. lThomasiush Ein Hirte scheidet die Schafe von den Böcken, damit die Schafe von jenen nicht zu leiden« haben; in Heseh 34, 17 ff. wird der einen Klasse der Schafe verwiesen, daß sie muthwillig das Wasser trüben und die Weide verderben, die andern Schafe der Heerde stoßen und verstören, und so erscheinen hier unter den Böcken die störrigen und boshaften Menschen, die Schafe stellen die Sanftmlithigen dar. (Nebe·) Von der letzten Zukunft und dem Endgericht Den Frommen ist oft die Gemeinschaft mit den Gott- losen beschwerlich (Ps. 120, 5 s.); aber getrost. es wird besser werden und ein Tag kommen, da die Bösen nicht mehr hinderlich sein können. (Starke.) Es ist bezeich- nend, daß bei den Schasheerden die Schafböcke unter die Schafe ausgehen, bei den Ziegenheerden die Ziegen unter die Vöcke. (P. Lange.) Schafe werden die Frommen genannt, die Kinder Gottes, weil sie demü- thig, sanft, gelassen, solgsam und arglos sind; die Böcke sind ein Bild des unreinen, Stößigem Frechen, Scham- losen. (Hcubner.) Von den Schasen hat der HErr gesagt: »meine Schase hören meine Stimme 2c.« (Joh. 10, 27 f.); damit meint er also alle, die an seinen Namen glauben, die willig und dankbar seine Gnade annehmen, die ihm in Liebe, Gehorsam und Treue nach- folgen, die sich durch ihn gerecht und heilig machen lassen. Die Böcke dagegen, das sind die Widerspeiistigem die in der Verblendung des Unglaubens gegen seine Herr- schaft sich auslehnen (Ps. 2, Eis, die muthwilligen Ver- ächter seiner Gnade, die im stolzen Wahn eigener Ge- rechtigkeit sein Wort verspotten, sein Verdienst von sich weisen, seinen Namen verleugnen, sein Heil anzunehmen sich weigern, die unbußsertigen und Verstockten Sünder, die sich ungeachtet aller Bemühungen seiner Gnade nicht entschließen wollen, den breiten Weg zu verlassen, und ihren eigenen Gedanken nachwandeln aus einem Wege, der nicht gut ist. (Couard.) 34. Da wird denn der König sagen zu denen zu seiner Rechten sihnen zunächst das schon mittelbar angedeutete Urtheil nun auch ver- kündigend und es vor den Andern begründend]: Kommt her, ihr Gesegneten meines Vaters sdie ihr von dem Segen, womit mein Vater euch durch« mich gesegnet Ephes I, Z» euch habt erfüllen und durchwirken 1assen], ererbet sieht] das Reich [der ewigen Seligkeith das euch bereitet ist von Anbeginn der Welt kindem da schon der Grund dazu gelegt, da schon dies euch nun er- wartende Heil in’s Auge gefaßt worden]. 35. Denn [vgl. Gal. 5, s] ich bin hung- rig gewesen, und ihr habt mich gespeiset Ich bin durstig wesen, und ihr habt mich getränket Ich in ein Gast gewesen, und ihr habt mich beherberget [in euer Haus aus- genommen Hebr. is, 2]. 36. Ich bin nackend gewesen, und ihr habt mich bekleidet lJes 58, 75 Hei. 18- 71» Ich bin krank gewesen, und ihr habt mich besuchet [Röm. 12, is; Jus. 1,27j. Jch bin gefangen gewesemund ihr seid zu mir kom- men sHebn IS, 3]. 37.. Dann werden ihm die Gerechten [die ihre guten Werke überhaupt in aller Einfalt gethan Kap. 6, 3., am wenigsten aber je einen solchen Werth ihnen beigemessen haben, wie hier- mit geschehen] antworten und sagen: HEry wann haben wir dich sden wir ja nie im Fleische bei uns gehabt] hungrig gesehen und haben dich gespeiset? oder durstig nnd haben dich getränkt? 38. Wann haben wir dich einen Gast Dächsekl Bibelwort. » 369 gesehen »und beh·erberget? oder nackend und haben dich bekleidet? · · 39. Wann haben wir dichkrank oder gefangen gesehen und»siiid zu dir kommen? 40. Und der Koni wird antworten nnd sagen zu ihnen: ahrlich ich sage euch, was ihr gethan habt» einem unter diesen meinen geringsten Brudern sdie wäh- rend der ganzen Zeit des irdischen Weltlaufs mein Heil suchend sich zu mir gehalten haben Kap. l2, 48 ff.1, das habt ihr mir gethan [Kap. 10, 40: 18, b; Hebt: S, 10]. Die Rede des Königs ist hochbedeiitsam; jedes Wort in ihr wiegt schwer, denn jedes hat einen tiefen, uner- schöpslichen Sinn. Freundlich wendet er sich diesen zu mit seinem »Komm her«: der HErr ruft sie zu sich, der König will in seiner nächsten Nähe diese haben, sie sollen eine Krone iiin ihn bilden, sind sie doch auch seine Krone und sein Ruhm. Sie standen aber doch schon zu seiner Rechten, wie kann er sie da noch näher herbei- rufen? Es mag bei jener letzten Erscheinung des Königs sich wiederholen, was bei der letzten Erscheinung des Anserstandenen aus dem Berge in Galiläa geschah: die auserwählten Zeugen fielen nieder, überwältigt von sei- ner Majestät (Kap. 28, 17); jene Majestät aber ist nur der Anbruch der vollen Majestät des großen Königs, selbst seine Frommen können vor ihr nicht stehen, er- schrocken fahren sie vor ihr zuriick. Da ruft der Hohe und Erhabene. der bei denen wohnen will, die zerschla- genen und deiniithigen Geistes sind, sie zu sich, nnd sie kennen diesen Ruf: ,,Komnit her« schon aus seinem Wort in Kap· 11, 28 und erkennen in dem HErrn der Herrlichkeit den barmherzigen Hohenpriester, der sie in ihrer Schwachheit hienieden getragen und erquickt hat. Jetzt will er sie abermals erquicken, daß sie zur ewigen Ruhe gelangen. iNebeJ Uiid wer mag ihr Entzücken schildern, da er sie nun bezeichnet als die Gesegneten seines Vaters! Ja, schon in diesem Leben ist der Segen Gottes ihneii durch ihn und uin seinetwillen reichlich zu- geströinh und sie haben immer mit dein Apostel dankend bekennen müssen: »Gelobet sei Gott und der Vater un- sers HErrn Jesu Christi, der uns gesegnet hat niit allerlei geistl. Segen in himmlischen Giitern durch Chri- stnm«; setz: sollen sie noch größeren und herrlichereii Segen empfangen. Sie sind des Vaters geliebte und auserivählte Kinder, nnd was kein Auge gesehen ic., das hat Gott bereitet denen, die ihn lieben. Der Richter aus dem Stuhle seiner Herrlichkeit kündigt es ihnen an: ,,ererbet das Reich, das euch bereitet ist von Anbeginn der Welt« (Couard.) Das Reich ist das Reich der Herrlichkeit, in welches sich nun das Reich der Gnade verwandelt hat; die Seligkeit desselben ist End- zweck der Schöpfung. (Heiibiier.) Der Richter kiindigt ihnen nicht nur ihrUrtheil an, sondern auch den Grund - davon; was er da nennt, sind Werke, niid zwar Werke der Liebe und Barmherzigkeit: sie habeii Kranke besucht, Armen geholfen, Traurige geiröstet, Elenden Gutes ge- than. O wie weit thut sich da die Pforte zum Leben aus, wie breit wird da der Eingang in die ewige Herr« lichkeiti Denn wo ist einer, der nicht etwas von der- gleichen Werken aufzuweisen hätte, oder wo nicht, sie doch leichtlich nachholen könnte? ja, wo ist ein Geschlecht gewesen, so reich an Anstalten sijr wohlthätige Zwecke, an Vereinen zur Unterstützung der Armen und Leiden« den, wo eine Zeit, die sich so sehr der Liebe riihinte wie die unsrige? Sollten wir also nicht um unsrer hochbe- riihmteu Werke willen dasselbe Lob aus dem Munde des R. T. I, 24 370 HErrn empfangen, wie jene? Aber sehet wohl zu, daß ihr euch nicht mit solchem lirtheil tibereilt Es hat eiiie wunderbare Bewandtniß mit ihren Werkenz es ist, daß ich so sage, eine Zartheit darüber aus ebreitet, die» sie von andern, vielleicht dem äußern S ein iiaih vollig gleichen weit unterscheidet. Denn erstens wissens diese Gesegneten des HErrn nicht einmal, daß sie so Großes gethan; sie haben keinen Werth darauf gelegt, ihre Hoff- nung nicht darauf gebaut, einen Ansprnch aiif Lohn nicht entfernt darauf gegründet; ja, sie wundern sich, daß ihnen der HErr das so hoch anrechnet, was sie so ganz ncitürlich finden, als ob sich’s von selbst verstünde. Und so werden denn das jedenfalls ganz andere Werke sein, als die man um der Leute ivillen thut, um Ehre vor Menfchen zu haben, um gefehennnd gepriesen zu wer- den; denn solche Werke thaten die Pharisäer auch, und doch hat der HErr voii ihnen gesagt: »sie haben ihren Lohn dahin« Es werden andere Werke sein müssen, als die ans der blos natürlichen Gutmtithigkeit nnd aus jenem Mitleid quellen, welches man haufig auch bei ganz liebeleeren nnd unbekehrten Menschen· findet; es können nur die Früchte einer Gesinnung sein, welcher das Lieben gleichsam zur andern Natur geworden ist, einer Gesinnung, die niemals uiid nirgends das Jhre sucht, sondern im Dienen und Helfein in Selbstverleiig- nung und Arbeit fiir die Brüder ihr Leben iind»ihre Freude findet. Dazu kommt aber noch, ein zweites. er HErr sagt von diesen Werken, daß sie Jhin gethan seien, und achtet sie gerade deshalb so hoher Ehre werth. Nun wissen das freilich iene frommen Seelen nicht, oder haben es ihrerseits gar nicht so angesehen; aber es muß doch eine verborgene Beziehung ans den HErrn dabei obgewaltet haben, ·es müssen xene Werke irgend eiiien Zusammenhang mit seiner Person gehabt haben, sonst könnte er sie nicht als ihm selbst erwiesen bezeichs neu. Und dieser Zusammenhang» meine ich, sei nicht so schwer zu entdecken; er kann kein andrer sein als die Liebe zu ihm, denn eine wahre Liebe zu den Brüdern ist gar nicht möglich ohne Liebe zu dem, der uns zuerst geliebt hat, sie kann nur da entstehen, wo man seine Barmherzigkeit erkannt und erfahren hat. Des natür- lichen Menscheii Herz ist kalt und hart; es liebt, genau genommen, nur sich selbst und sucht in allem, was es thut, nichts als die eigene Ehre oder den eigenen Vor- theil, höchstens daß es einer bloßen Gewohnheit»folgt. Erst Gottes Liebe ruft die unsrige hervor, gleichwie der warme Strahl der Sonne die Blumen des Feldes. Wie eng wird nun wieder die Pforte, die uns vorhin so weit erschien! (Thomasins.) Gleichwie die Schase keine Waffen haben, mit denen sie sich wehren oder schaden könnten, gleichwie sie durchaus Nutzen bringen und an ihnen nichts ist, das nicht den Menschen dienen könnte, so leben Jesu Schafe ganz feinen Brüdern zu Nutz; lieben uiid leben, nützen und leben ist für sie Eins nnd gleichbedeutend. Indem der HErr spricht: ,,ich bin hungrig gewesen ic.«, verlangt er damit von den Seinen nicht blos, daß sie ein oder etliche Mal im Leben Barmherzigkeit geübt haben sollen, sonderii viel- mehr, daß das ganze Leben eine fortwährende Uebung der Barmherzigkeit sein soll; er richtet nicht blos über barmherzige Stunden nnd spricht die frei, welche zu- weilen eine Aiiwandlung von Barmherzigkeit oder eine barmherzige Stunde gehabt haben, sondern über Lebens- läufe, die geschlossen und in ihrer ganzen Strecke vor ihm aufgedeckt liegen; (Liihe.) 41; Dann wird e·r auch sagen zu denen zur Linken: Gehet hin von mir [Kap.7, 23; Lin. 13, 27], ihr Verfluchten svom Fluche Gottes durch eigene Schuld nun ErgriffeneiiL m Evangelium Matthäi 2.,41—-46. 26, i. 2. das ewige Feuer, das» bereitet ist deui Teufel und seinen Engeln [Jud. 6; Offenb. 19, 20; 20, 10 u. i5]. 42. Ich bin hungrig gewesen, und ihr habt mich nicht gespeiset Ich bin dzir ·g gewesen, und ihr habt mich nicht getraii et. 43. Ich bin ein Gast gewesen, und ihr habt mich nicht beherberget. Ich bin nackend- gewesen nnd ihr habt mich nicht bekleidet. Ich bin krank nnd gefangen gewesen, und ihr habt mich nicht esuehet. 44.» Da werden sie ihm auch [wie die Gerechten V. 37 ff., jedoch aus arger Selbstver- blendung] antworten und sagen: HErr, wann haben wir dich es ehen hungrig, oder durstig, oder einen Gast, oder nackend, oder kran , oder gefangen, und haben dir nicht gedienet? [gleich als würden sie das mit Freuden gethan haben, wenn sie ihn bei sich gehabt hätten, bedürftig und leidend.] 45. Dann wird er ihnen antworten und sagen: Wahrlich, ich sage euch, was ihr nicht gethan habt einem unter diesen Ge- riitigsteiy das habt ihr mir auch nicht e an. g its. und sie idem Nichierspruch in V. 41 gemäß, von« dem sich nun nichts mehr abhandeln läßt] werden in die ewige Pein gehen; aber die Gerechten staut des Uriheils V. est] in das ewige Leben [Joh. 5, 29; Dan. 12, 2]. Waren vorher die Worte des richtenden HErrn wie das sanfte Situseln der Gnade, so wandeln sie sich auf einmal in die Stimme gewaltiger, immel und Erde erschütternder Donner. Es besteht zwisihen beiden Sprüchen ein merkwürdiger Parallelismus der Glieder: Kommt her Gehet hin von mir, ihr Gesegnetenmeines Vaters, ihr Verfluchten, ererbet das Reich, in das Feuer, das euch bereitet ist das bereitet ist dem Teufel undseinen Engeln, von Anbeginn der Welt. das ewige. Sie sollen gehen, denn hier ist ihr Theil nicht; und da der Nichter es ihnen erst sagen iind gebieten muß, ergiebt sich, daß sie jetzt gerne lieben, daß sie vor den Dingen, welche nun kommen sollen, sich entsetzem Aber jetzt ist es zu spät, ste werden entschieden weggewiesen: ,,gehet hin von mir; sie sollen also ganz ausgeschlossen werden von dem HErrn und feiner Gemeinschaft, er kennt sie nicht mehr, will von ihnen in alle Ewigkeit nichts mehr wissen. (Nebe.) Er spricht nicht: »ihr Verfluchten meiiies Baters:« denn nicht der Vater, sondern ihre eigenen Thaten haben sie versiuchh Und er spricht: »in das ewige Feuer, das bereitet ist fnicht euch, sondern) dem Teufel nnd seinen Engelnz« ich hatte euch das Reich bereitet, das Feuer aber dem Teufel und seinen Engeln, da ihr euch aber selbst hineingestürzt habt, so schreibt es nun aiich euch zu. (Chrysostoinns.) Armscsliger Fürst der Finsterniß, der sich und seine Die- ner vor der Höllenqual nicht schtitzen kann! (Caiistein.) Nicht weil die Heiligen und Schriftkiindigen die Selig- keit des Himmels nach langer Strafe den Teufeln nnd Verdammten nicht gönnen, sondern weil sie sehen, daß Das ganze Leben soll eine fortwährende Uebung der Barmherzigkeit sein. die untrügliche Schrist sagt, Gott habe sie auf ewig ver- dammt, darum muß es aus lichter Frömmigkeit unbe- weglich festgehalten werden, daß die Teufel und die Vers— dammten zu der Gerechtigkeit und Seligkeit der Heiligen nicht zurückkehreii werden. (Augustin.) Der Richter schweigt von ihrem übrigen Sündenregisterx er sagt nicht: ihr seid Diebe, Lügner, Verleumder, Fluchmäuler u. s. w. gewesen, es ist ihm hier genug , daß sie jene guten Werke unterlassen haben. (Münkel.) Die furcht- are Schuld unsrer Unterlassungssünden im Lichte des Weltgerichts: l) wie die Welt sie so leicht nimmt —- entweder man erkennt sie gar nicht, oder man schlägt sie wenigstens nicht an; 2) wie sie vor Gott so schwer wiegen —- fo fchnöde stehen sie da im Lichte seiner segnenden Güte wie seiner richtenden Gerechtigkeiy Z) was wir zu ihrer Tilgung noch thun können — bitte um Gnade für’s Vergangene und fange ein neues Leben an für’s Künftige. (Gerok.) Was haben sie gethan, das ewige Feuer zu verdienen? Frei- lich als Uebelthäter viel und lauter Böses, freilich haben sie auch zurn Theil den HErrn in den Seinigen gehaßt und verfolgt, jedenfalls wider seinen Hirtenstab ausge- schlagem seiner Gnadenführung beharrlich und völlig widerstanden; aber das alles wird nicht genannt, son- dern das Eine, daß auch nicht ein utes Werk wahr- haftiger Liebe zu finden ist in alle ihrem Thau, wel- ches diesen Widerstand als einen nicht völligen zeigte, an welches die viel Sünden deckende Liebe des gnädigen Richters um vorhandener Liebe willen den Gnadenspruch auzuknilpfeii vermöchte. Die genaue Wiederholung der Einzelheiten in der ausführlichen Rede zeigt die genaue Rücksicht an, mit weliher dann der Nichter bei jedem Einzelnen auch nichts Einzelues übersehen und übergehen wird. (Stier.) Vorgestellt wird das Schlußgericht, so- fern es der Ausgang ist des durch die ganze Weltge- schichte sich sortziehenden Prozesses, in welchem auf der einen Seite die Welt und ihre Kinder, auf der andern Christus nnd seine Reichsgenossen die streitenden Theile sind. Jetzt: ziehen die letzteren vielfach den Kürzeren und scheinen der unterliegende Theil zu sein; wenn aber der HErr kommen wird, um das Endurtheil zu sprechen, dann werden sie als der siegende Theil erscheinen, so sehr, daß nach der Aufnahme und Begegnung, die sie überall in der Welt gesunden haben, sich die Entschep dung über diese selbst richten wird. So vollkommen stellt sich der HErr auf seiner Glieder Seite und tritt selbst für sie ein, daß er sie mit sich wie zu Einer moralischen Persönlichkeit zusammensaßt, an der die Ge- sinnung der Welt fiel) offenbart und diese durch ihr Ver- halten gegen sie zur Verdammniß oder zur Seligkeit sich selbst bestimmt. (v. Burgen) Aiif Grund dieses Textes hat Thomas von Celano (einem Städtchen im jetzigen Abrnzzo in Italien, -s· etwa um die Mitte des II. JahrhJ für den AIIerseeIeUtagJdie unübertreffliche, weltberühnite Sequenz gedichten ies irae, dies illa, wovon unser »Es ist gewißlich an der Zeit« eine Be- arbeitung istz genauer übersetzt lautet sie: 1. Tag des Zorns, o Tag voll Grauen, da die Welt den HErrn soll schauen nach dem Wort, dem wir vertrauen. 2. Zittern in der Erde Gründen wird des Richters Nahm verkünden, der die Herzen will ergründen. Wunderbar Posaunenhallen wird durch jedes Grab er- schallen, ans zum Throne rufend allen. 4. Erd und Tod wird sehn mit Beben das Geschöpf der Gruft ent- schweben, Antwort seinem HErrn zu geben. 5. Und ein Buch wird sich entfalten, drin die Schuld der Welt ent- halten, über die Gericht zu halten. S. Wenn er nun sitzt aus dem Throne, kommt alsbald vor Gottes Sohne alles znni verdienten Lohne. 7. Was soll dann ich Armer sagen? wer mich zu vertreten wagen, wo selbst die Ge- 371 rechten zagen? S. Furchtbar hoch erhabner König, Quell der Liebe, Heiland gnädig, mach du mich der Sünden ledig! 9. Jesu, deiner Lieb gedenke, daß dii für mich kamst, bedenke; darum einst mir Gnade schenke. 10. Bist voll Schmerz mich suchen gaugen, hast stir mich am Kreuz gehangen: nicht umsonst sei Tod und Bangen! U. Richter der gerechten Sache, deiner Huld mich theil- haft mache, eh der Tag des Zorns erwache. 12. Gleich Verworfnen fühl ich Bangen, Schuld macht glühen meine Wangen: mein Gebet laß Gnad erlangen! 13. Du, der los sprach einst Marien und dem Schächer hast verziehen, hast auch Hoffnung mir verliehen. 14. Gar unwürdig ist mein Flehen: laß du , Heiland , Gnad mich sehen, nicht in’s ewge Feuer gehen! 15. Von den Böcken wollst mich scheiden, zu den Schafeu mich geleiten, stell’n zu deiner rechten Seiten. 16. Ruf, wenn in die ewgen Flammen sinken, die du willst verdammen, mit den Deinen mich zusammen. 17. Sieh, nach dir streck ich die Hände; zum Zerknirschtem HErr, dich wende, o gieb mir ein selig Ende. 18. Tag voll Thränen, wo mit Grauen Gott die Creatur soll schauen, auserstehend aus dem Grabe! — Nimm, die Schuld, HErr, allen abel Fromm» Jesu, Heiland du, schenke all’n die ewge Ruh! ’men. Das 26. Kapitel. Christus gesalbeh kämpft nach Einsetzung des heiligen Uliendmahls im Hatten, wird verrathen, gefangen und oor das geisiliehe gerioht geführt. I. u. 1——5. (§. un) Jus di: Ha« nach seskyiui sei— ner Rede noiti am Abend des Dienstagg (4. April) vom Oelberg weiter nach seltsamen sitt) begiebt, um nicht nur für diesen, sondern nun) für den folgendenTag da- sclbst zu überoachtem sagt er auf drin Wege dahin sei- nen Jüngern voraus, daß nach zween Tagen seine Ert- drugzeit beginnen werde. Diese Verkündigung scheint zu nichte werden zu ioolleu durch einen zu der nämlichen Zeit vom tjoheurath in Jerusalem gefaßten Beschluß, zwar Iesiiin niit List zu greifen und zu tödten, aber mit der Ausführung des Wertes; zu warten, bis die Fesltage vorbei seien. (t1gl. Mark. 14, l n. L; Eint. M, 1 n. 2.) I. Und es begab sich, da Jesus alle diese Reden [sowohl die öfsentlichen vor dem Volk Kap. 21, 23 — 23, 39 als die besonderen vor seinen Jüngern Kap. 24, 1 —- 25, 461 vollendet [und damit seine prophetischeThätigkeit beschlossen] hatte, sprach er sals er vom Oelberg Kap. 24, 3 sich erhub, um nach Bethanien in die Stille sich zu- rückzuziehen Joh. 12, 37] zu feinen Jüngern: Z. Jhr lvisset, daß nach zween Tagensnach unsrer Ausdrucksweisex übermorgen] Ostern wird [mit dem Genuß des Osterlainms oder des Passa am Abend des 14. Nisan beginnend L. Mos. 12, 1 ff. und dann noch 7 Tage bis zum 2l. desselben Monats als Fest der süßen Brode während 2. M. 23, 15;.»3. M. 23, 5 ff.], und des Meu- scheu Sohn wird [da, wie ich schon öfter euch ver- kündigt habe Kap. 16, 21 ff; 17, 22 ff.; 20, 18 f.] iiberaiittvortet werden sden Hohenpriesterris 372 und Schriftgelehrten B. 47 fs., und durch diese den Heiden Kap. 27, l ff.], daß et [um nun aueh sein hohepriesteiliches Amt zu» vollbringen] getreiiziget werde. Der Heiland bezieht sich mit dieser Zeitbestimmung »und) zween Tagen« ausdrticklicb auf den Anfang des Osterfestes, auf den Genuß des Osterlainmes, indem im Grundtext dieses Fest als Passa bezeichnet wird; der Tag aber, aii welchem das Passalamm nach dem Gesetz eschlaehtet werden sollte, war der l4te des Monats bib (später Nisan genannt), und zwar Abends, vor Sonnenuntergang, worauf es dann von den einzelnen Tischgenossensehaften in den ersten Stunden nach Son- nenuntergang, d. i. nach jiidischer Berechnung (1. Mos. l, 5 Anm.) in den ersten Stunden des l5. Abib oder Nisan gegessen wurde. Nun fiel im J. 30 n. Chr. der 14. Nisan ans Donnerstag, den 6. April (s. den Kalender in den Schliißbem zum l. Maccabäerb. Nr. 4, a), und von da 2 Tage znrtickgerechnet kommen wir für unsre Geschichte auf das oben angegebene Datum: Dienstag, den 4. April. Dagegen erhebt sich aber ein Bedenken aus den ihronologischen Angaben des Johannes; nach diesem Evangelisteii will es nämlich scheinen: l) als sei der Tag, an welchem Jesus mit seinen Jüngern das Ofierlamm gegessen, zwar ein Donnerstag, aber nicht der l4te, sondern der 13te Nisan, also«der Tag vor demjenigen Tage gewesen, an welchem die übrigen Juden es aßen; denn in Joh. is, l heißt es: ,,Vor dem Fest aber der Ostern« (oder des Passa); Z) als sei der Tag, an welchem der HErr gekreuzigt worden, zwar ein Freitag, aber nicht der l5te, sondern der 14te Nisan gewesen, und Abends nach Sonnenuntergang wäre dann erst von den Juden die Peissamahlzeit gehalten worden. Jn Joh.18, 28 wird nämlich gesagt: »Die Juden gingen nicht in das Richthaus, auf daß sie nicht unrein würden, sondern Ostern (das Passa) essen möchten«, und in Joh. 19, 14 wird der Tag, wo Pilatus mit den Juden verhandelte, als ,,Ri«isttag in Ostern« bezeichnet. Diese Schwierigkeiten haben von Alters her viel Ver- wirrung angerichtet, iind noch bis auf den heutigen Tag wird vielfach behauptet, die Zeitbestimniungen bei Johannes befänden sieh mit denen der 3 ersten Evange- listen in einem unlösbaren Widerspruch; sie beheben sich aber so sehr von selber, wenn niir die Ausdrücke, deren Johannes sieh bedient, in dem Sinne, den sie bezeichnen sollen, aufgefaßt werden, daß es kaum zu begreifen ist, warum man noch immer sie geflissentlich hervorkehrt und ihre Lösung als willkürlich und unzutreffend zurück- weift, statt der vollen Uebereinstimmung säinmtlicher Evangelisten sich zu freuen. Ein jedes dieser 4 Evan- gelien ,,hat seineii Klang, feinen Weg, seine Ord- nung, seinen Endzweck, und dennoch ist’s Ein Gefiige in den vieren, wie es Hesekiel (l, 15 ff.) sah; wer iin Mittelpunkt steht, sieht keine krumme Linie, wie auch die Radien nach allen Seiten auslaufen, und wer sich an den Kern hält, wird finden, daß sich die Schale gut um den Kern heruinlegt.« Z. Da [in den Nachmittagsstiinden des näm- lichen Tags, an welchem sie so schwere Niederlagen in ihrem Kampfe wider Jesum erlitten hatten Kaki. 21, 23 — 23, 39., ja wohl zu derselbigen Stunde, wo der HErr zu seinen Jüngern also redete, wie in V. 2 gemeldet worden] vetfammelten fiel) fdrüben in Jerusalem] die Hohenpriester und Schriftgelelirten nnd die Aeltesteu im Vol! [welche den Hohenrath bildeten Kaki. 2, 4 Anm.] in dem fzwischen dem Tempelberg und dem Zion gelegenen . Evangelium Matthäi 26, Z— 7. V. 58 Arm] Palast des sdamaligenj Hohenptiesterh de! da hieß Kaiphas [Schlußbem. zum l. Maccab. Nr. ll, o. Zuf.], 4. Und hielten fin vertraulicher BesprechUngJ Rath [mit einander], wie sie Jesum [der gerade heute durch seine Abfertigitngssn ihre Wuth auf’s Aeußerste gereizt] mit Listen [heiinlich. da sie öffent- lich ihm nichts hatten anhaben können Kap. 2l, 45 f.; 22, 15 ff. 461 griffen und sihrem fchon vor etwa 2 Monaten gefaßten Beschlnsse gemäß Joh. 11, 47 ff] todteten. Z. Sie swnßten nun zwar, trotz alles Hin: und Hersinnens nicht ausfindig zu machen, wie sie das anfangen sollten] sprachen aber skamen wenig: stens in diesem Punkte zu einer festen Meinung]- Ja nicht auf das Fest sdas nach zween Tagen sei- nen Anfang nimmt, denn da sind zu viel Menschen in der Stadt anwesend, und unter diesen nainentlich auch seine Anhänger aus der muthigen und streit- lustigen Völkerschaft Galiläa’s], auf daß nicht ein Aufruhr werde im Volk fnach dem Fest dagegen wollen wir ohne Säumen zur Ausführung schreiten, und bis dahin werden sich wohl auch Mittel und Wege dazu finden] Es ist ein wunderbares Zusammentreffen der Um- stände, daß der Hoherath Sitzung hält iiber den Be· schloß, Jesum hinzurichten, während dieser im Kreise seiner Jtlnger auf dem Oelberg sitzt und ihnen das Ge- richt Verkündigt, welches über Jerusalem kommen soll als Vorzeichen des einstigeu Weltgerichts (Kp.24 u.25): die Abendstundem in denen diese Momente einander gegenüber treten, gehören zu den verhängnißvollsien der Weltgeschichtm Jn einem zweiten Kontrast abersehen wir die erhabene Klarheit, womit der Fürst des Lichts hoch über den Kindern der Finsterniß sieht. Die Mit— glieder des Shnedriums oder des Hohenraths be- finden sich in der entschiedeiisien Verworrenheit und Unsicherheit mit ihren Anfchlägem Sie wissen noch nicht, daß Jesus in den nächsten Ostertagen durch ihre Hände am Kreuz verbluten wird, vielmehr sind sie der Meinung, dazu werde es erst später kommen; ja, sie fassen gerade jetzt noch einen Beschluß, nach welchem die Kreuzigiing durchaus nicht am Ofterfeste gescheheti soll. Allein sie wissen nicht, daß sie durch ihren Beschluß, Jesum zu tödten, sich zu unfreien Werkzeugen der Hölle und des "Satans gemacht haben uiid daß die Macht der Finsternis; ihren Beschluß uinstoßeii wird. Jn der Hölle heißt es: »ja wohl aus das Fest!« und dieser Beschluß findet bald einen Wiederhall in der Seele des Judas. Das ahnen die in der Siinde ergranten Väter nicht, daß ein Verräther aus dem Jiingerkreise sie in seiner dämo- nischen Aufregung fortreißen wird, den HErrn hinzu- richten am Feste; noch weniger können sie ahnen, daß auch die ewige Weisheit Gottes in einem der Hölle ganz entgegengesetzten Sinne den Beschluß gefaßt hat, die Kreuzigiing solle stattfinden am Fest. Jesus aber sieht sein Geschick klar vor Augen im Spiegel der ewigen Weisheit, und während das verdtjsterte Collegium un- geachtet seiner Beschlüsse mit allen Brillen der Politik nicht die Hand vor Augen sieht, kann er feinen Jüngern mit der völligen Gewißheit fein Geschick verkünden, daß er nach zween Tagen am Oslerfeste zu Jerusalem werde verrathen und gekreuzigt werden. (P. Lange) Eben am Osterfeste wollte Christus leiden iiiid sterben: l) weil Die Salbung Jesu in Bethanien durch Maria, des Lazarus Schwesien 373 das Osterlamm ein Vorbild auf ihn war, welches nicht eher als am Osierfest geschlachtet wurde, folglich auch seine Aufopferung zu der gehört en Zeit geschehen mußte; Z) daß sein Leiden und Ster en desto eher über- all bekannt würde, damit, wenn hernach die Apostel kämen nnd Vergebung der Sltnden in seinem Namen predigten, schon jedermann wisse, wie nnschuldig er ge- kreuzigt worden sei. (Starke.) II. v. a-—16· (§.100 ». 1u.) galt: n: dem vorige« Jlbsklsnitt ein Knoten siat geschützt, indem mit Christi verluindi ung seines Leidens für das beoorflehende Oster- sesi der esthluß des tjohenraths in direkten Widersvrnas trat, so folgt nun die Lösung des ünotens Der Evan- gelist versetzt uns da einige Tage riikltwärts in die Zeit, wo Jesus, ehe er seinen königlichen Einzng in Jerusalem hielt, zu tielhauien in dem Kreise der dort ihn! befreun- deten iainilie verweilte; er hat ein Dienst dazu, sowohl was die innere Entwickelung als den äußeren Ausgangs- punkt der Begebenheit betrifft, aus die es eigentlich ihm hier ankommt: es ist des Judas Anerbieten, was dem Beschluß des thohenraths aus einmal eine andere Weadung giebt. Wenn nun Judas am anderen Tage nach jenem Beschluß Mittwoch den I. April) zu den hohenorießern geht, uurnsit ihnen zu verhandeln, so leonimt er von sethanien her; in tlethanien aber war anas der böse Vorsatz zu dem, was er jetzt that, bei Gelegenheit des vor einigen Tagen dort vor-gefalle- ueu zuerst in seiner Seele ausgestiegen. Einen. 14, 3——1l;kntt. W, 3—6; Sah. Its, t—ii.) C. Da unt! Jesus sum hier im Verlauf der Ereignisse einige Tags' zurückzugreifen] war zu Vethanien [er war aber aus dem Wege von Jericho Katz. 20, 29 ff. dahin gekommen, um im Kreise der ihm befreundeten Familie des Lazarus und sei- ner beiden Schwestern den Sabbath im Stillen zuzubringen] im Hause Sitnottis des Bilds-Wissen« sdas setzt seiner hinterlassenen Wittwe, der Martba gehörte, und daselbst ihm ein Festmahl gegeben wurde, an dem auch Lazarus Theil nahm], 7. Trat zu ihm ein Weilst« [dieselbe Maria, die bei seiner Anwesenheit vor 24 Wochen zu seinen Füßen gesessen und seiner Rede zugehört hatte Luk. l0, 38 ff» und jetzt für das an ihrem Bruder vor anderthalb Monaten verrichtete Wunder der Wiedererweckung von den Todten Joh. 11, 1 ff. ihr Dankopfer ihm darbringen wollte], das hatte ein Glas mit töstlichem Wasser sein Alabastev fläschchen mit gar werthvoller Nardensalbe] und goß es sdie flüssige Salbe, nachdem sie dem Fläschchen den Hals abgebrochen] aus sein Haupt, da snoch während] et zu Tische saß soder vielmehr: lag V. 20 Anm·, und salbte darnach auch seine-Fußes. V) Jn Joh. 12, 1 f. heißt es: »Sechs Tage vor den Ostern kam Jesus gen Bethanten .. . daselbst machten sie ihm ein Abendmahl.« Der Termin, von welchem aus hier zurltckgerechtiet wird, um den Tag« der Ankunft Jesu näher zu bestimmen, ist Donnerstag, der s. April, mit dessen Abend in jenem Jahre das Osterfest seinen Anfang nahm (V.2 Anm.); von diesem Termin 6 Tage zurttckgerechneh kommen wir aus Frei· tag, den 31. März, und das stimmt damit, daß der Evangelist offenbar einen eitraum von einem Ta e weniger als eine Woche ( atth. 17, l; Mark. O, «) hat bezeichnen wollen. Hatte nun, wie wir ans Lnk. l9, 1 ff. wissen, der HErr die Nacht zuvor in Jerirho bei Zachäus zugebracht, so konnte er recht wohl noch im Laufe des Vormittags in Bethanien eintreffen; da war denn auch noch Zeit, um ihm für die Abendstunden des To» s, mit welchem schon der Sabbath anbrach, ein Fest« Mahl zu bereiten, das Mahl selber gegen Abend zu halten hinderte der Sabbath nicht, im Gegentheil wird der Sabbath noch jetzt von den Juden mit Vorliebe zu Gastmahlen benutzd Diese nehmen dadurch einen festlichen Charakter an, und um ein eigentliches Festrnahl handelt es stch hier: es diente zur Feier der Auferweckung des Lazarus «) Was das Familienhaus in Vethanien anlangt, so erscheint das hier und in Mark. 14, 3 als Haus ,,Simons, des AusiätzigetW bezeichnete Haus in Luk. l0, 38 n. Joh. 12, 2 als Haus der ,,Martha«, in welchem diese als Hausfrau schaltet und den Tisch be· sorgt; daraus ergiebt steh wie von selbst, daß Martha die Ehegattin des Simon war, oder vielmehr, da von ihm außer seinem Namen sonst nur noch sein Beiname angeführt nnd er durchweg wie einer erscheint, der nicht mehr unter den Lebenden ist, dessen hinterlassene Wittwe. Weiter ergiebt stch sowohl aus Lnk. 10, 38 ff. als aus unsrer Geschichte hier, daß Maria bei ihrer Schwester: in deren Hause lebte, während dagegen aus Joh. l2, 2., wonach Lazarus nur einer von den geladenen Gästen war, dentlich hervorgeht, daß dieser fein eigenes Haus: wesen fitr stch hatte. Dlirfen wir nun eine Vermuthnng wagen iiber die weiteren Verhältnisse der Familie, so ist es diese: Wohl bald bei seinem ersten Auftreten in Jerusalem am Osterfest des J. 27 n. Chr. (Joh. 2, 13 ff.) fand Jesus an Lazarus und seinen Schwestern solche Herzen, die im Glauben steh ihm zuwandten (jedoch von anderer Art als die, deren in Joh. 2 , 23 ff. gedacht wird), und das Haus in Bethanien öffnete firh sehon zu jener Zeit ihm zur Aufnahme und erberge, so lange er noch in Judäa weilte (Joh. ·). Damals lebte Simon, der Ehegatte der Martin, noch und ward durch Jesum von seinem Aussage, nach dem er den obigen Beinamen führt, befreit — dies Wunderwerk zählt wohl mit zu denen, auf welche Nikodemus in Joh. Hi, 2 sieh bezieht, ja vielleicht ist Bethanien selber der Ort, wo Nikodemus zur Nachtzeit den HErrn auffuchte, und hatte also dieser einen lebendigen Beweis von der Wahrheit dessen, was er sagte, an Ort nnd Stelle. Wir zweifeln mehr, daß der Heiland auch am Ofterfest des J. 28, das er blos privatim besuchte, sowie am Pfmgstfest desselben Jahres (Joh. 5, l fs.) in Bethanien einkehrte nnd die Bande der Freundschaft noch fester knüpfte; woher käme es sonst, daß die Schwestern in Joh. 11, 3 ihm von dem Bruder können sagen lassen: ,,HErr, siehe, den du lieb hast, der liegt kränkt« Es folgte nämlich auf jenes Pfingsten eine Zeit von 1 Jahr 4 Monaten, während welcher Jesus nicht wie- der nach Jerusalem kam, sondern sein Wesen in Galiläa hatte; und als der HErr dann auf dem Laubhitttenfest des J. 29 n. Chr. in der heil. Stadt sich einfindetund auf dem Wege dahin in Bethanien einkehrt iLuk. 10, 38 ff.), wird des Lazarus mit keiner Silbe gedacht, ohne Zweifel, weil er nicht zu Hause, sondern zur Feier des Festes am Ort des Heiligthnms anwesend war. Es wird aber auch des Simon nicht gedacht, vielmehr er- scheint das Haus der Martha ohne Hausherrn; dieser ist also wohl während jener W, Jahre gestorben und Martha in den Besitz seines Hauses getreten. Wieder- um vergingen seit diesem Besuch im Oktober s» 29 etwa 4 Monate, da stellte sieh eine nene Noth in Bethanien ein: Lazarns ward auf den Tod krank. Die Schwestern nehmen fttr den um so heißer geliebten Bruder, als 374 Evangelium Matihäi 26, 8—-12. derselbe, wie es scheint, wenn auch ein eigenes Haus- wesen, doch keine eigene Familie besaß, gleichwie auch sie ihrerseits keinen anderweiten männlicheu Anhalt mehr hatten, ihre Zuflucht zu dem HErrn, und er half über Bitten und Verstehen, indem er den Lazarus wieder auferweckte, nachdem er schon 4 Tage im Grabe gelegen. Die Erfahrung, welche namentlich die innige und sinnige Maria in ihrem Glanbensleben da gemacht, ist von der tiessten Art gewesen, wie Menschen ihrer nur irgend fähig; und wird es uns obliegen, an der betreffenden Stelle diese Erfahrung näher zu beleuchten, um darnach auch das Liebeswerh das Maria hier an Jesu verrichtet, in rechtem Lichte zu erkennen. IN) Jn der römischeii Kirche hat sich die Tradition festgesetzh daß l) die große Sünderin, die im Haufe des Pharisäers Simon erscheint nnd Jesu Füße mit ihren Thränen iietzt 1Luk. 7, 36 fs.), eine und dieselbe Person sei mit Maria Magdalena, von der der HErr sieben Teufel ausgetrieben und die dann zu den Frauen gehörte, die ihm Handreichung thaten von ihrer Habe (Lnk. 8, 1 fs.; Mark. 15, 40 f.); und daß 2) das Weib in unsrer Geschichte, das in Joh 12, 1ff. deutlich als des Lazarus Schwester Maria sich zu erkennen giebt, eben jene Maria Magdalena, die große Sün- derin sei. Demgemäß heißt es in einem Hymnus dieser Kirche: Maria, soror Lazarh quae tot: commjsit cri- miua, ab ipsa fauce tartari isedit ad vitae limina (Maria, die Schwester des Lazarus, die soviel Böses begangen, kehrt vom Abgrund der Hölle sogar zur Lebensthiir zurück). Der Widerspruch, den Jakob Fab er (nach seinem Geburtsort Etaples in der Picardie Sta- puleusis genannt) gegen solche Auffassung erhob, wurde im J. 1521 förmlich als Ketzerei verdammt, und noch bis auf den heutigen Tag findet die mit Ausbietung aller Kräfte von Seiten der kathol. Theologen ver- theidigte Meinung auch von Seiten evangel. Schrifter- klärer sowohl in ihrem ersten, als auch im andern Theile Unterstützung. Was aber zunächst den andern Theil betrifft, so ist schon das eine unerklärliche Gedanken- losigkeit, den Pharisäer Simon in Galiläa mit Simon dem Anssätzigen in Bethanien darum für dieselbe Per- son zu halten, weil beide den Namen Simon führen; noch größer wird dann der Mißgriff dadurch, daß man so gar nicht bedacht hat, wie es in Luk. 7, 36 ff. sich um eine, dem Gastgeber fremde, übelbeleumundete Persoii handelt, während hier von einem Weibe die Rede ist, welche in keinerlei Weise als eine bisher leichtfertige Person charakterisirt wird und die zu dem Hause, in welchem sie Jesum salbt, in unmittelbarer Beziehung steht. Wenn nun selbst von den kathol. Theologen viele der neueren Zeit diese Vermischung zweier ganz ver- fchiedener Persönlichkeiten aufgegeben haben, so steht da- gegen die Vermischung der großen Slinderin mit der Maria Magdalena zu einer und derselben Person auch bei Evangelischen vielfach so fest, daß Stiftungen zur Rettung gefallener Mädchen unbedenklich sich mit dem Namen der Maria Magdalena schmücken, als wäre es eine ganz aus-gemachte Sache, daß diese jene große Sünderin gewesen sei. Angesichts der bedenklichen Rolle jedoch, welche der Franzose Renan den Frauen im Leben Jesu zuertheilt hat, indem er die Far en, womit er malt, der Gesellschaft entlehnt, in der er sich bewegt und für die er schreibt, sollten wir etwas kopfscheu wer- den gegen die hergebrachte Ansicht und eine Zurecht- iveisung der Kirche von Seiten des HErrn darin er- blicken, wenn er es zugelassen, daß eine solche Dar- stellung seiner Lebensgeschichte hat erscheinen dürfen; er konnte zwar einen Zöllner unter die Zahl seiner Apostel aufnehmen (Kap. 9, 9 fs.), aber für ein Weib mit solcher Vergangenheit, wie die der großen Stinderin, war keine Stelle unter den dienenden Frauen, so wenig man jetzt ein Mädchen dieser Art, wenn ihre Bekehrung auch eine noch so entschiedene wäre, zu dem Amt einer Diakonissin versiatten oder als Eheweib eines Geistlichen zulassen würde. f) Von der Nardensalbe wissen wir, daß sie als das köstlichste Arom im ganzen Alterthum berühmt und hochgeschätzt war; sie wurde gewonnen aus dem unmit- telbar tiber der Wurzel sich erhebenden, haarigen Theile des Stengels einer im nördlichen und östlichen Indien, auch wohl in Südarabien auf Anhöheii und Ebenen wachsenden Pflanze, die zum Geschlecht der Valeriana gehört, im System mit ihrem bengalischen Namen Valeriana Jatamansi heißt, und deren Blätter schon einen angenehmen Geruch verbreiten, nnd kam in den Handel des Westens, auch nach Palästina, durch die Phönicier (vgl. Arriaix Alex. W, 22. 8). Nach der indischen war besonders die syrische Narde geschätzt, und wurde diese namentlich in Tarsus (Apostg. 9, 11) aus Oelen mehrerer, zum Theil ebenfalls zu den Valerianjs »gehörigen aromatifchen Pflanzen in vorzüglicher Güte verfertigt. Man bezog sie in kleinen Alavasterbüchschem und kam ein solches Fläschchen, wenn es ungefälschte Narde (Mark. 14, Z) enthielt, auf 300 Denare (Luther: »Groschen« Joh. 12, 5; Mark. 14, H; 2. Mos. ZU, 13 Anm.) «= 75 Thlr. (nach anderer Berechnung = säh, Thlr.) .zu stehen. Wie es scheint, so hatte man im Hause zu Bethanien diese kostbare Salbe bei Lazarus Tode (Joh. 11, 11 ff.) angeschafft, um die theure Leiche damit zu salben; aber man verwendete sie dann doch nicht — man hoffte und hoffte, obwohl man nicht recht wußte, warum, da nach den äußeren Umständen nichts mehr zu hoffen war (Röm. 4, 18) — und nun, da heute das Fest zur Feier der Auferweckung des Lazarus gehalten wird, holt Maria das Fläschchen herbei, statt aber den Verschluß zu öffnen und das kostbare Oel tropfenweis heraus-fließen zu lassen, zerbricht sie das Flacon und schüttet mit Einem Male den ganzen Inhalt an dem Haupte Jesu, an den sie, während er, auf den linken Arm gestützt, auf einem Polster zu Tische liegt, von hinten herantritt, hinab und salbt darnach, das herabträufende Oel mit den Händen aufsangend, auch seine Füße. Der rabbinischen Satzung gilt ein Oelgefäß, dem der Hals abgebrochen worden, fiir ein völlig zer- brochenes, und, weil zu keinem andern Gebrauch mehr dienlich, für rein: beides hat für die Salbung hier seine Bedeutung. St. Matthäus nun lenkt die Auf- merksamkeit des Lesers hanptsächlich darauf, daß das Weib das Haupt Jesu salbte:, er schrieb ja vornehmlich für die Juden, diesen will er denn vorhalten, welch eine Salbung dem Propheten, König und Hohepriester Jsraels zu Theil geworden sei, nnd läßt in der Handlung die Hand Gottes erkennen, welcher, wie er den Elias und Elisa durch ein Weib versorgen ließ, so auch dem HErrn Jesu durch ein Weib die Anerkennung und Huldigung zu Theil werden ließ, die ganz Israel ihm versagte. »Kein Schriftgelehrter hat diesem gesegneten Haupt die Hände ausgelegt und ihm die Weihe gegeben, keines Priesters Horn hat mit heiligem Oele diesem Haupte Würde und Heiligkeit, keine fürstliche Krone ihm Macht und Zierde gegeben, keine andlung hat vor Gott und Menschen es zu einer öffentlichen Thatsache gemacht, daß Jesus der Gesalbte war. Wie es aber ein Weib war, eine Maria, die ihn empfangen und getragen, ihn, den, so lange er hienieden unter dem Volke des Eigenthum-Z war, niemand empfangen und tragen tvollte, so ist es abermals ein Weib, eine Maria gewesen, welche that- sächlich und ofsenkundig es ausgesprochen, daß Jesu die Salbung gebührt, die Danksagung, die Ehre, die An- betung; und in solcher Weise sind denn die Schriften Zurtickweisung des der Maria gemachten Vorwurfs und Deutung ihrer That. erfüllt, die da sagen lPlT 23, 5; 45, 8): »Du salbest mein Haupt mit Oel«, und: ,,darnm hat dich, Gott, dein Gott gesalbet mit Frendenöl mehr denn deine Ge- sellen« Wenn hingegen St. Johannes mehr dabei verweilt, wie Maria mit dem noch übrigen Oel zu den Füßen Jesu sich hinwirft, dieselben salbt nnd hernach mit ihren Haaren trocknet, so will er dasselbe bemerklich machen, was der Täufer einst mit den Worten bezeugte (Joh. l, 27): ,,deß ich nicht werth bin, daß ich seine Schnhriemen auflöse.« Die Anerkennung des Glaubens, das Hinsinken der Liebe, welche Maria Jesu brachte, war ein solches, daß sie sich nicht werth achtete, den ge- ringsten Dienst Jefu zu erzeigen, daß sie alle Rücksichten der Sitte, des Anstandes, der Ehrbarkeit (denn es galt bei den Juden einem Weibe für eine große Schande, wenn sie ihr Haar auflöfte) außer Augen setzte und sich Jesu ergab, wie einst die Abigail dem David (l. Sam. AS, 41). Und so wird eine jegliche Seele, so wird die Gemeinde nur dann in der rechten Weise Jesum den Christ nennen, wenn sie jeden Gedanken von sich ab- weist, als habe sie Jesu das Haupt zu schmücken, zu krönen, zu salben, als könne sie überhaupt ihm etwas darbringen und einen Dienst erweisen, nnd sich deshalb in dem Gefithl gänzlicher Unwürdigkeit zu den Füßen des allein Herrlichen und Gnädigen niederwirft.« (Wichelhaus.) 8. Da das seine Jiniger sahen, wurden sie sweil sie für sich selber schon die Handlung nicht zu würdigen verstanden, gleichwie der Hohepriester Eli der Hanna Gebahren nicht begriff l. Sam. 1, 12 ff» überdies aber durch den Schein eines gottseligen Wesens, den Judas ihnen vor-spiegelte Joh. 12, 4 ff., sich blenden ließen] unwillig nnd sin ihrer Arglosigkeit der Vernünftelei des letzteren beipftichtendj sprachen [sie]: Wozu dient dieser Unrath [solche BerschwendungTs 9. Dieses Wasser hätte mögen thener [um mindestens 70 ThlrJ verkauft nnd [der Erlös da- für] den Armen gegeben werden. »Für üppige Mahlzeiten und verschwenderische Ge- lage möchte eine solche Salbung an ihrem Orte sein: aber welchen Zweck könnte ein solcher Luxus bei Jesu haben?« Welcher besonnene Mann sollte diesem Urtheil des Judas nicht beisiimmen? Doch der engherzige Tadel läßt den Beweggrund der That außer Acht, die Liebe zum HErrn, we che zu ihr getrieben hat, und schießt darum fehl, weil er bei seinem Urtheil weder den Drang der sich kund gehenden Gesinnung, noch die Bedeutung des Geschehenen selbst würdigt , sondern kaufmiinnisch nur den aufgewandten Geldwerth in’s Auge faßt. Und da ist es ganz charakteristisch für Ju as, den Typus der späteren Geldjuden, daß er den Preis einer Sache so genau kennt, die ihn gar nichts an- geht. Matthäus begnügt sich den Kreis zu nennen, in dem die tadelnde Bemerkung auftaucht; schon Markus thut es mit Beschränkung auf etliche aus dem Kreise der Jtinger (,,da waren etliche, die wurden unwillig«); Johannes nennt den Urheber des Tadels, in den die Andern mehr oder weniger mit einftimmten, doch wendet auch bei ihm die Gegenrede Jesu sich zugleich an die übrigen Jüngey die mit eingestiniint hatten. Man sieht hier so recht deutlich, wie die Verschiedenheit in den Berichten der 4 Evangelisten nicht einen Widerspruch des einen mit dem andern, sondern nur eine gegenseitige Ergänzung in sich schließen. 10. Da das Jesus merkte swie fie theils in 375 ihrem Herzen also dachten, theils durch Geberden einer dem andern ihre Zustimmung zu des Judas Rede zu erkennen geben], sprach er zu ihnen: Was bekümmert ihr [mit euren VorwürfenJ das Weib fdaß sie irre an sich selber werden muß, ob sie auch recht gethan habe]? Sie hat [keiiieswegs, wie ihr euch von einem aus eurer Mitte jetzt ein- reden laßt, einer unnützen Verschwendung sich schuldig gemacht, sondern im Gegentheilj ein gnt Werk an mir gethan [das, wie es aus brünstiger Liebe hervorgegangen, so auch einen edlen Zweck an mir erfüllt V. 12]. 11. Jhr habt allezeit Arme bei euch [5. Mos 15, 11., und so oft ihr nur ernstlich wollt, könnt ihr ihnen Gutes thun — ihr braucht euch also der Armen wegen nicht zu sorgen, als wäre diesen etwas eatzogenjz mich aber habt ihr nicht allezeit [ja nur noch für eine kurze Zeit, wie ich euch gestern erst gesagt habe Kap. 20, 17 ff., und darum sollte es euch lieb sein, wenn jemand die kurze Zeit aus- kauft, mir noch einen recht großen Liebesdienst zu erzeigen]. 12. [Ein Liebesdienst ist mir aber wirklich, was das Weib gethan:] Daß sie [nämlich] dies Wasser hat auf meinen Leib gegossen [dies, daß sie die Salbe so rein ausgegossen, als wollte sie noch das Letzte fiir mich hingeben, und meinen Leib so vollständig gesalbt hat, wie man eine theure Leiche einbalsamirt], hat sie swenn auch ihr selbst nicht bewußt, doch dem Zug ihres ahnungreichen Herzens folgend] gethan [wie zu einer Weissagung darauf], daß man mich [in nahe bevorstehender Zeit, schon heute über 8 Tage Kaki. 27, 57 ss.] begraben wird [genauer: mich zum Grabe zu bestatten, d. i. mich, der ich bereits so gut wie gestorben bin, zur Beerdigung zuzurichten und meinem Leich- nam noch die letzte Ehre zu erzeigen]. Diese Worte Jesu zeigen, daß man sich in Acht neh- men muß, das gemeine Nützlichkeitsprincip in der Kirche geltend zu machen: was vom Standpunkt dieses Prin- cips aus als Verschwendung erscheint, das kann als Ausdrnck dankbarer Liebe und glühender Andacht volle Berechtigung haben. Bei tieferer Betrachtung ftellt sich heraus, daß mit solcher scheinbaren Verschwendung oft mehr ausgerichtet wird als mit Verwendungen, deren praktischer Nutzen offen zu Tage liegt; die Dome find zur Erhaltung des christlichen Geistes nicht minder noth- wendig als die Sparkirchem (Hengstenberg.) Lasset es doch gehen: es ist die Letze (letzte Gabe zum Abschied), die sie mir giebt; denn ich soll doch sterben. (Luther.) Das Weib hat allerdings nicht in diesem bestimmten Be· wußtsein gehandelt, wohl aber in dem Vorgefühl einer großen Opferzeitz das in dem Ansschütten all der Kost· arkeiten seinen Ausdruck fand, wie wenn sie hätte sagen wollen: wir stehen am Ziel! künftig brauchen wir keine Salben mehr. (Lange.) Es kann kein Zweifel obwalten, daß Mariä That ftir Jefum wirklich eine Wohlthat und Erquickun im vollsten Sinn des Worts gewesen ist. Nicht das er für sich irgend etwas begehrt hätte, nicht daß ihm der Narde köstlicher Dust die matte und mit Bitterkeiten gekränkte Seele hätte durchwtirzen kön- 376 Evangelium Matthäi 26, 13-—19. neu, nicht daß« er auch nur an Dankbarkeit, Hingebung uiid Liebe für sich selbst ein Gefallen gehabt hätte; denn des Vaters Wille stand allezeit vor feiner Seele und die Errettung des Verlorenein Aber gerade mit Beziehung darauf war ihm Mariä Salbung »ein stißer Geruch« fPhil. 4,1s’), der seinem Herzen sanft that, der das Hiaupt ihm erhob und belebte, der die wanken- den Kniee ihm stärkre, der seine ganze Seele mit gött- licheni Trost erfüllte und erquickte. Ihm, der so ganz in der Schrift lebte und in dem Sichtbaren nur eine Abbildung des Unsichtbaren und Himinlifchen sah, muß- ten in Einem Augenblicke tausend Spriiche in die Seele dringen (ogl. Pf. 23, 5; 3l, s; Jes. 35, 10; 6i, Z; Pf. 1l0, 4; 133, 2 u. s. w.), das ganze Hohelied sah er lebei1dig werden und sich an ihm erfüllen (Hoh. 1,1«2.15;2, l; Z, 6;4,14;8, 6). Man denke sich Jesum nicht stark und getrost in sich felbst — Gott war seine Stärke Gebt. 2, l3), das ewige Wort war sein Trost (Joh. 17, I7); Gott von Gott, des ewigen Vaters ewiger Sohn, war er hienieden in unsrer Sehwachheit (2. Cor. IS, 4), in der Macht dessen, der des Todes Gewalt hat. In den ,,Tagen seines Flei- sches«, d..i. nicht blos in Gethfemane, sondern alle Tage feines Lebens hienieden, hat er Bitten und Flehen zu dem, der ihn ans dem Tod erlösen konnte, mit starkem Geschrei und Thränen hinansgetrageic Gebt. 5, 7); er ist kein Herd-s, kein Göttersohii gewesen, der- im Gefühl eigener Kraft einherging, alles in feiner Gewalt hatte und sich selbst zu allen Höhen emporschwang, wir hören vielmehr vor feinem Leiden ihn sagen (Luk. 12, 50): »ich muß mich taufen lassen mit einer Taufe, und wie iii mir so bange, bis sie vollendet sei«, schon in Geth- semane ihn Trost und Stärkung suchen in der Gegen- wart seiner Sänger, und seine Seele ist betrübt bis in den Tod. Da liegt nun mit Einem Male das Weib init ihrer Narde zu seinen Füßen, und das ganze Haus wird vom Duft der Narde erfüllt (Joh. 12, 3). Muß ihn nicht der Gedanke durchzuckt haben: so muß auch mein Leib gebrochen werden, damit die Gemeinde erfüllt sei von dem Duft des Geistes, die ganze Welt von dem Wohlgeruch des EvangeliiiI Und muß Er, der liebende Salt-wo, in diesem Weibe nicht seine ganze Gemeinde mit dem Auge des Geistes erblickt haben, welche in sei- nen Wunden Genesung finden werde? (Wichelhaus.) 13. Wahrlich, ich sage euch, wo dies Evan- gelium [die Heilsbotschaft von meinem Tod und Vegräbiiißs gepredigt! wird [und das wird ge- schehen] in »der gaiizen»Weit, da wird man auch sagen zu ihrem Gedacht-im, was sie gethan hat sihre That rühmeud anerkennen und fie in ihrer Bedeutung verstehen]. So war die mit ihrem Werk bei den Jüngern so übel augekominene Maria vor aller Welt gerechtfertigt, Judas dagegen war mit seinem, wie er meinte, guten Wort vor feinen Genossen zu Schauden geworden; von da an hat, wie es scheint, bitterer Groll gegen Jesum sich seiner Seele bemächtigt, denn gekräukter Ehrgeiz und Bloßstellung vor Andern hat bei unlanteren Ge- müihern in der Regel eine tiefe und unversöhnliche Feindschaft zur Folge. Judas hatte aber wohl auch, als er das Nardenwasser nach seinem Werthe schätzte, mit Gedanken sich beschäftigt, wieviel er von den 300 Groschen, wenn Maria die Salbe verkauft und den Erlös dafür dem HErrn zum Opfer gebracht hätte, würde unvermerkt auf die Seite haben schaffen können; denn ,,er war ein Dieb und hatte den Beatrix« bemerkt St. Johannes, also ist es ihm ebensowenig um die ge- meinschaftliche Kasse wie um die Armen bei seiner Be- rechnung zu thun gewesen, als vielmehr um’s bei Seite Schaffen. Es mochte ihm schon lange nicht mehr bei Jesu gefallen und er wartete nur auf einen günstigen Zeitpunkt, wo er mit einem größeren als dem gewöhn- lichen Vaarbestand sich davon machen könnte; dieser Zeitpunkt wäre da gewesen, wenn Maria so gehandelt hätte, wie er es ha en wollte, uuu aber war durch die »unntitze Verfchwendnng«, als welche die That der Maria seinem geldgierigen Au e erschien, die Llliöglichkeit eines so reicheii Bandes, wie te hier sich eröffnet hätte, für immer dahin. So ward er bei dem Vorfall in unserm Texte in zwiefacher Hinsicht innerlich reif zu dem Bubenstücth das im Folgenden von ihm erzählt wird: sein gekränkter Ehrgeiz suchte Rathe, seine getäufehte Habsucht suchte einen Ersatz; nun war freilich das Blutgeld, das die Hohenpriester ihm bewilligten, nur ein geringer Ersatz, noch lange nicht die Hälfte dessen, was seiner Berechnung entgangen war, aber es ward ihm, dem vom Satan Geblendeten und Besessenen, dadurch gewürzt, daß er in der Blutthat feinen Nachedurst kühlen konnte. 14. Da [um hier wieder aiif das zurückzw kommen, was in V. 3—5 erzählt wurde uiid hierzu ebenso ein eigenthüinliehes Zusammentreffen beizubringen, wie in V. 3 ein solches zu dem in V. 1 f. Berichteten beigebracht wurde] ging hin der Zwölfen einer, mit Namen Judas Jfcharioih [der seit dem Vorfall in Bethanien V. 6—l3 über finsteren Plänen gebrütet und im Verlauf der folgenden 4——5 Tage sein Gewissen nun dahin gebracht hatte, daß es schwieg zu dem, was der Teufel ihm eingab Las. 22, Z] zu den Hohen- ptiefierii sindem er am Mittwoch der Leidenswoche unter einem Vorivand Joh. is, 29 von Weihn- nien sich entfernte und hinüber nach Jerusalem eilte], 15. Und fpkach fauf das Gebot, das der Hoherath in Joh. il, 57 hatte lassen ausgehen, sich beziehend]: Was wollt ihr iiiir geben? Jch will ihn euch verrathen. Und sie szwar einerseits froh, daß sich ihnen so unerwartet schnell ein Mittel bot, ihr Vorhaben V. 4 zur Ausführung zu bringen, aber andererseits auch geizig Luk. is, 14., da sie hier aus eigener Tafche zahlen mußten] boten ihm fsich darauf steifend, daß sie ja ihn nicht· hätten rufen lassen, sondern er sich selber anbiete, und zugleich erklärend, daß ihnen sein Meister nicht mehr gelte als ein leibeigener Knecht 2. Mof. 2l, 32; Such. 1 i, 121 dreißig Siibcrlinge [=26 IX4Thlr. 2. Mos so, 13 Aum.]. I6. Und set, nachdem er einmal soweit ge- gangen, nahm den Spottpreis an, und] voii dem an suchte er Gelegenheit, daß er ihn verriethe spaßte auf eine schickliche Gelegenheit, wo er Jesum in die Hände der Hohenpriester bringen könnte, ohne das; es zu einem Voltsauflauf dabei käme; denn das hatten diese sich noch ausdrücklich ausbe- dungen Luk. 22, 6]. Es geht weit in die Anfänge der christlichen Zeiten zurück, daß man am Mittwoch jeder Woche ziir Kirche geht und ihn als einen wöchentlichen Bußtag hält Judas, der Verräther. Anordnung des Passamahles 377 (3. Mai. 16, Zl Anm.): die Kirche thut — seit wie vielen Jahrhunderten! —- Bnße dafür, daß an einem Mittwoch ein solcher Vertrag, nämlich der zwischen Judas und dem Hohenrath, zu Stande kam, und wahr- lich diese Sünde ist einer Buße bis an’s Ende der Welt vollkoinmen würdig und bedürftig. (Löhe.) Jii Jitdas hatte von Anbeginn der Glaube gelämpft mit der Welt- lustz Jesus, wohl voraus wissend, daß in diesem Kampfe, wo Judii Wille ztt entscheiden hatte, die Weltluft siegen würde, hatte ihn doch zum Jünger gewählt und ihm so alle Gelegenheit, sich über das Fleisch zu erheben, ge- geben und durch das Vertrauen, das er ihm bewies, wo möglich sein Hei-z zuserweichen gesucht, auch an frühen Warnungen vor dem Ziel eines verftockten Ve- harrens in der Sünde es nicht fehlen lassen —- das ist ja die rechte Erziehungsiunst nicht, welche die äußeren Anlässe zur Aeußeruiig der Stiitde aus dem Wege ränmt, aber die Sünde als anerkannte im Herzen läßt. Aber Judas hatte nicht gewollt: er war eine Per- sonifikation Judas, des Volkes, welches auch nicht ge- wollt hat, sondern Weltreichthiim und Weltbequemlichkeit der Armuth Christi verzog, hiermit aber alle Liebe zu Christo verlor, ihn haßte und tödtete, und dafür dem Gerichte der Verftocfung unterliegend seit Jahrhunderten im Gelde wühlt. (Ebrard.) 1lI. v. 17——t9. (§. ne) St: im: staunend» d:- grüuen Donnerstag is. Jtnril), als unter den Jüngern die Frage sith erhebt, wie es dies Mal uiit der Passa- äiahlzett werde gehalten werden, ordnet der ticxrr aus deui Kreise derselben den Petrus und Johannes ab, be— ftrhlt ihnen nach der Stadt zu gehen und dort für den Jtbeud dieses Tages die Vorbereitungen fiir die in Rede stehende Mahlzeit zu treffen; sie fragen, in welchem Hause sie das thun sollen, statt aber den Uainen des Hansioiethg zu bezeichnen, ertheilt ihnen Jesus vielmehr die Weisung, sie sollten nnr einem Wasserträgeix der ihnen bald beim Eintritt» in die Stadt begegnen würde, narhgehen nnd in deiii hause, in welche; sie aus diese Weise geleitet werden würden, dem Hausherrn seinen Austrag unt-richten, so würde dieser ihnen einen geräu- migen, noltstäiidig eingerichtet-sit Saal überweisen. Die beiden Sänger thun, wie der Hart: ihnen geheißen, nnd finden alles so, wie er voraus gesagt; sie richten dann die Mahlzeit in dem Saale oder Oberziinnirr jenes Hauses zu. Quark. til, 12—16; kalt. W, 7——1Z). 17. Aber tun ersten Tage der süßen Brode sauf welchen man das Osterlamm schlachten mußte, um es dann nach Eintritt des Abends zu essen L. Mos. II, 6 ff] traten [in Bethaniem wo der HCrr seit vorgesiern Abend mit den Zwölfen sich aushielt, bald mit Beginn des Morgens] die Jiinget zu Jefn sihn zu erinnern, daß es nunmehr die höchste Zeit sei, an die Bereitung des Osterlamms zu denken, wenn er überhaupt es doch dies Mal mit ihnen essen wolle] nnd sprachen zu ihm: Wo tvillft du, daß wir dir [unserm Hausoater Kein. 10,25) bereiten, das Oftctlantm [mit uns, deinen Hausgcisosseii V. is] zu essen? 18. El? [indem er zween unter ihnen, den ältesten und jüngsten, den angesehensten und den oertrautestem nämlich den Petrus und Johannes anssondertcn daß sie die Bereitung besorgen sollten] sprach: Gebet iii die Stadt zu einem sdessen Namen ihr fürs Erste noch nicht zu wissen braucht, dessen Haus ihr aber ohne eigenes Suchen sogleich ausfindig machen werdet; folget nur einem Menschen, der euch bei eurem Eintritt in die Stadt begegnen wird, einen Wasserkrug tragend, nach in das Hans, da er hineingeheth und sprechet zu ihm sdein ge- wissen Jemand, zu dem ich mit diesem Wahrzeichen weise, dem Hausherrn in dein so ausfmdig ge- machten Hause]: Der Meister läßt dir sagen: Meine Zeit sda ich nun durch Leiden niid Sie-den meinen Lauf vollenden soll Joh. 7, 6; is, l] ist hie lherbeigeiommensz ich ivill bei dir die Ostern halten swo in deinem Hause ist die Herberge oder das Zimmer, darinnen ich das Osterlamm essen möge] mit meinen Jungen! l? Und er wird etich einen großen, mit den nöthigen Polsterfitzen schon ausgestatteten und für das Fest in Bereitschaft gesetzten Saal zeigen; daselbst richtet für uns zu]. 19. Und die [beiden] Jitttger sPetrus iind Johannes] thaten, wie ihnen Jesus befohlen hatte ssie gingen in die Stadt, folgten dein ihnen ain Thore begegitenden Wasserträger nach in das Haus, dem er als Wasserträger angehörte, und richteten ihren Auftrag an den Hausherrn aus], ttitd be- reiteten lnun in dem Saal, der ihnen angewiesen wurde] das Ofteklamut lworauf sie die kurze Zeit bis zum Anbrtich des Abends wieder nach Betha- nien zurückkehrtem dem HErrn Bericht zu er- statten]. «) De; erste Tag der süßen Brode war iiach 2. Mos. 12, 16 ff. eigentlich der 15. Nisaii, mit dem Genuß des Passamahls am Abend des H. Nisau be- ginnend; wir haben aber schon zu Z. M. 12, 20 mit- getheilt, daß in der späteren Praxis noch vor dem Feste, in den Morgenstunden des it. Nisan, aller Sauerteig aus den Häusern weggeschafft wurde ,- und bereits von l0 lihr Vormittags an aß man kein Gesäuertes mehr. Da wurde denn auch dieser Tag selber mit zu dem Feste gerechnet und als dessen erster Tag gezählt. Nach dem ganzen Zusammenhange der evangelischen Berichte fiel in dem Todesjahr Christi der M. Nisan auf einen Donnerstag; das war im J. 30 n. Chr., wie aus dem, in den Schlußbem. zum 1.Maceabäerb. (Nr. 4, a Zus.) mitgetheilten Kalender sich ergiebt, wirklich der Fall, und auf dieses Jahr habeii wir ja deti Tod Christi verlegt, iui J. 1882 aber trifft, wie es auch im J. 1871 der Fall war, n1iser jetziges Datum, der 6. April, zu. Jn der christlichen Kirche heißt der Donnerstag der Leideuswoche der grüne Donnerstag, weil nian da um der Stiftung des heil. Abendmahls willen des 23.Psalm sich’s erinnert iind in diesem hochwlirdigen Saerament die »grüne Aue« wiedererkennh von der dort in V. 2 die Rede ist. Daß nun der hier erzählte Vorgang gleich in die ersten Morgenstiinden des Tages fällt, das erhellt schon daraus, daß zur Bereitung des Osterlamms gar mancherlei gehörte, was sich nicht in wenigeiiStum den bewirken ließ; außerdem aber schöpft man im Mor- geitlande das Wasser nicht um die heiße Mittagszeih sondern entweder Abends oder früh beizeiten, auf einen Wassertrliger aber kommt es bei unsrer Geschichte hauptslichlich mic an. «) Was Augustiiius sagt: »Davor miiß man sich ar sehr hüten, daß man nicht einen Widerspruch der heil. Eoangelisten unter einander davon herleiie, daß 378 Evangelium Matthäi 26, 19 Anm. der eine oft sagt, was der andere verschwiegen hat, oder der eine verschweigy was der andere erzählt hat,« das gilt vornehmlich auch für die dreifache Darstellung der Begebenheit, wie sie bei Matthäus, Markns und Lukas vorliegt. Liest man den Bericht des Niatthäus für sich allein, so würde man den Vorgang so verstehen, als habe der HErr nicht nur alle Jünger entsendet, sondern auch den Hauswirth, zu dem sie gehen sollten, ohne Weiteres bei Namen genannt, nur daß der Evan- gelist aus irgend einem Grunde diesen Namen nicht an- geben wollte, sondern mit dem allgemeinen Ausdruck sieh egnügtex ,,gehet hin zu einem, zu dem und dem« (Ruth 4, 2 Anm.). Aber dem Matthäus kommt es, nachdein er gleich in den Vordergrund seiner Erzählung die Frage gestellt hat, die an diesem Tage das Problem für die Jünger ist, das sie nicht zu lösen wissen: ,,Wo willst du, daß wir dir bereiten das Osterlamm zu essen ?« darauf an, die Worte, die der HErr demjenigen Manne, den er im Sinne hat, aber nicht nennt, sagen läßt nach ihrem ersten Theile beizubringen; hätten die Jiinger den feinen Wink, der in dem Auftrage lag: »der Meister läßt dir sagen: Meine Zeit ist hie, ich will bei dir die Ostern halten,« verstanden, so wäre gar kein Wahrzeichem zu dem rechten Hauswirth sich zu finden, nöthig ge- wesen, sie hätten sogleich gewußt, wer der »eine« im unbestimmten Sinne des Worts sei, denn es war nur Einer in Jerusalem vorhanden, dem Jesus so etwas konnte sagen lassen. Unser Evangelist erwähnt daher auch jene Handleitung für die Blinden: »Es wird euch ein Mensch begegnen, der trägt einen Wasserkrug; folget ihm, nnd wo er eingehet, da sprechet zu dem Hauswirth« gar nicht, sondern hat es nur mit jenem feinen Wink als· dem geistlichen Wegweiser zu thun; und da stellt er denn uns die Aufgabe, daß wir unsrer- seits uns von diesem geistlichen Wegweiser führen lassen, denn der Name des Hauswirths ist noch immer zu enträthseln, der Mann, um den es sich handelt, ist für die Ausleger noch immer ein N. N» ein ungewisser Jemand, weil die Evangelisten toohlweislich unterlassen haben, ihn nachträglich zu nennen, gleichwie man Kin- dern, die im Rechnen sich üben sollen, das Facit nicht sagt, sondern es sie selber finden läßt. Lesen wir da- gegen den Lukas für sich, so scheint es, als wären die Jünger gar nicht erst an den HErrn herangetreten, den Meister zu fragen, wie es mit der Zurüstung der Oster- mahlzeit gehalten werden solle, sondern der HErr hätte ohne Weiteres selbst Anstalt dazu getrossen; das aber würde dem klaren Bericht auch des Markns wider· sprechen, der mit Matthäus darin übereinstimmh daß von den Jüngern die Verhandlung eröffnet wurde. Es ist jedoch kein Widerspruch, sondern Lukas geht ebenfalls schnell zu dem über, was ihm die Hauptsache ist; und ihm ist, wie aus Luk. 22, 15 ff. hervorgeht, hauptsächlich daran gelegen, bemerklich zu machen, wie der HErr schon am Morgen des grünen Donnerstags die Seele voll hatte von Gedanken an diese letzte Oftermahlzeit, die er mit den Jüngern halten wollte, darum so voll von den Gedanken daran, weil diese letzte Osterinahlzeit zu nichts Geringerem bestimmt war, als anfzugehn und hinüberzugehu in die Mahlzeit des neuen Bandes und so seinen eigentlichen Zweck, seine wahre Bedeutung zu erfüllen. Wir haben nun oben in der Auslegung schon angegeben, wie nach allen 3 Berichten der Hergang sich gestaltet; wir wollen ihn aber noch etwas näher be- leuchten. Am Morgen des grünen Donnerstags ge- denken die Jünger alsbald daran, was das für ein Tag sei, der heute angebrochem in allen Familien in und um Jerusalem wird heute zu Ostern gerüstet, aber — ihr Meister hat auch vorgestern zu ihnen gesagt (V. 2): »Ihr wisset, daß nach zween Tagen Ostern wird, und des Menschen Sohn wird überantwortet werden, daß er gekreuziget werde.« Da können wir uns nun wohl denken, von wie mancherlei Gedanken ihre Herzen hin und her bewegt werden; sie möchten wohl gern, wie sie früher (Joh. 11, 8) den HErrn in guter Meinung ab- halten wollten, nach Jerusalem zu gehen, ihn auch dies Mal von diesem Gange abhalten, aber er könnte dann nicht Ostern mit ihnen halten, weil das Passa nur am Ort des Heiligthums geschlachtet und gegessen werdeii durfte is. Mai. IS, 5 fs.). Nuii könnte es wohl sein, er wolle auch in diesem gleichwie im vorigen Jahr, wo er nicht nach Jerusalem gekommen (Kap. 14, 13f. A.), die Osterfeier unterlassen; doch sie fühlen es bald, das kann nicht sein, gerade aus das diesmalige Ostern kommt ihm alles an, und der in Jerusalem drohenden Gefahr gegenüber entschließen sie sich lieber (Joh. 11, 16): ,,Laßt uns mit ziehen, daß wir mit ihm sterben!« Jn- dem sie nun zu Jesu mit der Frage treten: ,,Wo willst du, daß wir dir bereiten das Osterlamm zu essen?« haben sie nur erst im Allgemeinen die Lokalität in der Stadt im Sinne, welche er bestimmen werde; ihre Frage ist zunächst mehr dahin gemeint, daß sie sich be- reit erklären wollen, das Osterlamm, wie es sein muß, in der Stadt zuzurüsten, trotzdem daß es die Propheten- mörderische Stadt ist (Kap. 23, 37), die auch für ihren Meister nichts Gutes im Sinne hat. Auf diese Bereit- erklärung hat der HErr absichtlich gewartet; für s ein Theil verlanget ihn herzlich, dies Osterlamm mit ihnen zu essen, ehe denn er leidet (Luk. 22,15), aber auch sie müssen· ihrerseits darnach verlangen, es mit ihm zu essen, ja müssen» ihr Verlangen zuerst ausgesprochen haben, ähnlich wie Gott in der Schöpfnngsgeschichte dem Manne nicht eher das Weib giebt, als bis dieser sein Alleinstehen auf Erden mit einer gewissen Wehmuth hat empfinden lernen, bis ihm das Bedürfniß einer Gehilfin, die um ihn sei, zum Bewußtsein gekommen (1. Mos. 2, 18 fs.). Er, der DER, sendet nun zween aus dem Kreise der Jtinger nach der Stadt mit dem Auftrage: ,,Gehet hin, bereitet uns das Osterlamm, aus daß wir es essen«; daß es Petrus und ohannes sind, die er sendet, hat im vorliegenden Fa noch feinen besonderen Grund, denn diese beiden sind schon vor 3 Jahren mit ihm in Jerusalem gewesen (Joh. Z, 13 sf.) und haben da nicht nur das Wort gehört, daß er damals zu den Juden redete von dem Tempel seines Leibes , also daß sie noch besonders bereitet sind , den Gang nach Jeru- salem mit dem Gedanken, daß dies die letzte Oster- inahlzeit sei, die sie ihrem HErrn bereiten, zu voll- bringen, sondern haben auch im Bereich ihrer Erfah- rungen von damals sozusagen das Material, um den seinen Wink, der in den Worten liegt: ,,Gehet hin zu einem und sprechet zu ihm: Der Meister läßt dir sagen: Meine Zeit ist hie, ich will bei dir die Ostern halten mit meinen Jüngern« zu verstehen, wenn er nun diese Antwort auf ihre Frage: ,,Wo willst du, daß wir das Osterlamm bereiten?« ihnen ertheilen wird. Die rage hat jetzt ihren besonderen Sinn; sie ist an die Lokalität gemeint, auf das Haus, in welchem sie die Zurüstung treffen sollen, und das war eine schwierige Frage. Wer in der Stadt wird unter den gegenwär- tigen Umständen es wagen, dich aufzunehmen, dich von den Obersten des Volks Geächteten nnd schon so gut wie zum Tode Verdammten? wer in der propheteics mörderischen Stadt wird seine Seele in die Hand stellen (Richt. 12, B) und sein Leben auf’s Spiel setzen, indem er ein Zimmer in seinem Hause dir einräumt? Die Jitnger denken nur daran, daß heute der Tag ist, auf welchem die Weissagnng in V. 2 lautet; aber sie denken nicht daran, und können-auch nicht daran denken, daß heute zugleich der Tag ist, an welchem Davids Sohn Jn wessen Hause der HErr das Passa feierte und das heil. Abendmahl stiftete. 379 an sieh erleben soll, was einst der Ahnherr in Pf. 23,5 von sich bezeugt hat: ,,Du bereitest vor mir einen Tisch gegen meine Feinde; du salbest mein Haupt mit Oel und schenkest mir voll ein«, daß also dem Bereiten des Osterlamms von ihrer Seite ein Bereiten von Seiten des Vaters im Himmel begegnen wird, ein Bereiten des Lokals in der Art, daß weder Judas der Verräther früher wagen darf, als bis er vom HErrn selber dazu entlassen wird, sein Werk zu vollbringen, noch daß es irgen wo besser sich erfüllen könnte, als gerade hier, was jenes Psalmwort verkündign Damit nun dem Vater im Himmel im vollen Maße die Ehre gegeben werde, die ihm gebührt, damit der Sohn nicht irgend- wie durch eigene Maßnahmen dem Vater iii seinem Bereiten vorgreife und selber ein Haus wähle und einen Hauswirth bezeichne, sagt Jesus: ,,Gehet hin zu einem« und übergiebt mit dem Wahrzeichem das er in prophe- tischer Vollmacht den beiden Jüngern mit auf den Weg giebt, diese ganz hin in die Leitung und Führung Gottes. Wir inüssen als völlig verfehlt bezeichnen, was bei weitem die meisten Auslesxr in Beziehung aus die Absicht und Bedeutung dieses ahrzeichens in Verkennung des ganzen Seins und Wesens unsers hochgelobten Errn und Hei- landes vorbringen. Sie stellen die Sa e sich so vor: Jesus hatte bereits an einem von den beiden Tagen, wo er noch in Jerusalem sich aushielt, am Montag oder Dienstag, mit einem geheimen Freund in Jerusalem seine Verabredung getroffen , ihm ein geräumiges und gut eingerichtetes Zimmer für die Ostermahlzeit zu über- lassen, er wollte aber, als er nun am Donnerstag die beiden Jünger nach Jerusalem zur Zurichtun des Mahls entsendete und diese ihn fru en, bei wem e die Bereitung vornehmen sollten, den amen seines Freiin- des darum nicht nennen, weil Judas der Verräther den Ort des Ma ls nicht wissen und nicht Gelegenheit haben durfte, das ahl durch einen Ueberfall zu stören; da half er sich denn mit der Angabe eines Zeichens, dazu bestimmt, den Petrus und Johannes sicher zum Ziele zu führen iind den Judas völlig im Dunkeln zu lassen. Manche Ausleger gehen dann sogar so weit, daß sie auch dieses Zeichen auf eine mit dem betreffenden Haus- wirth getroffene Verabredung zurückführein der sollte, wenn er am Donnerstag Morgen zur bestimmtcn Zeit von der Stadt aus die eiden Jtinger den Oelberg her- ab kommen sähe, seinen Wasserträ er an den Brunnen, bei welchem diese iiach ihrem Eintritt in die Stadt vor- beikommen müßten, senden und sie so durch einen ge- heimen Wegweiser zu seinem Hause geleiten. Ob wohl, so müssen wir in Beziehung auf diesen letzteren Punkt fragen, unser Heiland solcher Spiegelfechterei fähig und Judas mit dem ganzen Hohenrath es werth gewesen, daß ein Petrus und Johannes, so zu sagen, an der Nase herumgeführt würden? Aber wenn wir auch in Be- ziehung auf den ersteren Punkt zugeben, daß dem Judas die Augen mußten zns und die Füße sestgehalten wer- den, daß er nicht eher zum Werke des Verraihes fchreiten könnte, als bis der HErr selber zu ihm sagen würde (Joh. 13, 27): »Was du thust, das thue baldi« so müssen wir doch andrerseits behaupten, solche Sausen, wie die Bändigung nnd Fesselung seiner Widersacher, besorgt der HErr nebenbei, sie ergeben sich aus seinen Maßnahmen von selber und ungesucht -— was ihn bei seiner Weltregierung bestimmt, das ist die Ehre seines Namens und das Heil seiner Freunde. "Mit einer Ver- abredun haben wir es also hier so wenig zu thun, wie eine erabredung mit den Leuten oon Bethphage stir den Palmsonntag stattgefunden, daß man ihm eine Eselin und ihr Füllen bereitstellen soll (Kap. 21, 1 ss.). Wie auch hätte er HErr am Montag oder Dienstag es machen sollen, einen geheimen Freund in Jerusalem aufzasuchen, ein Zimmer bei ihm zu bestellen und eine List mit ihm zu vereinbaren? Ein Judas konnte wohl am Mittwoch von Bethanien aus dem Kreise der Jünger unter einem Vorwande fich entfernen und mit dem Hohenrath seinen Vertrag schließen (V. 14 ff.); aber Jesus konnte keinen Augenblick für den Zweck geheimer Abmachungen seine Jünger verlassen, sie wären sonst wie eine Heerde ohne Hirten, wie ein Tag ohne Sonne ge- wesen -— niir für en weck des Verkehrs mit seinem himmlischen Vater bega er sich zeitwillig in die Stille, und es stand dann allemal aus seinem Angesicht ge- schrieben, bei wem er gewesen (Luk. U, 1), innerhalb der irdischen Welt selber aber gehörte er ganz und siir immer seinen Jüngern. EIN) Wir haben schon in der vorhergehenden An- merkung angedeutet, daß in dem Austrage, den der HErr den beiden Jüngern an den gewissen Jemand, in dessen Haus er ste sendet, giebt, der Schlüssel liegt, den Namen dieses Mannes aufzufinden, und wenn die Eoangelisten diesen Namen auch hernach nicht nennen, daß darin keineswegs die Meinung verborgen liegt, es kommeauf die Person und den Namen des Mannes weiter nichts an, wir sollten auch nicht weiter darnach forschen; viel- mehr hat sich Matthäus absichtlich so ausgedrückt: »gehet hin u einem« und hat absichtlich gerade die erste Hälfte des uftrags Christi mitgetheilt — siir judenchrisiliche Leser und für zu bekehrende Juden ist die Person und der Name jenes gewissen Jemand von großer Bedeutung. Wohlan, wir wollen den Schlüssel, der uns gegeben ist, einsetzen und den Verschluß zu öffnen versuchen: wir hoffen unsern Lesern den Eindruck zu bereiten, daß das Ergebniß unsrer Untersuchung keine bloße Vermuthuiig und kein leerer Einfall ist. -— »Meine Zeit ist hie«: so zunächst läßt der HErr dem Manne, den er im Sinne hat, sagen; es muß also einer sein, mit dem er irgend einmal von dieser seiner Leidens- und Sterbenszeit schon geredet, der in das Geheimnis; seines Kreuzes einiger- maßen schoii eingeweiht ist und innerlich so weit vor- bereitet, demjenigen, der um das Letzte, wofür er hier aus Erden jemand noch auzusprechen hat, ihn bitter, es sofort und in der allerbesten Weise, wie es irgend uiöglich ist, zu gewähren, sollte er damit auch den Zorn des Hohenraths auf sich laden und sein Leben aufs Spiel setzen. Da kennen wir nun allerdings einen Mann, zu dem der szHErr vor· 3 Jahren gesagt hat (Joh. Z, 14ss.): ,,Gleichwie Mose in der Wüste eine Schlange erhöhet hat, also muß des Menschen Sohn erhöhet werden«; einen Mann, der mit eigenen Augen gesehen und mit eigenen Ohren gehört hat, wie weit der Haß der Obersten des Volks gegen diesen Jesum oon Nazareth bereits ge- diehen ist und was sie bei sich beschlossen haben, denn er ist ein Mitglied ihres Nathesz einen Mann, der schon vor einem halben Jahre sich des ,,Lehrers von Gott ge- kommen« hat anzunehmen versucht und in Folge der dabei erfahrenen Behandlung innerlich schon losgelöst ist von der Gemeinschaft mit feinen Amtsgenossen (Joh.7, 50 sf.); einen Mann, der es wohl werth ist, daß der HCrr ihm weiter sagen läßt: »ich will bei dir die Ostern halten mit meinen Jüngern«, werth hauptsächlich darum, damit an ihm das Wort sich erfülle (Joh. 3,21): »Wer die Wahrheit thut, der kommt an das Licht, daß seine Werke ossenbar werden, denn sie sind in Gott gethan«; einen Mann endlich, an dem das Wort auch wirklich sich ersüllt hat, der mit auf dem Plane erscheint, als es«gilt, dem an’s Kreuz Geschlagenen die letzte Ehre zu erzeigen (Joh. 19, 39). Wir brauchen »es jetzt kaum noch zu sagen, daß es Nicodemus ist, »ein Oberster unter den Juden«, an den wir denken, und der Leser wird uns Recht geben, wenn wir sagen: besser konnte der Vater im Himmel das »du bereitest vor mir einen Tisch 380 Evangelium Matthäi 26, 20-—-23. gegen meine Feinde« an seinem Sohne nicht erfüllen, als indem er ihm ein Mitglied des Hohenrathes selber zu seinem Hauswirth gab; und besser war in ganz Jerusalem wohl niemand disponirt, ans die Frage, wie wir sie bei Markus und Lukas als dritten D nnkt des den beiden Jüngern gegebenen Auftrags angezeigt sinden: wo ist das Gasthans (die Herberge), darin ich es thue (das Osterlamm esse mit meinen Jüugern)? einen that- sächlichen Bescheid zu geben, wie er den Worten ,,du salbest mein Haupt mit Oel und schenkest mir voll ein« entsprechender hier nicht ausfüllen konnte. Die Frage will es dem Hausherrn völlig anheimstellen, welches Zimmer er abtreten will; es hätte also auch ein enges, kleines, der völligen Einrichtung noch ermangelndes Stlibchen sein können. Aber nein! der Mann ist sofort bereit, sein bestes Lokal herzugeben, den großen, ursprüng- lieh zur Pasfafeier stlr die eigene Familie eingerichteten Saal im oberen Stock; lieber will er sich selbst mit den Seinen mit einem engen Stitbchen begnügen und es selber tiachträglich noch vorrichten, als daß er den Meister in armseliger Weise absände. eWie tresslith paßt auch dieser Umstand aus Nieodemusl Hat hernach Joseph von Arimathia sein eigen Grab, welches er hatte lassen in einen Felsen hauen (Kap. 27, 6U), hergegeben, um Jesu Leichnam dahin zu bestatten, sollte nicht der, der mit ihm zum Begräbnis; das par nobile krumm, das edle Briiderpaar ausmacht (Joh.19,39), hier in unsrer Geschichte Gleiches gethan haben, als an ihn jene Frage erging? Wir bemerken noch, daß nach der Tradition Nicodemus von denselben beiden Apostelm die jetzt zu ihm kamen, uachmals getauft, von dem Hohenrath aber ausgestoßen und aus Jerusalem verwiesen worden istz sein-Vetter Gamaliel (Apostg. S, 34 ss.; 22, s) wies ihm ein Landhans an und versorgte ihn bis zu seinem Tode. Es wurde schou zu Kap. 21, I1 angedeutet, daß, so sinnboll es auch an und für sich ist, wenn die christ- liche Sage des coenaculum oder den Abendmahlssaal ttber dem Grabe Davids (s. Karte VIl) sich erheben läßt, wir doch diese Stätte nicht für die richtige anzu- erkennen vermögen, schon aus dem Grunde, weil die beiden Jünger, von Bethanien den Oelberg herab kom- mend, unten im Kidronthal ohne besondere Weisung des HErrn sich schwerlich sitdlich nach dem Siloahbrunneu gewendet haben, um dort einem Wasserträger zu begeg- nen -- und das müßte ja der Weg gewesen sein, den sie einschlagen, wenn die Gegend des Grabes Davids es gewesen wäre, dahin ihr Auftrag sie bringen sollte. Der naturgemäße Weg, auf dem sie zur Stadt kamen, führte sie vielmehr an dasselbe Thor, durch welches Jesus am Palmsonntage seinen Einzug gehalten, das Stephansi oder Schafthor, wo auch ein Brunnen zum Wasserschöpfen in der Nähe war; und wer mag nun es als unmöglich in Anspruch nehmen, wenn wir die Vermuthung wagen, daß, indem sie dem Wasser-träger uachgingen, sie zuletzt in denjenigen Stadttheil kamen, wo die Kirche des heil. Grabes (Nr. 8 auf Karte VII) und ihr gegenüber das JohannitwHdspiz (Nr.9u.·10) steht? Jrgend eine Beziehung zur Passionsgeschtchte muß dieser Stadttheil ja gehabt haben, daß man Gol- gatha dahin verlegt hat; wir glauben aber, daß der HErr der Kirche auch der deutschsevangec Kirche einmal etwas zu gute thun will, wenn er es so gefügt hat, daß ihr in neuester Zeit dort eine Zuflnchtsstätte für ein eigenes Gotteshaus eröffnet worden ist. Wir sind dann ganz damit einverstanden, daß derselbe Saal, wel- cher zur Eiusetznng des heil. Abendmahl-s gedient, in den 10 Tagen nach der Himmelfahrt auch der Ver· sammlungsort derer gewesen , die auf die Ausgießnttg des heil. Geistes warteten (Apostg. l, 13 f.): Nicodei ums, nachdem er einmal den HErrIi bei snh aufgenommen und bei seinem Begräbniß sich betheiligt hatte, hat ge- wiß gern seinen Freunden den großen Saal zur weite- ren Verfügung gestellt, daß ße in Jerusalem bleiben und stets bei einander einmüthig sein konnten mit Beten und Flehen; wir wüßten anch nicht, wo die Apostel sammt den dienenden Frauen anderswo einen Söller, wie sie ihn branchten, hätten herbekommen sollen. ff) Zu diesen Vorbereitungen gehörte das Schlachten des Passalammes das im Tempel während der Zeit von Z— 6 Uhr Nachmittags geschah (2. Mos. l2, 6 Anm.); ferner die Bereitung der ungesäuerten Probe, das Her« beischasfen der übrigen Erfordernisse der Mahlzeit und die weitere Zurichtutig des schon mtt Polstern ausge- statteten Speisezimlners womit die Jünger wohl bis zur Zeit des Abendopsers um 3 Uhr fertig geworden waren, so daß es von da an nur noch galt, das Oster- lamm zu schlachten und zu braten, und sie also noch etwa eine Stunde Zeit behielten, um wieder nach Bethanien zn gehen. IV. v. 20—29. (§. 113.) Ju- n- gksktztiche Zeit v» Passaessens herbeigkltommetk findet steh Jesus mit den Jwölfen in dein ihm zur verfiignng gestellten und non Petrus nnd Johannes weiter zubereiteten Gaüztmmer ein, verrichtet hier in Folge eines unter den Jüngern ano- gebrotheuen Streites die Xnßwaschuug selber und leitet gegen Ende der Mahlzeit die Jlnsttcerltsamtlett auf den Verräther; nachdem dieser entderltt nnd von dannen ge- gangen ht, erfolgt die Einsetzmtg des heil. Kbendiuahlm Unser All-schnitt umfaßt die erste Hälfte jener Abend— feste, etwa non 6—9 Uhr; die zweite Hälfte haben die ersten Z Eoaugelisien so gut wie ganz äbergaugesg nur Eutias bringt etwas ans den letzten Verhandlungen Jefn uiit den Jüngern, während Johannes diesen eine besondere Aufmerksamkeit wldmet nnd auch für den vor— liegenden Abschnitt einen werthvollen Beitrag liefert durlh den serieht von der Fußwasujnng (vgl. Quark. Ist, 17——25; kalt. W, 14—30; Sah. is, 1—Z2.) 20. Und am Abend sals die Stunde, da man das Osierlamm zu essen pflegte, nun herbeigekommen und Jesus sich dazu von Bethanien aus in Jeru- salem eingefunden hatte Mark 14, 7] setzte [ge- nauer: legte Amos S, 4 Anm.] er fich zu Tische mit den Ztvölfen [in dem großen, mit den nöthigen Polstern ausgestatteten Saal, der ihm von dem Hauswirth V. 18 ff. überlassen worden war]. Gastmähler wurden bei den Juden überhaupt zu- meist des Abends (bisweilen jedoch anch des Mittags Las. 14, 12; 2.Sam. Z, II) gehalten, daher das Wort ,,Abendmahl« im neuen Testament zunächst nur den akt- gemeinen Sinn eines für den Abend veranstalteten feierlichen Gastmahls hat, ohne sich aus das Abendmahl im besonderen Sinne (1.Cor. U, 20), auf das Sacra- ment des Altars zu beziehen (Luk.t4,16ff.;Joh.12,2; Offenb. Z, Ko; 19, 9); für das Passamahl , das in Ich. 13, 4 u. I. Cur. 1t, 25 unter »Abendmahl« ver- standen wird, war ausdrücklich bestimmt, daß es am 14. Nisan des Abends , wenn nach der zu 1. Mos. I, 5 angegebenen Rechnungsweise der folgende Tag oder der 15. Nisan seinen Anfang nahm, also etwa um 6 Uhr, gehalten werden sollte (2. Wes. 12, l8). Was nun die Tisehordnung bei diesem letzten Passa, das der HErr mit seinen Jüngern feierte, betrifft, so ist schon zu Amos 6, 4 erörtert, inwiefern Johannes dabei an der Brust Jesu lag — er war eben sein Tisthnachbar zur Rechtene wenn dann die Tradition weiter angiebt, daß dem HErrn zur Linken Petrus gelegen habe, so ist das rDkxetEtgssssksjksikschvsite:Jede-risse-ssssssscVssssthssi jedenfalls ein Jrrthum, vielmehr muß wegen des in Joh. l3, 23 ff. Mitgetheilten der Sachverhalt dieser gewesen sein, daß Jesus au der einen Seite der Tafel die Reihe eröffnete, Petrus an der andern Seite, und daß zur Linken Judas, der Verräther, dem HErrn am nächsten seinen Platz hatte, wie folgende Figur zeigt: l I l ll l liess-us] di? T ists-g«- H s i s Aus Joh. l3, l ff. nnd List. 22, 24 ff. geht ferner her- vor, daß das, was der obige Vers erzählt, nicht so schnell und ohne Unterbrechung vor sich ging. Ehe man nämlich sich zu Tische legte, fand auch bei gewöhnlichen Gastniählern ein Waschen der Füße statt, was in der orientalischen Weise der Fnßbekleidungh in dem schweiß- treibenden Klima und in der vorhin beschriebenen Sitte des zu Tische Liegens seinen Grund hat. Der Wirth stetlte zu diesem Behufe seinen Gästen Wasser bereit U. Was. 43, 247 Nicht. 19, 2l; Lnk.7, 44), ließ wohl auch durch einen Diener die Fußwaschung an ihnen vollziehen oder vollzog sie selbst an denen, die er auf besondere Weise ehren wollte (1. Wes. 18, 4; 19, Z; 1.Sam. 25, 41). Eine solche Fußwaschung durfte nun am wenigsten bei der Feier des Passa unterlassen wer« den, das wäre geradezu eine Profanation des Heiligen gewesen (2. Mos S, b: 30, 18 sf.); nach Joh. II, 4 f. war denn auch der Apparat dazu vollständig in dem Abendmahlssaale vorhanden, doch hatte der Hauswirth, zumal er im eigenen Familienkreise mit der Passafeier anderweitig beschäftigt war, sticht weiter für Bollziehung der Handlung im Kreise Jesu und seiner Jünger zu sorgen, sondern das war Sache dieser Tischgemeinde selber. Da scheint der Hergang folgender gewesen zu sein. Als der HErr mit deu Zwölfen in deu Saal eingetreten und von Petrus und Johannes»dex» Tisch gedeckt und mit den Speisen des Passamahls zu erichtet war, redete er die Worte, die in Luk.22, l5f. erichtet werden: »Mich hat herzlich verlanget, dies Osterlamm mit euch zn essen, ehe denn ich leide; denn ich sage euch, daß ich hinfort nicht mehr davon essen werde, bis daß erfülle: werde im Reiche Gottes« und legte sich an sei- nem Tischplatzh wie er vorhin bezeichnet worden, nie- der, indem er zugleich dem Johannes einen Wink gab, sich an seiner Seite nieder zu lassen, Petrus aber eilte herbei, dem Meister die Füße zu waschen, und legte sich dann ebenfalls an seinem Platze nieder, wohl erwartend, daß ietzt der andern Jünger einer kommen würde, den- selben Dienst an ihm zu verrichten, den er Jesu geleistet hatte. Es kam indessen niemand, vielmehr wurden alle noch übrigen Plätze sofort belegt, wobei vielleicht Judas absichtlich in die unmittelbare Nähe seines Meisters sich machte, einerseits um sich recht unbefangen zu stellen, andrerseits uni zu lauern. Es entstand jetzt eine pein- liche Scenez die Jtlnger lagen da mit ungewaschetsen Füßen, und doch wollte keiner sich erheben, an einem seiner Mitjtjsiger die Waschutszkvorzutiehinesy weil ein jeder meinte, sich damit dem ange nach unter die an- dern zu stellen, ein jeder aber, wie schon in Galiläa einmal !Kap. 18, l sf.) und dann wieder vor 8 Tagen (Kap. 20, 20 sf.) zu Tage getreten war, Anspruch dar- aus machte, für den Größesien in Christi Reiche, das nun bald anbrechen sollte, gehalten zu werden (Luk. 22, 24 sf.). Da war es denn Jesus selber, welcher der Verlegenheit und dem Rangstreit ein Ende machte, in- 381 dem er selber sich erhob und der Reihe nach (wohl mit Johannes beginnend nnd mit Judas schließend) den Jüngern die Füße wusch; seine Worte, womit er zum Werke sich anscbickte, berichtet uns Lukas (22, 25—27), den ergang im Einzelnen dagegen theilt Johannes (13, ——l1) mit. Als er darnach sich wieder nieder- legte, redete er zu den Jüngern, was wir in Joh. l3, 12-—19 lesen und nun konnte die eigentliche Mahlzeit beginnen. Wir haben die zur Zeit Jesn üblichen Ge- bräuche zu 4.Mos. 9, 5 angegeben; und da ist es denn gleich der erste Becher, bei dessen Segnung und Her« umreichung der HErr die in LuL 22, 17 f. gemeldeten Worte spricht, während wir in Lnk. 22, 28 —v30 u. Joh. l3, 20 Bruchstücke der Gefvräche vor uns haben, die Jesus während des Essens selber bis zur Segnung des dritten Bechers mit den Jüngern führte. Bevor es aber zur wirklichen Segnung kam, ja noch ehe das Dankgebet nach Tische gesprochen werden konnte, wurde der Heiland sich bewußt: ,,Siehe, die Hand meines Verräthers ist mit mir über Tische« (Luk. 22, U) und sprach es auch aus, was sein Herz bewegte nnd was ihn noch hindere, an die bereits beendigte Passatnahlzeit die Stiftung seines Sacratnents anzuschließen; er ward betrübt im Geiste und führte mit gutem Vorbedacht die Entdeckung und Entfernung des Verräthers herbei, wie ste in Joh. l3, 2l—30 am genauesten, an unsrer Stelle hingegen nur sumtnarisch erzählt wird. 2l. Und da sie aßen sdie Passamahlzeit in der Hauptsache zwar schon Vorüber, aber noch nicht zum feierlichen Abschluß durch das Gebet nach Tische und deu Becher der Danksagung gebracht wars, sprach er sindem er betrübt ward im Geht, denn es handelte sich für ihn jetzt darum, das Kind des Verderbens aus seiner Gemeinschaft aus: znscheiden und an die Macht Satans hinzngebenp Wahrlich, ich sage euch sbezeuge es nicht nach blos menschlicher Vermuthung, in der ich mich auch täuschen könnte, sondern aus göttlichen untrüglicher Wissenschaft Joh. Z, 11], einer unter euch wird mtch verrathen svorhin habt ihr meine Andeutung Joh. l3, 18 noch zu wenig beachtet, jetzt aber lenke ich absichtlich eure Aufmerksamkeit auf diesen Punkt zurücks » 22. Und s» [die übrigen elf Jünger, abge- sehen von Judas selber, auf den das Wort zielte] wurden seht· bctkubt ldaß einer unter ihnen so etwas thun könnte] nnd buben an, ein jeglicher unter ihnen, und sagten zu ihm: HEUH bin ich’s [genauer: doch nicht etwa Jch bin’s, HErrR Obwohl ein jeder sich frei-von solchem Vorhaben in seinem Gewissen wußte, wollte er doch nicht, daß der Verdacht der Andern sich auf ihn lenke, und hatte des- halb schon im Kreise sich umgesehen, ob irgendwo einer an ihn dächte (Joh. l3, 22). Zugleich aber wagte auch nicht einer von ihnen, irgend einein Andern das Schreck— lichste zuzutraiiesy vielmehr wurde ein jeder für sich selbst besorgt, ob es ihm nicht am Ende doch selber widerfahren möchte, den Frevel zu begehen; denn daß der Verrath schon eine beschlossene und abgemachte Sache, wenn auch moch keine vollbrachte Thatsache war, ahnete keiner, sondern der Entschluß sowohl wie die Handlung selber erschien ihnen noch als in der Zukunft liegend. 23. E; antwortete lohne bestimmter sich dar- über auszusprechem wen er meine, sondern nur im 382 Evangelium Matthäi M, 24—29. Allgemeinen es hervorhebend, daß einer unter ihnen es sei, die so eben mit ihm an Einem Tische ge- gessen Pf. 41, 10] nnd sprach: Der milder Hand [richtiger: Der die Hand] mit mir in die Schnssel tauchet [genauer: tauchte —- der Ausdruck erklärt sich aus der damaligen Sitte, wo man ohne Gabeln und Löffel aß und die zuvor klein geschnittenen Stücke mit den Händen in die Brühe tunkte und aßL der wird mich verrathen. 24. Des Menschen Sohn gehet zwar dahin [in den Tod] wie von ihm geschrieben steht salso nach einem bestimmten göttlichen Rathschluß, der erfüllt werden muß], doch wehe dem Menschen, durch welchen des Menschen Sohn verrathen wird. Es wäre ihm sdem Verräther] besser, daß der- se1bige Mensch nie geboren wäre sda er zu dem Schwersieiy was je ein Mensch verbrochen, fein Leben hat hergegebens 25. Da sals Jesus durch Petrus und Johannes veranlaßt ward, sich doch näher noch zu erklären, wer es wäre, von dem er redete, und dazu ein Wahrzeichen wählte, das den in den Worten des 23. Verses enthaltenen Gedanken zur anschaulichen Darstellung bringen sollte Joh. 13, 23—26J antwortete Judas, der ihn [hernachmals wirklich] verricth [und bisher an dem Fragen der Jiinger in V. 22 sich nicht betheiligt hatte, jetzt aber, wo die Hand des HErrn mit dem eingetauchtcn Bissen sich ihm nahete, nicht länger in seiner Zurückhaltung verharren konnte], und sprach [geradc so wie die Andern, doch mit anderem Ton seiner Stimme und anderen Geberden seines Angestchts]: Bin ich’s [doch nicht etwa Jch bin’sJ, Rabbi? Er sder HErrJ sprach zn ihm: Dn sagst es kund einließ ihn nun, da auch dieser letzte Augenblick der Ent- scheidung nur dazu dienen mußte, daß er ausreifte zu einem Werkzeug des Satans, zur Ausführung seines Vorhabens Joh. 13, 27——30]. Wir sind bei unsrer Auslegung von der Voraus- fetzung ausgegangen, daß Matthäus mit dem auch Markus übereinstimnm die richtige Zeitsolge beobachtet habe, wenn er die Entdeckung und Entfernung des Ver- räthers vor die Einsetzung des heil. Abendmahl-Z stellt, . während dagegen Lukas erst diese erzählt, ehe er auf jene zu sprechen kommt. Wir wollen nun kein Gewicht darauf legen, daß Matthäus als Augen- und Ohren- zeuge berichtet und Markus den Petrus zu seinem Ge- währsmann hat, wohin egen Lukas erst alles erkunden mußte; denn auch dieser Fa: auf Antrieb desselben Geistes geschrieben, der die andern Evangelisten geleitet hat, und es wäre ein Frevel, seinem Evangelium das Brandmal auszudrücken, als habe er die Geschichte des HErrn un- genau oder fehlerhaft dargestellt. Wohl aber ist es von Bedeutung, daß durch Gottes Leitung Matthäus und Markus die beiden ersten Stellen in der Reihe der Evan- gelisten einnehmen nnd damit unsrer Auffassung schon eine bestimmte Nichtung geben, die wir nicht ohne trif- tigen Grund wieder verlassen dürfen, und daß sie beider- seits sowohl die Geschichte von der Entdecknng des Ver- räther-s als die von der Stiftung des heil. Abendmahls mit den Worten beginnen: »Und da sie aßen« (V. 21 u. 26 bei Matthäus, B. 18 u. 22 bei Markus). Dieser Punkt ist besonders entscheidend für die Frage, ob Judas bei der Abendmahlsseier noch gegenwärtig ewesen sei oder nicht; denn nach derselben hat kein ssen und Trinken von Seiten esu und der Jünger mehr statt- gefunden, und nun ehaupten zu wollen, entweder sei der Bissen, den der HErr dem Judas reichte, sein Theil vom Abendmahl selber gewesen, oder aber er sei nicht alsbald nach dem Bissen, der ihm noch von der Passa- tnahlzeit gereicht wurde, vom Tische ausgestanden, fon- dern habe erst noch das Abendmahl mit gehalten, ehe er hinaus ging, ist eine gewaltsame Eintragung in den Wortlaut der Schrift, keine unbefangene Auslegung des- selben. Wie von Wichelhaus gründlich und un- widersprechlich auseinandergesetzt worden, ist es auch in dem Wesen der Sache selbst begründet, daß erst nach der Ausscheidung des Verräthers das Sacrament des Leibes und Blutes Jefu Christi eingesetzt sein kann. »Heute der HErr bei der Fußwaschung gesagt (Joh. 13, 1U): ihr seid rein, aber nicht alle! so konnte er den ewigen Bund der Gnaden nicht schließen und ver-sie eln mit einer Gemeinscha t, die einen Verräther, das ind des Verderbens, in eh schloß; der ganze Jtingerkreis sollte es wissen, was er in sich barg und was aus sei- ner Mitte hervorgekommen war, und nicht eher konnte Jesus diesen Kreis als rein betrachten, bis dieser Sauer- teig der Bosheit und Schalkheit ausgefegt war. Wenn der göttliche Befehl von dem Passamahl reden ausfchloß, der nicht Jsraelitz der ein Miethling oder unrein war, fo schloß dieser Befehl um fo viel gewisser jeden von der Mahlzeit aus, worin der Buchstabe des Vorbild- lichen Gesetzes in Geist und Wahrheit ausging; denn er gehdrte zu denjenigen nicht, welche der Vater dem Sohne gegeben, für die er im Begriff war, sich selbst zum Opfer zu heiligen , er hatte stch verkauft um den Lohn der Ungerechtigkeit, und er war nicht rein. Erst nachdem der Böse ausgefchieden, die Herzen der andern aber durch die Bitterkeit des Gerichts und der Selbstverw- theilung hindurchgegangen waren , hatte Jesus das Jsrael vor sich, mit dem er sich vertrauen konnte in Gerechtigkeit und Gericht, in Gnace und Barmherzigkeit, ja mit dem er sich verloben wollte in Ewigkeit. Und während er nun bei der Fußwaschung noch sagt: ihr seid rein, aber nicht alle, spricht er dagegen hier: trinket alle daraus, ohne irgend eine Einschränkung hinzuzufügen« Die iirchliche Ansicht aber ist das nicht, die wir hier vorgetragen haben, vielmehr haben bei Weitem die meisten bedeutenderen Auctoritäten aus dem Zeitalter der Kirchenvätey ebenso aus dem Mittelaltey sich dafür entschiedern daß Judas am Abendmahle Theil genommen; diese Meinung wurde denn auch in der luther. Kirche gleich anfangs so sehr für eine ausge- tnachte Sache angesehen, daß irn 2.« Theil der Concor- dienformel (so1ida deolaratim Artih 7) die Anwesen- heit des Verräthers sogar symbolisch fixirt erscheint. Es ist jedoch ossenbar ein Jrrthum, wenn man geglaubt hat, der Satz, daß ungläubige und unbußfertige Christen im heil. Abendmahl nicht blos Brod und Wein, sondern ebenfalls den wahren Leib und Blut Christi empfangen, erfordere die Anwesenheit eines Ungläubigen gleich bei der ersten Feier. Wenn dagegen ein Theolog der neueren Zeit die Sache so wendet, die syntbolische Be- deutung des ersten Abendmahls, die Vorausdarstellung des durch die Jahrhunderte in der Kirche fortdauernden Abendmahl-s, bei welchem so viele sich selber essen und trinken das Gericht, mache es nothwendig, daß gleich damals einer vorhanden gewesen, mit welchem es so übel b ellt war, so tmtergräbt er mit dieser Behaup- tung a es Recht der Kirchenzuchtz denn hat der so klar und sicher erkannte Thatbeftand eines Verbrechen-s, toie lsmsetzung des heil. Abendmahla 383 das des Verrathes Juba, den HErrn nicht bestimmt, diesen Mann von der Gemeinschaft fei1ies Leibes und Blutes auszuschließen, hat er vielmehr ihn so lange an seinem Tische festgehalten, bis er erst noch sich selber ge- essen und getrunken das Gericht, so hat die Kirche kein Zkecht mehr, die öffentlichen und nnbußfertigen Sünder von der christlichen Gemeine durch Versagung des Abendmahlsgenusses auszuschließen, sie thut dann besser, sie läßt einem jeden gewähren und- tröstet sich dessen, daß Christi Sacrament das Gericht an denen beschleu- nigen werde, die seiner nicht würdig sind. Die alt- kirchlichen Ausleger wissen gegen diese von selbst sich er- gebende Schlußfolgerung nur durch Nothbehelfe sich zu verwahren, indem sie entweder behaupten, daß aus dem außerordentlichen Verhalten Christi kein Schluß herge- leitet werden dürfe, oder annehmen, Jesus habe nicht nach feinem menschlichen, sondern nur nach seinem gött- lichen Wissen von dem Verrathe des Judas gewußt; es ist aber eigentlich wohl nur die Befangenheit in der ein- mal zur kirchlichen Tradition gewordenen Ansicht, wo—- diirch man sich hat bestimmen lassen, die Anwesenheit des Verräthers bei der Abendmahlsstistung als einen unveräußerlichen Glaubenssatz zu behandeln, wie das Maldonatus, ein kathol. Ausleger des 16. Jahrh und nachmaliger Jesuit, dies offen bekannt, indem er schreibt: »Die Gründe, die stir die Abwesenheit des Judas sprechen, sind so stark, daß ich leicht dieser Mei- nung beitreten würde, wenn die gegentheilige Ansicht nicht so viele Gewiihrsmänner fiir sich hätte und die allgemein giltige wäre-« Wir ziehen es unbedingt vor, von dem inneren Wahrheitsgesühh statt von der kirch- lichen Tradition, so sehr diese auch an fich Anspruch aus eine gewisse Anerkennung und Berücksichtigung hat, Uns leiten zu lassen; bei Lukas aber erklärt es sich sehr ein- such, wariim hier die Geschichte von der Entlarvung des Verräthers erst aiif die von der Abendrnahlseinsetzuiig folgt und was die Formel, womit jene Geschichte an diese angeschlossen wird: ,,doch siehe, die Hand meines Verräthers ist mit mir über Tische« zu bedeuten hat. Lukas hat gleich anfangs hervorgehoben, wie sehr das herzliche Verlangen des Heilandes durch dies Abschiedss Osterlamm hindurchging nach der Mahlzeit in seinem Reiche, wo die Seinen, die er liebte, seine Gäste sein würden ewiglich; doch siehe, an dem Tische sollte der Jünger einer fehlen, der« dessen Hand jetzt noch mit ihm war über Tische, diese Hand aber hatte sich bereits verkauft, Uebels zu thun, und nach dem Lohn der Unge- rechtigkeit sich ausgestreckn Jst nun das heil. Abend- mahl eine Vorausdarstellung nicht sowohl der durch die Jahrhunderte in der Kirche sortdauernden Feier, wie der oben erwähnte Theolog behauptet, als vielmehr der Feier im Reiche der Herrlichkeit, so ergiebt sich auch ans dem Gedankenzusamnienhaiige bei Lukas, daß der Verräther bereits aus dem Jüngerkreise entfernt sein mußte, bevor das heil. Abendmahl eingesetzt werden konnte, und die Worte ,,doch siehe« schließen nicht an die Einsetziingsworth sondern an die Worte sich an, da der HErr bei Darreichung des ersten Bechers zu den Jüngern spricht: »Ich werde nicht trinken von dem Ge- wächs des Weinstock-s, bis das Reich Gottes komme«, der Bericht von der Einsetzung des Sacraments dagegen ist wie ein parenthetisches Zwischenstiick, gleichwie das Sacrament selber nur eine Zwischenstation ist zwischen dem letzten Passamahl des alten Testament-s und der neuen Mahlzeit in Christi Reiche, jenes vollendend und dieses symbolisch vorbedeutend. 26. Da sie aber [noch] aßeii sdas Passamahl also noch nicht in der herkömmlichen Weise mit dem feierlicheii Dankgebet nach Tische abgefchlossen war, wenn auch das Passaessen als solches nun ein Endehatte —- etwa um 9 Uhr des NachtSJ nahm Je us sszsnachdem er mit den Worten Joh. 13, 31 f.: » un ist des Menschen Sohn verkläret, und Gott ist verkläret in ihm; ist Gott verkläret in ihm, so wird ihn Gott auch verklären in ihm selbst, und wird ihn bald verklären-«, die Aufmerksamkeit der Jünger von dem Verrath und seiner nächsten Folge auf die unmittelbar dahinter liegende weitere Folge, auf die Verherrlichung des Menschensohiisn zu der sein Leiden und seine tiefste Erniedrigung nur ein kurzer Durchgangspunkt sein würde, hingelenkt und ihre Herzen von dein verwirrenden und zerstreuem den Fragen in V. 22 zu andächtiger Stille ge- sammelt hatte] daö Brod [so viel von dem eben genossenen Passamahl noch auf dem Tische lag, indem er sich in die Höhe richtete], dankete lsprach ein Segensgebet darüber, welches mit Lob und Danksagung anhub] nnd brach? [in elf Stücke] und galfs den Jüngern [ihnen den Teller hinreichend, auf welchem die Stücke lagen] und sprach: Nehmet [ein jeglicher ein Stück], essetz das lwas ich mit diesem Brode euch reiche nnd zu genießen gebe] ist mein Leib [der für euch gegeben oder gebrocheii wird]. 27. Und er nahm sals sie alle von dem Teller genommen und gegessen hatten, desselbigen gleichen] den sjetzt ziim dritten Mal mit Wein gefüllten] Kelch sder sonst der Kelch der Danksagung hiesz 4. Mos 9, 5 Anm., jetzt aber zu neuem Gebrauch von ihm geheiligt werden sollte] und dankete ssprach das Weihe- und Segensgebet darüber], gab ihnen den ldaß sie einer nach dem andern davon trinken sollten, indem er von Hand zu Hand ginge] und sprach: Trinket alle daraus; 28. Dasslwas ich in und mit diesem Kelche euch reiche] ist mein Bkut des neuen Testaments [mein zur Aufrichtung eines neuen Bnndes dienen- des Vlut], welches [nun bald] vergessen swerdenf wird [und schon so gut wie oergossen ist] für viele [anstatt der verhältnißinäßig wenigen, um die es bei der Stiftung des alten Bandes sich handelte 2« Mel« 24, 8] zur Vergebung der Sünden [Kap. 20, 28; Hebt. I, 11 ff.]. » 29. Jch sage euch sfuhr Jesus daraus, nach: dem sie alle getrunken, in ähnlicher Rede, wie er schon bei Herumreichung des ersten Bechers sich hatte vernehmen lassen Luk. 22, 17 s., weiter fort]: Ich werde von nun an nicht mehr von diesem Ge- wächs des Weinstocks trinken bis an den Tag, da iclys iien trinken werde mit euch in meines Vaters Reich [so daß also der sonst bei der Passamahlzeit übliche vierte Becher hinwegsiel und sogleich der zweite Theil des Lobgefangs mit Pf. 1l5—118, 26 folgte]. Die Worte, womit unser Bericht von der Einsetzung des heil. Abendmahls beginnt: »Da sie aber aßen« 384 Evangelium Matthäi W, 29 Blum. bezeichnet ebenso, wie der ganz gleiche Ausdruck vorher, wo von dem Berrathe des Judas die Rede ist (V.21), nitr ganz im Allgemeinen, daß auch die Stiftun des nentestaineiitliclsen Bnndesrnahls geschehen sei, während sie noch bei Tische lagen; daß aber das Essen des Passa- lamnies bereits zu Ende war, geht aus Las. 22, 20 u. 1. Cor. 11, 23 hervor, wo in Beziehung aus die Er- greifung des Kelchs ausdrücklich bemerkt wird, daß sie »nach dem Abendmahl«, also nach beendigtem Essen ge- schehen sei. Wenn tuanche Ausleger beide Akte, die Er- greif1iiig des Brods und die Ergreifung des Kelcbs aus- einanderreißcn nnd einen Zwischenraum annehmen, während dessen die Passatnahlzeit sich noch fortgesetzt habe, so ist das ohne Zweifel ein Mißverständniß der Worte, womit Matthiius und Marias« beginnen: ,,indem sie aßen«; beide Eoangelisten wollen hervorheben, daß das neue Bundesmahl bei dem letzten Pasfainahh das der HErr anf Erden feierte, von ihm eingesetzt und an die Stelle desselben getreten, daß das Passamahl von ihm unmittelbar in das heil. Abendmahl übergeleitet Matthäus : Marias: 2t3. Da sie aber aßen, nahm Jesus das Brod, dankete und brach? und gab? den Jüngern und sprach: Nehmt, esset; das ist mein Leib. 27. Und er nahm den Kelch und danken, gab ihnen den und sprach: Trinlet alle daraus; 28. Das ist mein Blut des neuen Testaments, welches vers gossen wird für viele zur Ver« gebung der Sünden. 22. Undindem sie aßen, nahm Jesus das Brod, dankte und brach’s, und galks ihnen und sprach: Nehmt, esset; das ist mein Leib. 23. Und nahm den Kelch, und danken, und gab ihnen den; und sie tranken alle daraus. 24. Und er sprach zu ihnen: Das ist mein Blut des neuen Testaments, das für viele ver- gossen wird. Es könnte uns Wunder nehmen, daß bei einer so hochivichtigen Sache, wie die vorliegende, wo es sich offenbar uin einen urkundlich genauen Bericht, um eine bis auf jede einzelne Sylbe getreue Wiedergabe der selbst- eigeuen Worte Christi handelt, die heil. Evangelisten und St. Paulus dennoch mit derselben Freiheit der· fahren sind, deren fchon Moses in Betreff des Wortlauts der heil zehn Gebote fich bedient hat (2. Mos.20,2—l7; b. M. 5, 6—21). Es würde uns zn nichts helfen, wollten wir die Verschiedenheit des vierfachen Textes daraus erklären, daß der HErr selber unter der Aus- theilnng des Brodes und Weines die Spendeformel einige Mal wiederholt und dabei sich das eine Mal so, das andere Mal so, also immer etwas anders ans- gedriickt habe; denn nun würde immer wieder die Frage entstehen, waruni ist er nicht bei deinselben Texte ge- blieben? iiiid ebensogut, wie Er, derHErix sich bewogen fühlte, in etwas abzuweichem konnte der heil. Geist den Aposteln die Abweichungen eingehen —- es war ja»doch nur sein Geist, der das gethan, iind von dem Seinen hat er’s genommen und den Jüngern verkündigt (Joh. 16, 14 f.). Wir müssen also sagen: es soll so sent, wir sollen es nicht mit einer diploinatisth genauen Ab- schrift, sondern mit einem lebendigen Erzeugnis; Gottes zu thun haben; der heil. Geist wird schon aii uns, wenn wir uns von ihm in alle Wahrheit wollen leiten lassen, das Seine thun, das; wir iii der Mannigfaltigkeit den- noch die Einheit heraus-finden, wie sie denn auch voll- ständig schon vorliegt, wenn in Luthesis Katechiss mus die Einfetzuiigsworte des heil. Abendmahl-s nach den 4 Berichten so wiedergegeben werden: und letzteres die Herübernahnie des ersteren in die neu- iestaineiitliche Zeit sei, so daß erfteres zwar aufgehört habe, aber nicht eigentlich abgeschafft und aufgehoben, sondern nur dem Schattenwesen des alten Testaments enthoben und zu einem Gnadenmiitel erhoben worden, welches die himmlischen Güter wirklich gewährt, die dort blos vorbedeutet stnd (Col. 2, 17; Hebt. 8, S; 10, l). Dagegen haben Lukas und Paulus mehr das Jnteresse, benterklich zu niachen, wie beide Mahlzeiten trotz ihres engen Zusammenhangs doch auch gleich an- fangs scharf gegen einander abgegrenzt waren. Bis jetzt hat Jesu gemeiiisam mit seinem ganzen Volk das Passamahl mit den Jüngern gehalten; es ist dies aber auch das Ende und der Abschluß seiner Gemeinschaft mit dem alttestamentlichen Bundesvolh und es folgt nun sofort die Stiftung einer neuen Gottesordnung Jndeni wir jetzt auf die Stiftungsworte des heil. Abendmahl-s näher eingehen, stellen wir die 4 Berichte, die darüber vorhanden sind, zuvörderst übersichtlich nebeneinander: Lukas: Paulus (1. Tor. 11 ): is. Und er nahm das Brod, dankete und Drache, und gab’s ihnen und sprach: Das ist mein Leib, der für euch gegeben wird; das thut zu meinem Gedächtnis. TO. Desselbigen gleichen auch den Kelch, nach dem Abendmahl, und sprach: Das ist der Kelch, das neue Testament in meinem Blut, das für euch vergessen wird. 23. Der HErr Jesus in der Nacht, da er verrathen ward, nahin er das Brod, U. Dankete und brach’s, und sprach: Nehmen esset, das ist mein Leib, der für euch ge- brochen wird; solches thut zu meinem Gedächtnis 25· Desselbigen gleichen auch den Kelch, nach dem Abendmahl, und sprach: Dieser Kelch ist das neue Testament in meinem Blut: solches thut, so oft ihrs trinkt, zu meinem Gedächtnis. Unser HErr Jesus Christus iii der Nacht, da er ver- rathen ivard, nahm er das Brod, daiitete nnd bracW (1. Tor. ils, und gab es seinen Jungen« und sprach: Ixehiiiet hin iiiid esset (Matih.), das ist aietu Leib, der sur eint) gegeben wird Lak.); solches thut zu meinem Ge- dächtnis (1. Cur. 11). efsclbigku gleichen nahm er auch den Kelch, nachdem Abendmahl (Lut.), danken, gab ihnen den iiiid sprach: Nehmet hin iiiid trintet alle daraus (Matth.), dieser Kelch ist dgs neue Testament in meinem Blut (1. Tor. 11), das sur euch vergosseu wird trat) zur Vergebung der Sande-i (LI»1tatth.); solcheo thut, so oft ihrs trinkt, zu meinem Gedachtiiisi (1. Tor. 11). Neben dieser Einheit bleibt aber doch eine Zweiheit insofern bestehen, als die Worte: »svlches thut zu meinem Gedächtniß« sich nur bei Lukas und Paulus, bei Mat- thäiis und Marias dagegen nicht finden. Dem muß eine bestimmte tlrsach, ein förinliches Recht zu Grunde liegen; es niüssen die Worte das eine Mal zum Ge- brauch, das andere Mal zur Weglassung vom gErrn bestimmt fein, sonst hätten die beiden ersten vangelisten schwerlich sie vorenthalten nnd auch der dritte Evangelist nur nach der einen Seite hin sie wie- dergegeben. Und nun ist ja iii der That bei der Sa- crauientsfeier zweierlei zu unterscheiden: einestheils die Consecretio n oder Segnung, anderntheils die Dis« tribution oder Austheilung; da hat denn die Kirche ohne Zweifel recht gesehen, wenn sie dort die in Rede stehenden Worte mit aufnimmt, hier aber von ihnen absieht. Osfenbar haben ja diese Worte ihre Beziehung auf die Stiftung des Sacraments: ortau soll in der Gemeinde des HErrn kein alttestamentliihes Passa mehr Die Einsetznngsworte beim heil. Abendmahl. 385 gehalten, sondern statt dessen die neue Speise, sein Leib, und der neue Trank, sein Blut, genossen werden; und das soll nicht, wie es mit dem Passaessen der Fall war, nur Ein Mal des Jahres, an einem bestimmten Tage nnd zu einer bestimmten Zeit am Tage, sondern durch das ganze Jahr, an jedem Tage, zu jeder Tageszeit geschehen. Der für uns geopserte und getödtete Christus will seiner Gemeinde auf Erden nach seinem ganzen gottmenschlichen Wesen nnd in seiner vollen Erlös»- wirksamkeit ohne Unterlaß gegenwärtig sein: wie er be- ständig mit seinem Geiste sie umschwebt und über ihr waltet, so will er auch als der, der durch das Selbst- opfer seines Leibes ihre Erlösung vollbracht, durch sein Blut ihr die Sündenvergebung erworben hat und dann aus dem Tode wieder lebendig geworden und zur Rechten Gottes erhiihet ist, persönlich und leibhaftig ihr gegen- wärtig bleiben in der Segensmacht seines Todes und der Gotteskrast seiner Auferstehung; sie aber soll es ihm möglich machen, bei ihr einzugehen und sich im Glauben mit ihr zu verloben, indem sie nicht blos in der Erin- nerung sein Gedächtniß bewahrt, sondern das, was er in seinem Testament ihr zum Erbe gemacht hat, immer auf’s Neue in Besitz nimmt, indem sie isset und trinket, was er ihr zuni Essen und Trinken verordnet hat. ,,Da steht Er, das Brod in seinen heiligen, unbefleckten, all- mächtigen Händen, und hernach den Kelch; er betet und segnet, und reicht zum ersten Male den heiligen Nachlaß denen, welche damals seine Kirche auf Erden ansmachten. Die Menschen werden dem Armen vollends alles nehmen, in nackter Blöße werden sie ihn an ein Kreuz hän- gen; Pilatus am Ende über seinen blutigen Leichnam verfügen. Aber den Leib vermag kein Wächter inne zu halten; dies Blut muß die Erde, welche ihr Maul auf- that es zu empfangen, der himmlischen Stadt Jerusalem abtreten. Dieser Leib, dies Blut sind sein Testament, sind die größten Schätze der Kirche: niemand hat Macht über sie, er verfügt allmächtig, daß sie bis au’s Ende der Seinigen selige Lebenskost sein und bleiben sollen. Dies Testament, nicht in verbliimtem sondern in unmißs verständlicheiy klaren Worten ausgedrückh kann die Jtinger einen Augenblick besremden, aber in Empfang genommen und der gesammten Kirche überliefert haben sie es redlich; pünktlich folgten sie hernachmals aller Orten dem Be- fehl: solches. thutl und ihr Eifer zum Sacrament bewies, wie tief die Einsetzung in der Nacht, da er verrathen ward, sich in ihre Seele gesenkt hatte« Je entschiedener hiernach die Worte: ,,folches thut zu meinem Gedächt- niß ie.« einen wesentlichen Bestandtheil der Consecratiou bei der Abendmahlsfeier ausmachen, desto überslüssigety ja stiirender sind sie hernach bei der Distribution: hier thut die Gemeinde nun thatsächlich schon, was der HErr von ihr will, sie verkündet in geistlichen, lieblichen Lie- dern seinen Tod; dagegen kommt alles jetzt daraus an, daß es recht zu Tage trete, was der HErr seinerseits an ihr thut, was er ihr giebt und gewährt. Von diesem Gesichtspunkte aus konnte die alte Kirche sehr wohl mit ganz kurzen Spendesormeln sich begnü en, wie diese: »Der Leib (das Blut) unsers HErrn Jesu hristi,« welche Worte dann der Commnnikant mit einem ,,Amen« be- kräftigte; wenn nun aber in neuerer Zeit geltend ge- macht worden ist, es müßten Christi selbsteigene Worte, womit er das Sacrament reichte, gebraucht werden, so hätte man nach dem vorhin Gesagten zuvörderst den Wortlaut bei Matthäns und Markus ftir maßgebend erkennen und nicht auch das ,,folches thut« hier herein- ziehen sollen, nnd hätte dann ferner nicht zu der einer- seits so pedantischen und langtoeili«gen, andrerseits ten- denziösen und die Sacramentsgabe absichtlich verhüllen- den Formel: ,,sniiser HErr nnd Heiland Jesus Christus spricht« seine Zuflucht nehmen sollen. Statt ans diese . schenkt. Weise Christi selbsteigene Worte mit Gänsesüßchen (,, «) zu versehen, ist es doch wohl naturgemäßen dieselbe Art zu beobachten, wie man von dem Taufbefehle Christi in Kap. 28, 19 bei einer Taufhandluiig Gebrauch macht; da ist es noch keinem Menschen eingefallen zu sagen: »Unser HErr und Heiland spricht: Gehet hin . . ·. und taufet sie 2c.«, sondern man setzet das ,,tauset sie« um in das eutsprechende Wort der Auwendnn : ,,ich taufe dich«. So muß es denn auch beim heil. Abendmahl heißen: »Nehmet hin und esset (trinket); das ist der Leib (das Blut) unsers HErrn Jesu Christi, fiir euch in den Tod gegeben (für eure Sünden vergossen) «; wer diese Formel, wie sie ohne den Zusatz ,,wahre« in vielen alten Kirchenordnungen sich findet, nicht leiden wollte, hätte überhaupt kein Recht mehr, am heil. Abendmahl Theil zu nehmen. Es verbindet sich in den meisten, wenn auch nicht in allen Kirchenordnungen , damit der kirchliche Segeuswunsclx »Der (das) stärke und erhalte euch im wahren Glauben (oder: stärke und bewahre euren Leib nnd Seele) zum ewigen (seligen) Leben«, und wird so das 2te Sacrament mit dem ersten zu einer Einheit verbunden, indem die Kirche über einem getauften Kinde durch ihren Diener den Segen spricht: »Der allmächti e Gott und Vater unsers HErrn Jesn Christi, der dich anderweit geboren hat durch’s Wasser und den heil. Geist, und hat dir alle deine Sünde ver- geben, der ftärke dich mit seiner Gnade zum ewigen Leben«; er muß aber, wie es seiner Natur als eines kirchlichen Zusatzes und auch dem Wesen der Sache selbst entsprichy erst zur Anwendung kommen, wenn die Anstheilung an die vorhandene Reihe der Comuiunikanten bereits geschehen. Wir werden später, wenn wir von der Kraft und Wirkung des Altar-Sacramentes handeln, iins überzeugen, daß die Kirche mit jenem Wunsche nicht mehr sagt, als in der Wahrheit begrtindet iß; hier dagegen haben wir noch zu untersuchen, was das Sa- crament des Altars sei oder was die Worte der Ein- setzung besagen wollen, und werden da die Ueberzeugung gewinnen, daß auch der Zusatz einiger Kirchenordnungen:. »der wahre Leib und Blut unsers HErrn Jesu Christi« dem Wesen des heil. Abendmahls ganz gemäß ist, wenn- gleich wir in dem Interesse, die oben vertheidigte Spende- sormel recht scharf dem Geiste des Widerspruchs gegen: iiber als Christi selbsteigenes Wort hervortreten zu lassen, auf jenen Zusatz bei der Abendmahlsfeier (doch nicht im Katechismus und in sonstigen Bekenntnißschriftew lieber verzichten als ihn aufrecht erhalten möchtem Daß der HErr unter Brod und Wein seinen Leib nnd sein Blut zum mündlichen Genusse darreicht, geht aus den Einsetzungsworten klar hervor; denn indem er seinen Jüngern Brod und Wein spendet, fordert er sie auf zu essen und zu trinken nnd bezeichnet als das Objekt des Genusses, welchen er ihnen bereitet, auf welches es gerade als das eigentliche Pfand und Siegel seiner Gnade besonders ankommt, seinen nicht sinnen- sälligeu, sondern unter dem Brode verborgenen Leib, und sein nicht sinnenfälliges, sondern unter dem Weine ver- borgenes Blut. Es ist der ewige Sohn Gottes, der wahrhaftige und untrügliche Zeuge, welcher sein letztes Vermächtniß seinen Jüngern hinterläßtz er wird also mit deutlichen und eigentlichen Worten, wie eines Testa- tors Art und Pflicht ist, ihnen sagen, was er ihnen Die uneigentliche bildliche Fassung seiner Rede (als meinte er: »das bedeutet meinen Leib, mein Blut«) ist daher auch durch die Person des Liebenden, wie durch den Zweck seiner Worte von vorn herein un- bedingt ausgeschlossem Sie widerspricht aber auch dem ganzen Charakter der neutestamentlichen Oekonomie (Haushaltung), sowie der vorliegenden Situation; denn das ist ja gerade die Eigenthtimlichkeit des neuen Bandes, 386 Evangelium Matthäi 26, so. daß in ihm das Schattenbild der leibhaftigen Wirklich- keit gewichen ist und die alttestamentlichen Sinnbilder und Vorbilder ihre thatsächliche Erfüllung gefunden haben, und der HErr hält hier gerade das letzte Passa- mahl mit seinen Jün ern, um das vorbildliche Passa- essen ein für alle Ma aufzuheben und ihnen an dessen Statt das gegenbildliche und wahrhaftige Pafsalamm zur Speise zu reichen. Wären Brod und Wein doch wiederum nur Sinnbilder seines Leibes und Blutes, so wäre zur Abstellung des mosaischen Passa’s um so weniger Veranlassung gewesen, als dasselbe ein viel entsprechen- deres Bild seines ür uns geopferten Leibes darbot, als das an seine Stelle gesetzte Brod. Aber auch der revi- monialgesetzliche Standpunkt wird in der bedenklichsten Weise durch die uneigentliche oder bildliche Deutung der Einsetzungsworte auch noch für die neutestamentliche Heilsökonomie festgehalten; denn der HErr hat dann nur an die Stelle des alten einen neuen Ritus gesetzt, welcher als Vollzug eines Bekenntniß- und Erinnerungs- aktes dem Menschen nur eine neue Verpflichtung aufer- le te, ohne ihm eine Gnadengabe zu vermitteln. Und übzer diesen Standpunkt würden wir nicht wesentlich hinausgeführh selbst wenn man die Zeichen im Abend- mahl nicht als bloße Zeichen, sondern zugleich als Unter- pfänder des substantiell oder seinem Wesensbestande nach abwesenden und nur in seinen Wirkungen an· wesenden Leibes und Blutes des HErrn betrachten wollte; denn solche Unterpsänder waren auch die cerimonial- gesetzlichen ShmbobTypen und Riten des alten Testa- ments. Auch ist Gott, der da reich ist an Erbarmung nicht so arm, daß er auch im neuen Bunde, in welchem er die ganze Fülle seiner Gnade und ihrer Gaben über uns ausgeschüttet hat, uns wiederum an die »dürstigen Satzungen« des alten Bundes (Gal. 4, 9) gebunden haben sollte, indem er uns statt des wahr- haftigen Leibes und Blutes seines Sohnes ein Leib und Blut bildlich darstellendes Stückchen Brod und Tröpf- lein Wein als Pfänder nnd Sieåfel seiner Gnade gereicht hätte. Bietet doch auch unter keuschen der Reiche, der Bräutigam der Braut, als Unterpfand feiner Liebe nicht einen zinnernen, sondern einen goldenen Ring, und nicht einen Kieselstein, sondern ein koftbares Juwel. (Philippi.) Wie kommt man nun dazu, die Worte Christi im sym- bolischen Sinne zu fassen? Sehen wir ab von den im Hintergrund liegenden dogmatischen Voraussetzungem namentlich von Vorstellungen über die Person des HErrtn die von vornherein eine unbefangene Betrachtung dieses Mhsteriums (Geheimnisfes) abschneiden, so sind es zwei Gründe, die man eltend macht: der eine ist, daß keiner der Tischgenossen die Worte im eigentlichen Sinne habe verstehen können, weil Jesus leibhaft lebend vor ihren Augen saß; der andere, daß der Leib des HErrn im Moment jener Feier noch nicht gebrochen, sein Blut noch nicht vergossen war, mithin auch nicht habe von ihm mitgetheilt werden können. Der erste dieser Einwürse ist offenbar der schwächstex denn das damalige Ver- ständnis; der Jünger kann doch nicht das Maß abgeben, um darnach den Sinn der Rede des HErrn zu bemessen —- wie vieles Andere haben sie auch sonst nicht ver- standen, was ihnen hernach erst der heil. Geist klar ge- macht hat. Wollte man das Maß des damals mög- lichen oder wirklichen Berständnisses der Jünger zum Kanon für die Auslegung der Worte des HErrn machen, so hätte man sich im Voraus um den Verstand eines guten Theils derselben gebracht (Joh. Z, 3 sf.; 14, J; uk. 18, 34). Uebrigens lautete hier seine Rede so klar und bestimmt, daß sie an nichts Anderes denken lassen konnte, als an eine Mittheilung seiner LeiblichkeitH einen symbolischen Sinn, wenn die Worte einen solchen ehabt hätten, würden die Jtinger noch weniger gefaßt gaben. Sie wußten ja noch nicht einmal, was es mit dem neuen Testament für eine Bewandtniß habe; und warum finden wir denn späterhin in ihren Briefen, die sie unter der Erleuchtung des heil. Geistes schrieben, auch nicht die Spur eines shmbolischen Verständnisses dieser ganzen Feier? Auf den zweiten Grund aber antworten wir, daß der Schluß von der unbestreitbaren Thatfache, die er constatirt, auf die Unmöglichkeit, die er daraus folgert, kein zwingender sei. Wir haben diese Selbstmittheilung Jesu als ein Wunder zu denken, das Wunder aber liegt seiner Natur nach außerhalb des Gebietes der begreif- lichen Möglichkeit und der natürlichen Begreiflichkeih denn es ist ein Akt der unmittelbaren Nachwirkung, und als solcher ein Mhsterinm, so wenig erklärbar, als die Heilung des blutflüssigeu Weibes durch die vom HErrn ausgehende Kraft oder als seine eigene Verklä- rung aus dem Berge« Er handelt hier in derselben Macht, kraft deren er sein leibliches Leben in den Tod geben und daraus wieder nehmen konnte ——- als Herr seiner Leiblichkeit handelt er. Wir bleiben also einfach bei der klar bezeugten Thatsache stehen und lassen uns durch die Unbegreiflichkeit derselben nicht zu der An- nahme verleiten, daß dieses erste Abendmahl noch nicht selbst Sacrament, sondern nur der Typus (die Voraus- darstellung) dessen gewesen sei, was es in Zukunft der Gemeinde sein sollte, eine Ansicht, die das klare Stifs — tungswort gegen sich hat; ebenso wenig lassen toir uns zu der Auskunft drängen, der HErr habe damals schon seine Leiblichkeit in Vorausnahme des Zukünftigen als verklärte mitgetheilt, denn auch dazu giebt uns der evang. Bericht kein Rechn Um die verklärte Leiblichkeit des HErrn handelt es sich überhaupt beim Abendmahle nicht zu- nächst, weder für das erste Mal noch fiir die spätere Feier desselben, d. h. es liegt darauf das Gewicht nicht. Die Schrift betont nirgends, daß es der verklärte Leib, das verklärte Blut des HErrn sei, sondern daß es der für uns (in den Tod) gegebene Leib, das für uns vergofsene Blut ist. Allerdings muß ein Unter- schied an enommen werden zwischen der Begehung des heil. Mai-les in der Nacht vor seinem Tode und zwischeu der nachmaligen Feier desselben in der christlichen Gemeinde, denn jetzt ist er der Auserstandenh der Ver- herrlichte, und als dieser theilt er seine Leiblichkeit so mit, wie er sie seitdem besitzt; aber dieser Unterschied ist ein blos zufälliger und hebt die Einerleiheit nicht auf, wes entlich ist es jetzt wie vormals derselbe Leib und dasselbe Blut, denn die Verklärung ist keine Vernichtung des Wesensbestandes sondern Erhebung desselben in eine höhere Dafeinsforiin (Thomasius.) Die wirkliche Ge- genwart und wirkliche Selbstmittheilung des HErrn im heil. Abendmahl faßt die katholische Kirche so unmittel- bar, daß sie das Shmbolische und Natürliche in der Handlung vernichtet; die sichtbaren Zeichen werden un- mittelbar in des HErrn Leib und Blut, die Substanz des Brodes und Weines in die Substanz des Leibes und Blutes Christi verwandelt, und nur scheinbar ist irdisches Brod und Wein für die Sinne da. Gegen diese Ber- wandlungslehre, welche die natlirlichen Elemente zu einem leeren Schein verfküchtigt und dem Reiche der Natur zu nahe tritt, um das der Gnade zu verherr- lichen, protestirt die ganze evangelische Kirche und be- hauptet die natürliche Selbständigkeit der smnlichen Zeichen. Brod ist Brod und Wein ist Wein, ist nur Sinnbild vom Leibe und Blute Christi: in diesem Sinne als Verwerfun der Transsubfiantion (Brod- und Wein- verwandlun ) ekennt sich die ganze evangel. Kirche zu Zwinglks » ies bedeutet«, und in diesem kirchengeschichp lichen Zusammenhange erhält Zwinglks verständige Be- trachtung eine größere Wichtigkeit, als man ihr sonst zu geben geneigt iß. Zwingli selbst blieb nun freilich Um Mitternacht über den Kidron nach Gethsemanr. 387 größtentheils bei dem bloßen Protest stehen; Luther da- gegen hlilt die wirkliche Gegenwart des HErrn fest, aber eine Gegenwart, welche verschleiert, verborgen ist unter den nattirlichen Zeichen, ihre himmlischen Gnaden- gaben in, mit und unter denselben mittheilt. Calvin sucht einen Mittelweg ztoischen Zwingli und Luther, aber seine Lehre von der wirklichen Gegenwart ist inso- fern die entgegesetzte Einseitigkeit der Verwandlun s- lehre, als sie in einseitiger Weise trennt, was im Kathw licismus mittelbar Eins wird. Calvins Lehre bewegt sich in einem Dualismus zwischen dem Reich der Gnade und der Natur, zwischen Himmel und Erde, Geist und Leiblichkeih Nach ihr kann der verklärte Erlöser nicht auf der Erde gegenwärtig sein, denn auf Grund der Beschränktheit der Leiblichkeit und der Individualität ist er an einem bestimmten Orte im Himmel; auf der Erde geht daher unter dem Genuß des Abendmahls nichts anderes vor, als daß Brod und Wein ausgetheilt nnd genossen wird, wo es aber im Glauben genossen wird, da geht gleichzeitig eine Begebenheit im Himmel vor, indem die gläubige Seele durch die mystifcheu Wirkungen des Geistes in den Himmel gerückt und auf übernatür- liche Weise mit dem Erlöser vereinigt, seines Verklärten Lebens als der wahren geistigen Speise theilhaft wird. Es ist ja aber Christus nicht auf sinnliche Weise von seinen Gläubigen getrennt, so daß wir gen Himmel fahren müßten, um ihn zu finden; Christus ist zur Rechten Gottes, aber die rechte Hand Gottes ist überall, und daher ist er ganz und ungetheilt iii seinem Abend- mahl, wo er selber auf eine esoiidere Weise sein will. Sowie Christus nicht blos Geist ist, sondern das Fleisch gewordene Wort (Joh. 1), wie der nach dem Bilde Gottes geschaffeiie Mensch seinem Begriffe nach der Ein- heitspunkt von Geist und Natur ist, wie die Auferstehung des Leibes die letzte eschatologische Vorstellung des Christenthums ist, so ist das Abendmahl Vereinigung mit Christo als Princip der heiligen Vermählung des Geistes und der Natur, die das Endziel der Schöpfung ist; die lutherische Anschauung vom Abendmahl ist daher im tiefsten Sinne des Worts ihristlich-prophetisch -— sie sieht im Abendmahl die wirkliche Vorausnahme der Ver- einigung mit dem Erlöser, deren Fülle in der Vollen- dung aller Dinge eintritt, und erkennt in demselben nicht blos eine Speise für die Seele, wie Calvin, sondern ei1ie Speise für den ganzen neuen Menschen, also auch für den zukünftigen Auserstehungsmenschem der schon verborgen keimt und sich entwickelt und der in der Ver- klärung offenbar werden soll nach dem Bilde der ver- klärten Leiblichkeit des HErrm Daß anch die Schrift die Abendmahlslehre in Verbindung setzt mit der Lehre von den letzten Dingen, geht nicht los aus den Worten Pauli (1. Cur. 11, 26): ,,bis daß er kommt« hervor, sondern auch aus des HErrn eigenen Worten in V. 29; diese deuten an, daß das Abendmahl eine faktisehe Pro- phetie ist, eine Vorausnahme der Vereinigung mit dem Erlöfer, welche im seligen Reiche stattfinden soll, und nicht blos der Vereinigung mit dem HErrn, sondern anch der tiefen Liebesgemeiiischafy welche im seligen Reiche die Gläubigeu unter einander vereinigen soll, denn durch das Abendmahl fchmelzen diese zii Einem Leibe zusammen, indem sie alle, wie der Apostel in l. Cor. 10, 17 sagt, Eines Brodes theilhaftig sind. (Martensen.) I. d. sit-ils. (§. l15.) Mit dem stlebergang über den Bach Mdron beginnt nun für Iesnm sein seiden; nnd zwar ist dieser seginn schon änßerltih dadurch scharf niarliirt, daß jener tlebergaiig zii der Zeit erfolgt, wo zwei Tage einander no) abtöseii, zu Mitternacht. Aus dem Wege nach dein Garten Gethseniautz der jeuseit des sacheo unten am Fuße der Gelt-ergo liegt, tritt dem hGrrn aufs diene vor die Seele, was er schon in Sah. Its, 32 den Jüngern voran-gesagt; aber ivie ihre January- heit ihn vorher nicht abgehalten, sein Sarrameut ihnen zu reichen, so spriiht er jetzt, wo das Amt, das die Ver— sohniing predigt, nun gesiiftet werden soll, so ruhig nnd versohnt von ihrem Abfall, daß er gar nicht ern der Verskhuidnng, die darin liegt, sondern sogleich der Schrift, die sich dadurch erfnllt, gedenkt, nnd aus der nämlichen Schriftstelltz auf die er ßih bezieht, das »in) will meine Hand liehreu zu den Kleinen« in den Trost seiner Auf— erstehuug umsehn Zletriig hebt an, seinerseits gegen die Eoglittslieit des Jlbsallo zu vrotestirem und vrotesiirt um so hartnariiigeu je bestimmter ihm der tjCrr noch— malo die Wirklichkeit desselben vorhält; aueh die übrigen Iünger glauben ihrerseits protesiiren zu müssen. Da redet Jesus nicht weiter von der Sache; er iß nun beim Garten angelangt nnd tritt jetzt ein in seine Arbeit uud iu seinen Kampf, in die passiv magna oder das große Leiden, wie man den Vorgang dort zu bezeichnen pflegi. Eint. stark. til, 26———42; Eint. Es, sit-its; Sah. is, u. . 30. Und da sie szum Beschluß der Passa- mahlzeitJ den Lobgesang [in seinem zweiten Theile: Pf. 115—118, s. Anm. zu 4. Mos. s, H] ge: sprechen [genauer: gesungen] hatten sJesus aber mit den Jüngern in der Joh. II, 33 —38; Luk. 2-2, 31—38 angegebenen Weise sich imterredeh hierauf sie im Glauben gestärkt, und nachdem er sich vom Abendmahlstisch erhoben, im Stehen eine längere Rede an sie gehalten, anch sein hoheprik sterliches Gebet verrichtet hatte, wie das alles in Joh.14,1 —- 17,26 ausführlich zu lesen], gingen sie sum die Mitternachtsstunde 2. Mos 12 , 291 hinaus saus der Stadt, vermuthlich durch das Stephans- oder Schasthor, s. Karte VI1J an den Oelberg Nach Hieronymus» ist es Tradition bei den Juden, der Messias werde mitten in der Nacht kommen, wenn die Pafsafeier vorüber sei. Bis zur Mitternachtsstunde war denn diese anch in der That in allen Hliusern zu Ende; selbst die Priester, die mit ihren Familien beim Tempel das Osterlamm genossen, waren nun fertig, hatten bereits den Brandopferaltar gereinigt (2. Mos. AS, 18), was sonst erst gegen Morgen uni den Hahnschrei geschah, und bsfneten wieder die Thore der Bot-böse, worauf das Volk mit denjenigen Opferthieren sich ein- fand, die man privatim auf’s Fest darbringen wollte, um sie »besichtigen zu lassen. Erst jeszt konnten daher die Mitglieder des Hohenrathes dazu schreiten, den Judas, der in der 10 ten Stunde sich bei ihnen gemeldet, daß er noch in«dieser·Nacht sein Vorhaben ausführen wolle (Joh. ·13, z0), init der Schaar auszurüstem von ver in 47·die Rede ist; darüber verging immer noch eiiiige Zeit, «so daß der Verräther mit derselben etwa früh l· Uhr in Gethsemane ankommt. Der Leser erin- nere sich. daß der Weg , den Jesus mit den Jüngern nimmt, selbst der außeren Richtuiig nach der nämliche ist, den eins: David auf der Flucht vor Absalom einge- schkssgev (2· Ssmi 15, IS—- 37 — vgl. das ,,Haus der Ferne« auf dem Carton zu Karte 1Il). Nach dem Her- ommen brachten die Juden die Passanacht in Jerusalem zu; man beachte also die Treue des HErrn, daß« er dies Mal nicht über den Oelberg bis gen Vethanien ging, wie er an den andern Tagen gethan, sondern im Uni- kreis von Jerusalem blieb. 25 «« 388 Evangelium Matthäi 26, 31 —39. 31. Da [auf dem Wege von dem Abend: mahlssaal bis nach dem Oelberg] sprach Jesus zu ihnen: Jn dieser Nacht werdet ihr eiich alle fnicht blos Petrus, dem ich sein besonderes Aergernisn nehmen auch bereits besonders angezeigt habe Luk. 22, 31 ff.; Joh. 13, 37 f., des Judas aber, der schon von uns hinausgegangen, nicht mehr zu gedenken] ärgern an mir [indem das, was mir begegnet, euch zu Falle bringt, so daß ihr mich im Stiche laßt V. 56]; denn es stehet [bei Sacharja 13, q geschrieben: Jch werde den Hirten schlagen, und de Schafe der Heerde werden sich zerstreuen [und wie an mir die eine Hälfte der Weissagung in Erfüllung geht, so an euch, die ihr die Schafe meiner Heerde seid, die andere Hälfte] 32. Wenn ich aber [am dritten Tage, nach- dem ich, der Hirt, geschlagen worden, von den Todten] auferstehe swerde wieder auferwecktsein Katz. TO, 19], will ich vor euch hingehen in Ga- liläa sund euch dort vom Neuen um mich sam- meln 28, 7. 10. 16 ff.]. Indem er ihnen voraussagt, was ihnen schmerzlich sein sollte, sagt er ihnen auch voraus, was sie wieder ermuthigen konnte. (Euthymius Zigabenus, ein ver- ständigsnlichterner Schriftausleger der griech. Kirche um 1118 n. Chr) Was den Jüngern in Folge des Schlages, der ihren HErrn trifft, begegnet, ist aber nur ein kurzes, bald wieder aufgehobenes Vorspiel der Zer- streuung, welche durch den Tod des Hirten über die Heerde kommt, die an seinem Tode die eigentliche Schuld trägt. (v. Burgen) 33. Petrus aber sder durchaus den Vorwurf nicht wollte auf sich sitzen lassen, daß gerade er derjenige sein würde, der am schlimmsten sich ärgern werde, sondern im Gegentheil für den verlaßbarsten und stärksten unter den Jüngern sich hielt] ant- wortete und sprach zu ihm: Wenn sie [die andern Zehn, die außer mir noch bei dir sind] auch alle sich an dir ärgerten Das, was dir begegnen wird, sich zum Anstoß und Falle gereichen ließen], so will Jch [auf diesem Worte liegt der NachdrUckJ doch mich nimmermehr [weder in dieser Nacht, wie du sagest, noch sonst jemals] ärgern. 34. Jesus [die frühere Verkündigung mit solcher Entschiedenheit wieder aufnehmend, daß Petrus wohl Ursach gehabt hätte, von seiner falschen Einbildung sich abbringen zu lassen] sprach u ihm: Wahrlich, ich sage dir, [noch] in dieser acht, ehe der Hahn [zum zweiten Mal Mark. 14, so] krcihei [also schon im Verlauf der nächsten 3 Stunden von jetzt ab], wirst du mich dreimal verleugnen sals wärest du nicht mein Jüngen als kennetest du mich nicht einmal]. Bd. Petrus [sein Verleugnen im Grunde schon jetzt beginnend, indem er beharrlich die eigene Meinung für gewisser nahm als das, was der Meister sagte, und dessen Worten wie mit dem Anerbieten einer Wette trotzte] sprach zu ihm: Und wenn ithmit dir sterben müßte, so will ich dich nicht [genauer: keinenfalls, es komme, wie es wolle] verleugnen. Desgleichen ldaß sie in keinem Falle, selbst wenn sie sollten mit ihm ster- ben müssen, sich an Jesu ärgern, wohl gar ihn berleugnen würden] sagten auch alle Jiinger [die mit Versicherungen der Standhaftigkeit und Treue hinter dem Petrus nicht zurücksteheu wollten Joh. u, 16. Petrtis ist nun einmal unbelehrbar durch bloße Worte, selbst aus des Meisters Mund, und tlberbietet den Meister, ja sich selbst in Versicherungen seiner Treue; wie er ein Mal schon gesprochen und widersprochen, so bleibt er da- bei, und nun wollen die Andern auch nicht schlechter sein als er. Und der HErr —- sagt nichts weiter, sondern läßt ihnen das letzte Wort, bis die nächste Stunde sie widerlegen wird, auch darum schon, damit er sie nicht zu größerer Versündigung reize. (Stier.) 36. Da kam Jesus mit ihnen zu einem [am westlichen Fuß des Oelbergs, s. Kap. 21, 11 Anat. untere, gelegenen Meter-J Hof soder einge- hegten Grundstück, mit Oelbäumen bestandenen Garten Joh. is, 1], der hieß Gethsemane szu deutsch: Oelkelter, woselbst er schon öfter sich mit ihnen versammelt hatte], und sprach sbeim Eintritt in den Hof] zu seinen Jüngern sden acht- welche daselbst zurückbleiben sollten]: Setzeiench hie [nieder], bis daß ich dorthin [weiter in den Garten hinein] gehe und bete sdarnach will ich wieder zu euch kommen] 37. Und nahm zu sich Petruni nnd die zween Söhne Zehedrii sJakobus den Aelteren und Jo- hannes, welche drei er auch sonst in besonderen Fällen zu sich genommen Kap. 17, 1; Mark. 5, 37], und fing [plötzlich, indem er mit diesen weiter ging, sich freiwillig in das Leiden, das jetzt über ihn kommen sollte, hineinbegebend] an zu traneru und zu zagen [daß er vor Angst und Bangen ganz außer sich gerieth] 38. Da sprach Jesus zu ihnen [die jetzt das gerade Gegentheil von dem an ihm wahrnahmem was sie bei der Geschichte der Verklärung hatten vorgehen sehen Kap. 17, 2]: Meine Seele ist be- triibet bis an den Tod sAngst bis zum Tode, eine Betrübniß, die mir das Herz abpressen will, ist es, die ich empfinde Jona 4, 9]; bleibet hie [in geringer Entfernung von der Stätte, wo ich mei- nen Kampf auskämpfen werde] nnd wachet mit mit [es wird mir ein Trost sein, euch in meiner Nähe zu wissen Philipp. L, 1., und ein Halt für meine, ihrer selbst nicht mehr mächtige Seele, wenn ihr mit euerm Gebet den schweren Kampf begleitet 2. Mos. 17, 10 ss.]. 39. Und ging hin ein wenig [bei einem Steinwurf oder etwa 100 Schritt weit Las. 22, 41., so daß ihn die 3 Jünger bei dem hellen Mond- licht genau beobachten und seine Worte deutlich hören konnten], fiel nieder ans sein Angesicht szur Des HErrn Jesu Voraussage von Petri Berleugnung und der übrigen Jiinger Abfall. 389 Erde], und betete und sprach: Mein Vater, ist-s ldeiner Weisheit, welche die Rathschlüsse zur Er- lösung der Menschheit bestimmt] möglich, so gehe dieser Kelch sdes Leidens, den ich jetzt trinken soll TO, W] von mir sindem du mir einen andern Weg weisest, die Erlösung zu vollbringen, als den, daß ich, der ich von keiner Sünde weiß, mich für die Menschen zur Sünde machen lasse]; doch lge- icheheJ nicht, wie ich will, sondern wie du willst slaß den Ausschlag bei dem, was geschehen soll, nur deinen göttlichen Liebesrath geben, der das ganze volle Heil des menschlichen Geschlechts jetzt durch mich hinaus-führen will, nicht aber mein menschliches Verlangen, von dem Aeußersten dabei verschont zu bleiben) Jn den bisherigen Reden, namentlich in den Ab- schiedsreden bei Joh.14——l7, aber auch in den bei den ersten 3 Evangelisten (vgl. V. 26-—35), zeigte der HErr die Stimmung der höchsten Seelenruhe und Seelenklar- heit: sein Leiden steht als ein unabänderlich nothwen- diges ihm vor Augen, aber mit vollster Glaubenszuver- sicht blickt er über dieses Leiden hinaus auf des Glan- bens Frucht; er weiß, daß seine und seiner Jünger Traurigkeit in Freude verwandelt werden wird, er weiß, daß sein Tod nothwendig ist zur Erlösung der Welt. Diese Stimmung der klar und fest auf des Leidens Ziel und den gewissen Sieg gerichteten Glaubensruhe weicht nun aber hier plötzlich einer Stimmung der Unruhe und Angst, ja der qualvollen Angst und des Entsetzen-Z, und alle drei Stellen der Evangelien, die unsere Geschichte mittheilen, ringen sichtlich nach Ausdrückem um die Ueberschwänglichkeit der Trauer Jesn dem Leser einiger- maßen vorsteklbar zu machen und diese Trauer als eine beispiellose zu kennzeichnen, als eine solche, für welche es weder in dem umfassenden Bereich aller menschlichen Erfahrung noch in der übrigen Geschichte Christi selber etwas Aehnliches giebt: woher dieser gewaltige Um- schlag? wie sollen wir diesen räthselhaften Wechsel uns erklären? Vorher hat der HErr seine Rechnung mit dem Vater bereits abgeschlossen (Joh.17, 19), hier aber eröffnet er die Rechnung mit Gott noch einmal — was hat das zu bedeuten? Es ließe stch das auch wohl dann erklären, wenn man, wie meist vorausgesetzt wird, unter dem Kelche, um dessen Abwendung der HErr bitter, sein Leiden als solches, Schmerzen, Kreuz und Tod, verstehen müßte. Wer menschlich gelitten hat, heißt es in einer Predigt von Müllensiefen, der wird’s bezeugen, daß eben aus die gehobensten Augenblicke, auf die Bußs und Segensftunden das tiefste Dunkel am. ersten nachfolgt. Das ist die Natur der Menschenseele, wie schon ein weltlicher Dichter von ihr gesagt: him- melhoch jauchzend, zum Tode betrübt. Jedes große Leiden, so lesen wir bei Ahlseld, und sonderlich der Tod des Gläubigen , wenn sie nicht plötzlich und Unvorher- gesehen über ihn kommen, haben 3 Stationen Zuerstsp sieht er es aus der Ferne kommen: bei diesem Schauen von ferne ist der Glaube flugs so stark, daß der Mensch nur Siegesgedanken hat; Natur und Leben reden dann noch nicht ein, wir sehen in dem Abschiede nichts denn die Verklärung, die der HErr seinen Gläubiger! der- heißen hat. Aber das Wetter rückt näher, es rückt zu- erst in den inwendigen Menschen hinein; es muß erst drinnen gestorben werden, ehe draußen gestorben wird, es müssen die Wurzeln erst drinnen abgeschnitten werden, ehe draußen der Faden abgeschnitten wird. Und dieses inwendige Sterben ist das tiefste und schwerste: da tritt die Sünde, dieser Stachel des Todes, vor die Seele; da kommt die natürliche Liebe zum Leben, die Gott ein- pflanzen mußte, damit der Mensch lebe; da reden denn alle die Bande mit hinein, durch die wir an Aeltern oder Kinder oder Freunde und an unser ganzes Ge- schlecht angeschlossen sind; Fleisch und Blut fordert da auch sein Recht, ja es nimmt sich dieses Recht so ge- waltig, daß auch kaum ein Gläubiger hin-geht, bei dem in diesem inneren Sterben die Wellen der Angst nicht hoch emporschlügem Wenn das durchgestorben ist, wenn hinter diesem Kampfe die Seele rufen kann: »Gott aber sei Dank, der mir den Sieg gegeben hat,« dann be- kommt das äußere Sterben einen stillen, aber seligen Zug und Charakter. Es wird nicht gejubelt, als ob es mit dem Tode ein so gar Leichtes wäre, wie es sich der Christ in der ersten Liebe flugs einbildet: es liegt der Staub und der Schweiß von dem« sauren Kampfe auf dem Angesicht; aber auf dem armen Angesicht liegen auch die stillen, seligen Siegesziige, liegt auch das Mor- genroth der Selicgkeit Da erfolgt das wirkliche Sterben: es ist noch ein emisch von Diesseit und Jenseit, von Sünde und Gnade; aber die Gnade behält den Sieg, und also fchläft er ein. «—- Man hat nun an die Seelen- ruhe erinnert, womit Sokrates seinen Giftbecher ge- trunken, um es seltsam zu finden, daß sich Jesus nieht in seiner ruhigen Fassung dem Tode gegenüber gleich geblieben; ja , stoische Geister haben sich mit einem Seitenblick auf dies bange Vorgesühl Christi der Todes- verachtung gerühmt, mit welcher sie dem Tode überhaupt oder gar der Hinrichtung entgegengingen. Dem gegen- über müssen wir behaupten: Jesus, der heilige Menschen- sohn, kann sich nicht mit der erhabenen Jronie des heids nischen Weltweisen über den gemeinen Pöbel hinweg- setzen; es ist nichts als Selbfttäuschung wenn man dieses vornehme Sichhinwegsetzen als einen eigentlichen Triumph über den Tod betrachtet, und ist lediglich ein Beweis, wie die Menschheit in ihrem natürlichen Wesen« auch in ihrem Gefühle betäubt und erstorben ist. Dagegen war es Christi Aufgabe, alle Entwickelungen des edleren und tieferen Geftihlslebens, wie sie nach ihm in der Mensch- heit, soweit das Christenthum seinen Einfluß geltend machen kann, zur Erscheinung gekommen, in einem eigenen persönlichen Leben zu pflanzen; das Gefüh eines Friedens, welcher höher ist denn alle Vernunft, sollte in ihm als dem rechten Lebensbrunn sprudeln, darum aber auch das Gefühl des tiefsten Schmerzes und der furchts barsten Angst, um durch ihn überwunden und zur Ge- burtswehe der seligsten Freude verklärt zu werden. Von dem Stoicismus hingegen hat das menschltche »Hei-z ket- nen Gewinn; er ist nur eine taube Nuß, eine· harte Schale ohne inneren Kern. Heldenmäßige Apathte (Un- empfindlichkeiy gehört nicht zum urchrcstltchen Ideale, bemerkt de Wette ganz richtig, die sittliche Kraft des Christenthums ist vielmehr die göttltche, die» in der menschlichen Schwachheit mächtig ist. Der ·Erloser war nicht ein starkes bewegungsloses Bild, schreibt Ullmanzn er theilte alles, was der menschlickzen Natur eigen ist, abgesehen von der Sünde, er war ein Wesen voll war- men, reichen, vielfach bewegten Lebens, er bedurfte der stillen Sammlung und des Gebets, er zürnte, »er litt, er weinte, er rang mit dem Tode; aber der sittlich ver· klärteste Sinn wird in dem» allen mchts finden, was ihm fremd wäre, er wird stch· Im Geenthecl freuen, daß un Leben des HErrn auch dieses m t fehlt. Hatte er· da gestanden, erhaben über allen Schmerz vermctse ferner Gotteskraftz so predigt daher»der oben zuerst enannte, wir hätten zu dem Unerreichbaren kein Herz gehabt. Was macht die Glücklichen, die Reichen, die Satten, die. Selbstzufriedenen so untüchtig, den Armen und Elenden Tröster zu werden? Die Leidenden sagen von ihnen: 390 Evangelium Matthäi 26, 40-—42. ach, sie wissen’s nicht, sie können’s nicht wissen, wie unser einem zu Muthe ist! Um wahrhaft trösten und über das Leid erheben zu können, muß man selber das Leiden gekannt und erfahren haben; darum ist der Heiland ein so vollkommener Tröster für alle Dulden weil er ge- worden ist wie sie, damit sie werden möchten wie er ist. Zur Erklärung der Angst, welche Jesnm bei dem Ge- danken an sein nunmehr herannahendes äußeres Leiden erfaßt, läßt sich mit P. Lange sagen: Wohl darf und muß ihn grauen vor den Händen der Sünder; denn er ist der Heilige Gottes. Das Heilige in ihm erbebt vor dieser äußeren Gewalt der Unheiligen über fein Leben, der Geist vor dieser Unterordnung unter die Fäuste, die Liebe vor diesem Blick des Hasses, das Rechtsgefühl vor diesen brennenden Empfindungen des Unrechts, der Adel vor diesem Abgrund der Schande , der himmlische Sinn der Schönheit vor diesem Pfuhl der Unsauberkeit, durch den er hindurchgezogen werden soll, das reine, feine Leben vor diesem grellen nnd herben Tode. Und schwerer noch als das Fallen in die Hände der Sünder ist dem HErrn das Verrathenwerden in die Hände der seiden durch sein geliebtes Volk, das Volk der Ver- eißung , in die Hände der wüsten Volkshaufen durch die Väter auf Mosis Stuhl, an seine Widersacher endlich durch einen aus der Mitte seines Jüngerkreises, durch einen Jünger, der mit der ausgeregtesten Wachsamkeit umherschleichtz ihn zu verderben, während die ihm er- gebenen Jiinger schlafen. Jndessen, so wahr das alles ist, was wir hier zu Gunsten der gewöhnlichen Ansicht, welche den Kampf Jesu in Gethsemane als ein Ringen wider sein bevorstehendes Leiden, als ein Widerstreben seiner reinen, heiligen, zarten Seele gegen den Tod, der uns, dem Fleisch vom leische Geborenen und mit dem Sterben von Mutterlei e an Verwandten, zwar etwas Natürliehes, ihm aber etwas schrecklich Unnatürliches war, auffaßt, von mehreren Seiten her zusammengestellt haben, so entsteht doch die Frage, ob diese Ansicht auch wirklich zu Recht bestehet? Es hat ja gewiß der HErr alle jene Kämpfe, die wir so eben uns vergegenwärtigt haben, in seiner Seele durchmachen müssen: sein vierzi - tägiges Fasten in der Wüste, sein mehrmaliges Durch wachen und Durchbeten der Nächte, sein Ergrimmen im Geist nnd sich Betrüben, sein mehrwöchentlicher Aufent- halt in Ephrem nach der Auferweckung des Lazarus und seine Selbstaussagen in Luk. l2, 50 u. Ich. 1·2, 27 beziehen stch ohne Zweifel darauf; aber jetzt, so meinen wir, war dieser Kampf bereits überwunden, es galt nicht einmal mehr den letzten Entschluß, dem Leiden sich - » zu unterziehen, sondern dieser Entschluß stand bereits unerfchütterlich fest (Joh. IS, 27; 14, 30 f.). Man müßte, wollte man auch jetzt noch das Leiden als solches für den Gegenstand ansehen, um den es sich in unserer Geschichte handle, entweder annehmen, in Jesu habe das Bewußtsein um die bsolute Nothwendigkeit seines Lei- dens und Sterbens für einige Zeit sich wieder ver- dunkelt, es habe ein zeitweiliges Entblößtsein von der Fülle des göttlichen Wissens bei ihm stattgefunden, so daß er in eine Art Ungewißheit über jene Nothwendig- keit gerieth, und also seine Bitte etwa diesen Sinn habe: ,,Vater, ist’s möglich, daß mein bisheriges Leiden als hinreichend angesehen werden kann, der ewigen Gerechs tigkeit genug zu thun und die Sünden der ganzen Welt zu sühnen, so verschone mich mit dem letzten Leidens« kelch;« oder aber man müßte die Bedeutung der Worte, die er redet, dahin abschwächen, daß er gar nicht um Abwendung seines Leidens bitte, sondern nur um die Kraft zu voller Ergebung in den Willen des Vaters, und daß das ,,ist’s möglich, so gehe dieser Kelch von mir« mehr eine wehklagende Aeußerung seines tiefen Angstgefühls als ein wirkliches Flehen sei. Wir ver- mögen uns weder zu dem einen, noch zn dem andern Auswe zu entschließen. Die ganze Betrachtungsweise des ge eimnißvollen Vorgangs, wie sie den obigen Aus- führungen zu Grunde liegt, geht von dem Vorbilde aus, was für die Gläubigen in demselben liegt, bcgeht nun aber den Fehler, daß, indem sie das Nachbild voll- zieht, sie damit zugleich das Urbild erklären will. Wir müssen darum die Sache anders angreifenx wie aus der wesentlich hier in Vetracht kommenden Stelle Hebt. 5, 7 f. sich ergiebt, handelt es sich offenbar um etwas, was unter llniständen dem Sohne Gottes allerdings hätte erspart bleiben können, indem er aber mit Unter- werfnng seines Willens unter dem des Vaters sich gleichwohl diesem Etwas stch unterzog, hat er einen Gehorsam gelernt, den zu üben in dem bisherigen Ver- lauf der Tage feines Fleisches er noch keine Veranlas- sung gehabt, und mit diesem Gehorsam die Erhörnng seines Gebets sich erwirkt, daß ihm vom Tode ausge- holfen wurde. Der Schlüssel zur Lösung des Räthsels, so belehrt uns eine Predigt von Beet, liegt darin: »Wenn dem Menschen das genommen wird, woran sein ganzes Herz ihm hängt, worin er lebt und webt, da richt jedem, welcher dergleichen etwas hat, das Herz und der Muth, und feine Seele sinkt in Todesbetrübniß bevor er noch stirbt. Siehe den Geizigen an: Weib und Kind kann er sterben sehen, tausend Gefahren be- stehen und zehnmal sein Leben wagen im Rennen nach Reichthum — es wird ihn nicht erschüttern; aber laß ihm nun sein Geld abgenommen werden, woran sein ganzes Herz ihm hängt, das wird ihn zur Verzweiflung ringen, während hinwiederum ein Anderer, welcher fei- nen Schatz im Himmel hat, mit frischem Muth Haus und Gut verläßt, weil da sein Schatz nicht ist. Darnach nun müssen wir nun auch den Seelenkampf Christi in Gethsemane erklären: er kann seinen Grund in nichts Anderem haben als darin, daß hier vom HErrn ge- nommen ward, was fein Schatz war, woran sein ganzes Herz ihm hing, worin er lebte und webte; und dies war wahrhaftig nicht der Leib, den er uun sollte ab- legen, nicht die Ehre bei Menschen, welche mit Füßen sollte getreten werden, auch gute Tage waren es nicht, die er nie gehabt hatte, überhaupt nichts von dieser Welt — woran ihm das ganze Herz hing, ohne das er gleichsam nicht leben konnte, das war die Liebe s eines Vaters, das Einssein mit ihm. Das Wohlgesallen des Vaters in fich zn fühlen, und steh in demselbigen Wohlgesallen zu« fühlen, war für Christum so unent- behrlich als für die übrigen Geschöpfe das Athemholen, es war der Odem seines ganzen heiligen Lebens; von diesem Wohlgesallen sich verlassen zu fühlen, mußte seine Seele ebenso beklemmen und beängstigen wie uns der Mangel an Lebensluft« — Nach diesen Andeutungen ist es also nicht das Leiden und Sterben an und für sich, was der HErr unter ,,diesem Kelch« versteht, um dessen Abwendung er bittet, sondern es ist dasjenige in seinem Leiden und Sterben, ohne welches dasselbe gar wohl denkbar wäre, wenn es blos den Zweck eines Vorbildes gehabt hätte oder lediglich dazu hätte dienen sollen, die Liebe Gottes zur Veschwichtigung unsrer Furcht vor ihm offenbar zu machen, wie die Vernunftgläubigen meinen, ohne welches dasselbe aber schlechterdings nicht sein konnte, wenn es die versöhnende Kraft haben sollte, von welcher St. Paulus in Z. Cor. 5, 19 ff. redet; und was nun dies Moment in feinem Leiden und Sterben sei, wird uns in der eben angeführten Stelle deutlich genug gesagt: Gott hat den, der von keiner Sünde wußte, für uns zur Sünde gemacht. Wir haben dem· gemäß den Vorfall in Gethsemane für denjenigen Augen- blick anzusehen, wo das zur Sünde - Mach en von Seiten des Vaters und das zur Sünde-s Werden auf Jesn Gebetskampf in Gethseniane Seiten des Sohnes sich vollzieht. »Allerdings war der HErr in seiner irdischen Ver angenheit in die aller- nächsten Berührungen mit der tinde der Menschen ge- kommen; unmittelbar hat er von ihr zu leiden gehabt und mehr als nur das Widersprecheu von den Sündern wider sich Gebt. 12, 3), unmittelbar hat er sie angefaßt und angegriffen, um sie hinwegzuthnn von den Men- schen, die der Vater ihm gegeben hatte; und so hat sie ihm denn auch von Anfang an Trauer eingetragen, Seufzer entlockt und Arbeit gemacht (Mark. 3, 5). Aber trotz dieser engen und steten Berührung mit der Finster- niß blieb er selbst ebenso in dem Bereiche des Lichts, wie er levitisch rein blieb, obwohl er die Aussätzigen ungerührt (Kap. 8, 3); denn er war Licht und inster- niß war in ihm keine, das ,,er wußte von keiner tinde« behielt seinen unverrüclten Bestand. Jetzt dagegen, in- dem der Vater den Leidenskelch ihm darbietet, muthet er ihm zu, der Menschheit zugut Sünde zu werden; die Sünde der Welt soll er auf sich nehmen, damit er sie trage und durch» Sühne hinwegschaffe.« Wie hernach, als es zur Kreuzigung an der Schädelstätte kommt, die Kriegsknechte ihm die Kleider ausziehen und sie unter sich theilen, so wird dem HErrn hier in Gethsemane das Kleid seiner Unschuld und Gerechtigkeit ausgezogen und er selber wird zugerichtet, daß er das Lamm Gottes sei, das der Welt Sünde trägt; es wird ihm aller Sünder Sünde aufkgelegt und Gottes gerechter Zorn über unser ganzes a gefallenes Gefchlecht wird ihm ein- geschenkt in den Kelch des Todes; er soll von dieser Stunde an ein Fluch sein für uns und das einzig Schreckliche, was es in der Welt giebt, durchmachen, niimlich in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen Gebt. 10, 31) , also daß sein Leiden, nachdem für die ersten 11—12 Stunden noch das Wort gegolten (Joh. 16, 32): »der Vater ist bei mir«, ihn zuletzt in eine Tiefe versenkt, in der er klagen muß: »Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?« Die Zu- muthung nun, die Sünde der Welt als seine Last auf sich zunehmen, mußte nicht blos die Empfindung Jesu zur tiefsten Herzenstrauer stimmen, es mußte auch sein Wille, der Wille des Sündenreinen, sich dagegen sträu- ben; hätte es an einer folchen Reaction gefehlt, bemerkt Steinmeyey so hätte Christus seine Aufgabe nicht gelöst, er hätte sie überhaupt nicht erkannt. Erst dann, wenn der HErr an einem bestimmten Abschnitte der Tage seines Fleisches einem Gottesraihschluß dergestalt ent- egentrat, daß er mit dem Ernste flehentlicher Bitte eine enderung desselben begehrt hat, also eine unmittelbare Unterweisung bei ihm nicht stattfand, sondern er nur in stufenweisem Fortschritt dem Willen des Vaters sich untergab, kommt der Ausspruch in ebr. 5, 8 zu seinem Rechte, daß, wiewohl er Gottes So n war, er doch an dem, das er litte, Gehorsam gelernt hat. Nicht das Gehorchen überhaupt ist es , um was es sich hier han- delt -—- das verftehet sich bei dem Sohne Gottes von selbst, er ist von seiner Menschwerdung an bis zu seinem Kreuzestode durchweg auf der Bahn des Gehorsams ge- wandelt; vielmehr handelt es sich um eine bestimmte Beziehung, in welcher der Sohn den Gehorsam erst noch zu lernen hatte, daß er nämlich nach alle den bisherigen Leistungen auch demjenigen Gottesrathe sich unterwerfe, gegen welchen seine heilige Natur sich unmittelbar nicht anders als widerstrebend verhalten konnte, gegen den ein furchtbares Grauen ihn erfassen mußte, dem Gottes- rath, nach welchem der Sohn die Sünde der Welt hat tragen sollen. Er ist denn auch, darum daß er Gott in Ehren hatte und bat: ,,nicht mein, sondern dein Wille geschehn« erhiiret und von jenem Grauen befreit wor- den. Es erschien ihm aber ein Engel vom Himmel, erzählt Lukas, und ftärlte ihn: da wurde er des Grauens 391 ledig, daß er sich niederbeugte und ohne Scheu —- aber freilich nicht, ohne die ganze Wucht der Bürde zu em- pfinden; und es kam, daß er mit dem Tode rang, heißt es bei Lukas weiter, und betete heftiger, nicht mehr bit- tend und begehrend, sondern sich dargebend und opfernd, auch nicht mehr das Beten dnrch Hin ehen zu den Jün- gern unterbrechend, sondern im Ge et verharrend bis zum Ende der Anfechtung. Mit diesem Beten ging das Ringen mit dem Tode Hand in Hand; in Folge der Last, die der HErr auf sich nimmt, geschieht es, daß sein Schweiß wie Blutstropfen wird, die fielen auf die Erde. Und nun stehet er auf von dem Gebet — er stehet auf als das Lamm Gottes, welches auf sich genommen hat die Sünde der Welt: er wird auch gehen, sie zu tragen, sie endlich zu sühnen. Wir haben hiermit schon« auf das Ende des Kampfes hinausgeblickt und dem Berichte des dritten Evangelistem der die Entwickelung dieses Gebetskampses, nachdem er den Anfang desselben be- schrieben (Luk. 22, 41 f.), nicht weiter verfol t, sondern sogleich den Ausgang in’s Auge faßt (V. 43 f.), seine Stelle angewiesen; die beiden ersten Evangeliften da- gegen haben es nicht sowohl mit diesem Ausgang , als mit jener Entwickelung zu thun. 40. Und er kam lnach Verlauf etwa einer Viertelstunde] zu seinen Jüngern szu den dreien, die er mit sich in den Garten hineingenommen V. 371 und fand sie schlafend [vor Traurigkeit Luk. 22, 453 Joh. 16, 6; doch entrafften sie, in- dem er jetzt vor ihnen stnnd, auf Angenblicke sich dem SchIafJ nnd sei] sprach zu Petro sder vor allen so Großes sich vermessen hatte V. 33 und doch am meisten des Wachens nnd Betens bednrft hätte V. 34]: Könnet ihr denn nicht keinmal das Wenige, was ich mir von euch erbeten habe V. IS, leisten und] etne [einzige] Stunde san deren rechter Verbringnng so sehr viel gelegen ist] mit mir wachen? · 41. Wachet swenigstens von nun an] nnd betet [verbringet, was von dieser Stunde noch hinterstellige Zeit ist, im Gebet], daß ihr nicht: [wenn nun die nächste Stunde herbeikommt, da des Menfchen Sohn in der Sünder Hände über: antwortet wird V. 45 und die Finsterniß alle Macht erlangt Luk. 22, 531 in Anfechtnng fallet Das, was dann geschiehet, euch unbereitet smde nnd mit feinen Schrecken überwältige]. Der Geist [der neue , in Glaube und Liebe mir ergebene Mensch in euch] tst willig [mir treu zu bleiben V. 35, das weiß ich wohl]; aber das Fleisch sdie alte, von eurer fleischlichen Geburt her euch noch an- hängende Natur Joh. 3, 6] ist schlvach sund muß gleich dem ersten Windstoß der Anfechtnng erliegen, wenn nicht der Geist im Gebet höhere Kräfte an sich zieht, die über die Schwachheit des Fleisches ihn erheben nnd zu dem Wollen auch das Volls bringen schaffen Röm. 7, 14 ff.]. 42. Znm andern Mal ging er wieder hin [nach der Stelle, von der in V. 39 die Rede war], betete sin derselben Beugung wie vorhin, doch nun schon in etwas anderer Weise] und sprach: Mein Vater, tsks nicht möglich, daß [wie ich zuerst ges· 392 beten habe] dieser Kelch von mir gehe, ich trinke ihn denn; so geskhehe dem Wille. 43. Und et kam snach Verlauf von ebenfalls einer Viertelstunde] nnd fand sie [die drei Jüngers] abermal schlafend, und ihre Augen waren voll Schlafs [der Schlaf lag wie eine Last auf ihren Augen und drückte sie ihnen immer wieder zu, daß es dies Mal gar nicht erst zu einem wirklichen Munterwerden kams 44. Und er ließ sie [ohne eine Aufmahniing wie vorhin V. 40 f. an sie zu richten] und ging abermal hin, und betete zum dritten Mal, nnd redete dieselbigen Worte kwie beim andern Mal V. 42z da trat denn ein, was in Las. 22, 43 f. erzählt wird]. Dreimal betet der HErr in seinem schweren Kampfe; aber die beiden letzten Male betet er anders , als das' erste Mal. Das erste Mal ruft er: ,,ist’s möglich , so gehe dieser Kelch von mir; doch nicht mein, sondern dein Wille geschehe«, die andern Male dage en betet er: ,,ist es nicht möglich, so geschehe dein Wi e.« Also hat er auf’s erste Gebet eine Antwort: die Welt kann nicht erlöst, die Sünde kann nicht vergeben werden, wenn er nicht unser Opfer wird; es ist nicht möglich, also —- geschehe dein Wille«, sagt er, und wiederholt es im dritten Gebet. Sieh hier den Gang des kätnpfenden Erlöses: in allen dreien Gebeten neigt er sich vor dem göttlichen Willen, aber in dem zweiten tiefer als im ersten, und im dritten beruhigter als im zweiten. Als er das dritte Gebet gesprochen, hatte er die Last auf sich e- nommen. (Löhe.) Das ist ein Augenblick, welcher ülcier eine Ewigkeit entscheidet; das ist ein Gebet, welches viele Millionen Seelen aus dem Abgrunde reißt und in das Paradies versetzt. Jesus, der große Hohepriestey tritt vor Gott hin, nnd legt sich selbst als das heilige und unbesleckte Lamm dar für die Sünden des Volkes aus den Altar vor Gott und spricht: weil denn kein anderer Weg ist, die Welt zu versöhnen, so geschehe dein Wille, mein Vater; ich nehme den Kelch aus deiner Hand und will ihn trinken. Da ist wohl noch Angst nnd Zittern vor dem Kelchr. aber da ist keine Wiedexholung der Bitte mehr, daß der Vater möge nach einem gelinderen Wege sehen und ihm ein ertriiglicheres Kreuz auflegen. Ganz so, wie es Gott gefällt, soll es auch ihm gefallen; der Vater mag seinen eigenen Weg gehen, der Sohn wird gelassen seinem Leiten folgen. Hier fängt das hohepriesterliche Werk Jesu erst recht an, nachdem er sich in seinem ganzen Leben darauf zubereitet hat. (Mtlnkel.) I. Meine Seel, jetzt ist es Zeit, laß uns sonder Warten Jesu geben das Geleit zum Oltvengartem weil im Garten sich der Tod erstlich angesponnen, hat das Ende unsrer Noth auch dort anbegonnem — Z. Tod, du machst dem Leben bang, Angst ihn überfiilletz mit dir er sich müde rang, Schwermuth ihn verstellet. Trauert selbst die Freudigkeit? ach, der Heiland klaget; selbst die Hilf um Hilfe schreit, unser Tröster zaget. — Z. Mein und aller Menschen Sünd ihn jetzund muß drücken, die Gott seinem lieben Kind selbst legt auf den Rücken. Gottes Zorn ein schwere Last, Sünd ein großer Atmen; Tod, o wie ein bittrer Gast! macht Gott selbst steh hist-wen. — 4. Ach, sein Schweiß ist rothes Blut: seht doch die Korallen; schauet eine Purpnrfluth tropfens weis absallenl Fließeh schießt ihr Tröpseleim o ihr Blnt-Goldgulden, daß bezahlet mögen sein meine rothen Schulden. ——- 5. Gießer eine Thrlinenfluth meine Augen- Bronnetq dieses heilsam heilge Blut sei damit beronnen Evangelium Matthäi 26, 43—-—48. Mengt euch unter diesen Schweiß, Buß nud Heil zu binden: dieses Blut mich wäschet weiß, machet rein von Sünden. — 6. Jesu, dir ward bang für mich, meine Angst zu enden, wenn jetzt Tod und Sünde sich mir zuwider wenden: ach, mich tröft in allem Leid dies dein geistlich Leiden; dein Blut mich im Tod geleit zu des Himmels Freuden. (Siegm. v. Birken.) 45. Da sgegen l Uhr früh] kam er zu seinen Jungern [die er jetzt in ihrem schlastrunkenen Zu: stande nicht länger belassen konnte] nnd sprach zn ihnen: Ach tvollt ihr nun [noch immer] schlafen Und ruhen? [dazu ist keinen Augenblick Zeit mehr:] Siehe, die [verhängnißvolle] Stunde svou der ich so oft zu euch geredet habe Kap. 20,18f.; 26, L] ist» hie, daß des Menschen Sohn in der Sunder Hande uberantwortet wird. 46. Stehet somit] auf, laßt uns gehen sdaß ich freiwilltg mich stelle]; siehe, er ist da, der mich verrath. Was Jesus von den 3 Jüngern gewollt, als er sie mit sich in den Garten nahm, und was von ihrem Schlafen zu halten sei, darüber behalten wir uns das Nähere zu Mark. 14, 32 ff. vor; hier be nligen wir uns mit der einfachen Bemerkung: ,,Ruhet ie christliche Gemeinde ans den Schultern der hohen Apostel? haben sie da u geholfen, daß wir erlöst sind? können wir auf sie un ern Glauben bauen und uns ihrer Werke getrösten? Sie ktnnen nicht einmal den Anblick der Leiden ertragen und verlassen ihren HErrn schon im ersten Kampfe; sie bedürfen selbst aus der Hand des Feindes gerissen und vom Tode erstritten zu werden. Jesus allein hat es gethan: zu Jesu allein komme jede Seele, die selig werden willl« Dagegen haben wir es noch mit der Frage zu thun, warum gerade der vierte Evangelist, Johannes, der nicht allein gegenwärtig, sondern von den dreien ficher der theilnehmendste und schärfste Be- obachter war, von der erschütternden Scene geschwiegen hat. So befremdlich dies auf den ersten Blick scheint, so müssen wir doch andrerseits in Erwägung ziehen, daß gerade Johannes gleich auf dem ersten Blatt seiner Darstellung des Lebens Jesu in ihm das Lamm uns ezeigt hat, das der Welt Sünde auf sich nimmt, um se zu tragen und zu sühnen, und am Schluß der Pas- sionsgeschichte zeigt er ihn denn auch als dasjenige Lamm, dem kein Bein zerbrochen worden. Da, indem er den Kernpunkt unserer Geschichte hat, konnte er füg- lich von der Geschichte selber absehen, weil diese zu der Zeit, wo er sein Evangelium schrieb, in der christlicheic Tradition schon so fest gewurzelt war, wie die gleichfalls von ihm verschwiegene Geschichte von der Einsetzung des heil. Abendmahls. II. v. 47—56. (§. 1l6.) Indem Judas mit einer Kli- lhrilnng der römischen Eohnrtr und der Tempeln-arise nebst einigen khohenprieliern und deren Dienern dem Garten flkh nähert, lässt rr diese vorerst am Eingange into-Mitleiden, tritt in den Garten ein nnd giebt thnrn das verabrrdetr Zeichen dnrih Klileilsfen seiner meiner-z fikh non ihm lot-machend, schreitetsesna der Skhaar ent- gegen, welche rrschrorleen vor ihm zurück weicht und zu Boden fällt, dann aber sieh wieder ermnthigen darf nnd nnn Hand an den legt, drn zn fangen sie gekommen. Jetzt will Petrus Bitt dem Schwerte drein schlagen nnd verletzt einen Knecht des Hohrnnriellerq der Hain: weist ihn zurecht, den Schaden, den er angerikhtet hat, wie— der gut machend, und richtet an dir Führer seiner hä- fcher ein ernsies Wort des Vorwurf-e. Als daraus die Jesus weckt die schlafenden Jünger und rneldet ihnen das Herannahen seines Verräthers 393 Sänger ihren tstxrru und stellte: gebunden und lu der tsaud der Feinde erlitt-treu, ergreift sie ein Zwecken, daß sie solchen. Wut. starb. 14, its-IS; kalt. W, 47—53; Sah. Ist, 1—11.) 47. Und [alsbald] als er noch redete [und noch nicht einmal bis zu den übrigen Jüngern ge- langt war, die er am Eingang des Gartens zu- rückgelassen V. 36]- siehe, da kam Judas, der Ztvdlfen einer, und mit ihm eine große Schciar [theils römische Soldaten, theils levitische Tempel- wächter und Amtsdiened mit Schiverteu und mit Slutigett [oder Knütteln bewaffnet und mit Fackeln und Lampen versehens von den Hohenpriesteru und Aeliesien des Volks svon dem Hohenrath abge- fertigt, aber auch von einigen Mitgliedern desselben begleitet Luk. 22, 52]. Auch Markus und Lukas fügen dem Namen des Verräthers die ausdrückliche Angabe bei, daß er zu der Zahl der Zwölfe gehörte, obgleich nach dem ganzen Zu- sammenhang der Erzählung jeder Leser dies schon von selber wissen mußte; aber der Umstand, daß gerade aus ihrer Mitte der Verräther hervorgegangen, hatte einen so tiefen Eindruck auf die Jiinger gemacht, daß die mündliche Erzählung der Geschichte von der Gefangen- nehmung diesen Zug gleich anfangs mit aufgenommen und als einen wesentlich dazu gehörigen festgehalten hatte. Was nun den Sachverhalt im Einzelnen betrifft, so erinnern wir uns zunächst, wie Judas etwa 9 Uhr Abends den Passasaal verlassen hatte (vgl. zu V. 25). »Während darauf Jesus die Feier des Abendmahls vollzog, von seinen Jüngern Abschied nahm, sie seinem Vater im Gebet übergab und in Gethsemane mit dem Tode rang , betrieb Judas im Schutze der Nacht das sinstere Werk des Verraths; er eilte u deu Vorstehern des Synedriums hin und verkündigte ihnen, jetzt sei der ge· eignete Moment gekommen« Zwar hatte man beschlossen, während der Festzeit keine entscheidenden Sihritte gegen Jefum zu unternehmen (V. 5); allein ,,des Judas Un- geftüm entzündete die berechnende Bosheit der schlauen Allem« sie wollten die ebenso begierig erwartete, als selten so günstig sich darbietende Gelegenheit nicht ungenützt oorübergehen lassen und gingen auf den Antrag ein. Man kehrte sich nicht daran, daß von der Passafeiey die sonst bis zu Mitternacht sich hinzog, man die letzten Stunden sich abbrechen mußte, und verwendete diese Stunden lieber zur Ergreifung der Maßregeln siir Jesu Gefangennehmung, we che die Zeit von 10 Uhr Nachts bis I Uhr Morgens ausfüllteiy so daß man erst zu der- selben Zeit zu Geihsemane anlangen konnte, wo Jesus feinen Gebetskampf dort beendet hatte. Zunächst holte man beim Landpfleger die Genehmigung zur Ver- haftung eines, wie man sagte, gefährlichen Menschen ein und bat um Ueberlassung eines anfehnlichen Theils der römischen Militairmachn Die Hauptftatioii der römischen Truppeiy das ,,Lager«, wie sie in Apostg. 2l, 34 u. 37 genannt wird, war die Bur Antonia an der Nordseite des Tempelberges (Schluß em. zum I. Marcabäerlx Nr. U, O; dort lag immer eine Yenze Legion, d. i. eine Heeresabtheilung zu 6-—7000 ann, die zu Fest· zeiten nach zwei Seiten hin ihre Wachposten aufstellte, um etwai en Aufständen des Volks vorzubeugen, eine Cohorte a er zu 6—700 Mann (Luther: »Schaut« Kuh. 27, 27) stand mit den Waffen in der and in den Fällen des Tempels, um sogleich bei der Hand zu sein. enn nun auch schwerlich die ganze —Cohorte,.so wurde doch jedenfalls ein bedeutendes Commaudo von Pilatus her- gegeben für das Wert, das der Hoherath vorhatte, — man mußte die Möglichkeit in’s Auge fassen, die Ver- haftung würde in der Stadt bekannt, und da galt es, durch eine imponirende Entwickelung von Streitkräfteii gleich von vornherein jeden Gedanken an Befreiung unter dem Anhange Jesu, namentlich unter den zum Feste anwesenden, so unternehmungslustigen Galiläern uiederzuschlagem zugleich aber erklärt sich nur dann, wenn die Sache so ernsthaft genommen wurde, wie das Weib des Landpflegers sich noch im Traume damit be- schäftigen konnte (Kap. 27, 19), ihr Gatte hatte ihr un- mittel ar vor dem Schlafengehen Mittheilung davon ge- macht und ihr gesagt, wie er diese Nacht wohl wenig der Ruhe werde genießen können. Zu der römischen Streitmacht nahm hierauf der Hoherath die Tempel- wächter (1. Chron. 27, l sf.) sammt den Dienern, die ihm zu Gebote standen (Kap.2, 4 Anm.), hinzu, konnte diese aber nicht anders als mit Knütteln bewafsnen, wie man solche beim Polizeidienst gebrauchte; Fackeln und Lampen oder Laternen hielt man, obgleich es Vollmond war, doch für nothwendig, um für den Fall, daß Jesus sich verstecken sollte, die dunklen Räume des Baumgartens und des an demselben anstoßenden Hauses zu durchsuchem und nun gesellteu sich auch etliche fanatische Hohepriester und Aelteste dem Zuge bei, des gewünschten Ausgangs der Unternehmung sich zu versichert: und die Behörde zu vertreten , in deren Namen der HErr verhaftet werden sollte. War so die Rüstung, welche die Hohepriester in Verbindung mit Judas veranftalteten, eine sehr große, ja eine überspannie, so läßt uns dies einerseits einen Blick werfen in die dümonifche Aufregung des Ver- räthers: ,,er wußte mitten in seinem Verrath an ·Jesu, daß er es mit einem Gewaltigen zu thun habe«; an- drerseits aber, je höher die xüdischen Oberen ihre An- sprüche in Betreff der mitzugebenden Militairinacht an Pilatus spannten und sie damit motivirten, daß es sich um die Gefan ennehmung eines höchst gefährlichen Menschen hand e, desto mehr wurde Jesus fchon zum voraus bei der römischen Behörde verdächtigh welcher sie ihn ja vorführen mußten, wenn sie ihn zum Tode bringen wollten. ,,Eine ähnliche Gespreiztheit giebt sich kund in der Vorsichh welche Judas mit den Bewaffneten etrofsen hatte, daß er ihnen-den Mann ihrer Nach- Heilung durch einen Kuß bezeichnen wollte. Er konnte, wie es scheint, den Verrath allerdings einfacher bewert- stelligenz aber dies ist nur Schein. Derselbe Geist der Sinuesverwirrung, der ihn zum Verräther machte, führte ihn auch auf dieses teuflische Raffinementz auf diese unerhörte Combination des Jüngerkusses mit dem Verrätherzeichem die ihresgleichen nicht kennt in der Weltgeschichte, zu diesem höchsten, spitzigsten Ausdruck des teuflischen Abfalls von Gott und Christo, worin der liftigfte Witz in die brutalste Dummheit umschlägt und worin in sofern der Schlangenbiß sein bezeichnendstes menschliches Abbild findet« —— ,,Die alten Christen, die sich sonst beim Abendmahl küßten, küßten sich während der Zeit, wo das Gedächtniß des Leidens Christi be- gangen ward, nicht, um den Abscheu vor dem Judaskuß auszudritcken.« 48. Und der Verräther hatte ihnen ein Zei- chen gegeben und gesagt [genauer: gab ihnen, als er mit der Schaar sich dem Eingange näherte und derselben nun vorausgehen wollte, um Jefum aus der Umgebung seiner Jünger für sie heraus zu suchen, ein Zeichen, indem er lagte]: Welchcn ich iiisseu werde, der ists; den gteiset sund führe: ihn gewiß, daß er euch nicht entwische]. 394 Evangelium Matthäi 26, 49-—56. 49. Und alsbald svon der Schaar sieh ent- fernend, um nicht das Ansehen zu haben, als ob er zu ihr gehörte] trat er zu Jefu nnd sprach [wie wenn er den bewaffneten Haufen zufällig be- gegnet wäre und nun eile, Abschied von dem Meister zu nehmen, ehe er festgenommen würde]: Gegrüßet seist du, Rabbi [wir sehen uns jetzt wohl zum letzten Mal wieder], und kussete ihn [genauer: küsfete ihn ab , als wäre sein Herz von dem Ab- schied gar sehr bewegt 2. Sam. 20, 95 Pf. 28, 3]. Jenes Weib, das Jesum viel liebte, wagte nur feine Füße zu küssen; Judas, der ihn verräth, küßte seinen Mund. Es ist aber, als spräche er: ,,Lebe wohl, lieber Meister! Siehe, diese sind hier, daß sie dich gefangen führen; da ich dir nicht helfen kann, will ich dich zum Abschied küssen. Zwar geht’s niir hart ein, vou dir zu scheiden; aber ich vermag der Wuth der Feinde nicht Stand zu halten.« O wie tief hat Jesus sich erniedrigt, da er diesen Kuß voll teuflischen Geistes ertrug! (Besfer.) 50. Jesus aber [der nur mit einem geiiissen Widerstreben das erheuchelte Freundschaftszeichen duldete und es sozusagen geschwind wieder abschiit- telte Kap. 10, 141 sprach zu ihm: Mein Freund [den »ich gern wieder zu Gnaden annähme, wenn’s so ware, wie du dich stellst], warninbist du kommen sisis aber, um dich wieder in die Gnadenarme deinesHeilandes zu legen, weshalb du gekommen, und nicht vielmehr , um unter gutem Schein das ärgste Bnbenstück zu vollbringen? Juda oerräthst du des Mensche« Sohn mit einekklnußkqe Unbegreifliche Langmuth, einen Verräther strafen mit Lindigkeitl göttliche Weisheit, einem falschen Herzen auf- deeken seine Bosheit! heilige Gerechtigkeit» einem Gott- gsgm setzt Cästfcössenwrühren 3itdFräibmüthigkcecihtt!Jti(Tüb. i . nz i en aren au te rigen a nger dicht hinter Judas her, zu Jefu herangeeilt, der noch im« Inneren des Gartens sich befand; dieser, nachdem er sich rasch von dem Perrather losgemacht und ihn veranlaßt hatte, Ich auf die Schaar am Eingang des Gartens zu- rückzuziehen, trat Ietzt auf letztere u und verhandelte mit-ihr in der Weise, wie es in Joh.18, 4—9 erzählt wird. ,,Seine heilige Würde erheischte, daß er nicht als ein willenloses Opfer fremder Arglist, als ein Ueber- listeter in ihieHtinde falle, sondern thatsächlich bezeuge, datß er frezwigig dLeb3nslasse; dcgunti ttixtkzekchihnen en ge en, er an e ur ein uner aree r einen ihre gurch den Judaskuß ewonnene Gewißheit insofern in neue Ungewißheit, als· te stutzig werden, »weil sie dies Erfcheinen sieh nicht erklären konnen, und zeigt durch die Wirkung, die seine Frage auf sie ausübt, wie er Macht habe, fein Leben zu be alten, und daß sie »seiner nicht Herr würden, wenn szer nicht des Vaters Willen gehor- sam, freiwillig auf seine Wundermacht verztchte. Nach- dem er dann mit der wiederholten Frage einestheils die Jünger in Schutz genommen, daß· ße nicht auch ber- haftet würden, anderntheils freiwillig ,sich selbst der Schaar übergeben, folgt, was wir weiter in unserm Verse lesen: (50b.) Da [indem ihnen jetzt Macht gegeben war über des Menschen Sohn Luk. 22, 531 traten sie hinzu und· legten die Handean Jesnm und griffen ihn [wie man eines gemeinen Verbrechers sieh bemächtigts Als J. Huß im J. 1415 zu Costnitz verbrannt wer- den sollte und der Henker ihm eine eiserne Kette um den Hals legte, rief er: O HErr Jesu, mein Heiland und Erlöserl du bist auch mit schweren Ketten gebunden worden; daher will ich Sünder diese eiserne Kette um deines Namens und des Ebangelii willen tragen. 51. Und siehe, einer ans denen, die mit Jesu waren [Simon Petrus nämlich Joh· 18, I0., der jetzt, wo die Jünger nun sahen, was da werden wollte, sein Wort in V. 33 n. 35 einlösen zu miissen vermeinte], reckte die Hand aus [nach der linken Seite] nnd zog sein Schwert aus sdas er, gleichwie noch ein anderer Jünger, schon im Abend- mahlssaal bei fich geführt Luk. 22, 38 nnd mit hinausgenommen hatte nach dem Oelgarten], und schlug des Hohenpriesters Knecht [der Malchus hieß], und hieb Ihm ein [das rechteJ Ohr ab. Zur Zeit, als die evangelische Tradition fich bildete, erforderte es die Vorsicht, daß der Name des Petrus nicht öffentlich genannt wurde, und die dadurch entstan- dene Fassung der evang. Tradition ging iii die 3 ersten Evangelien über; diese Rücksicht der Tradition aber fiel für den Johannes, welcher viel später fein Evangelium schrieb, fort, daher bei ihm der Name. Ganz ähnlich scheint es sich mit der Uebergehnng der Auferweckung des Lazarns in Bethanien verhalten zu haben: die Synoptiker hatten noch ihre uten Gründe, diese Ge- schichte zu« übergehen, abgesehen von der bestimmten Anlage ihrer Evangelien; für den 4. Evangelisten waren diese Gründe weggefallen. (P. Lange) Der Streich, den Petrus führte, muß in der Absicht Jesu gelegen haben,- fonst würde er früher dem Mißberstiindniß seines Worts in Luk. 22, 36 mit ausführlicherer Belehrung entgegen- getreten sein: Petrus sollte fehlen, damit der HErr Ge- le enheit erhalte, in seiner Zurechtweisnng der Kirche a er Zeiten eine Lehre zu geben, und der HErr erhielt durch die That des Petrus Gelegenheit, seine Wunder- kraft zu zeigen und somit, daß er sich den Händen der Menschen freiwillig überantwortete. (Heiigstenberg.) Petrus wollte dem Knecht den Sihiidel spalten; aber in der Hitze geführt, fiel der Hieb beizu und riß dem Malchus das reihte Ohr weg. Ach, was soll das eiserne Schwert ausrichten, wenn auch viele Legioneii seiner Jüiiger damit gerüstet wären, sobald das Schwert des Geistes, nämlich das Wort Gottes ruht! Hierin hat Petrus viele Nachfolger: wenn sie sehen, daß es mit dem Worte Gottes nicht mehr fort will und daß die Verächter und Widersacher Christi überhand nehmen und alle ihre Bosheit üben, da reißt sie der fleischliehe Eifer dahin. Mit weltlichen Mitteln und mit Gewalt wollen sie hindurchbrechen und alles vor sich niederwerfen; mit Heftigkeit fahren sie heraus, hart gehen sie auf die Widersacher ein und sehen ihnen so empfindlich zu, als sie nur können. Was richten sie damit aus? Wenn es hoch kommt, so hauen sie den Widersachern das Ohr ab, daß sie gegen das Wort Gottes ganz verbittert und verhärtet werden, nicht mehr hören können und nicht mehr hören wollen. Sie bedenken nicht, daß es arme» Seelen sind, denen Gott auch sein Wort ziigedacht hat und die vielleicht aus Feinden Freunde werden können, wenn ihnen Gott dermaleinft das Ohr öffnet; und denen schlagen sie das Ohr ab und hindern Christi Werk, in- dem sie es fördern wollen. (Münkel.) 52. Da sprach Jesus zu ihm: Stecke dein Schlvert an feinen Ort sdahin es gehört, in die Scheide]; denn wer das Schwert sohne ordentliche Des Judas Verrath. Gefangennehmung Jesu. Ernste Worte an die Häscher. Flucht der Jungen 395 Gewalt, die ihm von oben gegeben Röm. 13, 4] nimmt sum es eigenmächtiger und aufrührerischer Weise zu gebrauchen], der soll [als einer, der in Gottes Ordnung eingegrissen und unrechtmäßig Blut Vergossen] durchs Schwert umkommen [l. Mos. 9, s; Offenb. 13, 10]. 53. Oder meinest du [wcrklich, wie dein Ge- bahren den Anschein hat], daß ich [wenn es jetzt gälte, Gewalt mit Gewalt zu vertreiben] nicht könnte meinen Vater bitten, daß er mir zuschicte mehr denn zwölf Legionen lzu ungefähr 6000 Mann V. 47 Anm.] Engel [deren er so viele tausende hat Dan. 7, 10., sondern allein auf den Beistand meiner wenigen und schwachen Jünger angewiesen wäre, von denen überdies einer auf der Seite der Feinde steht]? » 54. Wie wurde aber [wenn ich thäte, was ich könnte, und mit Hilfe des Vaters mich aus der Hand der Feinde befreite] die Schrifi erfitllei sdie von meinem Leiden und Sterben geweissagt hats? Es muß also gehen [wie sie zuvor ver- kündigt; und da wolle denn du mit fleifchlichem Eifer mich nicht aufhalten, den Kelch zu trinken, den mir mein Vater gegeben hat Kap. 16, 23. Darauf rührte er dem Knechte sein Ohr an und heilete ihn Luk. 22,»51]. Christi Leiden, wie vorgesehen, so geschehem Lnl.24, 46. (Ttib. Bin) Wo Gott seine Kinder in äußerlicher Gefahr umkommen läßt, ist solches nicht ein Anzeichen seines Vermögens, sondern daß solches Leiden über fee bestimmt sei zu seinen Ehren und ihrem Besten, daher sie fich darob nicht zu betrüben haben: Joh. 21 , 19. (Canflein.) Das Schwert außerhalb der Scheide ist nicht an seinem Ort, außer wenn es der Rache Gottes dient. (v. Gerlachh 55. Zu der Stunde [da dies alles sich begab] sprach Jesus zu den Schaaren sdie über ihn ge- kommen, insonderheit zu den Hohenpriestern und Hauptleuten des Tempels und den Aeltesten, unter deren Leitung ja die ganze Unternehmung stund und die mit triumphirender Freude, daß ihr Fang ihnen nun gelungen, das gebundene Schlachtopfer umstanden]: Ihr seid ausgegangen als zu einem Mörder mit Schwerten nnd mit Stangen, mich zu fahen [aber meinet nicht, daß eure Schwerter und Stangen es sind, die mich in eure Gewalt gebracht haben]; bin ich doch iciglich [wenn ich zu Jerusalem war, und namentlich in dieser letzten Zeit meines Lshtsmts Mk— 19- 471 gesessen bei euch und habe gelehrei im Tempel [wo es so leicht gewesen wäre, meiner habhaft zu werden], nnd ihr habt mich nicht gegriffen [so gern ihr’s auch längst schon ge- than hättet] bis. Aber das [daß nunmehr euer Werk ge- lingt und ihr wirklich mich sahen dürfet] ist alles geschehen, daß erfüllet würden die Schriften der Propheten [darum läßt Gott euch zu, daß ihr euch an mir vergreifetz der aber euch die Mittel nnd Wege dazu eingiebt, das ist der Fürst der Finster- niß selber, und ihr steht so lange in seinem Dienst und in seiner Macht, so lange er euch braucht, hernach tritt wieder an die Stelle der jetzigen Macht eure vorige Ohnmacht, und zuletzt werdet ihr als abgebrauchte Werkzeuge weggeworfen] Da [als Jesus hierauf abgefiihrt werden sollte] ber- ließen ihn [wie er es zuvor gesagt V. 31] alle Junger und flohen sein Jüngling aber, der hinzu- kam, entging nur mit Noth den Händen derer, die ihn greifen wollten Mark. 14, 57 f.]. Jesus redete dies nicht eher, als bis sie ihn griffen nnd banden, damit es nicht das Ansehen habe, als wolle er sich nicht gern gefangen nehmen lassen; sondern er ließ sie ersilich an ihm thun, was ste wollten nnd soweit sich ihre Gewalt erstreckte, nachmals aber überzeugte er sie ihres Unrechts. .Die Welt kann nicht allezeit mit den Händen zugleich die Zungen der verfolgten Wahr- heitszeugen binden: Ephes 6, 20. (Starke.) Das sind die Waffen der falschen Kirche: Schwert, Stangen und weltliche Gewalt. Lehren: begegnen sie wie Mörderm o des Greuels! (Tltb. Bibelh Jesus in der Nacht ge- fangen wie ein Mörder, büßt die Sünden, die in der Nacht begangen werden. (Rambach.) I. its. 57—68. (§. 117.) wie wir auo Sah. 18,12—14 n. 19 —24 erfahren, wurde Jesus von denen, die ihn gefangen genommen nnd gebunden hatten, zunächst zu tjannack dem votmaligen Hohenvkiester nnd Schwiegeri uater des jetzigen Hohenpriesterg (Schlt1ßbem. zum 1. Uaccabäern tlr.11, o. 3nsatz), zu einem vorläu- figen verhör angeführt, dessen Zweck dahin ging, dem Gefangenen irgend eine Aenßerung zu entlasten, die ßch zu einer Anklage bei der späteren otdentltaz en Ge- richlssitznng benutzen ließe, nnd also den proeeß vor dem tjoheurathe gehörig vorzubereiten. Der Gefangen: ward da gefragt um seine Sänger und um seine kehre; die ganze Verhandlung hatte aber nicht den gewünschten Erfolg, und so leam en, daß bei dem, gegen 2 Uhr Nachts erfolgeuden, von St. Matlhäue hier näher be- fthriebenen tjauotverhöy zu welchem sich iuzwifchen die von saiphas zufammenberufenen Mitglieder des tsohenorieiirre in dem von diesem bewohnten Fluge! des hoheprienerlichen palaßeg versammelt hatten, man leeinen rechten Ausgangspunkt für die Anklage nnd leeine mit derhaltungebefehlen versehenen Zeugen hatte, sondern den ganzen proceß erst von vorn anfangen mußte nnd in eine gar reinliche Lage gerieth, als längere Zeit von allen herbeigernfeueitjtengen nicht einmal zwei in eine: und derselben Aussage zusammenstimmen nnd auch da tieine Einnimmigleett erzielte, als endlich wirklich zwei Zeugen auf den nämlichen Ausspruch Sefn mit ihrem Jeugniß sich beriefetn In solcher vrrlegenheit weiß denn der schlaue Katz-has der Verhandlung eine Wendnng zu geben, daß der Angeklagte, der bisher zu allem still geschwiegen, nun feinen Mund aufthut nnd selber ein Jruguiß über seine wahrhaftige Hofbauer-hebe, über feine Gotteefohnfchaft im oolleu Sinne des Worte nnd über feinen Stand der Erhähnug, tu den er alsobald eintreten werde, ablegt; darüber fällt der tjoheptießet tu eeheucheltem Eifer für Gottes Ehre ale über eine offenbare Gotteslästerung her, nnd der ganze Rath ver- urtheilt Iefum schon jetzt zum Tode, ohne sich an die ordentliche Kraft-form zu kehren, darnach er erst ein ander Flut hätte seiu Urtheil fällen dürfen. (Marle.14, 53—65; Laie. W, 54 n. 63——65.) 396 Evangelium Matthäi 26, 57——61. 57. »Die aber Jesum gegriffen hatten [V. 47 U»- 551, fuhreteu ihn zu dem Hohenpriester Kaiphas sin den Palast des Hohenvriesters, welchen außer Kaiphas auch sein Schwiegervater Hannas be- wohntc], dahin lwährend zuvörderst bei Hannas ein vorläusiges Verhör angestellt worden war, in- zwischen] die Schriftgelehrteu und Aeltesteu [die Mitglieder des Hohenraths Kap. L, 4 Anm.] sich versammelt hatten [uin setzt, von 2 Uhr Morgens an, in ordentlicher Rechtssorm über den Gesange: nen zu Gericht zu sitzeii]. 58. Petrus aber lvon Johannes begleitet, welche zwei Jünger, nachdem sie von dem ersten Schreck bei der Gefangennnehmung Jesu sich einigermaßen erholt hatten, von ihrer Flucht V. 56 wieder umgekehrt waren] solgete ihm nach von ferne [um doch in etwas sein Wort V. 33 u. 35 einzulösen und weil die Liebe zu seinem HErrn ihn demselben mit unwiderstehlicher Gewalt nach- zog], bis in den Palast «des Hohenpriesters szii welchem ihm Johannes bei der Thurhiiterin Ein- laß oerschaffte Joh. 18,«15 ff.], und ging hinein sin den von den Gebäuden des Palastes um- schlossenen Hofraum] und setzte sich bei die Knechte [die dort ein Kohlfeuer zum Schutz wider »die Kälte der Nacht gemacht hatten], auf daß er sahe, wo es hinaus wollte [ob es wirklich noch soweit mit Jesu kommen könnte, daß er unter die Uebel- thäter gerechnet würde Luk. 22, 37]. Wenn man schwach ist und Christo nicht, als nur von ferne nachfolgen kann, so muß man ja die Gesell-» schaft derer meiden, die einen noch schwächer machen. (Quesnel.) Nicht alles, was man aus guter Meinung thut, ist darum auch wohlgethan. (Cramer.) So lange der Mensch in seinen Wegen bleibt, hat Gott ihm ver- sprochen, daß ihn die Engel bewahren sollen, daß er nicht seinen Fuß an einen Stein stoßex wenn aber der Mensch aus den Wegen seines Berufes geht, will in alle Winkel, in alle Löcher kriechen und sehen, was sich da begiebt, und hören, was die Leute sagen, da ist er schon außer Gottes Schuh , nnd der Teufel hat Macht über ihn nach seinem Willen. (H.Miiller.) Am Abeude, wo Christus von der Schaar der Hohenpriester gefangen genommen ward, floh auch Petrus: diese Flucht konnte er nicht verschmerzem sie war«eine Scharte in seinem Stolze. Er wollte die Scharte wieder auswetzeu, da- rum gin er hin in den Hof des Hohenpriesters Sagt nicht, da? das ein zn hartes Urtheil über den Mann iß. Wäre er hingegangen aus der treuen Jiingerliebe, die vom Errn nicht lassen kann, die doch wenigstens sehen wi , wie es ihm unter seinen Feinden ergeht, dann hätte er einen andern Platz gesucht; er hätte in einem verborgenen Winkel gestanden, oder im Dunkel fern vom Feuer, und von da hätte er seine Blicke hin- iibergeworfen nach dem Saale. Aber er setzt sich mitten unter die Knechte au’s Kohlenfeueiy mitten unter die Knechte, deren Mund vol! war von Spott über den Heiligen Gottes: wer da mitsitzen wollte von den Jün- gern Christi, mußte ein ganzes Herz haben, mußte mit dem Wasser des Lebens den Brand der Anfechtung dämpfen, den Kampf fitr seinen HErrn kämpfen, ihm auch etrost sein Leben zum Opfer bringen können. (Ahlse d.) Die Ausleger schelten den Petrus, daß er sich bei seiner Schwäche so hervorgewagt habe; selbst ein Calvin sagt, es wäre ihm viel besser gewesen, in irgend einem verborgenen Winkel zu seufzen und zu beten, als den Menschen unter die Augen zu treten, da er so wenig fest war. Das ist wohl richtig; aber die Liebe siegt über die Vernunft, und am Ende ist uns der Christo folgende Petrus mit feiner Verleugnung lieber, als ioeim er ohne Verleugnung in einem obscuren Winke( geblieben wäre. Es muß ein gewaltiger und unwider- stehlicher Drang gewesen sein , der den Petrus antrieb, Christo zu folgen; denn er war es, der dem Knechte das Ohr ab ehauen, und das machte seine Lage beson- ders gefährlich. (Hengsteuberg.) Damit wir uns hier und im Folgenden eine richtige Vorstellung von den einzelnen Vorgängen machen kön- nen, ist es nöthig, daß wir zunächft uns die Bauart der Häuser der Vornehmen im Morenlande Vergegen- wärtigen, wie sie in Blum. 1 zu 2. hu. 1,2 beschrieben und in dem zu Kap.21,1l auf S. 311 gegebenen Auf- riß des Jnwendigen eines großen Hauses in der Ber- berey nach Shaw’s Reisen wenigstens einigermaßen zur Anfchaiiung gebracht worden ist. Sie waren mehr- ftöckig, gemeiniglich in’s Viereck gebaut und umschlossen einen geräumigen, niedriger gelegenen (Mark. 14, 66) Hof, nach welchem hin sie in Säulenhallen ausliefen und von welchem aus Treppen nach den verschiedenen Flügeln des Hauptgebäudes hinaufführterk Vorn am Haupteingangn nach der Straße zu, breitete sich ein überbauter Säulengang (Luther: Vorhof) aus, nach dem inneren Hofe zu a er befand sich ein Portal oder eine Thorhalle (Luther: »Thiir«); während Griechen und Römer gemeiniglich Männer zu Thlirftehern hatten, verrichteten bei deu »Hebräern Mägde· diesen Dienst (Apvstg. 12, 13). Die Verhandlungen im hohepriester- lichen Palaste nun scheinen nicht sowohl in den inneren Gemächern, als vielmehr draußen in den Säulenhallen geführt worden zu sein, daher vom Hofe aus dieselben sich beobachten ließen. Ferner kann kaum ein Zweifel darüber bestehen, daß Hannas nicht ein eigenes selbst- ständiges Haus, sondern nur den einen Theil jenes Palastes bewohnte, während Kaiphas den anderen Theil inne hatte. Nach der Sitte des Orients gehören über- haupt die Paläste der Großen nicht blos dem gerade Regierendety sondern seinem ganzen Geschlechte (Apostg. 4, 6) an; hätte aber Hannas nicht mit. seinem Schwie- gersohn in einem und demselben Palaste gewohnt, so hätte man den gefangenen Jesus schwerlich zuerst zu ihm geführt, so würden auch die evangeL Berichte von den einzelnen Vorgängen bei Jesu Verhör und Petri Verleugnung in einen unlösbaren Widerspruch gerathen und uns geradezu unverständlich bleiben. Wir müssen also festhalten, daß während der ganzen Verhandlung zuerst vor Hannas und dann vor dem Hohenrathe die Oertlichkeit in der Hauptsache uicht wechselt, sondern die Wegfiihruug Jesu von dem einen zu dem andern nur eine Wegflihrung ans dem einen Theile desselben Pala- stes nach dem andern ist, während Petrus da sich auf- hält, wo er gleich anfangs hingegangen und nur im Hofe selbst seinen Standort verändert. Hiernach sehen wir von der kirchlichen Legende, welche auf dem Zion, nicht weit von dem C0enaoulum, ein Haus des Kaiphas und innerhalb des Zionsthores auch eins des Hannas nachweist (Kap. 21, 11 Aum.), ganz ab, und haben es vielmehr ausschließlich mit der Frage zu thun: wo mag wohl der hohepriesterliche Palast gelegen haben? Da dürfen wir denn nur in die Stelle Nehem. Z, 16—20 blicken, die freilich ftir uns im Einzelnen manches Un- verständliche enthält, aber im Allgemeinen soviel erken- nen läßt, daß der hahepriesterliche Palast nicht weit von dem königl. Pallast auf Zion einerseits und der Süd- Jesu Verhör vor dem Hohenpriester Kaiphas Falsche Zeugen. 397 westseite des Tempelplatzes andrerseits gelegen war, was mit Joseph. b. Jud. 11, 17 und mit der Geschichte vom Hahnschrei bei Petri Verleu nung (V. 70 Anm.) übereinstimmt; wir vermuthen, da die jetzige Klage- stätte der Juden (Karte VII: 12) ziemlich genau die Stätte bezeichnet. Dieselbe liegt bei 400 Fuß von der Slidwesiecke des Tempelplatzes, hat eine Höhe von 158 Fuß und bei 23 Steinschichten von 60 Fuß Höhe. Hier kann man auf wirklich herzzerreißende Weise täglich jüdische Frauen über die Zerstörung Jerusalems jam- mern sehen; an den Freitagabenden aber verrichten die Juden daselbst in Masse ihr Gebet. Verhiillten Hauptes rin en sie die Hände oder weinen mit ihrer Stimme, während sie ein Gebetbuch unter den Fingern halten; jetzt küssen sie den kalten Stein, jetzt umfassen sie die glatte Mauer: einige verbeugen sich mit Kopf und Oberleib, taktmäßig vor- und rtickwärts sich wiegend, andere kauern am Boden und murmeln Gebete. Die Litanei am Freitag-Abend lautet folgendermaßen: Vorsängert Wegen des Palastes, der wüste liegt, wegen des Tempels, der zerstört ist, wegen der Mauern, die zerrissen sind, wegen unsrer Majeftäh die dahin ist; wegen unserer großen Männer, die darniederliegem wegen der kostbaren Steine, die ver- brannt find, wegen der Priester, die gestrauchelt habe n wegen unsre«r Könige, die ihn verachtet haben « da sitzen wir einsam und weinen. Wir bitten dich, erbarme dich Zions: sammele die Kinder Jerusalems. Eile, eile, Zions Erlöser: sprich zum Herzen Jerusalems. Schönheit und Majestät möge Zion umgeben: ach wende dich gnädig zu Zion! Möge bald das Königreich über Zion wieder erscheinem tröste die Mauern über Jerusalem. Möge· Friede und Wonne einkehren in Zion: und der Zweig (Jes. 11, 1) aufsprossen zu Jerusalem. Endlich ist noch ein Punkt, der wohl beachtet sein will: das ist die große Eile, die der Hoherath bei dem ganzen Proceß Jesu an den Tag legt, die förmliche Ueberstür- zung aller seiner Maßnahmen. Sie erklärt sich aber daraus, daß man bis zur Zeit des Morgenopfers (9 Uhr Vormittags) die Sache so vollständig zu Ende gebracht haben mußte, daß nun ein Aufruhr nn Volke, vor dem man so sehr sich fürchtete (V. 5), nicht mehr möglich war. um Morgenopfer strömten ja die Leute in ganzen chaaren zu dem Tempel; wäre nun da noch nicht alles, auch beim römischen Landpflegey bereits entschie- den gewesen, so wäre gewiß ein Aufruhr wirklich ent- standen, die galiläischen Anhänger Jesu, deren Charakter wir zu Kap. 4, 25 angedeutet haben, hätten ohne Zweifel Befreiungsversuche für ihren so hochverehrten Propheten gewa t, da aber gerade zu dieser Zeit Jesus unter der Bede ung der römischen Soldaten schon zum Tode abgeftthrt werden konnte (Mark. 15, 25), mußten die Galiäer sich still verhalten. Nun ergiebt fich aus dem Traum, den des Pilatus Weib in der Nacht vom 6--7. April hat (Kap. 27, 19) , daß wohl gleich bei Aussendung der dem Judas zur Verfügung gestellten Schaar der Hoherath den Landpfleger hatte ersuchen Volk: Vers: Volk: Vorsr Volk: Vors.: Volk: Vors.: Volk: Borsx Volk: lassen, schon in der ersten Morgenfrtthe (während der 4. Nachtwachch sich bereit zu halten, einen gefährlichen Verbrecher in diesem Jesus von Nazareth, dem sie auf der Spur wären und zu dessen Ergreifung sie nun einer Bedeckutr römifcher Soldaten bedürften, abzuurtelnx sie würden geh beeilen, ihm den Proceß zu macheu, damit Volksunruhen vermieden würden. Sie haben dann ge- wiß um 3 Uhr noch einmal zu Pilatus geschickn es be· dürfe nur noch der letzten Rechtsform, in kurzer Zeit würden sie den bereits zum Tode Verurtheilten zur Bestätigung und Vollstreckung des Urtels ihm iiberanti worten; und so war denn in der That der Landpfleger schon bald nach 4 Uhr zur Stelle. 59. Die Hohenpriester aber und Aeltesten und der ganze szur Gerichtssitzung beim Hohenpriester versammelte] Rath [von dessen Mitgliedern wohl Joseph von Arimathia und Nicodemus fehlten, die Kaiphas absichtlich nicht mit eingeladen hatte, um die Einstimmigkeit des von ihm beabsichtigten Be- fchlusses nicht zu stören« Mark. 14,- 64; Luc 23, 50 f.] suchten [indem sie um jeden Preis ein Beweismittel für die Schuld dessen, den sie zum Tode verdammen wollten, ausfindig machen mußten, zu einem irgendwie haltbaren Anklagegrunde aber trotz aller Mühe es nicht hatten bringen können] falsch Zeugnis wider Jesuuy auf daß ste ihn tödteten [in rechtsgiltiger Form für einen todeswürdigen Ver- brecher erklären nnd für ihr Urtel dann auch die Bestätigung des römischen Landpflegers erlangen möchten], «) Vgl. jedoch zu Kap. 27, 57. 60. Und fanden keins [weil die Aussagen derer, die sie» znZeugen besiellt, so wenig übereinstimmen, daß nicht einmal zwei von ihnen, wie nach dem Gesetz in 5. Mos 17, 16 zum mindesten erfor- derlich waren, in ein und demselben Zeugniß zu- sammentrafen]. Und wiewohl viel falscher Zeugen [einzeln nach einander in die Gerichtshalle herein- gerufen] herzu traten, fanden sie doch keins sda der eine dies, der andere das, ein dritter jenes aussagte — ,,es ist, als ob an der Person kein Schmntz haften wollte«]. Znleszt [nach langem Hin: und Herreden] traten herzu zween falsche Zeugen [bei denen es den Anschein gewinnen wollte, als würde endlich die gewünschte Zweizahl herauskommen] , til. Und sprachen Pgaben im Allgemeinen etwa folgendes Zeugnis; ab]: Er hat [einstmals, vor nun- mehr 3 Jahren, als er aufgefordert wurde, sich durch ein Zeichen als Propheten zu erweisen Joh. 2- 18 ss.] gesagt: Ich kann den Tempel Gottes [da, der mit Händen gemacht ist Mark. 14, 58 f.] bauen [aber auch ihr Zeugniß stimmte nicht gehörig überein, da der eine den gleich in seinem Anfange verdreheten Ausspruch in diesem, der andere in jenem Wortlaut wiedergab Pf. 5, 10., und konnte daher noch immer das Urtheil zum Tode, auf welches man es abgesehen hatte, nicht gefällt werden]. Ein eu e von örena en, der elber e ör will, odezrz eicii Anklagsdzeugsygder nichts genaie gehdrkalkciit 398 Evangelium Matthäi 26, 62——65. ist auch ein falscher Zeuge. (P. Lange) Eskann ein falsches Zeugniß und Lüge fein, wenn man gleich etwas Wahres redet, aber den V and dessen ändert, welche Lügen um so gefährlicher nd, als noch das übrige Wahre der Lüge mehr Schein giebt. (Canstein.) Jesus hatte nicht gesagt: Jch kann den Tempel Gottes ab- brechen, sondern: Brechet diesen Tempel, und in drei Tagen will ich ihn wieder ausrichten;· sie sollten den Tempel brechen, so wollte Er ihn wieder aufbauen. (Müiikel.) Daß auch die Hohenpriester und Aeltesten den wahren Sinn der Worte Jesu wohl verstanden hatten, bewiesen sie nach seinem Tode, da sie zum Landpsleger sprachen (Kap. 27, 62 ss.): »Herr, wir haben gedacht, daß dieser Verführer sprach, da er noch lebte: « ih will nach dreien Tagen aufersteheii.« Nun finden w i- nicht, daß Jesus diese Worte je öffentlich gesprochen; darum konnten die Hohenpriester schwerliih anders woher wissen, daß Jesus seine Auferstehung am dritten Tage auge- kündi t habe, als aus eben den Worten, die seht, so tttckis verdrehet, vorgebracht wurden. (Uhle.) Wenn sie die Worte vom steinernen Tempel nahmen, konnten sie doch so gut eine Lästerung drinnen sehen, als sie später in lihnlichen Worten Stephani (Apostg. S, 13 f·.) eine Lästerung sahen; und wenn sie bei Stephaiiiis die Lästerung todeswürdig fanden, konnten sie dieselbe Läste- rung auch bei Jesu todeswürdig finden, zumal sie aus dem Munde Jefu drohender erklang, als aus dem Munde Stephani. Aber nein! sie trauen nicht; es ist ihnen bei dem Zeugniß nicht ganz wohl smögen sie nun das Wort Jesu in dem einen oder in dem andern Sinne fassen) und sie sollen auch den Grund zu seinem Tode nicht hieran nehmen (fondern nur an dem, was der wirkliche Grund ihres Hasses gegen ihn war, an sei- nem Bekenntniß, daß er der verheißene König Jsraels und der Sohn Gottes selber sei). Es ist beiden Ver- sammlungen des Hohenraths öfters Gottes Geist mit im Spiel gewesen, ohne daß man es wollte und wußte; denkt nur an jene Versammlung (Joh. II, 47 ff.), wo derselbe Kaiphas, welcher gegeuwärtigwieder den Vor- sitz im Rathe führt, hohepriesterlich weisfagend das Wort sprach, das weit über sein Wissen und Verstehen hin- ausragte: .,Es ist besser, daß Ein Mensch sterbe, denn das ganze Volk verderbe.« (Löhe.) . . 2. Und der Hohepriester [Kaiphas, nachdem er bei der bisherigen Verhandlung gesesseiy wie das für gewöhnlich bei den Berathungen des Hohen- raths der Fall war] stund aus sunter sie Mark. 14, 60., d. i. mitten in die Versammlung hinein tretend, gleich als habe ihn die Lästerung, die in dem eben oeriiommenen Worte Jesu liege, mit heiliger Entrüstung erfüllt]« nnd sprach zu ihm [d·er während des ganzen Zeiigenverhörs auch nicht ein einziges Wort geredet und nicht einmal ietzt sich herbeiließ, etwas zur Berichtiguug der nicht wori- getreueii Zeugenaiissage vorzubriiigen]: Antlvortest du nichts zu dem, was diese wider dich zeugeii? sLiegt ja doch eine so schwere Beschuldigung darin, daß du Ursach genug hättest, dich zu veitheidigen und den Vorwurf zu ibid-erlegen, oder aber dich zu entschuldigeu und dein Wort zu widerrufen.]» 63. Aber Jesus schwieg [noch immer] stille sals könne ihn nichts zum Reden bringen]. Und der Hohepriester [die Bedeutung dieses Schweigens wohl verstehend, das; nämlich Jesus auf allerlei Nebensachen sich gar nicht erst» - eiulassen wolle, sondern aus die Hauptfrage hindränge, uui die es bei dem ganzen Processe sich eigentlich handelte] antwortete sauf die in seinem Schweigen verborgen liegende Rede] und sprach zu ihm: Jch beschivöre dich bei dem lebendigen Gott [d. i. bei dem, der allein der rechte Gott ist, dem Gotte Jsraels Jvfs Z, 105 Pf· 42- Z; Ist· 37- 4J- daß du lauf ihn hin, auf seine Gegenwart und seine richterliche Vergeltung Bezug nehmend] mis ssagest, ob du sin der That das, wofür Viele im Volk dich anneh- men und wofür du mittelbar und unmittelbar selber fchon dich manchmal erklärt baß] seiest [nämlich] Christus sder Messias oder Gesalbte, von dem Moses im Gesetz und die Propheten geschrieben haben Seh« l« 41- 45J- der Sohn Gottes fdes Hochgelobten Kap. 14, 33; l6, 16; Joh. I, 49]. Die Lüge offenbart sich selbst, darum darf man nicht viel daraus antworten; so ist auch Unschuld und Geduld gern beieinander, wer unschuldig ist, schweiget still. Der Heiland schweiget still: es war die Stunde seines Leidens da, darum wollte er sich mit vielen Reden nicht los machen. Er schweiget auch still, anzudeuten, daß er sei, von dem Iesaia (53, 7) geweissaget: »Er that seinen Mund nicht auf wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird 2c.« Er schweiget auch still, unsre sünd- lichen und uiiuützen Worte mit zu büßen. Das Schweigen, mein erz, ist oft besser als das Veraiitworten (Ps. 39, 10; , 14); mit Antworten hat sich mancher versehen, Stillschweigen aber niemals einem geschadet. G. NilillerJ Jn einer argen Verlegenheit befand sich der Hoherath: Jesum wollte er verdammen, und hatte seine Unschuld vollständig bewiesen, es hatte dazu nicht einmal der Verantwortun Jesu bedurftz neue Zeugnisse aber wußte man nicht me r wider ihn auszutreiben, und niemand ikn Hohenrathe konnte angeben, was jetzt zu thun war. Forschend und bedenklich sehen sie vor sich hin; dann blicken sie Jesum an, und endlich wendet sich ihr Auge auf Kaiphas, ob ihn auch sein Muth und seine Geistes- gegenwart verlassen hat. Alle ihre Hoffnung ruhet auf diesem Manne, der mit durchgreisender Kraft den Hohen- rath beherrscht, zur rechten Stunde den rechten Einfall hat und vor keiner Schwierigkeit erschrickt. Zwei Män- ner sind des Teufels auserwählte Werkzeuge: der eine ist Judas Jscharioth, der Jefum verrieth; aber der an- dere geht über den ersten. KaiphasU Dienste sind dem Teufel unbezahlbay und darum verläßt der Teufel sei- nen Diener nicht in diesem verhängiiißoollen Augenblick, der über Leben und Untergang seines Feindes entscheiden foll. Kaiphas nun verlangt von Jesu ein Bekenntniß, wer er sei; damit er aber eine Anklage daraus grtinden kann, so überläßt er es ihm nicht, sondern sagt ihm die bestimmten Worte vor, worüber er sich einfach mit Ja und Nein erklären foll. Wohin seine Beschwörung geht, sieht jeder leicht ein, der sehen will: Jesus soll nicht blos sagen, ob er Christus, der Gesalbte ist — auch die Könige und Hohenpriester waren Gesalbte Gottes; er soll vielmehr sagen, ob er dieser Gesalbte ist, von dem die Propheten geweifsagt haben, daß er kommen und Israel zurechtbringen werde. Darum soll er auch das sagen, ob er der Sohn Gottes sei, also mehr und höher, als die Könige und Hohenpriestey mehr als alle Men- schen. sMiinkelJ Ernster Augenblick! kein geistliches Ge- richt hat jemals einen ernsteren gehabt; Himmel und Hölle lauschen. Die Frage oom Teufel spielt ein ge- ringeres Spiel; aber nun, nun kommt eine, die seht alles auf’s Spiel, von ihrer Antwort hängt alles mit Jesu Selbstzeugniß von seiner Messiaswürde, Gottessohnschaft und nahen Erhöhung. 399 einander ab, das alte Testament und das neue, und die »« ganze Welt. Kaiphas, blind und dennoch ein erwlihltes « Werkzeug, der Hohepriesiey der erste Mann in Israel, i« tritt hervor und ruft an den stillen, schweigsamen, ern- sten Jesus hin die rage der gesammten Menschheit, die größte Frage der elt: »Ich beschwöre dich bei dem lebendigen Gott, ob du seiest Christus, der Sohn Got- tes ?« Der Sadducäer redet, als glaube er einen Christus, NikSohn Gottes; er redet im Sinne Jsraels und —— Jesu. Die Frage, die Beschwörung ist zu Ende: da, horch! da redet der Schweigsaine, der bisher noch keine Antwort gab. (Löhe.) M. Jesus fweder einer kurzen, bündigen Er: klärung, noch der ihm abgeforderten Eidesleistung sich weigernd Kap. 5 , 37 Anm.] sprach zu ihm: Du sagst es [V. 28: es verhält sich also, wie du sagst —— ich bin Christus, der Sohn Gottes] Doch sum außer diesem mir abgenöthigten Bekenntniß, das ihr ja doch nicht gelten lasset, noch ein freies königliches Zeugniß abzulegen, welcher thatsächliche Beweis von der Wahrheit meiner Aussage euch alsbald in die Hände kommen wird] sage ich euch: Von nun an [wenn ihr mich nun tödten werdet] wird’s geschehen, daß [meine scheinbare Ohnmachh da ich jetzt m eure Gewalt so ganz dahingegeben bin, in göttliche Allmacht umschlägt, die gar fühl: bar gerade an euch sich geltend machen wird, also daß] ihr sehen werdet des Menschen Sohn [von dem in Dan. 7, 13 f. die Rede] sißen zur Rechten der Kraft fGottesj und kommen in den Wolken des Himmels [wie in Pf. 110, 1 voii ihm ge- weissagt worden]. - Kaiphas wollte gewiß mit dem Ausdruck »der Sohn Gottes« nicht noch einmal dasselbe sagen, was schon »Christus« aussagte; er und der Hoherath legten viel- mehr in das Wort absichtlich den Sinn, der ihnen oft schon in Jesu Munde so anstößig gewesen war (Joh. S, 18; ,-10, 33); und Jesus, der diese Bedeutung der Frage z vollkommen durchschaute, bejahte sie auf’s Entschiedenste. LVon allen Zengnissen für die Gottheit Jesu Christi, welche einzelne Schriftstellen enthalten, ist dies das klarste und bestimmteste. (v. Gerlach.) Die Bejahnng der unter einer Beschwörung an Jesum gerichteten Frage war ein völliger Eid, und vor Gericht der gewöhnliche; es ist also vergeblich, hier in Abrede zu stellen, daß Christns einen ihm vorgelegten Eid angenommen und geschworen habe. (Meyer.) Es ist leider in der Christenheit der Gegenwart die Zahl derer noch Legion, welche dem Bekeiintnisfe des HErrn eine Bedeutung zu geben sich bemühen, vermittelst deren sie die Doppel- wahl glücklich umfchiffen zu können meinen, entweder Jesum, wovor ihnen doch grauet, mit den Juden einer wirklichen Gotteslästerung zeihen und das Bluturtheil gegen ihn mit unterschreibem oder, was sie eben so wenig wvllen, an ihn glauben zu müssen, wie die Kirche an ihn glaubt; sie schwächen das Bekenntniß zu der mageren Aussage ab, er, Jesus, sei ein göttlich be- rufener Lehrer, der lediglich erschienen und aufgetreten sei, um mit einem Wort und Vorbild die Welt zu er- leuchten. A er solche Deutung ist schlechthin unhaltbar; die Gründe liegen vor der Hand. Zuerst wären, wie jeder fühlt, die Ausdrücke· ,,Christus« und »der Sohn des lebendigen Gottes« zur Bezeichniing eines mensch- lichen, ob auch noch so vortrefflichen Lehrherrn und Sittenpredigers doch gar zu stark; es ist wahrer Unsinn, dieselben lediglich auf einen solchen deuten zu wollen. Zum Andern wird, zumal im Gange des gerichtlichen Prozesses, der HErr dem Hohenpriester unzweifelhaft doch in demselben Sinne geantwortet haben, in welchem er von ihm gefragt ward. Kaiphas dachte aber mit allen nur einigermaßen· schriftkundigen Angehörigen seines Volkes bei dem Namen ,,Ehristus« unleugbar an den durch die Propheten verheißeuen Messias, bei dem ,,Soline Gottes« an den Uebermenschlichen und Erhabenen, den David seinen HErrn nannte, Daniel in den Wolken des Himmels kommen fah und Micha als einen solchen schilderte, dessen Ausgang von Anfang nnd Ewigkeit her gewesen. Zum Dritten würde es dem Hohenrathe ja nimmer eingefallen fein, so wie er that, die Miene des Bestürzten aufzufetzen und dem HErrn Jesu seine Be- theuerung als eine des Todes wlirdige Beleidigung der· allerhöchsten Majestät auszulegen, wenn Jesus in dem- selben nichts Größeres von sich hätte aussagen wollen, als daß er ein Rabbi, ein Volkslehrer oder selbst auch ein Prophet sei. Aber könnten nicht, wendet ihr ein, die Richter ihn mißverftanden und Bedeutenderes hinter « seiner Bezeugung gesucht haben, als er selbst in sie hineinzulegen Willens war? O Freunde! in diesem Falle würde der HErr ja unfehlbar gegen ihre falsche Auslegung lauten Einspruch erhoben und auf der Stelle ein so bedenkliches Mißverständniß berichtigt haben; statt dessen aber —— und dies ist ein niederschlagender Beweis dafür, daß er sich wirklich im höchsten Sinne des Worts für Gottes Sohn erklärte, —- bestätigte ei: die Deutung des Synedriums durch den höchst denkwiirdigen Zusatz zu seiner eidlichen Versicherung: »Ich sage euch: Von nun an werdet ihr sehen des Menschen Sohn sitzen zur Rechten der Kraft und kommen in den Wolken des Himmels« (Krummacher.) Dies Wort ist ein Donnerwort für seine Feinde; die Bekräftigung erfolgte fogleich mit seinem Tode. Sie sollten es augenscheinlich inne werden: l) daß er zur Rechten Gottes sitze, d. h. daß ihm göttliche Macht und Herrschaft gegeben sei; 2) daß er komme, daß er kraft dieser Gewalt sein Reich ausbreite, sich als errscher nnd Richter beweise. Das sahen sie aus der eüngsti- genden Verfinsterung, aus dem Erdbeben, dem Zerreißen des Vorhangs, der Kunde von feiner Auferstehung, der Predigt der Apostel, Ausbreitung der Kirche, dem Gericht über Jerusalem, welches manche erleben mochten· Das waren sichtliche Erweise der ihm gegebenen hiinmlischen Macht. Auch den Feinden mußte sich der Schluß auf- bringen, daß Gott ihn fchittze: eine leise Ahnung dessen ist Gamalieks Urtheil in Apostelg. 5, 38 s. ( eubner). Jesus kündigt seinen Richter-n das Gericht feiner Zu« kunft an; er Verkündigt ihnen, sie würden von nun an immer mit schreckenden Gesichter: seiner Oberherrlichkeit heimgesucht sein, immer würden sie ihn sehen — wo die Allmacht sich kundgebe, da werde Er mit ihr er- scheinen als Erbe ihrer Wirkungen. (P. Lange) . Eis. Da fals Jesus mit dem Wort: »Du sagst es« sich unumwunden für Gottes Sohn er- klärte und zugleich von einem Sitzen zur Rechten der Kraft und Kommen in den Wolken des Him- mels redete] zerriß der Hohepriester sum äußerlich seinen tiefen Unwillen über das, was er da habe hören müssen , auszudrücken L. Kön. 18, 37; Apostg 14, 14, während innerlich er sich freute, daß er mit seinem Kunstgriff V. 63 dem für den Hohenrath so peinlichen Verhör nun auf einmal ein Ende gemacht und ein Geständniß herbeigeführt habe, wie man es brauchtej seine Kleider fsein 400 Evangelium Matthiii M, 66—70. Obergeivand —— vom Halse abwärts, eine Spanne lang, so lautet wenigstens die Vorschrift der späteren Juden] und sprach: Er hat sdamit, daß er sich selbst zu Gottes Sohn gemacht Joh. 19, 7] Gott gelästert sals der ja seine Ehre keinem Andern lassen will Jef. 48, 11]; was bedürfen tvir weiter Zeug- niß sdieser todeswürdigen Schuld, aus die im Gesetz die Strafe der Steinigung gesetzt ist Z. Mos 24, 16., ihn zu überführenss Siehe, jetzt habt ihr seine Gotteslästerung sin dem, was er auf meine Eidesvorhaltung geantwortet hat] gehört. Eis. Was dünket Ruh? sgebet euer Votum ab, ob ihr derselben Meinung seid, wie ich] Sie antworteten seiner nach dem andern] und sprachen seiner wie der andere Mark. 14, 62]: Er ist des Todes schuldig skehrten sich also nicht an die her- kömmliche Ordnung des Rechtsverfahrens, wonach eine Verurtheilung erst am Tage nach der Unter- suchung und nicht schon unmittelbar, nachdem letztere geschehen, erfolgen durfte] M. Da sals Jesus so zum Tode verurtheilt und bis zur Vollziehung des Urtheils für rechtlos erklärt worden war] speieten sie sznnächst die Ge- richtsdieney die ihm nun wieder seine Bande an- legten — doch bethetligten sich wohl auch einige von den Mitgliedern des Hohenraths beim Weg- gehen aus dem Sitzungssaal an diesem scheinbar heiligen Eiferaktj ans in sein Angesicht sum ihn auf’s Tiefste zu vermehren] und schlngen ihn mit Fäusten sihre große Erbitterung an ihm auszulassens Etlithe aber sals man ihn nun aus dem Sitzungs- saal hinweggeführt und nach dem Hofe des Palastes gebracht hatte, wo er bis z.i der weiteren Sitzung Kap. 27, 1 ff. bewacht werden sollte] schlugen ihn stheils mit der fiachen Hand, theils mit Ruthen] in’s Angesicht snachdem sie es zuvor verdeckt hatten], 68. Und sprachen sin höhnischer Verspottung seiner Prophetenwürde]: Weisage uns, Christe [du, der du dich ja für Chr tm« ausgiebst und also müßtest weissagen können, wenn du das wirk- lich wärest], wer [von uns] ist-s, der dich schlug? sEr aber, statt irgendein Wort zu erwiedern, hielt seine Wangen dar denen, die ihn rauften, und verbarg sein Angesicht nicht vor Schmach und Speichel Jes. 50, 6., hatte doch unmittelbar vor- her dies heil. Angesicht mit einem bloßen Blick der Augen den Petrus von seinem tiefen Fall wieder aufgerichtet, daß er nüchtern wurde von des Teufels Strick V. 75]. Es war des jüdischen Hohenpriesters Werk, daß er das Passalamm untersuchte, ob es tadellos war (2.Mos. 12, 5): das hat Kaisphas gethan, er hat nichts auf Jesum bri en können. - bleibt noch das zweite hohepriesterliche Werk, übrig, daß nach dem Gesetz die Sünde des Volks auf das Lamm elegt wird, daniit das Lamm sie mit seinem Tode Use: anth das» thut Kalt-has nnd legt der Welt Sünde aus Jesum, indem er ihn als einen Gottesllisierer zum Tode verdammt; denn die Sünde des menschlichen Hochmuths, der sich erhebt über alles, was Gott und Gottesdienst heißt, niemand höher dient als fiel; selbst und seinen eigenen Willen zu Gottes Willen, seine Weisheit zur Allwissen- heit macht, ist die Haupt- und Grnndsiiiidq die kein einziges Gebot Gottes stehen läßt und aus der alle andern Sünden in der Welt fließen. Der Hohepriester inuß also hier dem Gesetze dienen, und weiß es selbst nicht; er glaubt seinen eigenen Willen zu thun, und er- fiillt damit nur Gottes Rath. Alles ist in dem Leidens- werke göttlich, und selbst die Vösewirhter thun, was Gottes heiliger Rathschluß von Ewigkeit verordnet hat. (Münkel.) Allerdings erkannten die Mitglieder des Hohenraths nicht klar, daß Jesus wirklich der Messtas Israel-s, der Sohn Gottes und der HErr der Herrlich- keit war (Luk. 19, 42; Apostg Z, 17; 1. Cor. Z, 8); die Gefangenschaft Christi selbst mochten sie für einen Beweis halten, daß er nicht der Messias , noch weniger der Sohn Gottes sei. Aber ihr unlauteres Herz war doch getroffen von dem Glanz seines göttlichen Wesens, und nur weil sie das Auge des Geistes verschlossen hat- ten, aus Furcht, zu viel zu erkennen und ihr siindliches Wesen lassen zu müssen, kamen sie nicht zur vollen Klar- heit; ihre Unwissenheit war daher selbsk ihre Schuld, und der furchtbare Fluch dieser Sünde war der, in dieser Blindheit Mörder des Heiligen Gottes zu werden. (Olshausen.) Das Ausspeien in’s Angesicht war das Zeichen der höchsten Verachtung; auf diese Entehrung stand eine Strafe von 400 Drachmen (ca. 100 Thlr. 2. Mos. 30, 13 Anm.), ja schon das Ausspeien vor jemand war eine Beleidigung. Als diese Entehrung dem gerechten Aristides in Athen angethan werden sollte, gab mit Mühe nur Einer, wie Seneka erzählt, sich dazu her. (Braune.l Jn dies Angesicht zu speien, in dies Angesicht zu schlagen, dieses Haupt und diesen Leib mit Faustschlägen zu mißhandeln, dieses Propheten Weissagung zu verhöhnen — haben das wirklich Men- schen, nach Gottes Bilde gemachh thun können? Leider Gottes, sie haben’s gethan, ste thun’s noch heute, Meu- schen — nicht blos nach Gottes Ebenbilde geschaffen, sondern auch gewaschen mit dem Blute der Versöhnung in der heil. Taufe, nicht zehn oder hundert wie damals, sondern zu Zehntausenden , zu Hunderttausenden — die Feinde des Kreuzes Christi, die Kinder der Bosheit und des Unglaubensl O welch eine Sündflnth von Schmach und Speicheh von Faustschlägen und Backenstreichen hat sieh je und je, zumal aber wieder in dieser letzten be- trübten Zeit ergossen, und ergießt sich in gottlosen Zei- tungen und Büchern alle Ta e über das Haupt unsers hochgelobten Heilands und it er seinen heil. Leib, feine Kirche und Gemeinde, über jeden entschiedenen Zeugen und Bekenner der christlichen Wahrheit! Es kann nicht anders fein, dieweil es einen Teufel giebt und dieweil der Jtinger nicht über seinem Meister sein soll. O daß wir nur immer um Gerechtigkeit und Wohlthat willen litten und duldeten — mit dir HErr Jesu, mit dir und um deinetwillen: wie selig wären wir dann! (Quistorp.) II. v. 69——-75. (§. ils-l In die Zeit der beiden ver— handlnngeiy deren wir in der Einleitung zum vorigen Abschnitt gedacht haben und die vou1——3-llhe.tk1ocgeni ihren Verlauf hatten, stillt die Gesihichte von der drei- iiialigen berlrugnung d» Petrus. derselbe war gleich bei der Jibsätirnng Iesu zu ihannas mit ringe- tketrn in den lioheprieilerliaien Palast nnd hatte siih zu den Knecht-u des geliebt-richten, die iin »Gut-kaum ein säohlenfeaer zum Instit; wider dir Kälte der Olarht an- gezündet, gesellt. hierher kommt auch, indem sie ihren Verurlheiliing Jesn zum Kreuzestode Jesus wird gemißhandelt und verhöhnt. 401 Posten aus einige Augenblicke verläßt, um dem Hofges finde die dieuiglirit mitzuarbeiten, daß ein paar Sänger Jesn mit da wären, diejenige Magd, die ihn vorhin auf des Johannes Fürsprache hereingelassem dteThiirl)i":trrin, nnd wird ihm zur ersten Versurheriw Jlls er dann szn der nämlichen Zeit, wo Jesus von Hannas zu Hai- vhas abgesfthrt wird und der Hahn znm ersten mal lirähet) seinen Standort im Hofe anfgiebt und an seinen Riirtizug ans dem Palaste denkt, tritt ihm gleich an dem inneren Chor, das anf den Hof führt, eine zweite versuiherin in der dort stalionirten andern Magd ent- gegen, welihe von der ersten im vorbeigehen aus thn aufmerksam gemacht worden ist, nnd er erliegt zum zweiten mal der ltlersnkhuug in schon sehlimmerer Weise. tlnn geht er wieder zum Hohlenfeuey denn bis zum Palast hinaus wagt er sich nieht mehr — die Thür- hijterin am Jtusgangsthoy seine lllerriithrrim könnt: ihn ja nrretiren lassen; anch den Hueihten muß er nothnials es ansreden, daß er ein Sänger Jesn sei, dann aber hat er eine Weile Ruhe. sinkt) Verlauf einer Stunde jedoeh, als nun der silroeeß seines HErrn drinnen vor dem Hohenrathe entschieden isi und die Geister der Hölle auch in den Hnekhten ans dem Hofe aufs Ueue rege werden, erhebt sich von daher die dritte Vermutung, und zwar so nndriugend nnd gewaltig, daß das aufs Keußersle bedrnngte Herz des armen Jüngers aufs Jlcrgsle seinen Meister verleugnet. ais ist jetzt die Zeit des zweiten Hahnschreies nnd alles erfüllt, was dem Petrus zuvor gesagt worden war. Jlber es ist jeht auch der Helfer da, der seine Hand reicht, daß Petrus auf dem llnglsiaismeer sticht untcrgehez denn eben wird der verurtheilte Jesus herausgefsihrh um von der Sehnnr, die ihn bewakheu soll und ihren Mnthusillen an ihm treiben darf, in Empfang genommen zu werden, nnd Jesus wirft ihm einen lzliak zu, der sein oerirrtes Herz zur Husze wendet. (.«niarli.14, 66 —72; Eule. W, 54 —- 62; Sah. 18, 15-—13 n. 25-—27.) 69. Petrus aber [den wir in V. 58 Jesn von ferne folgen und durch des Johannes Vermittelung bis in den Hof des hohepriesierliclzeit Palastes ge- langen sahen] saß [und stand abwechselnd, wie es seine innere Unruhe so mit sich brachte, während der Verhandlungen zuerst bei Hannas Joh. 18, 19 ff. und dann vor Kaiphas Matth 26, 59 ff] draußen im Palast [in dem, von den Sänlenhallen des Palastes umgebeuen Hofrauuijz nnd es trat zn ihm eine Magd [dieselbe Thiirhüterim von der vor- hin Johannes ihm diesErlaubniß zum Eintreten erivirkt hatte, die aber jetzt, nach Schließnng der Eingangspsorte, zu den Knechten im Hofe sich be- gab, um sich mit ihnen zu unterhalten] und sprach [indem sie sich ihn erst noch einmal bei Lichte be- sah und als den wieder erkannte, für den der ihr bekannte andere Jüriger Jesn sich verwendet]: Und du warest auch mit dem Jesn von Nazareth [den man als Gefangenen hier herein gebracht hat und dem es gewiß übel ergehen wird]. 70. Er leugnele aber lnachdem er zuerst ver- sucht hatte, die Rede der Magd nicht weiter zu beachten, doch in Folge ihres zudringlichen Wesens, womit sie immer von Neuem ihm zusetzte und die Aufmerksamkeit der Umsieheiiden wiederholt auf ihn richtete] vor ihnen allen [die schon anfingen, der Meinung der Verklägerin beiznstimmen] Und sprach: Jch tveiß nicht, Was du sagest [bin so wenig mit diesem Jesn von Nazareth bekannt, daß ich gar nicht begreifen kann, wie du zu der Behauptung kommst, ich sei seiner Jünger einer; laß mich also mit deinem Gerede in Ruhe]. - - Bei diesem überaus wichtigeu Abschnitt der Passions- geschichie können wir weder die mancherlei Schwierig- keiten, die da in Betracht kommen, erledigen, noch dem Leser eine klare Anschauung von dem Hergang im Ein- zelnen vermitteln, ohne im Folgenden eine ttbersichtliche Nebeneinanderstellung der vier, in den heil. Evaugelien uns vorliegenden Berichte vorauszuschickeiy an welche dann die Erörterungen sich leicht anschließen lassen. Mntth As. 57. Die aber Jesum gegriffen hatten, führeten ihn zu dem Hohenpriester Kaiphas dahin die Schristgelehrten und Aeltesten sich versammelt hatten. 58. Petrus aber folgete ihm nach von ferne, bis in den Palast des Hohn-Priesters, und ging hinein und setzte sieh bei die Knechte, auf daß er sähe, wo es hinaus wollte. 69. Petrus aber saß draußen im Palast; und es trat zu ihm eine Magd und sprach: Und du warest auch mit dem Jesn aus Galilam D äehse l ’d Bibelwort. Mark. 10. 53. Und sie führeten Jesum zu dem Hohenpriestey dahin zu- sammen kommen waren alle Hohepriester und Aeltesten und Schriftgelehrtein 54. Petrus aber folgete ihm nach von ferne, bis hinein in des Hohenpriesters Palast; und er war da und saß bei den Knechten und wärmete sich bei dem Licht. AS. Und Petrus war danieden im Palast; da kam des Hohen- priesters Mägde eine. 67. Und da sie sahe Petrum sich warmen, schauete sie ihn an und fprach: Und du tvarest auch mit dem Jesn von Nazareth. Luk. 22. 54. Sie griffen ihn aber, und führeten ihn und brachten ihn in des Hohenpriesters Haus. Petrus aber folgete von ferne. 55. Da zündeten sie ein Feuer an mitten im Palast, und setzten sich zusammen, und Petrus setzte sich unter sie. 56. Da sahe ihn eine Magd sitzen bei dem Licht, und sahe eben auf ihn und sprach zu ihm: Dieser war auch mit ihm. Joh. IS. 12. Die Schaar aber nnd der Oberhauptmann und die Diener der Juden nahmen Jesum und banden ihn, 13. Und fühketeii ihn aufs erste zu Hannasz der war Kai- phas Schwäher, welcher des Jahrg Hvherpriester war. 14. Es war aber Katz-has, der den Juden rieth, es wäre gut, daß Ein Mensch würde um- gebracht für das Volk. 15. Simon Petrus aber folgte Jesn nach, und ein an- derer Jüngeix Derselbige Junge: nsar dem Hohenpriestee bekannt, und ging mit Jesn hinein in des Hohenpriesters Palast. 16. Petrus aber stund dran« ßen vor der Thüre Da ging der andere Jüngeiz der dem Hohenpriester bekannt war, hin- aus, nnd redete mit der Thür- hüterin, und sührete Petrum hinein. I. 26 402 Mattlx 26. 70. Er leugnete aber vor ihnen allen und sprach: Jch weiß nicht, was du sagest. 71. Als er aber zur Thür hinaus ging, sahe ihn eine an- dere und sprach zu denen, die da waren: Dieser war auch mit dem Jesu von Nazareth. 72. Und er leugnete abermal und schwur dazu: Jch kenne des Menschen nicht. 73. Und über eine kleine Weile traten hinzu, die da stunden, und sprachen zu Petro: Wahrlich, du bis auch einer von denen; denn deine Sprache verräth dich. 74. Da hub er an sich zu verfluchen und zu schwören: Jch kenne des Menschen nicht. Und alsobald krahete der Hahn. 75. Da dachte Petrus an die Worte Jesu, da er zu ihin sagte: Ehe der Hahn krähen wird, wirst du mich drei Mal verleugnen. Und ging hinaus und weinete bittern-l» Evangelium Matthäi 26, 71. 72. Mark. 10. 68. Er leugnete aber und sprach: Jch kenne ihn nicht, weis; auch nicht, was du sagest. Und er ging hinaus in den Vorhof; und ver Hahn krahete. 69. Und die Magd sahe ihn und hub abermal an zu sagen denen, die dabei stunden: Dieser ist deren einer. « 70. Und er leugnete abermal. Und nach einer kleinen Weile sprachen abermal zu Petro, die dabei stunden: Wahrlich, du bist deren einer; denn du bist ein Galiläer, und deine Sprache lautet gleich also. 71. Er aber sing an, sich zu verfluchen und zu schwörenx Jrh kenne des Menschen nicht, von dem ihr saget. 72. Und der Hahn krähete zum andern Mal. Da gedachte Petrus an das Wort, das Jesus zu ihm sagte: Ehe der Hahn zwei Mal krähet, wirst du mich drei Mal verleugnen. Und er Luk. N. 57. Er aber verleugnete ihn · und sprach: Weib, ich kenne sein nicht. 58. Und über eine kleine Weile sah ihn ein Anderer und sprach: Du bist auch deren einer. Petrus aber sprach: Mensch, ich bin’s nicht. 59. Und über eine Weile, bei einer Stunde, bekrüftigte es ein anderer und sprach: Wahr- lich, dieser war auch mit ihm, denn er ist ein Galiläen 60. Petrus aber sprach: Mensch, ich weiß nicht, was du sagest. Und alsobald, da er noch redete, krähete der Hahn. 61. Und der HErr wandte sich, und sahe Petrum an. Und Petrus gedachte an des HErrn Wort, das er zu ihm gesagt hatte: Ehe denn der Hahn krähet, wirst du mich drei Mal verleugnen. 62. Und Petrus ging hinaus und weinete bitterlich Seh. 18. 17. Da sprach die Magd, die Thürhüterim zu Petro: Bist du nicht auch dieses Men- schen Jünger einer? Er sprach: Jch bin’s nicht. 18. Es stunden aber die Knechte und Diener, und hatten ein Kohlseuer gemacht, denn es war kalt, und wärmeren sich. Petrus aber stund bei ihnen und wärmete sich. 25. Simon Petrus aber stund und wärmete sich. Da sprachen sie zu ihm: Bist du nicht seiner Jimger einer? Er verleugnete aber und sprach: Jch hikks nicht. 26. Spricht des Hohen- priesters Knechte einer, ein Ge- sreundter deß, dem Petrus das Ohr abgehauen hatte: Sahe ich dich nicht im Garten bei ihm? 27. Da verleugnete Petrus abermal; und alsobald tråhete der Hahn. hub an zu weinen. Vor allen Dingen nun ist festzuhalten, daß bei den Verhandlungen vor dem geistlichen Gericht ein dreifacher Ort unterschieden werden muß: I) das vor- läufige Verhör bei Hannasq 2) die erste Sitzung des Hohenraths bei Kaiphas, mit der vorläufigen Ver- urtheilung Jesu abschließendz 3) die zweite Sitzung in der Morgenfjrühe zur end giltig en Verurtheiluiig und zur Ueberantwortnng an den römifchen Landpslegen Der eben angeführte 3te Akt wird von manchen Aus- legern nicht gehörig von dem vorangehenden 2ten unter- schieden und in feiner besonderen Bedeutung gewürdigt; man erkennt aber nicht die Uebereinstimmung in den Berichten der 4 Evangelistem wenn man nicht über diesen Punkt zur Klarheit gekommen. Während nämlich Jo- hannes sich hauptsächlich mit dem vorläufi en Ver- hör bei Hannas (I.Akt) zuschaffen macht (1 ,12—-23), auf die erfte Sitzung bei Kaiphas (2. Akt) nur mit den Worten (18, 24): »Und Hannas sandte ihn gebunden zu dem Hohepriester Kaiphas« überleitet, ohne weiter etwas, als die zweite und dritte Verlengnnng Petri von den Vorgängen bei dieser Verhandlung zu erwähnen, die zweite Sitzung aber (3. Akt) blos inittelbar andeutet (18, 28): ,,Da ftihreten sie Jesum von Kaiphas vor das RichthausN haben dagegen Matthäus und Markus es vornehmlich mit der ersten Sitzung des Hohen- raths (2. Akt) zu thun; die Verhandlung bei Hannas (1. Akt) übergehen sie ganz, und die zweite Sitzung (3. Akt) befchreiben sie nur kurz. Von diesen beiden Evangelisten unterscheidet sich St. Lukas in sofern, als er zwar von der ersten Sitzung bei Kaiphas (2. Akt) weiß (22, 54 f.) nnd auch die, auf die vorlänfige Ver- 1irtheilung folgende Verspottnng Jesu in einem Nach- trage erwähnt (22, 63—65), sein Hauptaugenmerk in- dessen auf die zweite Sitzung« in der Morgen- frühe (3. Akt) richtet, woraus es denn vollständig sich erklärt, warum bei ihm die Verleugnung Petri der Ver- urtheilung Jesu vorausgeht— er hat es eben nicht mit der vorläufigen, sondern mit der endgiltigen Verurtheilung (22, 66 fs.) zu thun. Was jedoch, so fragen wir jetzt, hat es mit dieser zweiten Sitzung des Hohenrathz von der wir bei St.- Matthäus hernach in Kap. 27, If. hören werden, für eine Vcwandtnißii War doch Jesus allbereits der Gotteslästerung nach der Meinung der Sanhedristen überwiesen und von ihnen zum Tode verurtheilt: warum haben sie ihn noch ein- mal inquirirt und noch einmal gerichtet? Die Frage erledigt sich sofort, wenn wir erwägen, daß die Gerichts: sitzung, die wir im vorigen Abschnitt behandelt haben, zwar bereits bis zur offiziellen Verurtheilung des HErrn geführt, aber nocb nicht alle Förmlichkeiten eines solchen Prozefses erfüllt, ja diese Förmlichkeiteii in mehr als einer Hinsicht verletzt hatte. Zunächst nämlich durfte das Shnedrinm über Kapitalverbrecheii nicht bei Nacht zu Gericht sitzen, und mußte schon deshalb noch eine Sitzung bei anbrechendem Tage erfolgen, welche die Ver- handlungen der vorigen wieder aufnahm; sodann aber durften die Verurtheilungen nicht in solcher« Eile voi- sich gehen, wie bei der ersten Sitzung geschehen war, Todesurtheile sollten tm Gegentheil nicht an einem und demselben Tage mit dem Verhör erfolgen, und da suchte man sich durch eine nochmalige Sitzung zu helfen, gleich als hätte die erste nur dem Verhör gegolten, während die zweite die Verurtheilung zu ihrer Hauptsache habe, obwohl beide doch immerhin auf einen nisd denselben Tag fielen; endlich bestimmte auch das römische Gesetz, daß vor Anbruch des Morgens kein Gerichtgfpruch Giltigkeit have, und das machte ebenfalls eine nochmalige Verhandlung nöthig. Daß tnan bei dieser zugleich fchlilssig werden mußte, in welcher Weise man die An- klage beim römifchen Landpfleger formuliren wolle, darauf deuten Matthäiis nnd Markus in ihrem Berichte hin. Wenn die zweite Gerichtssitzuiig bei den ersten 3 Evangelisten auf die Morgenzeit verlegt wird svrpmldcg öå yssouetkiitH EIMZOF In! rö sitz-tot; kös- syst-etc Futen-O, so können wir die im Grundtext dafür gebrauchten Ausdrücke nur von der Zeit der vierten Nachtwache (Kap. 14, 25), d. i. von 3—6 Uhr Morgens verstehen, und zwar gleich von der ersten Stunde dieser Morgen- wache («4—4Uhr); damit stimmt nicht nur, daß hernach das Todesurtheil um 6 Uhr früh von Pilatus bes Petri Verleugnnng. stätigt und Jesus um die 3te Stunde (nach jlidischer Rechnung, d. i. nm 9 Uhr Vormittags) gekreuzigt wird (Joh. l9, 14; Mark. l5, 25), sondern daß auch die dritte Nachtwache (12 Uhr Nachts — 3 Uhr Morgen-St, in welche das vorlänfige Verhör bei Hannas und die erste Gerichcssitgung bei Kaiphas fallen, in Mark. 13,35 der ,,Hahnetcschrei« heißt, denn um diese Zeit ereignete sich zugleich die dreiutalige Verleugnnng Petri mit dem zweimaligen Krähett des· Hahn-s. Der Talmttd behauptet, daß man zu Jerusalem keine Hühner gehalten habe; und allerdings, da diese Vögel, ihre Nahrung iut Kothe suchend, allerlei unreine Thiere auskratzen und so leicht die Opfer und andere geweihete Orte verunreinigen konnten, widerstrebte das Halten derselben dem levitischen Gesetz, und wir haben hier schwerlich an einen Hahn auf dem Hofe des hohepriesterlichen Palastes zu denken. Indessen lag ja dieser Palast, wie wir zu V. 58 gesehen haben, zwischen dem königlichen Palast auf der West- nnd der Burg Antonia auf der Ostseitex dort hatte der römifche Landpfleger seine Wohnung, hier die römifche Kriegsschaar ihr Quartier, und kam daher der Hahn- schrei entweder von der einen oder andern Seite, konnte aber in der Stille der Nacht auf dem Hofe des Hohen- priesters leicht gehört werden. Nun krähet der Hahn das erste Mal gegen 2 Uhr Morgens (da zunächst nur 2 Mal hintereinander), das zweite Mal eine Stunde später (da schon etwas öfters; wir hätten darnach die Vorgänge in— ihrer Reihenfolge uns etwa so zu denken: Ziemlich eine Stunde nach Mitternacht war Jesus in Gethsemane gefangen. genommen worden, und wurde zunächst zu dem vorläufigen Verhör bei Hannas abge- führt. Petrus, zu dem sich Johannes gesellte, folgte dem Zuge von ferne, konnte aber von sich selber nicht wagen, mit der Schaar auch in das Eingangsthor des hohepriesterlichen Palastes einzutreten, weil er hier sofort von der Thiirhiiteritt wtirde zurilckgewiesen worden sein; dagegen erhielt Johannes, der in naher Beziehung zu dem hohepriesterlichett Hause stand und ftir das Dienst- personal dort eine Respectsperson war, ohne Weiter-es Einlaß und verschaffte solchen mit seiner Ftirsprache bei der Thitrhttterin auch dem Petrus. Beide Jünger trennten sich nach ihrem Eintritt von einander: Johannes ver- möge seiner Bekanntschaft mit dem Hohepriester konnte sich etwas weiter« wagen, vielleicht bis in die unmittelbare Nähe der Gerichtshallh wogegen Petrus sich unter die Knechte im Hofe mischte, als wäre er einer Jhresgleichetu Ktthle Witterungsausbrliche ziehen sich, wie Tobler berichtet, in Jerusalem manchmal bis zum Mai hinaus; namentlich sind um die Osterzeit die Nächte oft noch recht kalt, im J. 1837 notirte v. Schubert für den 3 April nach Sonnenuntergang nur -t- 60 N. Das Anzünden eines Kohlenfeuers von Seiten der Knechte, welche wegen des Verhörs die ganze Nacht aufbleiben zu miissen in Aussicht hatten, erklärt sich von selbst und steht auch mit der gegenwärtigen Sitte der Landeseinwohner im Einklang. Es kommt nun in dem Bericht des Johannes darauf an, daß wir V. 17 nicht mit V. 16, sondern mit V. 18 verbinden: nicht alsbald beim Einlaß des Petrus richtet die Thiirhttteritt ihr Wort an ihn, wie jene erste Ver- bindung ergeben würde; in Gegenwart des andern Jüngers, den sie nicht bloßstellen darf, hält sie vielmehr noch an sich. Als aber die Verhandlung vor Hannas im Gange und die Eingangsthttr wieder verschlossen ist, begiebt sie sich zu dem Dienstpersonal im Hofe. Vor diesem den Petrus, den sie nicht umhin gekonnt einzu- lassen, in Verlegenheit zu bringen, zugleich aber bei ihren Standesgenossen sich wichtig und angenehm zu machen, faßt sie ihn mit dem Bewußtsein ihres Amtes scharf in’s Auge, nnd als wolle sie nachträglich noch eine Legitimation von ihm verlangen, spricht fie zu ihm: »Bist du nicht 403 auch dieses Menschen Jiinger einer?« indem sie mit dem Wörtlein »auch« zu erkennen giebt, worauf stch ihr Ver- dacht gritndex da der Andere, der dich hereingebrachh sein Jünger ist, wirst anch du wohl einer sein. Petrus nun will der Frage ausweichen; er thut, als ginge sie ihm nichts an. Da wird die Magd zudringlicher, und ihrer Sache durch das Verhalten des Angeredeten nur desto sicherer geworden, giebt sie’s ihm auf den Kopf schuld: »du wareft auch mit dem Jesu von Nazareth « und wendet sich zu den Knechtenx ,,dieser war auch mit ihm«. Jetzt muß Petrus reden; nicht zunächst seinen HErrn, als vielmehr sich selber will er verleugnen, wenn er fpricht: ,,Jch bin’s iticht (dieses Menschen Jting einer). Jch kenne ihn nicht (den Jesum von Nazareth, weiß auch nicht, was du sageft (wie du zu solcher Be- scbuldigttng wider mich kommst).« Verbinden wir also bei Johannes V. l7 in der Weise mit V. 18, daß V. 18 die Verhältnisse angiebt, unter denen das Gespräch in V. l7 erfolgte, so stimmt der Bericht des vierten Evan- gelisteu vollkommen mit dem der drei andern überein: gleich die erste Verleugnnng Petri erfolgte beim Kohlen- feuer mitten unter den Knechtenz sie erfolgte zu der Zeit, wo Jesus drinnen bei Hannas gefragt ward um seine Jünger und um seine Lehre, bei der Antwort aber, die er dem Hohepriester ertheilte, die Jünger ganz aus dem Spiele ließ, um sie nicht irgend welcher Gefahr auszu- setzen (Joh. l7, 12; 18, ·8). Es gefchah dies zwischen l u. «? Uhr Morgens. Eine kleine Weile mag Petrus noch bei dem Feuer stehen geblieben fein, eine gewisse Unbefangenheit affektirend; als aber jetzt, gegen Uhr, Jesus gebunden zu Kaiphas abgeführt wurde, in dessen Gebiet sich der Hoherath inzwischen versammelt hatte, und die Thtirhtiterin sich auf ihren Posten zuritckbegab, ging er ihr in der Llbsicht nach, sich aus dem hohepriei sterlichen Palast, der ihm so unheimlich geworden, wie- der zu entfernen. Bei der Bewegung, die in Folge jener Abftihrung Jesu unter den Knechten im Hofe ent- stand, mochte er erwarten, daß seine Entfernung fttr den Augenblick unbemerkt bleiben würde; doch er hatte sich getäuscht, er lief dem höllischen Jäger anf’s Neuein’s Garn. 71. Als er aber zur Thür hinaus. ging [im Begriff stand, nach dem auf die Straße führenden Vorhof zu gehen, wo die Thürhüterin ihn wieder zur Eingangsthür des Palastes heranslassen sollte, und auf diesem Wege zunächft an das, noch nach dem inneren Hofe zu gelegene Portal des Thor- ganges kam], sahe ihn eine andere thtagd [diejenige, welche bei diesem Portal stationirt und vorhin von der Thiirhüterin im Vorbeigehen schon darauf auf- merksam gemacht worden war, der Mann dort, der· ihr auf dem Fuße folge, sei gewiß der Jünger Jefu einer] und spkach [die Nenigkeit sogleich weiter tragend] zu denen, die da waren [in der unmittel- baren Niihe des Portals herum standen]: Dieser kdek hier kommt] war auch mit dem Jesu von Nazareth fund nun wendete sich alsbald einer von ihnen an den inzwischen herbeigekommettett Petrus mit dem Worte: Du bist anch deren einer]. 72. Und er leugnete abermal sohne daß er aus den Hahnschrei geachtet hätte, der unmittelbar vorher zum ersten Mal sich hatte vertiehinen lassen, und erwiderte dem, der ihm so ohne Weiteres auf den Kopf zusagte, was ihm in seiner gegenwärtigen Lage so peinlich war: Mensch, ich bitks nicht, was W« ev r· s—- 404 Evangelium Piatthäi 26, 73——75. 27, 1. du von mir denkstL und schwur dazu [um das Zeugniß der Magd vor den mehr und mehr ihn umringenden Männern wie mit Einem Schlage zu entkräften]: Jch kenne des Menschen nicht. Hierauf, weil er für jetzt den Rückzug aus dem Palaste aufgeben mußte, zugleich aber die Männer wollte lauben machen, daß er vielmehr zu den Leuten am Feuer: im Hofe dort gehöre, ging er dahin zurück; doch diese, die inzwischen seine Abwesenheit bemerkt hatten und ihn jetzt von Neuem in ihrem Kreise erblickten, kamen ihm alsbald mit der abermals unter ihnen rege gewordenen Frage entgegen: Bist du nicht seiner Jünger einer? Auch hier hielt er denn seine zweite Verleuguung aufrecht: Ich bin’s nicht! wie er das schon einmal vor denselben Männern betheuert hatte, und blieb nun eine Weile, so lange die Verhandlung bei Kaiphas dauerte (V. 59 ff.), unbehelligt. —- Nach der hier dargelegten Auffassung des Hergangs stimmen alle 4 Evangelisten in ihren Berichten überein; nur hat der eine diesen, der andere jenen Punkt bei der zweiten, auf zwei ver- schiedene Lokalitäten sich vertheilenden Verleugnung in’s Auge gefaßt und dabei solcher Ausdrücke stch bedient, wie sie auf dem Standpunkt seiner Erzählung die ent- sprechenden waren , woraus nun leicht der Schein ent- steht, als widerspräche einer dem andern. Am auffälligsten tritt uns da entgegen, daß, während Matthäus aus- drücklich von einer andern Magd redet, dagegen Markus die Magd schreibt; denn dadurch wird man ja sofort versucht zu glauben, er meine wieder die erste, von der er schon einmal erzählt hat, die Thürsteherim Jn diesem Sinne wird denn auch der bestimmte Artikel, den der zweite Evangelist dem Worte ,,Magd« vorgesetzt hat, von den meisten Auslegern um so mehr verstanden, als es zugleich von der dadurch näher bezeichneten Magd heißt: sie hub ,,abermal«« an zu sagen, und auch dies Wort auf das erste Sagen (Mark. 14, 67) zurückzu- weisen scheint. Jndessen müßte es dann zugleich von ihr heißen: »Und die Magd sahe ihn abermal«; da aber letzteres Wort hier fehlt, ist es ein Zeichen, daß es hier um eine andere Magd sich handelt, in deren Nähe Petrus erst jetzt kommt und die ihn darum, ehe sie ihre Aussage thut, zuvor ebenso in’s Auge faßt, wie die erste Magd das gethan hatte· Was nun aber das ,,abermal« bei den Worten: ,,sie hub an zu sagen« be- trifft, so fehlt das Wort in einigen Handschriftem in andern wird es nachgestellt: ,,sie hub an abermal zu sagen«. Letzteres ist denn auch der wirkliche Sinn des Satzes, welcher nichts anderes besagen will, als daß auch bei der zweiten Verleugnung eine Magd die Sache angeregt und den Petrus in die mißliche Lage versetzt ha e, daß man ihm so hart zusetztr. Nachdem Markus in V. 66 von des Hohenpriesters Mägden einer geredet hat, so hat er deutlich genug damit zu verstehen gegeben, daß er noch von einer andern wußte; diese andere führt er hier mit dem bestimmten Artikel: »die Magd« ein, weil es diejenige bestimmte Magd ist, deren Amt es war, den Eingang zu dem, vom inneren Hofe nach dem außerhalb des Palastes gelegenen Vorhof führenden Portal zu hüten, diejenige also, mit welcher Petrus es gerade an dieser Stelle, bis wohin er soeben gekommen, zu thun haben mußte, ehe er weiter nach dem Vorhof gehen konnte. Er ging aber in Folge dessen, daß er nicht unerkannt und unbehelligt hier vorbeikommen konnte, nicht weiter, sondern kehrte an seinen früheren Standort beim Kohlenfeuer zurück. 73. Und über eine kleine Weile [nach Verlauf von ungefähr einer Stunde, während welcher die erste Sitzung des Hohenraths stattsand, darin Jesus wegen seines guten Bekenntnisses 1. Tim. S, 13 von Kaiphas der Gotteslästerung beschuldigt und darauf hin von allen zum Tode verurtheilt wurde V. 59 ff., also am Ende der Zeit von 2—3 Uhr Morgens] traten hinzu, die da stunden [am Kohlen- fsuer im HofeL und sprachen zu Petro sdte schon zwei Mal V. 70 und Joh. 18, 25 von ihm zu- rückgewiesene Behauptung jetzt, wo ihr Herr, der Hohepriestew das Verwerfungsurthcil iiber seinen HErrn gesprochen hatte, desto nachdriicklicher wieder ausnehmeud]: Wahrlich [wie sehr du auch leugnen magsiL du bist auch einer von denen [die diesem Menschen als Jünger anhängen]; denn deine Sprache [dein Dialckt oder deine Mundart, in der wir dich reden hören] verriilh dich [daß du ein Galiltier bist Kap. 4, 25 Anm., was aber hätte ein solcher sonst hier zu suchen, wenn er nicht eben ein Jünger dieses Jesu von Nazareth wäre und sehen wollte, was für einen Ausgang sein Proeeß nehmen werde?]. 74. Da sals Petrus mit seiner abermaligen Versicherung: Jch bin? nicht! dies Mal gar nichts ausrichtete, vielmehr von den Knechten einer —- ein Gefreundter Deß, dem Petrus das Ohr abgehauen hatte V. 51 —- mit der Frage an ihn herantrat: Sahe ich dich nicht im Garten bei ihm?] hub er an s1ch zu verfluchen und zu schwören: Jch kenne des Menschen nicht koon dem ihr sagen. Und zusp- bald leben in dem Augenblick, als er so zum dritten Mal Jesum verleugnet hatte] kriihete der Hahn szum andern Mal; gleichzeitig aber wurde Jesus jetzt aus dem Gcrichtssaal nach dem Hofe abgeführt, um dort bis zu der weiteren Verhandlung in Kuh. 27, 1 f. überwacht zu werden V. 67]. 75. Da [indem der HErr auf diese Weise seinem Jitnger so nahe kam, daß er mit einem Blick seiner Augen ihn treffen konnte, mit einem Blick, der ihn auf einmal wieder zu sich selbst brachte und ihm auch die Ohren siir den Hahn- schrei öffnete, den er schon das vorige Mal V. 71 überhört und auch ietzt so gut wie nicht gehört hatte] dachte Petrus an die Worte Jesu, da er zu ihm sagte [V. 34]: Ehe der Hahn kzum zweiten Mal Mark. 14- 301 lrähen wird, wirst du niich drei Mal verleugnen. Und ging hinaus szur Thür V. 71 und in den Vorhof Mark. 14, 68 und von da hin- ans auf die Straße] und lveinete [dort, wo ihn von denen im Hofe drinnen niemand mehr sah] biitetlich. Wir lesen kein Wort davon, daß er jetzt noch ange- halten, gehindert oder gehemmt worden wäre. In der Größe seines Schtnerzes sah er keine Feinde mehr, kannte er keine Gefahr mehr, fttrchtete er keinen Tod mehr; er fühlte, daß er alle Feinde, alle Gefahren und den Tod selbst in seinem Herzen trug, und- ohne Rticksicht schritt er jetzt durch die Gruppe der Widersacher hin- durch. Und wenn auch der Umstand, daß jetzt die Ab- führung (richtiger: Mißhandlnng Lnk. 22, 68 sf.) das ganze Gesinde des hohepriesterlichen Palastes befchästi te, seinen Austritt nicht begünstigt hätte, Lo hätte doch er Anblick der großen Reue in diesem ge rocheneu Felsen- Petri Reue. manne wie ein Zeichen Gottes die profane Stimmung » des gemeinen Paufens brechen und dem Zerkiiirschten Bahr- inachen können. Petrus ging hinaus: er fühlte, daß hier mit einem gewöhnlichen Widerruf nichts ge- holfeii war. Er kannte niir Eine Satisfaction (Genug- thiiung), welche den Fluch dieser Schuld wenden konnte, und diese hatte sich ihm in dem Blicke, mit dem Christus ihn ansah, angekitndigt; er kannte niir Einen Weg, diese Satisfaction sich anzueignen, den Weg der tiefsten Beu- gung vor Gott, und dazu gehörte auch, daß er·d·ie Schande, ein Verleugner zu sein, bei den Mensikzen willig iiber sich ergehen ließ. Er ging hinaus in die Nacht, aber nicht in die Nacht der Verzweifelung wie Judas; bitterlich weinend ging er der Morgendäinmerung ent- gegen. Der Engel der Gnade geleitete ihn auf seinem schweren Wege in das Gericht des Geistes, das feinem alten Leben, besonders seinem alten Stolze deii Tod be- reiten sollte; und so ward es ihm bereitet, daß er in einem gan andern nnd viel heilsamern Sinne mit Christus in gen Tod gehen konnte, als er es gemeint hatte. Erst mußte sich seine Buße vollenden, mußte er den Frieden der Gnade und Versöhnung erlangen aus dem Munde Christi; dann erst konnte er die Satisfactioii seiner Verschuldung gegeii die Menschen leisten in einem großen Bekeniitniß, vor welchem das Aergerniß seiner IV« VTIFEPIEQZ Vkkktcktkikkkixk FgkåisiäeieaFiklsiß e u, an i , , » · der Sünden Schnierz heiße Thriinen fließen; blicke mich wie Petrum an, daß ich in mich schlage, daß ich mag gedenken drBk äindfckxvoliks nicht HerzaåBs f2zd täiich durch den o en a aus em a er in en, laß für meiner Sünden Schuld niich Erbarmniig finden, und nimm mich zu Gnaden auf; meinen Glauben stärke, daß mein ganzer Lebenslauf sei voll Tugeiidwerke Z. Dein Blut sei mein Lebenssaft und niein Trost im Lei- den, meiner Seelen Stärk nnd Kraft, so sterb ich mit Freuden; in der Stunde letzter Noth wollft du mein gedenken und ein selig End im Tod mir, o Jesn, schenken. (Lied zur Betglocle von V. L. Megander.) Das 27. Kapitel. Christi Leiden nor dem westlichen geruht, Jireuzigunxp mit Wundern betranerter Tod und Begräbnis. V. o. 1—10. (§. 119.) um die lekchisspkuiaiiiätektz welche bei dein vorhergehenden verfahren im hohes-rie- sterltkhen Palast in jeder Weise verletzt worden waren Gan. M, 70 Anni.), wenigstens dem Scheine nach zu retten, hält der ztjoherath nach Anbruih der vierten ilachtwache eine aliermalige Sitzung, in der das bereits ausgesprochene Todesnrthetl Tiber Iesum rechtskräftig gemacht und zugletch über die Art, wie man die Bestä- tigung des römischen Eaiidpflegers so rasch als inögtich bewirken könne, beschluß gefaßt wird, sind zwar in dem dafür bestimmten Raume der Tempelgebiiude Als Judas bei der Abfiihruiig Sesn zu Pilatus den blutigen Aus- gang vor Augen sieht, da erschriitit er ob der schreclis liiheii That, die er begangen; hinteuiiakh sieht sie nun ganz anders aus, als vorher, wo der Gewinn der Sünd: blendete. wie gern möchte er sie rfiktigäugig machen! aber er maß es erfahren, mit welchen herzlos schänd- lichen Menscher« er sich eingelassen. mit kalter ver— aaituug hdhneii sie ihn in seiner dloth und geben zur Antwort: »was gehet das uns an? da siehe du zul« nun, sie werden wohl zu ihrer Zeit aiikh zusehen müssen; sär jetzt aber handelt es sich iini den Verräther, der, 405 nachdem er den Siiiideiilohu in den Tempel geworfen, ein Ende nimmt mit Schreitien nnd mittelst der hohen— oriester iim das Blutgeld den stammt, Hatieldamm er- wirbt. (Ugl. rUatth is, I; Eule. 22, 66 —7t; Apoflg I, 18 n. 19.) I. Des Morgens aber sale die vierte, von 3 —- 6 Uhr reichende Nachtwache Mark. 13,35 Auen. herbeigekommen war] hielten alle Hohepriester und Aelteste des Volks [Kap. 2, 4 Anm.] einen Rath über Seinen, daß sie ihn zum Tode briichten sdas bereits beschlofsene Erkenntniß 26 , 66 auch zur Aus: führung brächten, wobei dann die frühere Verhand- lung der Hauptsache nach noch einmal aufgenommen wurde, Vgl. 26, 63 ff. mit Luk. 22, 66 ff.]. »Bei Gerichten auf Leben nnd Tod kann die los- sprechende Sentenz am Tage, wo das Gericht begonnen hat, ausgesprochen werden, die verdammende aber erst am folgenden Tage«, heißt es im Talmnd sautieiiinllCL Nun rechnete man, um die alte vorexilische Sitte, welche nur 3 Nachtwachen zählte (·2. Mof. 12, 2Anm.), wenig- stens im Ausdrucke festzuhalten, die vierte Nachtwache schon als Morgenzeit des folgenden Tages, und das griffen die Feinde Jesn hier auf, um die Zeit nach 3 Uhr als den andern Tag im Verhältniß zu der Zeit vor 3 Uhr zu behandeln; jetzt war es denn auch Mor- gen, so daß zugleich die römische Rechtspraxis gewahrt schien, wenn man das Todesnrtheih als wäre es iioch nicht gefällt, noch einmal aussprach und deshalb die Verhandlung, die zu diesem Urtheil führen sollte, wieder aufnahm. Ueber eine andere Vorschrift, wonach weder an einem Sabbath, noch an einem Fest jemand zum Tode verurtheilt werden sollte, setzten die Sanhedristen sich ohne Weiteres hinweg, nachdem sie einmal ihren früheren Beschluß: »ja nicht auf das Fest« (Kap.26,5) aufgegeben hatten; denn der Grund fitr diesen Beschluß: »auf daß nicht ein Aufruhr werde im Volk« trieb nun vielmehr dazu, die Sache bis zur Zeit des Morgen- opfers um 9 Uhr dergestalt zu beschleunigen, daß ein Aufruhr jetzt nicht mehr möglich war. Gefchah dann um diese Zeit die Vollstreckuiig des Todesurtheils durch die Römer, so konnten sie daneben dem Fest obliegen. »Sie hatten den Lästerer verurtheilt — ein heiliges Werk! und wenn sie nun sorgten, die Festopsermahlzeit nicht zu verscherzen und den Sabbath durch keine Leicheii schänden, so waren sie ja gar heilige Mannen« Daß die Vollftreckung des Urtheil-Z selber durch das Fest nicht gehindert wurde, haben wir zu 3.Mos. 24, 23 bemerkt. Uebrigens waren zu dieser vollsttindigen nnd feierlichen Sitzung auch Joseph von Arimathia und Nicodemus geladen; der erstere protestirte gegen den Beschluß, wie wir ans Luk. 23, 51 wissen, der andere dage en scheint sich fern gehalten zu· haben. Wenn Lukas (2 , 66)· sich in Beziehung auf diese Sitzung des Ausdrucks bedient: ,,sie führten Jefum hinauf vor ihren Rath«, so soll das ohne Zweifel andeuten, daß sie ihn in großem Aufzu e aus dem Palast des Hohenpriesters in das ordentli e Rathszimmer auf dem Tempelplatz führten; nach dem Talmud nämlich mußten die Todesstrafen im Gazith, dem Sitzungssaal beim Tempel (Kap. 4, 7 Anm.) ans»- gesprochen werden, dafitr aber bediente man sich, seit« dort keine Sitznngen mehr gehalten wurden, eines freien, von einer Mauer umschlossenen Raums im äußeren Vor- hof (vgl. Kuh. 4, 7 Anm. S. 37 Sp. I.). Hiernach wird er- klärlich, wie es kam, daß Judas hernach, von den Hohe- priesterii nnd Aeltesten höhnisch zurltckgewiefen, die wie- dergebrachten 30 Silberlinge in den Tempel warf (V.3f.): in seiner Verzweiflung drang er aus dem äußeren Vor- 406 Evangelium Matthäi 27, 2—5. hof (auf der Abbildung S. 34: A) durch die beiden «; inneren Vvrhöfe (B u. C) bis nach dem Heiligen des eigentlichen Tempelgebäudes vor, welches iiiir Priester betreten durften, wobei er in so früher Morgenstunde « nirgends angehalten wurde, nnd warf das Geld hinein zu einem Zeiigniß über diese Priesterschaft, die ihn zu der Blutthat verleitet hatte, ihr gleichsam vor die Füße, « als hätte sie allein die Verantwortung für den begangeneii « Freåiel zu übernehmen, da sie ihn nicht rückgängig machen wo e. 2. Und banden ihn [vom Neuen, da man « während der jetzigen, sowie der früheren beiden Verhandlungen vor Hannas und Kaiphas ihm die Fesseln abgenommen Joh 18, l2 f. 24], fühketeu ihn [aus jenem Raum, wo das Gericht gehalten worden war] hin snach der in der Nähe gelegenen Burg Antonia: Nr. 6 der Abbildung auf S. 34, vgl. Schlußbem zum l. Maceabäerb Nr. ll,d Ins] - und uderantworteten ihn dem Landpfleger Pontio Pilato [der schon bei Abordnung der Schaar Kap. 26, 47 in Anspruch genommen und nach Ausspruch des Urtheils 26, 66 in Kenntniß gesetzt worden war, daß man binnen etwa einer Stunde das Todes- urtheil ihm zur Bestätigung vorlegen würde]. Residenz und Hauptquartier des römischen Land- pflegers war für gewöhnlich, wie schon früher bemerkt ist, zu Cäfarea am Meer; während des Osterfestes aber residirte er in Jerusalem, um zu dieser Zeit, wo die Männer des ganzen Landes in der Stadt zufammen- strömten, mit der Ordnun auch die römische Macht aufrecht zu erhalten. In kirchlichen Fragen nun stand die Untersuchung der Sache und die Fällung des Todes- urtheils, wenn das Vergehen darnach angethan war, ohne Zweifel dem jüdischen Gerichtshof zu; als eine kirchliche Frage haben denn die Hohenpriester nnd Aeltesten die Angelegenheit mit Jesu zunächst dem Poiitius Pilatus dargestellt, indem sie-es mit einem zu thun hätten, der sich zum Messias erhoben, aber dabei zugleich durchblicken lassen, daß die Angelegenheit einen politifchen Anstrich habe, insofern das Volk auf Jesu Seite stehe und sich leicht könne verleiten lassen, ihn ziim Könige ausziirufen, wenn nicht alle Vorsichtsmaßregeln zur Verhütung eines Aufstaiids gebraucht würden. Da hat nun Pilatus die Sache einerseits dadurch mit in die Hand genommen, daß er ein Militair-Commando behufs der Gefangen- iiahme zur Verfügung des Hohenraths stellte, andrerseits aber die bisherigen Verhandlungen diesem allein über- lassen, ohne sich irgend zu betheiligenz beim Schlußakt dagegen, als es sich jetzt um die Vollstreckung des Todes«- urtheils handelte, mußte er felbstthätig und als oberster Richter perfönlich eintreten, iiicht nur weil man der Sache schoii einen politischen Anstrich gegeben hatte, sondern auch, weil, wie die jüdische Tradition berichtet, 40 Jahre vor Zerstörung des Tempels (also gerade im Todesjahr Christi) dem Synedisium die Macht genom- men war, ein Todesnrtheil zu vollstrecken Z. Da das sahe Judas, der ihn verrathen [und bei der Absührung aus dem hohepriesterlichen Palaste nach dem Sitzungsztmmer beim Tempel V. 1 sich mit bis in den äußeren Vorhof begeben] hatte [iveil da schon sein Geivissen anfing, ihm zu schlagen, er aber dasselbe einstweilen noch mit der Einrede beschwichtigen konnte, es werde doch zum Aeußersten nicht kommen, sondern die Hohenpriester und Aeltesteii würden wegen mangelnder Rechts: ; griiiidle widerdJesumfsich bgewötlzigßt sehkim dliye Sache i mit Um wie er au zeige en» a er wie ie nun: mehrtae Abflihrung zu Pilatus unter Geleit der Tämmllichen Mitglieder des Hohenrathes V. 2; Las. 23, I so deutlich zu erkennen gab, unter sirgend welchem scheinbaren Rechtsvorkiandc den auch der Landpfleger für giltig erkennen würde] «« verdammt war zum Tode, gereiiete es ihn sdaß er zu einem solchen Jnstizmord Apostg Z, 15· l3, 28 sollte die Hand geboten haben], und braihte het- wieder die dreißig Silberlinge den Hohenpriesteru und Aellesten sdie diese ihm nach Gelingen der Gefangennahme Joh.»l8, l? aiisbezahlt], chsxk Utålgcxsttgachs sindgm II; ihnen a]us der; Länge na ein i an in en eg trat: J ae - übel gethan, daß ich unschnldig Blut verrathen habe [und beschwöre euch um alles in der Welt, macht den ganzen Handel wieder rückgängig, sonst muß ich der Verzweiflung erliegens Z. Sie sprachen: Was gehet uns das an [was du von der Sache jetzt hältst, haben wir doch für den an uns Verkauften V. 9 dich richtig be- zahlt und ihn dann gerichtet nach dem Gesetz Jud. l9, 7]? Da [wenn dein Gewissen wegen des Verraths gegenwärtig dich quält und das em- pfangene Geld dir in den Händen brennt] siehe du zu [was du thun mögest, um beides los zu werden; wir können dir weder von den Anklagen deines Gewissens helfen, noch dein Geld wieder nehmen]. Und er seine Weile still stehend, bis der Zug an ihm vorüber war, und nun schnell zur Ausführung dringend, was die Verzweiflung ihm eingab] warf die Silberlinge in den Tempel [im Grundtext steht dasjenige Wort, welches das eigentliche Tempel- gebäude bezeichnet, so daß also nur das Heilige ge- meint sein kann, nicht aber einer der Vorhöfe], hub sich davon [von der Stätte des Heiligthumiz wo ihm gleichsam der Boden unter den Füßen brannte], ging hin snach dem Thal Hinnom im Süden von der Stadt l. Kiste l, 35 Anm.] und ethenkte sich selbst [der Sage nach an einem Weidenbaum, stürzte aber, indem der Ast brach oder der Strick-zerriß, in die Tiefe hinab und ist niitten entzwei geborsten, daß alle fein Eingeweide ausgeschtittet wurde Apostg l, l8]. ,,Merkioürdig ist, wie sich in dein Volke Israel die äußersten Gegensätze verbinden: das Unheiligsie ist ebenso wie das Heiligste aus seineni Schooße hervorgegangen, die höchste Treue, wie der schwärzeste Verrath.« In Betreff der Frage nun, aus welchem Grunde der HErr den Judas z1i seinem Apostel berief und dadurch jene furchtbare Stinde möglich machte, in die er stürzte, ist -die öfter gegebene Antwort, der HErr habe sich eben in feiner Wahl geirrt, entschieden abzuweisen: wie Jesus überhaupt wußte, was im Menschen war, so auch, was im Judas war, und sah bald anfangs voraus, das; er ihn verrathen würde (Joh. 2, 25z 6, 64. 70). Sollte nach den Weissagungen des alten Testament-S Christus Jesu Ucberantivortung an das weltliche Geiicht Des Judas schreckliches Ende. sterben, und zwar gerade in der Weise, wie er denn wirklich starb, uiid mußte da jemand sein, der ihn ver- rieth, so lastete einerseits auf Iesu eine gewisse Noth- weiidigkeih denjenigen unter die Zahl seiner Apostel aufzunehmen, der ihn von seinem himmlischen Vater gewissermaßen als künftiger Verräther zugeführt wurde, nach Herkunft wie Gemüthsanlage ganz darauf· angelegt, daß in ihm das weissagende Vorbild des Ahitophel in Erftillung ginge und er wiederum ein Vorbild des sei- nen Messias verwerfenden Judenvolks würde; wir haben zu Kap. 10, 4 gesehen, wie der HErr dieser Nothwendig- keit sich unterwarf und auch einer so schweren Pflicht des Gehorsains sich nicht weigerte. Aber andrerseits, so scheint es, lastete auch auf Judas eine gewisse·Noth- wendigkeit, das zu werden, was er hernach wirklich ge- worden, und man ist fast versucht von ihm zu sagen, er habe das Unglück gehabt, die Rolle spielen zu müssen, die in der Leidensgeschichte ihm zugefallen. Es ist das der sogen. Determinismus oder der Glaube an eine unvermeidliche Vorherbestimmun des Menschen auch in Beziehung auf sein Thnn und erhalten, gleichwie der Fsatalismus solche Vorherbestimmung in Beziehung auf das, was ein jeder erleidet und erfährt, annimmt. Bei- den Ansichten aber liegt entweder eine pantheistische oder eine deistische, naturalistische und materialistische Welt- anschauuiig zu Grunde; beide stehen im vollsten Gegen- satze zu dem christlichen Gedanken einer durch einen heil. Gott getragenen sittlichen Weltord1iung und heben zuletzt alle Schuld uiid Verantwortlichkeit des Menschen auf. Ihre Wirkungen muß man nicht aus einzelnen Erschep nungeii bei den noch unbewußt von dem sittlichen Geist des Volkes getragenen Menschen beurtheileii, sondern aus jenen Gestaltungem wo die pantheistische oder natu- ralistische Weltanschauung in die Massen gedrungen ist, wie in der Zeit der sranzös Schreckensherrschaft und in dem Auftreten des« neueren, fast durchweg von diesen Anschauungen getragenen demokratischen Uinsturzivesens. Gehen wir näher auf den hier uns vorliegenden Fall ein, so hat der HErr selber in Kap. 26, 24 einestheils die Nothwendigkeit seines Todes hervorgehoben, andern- theils aber auch erklärt, daß nichts desto weniger die volle Schuld des Verraths auf Judas laste; die Noth- wendigkeit des Vollendungsweges Christi nach dem rein objektiven Standpunkt hebt also die Freiheit des Willens für den subjektiven Standpunkt nicht auf. Dafür, daß die Freiheit des Menschen keine fcheinbare, keine im Grunde nur verborgene Naturnothwendigkeit sei, ver- bitrgt sich die Thatsache des Gewissens, das als Offen- barung der göttlichen Gerechtigkeit im menschlichen Ge- inüth kRöm. 2, 15) auch an Judas seine Macht geltend macht; Determinismus und Fataltsmus nehmen den äußeren Scheii1 für das Wesen der Sache selbst und hängen überall, wo man ihnen huldigt, mit einer·un- göttlichen Herzensrichtung zusammen, wie Augustinus sagt: si cor tuum non esset fatnum (wenn dein Herz nicht abgeschmackt wäre), non crederes Lfatum (so wür- dest du auch an kein Fatum oder Schicksal glauben). Eine Borherbestiminuiig zum Bösen kann es für den, der wahrhaft an einen lebendigen, heiligen Gott glaubt, nimmermehr geben. Allerdings ist das Verhältniß zwischen götilichem Wissen und Walten und inenschlichem Wählen und Wirken für unsre Erkenniniß ein« in Dunkel gehülltes Räthselz aber das fühlt der einfältig kindliche Sinn sofort, daß nicht Gottes Wissen und Wollendhne Weitere-s des Menschen Verhalten und fErgehen bestimmt und zu einer bloßen Naturnothwendigkeit herabdruckh sondern Gottes Wissen und Walten wkrd zuerst bestimmt durch des Menschen Wählen und Wirken, indem Gott unsre Gebete wie unsre Willensentschließuiigen voraus- sieht und bei seinen Rathschlüsfen und Voranssaguiigen 407 sozusagen sich darnach einrichtet. Und wenn dann nun, da einmal getroffene Rathschlüsse nnd ausgesprochene Weisfagungen bei Gottes Unträglichkeit und Unwandeb barkeit init Nothtveiidigkeit sich erfüllen müssen, diese Rathschlüfse und Weissagiingeu den Schein von etwas Deterministischem und Fatalistischem für uiiser logisches Denken annehmen, so treten sie doch in Wirklichkeit an keinen Menschen— mit zwingeiider Gewalt heran, vielmehr steht dem Menschen das Bewußtsein seiner Wahlfreiheit so» vollständig in dem Vordergrund seiner Seele, daß wir z. B. den Simon Petrus in Kap. 26, 33 u. 35 das gerade Gegentheil von dem versichern hören, was ihm von Jesu fchon mehrmals bezeugt worden ist; es liegt sogar eine große Seele1igefahr darin, daß wir ein zu starkes Bewußtsein von unsrer Wahlfreiheit in uns tragen und zu wenig bedenken, daß diese nur auf be- stimmte Momente sich erstreckt, alsbald aber von den: göttlichen Wollen und Walten überwacht wird, sowie sie ihre Entscheidung getroffen hat. Daher kommt das Spielen mit der Sünde; und dieses Spiel hat Judas bis auf’s Aeußerste fortgesetzt, bis zum Erbieten des Verraths, bis zum Versprechen und Sichverkaufen, bis zum Verräthersgang und Verrätherskuß Was er sich dabei gedacht haben mag, brauchen wir nicht in’s Ein—- zelne zu verfolgen; auf dem langen Wege vom ersten Entschluß zur That bis zur vollständigen Ausrichtung desselben (Kap. 26, 13 Anm.) hat er jedenfalls iiur an Eins gedacht, wie er möge feinem gekränkten Ehrgeiz und seinem getäuschten Geldgeiz die vermeintliche Ge- nugthuung verschaffen, über Jesu Schicksal aber sich gar keine Gedanken gemacht, so daß die Ansichten der Aus- leger, als habe er den Meister nöthigen wollen, sich rasch zum Könige zu inachen, nnd also in seinem Sinne es eigentliihmit Jesii gutgemeint, oder als habe er vor- ausgesetzt, der mächtige Prophet von Thaten und Worten werde fchon durch ein Wunder sich zu helfen wissen, ganz unntitze Zuthat und eine bloße Erfindung der eigenen Einbildungskraft find. Dagegen unmittelbar« von dem Augenblicke an, wo Jesus, der Mann von Gott, als den er ihn wohl erkannt hatte, in den Händen der Hohenpriester und Schriftgelehrten und der Lohn der Ungerechtigkeit mit den 30 Silberlingeii in. seiner Tasche war, da grinzte die Sünde, die ihm bis dahin ein so reizendes, lockendes Angesicht gezeigt hatte, mit schmiß- licher Miene ihm entgegen, und ihn selber ekelte jetzt sein Werk an. Wir halten es für keinen zutreffenden Aus« druck, wenn man in Beziehung auf die Reue des Judas in der Regel sagt, er habe iiur die Folgen seiner That bereut, nicht diese That selber in ihrer ganzen Abscheulichkeit erkannt und gehaßt; denken wir uns die Möglichkeit, es hätte jetzt noch in der Wahlfreiheit des Verräthers gelegen, die Slinde zu begehen oder nicht, gewiß! er hätte jetzt sie nicht gethan, selbst wenn der Verrätherslohn ein doppelter oder dreifacher gewesen wäre. Aber darauf kommt es in solchen entscheidenden Augenblicken an, wo ein Mensch nun siehet, was er eigent- lich gethan hat, und wie ein Grauen vor seiner Sttnde so einen Abscheu vor ihm selber, dem Sünder, empfindet, ob er da noch das Vermögen hat, stch im Glauben aii Gott zu wenden und bei ihm wie Vergebung seiner Sünde so Heilung seiner Gebrechen zu suchen; hat er noch dieses Vermögen und entschließt er sich zur Umkehr zu Gott, indem er zugleich allen Bedingungen der Ver- gebuiig und alleii Mitteln und Wegen zur Heilung sich demüthig uiid ergebungsvoll unterwirft, so ist er gerettet und seine Traurigkeit ist jene göttliche, die zur Seligkeit wirket eine Reue, die niemand gereuet (1. Cur. 7, l()). Dagegen ist die Traurigkeit der Welt diejenige Reue, die ohne Buße und Glauben ist, der der Zug zu Gott und die Hoffnung ans sein Wort fehlt; da denkt der. 408 Evangelium Matthäi 27, 6—l0. Mensch blos daran, die Folgen seiner Sünde abzu- wenden uud sich vor ihm selber und in den Augen An- derer wieder Achtung zu verschaffen, und wenn nun beides nicht geht, erfaßt ihn Verzweiflung, daß er sein Dasein zu vernichten sucht, um, wie er meint, es nicht mehr mitansehen und durchkosten zu müssen, was er mit seiner Sünde angerichtet hat. Diesen Weg der Kinder dieser Welt sehen wir denn den Judas gehen: mit dem Wiederbriugen des Geldes will er sich rehabilitiren, daß er nicht mehr der Verräther heiße, mit dem Bekenntniß der Unschuld Jesu aber die Folge des Verraths von seinem Meister abwenden; wäre ihm beides gelungen, er würde fortan ebenso wenig ein Feind wie ein Jünger Jesu gewesen sein, vielmehr würde er verfncht haben, auf eigene Hand sein Leben weiter zu führen, aber den Tod, den die Traurigkeit der Welt wirket, hätte er doch im Herzen getragen. Nun ist ihm nicht gelungen, was er wollte, konnte auch nicht gelingen; da erfaßt ihn die Wuth der Verzweifelung, und nachdem er seine Wuth an den Hohenprieftern damit ausgelassen, daß er ihnen das Geld in den Tempel wirft, wo man es in wenigen Stunden bei Gelegenheit des Morgenopfers schon finden wird und sich selbst erklären, was es da bedeuten foll, folgt er den Eingebungen der Verzweifelung und macht seinem Leben ein Ende. ,,Jesus kannte den Judas von Anfang an, daß er ein Teufel sei und ihn verrathen würde; er kannte ihn wohl und wählte ihn doch in die Zahl der Zwölfe — gewiß nicht, um ihm die Gelegen- heit zn seiner schweren Sünde zu verschaffen, sondern weil gerade in dem hohen Berufe, zu welchem er alle Fähigkeiten besaß, und in der Getneinschaft mit Jesu die großen Mittel lagen, ihn vom ewigen Verderben zu erretten; er wählte ihn zum Apostel mit derjenigen Sicherheit und Weisheit, mit welcher die göttliche Vor- sehung einem jeden Menschen denjenigen Beruf und die- jenige Lebensstellung anweist, welche für ihn die ver- fuchlichsten sind, in denen er sich am meisten bewähren kann, zugleich aber auch diejenigen, welche zu seiner Be- währung die meisten nnd kräftigsten Hilfsmittel bieten. Judas ist ein Teufel: er wäre ein Engel geworden, wenn man so sagen darf ohne Mißverftand, im Fall er nämlich des Bösen err geworden wäre, das in ihm war. Judas ist ewig verloren; aber er hätte nach sei- nen Gaben auch können zur Rechten des HErrn die erste Stelle finden und der erste und größte Apostel werden. (Löhe.) Jn Betress der Wahl der Zwölfe müssen wir annehmen, daß das sorschende Auge des Erru in der Masse seines Volks sich diejenigen ausersie t, in welchen er nach Natur und Charakter solche Züge erkennt, welche das israelitische Volkswesen nach irgend einer Seite in eminenter Weise ausprägen, welche er demnächst durch seinen belebenden Gottesgeist zu einer neuen Kraft feines Willens und Wortes Eciligen kann. Für die Richtigkeit dieser Annahme, die ii rigeus ihren ausreichenden Grund in sich selber und in der biblischen Analogie hat, können wir uns außerdem auf den Erfolg berufen: dieselbe Wirkung, welche Jesus in Jsrael hervorbringt, wird auch durch das Apoftolat ausgeführt. Jesus , weil er das wahre und göttliche Jsrael ist, bringt es unter sei- nem Volk zu einer reinen und vollständigen Entscheidung und Scheidung zwischen dem Göttlichen nnd Ungöttlichen in Israel; dieselbe Entscheidung und Scheidung erfolgt als Wirkung der apoftolischen Thätigkeit, dies ist nur dadurch möglich, daß die Apostel durch den Geist Jesu das geworden sind, was Jesus von Anfang her ist, nämlich das wahre Jsrael Gottes (Gal. S, 16). So muß denn auch in Judas eine besonders hervorragende Anlage gewesen sein; diese Anlage ist denn sehr wohl zu erkennen, wenn wir nur nicht blos auf das Acht geben, was die heil. Schrift erzählt, sondern auch auf das, was sie verschweigt Wir wissen nämlich, daß Judas sehr bald nach feiner Erwählnng den finsteren Weg des Verderbens einschlug (Joh. 6, 70); wenn Johannes hernach (12, S) ihn als Dieb bezeichnet, so will er offen- bar nicht eine einmalige Untreue rügen, sondern eine sortgehende. Diese seine Untreue aber weiß er so ge- schickt zu betreiben, daß sie nie offenbar wird; seine Haushaltung ist immer wohl besorgt, und wenn die Jünger sagen (Luk. 22, 35), sie hätten nie Mangel ge- litten, so gebührt dafür allerdings dem Hansvater das vornehmste Lob, aber das zweite Lob kommt ohne Zweifel dem Hausl)alter zu. Dann müssen wir be- denken, daß die Jttnger allefammt praktifche Männer waren und keine Stubengelehrtem sie haben aber nie etwas von Judas’ Untreue entdeckt, augenscheinlich haben sie erst, nachdem die Bosheit des Verräthers an den Tag gekommen, genauere Nachforschuiigen angestellt und find so hinterher seinen geheimen Schlichen und Kunst- grifsen auf die Spur gekommen. Und obwohl wir vor- aussehen dürfen , daß Jesus diese Nachtseite seines Wesens durchschaute, so hat er ihn doch nie auf der That ertappen können; denn wäre solches geschehen, so würden wir darüber ohne Zweifel Kunde haben, schon aus dem Grunde, weil eine solche Euthüllung unfehlbar das Verhältniß ausgelöst haben würde. Judas weiß also seine Untreue in den Schein einer geschickten und geordneten Haushaltung zu kleiden. Nun mache man sich klar, wie es in dem Gewissen eines solchen Diebes, der alle Tage vom Tische Jesu sein Brod ißt, ausge- fehen haben muß! Welch eine ungeheure Kraft von Ueberlegung und Selbstbeherrschung gehört dazu, iu der Nähe und Gegenwart des Heiligen, der da wußte, was im Menschen war, die sortgehende Untreue mit solcher Kunst zu verdecken! Aber das ist noch lange nicht alles, was wir aus dem Schweigen der heil. Schrift über Judas lernen. Der Umgang und Verkehr Jesu mit seinen Jüngern ist ein so belebter und geistig bewegter, wie er seinesgleichen nicht hat; wir sehen das am deut- lichsten darin, daß die Jünger mit ihren Thorheiten und Verkehrtheiten gelegentlich an den Tag kommen, so daß Jesus sie dann fassen, nnterweisen und erziehen kann, und gerade die Hervorragendsten in dem Jünger- kreise, Petrus, Johannes und Jakobus, sehen sich auf diese Weise am häufigsten der schärfsten Rüge des HErrn aus. Judas hat sich immer zu hüten gewußt, den Tadel Jesu auf sich zu ziehen; nur ein einziges Mal (Kap. 26, 8 ff.; Joh. 12, 7 s.) kann ihn Jesus fassen, aber auch hier hat er es so geschickt gemacht, daß er alle Uebrigen auf seiner Seite hat, und außerdem seinen eigentlichen Sinn so verkleidet, daß Jesus ihn nur iu- direkt treffen kann. Wir können uns nicht denken, daß Judas diese Tadellofigkeit etwa dadurch erreicht hat, daß er sich alles Redens und andelns enthält, um sich nicht zu verrathen: ein sol es Verhalten wäre den Mitaposteln, die wir uns in aller Weise als nüchterne Menschen denken müssen, verdächtig geworden, während wir doch wissen, daß dieselben den Judas auch dann noch, als der HErr ihn schon als Verräther bezeichnet nnd hinausgewiesen hatte, als·einen correcten Jünger ansehen (Joh. 13, 27 sf.) und ihnen erst da die Augen aufgegangen sind, als sie den Verräther an der Spitze der feiudlichen Schaar erblicken. Eine gewisse Enthalt- samkeit im Reden und Handeln müssen wir allerdings bei Judas annehmen; aber diese macht in den Augen der Jünger durchaus keinen verdächtigen Eindruck, sie trägt durchaus den Schein der Befonnenheit, Nüchtern- heit und Fettigkeit. Und hier offenbart sich die Natur- gabe des Judas zugleich auf das Glänzeudste und ans das Schrecklichste Keiner unter den Zwölfen hat sich so rasch nnd so sicher in den Gedankenkreis Jesu und Anlauf eines Begräbnißplatzes fiir Pilger mit dem Blutgelde des Judas. 409 namentlich in feine Forderungen an das Apostelamt hineinzuversetzen gewußt wie Judas; ohne Zweifel hat er das Thdrichte und Unbedachte m manchen Reden der Jiinger sofort durchschaut und bedurfte dazu nicht erst der riigenden Bemerkungen Jesu, die auf solche Reden folgten, denn nur durch eine so eminente Verstandes- überlegenheih der ein entfchlossener und ausgebildeter Wille zur Seite ging, wurde es ihm möglich, bei dem Brandmal im Gewissen in der Nähe feines Meisters und seiner Mitapostel eine solche Correctheit seines Ver- haltens herstellig zu machen, daß er jedem direkten Tadel unzugänglich blieb. Der HErr brauchte eben in seiner Zahl auch einen, in welchem das Denkvermögen in einem eminenten Grade angelegt und ausgebildet ist, um die Repräsentation des israelitischen Wesens voll- ständig zu haben: wer die israelitische Geschichte kennt, wird einräumen müssen, daß in diesem— Volke ein sehr gesuiides Denkvermögen herrscht, ja wir brauchen nur in die gegenwärtigen Trümmer dieses Volkes hineinzu- sehen, um uns zu überzeugen, daß der Verstand unter den Juden eine große Rolle spielt. Natiirlich war es diese Naturgabe in Judas nicht allein , was die Wahl des HErrn bestimmte; denn er hat keinen erwählt, der nicht von ihm angezogen wurde und sich ihm nicht mit seiner inneren Selbstbestimmung zuwandte. Dies haben wir natiirlich auch bei Judas vorauszusetzen: sein scharfer Verstandesblick wird überwältigt von der Klar- heit und Größe der Gedanken in den Reden und Thaten Jesu, und wir müssen annehmen, daß dieser erste Ein- druck sich auch später wiederholte, bis er in immer lei- seren Schwingungen von »der feindlichen Gewalt des Wider-willens und Hasses endlich gänzlich vernichtet wurde. Die Gefährlichkeit dieses großen Charakters entging Jesu nicht von allem Anfang an; aber in der höheren Erkenntniß dieser repräsentativeii Natur, welche ihm unter dem bestimmten Eindruck der Zuwendung entgegentrat, wagte er die Erwählung —- war doch auch bei allen Uebrigen ein Versuch, der nur dadurch Sichers heit hatte, weil Jesus entschlossen war, dem ersten und letzten Feinde der Menschheit (Luk. 22, 31 f.) Trotz zu bieten. (Baumgarten.) s. Aber die Hohenpriester nahmen die Silber- linge [als sie dieselben etwa 5 Stunden später im Tempel vorfandensutib sprachen: Es taugt [nach Maßgabe der Vorschrift in 5. Mos. 23, 18] nicht, daß wir sie in den Gotteskasteii sals eine Opfer- gabe für den HErrnJ legen, denn es ist Blutgeld«- [der Preis für das Blut eines Menschen, den wir getödtet haben]. 7. Sie hielten aber einen Rath swie sie das Geld am beqnemsten verwenden möchten, um sich hernach noch sagen zu können, sie hätten ein gut Werk damit gethan], und kausten einen Töpfersacker sanf der nämlichen Stelle, wo Judas ein Ende genommen mit Schrecken Kap. 21, 11 Anm.] darum, zum Begrabniß der Pilger-«« sauswärtiger Juden, die bei ihrer Anwesenheit zu Jerusalem sterben würden, ohne daselbst Angehörige und ein eigenes Familienbegräbniß zu besitzem so daß man doch nun einen Platz hätte, wo, man dergleichen Verstorbene unterbringen könnte]. 8. Daher lvon dem Blutgeld, um welches er gekauft worden] ist derselbe Acker genannt [in hebräischer Sprache: Hakeldama Apostg. I, 19., auf deutsch:] der Blutackerttt bis auf den heutigen Tag [wo der Eoangelist etwa 15 Jahr später, dies erzählt]. « S Hd Verdammte Hxuchler,ddie, gilit gtrobez unif- lgroßen tin en spie en un in em ein en orgat zum Schein beweisen! Wieviel sind derer, welche ihre Hände wascheiy da ihr Herz voller Unflath ist: Spr. 30,»12! (Hedinger.) — VI) DadJudasy der ållliaiårisvotjitsigaristlh in Jerusalem ein Frem er un nur a s etga ort in gekommen war, so war Er es, der diese neue Begräb- Iiißstätte schauergickk genuse einweålzsltex gahejrchsich Siliznilkso eichter erklärt, a der ame , uta er« i im o s- mu1id fiir sie sixirte (Ebrard.)« Christus hat das Grab- geld zu unserm Begräbniß hergegeben und uns Pilgern, die wir hier nichts Eigenes haben, eine Ruhestätte er- »kauft, da wir sicher, bis er uns wieder ruft, ruhen können: Ossenlx t4, is. (Tiib. Bib.) — DER) An der steilen selsigen Nordseite des Berges des bösen Raths, zwischen armseligeu Oelbäumem liegt Hakeldama, der Blutacker, wo der unselige Judas sich erhing und wo in der Folge die Fremdlinge begraben wurden. (van de Beide) Er ist etwa 90 Fuß lang und halb so breit; hier werden noch jetzt die Pilgrime, mit Ausnahme der Lateiner, begraben. Die Hälfte des Ackers nimmt ein 30« hohes Beinhaus ein, in welches man die nackten Leichname durch 5 oben angebrachte Oefsnungen hinab- läßt. (v. Raumer.) s. Da ist ersiillet, das gesagt ist durch den Propheten Jeremias, da er [in Sach. 11, 12 f.]. spricht: Sie haben genommen dreißig Silberlingky damit bezahlet ward der Verkanfte, welchen sie kausten von den Kindern Israel; » 10. Und haben sie gegeben um einen Topsers- quer, als mir der HErr befohlen hat. Beachtenswerth ist, daß Matthäus hier den Propheten gegen seine sonstige Gewohnheit mit Namen bezeichiietz und zwar den Jeremias angiebt, während die sofort, wenn auch in freier Benutzung angeführten» Worte sich bei Sacharja finden. Es ist dies nicht ein einfacher Ge- dächtnißfehler des Evangelisten (wie auch·Luther anzu- nehmen geneigt war), sondern nach Analogie von Mark. 1, 2 f. zu erklären, wo (nach der ursprünglichen Lesart: »in dem Propheten Jesaias«) Jesaias genannt, aber' zu- vörderst eine Weissagiing aus Maleachn angeführt »und mit der Stelle Jes. 40, 2 verbunden· wird. Jn ähn- licher und höchst bedeutsamer Weise sind in unsrer Stelle zwei Weissagungen verbunden: Jerem. Its, Z. 10—)3 und Sach. U, 13., und zwar so, daß die erstere als Grundlage ftir die Anführung der andern dient. Es kommt nämlich dem Matthäus vor allem darauf an hervorzuheben, daß von den Vertretern des Volks Jsrael der Töpfersacker (im Grundtext steht V. 7 der be- stimmte Artikel, nicht unbestimmt, wie Lutherübersetzt hat: ein Töpfersacker), kein andrer Ort, als dieser, fitr den Preis des Verraths an Jesu erworben worden ·sei; dieser Töpsersacker ist aber eben durch Jer. 19 zu einer verhängnißvollen Gedenkstätte gemacht worden — er ist eine Thongrube vor dem Ziegelthor, welches von ihm so genannt wird, und lag im Thal Ben-Hinnom, der- selben Stätte, an welcher nach Irr. 7, 31; L. Chron. 33, s; 2. Kön. 23, 10 die größten Greuel von den Königen Juda getrieben worden waren. Dort muß Ieremia auf den Befehl des Errn im Beisein» von Aeltesten des Volks und der Priester einen« vor ihren Augen gekanften irdenen Krug zerbrechen mit der Ver- kündigung , so wie dieser Krug werde Volk und Stadt zerbrochen und selbst der Greuelstätte, aus welcher sie 410 Evangelium Matthäi 27, II. gefijndigt haben, gleich gemacht werden. Als ein Symbol und Unterpfand des angekttndigten Gerichts lagen dort, wo dem Moloch die Kinder verbrannt worden waren, nun auch die Scherben des zerschmetterten Kruges, ein Bzahrzeichem welches durch Nebucadnezar bald erfltllt wurde. Seitdem ist das Volk Israel zwar zurtickgekehrt aus der babylonischen Gefangenschafh aber nicht dauernd gebessert; vielmehr begeht es eben jetzt den größten Frevel, es verräth und verwirft den HErrn, seinen Hei« land und Erlöfen Dadurch aber wird die von Jeremias ausgesprochene Drohung wieder neu, und von Gott wird es so gefügt, daß der Preis des Verrathes Iefu als das sprechendsie Zengniß iiber den himmelschreienden Undank seines Volkes auf eben jene Stätte gleichsam deponirt wird, auf der einst Ierem. als Wahrzeichen des Gerichts den Krug zerbrochen hatte, indem die Hohenpriester um die 30 Silberlinge des I11das jenen Töpfersacker kaufen, der durch Ierem. schon gekennzeichnet ist. Zu dem Pfande der früheren Schuld, welche nicht ungeroehen geblieben, sondern mit der ersten Zerstörung Jerusalems heimgesncht worden war, kommt jetzt das Pfand der neuen rbßereti Schuld, ein Vorzeichen des neuen größeren erichts· Dies ist ftir Matthäus die Bedeutung des Töpfersackersz gekauft haben ihn die Obersten Und Vertreter des Volks mit dem Geld des Judas, aber unwissend handelten sie darin nach Gottes Leitung, und den Schlüssel des Verständnisses giebt eben Ieremias, den deßwegen Matthäns anfiihrn Die angeführten Worte des Sacharja beziehen sich nun aus die Art der Erwerbung jenes Töpfersackers. Dreißig Silberlinge ist die Summe, mit welchem in dem prophenGesicht des Sacharja das Volk Israel die bis dahin erfahrene Obhut seines guten Hirten lohnt: so hoch, oder vielmehr so niedrig schlägt es den Werth seines Dienstes an. Nicht ohne göttliche Leitung ist es geschehen, daß genau mit derselben Summe der Ver- räther bezahlt, der gute Hirte-Israels· gleichsam zu diesem Preis gewerthet Und dem Verräther abgekauft ward. Daß diese sehnöde Summe ein verwersliches Siindengeld, ein Zeugnis; schmählichen Undanks ist, wird Sach. 11, 13 gesagt und dem Propheten geboten, es dem Töpfer hinzutoerfen, d. h. nach dem dortigen Sinn und Zusammenhang, es in die Grube zu werfen, aus der der Töpfer seinen Lehm holt, es als ein ver- äthtliches Ding gleichsam in den Koth zu werfen, an den unwerthen, verachteten Ort, der dem Töpfer den ioerthlosen Stoff zu feiner Arbeit liefert. »Und ich warf es in das Haus des HErrn zum Töpfer«, sagt Sa- charja; er drtickt damit aus, daß das Haus des HErrn selbst von ihm der Lehmgrube gleich geachtet wird, so daß er dem Auftrag: ,,wirf es hin zum Töpfer«, dem geistlichen Sinne nach vollkommen entspricht, indem er es in den Tempel wirft, denn dieser ist unter dem siindigen Volk und dessen Schuld an Werthlosigkeit und Unreinigkeit selbst zur Thongrube geworden. Dies die Stelle des Sacharja, die Matthäus nur frei benutzt, indem er l) sagt: ,,sie nahmen die 30 Silberlinge« und nachher: ,,sie gaben sie um den Töpfersacker«, womit er das, was nach Sacharja dem Propheten zu thun eheißen wird, als durch die Vertreter des» Volks gescheblen nachweist und zugleich den Ausdruck bei Sach. »zum Töpfer« in Beziehung bringt mit Ier. 19 und bezeugt, daß er durch den Anlauf des Töpfersackers erftillt worden sei, durch welchen das Geld buchstäblich zum Töpfer kam; sodann, indem er Z) die 30 Silber- linge des Sacharja dem Verrätherlohn fltr den Judas vergleicht und sie den Werth nennt, um den sie Iesum geschäyt haben, wörtlich: »den Preis des Gewer- theten, oen sie wertheten (schätzten, taxirteu) von den Kindern Israel« Die mehrfache Wiederholung des Ausdrucks »wer-then oder schätzen« steht mit Absicht und Nachdruck, zu bezeichnen, welch ein fchnödes Ver- fahren der ganze Handel dieses Schätzens und Taxirens an sich schon war, auch abgesehen von dem Spottpreis, der dabei gesetzt war. »Den sie schätzten von den Kin- dern Israel,« heißt es wörtlich, wobei »von den Kindern Israel« mit Anlehnung an den hehr. Sprachgebrauch soviel sagen will als: von den Kindern Israel ging das Geschäft ans, von ihnen als Urhebern rührte es her und auf sie fällt .es als Schuld zurück. Geschtitzt haben ihn einestheils die ohenpriester, die den Ver- rätherlohn boten, andernt eils Judas, der ihn nahm; aber daß sie das thaten, darin bethätigten beide den Undank Jsraels, sie handelten darin in dessen Namen, gaben nur Ausdruck der Gesinnung, die im Volke war, und insofern kann gesagt werden: sie schätzten ihn, aber von den Kindern Israel ging die Schätzung aus. Wenn endlich Z) Piatth mit Worten des Proph fortfährt: »als mir der HErr befohlen hat«, welche Worte in Sach. 11, 13 am Anfang, nicht am Schluß des Verfes stehen, so weist er daraufhin, daß, was die Hohen- priester und Aeltesten thaten, dasselbe war, was dem Sacharja von Gott war befohlen worden, daß sie Gottes Rath vollzogen in dem, was sie thaten, und prophetisch handelten, ohne es zu wissen, wie Kaiphas in Joh. 11, 49 ff. weissagt, ohne es zu denken. Die ganze Stelle bei Matthäus ist ein Zeugnis; seines tiefen Verständtiisses der alttestamentL Weisfagung, und ent- spricht in der Mannigfaltigkeit und dem Reicbthum ihrer in die kürzeste Fassung zusammengedrängten Beziehungen ganz dem Character des Evangeliums, welches bestimmt ist, den Gläubigen aus Israel zu zeigen, wie in Jesu das Zeugnis; der Propheten von dem Christ erfiillt ist. (v. Burgen) I. v. 11——31. (§. 120·) Von 4—6 ilhr Morgens; finden nun die Verhandlungen vor Pilatus statt. St. Matthäueg welchem der folgende Evangelist Mariens sich anschließh hebt daraus dasjenige hervor, wao zum se— weise dient, wie sdie Schuld an der schtießlictjkn verur- theilnng Sesu die jüdische Obrigkeit trage; bei Enliao dagegen ersrheint Jesus als Märtyrer der Wahrheit, den seine eigene Selbslbezengung in den Tod bringt, während Johannes dem Leser zeigt, daß alles so hat kommen müssen, wie der HGrr vorher gesagt, obgleich seine Feinde es gern andere gelenkt hättest. Was nun die einzelnen « Stücke betrifft, die von dem vorliegenden Evangelifien heroorgehobkn werden, so sind ro diese: das Schweigen Sesn vor dem Pilatus nach seiner Erklärung, daß er der Messiag sei (i).1l—-14), die Zusammenstellung mit dem Mörder tdarabbag (b.15--18), das Zengniß der Gattin des Pilatus und des Pilatus selber w. 19-——24), die Selbstoerdammang der Juden (v. 25 n. As) und die Verspottnng der königlichen Würde Jesn oon Seiten der sriegolmectjte w. 27—31). Ilnoerlteuubar ist es ein theoliratischer Gesichtoonnlty der den Eoangelifien zn dieser Auswahl bestimmt hat. (vgi. Mark· is, 2——20; kalt. W, 1 —25; Sah· 18, 28—19, 16.) 11. Jesus aber snachdem er um die Vierte Morgensiunde nach dem Richthaose V. 27 abgeführt und dann vor demselben in der von Joh. 18, 19--32 angegebenen Weise zwischen den Juden und dem Landpfleger über ihn verhandelt worden war] stund sieht, wo es stch um die Anklage Luk. 23, 2: ,,diesen finden wir, daß er das Volk abwendet, und verbietet den Schoß dem Kaiser zu geben, und spricht, er sei Christus, ein König« handelte, drinnen Jesus erklärt sich auf die Frage des Pilatus als Messias 411 im RichthaUseJ vor dem Lands-siegen; und der Land- Pftegct [mit Beziehung auf jene Anklage] fragte ihn, und sprach: Bist du der Juden Konnt? Jesus aber szuvor sich näher erklärend, in welchem Sinne er für sich ein Reich m Auspruch nehme Joh. 18, 33ff., dann aber eines offenen Bekenntnisses auch vor dem weltltchen Richter sich nicht weigernd] sprach zu ihm: Du sagst es [ich bin ein Kisnigz ich bin dazu ge- boten und in die Welt gekommen, daß ich die Wahrheit zeugen soll]. Es kommt bei« diesen ganzen Verhandlungen für das rechte Verständnis? alles darauf an, daß Inau vorerst die Oertlichkeit recht bestimmt in’s Auge fasse, wo dieselben geführt werden, und da namentlich auch einen dreifachen Standort wohl unterscheide. Was nun die Oertlichkeit überhaupt betrifft, so halten wir die Ansicht der meisten Ausleger, welche unter dem Richthaus den· ehemaligen Palast des Herodes auf Zion verstehen, für trrthiimlrcly m dem Zusatz zu Nr. 11, d der Schlußbem. zum 1. Ptaccabäerö wurde bereits nachgewiesen, daß wir viel- mehrsan die Burg Antonia in der Nordwest-Ecke des Tempelplatzes zu denken haben, und ist der Umstand, daß gerade hier, angestchts des Tempels und der judi- schen Men e, welche bald darauf im Tempel das Fest feiern wollte, es war, wo Pilatus nach langem Weigern den Nichtstuhl bestieg, um über Jesum, den er selbst ftir unschuldig erklärt hatte, das Todesurtheil auszusprechen, uicht ohne große Bedeutung (Joh. 2,19). Da nun die zu Kap. 4, 7 gegebene Ansicht vom Tempelplatze die Durchsicht nach der eigentlichen Oertlichkeit nicht gestattet, so folgt hier ein Grundriß, der dieselbe anschaulich macht; Burg Antonin i' ! I i t : i « · Hochpfl ster. t « · Ueußerer Vorhof des Tempels. « Zwinger vor dem inneren Vorhof« wir können da auch nicht zweifelhaft sein, wo das in Johz 19, 13 erwähnte Gabbatha (Hochpflaster) zu suchen set, indem aus Josephns’ Geschichte des jiidischen Krtegs (V1, l. 8 u. B. s) hervorgeht, daß zwischen der Burg Antonia und der nordweftltchen Ecke des Tempels eine Stelle sich befand, die in Mosaik gepflastert und gegen den übrigen Boden etwas höher gelegen war (etwa nach Art einer Rampe). Wir bemerken tm Verlauf der Ver- handlungen, daß Pilatus abwechselnd eine dreifache Stellung einnimmt: wenn er mit den Juden redet, so steht-er draußen auf dem Platze vor dem iliichtlzattse bei ihnen; wenn er das richterliche Verhör vornimmt, so zieht er sich mit dem Verklagten in das Richthaus zurück; wenn er aber die richterliche Seuteuz ausspricht, so besteigt er den, auf dem erhöheteuSteinplattengrunde aufgestellten Richtftuhl, da nach römischem Brauch der Richter sein Urtheil unter freiem Himmel und von er- habener Stelle aus verkündigeu mußte. Ju der Erklä- rung des Verses ist der Gang der Gerichtsverhandluug soweit er zunächst in Betracht kommt, schon angedeutet; wir mtisseu aber noch näher auf die einzelnen Umstände eingehen. Als die Hohenpriester und Aelteften mit ihrem Gefangenen, dessen Abführnng zu dein Laudpsleger wir in V· 2 lasen, beim Richthause angekommen, bleiben sie außen stehen und lassen dem Pontius Pilatus ihre Anwesenheit melden; denn hinein in das Richthatts als das eines Heiden wollen sie nicht gehen, weil sie sonst ihren Satzungen gemäß für den ganzen Tag levitisch unrein (4. Mos. II, 22; Apoftg. 10, 28) und damit un- titchtig geworden wären, an der Daukopfertnahlzeit dieses ersten heil. Oftertags Theil zu nehmen (3. Mos 7, 19 f.). Pilatus nach der Weise der Römer, die religiösen Gewohnheiten unterworfener Völker und be- sonders der Juden zu schonen, kommt denn auch wirk- lich zu ihnen heraus; aber darauf gehet er nicht ein, daß er den Juden die Formulirung ihrer Anklage er- sparen und ohne Weiteres das von ihnen gefällte Urtheil bestätigen sollte, wie sie die Sache zuuächst angelegt» hatten, vielmehr zwingt er sie, wenn er überhaupt an dem ganzen Prozesse sich betheiligen nnd auf Vollftreckung der Todesstrafe erkennen soll, einem vollständigeu Ge- richtsverfahren vor seinem Richterstuhl sich zu unter- werfen und mit der Rolle der Richter, die sie bisher gespielt, die der Kläger zu vertauschen (Joh. 18, 28——32). Was sie nun da als Anklage vorbringen, wird uns von St. Lukas (2·?, L) berichtet; Matthäus und Markus haben ihr Absehen ausschließlich darauf gerichtet, daß Jesus unumwunden auch vor dem weltlichen Richter sich als Messias bekannt habe, ohne weiter stch darauf einzulassen, wie Pilatus zu der Frage gekommen sei: »Bist du der Juden König?« Es gehörte freilich eine unerhörte Frechheit dazu, zu sagen: ,,diesen finden wir, daß er das Volk abwendet nnd verbietet den Schoß dem Kaiser zu geben,« nachdem die Hohenpriester und Schrift- gelehrten erst vor drei Tagen den in Lnk. 20, 25 mit- getheilten Bescheid Jesu auf ihre Lauter-Frage: ,,Jst’s recht, daß man dem Kaiser Zins gebe oder nicht?« em- pfangen haben; auch wußte Pilatus nur zu gut, wem von den beiden Parteien, ob den Klägern oder dem Verklagten, ein solche-s Verbieten der Steuerentrichtttng an den Kaiser eigentlich zur Last falle, und es mochte ihm gar auffällig sein, daß gerade diese Hohenpriesters und Aeltesten sich auf einmal als loyale Uuterthanenk seines Kaisers, als Eiferer für die römische Oberherr- schaft gebadeten. Indessen hatten sie ja ausdrttcklich es betont, daß, indem Jesus der Messias Jsraels zu sein behaupte, dies nichts anderes bedeute, als daß er den Königsthron für sich in Anspruch nehme und das Volk unter sein Regiment bringen wollex der Landpileger konnte also nicht umhin zu untersuchen, ob der Ange- klagte wirklich ein politisch gesährlicher Mensch sei. Er nimmt denn diese Untersuchung drinnen im Riehthaitse vor, um alles Getümmel von Seiten der Kläger V. 24; Apostg 21, 34) zu vermeiden; er hat da ohne weise! von den letzteren einige als Repräsentanten mit hinein- genommen, die sich nun schon entschließen mußten, auf die Durchftthrung der Osterfeier zu verzichten und das Versäumte am kleinen Passa (4. Mof. 9, 6 ss.) nachzu- holen, denu nach römischer Gerichtsorditung konnte das Verhör nur in Gegenwart der Kläger geschehen, und daß er dies Verfahren genau inne gehalten, bemerkt Pilatus in But. 23, 14 den Juden ausdrücklich: »ich habe ihn 412 Evangelium Matthäi 27, 12-—15. vor euch verhöret.« Außerdem ist von den Jüngern des HErrn jedenfalls auch Johannes als Ohrenzeuge gegenwärtig gewesen , daher er den Hergaug so genau erzä ltz für ihn hatte ja das Bedenken der Juden, dur Betreten eines heidnischen Hauses sich nicht zu veruureinigen, keine Bedeutung» wohl aber, wie er es möglich gemacht hatte, in den Hof des Kaiphas zu ge- langen und auih dem Petrus den Eingang zu verschassen (Joh. 18, 15 s.), so wich er jetzt um so weniger von der Seite seines HErrn, als die römischen Richter zu ihren Geriihtsverhandlungen einem jeden den Zutritt verstatteteir. Pilatus nun bekommt von der geistigen Hoheit Jesu bei dem Gespräih mit ihm einen tiefen Eindruck; er erkennt alsbald, daß es von Seiten der Hohenpriester nur der Neid tiber die Größe des Mannes und die Eifersucht für ihr eigenes Ansehen ist, was sie treibt, ihn bis aus den Tod zu verfolgen. Etwas, das der Landeshoheit des römischen Kaisers zu nahe trete, ist von dem, der mit Thatsachen ihm bewiesen, daß er nicht ein Reich von dieser Welt für sich in Anspruch nehme, sondern nur im Reiche der Wahrheit zum Herr- scher berufen sei, nicht zu befürchten, wohl aber habeu’s seine Gegner auf einen Juftizinord bei ihn: abgesehen, weswegen sie auch vorhin den Versuch einer Ueversiür- zung gemacht: »wäre dieser nicht ein Uebelthiiteu wir hätten dir ihn nicht überantwortet.« Indem der Land- pfleger diese Ueberzeugung gewonnen, führt er den Ver- klagten wieder hinaus vor die Juden und fällt die Senteuz: »ich finde keine Schuld an diesem Menscheii.·« Dies Ergebniß der Untersuchung aber wirkte auf die Verkläger wie Wasser, welches in iingelöschten Kalk ge- gossen wird und ein arges Brausen und Toben ver- ursacht. 12. Und da er [Jesus, nachdem er nun wie: der hinausgesührt war vor das RichthaUBJ verklagt ward von den Hohenpriestern und Aeltesteii sdie um jeden Preis den Richterspruch des Pilatus wollten rückgängig machen und der eine dies, der andere das vorbrachtem womit sie es beweisen wollten, daß er wirklich ein Aufruhrprediger sei und auf den Umsturz der römischen Herrschaft hin- wirke] antwortete er nichts [denn nachdem es vor- hin gegolten, zu zeugen V. 1., so galt es nunmehr zu schweigen Jes. 53, 7]. 13. Da sprach Pilatus [der es gern gesehen hätte, wenn alle diese Beschuldigungen, von denen ei« selber fühlte, wie boshaft einerseits und wie ungereimt andrerseits sie waren, von Jesu mit einem schlagenden Wort auf einmal entkräftet wor- den wärenj zu ihm: Hörest du nicht, wie hart sie btch vetklagetE fläßt du das alles so ruhig iiber dich ergehen? So vertheidige doch deine Un- schuld; ich gebe dir volle Freiheit für dich zu reden.] 14. Und et antwortete ihm strotz dieser aus- drücklichen Aufforderung, die Verkläger zu wider: legen] nicht auf. Ein Wort svon alle dem, Was jene vorbrachten], also, daß sich auch der Land: Pflege! sobwohl er den tieferen Grund dieses Schweigens nicht verstundJ sehr verwunderte küber solche Erhabenheit und königliche Haltung, wie sie noch bei keinem Ptenschenkinde ihm vorgekommen] Die Hohenpriester wiederholten nicht nur ihre vorige Anklage, sondern verniehrten und häuften sie noch mit vielen erdichteteu Znsiitzein Sie dachten: viel hilft viel: ist eine Klage nicht hinlänglich, den Pilatus in Harnisch zu bringen, so wird eine andere Beschuldigung zum Ziele treffen. Es ist das eine gewöhnliche List der Welt, die falschen Beschuldigungen gegen die Zeugen der Wahr- heit zu häufen; dadurch macht man dem Unwissenden und leichtgläubigen Volk ein Blendwerh daß es denkt: behüte Gott, wenn auch nur der vierte Theil davon wahr ist, was muß der Mann nicht für ein arger Ketzer fein! Was für eine Menge von Lästerungen haben nicht die Anhänger des römischen Papstes gegen unsern sel. Luther ausgeschäimiy daß man recht darüber er· staunen muß, woher der Lügengeist allen Stoff zu so ungereiniten Befchuldigungen genommen, damit er dieses Werkzeug Gottes befleckt hat. Allein alle solche Larven hat der Sohn Gottes durch sein heil. Exempel unkräftig gemacht, daß wir uns nicht ärgern noch irre machen lassen dürfen, wenn wir hören, daß die Unfchuld der Knechte und Kinder Gottes durch viele Beschuldiguugen gekränkt wird. Mit seinem Stillschweigen hat aber der HErr auch unsre nugeziemende Verantwortung büßen wollen, da wir eine so hastige Zunge und loses Maul haben, unsre Sünden zu entschuldigen und uns zu recht- fertigen, ob wir gleich öfters in unserm Herzen vom Gegentheil überzeugt find; weil wir wirklich Sünden auf Sünden gehäuft, so mußte unser Ytittler es leiden, daß Befchuldig1ii1gen auf Veschuldigungeii gegen ihn ge- häuft wurden, und nun kann eine gläubige Seele gegen die Menge der Anklagen, die vom Satan gegen sie vor- gebracht werden, unter dem Schirm und Schild der Unfchuld Christi sicher sitzen. (Rambach.s Wie es scheint, trat Pilatus jetzt selber für Jesum in’s Mittel und widerlegte die Anschuldigung der Hohen- priefter und Aeltesten, als habe derselbe das Volk in aufrührerischem Sinne bearbeitet und die weltliche Ge- walt au sich reißen wollen, kurz damit, daß er, der Landpfleger, während dieser Jahre daher in feinem ganzen Verwaltungskreise so gar keine Volksausregung wahrge- nominen, und das sei doch ein thatsäcshlicher Beweis dafür, daß das Lehren und Wirken des Verklagten in politischer Hinsicht viel inehr zur Beruhigung , als zur Aufwiegelung der Menge diene; er rnüsse also bei fei- nem Rechtsfpruch von vorhin beharrein Da aber traten, wie aus Luk. 23, 5 hervorgeht, die Berkläger mit der Behauptung hervor, Jesus sei noch nicht lange genug in Judäa anwesend, als daß er da schon viel Aufrithreri- sches, außer etwa dem festlichen Aufzuge am Palm- soiintage, hätte an den Tag geben können; wohl aber habe er in Galiläa fchou viel zu einer politisch gefähr- lichen Erregung der Gemiither beigetrageiy und nun wollten sie in ihrer Eigenschaft als jüdische Obrigkeit dem zuvorkoinineiy daß der Ztindstoff zu einer Emph- rung gegen die Römer nicht auch nach Jndäa hinüber- verpflaiizt werde (Joh. It, 47 f.). Das gab denn, wie in Luk. 23, 6 ff. zu lesen, die Veranlassung, daß Pila- tus deu Gefangenen zu Herodes entsendete, damit dieser den ganzen Prozeß in die Hand nehme und er selber die hartuäckigen und blutdürstigen Juden sich vom Halse schaffe. Ei: verwies den Verklagten sonach, um in der Sprache der Rechtsgelehrten zu reden, von dem forum apprehensionis an das for-um originis vel clomioilih ein Verfahren, das im römischen Reich auch sonst öfter angewendet wurde, doch ist der Fall in Apostg.25, 13 ff. nigst Zierher zu ziehen. Jiidefsen darf man die Saihe ni t wo sie ganz unverfänglich erscheint, sie will vielmehr hauptsächlich vom sittlichen Standpunkte aus beurtheilt fein; und da hat Pilatus nach einem Mittel gegriffen, los vom juristischen Standpunkte aus betrachten,- Jesu Schweigen auf die Anklagen der siidischen Oberetn 413 dessen solche Leute sich gern bedienen, die für Wahrheit nnd Gerechtigkeit kein entschiedenes Herz haben, er hat die Last, die sein eigenes Gewissen beschwerte, auf eiu fremdes Gewissen wälzen wollen. Bei einer andern Lverzenssiellung hätte es ihm viel näher gelegen, die Juden ganz einfach abzuweisen und allenfalls von sei- nem Richtstiihl sie hinwegzutreibeu(Apoftg.18,12—16); weil er aber Gott nicht gedankt hat, als der ihn grüßte, sondern von dem Könige der Wahrheit, dessen Majestät und Schönheit ihm so hell in die Augen leuchtete, sich abgewendet (Joh. 18, 37 u. 38), so wird er dahin ge- geben in verkehrten Sinn zii thun, das nicht taugt, und es erfüllt sich an ihm das Wort (Ps. MS, 9): »Aber der Gottesvergeßnen Tritte kehrt er mit starker Hand znrück, daß sie nur machen verkehrte Schritte nnd falle1i selbst in ihren Strick« Wir vermögen nicht zu entschei- den, ob die Uebersendung des Gefangenen an Herodes das zugleich mit in Absicht hatte, was hernach die Folge davon war, iiämlich die Aussöhiiuiig mit dem Galiläer- fiirfteu, der sich vermuthlich durch sein Verfahren bei dem in Luk. 13, 1 erwähnten Vorfalle verletzt gefühlt, oder ob diese Uebersendung lediglich ein Ausweg sein sollte, die Juden auf. seine Manier los zu werden; jedenfalls hat er damit auf eine schiefe Ebene fich be- geben, auf welcher er dann die Haltung iu reißender Schnelligkeit verliert, bis es zum gänzlichen Falleu kommt. Herodes, wie P. Lange bemerkt, war eitel und armselig genug, um von der Noth nnd Schwierig- keit, »die dieser Gefangene seinen Richter-n machte, nichts zu merken; er wollte nur seine Schaulust durch ihn be- friedigt sehen, und da ihm das nicht gelang, schickte er Jesum, zum Spott mit einem weißen Kleide angethan, an Pilatus zurück. Für letzteren war der Stand nun unendlich schwerer geworden, nnd um einen sehr schlim- men Preis hatte er die Freundschaft des Vierftirsten wieder gewonnen. ,,Siehe, Pilatus, ein sauberer Cau- didat zur Königs-würdet« Das war es offenbar, was Herodes mit dem weißen Kleide dem Laudpfleger sagen ließ und auf diese Weise den Glanz göttlicher Majestät und Herrlichkeit, der vorhin ans Wort und Verhalten Christi ihm in die Augen geleuchtet, gar sehr in seinem Einfluß auf das Herz für ihn abschwächte; wir alle wissen ja aus eigener Erfahrung, welche ätzende und zersetzende ,Wirkung die Lange des Spottes und der Verhöhnung auf den schwachen Menschen übt, daß, was ihm vorhin so heilig nnd hehr erschien, keinen Werth mehr für ihn hat und er wohl gar selber es nun schmähet und in den Schmutz hernnterziehn Auf der andern Seite aber hatten die Hohenpriester und Aeltesten jetzt halb und halb ein Recht in die Hände bekommen, daß, nachdem Herodes ihren Gefangenen zu einem Schwärmer und Thoren gestempelt, sie als die geistliche Oberbehörde des Landes beansprucheii konnten, doch nicht ohne eine hinlängliche Genngthuung von einem solchen in ihrer Auctorität beeinträchtigt worden zu sein, vielmehr gegen seine weiteren Thorheiten durch eine recht empfindliche Züchtigung in Schutz genommen zu werden. Und den syinbolischen Urtheilsspruch des Herodes für null und nichtig erklären, das war dem Pilatus jetzt auch nicht mehr möglich, er würde damit den neugewonuenen Freund viel tiefer als früher ge- kränkt, er wtirde seine Fürstenwürde öffentlich bloßgestellt haben; Pilatus mußte also sich nun fchou entschließen, theils dem Umhange, womit Herodes den Gefangenen ausgestattet, Rechnung zn tragen, theils dem beleidigten Ehrgefühl der Juden euie gewisse Genngthuung zu ge- währen. So kommt denn Pilatus auf den Einfall, von dem wir in Luk. 23, 13 ff. weiter lesen: er will Jefum ztichtigen, d. h. ihn geißeln lassen, darnach aber — und er motivirt diesen zweiten Theil seiner Sentenz zuvor damit, daß es durch den bisherigen Lauf der Unter- suchnn ja bereits festgestellt sei, das Verbrechen eines Aufrugrversuchs falle dem Angeklagteu nicht zur Last— ihn los lassen· Ob er dabei schon an den Gebrauch denkt, am Osterfest den Juden einen Gefangenen frei zu geben, iind also ihnen das Anerbieten macht, diese Frei- gebnng Jesu nicht sowohl als eine Freispreihung des Verklagten, sondern vielmehr als einen ihnen erwiese- neu Gnadenakt aus seinen Händen hinzunehmen, oder ob jener Gedanke ihm fern liegt und er im Gegentheil auf der Freigebung als auf einem Akt der Gerechtig- keit gegen Jesum besteht, an dem der Sache keine ge- funden worden, der man ihn beschuldigt hat, erscheint für den Angeublick noch zweifelhaft. Liest man bei Lukas V. 13——16 für sich allein, so wird man noth- we1idig auf die zweite Auffassung hingeftihrt, und auch der innere Entwickelungsgang spricht zu Gunsten der- selben; nun aber fährt Lukas in V. 17 fort: »denn er mußte ihnen einen nach Gewohnheit des eftes los geben«, und da fragt es sich, ob der Evangelist hiermit den Entschluß zur Freigebung ausdrücklich auf jenes Gewohnheitsrecht als auf eine äußere Nöthigung zurück- führe und also zu der ersteren Auffassung uns hin- dränge, oder ob er nur kurz eine neue Wendung, die in der Entwickelung der Dinge eintrat, mit dem bis- herigen Gange ver inde. Da er auch in V. 18 sehr kurz erzählt, ohne auf eiiie Vermittelung sich einzulassen, u1id den Leser mancherlei zwischen den Zeilen lesen läßt, und da St. Markus in 15, S— 10 jedenfalls der ge- nauere Berichterstatter ist, dessen Darstellung eine be- sondere Beachtung verdient, so mitssen wir uns schließ- lich doch für die zweite Auffassung entscheiden: mit der Züchtigiing will Pilatus dem symbolischeii Ur- theilsspruch des Herodes und dem beleidigten Ehrgefühl der Juden Rechnung tragen, mit der Freigebung da- gegen soll sein eigenes Erkenntnißx »ich finde keine Schuld an diesem sllienschen« zu seinem Rechte kommen. Der Ostergebrauch der Begnadigung eines Verbrechers bleibt im ersten Augenblick noch außer Betracht; doch schiebt er sofort, noch ehe Pilatus dazu schreiten kann, die Züchtigung vorzunehmen, wie ein cleus ex machine« wie eine plötzliche, unerwartete Erscheinung sich dazwi- schen und« giebt dem Ganzen eine solche Wendung, daß die Züchtigung fiir jetzt in den Hintergrnnd tritt, die Freigebung als Freisprechuiig dagegen völlig von dem Schauplatz verschwindet uiid dem Pilatus der Ge- danke kommt, dieselbe vielmehr in Form der Amnestie oder Begnadigung eines Verbrechers zu vollziehen. Damit freilich hat er den Standpunkt des Rechts preis- gegeben und sich zu einem Spielball in der Hand der Ankläger gemacht; und es ist nun eine furchtbare Lage, in die er hineingeräth, indem jetzt ein Versuch nach dem andern, den unschuldigen Jesus aus den Händen seiner blutdiirftigen Feinde zu retten, ihm mißlingt, und er selbst, der mit voller Machtvollkommenheit eines Richters ausgestattete Römer, aus einer Hand in die andere ge· worfen wird, bis der Ball endlich dahin fällt, wohin man ihn haben will. St. Matthäus führt uns sogleich iu den Moment ein, wo der cieus ex machine-i, dessen wir oben erwähnten, bereits sein Gewicht in die Wag- schale geworfen»hat,»ohne des anfänglichen Eiitschlusses des Pilatus: »ich will ihn züchtigen und loslassen« erst zu erwähnen. 15. Auf das [Oster-] Fest aber hatte der Landpfleger [nach altem, von den Römern begün- stigten Herkommen] die Gewohnheit, dem Vol! einen Gefangenen los zu geben, welchen sie wollten [also ganz nach ihrer eigenen freien Wahl) 414 z, Evangelium Matthäi 27, I6—20. Its. El! hatte aber saus ihrer Mitte oder Ge- IIosseUfchaftJ zu det Zeit [wo nicht lange vorher wieder ein Aufstandsversuch im Volke hatte ange- zettelt werden sollen und die Rädelsfiihrer dabei festgenommen worden waren] einen Gefangenen, einen sonderltchen vor andern sder tm Aufruhr einen Mord begangen Mark. 15, 7], der hieß sJesus — in den besten Handschriften des Grund: textes steht dieser Name ausdrücklich mit da ——, mit dem Beinamen] Batabbas so. i. Vaters-Sohns- 17. Und da sie versammelt waren [dieVotks- hausen sich eben jetzt vor der Burg versammelt hatten, ihn um die Freilassung eines? Gefangenen nach ihrer Wahl zu bitten], sprach Pilatus zu ihnen [beschloß er bei sich, ihnen gleich anfangs die Frage in Betresf ihrer Wahl nicht aufs Allge- meine, sondern so zu stellen]: Welchen tvollt ihr sunter diesen zween, die ich euch dies Mal zur AND! Issse V« 2l], daß ich euch sibnj losgebes Barabbam sden Mörder] oder Jesum, von dem gesagt wird, er sei Christus? [und sing nun auch wirklich bereits an, den Gedanken auszuführen, indem er den Befehl ertheilte, den Barabbas her- beizuholeth und die Sache zur vorläusigen Erwä- gung den Hohenpriesietn und Aeltesten unter Ge- sichtspttnkten hinausgab, die sie diesen empfehlen sollte Luk. 23, 13 ff.]. 18. Denn er wußte, daß sie» [die Hohen- priester und Aeltesten] thn aus Neid nberantlvortet hatten swährend unter dem Volke viele ihn für Christus, den Träger der Messiashofsnungen Js- raels hielten, wie er aus den bisherigen Verhand- lungen erfahren, und rechnete nun mit Bestimmb heit darauf, das Volk werde gewiß seinen Mesftas sich nicht wollen nehmen lassen, sondern ohne Weiteres ihn frei bitten]. Ueber die hier erwähnte Sitte der Freigebung eines jtidifchen Gefangenen von Seiten der rorntschen Land- pfleger je nach eigener Wahl des Volks findet sieh im Talmrid keine Spur; vielleicht aber ist das eine absicht- ltche Verschweigung, jedenfalls kann sie den Bericht der heil. Evaugelisten in seiner Richtigkeit nicht zweifelhaft machen. An sich stand die Sitte im Wiederspruch mit dem Gesetz, welches in 2. Mos 21, 12 verorduet, daß ein Mörder des Todes sterben soll (vgl. 4. M. 35, 3l); sie wurde aber von den Griechen und Römern, welche bei festlichen Gelegenheiten Gefangene frei zu geben pflegten, vermuthlich schon zur Zeit der syrischeii Könige in Paläftitta eingebürgert, von den maccabiiischeu Fürsten dann beibehalten, weil, am Osterfest geübt, sie die Ent- . lafsuug Jsraels aus dem Diensthause Egypteti zu ver- sinnbilden und zugleich die Hoffnung zu verbitrgen schien, daß das Volk noch einmal ganz von dem Drncke der Weltmacht werde befreit werden, und wurde weiterhin von den Herodianern und den römischen Landpslegerit als ganz geeignet, den Juden das Joch der fremden Herrschaft einigermaßen zu versüßen, ebenfalls gepflegt. Nun dilrfte vielleicht der in Luk. 13, 1 erwähnte Vor- fall eine Hindeutung sein, daß vor etwa einem halben Jahr ein Aufstandsversuch in der Stadt geschehen war; von damals befanden sich noch die drei Haupträdelsi flihrer im Verwahrsant des Landpflegers —- der ärgste und schlimmste eben unser Barabbas hier, außer ihm aber noch die beiden Uebelthäter, die hernach mit Jesu zur Kreuzigung abgeftthrt wurden (V. 3R). Es stand schon fest, daß alle drei, denen der Proceß von der römischen Criminaljustiz bereits gematht war, gerade heute, am ersten jtidischen Osterfesttage, mittels Kreuzis gnug abgethan werden sollten; denn es war Brauch bei den Juden , die Hinrichtung hervorragender Verbrechen auf einen Festtag, wo viel Volks in der Hauptstadt bei- sammen war, zu verschieben, die Rabbinen weisen zur Erklärung dieses Brauchs auf S. Mos.17, 13 hin: ,,daß alles Volk höre und sich fürchte, und nicht mehr vermessen sei.« Pilatus befand, wie wir zu V. lt uns vergegenwärtigt haben, sich in großer Verlegenheit, was er mit Jesu machen solle (V. 22), den er seinem Ge- wissen nach freigeben mußte, das aber wagte er nicht unbedingt und in voller Rechtsform zu thun, er wollte weder den Herodes auf diese Weise bloßstellem noch die Obersten vor den Kopf stoßen. Da kam es ihm denn ganz gelegen, daß eben jetzt (etwa um 5Uhr Elliorgens) das Volk herbeisirömtq um von den drei Verbrechen! sich einen los zu bitten; er· geräth auf den Gedanken, den schlimmsten von ihnen herauszngreifen und nun ihn, dessen Sonderlichkeit vor den andern wohl hanptsäehtich in seiner ganzen widerwärtigeti äußeren Erscheinung sich ausprägth mit Jesu zugleich dem Volke zur Wahl zu präsentiretu Es ist das allerdings ein gewaltthätiges Verfahren von Seiten des Laudpflegers; denn einerseits hatte er der Observauz gemäß überhaupt nicht das Recht, die Wahlfreiheit des Volkes durch eine solche Präsentation zu beschränken, nnd andrerseits setzte er in Jesu einen mit auf die Liste, iiber welchen dem Volke gar kein Wahlrecht zustand und aus welchen jene Ob: servanz sich überhaupt nicht beziehen konnte. Aber der Gedanke schien dem Pilatus praktisch: gelang es ihm, daß das Volk auf die Präseutation sich einließ und wider die Verkehrnng seines Wahlrechts keinen Wider« sprnch erhob tund wie die Besttlrzttng des Augenblicks ihn selber nicht zum Bewußtsein einer Rechtsverletzuiig die in feinem Verfahren lag, kommen ließ, so stand von der Aufregung, welche gegenwärtig die Ge- miithetr entnahm, ein Gleiches m Beziehung auf das Volk zu erwarten), bat dann die Menge Jesum frei fund daß sie das thäte, dafür meinte er alle tdiewähr in Händen zu haben), so war er den Hohenpriestern und Aeltesten gegenüber in jeder Weise gedeckt; denn gegen ein Plebistit oder die ausdrücklich erklärte dlikilleiisi meiuuug des Volks ließ sich nun niihts weiter ntachen, die Ankläger mußten schon sich zufrieden geben und von der ferneren Verfolgung des von ihnen Gehaßteu ab- stehen. Pitatus scheint nun, indem er zur Ausführung seines Gedankens schritt und den Barabbas aus seinen! Kerker herbeiholen ließ, die Obersten mit seinen Absichteu bekannt gemacht zu haben, indem er ihnen zu bedenken gab, daß ihre Anklage sich rechtlich durchaus nicht be» grlinden lasse, er sie also mit ihrem Antrage auf Be- ftätigu11g des Todesurtheils abweisen müsse; er wolle aber, um ihr Ansehen als der obersten geistlichen Be- hörde des Landes nicht zu beeinträchtigen, dcu :ltnge- klagten nicht freisprechen, sondern ihn durch das Volk lassen freibitten, sie kämen so iu feiner Weise von der durchaus nicht zu haltenden Sache wieder los. Es war aber das alles, was der Landpfleger sich so ausgedacht, eine durchaus verfehlte Speculationx sie hätten lieber, sagt Luther, den Teufel selbst losgebeten, ehe sie Gottes Sohn hätten lassen los sein. Und da will auch Gott der HErr den Pilatus nicht lassen im Finstern tappen , sondern noch zur rechten Zeit warneuz diese Bedeutung hat die folgende Geschichtr. Zusammenstellung Iesu mit dem Mörder Barabbas Das Zeugniß der Frau des Pilatus. 415 Its. Und da er auf dem Richtstuhl sasi [war- tend, bis Barabbas herbeigeschasst wäre, um ihn dann mit Iesu zugleich dem Volke vorzusiellen und die beabsichtigte Frage ins feierlicher Sitzung an dasselbe zu richtenL schickte seit! Weil) [bei den Kirchenvätern Claudia Procula genannt] zu ihm und ließ ihm sagen: Habe du nichts zu schaffen mit diesem Gerechten sden man vor rein Gericht gestellt hat, daß du dich nicht etwa in einen un- gerechten Richterspruch gegen ihn verwickeln lasfest]; ich habe heute [in dem zum heutigen Tage gehö- rigen Theile der NachtJ viel erlitten im Traum von seinetwegen sund erblicke darin eine göttliche Warnung für dich, meinen Gemahl, Hiob 33, 15 ff.]. Daß der Traum durch natürliche Ursachen vermittelt sein konnte, liegt ganz nahe: die Frau wußte etwas von dem Ruf Jesu, und Nachts vorher hatte der Hoherath wahrscheinlich das Haus des Laudpflegers durch die Forderung der Wache (Kap. 26, 47) in Aufregung ge- bracht. Daraus kann aber nichts gegen eiue göttliche Einwirkung folgen, welche allerdings der Evangelist nicht nennt. iP. Lange) Nicht Jesus als Zauberer«, wie die Juden in den Apokryphen sagen, und nicht der Teufel, weil er den Opfertod hintertreiben wollte, wie etliche Kirchenväter meinen, hat ihr diesen Traum - saudtz ein göttlicher Zug war darin für sie, eiue Warnung für Pilatus, und wenn er sie nicht annahm, ein Widerhakeii in’s Herz fiir später, ein Scherflein zur Ehrenrettiing des HErrn (Riggenbach.) Weiber haben zwar in Amtssachen ihren Männern nichts zu sagen; doch wenn sie sehen, daß sie wider den Gerechteu sich vergehen und siiudigen wollen, so können und sollen sie ihre Männer war-neu, uiid diese sollen ihnen folgen. (Tüb. Bib.) Die Warnungen, die Gott an einen Men- schen ergehen läßt, ihn von der Vollbringnng der Sünde abzuhalten, werden von Gott zur Vergrößerung seiner Schuld angeschriebeiy wenn er sich nicht an dieselben kehrt. (Rambach.) 20. Aber die Hohenpriester und Lleltesteii [in satanischer Klugheit bei dem, was der Landpfleger vorhatte, sogleich den Vortheil erkennend, den er ihnen damit zur Erreichung ihrer Absichten ein- riinmte] uberredelen [in der Zwischenzeit, wo sein Weib durch ihre Boten mit ihm verhandelte V. 19 und er sich die empfangene Warnung überdachte] das Volk, daß sie [wenn hernach ihnen die Wahl zwischeii Barabbam und Jesum gestellt werden würde] um Varabbas szur FreEgebUngJ bitten sollten Und Jefum sindem sie darauf bestünden, daß nun dieser an dessen Stelle zur Kienzigung trete, nach: dem er einmal mit ihm ans die Wahlliste gesetzt worden] umbrcichten [und fanden dann mit ihren Einftüsterungen anch williges Gehör Jes. Z, 12]. Sehet da die schändlichen Wühler und Volksverfiihrey aber anch das blinde, unselbstständige Volk, das sich ver- siihren läßt! Ihr Urtheil steht geschrieben in 5. Mos- 27, 18. (Miihe.) So sviel Schamgeftihh Dankbarkeit, Glaube war ja doch wohl unter der Menge, daß sie nicht aus sich selbst sich entschlossen hätte, gegen Jesum siir Barabbas zu bitten; aber, wie es in Mark. is, 1l heißt, die Hoheiipriester reizeteu das Volk, sie wie- gelten, hetzten es aus, und wir sehen klar den verbisses neu Eifer, den giftigen Ingrimm, mit welchem sie ihm zusetzten, die Volksgunst hingegen ist nicht nur beweglich, . wie der Hauch des Windes, sondern auch ganz abhängig von der Erscheinung. Und nun stand der Mann, den sie als den Sohn Davids gefeiert, dem sie das Hosianna gesungen, jetzt vor ihnen ein Gesangeney Gebnudeuey im weißen Gewande ein Gegenstand des Spottes, in der Hand und Gewalt der Römer, er, von dem sie Jsraels Freiheit und Erhöhung gehosst — der Contrast ist zu groß: zwischen diesem ohiimächtigen Wurm, diesem Gegeutheil aller Mannheit und Hoheit, und Jsraels Messias nnd König giebt es keine Gleiche! (Decker.) Die Hohenpriester und Aeltesteii werden nichts unver- sucht gelassen haben, ihren blutdürstigen Endzweck zu erreichen. Bald werden sie diejenigen mit dem Bann bedrohet haben, die sich gelüsten lassen würden, sich für Jesum zu erklären (Joh. S, 22); bald werden sie denen, die Barabbam losbitteii würden, allerlei Vortheile ver- heißen haben. Sie werden nicht ermangelt haben, denen, die ein zartes Gewissen hatten und sich dartiber ein Bedenken machteu, eineii Mörder los zu bitten, die Ver- sicheriing zu geben, daß sie die Verantwortnn auf ihr priesterliches Gewissen nehmen wollten, daher ie diesem Mörder getrost ihre Stimme geben könnten; habe er gleich einen Fehltritt begangen, so habe ihn der Eifer für Gottes Ehre dazu verleitet, nnd er sei doch der reinen Lehre der jiidischen Kirche mit Miiud und Herzen zugethan, da hingegen der Jesus von Nazareth sich längst als ein Ketzer von ihrer Kirche getrennt, durch seiiie scheinheilige Jrrlehre Andere verführt und mehr Seelen ermordet, als Varabas Personen umgebracht haben möchte, folglich nicht werth sei, daß er länger unter dem Volke Gottes geduldet werde. Man könnte demnach dem Gotte Jsraels keinen augenehmeren Dienst thun, als wenn man dazii behilflich sei, daß er als ein Ver- fluchter aus der slidischcn Kirche ausgeroitet uiid dem schmählichften Tode überliefert werde. (Rambach.) Gott verhütete es nach seiner Weisheit, daß Jesus» vom Volke losgebeten wurde; das wäre seiner nicht würdig ge- wesen, hätte seine Reinheit verdunkelt nnd den Schein erregt, als ob er der Volksgnust seine Freiheit verdankt, also auch wohl um die Volksgunst gebuhlt hätte. Der Volkshaß gereicht ihm zur Ehre, weil er den eitlen Erwartungen des Volkes iiie geschmeichelthatte (Heubner.) Jeder Zug in der richterliihen Verhandlung vor Pilatus ist von ewiger, grundlegender Bedeutung stir unser Heil und Leben; die Greuelthaten,· die aii dem Heiligen Gottes verübt werden, sind nur die räthselhasten Zeichen, die thörichteii und ärgerlichen Hieroglhphem in denen es Gott gesallen hat, das selige Geheimnis; des Evan- geliums kund zu thun und uuauslöschlicli in die Welt- geschichte einzugrabem das Geheimnis; unsrer Losspres chnng von dem Gericht der Verdammniß durch die stell- vertretende Verurtheiluug und Dahingabe unsers Viirgen und Hoheupriesters Was dort deni Heiligen Gottes mit dem Fluchgerichh was dem Fürsten des Lebens mit dem Tode so eng zusammenschließy das ist nicht seine Schuld, sondern die unsrige, nicht seii1e Sünde, sondern die unsrige; wie an die Stelle des Barabbas iui menschlichen Gerichte, so ist er ganz und gar an unser Aller Stelle getreten im göttlichen Gericht· Keiner ist da ausgenommen , denn sie sind allzumal Sünder; und keine Sünde ist ausgeschlossen, denn keine ist so gering, daß sie nicht dieser Vertretung und Siihne be- dürfte, und keine so groß, daß dieselbe für sie nicht aus» reichte. (Harnack.) Die Zusammenstellung Jesn mit Barabbas gehört mit zu dem Geheimniß der Erniedri- gung des HErrn; sie ist wundersam, gleichsam eine satanische Nachäfferei und Verhöhnnng Dieser Varabbas hieß eigentlich anch Jesus: so steht hier dem wahren 416 Evangelium Maithäi 27, 2l—-26. Jesus ein Pseudo-Jesiis, dem wahren Sohne Gottes ein Sohn des salschen Vaters (Joh. 8, 42 ff.) zur Seite. So ist’s oft in der Welt; da ist der Wahrheit die Lüge, der Uaschuld die Sünde, der Würde und dem Verdienst die Werthlosigkeih deii rechten Führern Verfiihrer, dem Friedeftirsten ein Empörey dem Lebensquell der Mörder an die Seite gestellt. Die Zukunft soll diese Bermengiing und Verwirrung auflösen. (Henbner.) 2l. Da antwortete nun der Landpfleger kais Barabbas zur Stelle gebracht und damit diejenige Sache, dereiwegen das Volk gekommen Mark. 15, 8., in Verhandlung gesiellt war, auf die vorhin an ihn gerichtete Bitte] nnd sprach zu ihnen: Welchen wollt ihr unter diesen zweien sdie ich euch hier zur Wahl präsentire: Jesus Barabbas auf der einen, und Jesus, der da heißt Christus, auf der andern Seite], den ich euch foll los geben? Sie sprachen [wie ihre Hohenpriesier und Aeltesten das ihnen so eingeredet Apostg 3, 13 f.]: Batabbann 22. Pilatus lüber eine solche Entscheidung, die er ganz und gar nicht erwartet hatte, im höchsten Maße betroffen] sprach zn ihnen: Was foll ich denn machen mit sein, von dem gesagt wird, er sei Christus? [den wollte ich ja euch frei: geben, und nun laßt ihr ihn mir an Stelle des Barabbas, des zum Kreuzestod verurtheilten Misse- thäters, zuriick!] Sie sptakhen alle: Laß ihn [den-i, wie sich nun von selbst versteht, an Stelle des BarabbasJ kreuzigen 23. Der Landpfleger sagte: Was hat er denn Uebels gethan? sunmöglich kann ich doch diese schwerste und schimpflichste Todessirafe über einen Mann verhangen, auf den man nichts hat bringen können, das des Todes werth sei; ich will aber, um dem Verlangen eurer Obersten nach seiner Ve- strasnng einigermaßen genug zu thun, ihn züch- tigen, wie ich denselben schon einmal angeboten habe Luk. 23, 16., und dann, um ihm die ge- biihrende Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, los geben Luk· 23- 22.J Sie schrieen aber kmm selber von dem satanischen Fanatismus ihrer Ober- sten ganz hingerissen, nachdem sie einmal mit ihrem Herzen Feuer gefangen V. 20 f.] noch mehr und sprachen: Laß ihn trenzigen [wie du dem Va- rabbas thun würdest, wenn wir ihn nicht losge- beten hätten; von einer bloßen Ziichtigung aber wollen wir nichts wissen, wir bestehen auf diesem bestimmten Verbrechertod Luk. 23, 23]. Das jiidische Volk bat sich in einer Wahl, welche der große welthistorische Typus aller von Dämonen der Verftihrung eingeleiteten und in stch überspannten Volks- wahlen geworden ist, den diisteren Verbrecher los nnd verwarf damit Jesum, der mit jenem zur Abfchätzung zusammengestellt worden war. Bei diesem Akte hatte suh den Feinden Jesu unter dem roßen Weben des Lügengeistes das Bild Christi in das ild des Barabbas, das Bild des letzteren in ein Bild Christi verwandelt. (P. Lange.) Jn Seb. Bach’s Oratorium über die Leidensgeschichte nach Matth. ist der Ruf des Volkes so gesetzt, daß es fnrchtbar und schandererregend klingt, als wenn die höllischen Geister mit rasendem Gebrüll es schrieen. (Heubner.) Sie wären sicher nicht alle gerade aus den Barabbas gekommen, die Stimmen wtirden weit aus einander gegangen sein, wenn ihnen nicht ge- rade diese Alternative sWahl zwischen zweien) gestellt gewesen wäre. Barabbas hatte nach den Angaben aller Evangelisten nichts, was ihn gerade besonders dem Volke empfehlen konnte; einen so garstigen Repräsentanten würden sie gewiß nicht für ihre Volkshoffnung (auf zu- künftige Befreiung von der Weltmacht) gewählt haben, wem: ihre Wahl eine freie gewesen wäre. (Hengstenberg.) 24. Da aber Pilatus sahe, daß er smit allen seinen Vorschlägen und Bemühungen, Jesum vom Tode zu erretten] nichts schaffte, sondern daß sie mehr er sich darum mühe] viel ein größer Ge- tummel ward [nnd es zuletzt gar noch zu einem Aufruhr kommen dürfte], nahm er Wasser sdas er in einer Schiissel sich herbeibringen ließ] nnd wusch szum sinnbildlichen Ausdruck dessen, w»as er zugleich mit Worten bezeugen wollte] die Hande bot dem Volk und sprach: Jch bin unschuldig an dem Blut dieses Gerechten [wenn ihr durchaus darauf be- stehen daß er hingerichtet werde]; sehe! iht zu [wie ihr einen solchen offenbaren Justizmord, zu dem ihr mit Gewalt mich treibet, verantworten wollt]. 25. Da antwortete das ganze Volk kdurch seine Obersten in dem Wahne bestrickt, als ob es mit seiner Todessordernng vielmehr Gott einen Dienst thue, als ein Verbrechen begehe]: Sein Blut lwenn du meinst, daß dasselbe von der Gott- heit gerächt werden würde, foll nicht an dir heim- gesucht werden, sondern es] komme über ntts Und unsre Kinder [Kap. 23, 353 wir wissen aber, daß gar nichts zu befürchten steht, und siehest du nun, daß wir ein so unerschrockenes Herz zur Sache haben, so brauchst du dich auch nicht länger mit Gewissensscrupeln zu quälen] 26. Da [ihnen den Willen thnend in Bezie- hung auf den, den sie freigebeten hatten V. 211 gab er ihnen Barabbam los [welcher ja mit zur Stelle war und nun seiner Bande entledigt wurde]; aber Jesum sum auch in Beziehung aus diesen ihnen den Willen zu thun V. 22 ff] ließ er swas mit solchen, die zum Kreuzestode verurtheilt waren, in besonders schweren Fällen geschah und ohne Zweifel mit Barabbas als einem sonderlichen Ver- brecher V. 16 zuvor geschehen wäre, wenn derselbe seine Strafe hätte erleiden müssenj geißeln nnd überantwortete ihn [also hiermit thatsächlich schon dazu], daß er gekrenziget würde swenn auch der förmliche Spruch erst nach einer nochmaligen Ver- handlung erfolgte, s. zu V. 30·]. · Bei den Juden und so auch bei den Heiden, war es gebräuchlich, sich die Hände zu waschen, um damit feine Schuldlosigkeit an einer Blutthat oder sonst verabscheu- ungstvtirdigen Sache zu bezeugen (5. Mos. 21, 6). Die Hände kommen dabei als Werkzeugk der That in Be- tracht, das Wasser aber ist Sinnbi des Reinheit oder Unschnld von derjenigen That, um die es sich handelt. Jn Pf. 26, s; 73, 13 ist der Ausdruck nicht mehr Die füdifchen Oberen sammt dem Volke oerwerfeii Jefum und verlangen feine Hinrichtung. 417 stnnbildliche Handlung, die wirklich vollzogen würde, sondern nur ein redebildliches Bekenntniß des Unschuld- bewußtseins, und wird das Bekenntniß gerade in dieser Form an der ersteren Stelle dadurch nahe gelegt, daß sich in der Seele des Dichters zu der Vorstellung des Altars, von dem er unmittelbar darauf redet, die des vor dem Dienste sich waschenden Priesters gesellt (2. Mos. 30, 20 f.). Dem Pilatus gilt aber hier das Wort eines Dichters aus seinem eigenen heidnischen Volk: »O leichtfertiger Wahn, der des fchaurigen Mor- des Verbrechen völlig zu tilgen vermeint, waschend die Hand in der Fluth.« Daß er das Blut eines Gerechten vergießt, weiß er wohl, aber unfchuldig will er daran sein; sein richterlich Urtheil spricht den fälfehlich Ver- klagten frei, aber seine richterliche Hand, meint er, werde elähmt, gebunden, daß er ihn nicht auch frei geben önne, sie werde vielmehr von der unwiderstehlichen Macht des Schicksals getrieben, ihn der Wuth der Juden preiszugeben, und von aller Schuld an dieser Preis- gebnn will er sie dann vor dem Volke rein waschen und die ganze Verantwortung letzterem zuschieben. Es ist auch eine Schickung Gottes, daß, indem er das thut, er den Hohenpriestern und Aeltesten dasjenige Wort zu- rückgiebt, das sie vorhin (V. 5) zu Judas geredet: ,,da siehe du zu!« — Viel dunkler noch als über dem Land- pfleger lag der Höllenzauber über den Herzen des blin- den Volks; ohne Bedenken wollen die Unglücklichen das ungeheure Gewicht der Schuld auf sich nehmen, welches Pilatus von sich zu wälzen meint. Da ist nicht die leiseste Besorgniß eines möglichen Jrrthums, nicht die entfernteste Ahnung eines Vergehens, nicht der schwächste Gedanke an die Gefahr, einen Unschuldigen zu erwürgen (2. Mos. 23, 7) und Gottes schreckliches Gericht (5. M. 28) aus sich zu ziehen; so groß ist ihre Sicherheit, so vermessen ihr Trotz auf ihr angebliches Recht wider Christum, daß sie die Rache des Allmächtigen ohne Zögern auf sich herniederrnfem wenn sie am Blute Christi sündigen, ja, was ihren Wahn zum Gipfel steigert, nicht nur über sich -— auch über ihre Kinder! O die fürchterliche Nacht der Gewissen , in welche hier unser Auge blicktl Da ist alles Licht erloschen, alle Kraft zu sehen gelähmt und erstarrt; und gewiß nicht vor dem Sturm vorübergehender Leidenschaft, aus blos perfönlichem Groll und Zorn wider Christum läßt solche Verblendung sich nicht erklären. Nur die Feindschaft wider Gott, welche eisern, der Haß gegen Gottes Kin- der, welcher ehern geworden ist, kann das Gewissen so verkehren, daß es den Mord des Sohnes Gottes am Ende noch für Gottesdienst ansieht (Joh. 16 , 2), und das mit einer Selbstversluchung der Welt verkündigt. (Rautenberg.) ,,Sein Blut komme über uns und unsre Kinder, wir wollen die Schuld tragen!« schreit das Volk, und sie müssen sie tragen, Schlag auf Schlag kommt hernach das Gericht; aber nehmen sie’s dem Pilatus ab? — jeder trägt seine Schuld , und erst auf den, welcher Buße thut, kommt Christi Blut zur Ver- söhnung statt zum Fluch, und redet besser denn Abels Blut. (Riggenbach.) Gläubige verwandeln diesen Fluch in einen Segensspruch (J. Lange) O es ist das aller- heilfamste Wort, dies: ,,sein Blut komme über uns l« Entfündige uns, o guter Jefu, mit dem Yfop deines Blutes, »daß wir rein· werden, wasche uns, daß wir schneeweiß werden; dein Blut komme über uns, auf daß, wenn du kommen wirst zum Gerichtstage, du uns sehen wirst gezeichnet mit deinem Blut. (J. Gerhard.) Ohne Zweifel haben die Juden den Mörder Ba- rabbas, als Pilatus ihn jetzt los gab, mit großem Frohlocken in ihre Gesellschaft aufgenommen. (Rambach.) Der Barabbasgeist, der ungöttliche, aufrührerische Frei- heitsschwindel fuhr fortan wie ein böser Dämon in das Volk, entzündete es zu immer größerer Leidenschaft gegen die Römer, riß es gewaltsam fort und stürzte es endlich in den Abgrund des Verderbens. Dieser Geist ist auf die Nachkommen übergegangen, hat sich fortge- pslanzt in der fortwährenden Verwerfung Jefu und in dem Auftreten vieler falschen Messiasse; auch jetzt schreit der Barabbasgeist aus wie vielen jüdischen Vorschreiern! (Heubner.) Jn Barabbas hatte Pilatus den Mörder seiner Seele losgegeben, im HErrn Jefu den Retter seiner Seele verworfen; indem er’s thut, zuckt ihm frei- lich das Gewissen, und er denkt sofort darauf, das Aeu- ßerste, die Kreuzigung noch abzuwenden, er will ihn mit den Geißelhieben nur zur Kreuzesstrafe erst ein- weihen lassen. Die Geißelung war das übliche Vorspiel zur Kreuzigung; verhängte also Pilatiis diese über Jesum, so hieß das: ,,ich will ihn kreuzigen lasfen«, und so wird es auch das Volk genommen haben; aber Pilatus hatte dabei noch eine Aussliicht im Sinne. (Beffer.) Matthäus und Markus nehmen auf diese Ausflucht weiter keine Nücksichy sie fassen das Genüge, das er dem Volke thun wollte, den Anschein, daß Jesus nach geschehener Geißelung gekreuzigt werden solle, für das endgiltige Urtheil, wie es hernach auch erfolgte, selber. (Decker.) Der Kreuzigung ing öfter eine Geißelung vorher; es war die graufame inleitung zur graufamsten Hinrichtung. Sie war die That einer besonderen Erbitterung, wie sie ein Herr empfindet gegen den tückifchen, renitenten, empörerischen Knecht, oder ein Sieger gegen den hartnäckigen Feind, den er endlich nach fchwerem, mit empfindlichen Verlusten verbundenem Kampfe überwältigt hat; da erschien der Tod an und ftir sich, selbst wenn er unter Kreuzesqualen erlitten wurde, noch nicht als entsprechende Rache, der Misse- thäter sollte gleichsam doppelt sterben. Jn einer solchen Erbitterung gegen den HErrn nun befand sich Pilatus nicht, und daß auch die beiden mit Christo gekreuzigten Schächer zuvor die Geißelung erlitten haben sollten, wird immer nnwahrscheinlich bleiben; er hat also, als er dieselbe an Jefu als an dem , der an die Stelle des Barabbas getreten war, vollftrecken ließ und die Juden dies als die Einleitung zu der schon befchlosfenen, ihnen zugestandenen Kreuzigung betrachteten, für sich wohl einen andem Zweck in’s Auge gefaßt; er führte damit den, den Obersten gemachten Vorschlag (Luk. 23, 16 u. 2·2): »ich will ihn züchtigen und loslasfen«, obgleich jene denselben verworfen hatten, nun dennoch zunächst in feinem ersten Theile aus, hoffend, die Juden, welche die Fnrchtbarkeit der Execution noch nicht vor Augen gesehen, würden über dem Anblick derselben von einigem Mitleid ergriffen und so geneigter werden, auch auf die Loslassung einzugehen, zumal der, den sie freigebeten hatten, bereits freigelassen war und er ihnen also dies Mal für Einen Gefangenen gleich zwei schenken wollte. Diejenigen nun, welche man mit Geißeln ziichtigte, wurden an eine Säule angebunden, in der Regel an eine niedrige Säule krumm gefesselt, so daß der entblößte Rücken straff gespannt den harten Streichen preisgegeben war; die Geißel bestand entweder aus Stöcken oder aus Riemen, denen dadiirch eine besondere Schwer- oder Schwungkraft beigebracht war, daß man sle an ihren Enden mit Blei oder Knochen befchwert hatte. Die Execution zerfleischte den Rücken der Ge- schlagenen; sie konnte Ohnmacht zur Folge haben, selbst den Tod. Sie war viel fchwerer als die xüdischet hier wurde nur der Oberleib entblößt, dort der ganze Leib; hier wurden die Schläge gezählt (2. Cor. 11,24), dort ohne Maß und Zahl ertheilt; auch war die römische Geißel viel pein- licher. Jesu Marter hat aber auch darin ihre· erlösende Kraft gezeigt, daß, wo fein Wort durchdrang, diese Grau- samkeit und Willkür von Tag zu Tage mehr aufhörte. 418 Evangelium Matthäi 27, 27—32. 27. Da [nachdem sie noch draußen vor dem Nichthause die Execution der Geißelung vollzogen und ihn wieder angekleidet hatten] nahmen die Kriegsknechte Jesumzu sich in das Richthaus sihn zur Kreuzigung fertig zu machen] und fammelten sindem ihnen der Gedanke kam, zuvor noch ein besonderes Spektakelstück mit ihm auszuführen] über ihn die ganze Schaar loder Cohorte, daß alle, die zu der römischen Besatzung auf ver Burg Antonia gehörten, dem nun folgenden Schauspiel beiwohnen sollten]. Der Moment war gekommen, worin die römische Soldatenfchaar die ganze heftige Reaction ihres wilden heidnischen Sinnes gegen die gewaltige Scheu, welche ihnen Christus in der vergangenen Nacht eingeflößt hatte (Joh. 18, 6), walten ließ. Es ist schon an sich ein Naturtrieb des rohen Sinnes, daß er gern unbe- queme Eindriicke nnfreier Ehrsurcht in einem frechen Spektakelstticke abschtittely dazu kam aber hier noch die dämonische Anrägeun , welche die Soldaten durch die Vor änge der ißgandlung Christi bei Herodes und dur den Tumult des jiidischen Volks empfingen. Es war die Stunde der Entfesselung aller Pöbelmiichte in der Menschheit, ihrer ösfentlichen Empörung gegen den -Gesalbten Gottes unter den Augen, der Zulassung und dem Beifallliicheln der gebildeten und hohen Auctoritäten Der Witz der dämonifchen Aufregung entzündete den Soldatenhaufem ste beschlossen das Stiick, welches die Soldaten des Herodes zu spielen angefangen hatten (Luk. 23, 11), vollends durchzuspielen. Auf die Be- werbun Jesu um die Königswiirde im weißen Kleide, der römis en Candidatentrachh sollte seine Krönung im rothen Prachtgewande und die damit zusammenhängende Huldigung folgen. (P. Lange) 28. Und zogen ihn aus sindem sie ihm wenigstens das Oberkleid abnahmen, vielleicht aber auch den Oberleib völlig entblößtenj nnd legten ihm einen Purpurmantel [einen scharlachrothen Soldatenmantel, welcher das königliche Purpurkleid vorstellen sollte] an, W. Und fluchten eine Dornenkrone kftochten aus jungen, biegsamen Dornenzweigen —— vielleicht von der syrischen Akazie, welche singerlange Stacheln hat —— eine Krone zusammen] nnd fehlen sie auf sein Haupt nnd [drückten] ein Rohr in seine rechte Hand, und beugten [mit allerlei GeberdeUJ die Kniee vor ihm und spotteten ihn [auch mit Worten] nnd sprachen: Gegrüßet seist du, der Juden König. 30. Und speieten lals der Spott nun in die ganze Ausgelassenheit soldatischer Rohheit über-ging] ihn an nnd nahmen das Rohr kihm aus der Hand] und schlugen damit sein Haupt [ihm die Dornen- krone noch tiefer in’s Fleisch hineintreibend, gaben auch, wohl weil seine leidende Geduld und sanft- müthige Gelassenheit ste ärgerte, ihm Backen- streiche]. Wie Pilatus dazu kommt, läßt er ihn sofort in dieser Schmach und Jammergestalt hinaussühren vor das Volk (Joh. II, 4 ff.). »Seht, welch ein Mensch« so möchte er sie rühren: sollte es ihnen nicht zu Herzen gehen? Aber freilich Schande über den Richter, der mit solchen Mitteln rühren will, anstatt Gerechtigkeit zu üben! Nun, wie das Wort von Kaiphas (Joh. 11, 50 f.) ist auch diese Pilatusrede ein Prophetenwort wider Wissen und Willent seht diesen Menschen, gerade den einzig rechten Menschen, vom Jammer der Sünde zerfleischt und ver- höhnt, während neben ihm dieSchuldigen frei ausgehen! — ,,Kreuzige, kreuzige!« heißt es auf’s Neue; ihre Wuth wird nicht entwassnet, nur gewehrt; und wie Pilatus mit Spott und Zorn: ,,thut’s, wenn ihr dtirftl« sie zu bedrohen scheint, daß alle ihre Mühe verloren sei, da rücken sie mit dem tiefsten Grunde ihres Hasses sogar vor dem heidnischen Richter heraus: als Lästerer wider ihr heil. Gesetz« hat er den schmählichen Tod ver- dient. Aber dieses Wort vom Gottessohn wirkt, statt ihn zu bewegen, gerade das Entgegengesetztu der un- gläubige Weltmann hat etwas ge-piirt, der Traum sei- ner Frau hat den Römer beunru9igt, die heiLMajefiät des räthselhaften Königs hat ihm die Seele durchzuckt; hier ist ihm die Gotteswahrheit nahe getreten. Und er tritt ihr nahe mit der Frage: »von wannen bist du?« aber Jesus schweigt; er wußte doch so herrlich zu antworten, aber er schweigt, als sagte er: du wollteft ja vorhin doch nicht hören. Und wie schnell ist elender Beamten- stolz in Pilatus wieder obenaus! wie unwürdig und unwahr ist sein Pochen und Drohenl hat er denn wirk- lich die Macht, nach Laune den schuldlos Erklärten zu verderben? und hat er die Macht in der That, der Feige, ihn loszugeben, wie er sagt? Deine Macht ist dir von oben gegeben, so lautet die göttlich würdige Antwort —- von da, woher ich bin, deutet er an; und wie der HEry der Verklagte als Richter, au die größere Schuld des Kaiphas hinweist, da rasst fich Pilatus zum letzten Male auf, er möchte Jesum ernstltch befreien. aber zu spät, er ist zu tief in seiner Schuld verftrickt. Gerade jetzt verstärken die Feinde den An riff: »du bist des Kaisers Freund nicht, wenn du ihn oslässeft, du machst dich verdächtig, wenn du den Enipörer begün- ftigft.« Dadurch ist er tödtlich getroffenzeine Klage bei dem grausamen argwöhnischen Kaiser Tiberius fürchtet er mehr als den Göttersohn, er willigt ein nach letzten vergeblichen Versuchen des unklug bitteren Spottes über der Juden König, mit denen er unmöglich etwas ande- res erreicht, als daß sie nur immer heftiger werden. Jn der That treten nun die Juden in schrecklicher Heu- chelei das Kleinod ihres Glaubens an den Messias mit Füßen, huldigen lügnerisch dem Kaiser als ihrem ein- zigen König: so sind sie unter ihren Frevel verkauft, und Pilatus gleichfalls; er entrinnt doch nicht der spä- teren Klage und Absetzung — Es war, als Pilatus das Urtheil«sprach, der Rüfttag in Ostern um die sechste Stunde (Joh. 19, 14).- Diese Bezeichnung befremdet, wenn doch Markus (15, 25) ausdrücklich sagt, daß Jesus schon um die dritte Stunde ekreuzigt ward, und auch die andern Evangelisten mel en, daß um die sechste Stunde, d. h. Mittags um 12 Uhr, die Fiusterniß ihren Anfang nahm. (Riggenbach.) Aber bei der Eilfertigkeitz mit welcher das Verhör Jesu betrieben, und da Jesus nach allen Evangelisten schon in der größten Mor en- srühe zu Pilatus gebracht wurde, ist es kaum denk ar, daß Pilatus sein Todesurtheil erst um Mittag ausge- sprochen haben sollte; wozu noch kommt, daß, da der Todestag Jesu auch nach Johannes auf den 15. Nisan getroffen ist, die Richtzeit so unpraktisch wie möglich ausgewählt sein würde, da die heil. Festzeit schon 3 Stunden vorher um die Zeit des Morgenopfers be- gonnen hatte. Sehr wahrscheinlich ist daher die An- nahme, daß Johannes römische Stunden gemeint habe, welche ganz wie bei uns von Mitternacht zu Mitternacht gezählt seien, so daß die sechste Stunde ganz unserm 6 Uhr Morgens entsprechen würde. Ward Jesus um diese Zeit verurtheilt, so bleibt fiir die mancherlei Vor- Jesus, gegeißelt und verspottet, wird zur Kreuzigungsstätte abgeführt Simon trägt das Kreuz. 419 bereitungen auf seine Kreuzigung, für seinen langsamen Todesgang nach dem außerhalb der Stadt gelegenen Golgatha hinlänglich eit, und er konnte, wie Markus berichtet, wirklich um Uhr Morgens auf Golgatha ge- kreuzigt werden. Johannes zählte absichtlich nach römi- scher Weise, weil von einer Gerichtsverhandlung vor dem römischen Latidpfleger die Rede ist; und er that das um so lieber, als auch der Festtag des 15. Nisan in seinem Unterschiede vom Passa des vorhergehenden Abends (wegen 2. Mof. 12, 29) gerade um Mitternacht anfing. (Wiefeler.) 31. Und da sie ihn verspottet hatten [und er ihnen nach den aus Joh. 19, 4 ff. eben mitge- theilten weiteren Vorgängen nun förmlich und feierlich vom Landpsleger zur Kreuzigung til-einni- wortet worden war Joh. II, 16], zogen sie ihm den [Purpur-] Mantel» [V. 281 ans und zogen ihm feine [eigenen] Kleider [wieder] an, nnd fuh- reteii ihn sals nun alles zur Hinrichtung fertig ge- macht war, Vormittags 9 Uhr] hin [nach Golgatha V. 33], daß sie ihn krenzigten Die Kreuzesstrafe war beides, die schmerzhafteste und schmählichste Todesarh eine Strafe für schwere, aber gemeine Verbrecher ((Jic. Von. v, 64 u. 66), besonders für Sklaven, dann für Straßenräubey Meu- chelmördey Fälscher, Diebe und Aufrührerx nie wurde fie über einen römischen Bürger verhängt. Was die Kreuzesform betrifft, so ist ein Kreuz an und für sich jede Figur, die durch zwei in einem Punkte zusammen- treffende oder fich schneidende Linien gebildet wird. Die einfachste und ursprünglichste Form ist, wenn, eine wag- rechte Linie auf einer senkrechten aufliegt (orux com— wiss-V: T; es bildete im alten phönizischen Alphabet den Buchstaben Thau, und haben davon auch die Grie- chen und Römer die Gestalt ihres T entlehnt. Viele Kirchenväter glauben nun auch Jesum an einem solchen Kreuz gestorben, weil ihnen dafür die Stelle: Heset I, 4 u. 6 zu sprechen schien; indessen ist die Kirche darin einig geworden, daß nicht die Form, wobei ein Quer- balken einfach auf dem Kopfe des Pfahls aufliegt, son- dern die, wobei der Querbalken weiter unten in den Pfahl eingelassen ist (crux immissa): das Kreuz Christi war, und nun ward es eine Lieblingsanfgabe der Apologeten und älteren Kirchenväter nachzuweisem wie dieses Kreuz eine Grundgestalt schon in der natür- lichen Schöpfung und damit die ganze Natur (mit ihren 4 Himmelsgegendem dem fliegenden Vogel, dem schwim- menden oder mit ausgebreiteten Armen betenden Men- schen) eine stille Weifsagung auf Christum sei. Immer- hin muß Gottes weise Vorsehung darin anerkannt wer- den, daß die durch das römische Weltvolk vollzogene Tödtung des Welterlösers gerade durch das Marter- werkzeug geschehen mußte, welches wie kein anderes fähig ist, als ein Zeichen vor und in aller Welt ge- macht, dargestellt, aufgepflanzt nnd angeschaut zu wer- den, auch ohne daß es den Leib des daran ausgespannten Erliisers zu enthalten braucht, der aber als sterbend und gestorben wiederum nicht besser dem Auge vorgebildet werden kann, als eben am Kreuze. (Merz.) II. v. 32—44. (§.121.) ,,clieselbe Kürze nnd Erhaben- heit, mit welcher matlhäns das seiden Christi in den Gerichten schildert, zeichnet auch seine Erzählung der tjiurichtung ans« Gan; hingenommen von dem Gedan- ken daran, wie wörtlich genau das Programm des kei- dens Christi in ps.22 sich namentlich in der verspot- tnng, die er am Kreuze erfahren mußte, erfüllt habe, zählt er der Reihe nach dir verschiedenen Klassen der Eäflerer auf nnd nimmt in diese auch die beiden Mit— gekreuzigten ohne- Unterschied ans; in solcher Dardelliiug folgt ihm dann Mariens, während Lukas die beiden ilebelthäter genau ans einander hält. (vgl. starb. 15, 21—32; kalt. Es, 26-—4Z; Joh. 19, 17—27.) 32. Und indem sie lwohl ziemlich auf dem- selben Wege, den» die traditionelle via dolorosa auf Karte VII dafür angiebt, nur daß sie nächst o nicht westlich nach b herüber, sondern nördlich«hin- auf nach dem Damaskusthor sich wendeten] hinaus gingen [nach der Richtstätte außerhalb der Stadt 4. Mos 15, 35 f.; 1. Kost. 21, 13; Apostg. 7, 585 Hebt. 13, l2], fanden sie [der Sage nach zwischen e u. d Kap. 21, 1l An«m.] einen Meu- schen von Khtcne [oder Cyrene, der Von vielen Juden bewohnten Stadt im afrikanischen Libyen, s. Karte V1II, der gerade von außerhalb Jerusa- lems daher kam und als ein Fremdling nicht zu gut schien zu der für einen Schimpf geltenden Lei- stung], mit Namen Simon; den zwangen sie, daß er ihm [dem HErrn Jesuj sein Kreuz trug. Statt der Liktoren, welche dem Pilatus als Unter- ftatthalter nicht zustanden , wurde Jesus von Soldaten hinausgeführtx ein Centnrio Hauptmann) zu Pferde er- öffnete den Zug, ein Herold aber, dem Verurtheilten vorangehend, verkündigte sein Urtheil. (P. Lange) Jesus trug zuerst sein Kreuz selbst (Joh. 19, 17), wie es auch die Regel war bei dieser Art Hinrichtung; wahrscheinlich war seine Leibesfchwachheit so sichilich, daß die Kriegsknechte ihm einen Stellvertreter suchten. Aus der Schmach, die auf diesem Geschäft ruhte, besonders da das Kreuz, an dem ein Mensch sterben sollte, verun- reinigte, erklärt es sich, warum die Kriegsknechte nicht wagten, aus der begleitenden Menge jenen Gehilfen zu nehmen, dagegen nach dem nächsten Begegnenden griffen, den fie als einen Fremden erkennen mochten. (v. Burger.) Simon hatte nicht etwa ans dem Felde, von welchem er kam, gearbeitet, sondern es heißt nur (Mark. 15, 21; Luk. 2 , 26), er kam vom Felde her, weil er vermuth- lich bei der Menge der Festgäste auswärts in der Nähe der Stadt auf dem Lande übernachtet hatte. (Lichten- ftein.) So schwer kommt uns das Kreuz an, daß wir’s nicht anders als gezwungen und ungern aufnehmen, da es uns doch so nöthig und selig ist —- Jesus voran, wir hinten nach; o freuet euch, daß ihr mit Christo leidet: l. Petr. 4, 13. (Tüb. Bib.) Er konnte anfangs sich nicht sogleich darein finden; es gin ihm schwer ein, daß er stch so verunglimpfen lassen so te. Aber da er die Sanftmuth und ungemeine Geduld des HErrn Jesu, der vor ihm geführt wurde, erblickte, so wird er gar bald auch seine Seele in Geduld gefaßt und sich mit aller Stille darein ergeben haben. Im Uebrigen muß der Simon von Cyrene die Stelle des Simon Petrus allhier vertreten, welcher zwar theuer versprochen hatte, seinem Meister zu folgen und mit ihm in den Tod zu gehen (Joh. 13, 37), aber solches nicht gehalten, sondern mit den übrigen Jüngern die Flucht ergriffen hatte; daher die wunderbare« Vorsehung Gottes einen andern Simon herbeiführte, der Christo bei seinem Todesgange Gesellschaft leisten mußte. (Rambach.) Daß Simon Christ wurde, vielleicht eben durch diese seine Betheili- gung und Gegenwart bei der Kreuzigung dazu ent- W« 420 Evangelium Matthät 27, 33——37. schieden, ist aus Mark. 15, 21 zu schließen. (Meher.) Welch ein Auszug verglichen mit dem Einzug vor 5 Tagen! Das ift der König, welchen sein Volk verstößt. Der Fremde wird zum unsreiwilligen schimpflichen Dienst gepreßt; nicht aus Mitleid mit Jesu legen sie Simon das Kreuz auf, sondern aus hastiger Eile, weil der Erschöpfte nicht weiter kann. Dem großen Helfer muß Simon helfen. Die erste Bekanntschaft unter der Schmach des Kreuzes wird zum Segen für ihn und sein Haus. (Riggenbach.) Jesus redet hierauf die Weiber an, die ihm folgen: Luk. 23, 27 ff. (Starke.) Stumm geht der Mann der Schmerzen dahin, nur für die Frauen, die über ihn wehklagen, hat er ein Wort des liebenden Ernstesx es find nicht Jiingerinnen, das zeigt seine Rede; er wehrt ihren unfruchtbaren Thränen, worin die unbeständige Rührung nur um die Leibes- schmerzen jammern Das weiche Herz soll tiefer in stch gehen: über ench und eure Kinder weint, eurer Sünden gedenkt, bevor die Tage des Fluches kommen, davon die Propheten geweissagt haben. Abwenden werdet ihr sie nicht, aber wollt ihr nicht fiir euch dem Gericht ent- rinnen? unaufhaltsam bricht es herein; denn so man das thut am grünen Holz, was will am dürren wer- den? Er denkt an das Wort von Hesekiel (20, 47), wo derselbe großartig schrecklich den Waldbrand schil- dert: ,,ich will in dir ein Feuer anzünden, das soll beide, grüne und dürre Bäume verzehren, daß man seine Flamme nicht wird löschen können« Das bedeutet ein Gericht, welches ausrottet Gerechte und Ungerechte (21. 3). Der saftige lebensfrische Baum, in keiner Weise dem Feuer verfallen, der völlig Gerechte ist Er allein: wenn Jhn die Qual solches Leidens trifft, wie wollen die Ungerechten entrinnen? So bezeugt er seine heilige Unschuld und läßt uns merken, wie in den Worten vom Kreuz herunter, daß bis in den Tod hin- ein das prophetische Wort seine Seele speist. (Riggenbach.) Bei der Versuchung Kp. 4 war’s das Gesetz; gewesen. 33. Und da sie an die szur Hinrichtung be- stimmte] Stätte kamen, mit Namen Golgatha das i ist Verdelitscheh Scheidelståtie swegen ihrer, einem Schädel ähnlichen Gestalt so genannt, s. die Ab: bildung der Jeremias-Grotte zu Kap. 21, 11 Blum. auf S. 300J, , 34. Gaben sie ihm [nach jiidischem Gebrauch, den zum Tode Berurtheilten einen Trank von be- täubender Wirkung zu reichen, damit sie die Schmerzen weniger fühlen möchten Spr. 31, 6 f.] Essig [Weinessig] zu trinken mit Galle [Ps. 69, e 22 Anm.,·d. i. mit Myrrhe und anderm Bitter- t siofss vermischt; und da ers schmeckte sdaß das Getränk in dieser Weise zugerichtet war], wollte er sum stch nicht betäuben zu lassen, sondern in vol- lem, klarem Bewußtsein das über ihn verhängte Leiden ganz durchzukostenj nicht [davon] trinken swährend er später, unmittelbar vor dem Ver- scheiden, selber einen Trank von dem gewöhnlichen Soldatenwein in Anspruch nahm V. 48; Ruth 2, 9 Anm.]. Wir sind angekommen auf Golgatha Hätten wir doch lauter Leser, die entweder schon singen oder noch singen lernen mit dem Dichter der Brüdergemeinde: ,,Jch bin durch manche Zeiten, wohl gar durch Ewig- keiten in meinem Geist gereist; nichts hat mir’s Herz genommen, als da ich angekommen auf Golgatha — Gott sei gepreistl« Durch Zeiten des eignen Lebens und der ganzen Geschichte der Menschheit, wohl gar durch Ewigkeiten im Suchen, Forschen und Betrachten — daß dort nichts uns das Herz voll Sünde und Seh- nen völlig nimmt für Gott, um es in Gott zu einem andern zu machen und wiederzugeben , das weiß jeder, dem es auch so genommen ist. Reise, wohin du willst, mit deinen Füßen und in deinem Geist: überall am Ende schon eine Schädelstätte des Todes und Gerichts, hinweisend auf die neben Jerusalem; hier aber ertönt nicht blos das Wort vom Sinai: »Der Tod ist der Sünde Sold,« sondern die Gnadengabe des ewigen Lebens verklärt sich siegreich im Kreuze, das auf der Stätte steht. Aus der tiefsten Tiefe des Verderbens bricht zur höchften Höhe hervor die Liebe Gottes in Christo; wessen Glaube sie ergreift, kann Gott preisen. (Stierh Jetzh wo Jesus im Begriff stand, den Kelch zu leeren, welchen ihm sein Vater bereitet hatte, was wäre ihm jetzt ein Trank gewesen, der die Klarheit des Bewußtseins nmnachtet hätte? nichts anderes als der Teufel Kelch (l. Cor. 10, 21)! Er kostet ihn «— eine leibliche Erquickung wäre ihm genehm gewesen; aber er lehnt ihn ab , indem er die Beschaffenheit und Bestim- mung desselben bemerkt. (Steinmeyer.) Die Verurtheilten wurden gewöhnlich an das bereits aufgerichtete Kreuz geheftet, nur ausnahmsweise wurde der Körper eines zu Kreuzigenden zuvor an das , »auf dem Boden liegende Kreuz befestigt; so ist auch die gemeinsame An- nahme der Kirchenväter für jene erste Art, und die alt- deutschen Maler, welche Jesum auf das am Boden.lie- gende und in der letzten Zubereitung begrissene Kreuz fich niedersetzen lassen, nm so daran genagelt zu werden, haben wohl Unrecht. Die eigentliche Kreuzigung, das Annagelm geschah in folgender Weise: zuerst zogen den vorher nackt Ausgezogenen vier Soldaten mit Stricken in die Höhe und setzten ihn auf das sedile (den in der Mitte des Kreuzes hornartig hervorragenden Pflock, aus dem der Körper sitzend — oder vielmehr, da derselbe zwischen den Beinen hindurch ging, reitend - sich hin- ten anlehnen konnte, damit die Hände nicht durch die Schwere des Körpers aus den Nägeln geschlitzt wür- den), dann wurden Arme und Füße festgebunden, hier- aus starke Nägel durch die Hände getrieben, endlich die Füße angenagelt (,,nur der Unglaube, welcher von Scheintod träumt, hegt den Wunsch, die Füße verschont zu denken«). Ob in jeden Fuß ein besonderer Nagel geschlagen wurde, wie die ältere christliche Kunst in Darstellung des Crucifixes annahm, oder ob beide Füße übereinander mit Einem Nagel durchbohrt wurden, wie die neueren Darstellungen seit dem 13. Jahrh wollen, läßt sich nicht sicher entscheidetn («Für jene erstere Art spricht nicht nur von vornherein schon die Unange- messenheit der Befestigung beider Füße über einander, wozu ein sehr langer und dicker Nagel nöthig gewesen wäre, welcher dennoch ohne Verrenkung, ja»Brechung der Füße schwerlich die nöthige Festigkeit gegeben hätte, sondern auch die alte Ueberlieferung von zwei Paaren der Kreuzesnägel; die unnatürliche Streckung der Beine und Füße, wie sie gewöhnlich abgebildet wird, war ganz unnöthig, wenn der Gekreuzigte die Kniee nach vorn krümmen mußte, und so die Fußsohlen schlicht an den Kreuzesschaft anzuliegen kamen.«) Das Kreuz wird meiftentheils viel zu hoch dargestellt; nur für ausge- zeichnete Verbrecher wurde es mitunter höher gemacht, in der Regel standen die Füße eines Gekreuzigten nur einige Schuh über dem Boden. Daß es mit dem Kreuze Jesu nicht anders war, beweist der Ysopstengeh auf dem man ihm den Schwamm mit Essig reichte (V·48), denn der in der Umgebung Jerusalems häufig wachsende Ysop erreichte mit seinem Stengel selten mehr als einen Fuß. (Merz.) Jesus wird gekreuzigt; um feine Kleider wird geloost. Pilati Aufschrift am Kreuz. 421 35. Da sie [die Kriegsknechte, ihrer vier an der Zahl] ihn aber gekreuziget [und damit nach römischein Brauch das Anrecht an feine letzte Habe erlangt] hatten, theilten sie seine Kleider [nämlich das Obergewand, dessen Nähte sie auflösten und es dann in 4 Siücke zerlegten, wozu etwa noch der Gürtel, die Sandalen, die Kopfbedeckung und ein leinenes Hemd kamen] und warfen [was das Untergewand Z. Mos. 12, 34 Anm. betrifft oder den Leibrock, der sich nicht theilen ließ Joh.19,23] das Loos darum sweß er sein sollte], auf daß Hei- nem ganzen Wortlaut nach] erfullei würde, das litt Pf« 22- »18] gesagt ist durch den Propheten [nämlich David Apostg 2, 30]: Sie haben meine Kleider unter sich getheilet, nnd um meinen Rock haben sie das Loos geworfen. 36. Und sie snachdem sie auch dieses Werk, das zur Erfüllung einer Weissagung der Schrift diente, vollbracht] saßen [hernach, während der ganzen Zeit, da Jesus am Kreuze hing] allda und hnieten sein [wie das auch sonst mit Gekreuzigten zu geschehen pflegte, damit sie nicht vorzeitig oder ungesetzlich abgenommen würden] Ohne Frage werden in Pf. 22, 19 nicht minder wie bei den 3 ersten Evangelisten (v l. Mark·15, 24 u. Luk. 23, 34) die Begriffe der Vert eilung und der Ver- loosung scharf von einander gesondert, und jeder der- selben empfängt eine gleich starke Betonung: es hat eben ein Zwiefaches stattgefunden, eine Vertheilung und eine Verloosung. Und wenn Johannes (19, 23 u. 24), welcher den Hergang aus unmittelbarfter Nähe beob- achtet hat, wahrnahm, daß beides sogar nach einan- der gefchehen ist, so lag ihm die Erwägung sehr nahe, wie vollständig und wie genau an Jesu in Erfüllung gegangen sei, was David im Geiste geschaut. Kraft des Schlußwortes: ,,solches thaten die Kriegsknechte« heißt Johannes den Leser an dieser Stelle verweilen. (Stein- wehen) Auch diese rohen Menschen aus fernen Landen waren unter das Gesetz gestellt, daß sie zur Erfüllung der Schrift mitwirken mußten, obwohl sie es natürlich durchaus unbewußt thaten. Mit der Loosung über das Gewand Christi nimmt die Unterhaltung der Soldaten einen Anstrich von Würfelspiel an, den die tiefere Be- trachtung der Contraste in der Passionsgeichichte nicht hat übersehen können; jedenfalls zeigen die Soldaten in der Begierde , mit welcher sie sich gleich am Fuße des Kreuzes in die Beute theilen, in der Geschwindigkeit, womit sie auf den Gedanken kommen, über das Gewand Christi das Loos zu werfen, daß sie sich auch an dieser Stelle mit großer Kraft der Rohheit und der Ahnungs- losigkeit in dem Elemente des gemeinen soldatischen Weltlebens bewegen. (P. Lange.) Diese elenden Leute hätten das Paradies von Christo bekommen können, ·leichwie es der eine Schächer von ihm bekommen, wenn e sich hätten vor ihm demüthigen, ihre Sünden er- kennen, und da er selbst bei seinem Vater für sie bat, sich der ausgebetenen Vergebung theilhaftig machen wollen; aber statt dessen sind sie zufrieden, daß sie einige Ellen Zeug von seinem Rock davontragen, sie theilen sich in seine Kleider und lassen unterdessen ihn bluten und sterben. Hierin sind sie ein Bild irdisch gesinnter Namen- chriften, ie zufrieden sind, wenn sie in der Welt ihr gutes Auskommen haben, aber wenig darum bekümmert find, daß sie Jesum den Gekreuzi ten erkennen und ein Herz voll Glaubens und heil. Gei es bekommen mögen. (Rambach.) Wie mancher Zuhörer sitzt bei Anhörung der Passionspredigten allda und hat so wenig Nutzen davon, als diese Kriegsknechth welche beim Kreuze Christi saßen und alles mit ansahen: Des. 33, 31. (Starke.) 37. Und [um hier auf die Handlung der Kreuzigung selber, von der oben noch nicht die Rede gewesen, zuriickzukommen] oben zu seinen Häupten [an dem Theile des Kreuzesstammes der über den Querbalken hinausragte] hefteten fie sauf einer Tafel] die Ursache feines Todes beschrieben [die Angabe der Ursache, weshalb er zum Tode verurtheilt worden sei, in lateinischer, griechischer und hebräischer Sprache Luk. 23, 28; Joh. 19, 19 H, nanilich: Dies ist Jesus [von Nazareth], der' Juden Kvnig [lat. Jesus Nazarenukk Rex Judaeorum — abgekürzt: J. N. R. J.]. Die Kreuzigung fand nach Mark. 15 , 28 statt um 9 Uhr Vormittags; während des schrecklichen Aktes der- selben, der von keinem der vier Evangeliften näher be- schrieben wird, redete Jesus sein erstes der 7 Worte (Luk. 83, 34): ,,Vater, vergieb ihnen; denn sie wissen nicht, was sie thun ,« und bat damit auch ftir die, die er in seinem hohepriesterlirhen Gebet von seiner Fürbitte aus· drücklich ausgeschlossen» hatte (Joh. 17, 9). Den Be- schluß machte dann die Anheftuiig der Aufschrifh und ging es darnach erst zur Vertheilung und Verloo ung der Kleider, von der Matthäus und Markus glei zu allererst berichten, noch bevor sie jener Aufschrift erwäh- nen, währeiid Lukas und Johannes sich nach der Zeit- folge richten. Was nun die, des Todes Ursach ange- bende Tafel betrifft, so tru« nach Dio Cassius (54, 8) der zur Kreuzigung Verurtheilte bei der Abführung zur Richtstätte eine solche am Halse über der Brust; sie wurde dann nach der Hinrichtung oben am Kreuze an- geheftet, wie Hefychius ausdrücklich bemerkt. Auf dem Wege nach Golgatha haben die Hohenpriester und Aet- testen noch nicht bemerkt, was auf die Tafel, die Jesus trug, der Landpfleger hatte schreiben lassen; erst nach der Anheftung, als sie von vielen Juden mit Interesse gelesen ward, wurden sie auf den Inhalt aufinerksam und beschwerten sich um so mehr bei Pilatus über eine solche Angabe, welche besagte: ,,diefer ist der König der Juden«, als sie, in drei Sprachen verfaßt, die Juden doch gar zu sehr öffentlich bloß stellte, und verlan ten eine Abänderung des Wortlauts dahin: ,,Jesus abe gesagt: ich bin der König der Juden« (Joh.1i·),1lN—22). Das aber eben war des Landpflegers eigentliche Absicht gewesen, daß die Worte, mit welchen er die Verhand- lung mit den Hohenpriestern geschlosfen (Joh.19, 14»s.): ,,Sehet, das ist euer König! Soll ich euren König kreuzigen?« in dem Sinne, wie er sie gemeint, und in dem Tone, wie er sie gesprochen, ihnen von der Höhe des Kreuzes entgegenleuchten sollten; er wollte damit sich an ihnen rächen für den Zwang, den sie seinem Gewissen angethan, und sie öffentlich als solche, welche die Hoffnung ihres Volks verleugnet, bloßstellem Sie ihrerseits haben aber, zumal als sie mit ihrem Ver- langen abgewiesen wurden und die ihnen so ärgerliche Ueberschrift blieb, wie sie einmal abgefaßt war, ohne Zweifel noch mehr darin gefühlt, als nur des Römers Hohn; sie haben gemerkt, daß, wie sich der Vorgang unter dem Walten der göttlichen Hände vollzogen und derselbe nun als ein Zeugnis; Gottes wider sie in der Geschichte dastehe, so nun anch sich zu erfüllen beginne, was der von ihnen zum Tode Gebrachte in dem Verhör vor Kaiphas ihnen vorausgesagt (Kap. 26 , 64): »von nun an wird es geschehen, aß ihr sehen werdet des 422 Evangelium Matthäi 27 , 38—45. Menschen Sohn sitzen zur Rechten der Kraft, und kom- men in den Wolken des Himmels« Wohl in Folge der bei Pilatus erfahrenen Abweisung ihres Antrags und gepeinigt von dem Brandmal im Gewissen ergehen sie sich hernach um so rtickhaltloser in der Verspottung des Gekreuzigtem die sich auf die Aussage der Ueber- schrift bezieht und ihren Stachel aus dem Contraste zwischen Bild und Ueberschrift entnimmt; es sind da wirklich, wie es in Pf. 57, 5; 140, 4 u. Röm. 3, 14" heißt, ihre Zungen scharfe Schwerter, Otterngift ist unter ihren Lippen, und ihr Mund ist voll Fluchens und Bitterkeit. Bedeutsam ist es , daß die ersten Pre- digten der Apostel sich auffallend häufig der Bezeichnung »Jesus von Nazareth«, die sonst der apostolischen Pre- digt fremd ist, bedienen (Apoftg. 2, 22; 3, 6;. 4, 10); es geschah dies, so lange die Erinnerung an die Ueber- schrist am Kreuze noch lebendig im Bewußtsein war, und geschah ohne Zweifel in der Absicht, den Juden zum Bewußtsein zu bringen: nicht gesagt habe dieser Jesus Von Nazareth, er sei der König der Juden, wie die Obersten wollten, sondern er sei es wirklich und das »ist« des Pilatus bestehe in voller Wahrheit. ,,Pilatus hat auch in diesem Wort geweissagt; in mehr als anderthalbhundert Sprachen und in tausendmal- tausend Herzen ist die Aufschrift wiederholt und im Glauben genommen worden, die der römische Land- pfleger als Schmähung meinte.« 38. Und da [als man ihn selber kreUzigteJ wurden [vielleicht von einem andern Commando Soldaten] zween Mörder sim Grundtext: Räuber, worunter aber schwärmerische Aufrührer zu ver- siehen sind, wie sie der jiidische Krieg später in Unzahl erzeugte, vgl. Mark. 15, 7] mit ihm ge- kreuzigeh einer zur Rechten nnd einer zur Linken [wodurch sich die Schrift ersüllete: er ist unter die Uebelthäter gerechnet Mark. 15, 28; Luk. 22, 37; Jes. 53, 12]. 39. Die aber [an der Stätte V. 331 pok- übergingen lnach Beendigung des Morgenopfers vor das Thor spazierend, besonders nach dieser be- lebten Feldseite hin], liisterten ihn [als einen, den Gottes Fluch getroffen und mit dem es nun ganz aus sei] nnd schüttelten fzur Bezeugung ihrer Schadenfreude Pf. 22, 8] ihre Köpfe, · 40. Und sprachen [denn der Hoherath hatte dafür gesorgt, daß die Verhandlung in Kap. 26, 61 u. 64 allgemein bekannt und durch die Aus- sage der Zeugen der Unwille der aus ihren Tempel stolzen Bewohner Jerusalems in recht schlimmer Weise gegen ihn erregt würde]: Der du den Tempel Gottes zerbrichst, und bauest ihn swiederj in dreien Tagen [also eine Gottesmacht ohnegleichen dir selber zutraUstL hilf dir selber [aus deiner Noth, das kann ja dir nur ein Leichtes sein]. Bist du Gottes Sohn, so steig herab vom Kreuz [und laß es doch nicht so beim bloßen Aussagen bewenden, sondern beweis es uns auch mit der That V. 42]. 41. Desgleichen auch die tzohenpriester spot- teten sein, sammt den Schriftgelehrteu nnd Aeltesten [als sie, von ihrer vergeblichen Vorstellung bei Pilatus Joh. IS, 21 f. zurückgekehrt, sich nun wieder beim Kreuze einfanden], und sprachen« [in die Verspottung des Pöbels einstimmend und sie weiter führend]: 42. Andern hat er geholfen fund es gern gesehen, daß man ihn für einen großen Wunder- thäter aUsfchreieJ nnd kann [doch, wie es nun am Tage ist] ihm selber nicht helfen [da muß es doch mit seinen Wundern iiichts als Betrug gewesen sein]. Ist er der König Israel [wie die Ueber- schrift zu seinen Häupten besagt], so steige et nun vom Kreuz, so wollen wir ihm glauben sfür einen König aber, der am Kreuze auch noch enden wird, müssen wir uns bedanken 1. Cor. 1, 23]. 43. Er hat Gott vertranet ssich damit, daß er sowohl vor dem geistlichen als dem weltlichen Gericht oft genug nicht geantwortet, wenn er ge- fragt und verklagt wurde, und alles ruhig hinge- nommen, was über ihn erging, sich das Ansehen gegeben, als stelle er alles Gott anheim, der» da richtet], der erlöst ihn nun [nachdem es mit ihm bereits aufs Aeußerste gekommen und keine Zeit zum Eingreifen des Himmels mehr zu verlieren ist], lnsteks ihn fund das sollte ja billig geschehen]; denn er hat gesagt: Jch bin Gottes Sohn ssemen Sohn aber wird Gott gewiß nicht in solcher Noth stecken lassen———nun er jedoch ihn stecken läßt, giebt da der Himmel nicht selber Zeugnis; daß wir nach Fug und Recht ihn als Gotteslästerer zum Tode verurtheilt haben?]· « 44. Desgleichen [da es hier sich nur um die- jenigen Seiten handelt, von welcher her Lästerungen auf den Gekreuzigten gehäuft wurden] schinaheten ihn auch [in dem einen von den zween V. 38] die Mörder, die mit ihm gekreuziget waren [also die elendesten und armseligsten aller Menschem und selber dem fchmählichsten Tode geweiht, als mußten sie den Chor der Verächter seines Namens voll machen] · Jn Luk. 23, 36 f. wird noch» erwähnt, daß die Kriegskiiechte mit höhnischen Reden ihm Essig ungeboren: das ist nicht die Tränkung, die er zuerst verschmäht hatte, tvelche aus schlechtem Weimund Bitterstoffen Fe- mischt das Gefühl des Gekreuzigten betauben so te (V. Ist) , und das ist auch nicht die Löschun des bren- nenden Durstes, die er sich vor dem S eiden erbat (V. 48), sondern zwischenein fällt dieser Spott der Sol- daten, welche, da sie selber, unter dem Kreuze sitzend (V. 36), Essig tranken, mit rohem Scherze fragten, ob er auch davon wolle. Wie sie doch unteneinander wetteiferten, das Volk und die Obersten, die Mitge- kreuzigten und die Soldaten, Juden und Heiden, den Gekreuzigten mit Worten und Geberden zu höhnen! Einen sterbenden Mörder verspottet man schwerlich; der Gerechte muß auch diesen Kelch leeren! Jn Betrefs der beiden Mitgekreuzigten ist es eine falsche Annahme mancher Auslegey als hätte der eine, an den sich auf seine Bitte Christi zweites Wort am Kreuze richtet, anfangs auch mit dem andern gespottet und darnach erst zu dem Errn sich bekehrt; in solchem alle hatte er nimmerme r, wie er denn thut, »seinen itgekreus zigten strafen dürfen, man ist auf diese Annahme nur Zwei Uebelthäter werden mit Jesu abgethan. Der gekrenzigte Jesus wird verhöhnt. 423 gekommen wegen der Darstellung bei Matthäiis und Markus , die auch die von den Mördern ausgegangene Lästerung berichten, ohne näher zu bemerken, ob einer nur oder beide daran thätigen Antheil nahmen, erst Lukas ergänzt die so allgemein gehaltene Darftelluiig durch seine eingehende Erzählung. Nachdem der Spott der Spötter einen so herrlichen Ausgang genommen, daß gerade von den beiden Mitgekreuzigten einer Jesum in seiner verborgenen Herrlichkeit erkennt und als den König Jsraels ekennt, der nun bald sein Reich ein- nehmen werde, und die Lästerer, ihrer Schmähreden selber nun müde geworden, stch von dem Kreuze ver- lieren, finden stch die bisher zuriickgedrängten Freunde unter demselben ein; darunter die Mutter und der Jlinger der Liebe. »Jener geht jetzt das Schwert durch die Seele, von welchem Simeon ihr geweisfagt hat (Luk. L, 35); aber im edelsten Schmerz gestärkt und getragen steht sie unter dem Kreuz, fällt nicht in Ohnmacht. Da vermacht er ihr den neuen Sohn, und diesem vermacht nnd empfiehlt er die Mutter (Joh. II, 25 ff.), und ist das hierher gehärige Wort Christi das dritte unter den sieben. »Weib«, sagt er wiederum wie zu einer Fremden (Ioh. 2, 4), löst das Band der irdischen Ver- wandtschaft und bewährt sich doch gerade hierin zum letzten Mal als treuefter Sohn. Nicht als wiese er die Gemeinde zum Schutz und zur Pflege an feine Mutter, die Hinimelskönigim vielmehr weist er die fchwache Frau zum Schtitz und zur Pflege an den neuen Sohn; und dieser folgt auf der Stelle dem Winke, der ihm einen großen Auftrag giebt zum Trost in großer Traurigkeit, wir aber sollen wohl verstehen, daß er sie vor dem schrecklichen Leiden, wie es im nächsten Abfchnitt folgt, hinwegführh wie denn auch nachher die Jüngerinnen ferne stehen und die Mutter nicht mehr bei ihnen ist.« III. o. its-se. (§.192.) um die runiqgszkii entsteht eine Finsternis, die über das ganze stand sich verbreitet, das tktrht dee Sonne ansliischt nnd gegen 3 Stunden andanert. Um 3 ilhr stößt Jesus dann den Sehrei der . Gottoerlassenheit ans, was in Verbindung niit dem durch i die Klage über Durst herbeigeführten Träntien von Seiten eines der Kriegslmechte den Anlaß zu neuen Spöttereien unter dem Kreuze giebt. Die beiden letzten Worte ttihristi deutet St. Matthäns nur leise an, ohne sie zu nennen, und berichtet zugleich von seinem dlerskhridenz desto aus— fährliktier geht er dann ein auf die Wirkungen, die der Tod des Halten auf den Tempel und auf die natur, auf das ilieikh der Todten nnd auf die Lebendigen mit sitt) brachte. (d1gl. Mart. is, 3Z——41; Bitte. W, 44— 49; Loh. t9, 28—37.) 45. Und von der sechsten [der Mittags-J Stunde an ward lnachdem Jesus nun schon 3 Stunden am Kreuze gehangen] eine saußerordentlich von Gott bewirkte] Finsternis über das ganze stü- discheJ Land [indem die Luft sich mehr nnd mehr bis zuletzt in dem Maße verdunkeln, daß auch die Sonne ihren Glanz verlor und nur noch als ein matt glühender Ball ohne lenchtende Kraft am Himmel hing Las. 23, 45], bis« zu der neunten Stunde lNachmittags Z Uhr Jes. b, 30; Amos 8 9]. . , Origenes und Eufebius berufen sich auf eine große Sonneiifinsterniß, welcher nach Angabe des Phlegon aus Tralliis, eines Chronikenschreibers des 2. Jahrh., in der 202. Olympiade ftattfand; damit aber kann dies hier erzählte Ereigniß nicht zusammenhängem da eine Son- nenfinsterniß nur zur Zeit des Neumondes stattsindey der Tod Jesu aber auf die Zeit des Passa, also des Vollmondes fiel. Auch redet der Evangelist von keiner astronomischen Verfinsterung der Sonne, wie Phlegon sie im Auge hat, und St. Lukas bemerkt ausdrlicklich, daß die Verdunkelung der Sonne erst eine Folge der Verfinsterung der Erde war, nicht umgekehrt; nach Be- rechnung der Gelehrten fiel jene Sonnensinsterniß auf den 24. November des J. 29 n. Chr» also in die Zwi- schenzeit von 2—6 Wochen, die wir auf S.271 zu §.78 der Chronologie angegeben haben. ,,Noch hatte bisher das Licht der Sonne die Schreckens- und Iammersceneii auf Golgatha beschienem die Spötter spotten, die Schauer gaffen, der HErr leidet — alles geht seinen Gang, als ob nichts gefchähe, das Gott einzugreifen be- wegen könnte. »Wenn Gott heute kein Zeichen thut«, so sprach und dachte wohl mancher mit mancherlei Sinn und Gedanken; und stehe, es geschieht ein Zeichen, plötzlich bricht am hellen Mittag Dunkel herein, wie bei der Geburt Christi die Mitternacht erleuchtet wurde. Es ist das zunächst ein Warnnngszeichem ein Vor- bild und Zeugniß, daß jetzt Israel ein abfcheuliches Werk der Finfterniß begehe, welches die Sonne Gottes nicht länger bescheinen möge, wodurch Finsterniß des Gerichts über sie kommen werde; nnd nun stelle man sich den Eindruck dieser Finsternis; vor aiif Golgatha nnd in ganz Jerusalem, man male sich einzeln aus das Erschrecken der Gewissen, die Störungen der Lust, die unterbrocheneii Mittagsmahle, die Unordnung im Tem- peldienst, die Verwirrung wegen des Abendopfers u. s. w. Auf Golgatha verstummt jetzt jedenfalls das Spotten und Lästern, bange Stille herrscht auf der Schädelstätte; es erwarteten wohl nicht wenige fast sicher, diesem An- fange werde bald mehr folgen — Herabsteigen vom Kreuz, Offenbarung der Königsmachh Zerschmetterung der Widersacher. Aber keine Strafe kommt, wie keine Hilfe, nur die Finsternis dauert fort; niemand wagt wegzugehen, a es ist wie festgebannt, immer mehrere kommen vielleicht noch dazu, man hört die fallenden Blutstropfen, die leisen Seufzer, man horcht nach dem Kreuz in der Mitte vor allem Gewimmer der beiden Andern. Weiter kann man aber auch sagen: indem die Kreatur sich verhüllt und trauert, als ob sie vor dem Frevel der Kreuzigung sich entsetze, wird gleichsam ein Vorhang gezogen um das, was nun erst, von dieser» Mittagsstunde an, vollendend gescheheii soll; das schwei- gende Zeichen ruft ans, hier sei ein dunkles Geheimnis des göttlichen Rathschlusfes Gesehen haben sie bisher den Gekreuzigt-en — mit feindseliger Lust, mit Schmers zen, mit Staunen; jetzt soll man nicht sehen, was noch übrig ist zu leiden für ihn, wie man es nicht fassen kann. Das flihrt uns denn zuletzt in die eigentlichq tiefste Deutung der Finsterniß als eines mitfühlenden, anzeigenden Abbildes für die innere Verfinsterung der Seele, welche jetzt der Herr der Natur leidet, für seine Gottverlassenheit. Wenn etwa den theilnehmenden Herzen das Zeichen Gottes zuerst ein Trost war -— bald mögen fie inne kgeworden sein, er leidet jetzt nur länger noch und dun ler. Ja wohl! jetzt wandert er durch’s ietzte Thal der Todesschatten, im Dunkel des Gerichte-s Gottes; sinsterer, als je Finsterniß ttber die Erde von außen werden kann, war es in feiner Seele, als es hieß vor seinem Gott (Ps. 22, 16): »du legest mich in des Todes Staub« Drei Stunden hän t er so zwischen Himmel nnd Erde, von der Erde a s ein Fluch ausgestoßen, von dem Himmel noch nicht zum l Segen angenommen; das waren Stunden, deren Inhalt einst die Ewigkeit ossenbaren wird. (Stier.) Leiden am Licht der Sonne ist an und fttr sich leichter, als leiden in der Finfterniß: Licht ist wie Gotte-Mühe, aber Fin- stertiiß deutet aus Gottverlassenheiy und das war-D 424 Evangelium Matthäi 27, 46. 47. nun, was über den HErrn kam — Gottverlassen- eit. Kein Engel kam, auch die Engel zogen fich an- etend vordem Werk zurück, an welchem der Erlöser nun arbeitete; und der Vater selbst entriß sich feinem Sohne, auf daß er für alle Welt schmeckte, was Qual der Hölle, was Gottverlassenheit ist. Gottverlassenhein wissen die Teufel, die sie ewig fühlen, was sie ist? können sie den Grabstein schauen uiid begreifen, der sie ewig, ewig niederdrückt? Wisse es, wer es kann! für mich weiß und erfuhr es Einer, der mich durch sein Er- fahren vor der Erfahrun behütet hat, welche mir einen ewigen Tod unabweis ar gebracht hätte. Jch weiß nicht, was das ist, Gattverlassenheit, will und mag es nicht wisseiix ich weiß nur, daß das Höllenqual ist, daß also der HErr vom Mittag bis gegen 3 Uhr Höllen- gualen fühlte. Jch weiß nicht, was im Himmel und in der Seele des Erlösers vorging, um Gottverlassenheit zu wirken; aber mich schaudert vor dem Gedanken, und ein nächtlich Grauen geht über meine Seele, wie über die Natur in jenen Stunden. Hier sehe ich, daß es eine vollkommene Wahrheit ist mit der Lehre St. Pauli und Luthe·r’s von dem »ftellvertreteriden Vüßen Jesu. Wer es hier nicht sieht, ist blinder als jene Nacht, die den Gekreuzigten umfing. (Löhe·) 46. Und um die neunte Stunde Machmittags 3 Uhr, als im Tempel eben das tägliche Abend- opfer geschlachtet und verbrannt werden sollte 4,Mos. 28, 8 Anm.] schrie Jesus [nachdem er diese drei Stunden daher kein einziges Wort geredet, sondern unter dem Gefühl der Gottverlassenheit wie ein verstummtes Lamm dagehangen und den Zorn Gottes getragen, der Satan aber seine feurigen Pfeile nach ihm abgedrückt und versucht hatte, ob er ihn nicht in den Abgrund der Verzweifelnng stürzen oder doch zur Ungeduld und zum Murren gegen Gott verleiten und so das Werk unsrer Ver- söhnung und Erlösung vereiteln könne] laut [auch fetzt eine Schrist in Erfüllung bringend, die auf ihn gemeint war, Pf. 22, 2] und sptqch sum hie: den Wortlaut in derjenigen Sprache wiederzugeben, in·welcher er redete ·Mark. 5, 41 Anm.]: Eli, Eh, luma asabtiianiik das ist [zu deutsch]: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? ·Jesu Versöhnungsleiden am Kreuz zerfällt in 2 Ab- theilungenz die erste geht von 9 Uhr Morgens bis 12 Uhr Zlliittagsz in diesen 3 Stunden sprach er die 3 ersten seiner Worte, in welchen er sich als Hoher- priester zeigt, der das Verdienst seiner Leiden der Welt zu gute kommen läßt (Luk. 23, 33 f. 42 f.; Joh. 19, 26·f.).· Sein Leiden war nur noch im Anzuge, und gleichwie die Sonnenoch am Himmel schien, so stand auch das Licht in seinem Herzen noch auf dem Leuchterx noch vermochte »er soviel, daß er seiner Schmerzen nicht achtete und, wie er gewohnt war, sich derer annahm, welche um das Kreuz herftandeiy seiner Feinde und sei- ner Freunde. Bis zum letzten Odemzuge mitten in der Marter des Kreuzes ließ er nicht von seiner treuen Liebe, welche das Verlorene sucht, das Verwundete heilt und sich aller erbarmt; selbst im An esichte des Todes gehen Worte des ewigen Lebens von igm aus, und diese Hälfte seiner Kreuzesleiden ist das unvergeßliche Abbild feiner Hirtenliebq welches er seiner Gemeinde als then- res Verniachtniß hinterlasfen hat. Das ändert sieh aber mit l? Uhr Mittags, von welcher Stunde die zweite Abtheilung feiner Leiden angeht. Die Sonne, welche den Tag regiert, giebt plötzlich ihr Regiment ab; ihr Schein erlischt, sie ist noch am Himmel zu sehen, aber sie steht da wie eine düstere Scheibe, und düster sieht sie auf das Kreuz herab. Das ganze Land ist im hohen Mittag mit Finsterniß bedeckt, iind der Tag ist in seiner Hälfte hinweggenonimen. Nur schwach und» matt blicket das Holz des Fluches durch die Finsterniß herdurchx wie die Schatten stehen die Zuschauer um das Kreuz her und eine dumpfe, beklommene Stille bindet jeder Seele den Mund. Das ist das Abbild dessen, was in Jesu vorgeht. Von 12 Uhr an bis 3 Uhr kommt kein Wort mehr iiber seine Lippen, denn er ist ganz und gar mit dem fchweren Kampf beschäftigt, welchen er zu bestehen hatte; drei lange schwere Stunden verschließt er sein Leiden in sich selber, und erst gegen 3 Uhr bricht es in einem lauten Schrei hervor, als er ruft: »Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlafsen?« (Münkel.) Ich weiß nicht, m. Be» ob es euch auch so ergeht, mich ergreift, sooft ich diese Worte höre, ein heimlicher Schauer; mir klingen sie wie das letzte Seufzen einer bangen Seele, die nach langem Ringen schier erliegen will, und doch die Hand, die Glaubens- hand, mitten aus den Fluthen heraus zum Himmel emporstreckt Und das sind Worte, welche der mensch- gewordene Sohn des lebendigen Gottes gesprochen hat! Wer fühlet nicht, daß wir hier an einer Tiefe stehen, die kein menfchliches Denken zu ergründen vermag? Nur mit Schüchternheit trete ich herzu, um für unsre Andacht daraus zu schöpfeu; es ist aber ein drei- facher Einblick in das Geheimniß der Erlösung, den dieses Wort uns gewährt, nämlich 1) in die Tiefe der heil. Schrift, die sich darin erfüllt, Z) in das Herz des Mittlers, der sie vollbringt, und Z) in den Ernst des göttlichen Gerichts, der sich darin zum Heil der Welt vollzieht. -—— Das Wort: Mein Gott, mein Gott &c. ist der Anfang des 22. Psalms. In diesem Psalm redet David aus der Tiefe großer Leiden heraus zu feinem Gott; was ihm, dem Könige Jsraels damals wider- fuhr, war jedoch nur wie ein Schatten von dein, was in Christo feine volle Wirklichkeit erreichen sollte, nur gleichsam einige vorbedentende Züge aus jener großen Passionsgeschichte, welche auf Golgatha zum Heile der Welt sich begeben sollte, der heil. Geist aber, der Geist Jesu Christi, der die Propheten des alteii Bundes er- leuchtet, hat ihm den Einblick in dieses Geheimniß er- öffnet und es ihm gegeben, in seinem Leiden so zu reden, daß er damit nicht sowohl das eigene, als das Leiden des Erlösers beschreibt, und zwar bis in’s Einzelnste hinein. Und wenn nun der HErr am Kreuze die An- fangsworte des Psalms betet, der von Anfang bis zu Ende eine Weiffagung auf sein Leiden ist, so haben wir daran ein Zeugniß, daß er eben jetzt den ganzen Inhalt dieses Psalms innerlich und äußerlich durchlebt nnd durchleidetx wiederum aber, wenn das Leiden Christi nichts als Erfüllung der alttestamentlichen Schrift, wenn alle die Züge, die in der Passionsgeschichte uns entge- gentretem in der alttestamentlichen Schrift ihren vor- ildlichen Ausdruck finden, so sehen wir daraus, daß das Geheimniß der Erlösung von Anfang her im Rathe Gottes beschlossen und längst vor seiner Erfüllung in der Welt angebahnt worden ist. Die ganze Geschichte Jsraels ist von Gott selbst darauf hin angelegt, alle »die wunderbaren Wege des Volkes gehen nach diesem Ziele aus; die Lebensführungen der Väter, die Geschichte der Könige, die Leiden David’s, die Herrlichkeit Salomo’s müssen ihm zum Vorbild dienen, und neben dem Vor- bild geht das prophen Wort einher und weiset hell und klar auf den , der um unsrer Sünde willen das Kreuz erdulden soll. (Thomasius.) Sein erstes und letztes Wort am Kreuze beginnt der Heiland mit dem Worte Verfinsterung der Sonne. Jesu Schrei der Gottverlassenheit 425 ,,Vater« (Luk. W, 34 u. 36) — warum ist er hier von dieser kindlichen Weise mit seinem Vater zu sprechen, abgegangen? Auf solche Frage können wir antworten: Gott ging in jenen Stunden nicht mit ihm um, wie ein liebreicher nnd barmherziger Vater mit seinem Kinde, sondern wie ein beleidigter und gerechter Richter mit einem Uebelthäter umgeht; der himmlische Vater be- trachtete jetzt seinen Sohn als den größten Sünder und Missethäter, der unter der Sonne zu finden war. Denn obgleich er von keiner eigenen Sünde wußte , so hatte er sich doch zur Sünde machen und sich die Sünden des ganzen menschlichen Geschlechts im göttlichen Gericht dergestalt zurechnen und auflegen lassen, als ob er sie selbst begangen hätte; weil nun also der Sohn für die Sünde und Schuld der Welt gutgesagt hatte, so ließ die göttliche Gerechtigkeit jetzt alle übrigen Sünder fah- ren, hielt sich an diese einzige Person und ließ die ganze Last ihres Zornes auf dieselbe fallen. Der Vater be- hauptete und vertheidigte die Rechte der Gottheit und stellte den Bürgen , welcher für alle der Gottheit zuge- sügte Beleidigungen Genugthnuug zu geben versprochen, vor seinen Richterstuhl, ihn zur Bezahlung der von ihm übernommenen Schuld anzuhalten. Warum aber nennt der Heiland den Gott, der ihn verlassen hatte, dennoch seinen Gott? warum spricht er nicht: o Gott! sondern: mein Gottl? Wir antworten: dieses ,,mein« ist das lieblichste Wort in der Jammerklage unseres Erlösers Es zeigt uns den lieben Sohn des ewigen Vaters, wie er mit Gott kämpfet und ringet, und ihn dennoch liebt, dennoch umfaßt, dennoch mit idem süßesten Vertrauen umarmt, ob er gleich jetzt sein Angesicht vor ihm ver- borgen hatte, als wollte er sagen: Jch glaube dennoch, daß du mein Gott bist, ob du mich gleich in die Hölle versenkest (Ps. 22, 10 f.). Was Jeremias (17, 16) in seinem Leiden zu Gott.sagte: ,,Jch bin nicht von dir gestehen, mein Hirte,« das kann man mit unendlich größerem Rechte von dem leidenden Sohne sagen, daß er nicht von Gott weggeslohem ob er gleich seinen Zorn tragen mußte. (Rambach.) Als Hoherpriester stand Jesus vor dem Angesichte Gottes und brachte sieh selbst und seine Leiden zum ewig giltigen Sithnopfer dar, um uns zu befreien von dem Fluche des Gesetzes; die gött- liche Gerechtigkeit aber zeigt sich darin, daß sie die Strafe zum genauesten Gegenbilde des Vergebens macht. Fühlt sich der Stellvertreter des ganzen Menschenge- schlechts verlassen von Gott, so büßt er die Schuld des ganzen Menschengeschlechts, das seinen Gott ver- lassen hatte. Wir meinen freilich, wenn wir sttndigen, wenn wir das Gesetz in unserm Innern und das ge- schriebene Gesetz des göttlichen Worts übertreten, so könne dies bis zu einem gewissen Maße geschehen, ohne gerade Gott zu verlassen, was nur bei den gröbsten Verbrechen und bei der tiefsten Entartung stattsinde; wie aber spricht Gott bei dem Propheten (Jer.2, 3), da er über die Sünden des Volkes klagt. »Mein Volk, so spricht er, thut eine zwiesache Sünde: mich, die leben- dige Quelle, verlassen sie, und machen ihnen hie und da ausgehauene Brunnen, die doch löchericht sind und kein Wasser geben.« Jn Gottes Augen ist also die Sünde nicht eine bloße Uebertretung, bei welcher man mit ihm selbst vereinigt bleiben kann, sondern wer sündigt, der verläßt ihn, indem er die Neigung des Herzens , die Gott allein gebührt und aus deren Besitz er eifersüchtig ist, aus etwas von Gott Verschiedenes hinwendet Und warum wird dies eine zwiefache Sünde genannt? weil es nicht nur von einem Mangel an Liebe zeugt gegen das, was allein Liebe verdient, sondern auch von einer Liebe Lür das, was aller Liebe unwürdig ist. Gott ist die le endige Quelle: o liebliches Bild für den Heiligen, der tn slch vollkommene Genüge hat und der auch der dürstenden Seele allein volle Genüge geben kann! Aber die Seele will nicht aus der lebendi en Quelle trinken; weil dies Wasser ein himmlisches, ihre tiefsten Wünsche für Zeit und Ewigkeit stillendes, ihr umsonst dargebote- nes Labsal ist — aus diesen Gründen, weshalb sie es suchen sollte, verschmäht sie es. Aber den ekelhasten Trank, den sie mit Mühe ans dem Schlamm der Erde stch graben muß, den findet sie köftlich. Vergleichen wir, was wir verlassen und was wir wählen: Ehre bei Gott undPrahlerei vor Menschen, Schätze im Himmel und irdische Güter, Freude der Engel und Sinnenlust— es ist immer derselbe Abstand, es ist immer die Quelle · und der Sumpf; wir begehen immer eine zwiefache Sünde, das eine zu verachten und das andere zu er- greifen. Gott trauert darüber; ja es liegt so etwas von einer himmlischen Wehmuth in diesem Worte: ,,mich, die lebendige Quelle, verlassen sie,« denn wie leer ist es um die Quelle und wie voll um den Sumpf! Aber das einladende Rauschen dieser lebendigen Quelle, das von Jungen und Alten, von Männern und Frauen so verachtet wird, verwandelt stch nun auch in einen furchtbaren Donner des Gerichts: wenn Gott uns thäte, wie wir ihm gethan, uns verließe, wie wir ihn ver- lassen haben? Wir müssen bei diesem Gedanken etwas verweilen, damit wir einsehen, was wir verdienen, und erkennen, wovon Christus die, so an ihn glauben, er- löset hat. . . . Trennung, gänzliche Trennung der Seele von Gott, das ist immer das Bild, das uns der HErr von der Unseligkeit entwirst; und wir ahnen, daß es eigentlich keine andere giebt, daß jede andere Pein nur mit ihr und durch sie unerträglich wird. Und dies hätten wir doch alle verdient; und dies hätten wir auch alle erleiden müssen, wenn uns Gott nicht um Christi willen begnadigt hätte. Und damit wir verschont bleiben konnten, mußte es Jesus erdulden; was ihm die Worte: ,,ncein Gott 2c.« aus-preßt, ist das Gefühl gänzlicher, entschiedener Unseligkeit. Wer da fragt, wie der. heilige und also auch immer selige Gottessohn für ein solches Gefühl empfänglich sein konnte, der ahnt nicht die All- gewalt der Liebe. Bei dem Anblick ihres leidenden Kindes leidet die Mutter mehr als das Kind selbst «— und Er, gegen dessen Liebe auch Mutterliebe schwach ist, hätte sich nicht in das Gefühl der Unseligkeit eintauchen können, aus Zärtlichkeit für die, .denen er es» ersparen wollte? (Theremin.) Jesus ruft: »Warum hast du mich verlassen?« aber er fragt nicht aus Unwissenheit, denn er kennt gar wohl die tiefe Bedeutung seiner stells vertretenden Leiden; auch nicht aus Ungeduld, denn er hatte sich ganz in den Willen Gottes ergeben; sondern es war dies eine jener Fragen, die ihre Antwort in sich selbst enthalten und nur den Zustand der Seele und die Bitterkeit des Leidens ausdrlicken sollen. Er fragt so, um Gott an das große, ewig giltige Warum seiner Leiden zu erinnern und seinem himmlischen Vater sich selbst nochmals darzubieten als Lösegeld für die Menschen, daß Gott» der gerechte Richter, das Opfer annehmen und nun die durch ihn in aller ihrer Sündenschuld und Sündenstrase vollkommen vertretene Menschheit nie wie- der verstoßen und verlassen möge. Die Frage war, wie Jesu Seele, ringend, aber zum Siege durchdriugend (Fr. Arndt.) 47. Etliche aber [von den Hohenpriesterm Schriftgelehrten und Aeltesten V. 41], die da stunden [und von der Beklemmung, in die sie die dreistündige Finsterniß V. 45 versetzt hatte, stch fest, wo diese Finsterniß nun aufhörte, wieder frei fühlten) da sie das höreten swie Jesus ,,E1i, Eli« rtes], sprachen sie ssosort das giftige Spotten 426 Evangelium Matthäi 27, 48—51. V. 39 ff. von Neuem beginnend, mit böswilliger Verdrehung jenes Ausrufs]: Der [da, indem er noch immer sich einbildet- der Messias Jsraels zu sein] ruft dem Elias-« sdaß er doch endlich komme und ihm zu seinem Reiche verhelfe Kap. 17, 10 U. 48. Und bald sals Jesus, den während des dreistündigen Seelenleidens die Spannung seines Geistes nicht hatte dazu kommen lassen, an den heißen, brennenden Durst seiner Zunge zu denken, nach durchgekämpftem Kampf seiner leiblichen Noth sich zuwandte nnd rief: ,,Mich dürstet«" Joh. 19, 28] lief einer unter ihnen [die ebenfalls da- stünden, näinlich einer von den Kriegsknechtem welche die Hingerichteten von Zeit zu Zeit mit einer Art Labung zu versehen hatten, da eines »der größten Leiden der Gekreuzigten in dem auf’s Höchste gesteigerten Durst bestund nnd man ihnen da doch einige Erleichterung wollte zukommen lassen], nahm einen Schwamm [wie er für solchen Zweck schon zur Hand war] und fiillete ihn mit Essig saus dem bereitstehenden Gefäß] und steckte ihn auf ein lYsop-] Rohr [Joh. l9, 291 und tränkte ihn [den nur etwa 2 Fuß vom Boden am Kreuze Hängenden]. 49. Die andern aber sprachen: Halt [eile nicht so sehr mit dem Tränken], laß [doch soviel Zeit vergehen, daß wir] sehen, ob Elias [den er angerufen] komme nnd ihm helfe [worauf der Kriegsknechh dem srivolen Witz eine andere Wen- dung gebend, erwiedertex Laß mich nur! Elias wird ohne Zweifel gleich erscheinen, und da würde es uns übel ergehen, wenn er ihn schon ver- schmachtet vorfände und nur noch als Leiche her: abnehmen könnte« Mark. 15, 36]. 50. Aber Jesus [da er nun den Essig ge- nommen und mit lauter Stimme gerufen: »Es ist vollbracht« Joh. 19, so] schrie abermal laut [indem er sprach: ,,Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände«-s— Luk. 23, 46], und sneigete das Haupt, den« Geist wirklich von sich gebend-H- Joh.19, 30., und] betschied-H--s— [so daß der Leib jetzt todt am Kreuze hing]. V) So steht hier dem heißesten Seelenkampf herzlose Kälte entgegen, ohne -allen Sinn für Leidensgröße. (Heubner.) Wie oft wird in der Welt das Gebet des Frommen von den Spöttern mit roher Gleichgiltigkeit verdreht und das Heiligfte ihnen ein bloßes Schauspiel; denn die Welt liebt es einmal, das Strahlende zu schwärzen und das Erhabene in den Staub zu ziehen. (Fr. Arndt.) —- "«) Die Seelenqual des HErrn stieg mit dem dreistündigen Gefühl der Gottverlassenheit auf den höchsten Gipfel. Ehe der HErr zu diesem Kampfe ging, versorgte er noch feine Mutter und schloß mit allem irdischen Wesen ab; völlig los von allem andern ging er in den finstern Kampf um sein höchstes Gut, die Liebe und den Frieden seines Vaters für sich — und für uns. Beispiellosey über alles Ahnen der Men- schen inausgreisender Kampf, den ohne Offenbarun die Sinne fühlen, aber kein Geist begreifen oder fassetgi konnte! Nun ist dieser Kampf siegreich vollendet, und Jesus wußte nun, daß schon alles vollbracht war, daß die Schrift erfüllet würde; nun konnte er die Macht brauchen, die er hatte, sein Leben zu lassen, er konnte seine Seele von Leibes, von des gequälten Leibes Bau· den lösen. Aber er fühlt ein brennendes Weh des Leibes; Durst, lechzender Durst, den er vor dem Schei- den stillen und nicht in den letzten Au enblick hinein mitnehmen will,.verzehrt sein Gebein. ie das Wort ,,warum hast du mich verlassen ?« die höchste Höhe und größte Tiefe seiner Seelenleiden andeutet, so deutet das Wort ,,mich dürstet« auf den Gipselpunkt aller seiner Leibesqualem (Löhe.) Jn der Stunde des Seelenkampfs hat er keine Erquickung von seinem Vater inwendig empfangen, und er hat sich selbst die Erquickung eines erfrischenden Tranks versagt, als müßte er dem reicheu Mann in der Hölle gleich sein; denn alles wollte er leiden um der Sünde willen, ohne einigen Abzug wollte er das Maß des luches leiden. Allein jetzt weiß er, daß das Werk vo bracht iß, er fühlt es, daß ihn der Vater aus dem Ofen des Elends hinausrückt; nun gönnt er sieh eine kleine Erquickung und begehrt in sei- nem brennenden Durste einen Trank. (Münkel.) Mitten in den Kreis seiner rohen Wächtey seiner harten Feinde hinein ließ er das Wort fallen: ,,Mich dilrftet«; und darin hat man mit Recht den höchsten Triumph seiner Liebe gefunden. Nicht Stolz und nicht Groll, nicht ein· mal Mißtrauen versiegelt ihm den Mund in diesem Kreise. Nicht Stolz — auch jetzt, da das große Ge- fühl,. daß er die Rettung der Welt vollbracht hat, über ihn kommt, ist das erste Wort, welches er in diesem vollendeten Bewußtsein, daß er fortan der König auf dem Throne der Gnade sei, wieder ausspricht, eine bit- tende Klage, dem Wort eines Bettlers vergleichban Und auch kein Groll hält ihn ab: obwohl ihn diese Menschen schon in Hohn und Spott haben ertränken wollen und Repräsentanten einer Welt sind, die ihn zum Abschied mit Galle und Essig getränkt hat. Auch die reine, aber schwere Spannung, womit er eine Zeitlang sich» schweigend gegen diese Menschen verhalten mußte, ist Ietzt vorüber; er kann nicht nur, er darf ihnen auch jetzt die ganze göltliche Unbefangenheit seiner Liebe wie- der zeigen, zeigen in der Gestalt einer so demüthigen Klage. Ja, er will und muß es, es ist ihm Bedürsnißx denn der Hauch der Versöhnung Gottes umweht ihn, der Geist des Friedens fängt an, ihm die dunkle Welt wieder zu erhellen, und in dieser Stimmung wird es ihm denn auch Bedürfnis, den Menschen noch ein letztes Zeichen der Liebe zu geben, noch ein Zeichen der Liebe von ihnen zu empfangen. Das aber muß uns besonders groß in dem Worte Jesu erscheinem daß ihn auch kein Mißtrauen abhielt, sein Bedürfniß den Umstehenden anzuvertrauen: nach allen Erfahrungen, die er von der Macht des Bösen im Menschenherzen emacht hatte, hatte er dennoch sein Vertrauen zu der iederkehr des Geistes der Liebe bewahrt; und wie sollte er nicht, da er die erstorbene Liebe der Menschheit so eben in seinem Herzen gerettet hatte! Schon jetzt fing er an, fie in den Herzen seiner Umgebung wieder aufzuwecken, und kein Wort konnte dazu geeigneter fein, als das Wort seiner treuen Bitte. (P. Lange.) — M) Ein Jude muß es gewesen sein, der zuerst den Ruf ,,Eli« höhnisch ver- drehte (V. 47): dieser Messias ruft feinem Elias! Das nehmen die röniischen Soldaten auf; und da sich einer ausmacht, den Dürstenden zu tränken (das durfte kein anderer als einer von der Wache) so wehren’s ihm die andern, grausam scherzend: halt, laß sehen, ob Elias komme! Der Mitleidige aber verbirgt sein Mitleid; unter den wilden Kameraden eult er mit den Wölfen, denn hier geh: nichts ohne ro en Spaß: laßt mich doch Bei Jesu Berscheiden ein gänzliches Zerreißen des Tempelvorhangs zum Allerheiligsten 42c eben damit Elias ihn noch finde! So redet er und versteckt feine Gesinnung in falscher Scham. Was sah der HErr in seinem Herzen? (Riggenbach.) Mich dürstet! —- hörst du, Seel, ihn klagen? Du kannst ihn tränken, eilst du nicht hinzu? Kannst du ihm sein Begehr ver- sagen? sein Flehn, fein Durst, sein Sehnen bist ja du! OSeele, säume nicht, daß du ihn tränkst, dich ewig ihm und ganz zu eigen schenkstl —- -s·) Von dem Sterbenden -wird eben sowohl gesagt: feine Seele fährt aus (l. Mos 35, 18), als: fein Geist fährt aus (Pf. 146, 4; Sir. 38, 237 Weish. 16, 14), von dem willig Sterbenden ebensowohl, daß er feinen Geist hingiebt oder aufgiebt, als daß er seine Seele hingiebt (Apostg. i5, 26). Dieser Ausgang, diese Hingabe des Geistes erfolgt mit dem letzten Athemznge (Pred. 8, 8); das Athmen ist die sinn- fällige Erfcheinung des Lebens, toelches im weitesten Um- fange sein ursächliches Subjekt am Geiste hat. (Delitzfch.) H) Geneigt hat er sein Haupt, noch bevor er seinen Geist aufgab, um damit anzuzeigen, daß er nicht noth- wendig, sondern aus freiem Antriebe gestorben, daß er solange gelebt hat, als er wollte, und wenn er wollte, dem Tode sich ergeben habe. (Ehrysostomus.) Geneigt hat er sein Haupt, weil der Tod Christum fürchtete und ihm nicht nahen durfte; darum hat Christus ihn durch Senkung des Hauptes herzugerufem (Athanasius.) Hsfs Die Annahme eines Scheintodes ist so ent- fchiedeu gegen die eigene Todesverkündigung Jesu und gegen das Zeugniß des ganzen Evangeliums, vernichtet —fo völlig den wesentlichen Begriff der Auferstehung, löst die ganze Grundlage der durch Jesum bewirkten Erlö- sung so gänzlich auf, hat in dem Bestehen der Kirche selbst, welche auf den Thatsachen des Todes und der Auferstehung Jesuaus dem Tode ruhet, ein so großes Gegenzeugniß der Jahrhunderte und fordert zur Er- klärung dessen, was von Jefu Auferstehungs-Leben und Handeln geschichtlich bezeugt ist, eine so sonderbare Kette anderer Wunderannahmen oder wunderlicher Voraus- fetzungen, daß die Zeugnisfe der Freunde und Feinde von dem wirklichen Geftorbensein Jefu jene Annahme als einen völlig fehlgefchlagenen, wenn auch nicht immer feindlich gemeinten Versuch, das physiologifche Geheim- niß der Auferstehung zu entfernen, entschieden ausschließen. (Meyer.) « 51. Und siehe da l»bie wendet sichs und wird gar ein neues Wesen, wie denn der Prophet spricht: seine Ruhe wird Ehre fein Jes. U, 10« — Luthers Randgl.], der Vorhang im Tempel [der zwischen dem Heiligen und Allerheiligsten hing 2. Mos M, 31 ff.; Z. M. 16, 2 ff] zerriß [in demselben Augenblicke, da Jesus verschied, vor den Augen des dienstthuenden Priesters, der eben das Räuchern beim Abendopfer besorgen wollte 2. M. 30, 8 Anm.] in zwei Stücke, von oben an bis unlen aus sdaß das Allerheiligste nun aufge- deckt war und offen dastund Hebt. s, 19 f.; I, 6 ff.]. Die jüdische Tradition deutet offenbar auf merk- würdige Vorgänge im Tempel hin, wenn sie berichtet (vgl. Anm. zu Kap. 24, 8), vierzig Jahr vor der Zer- störung des Tempels (d. i. im J. 30 n. Chr.) sei das Licht auf dem goldenen Leuchter erloschen, sei die Tempel- thür zur Nacht eit von selber aufgeflogen. (P. Lange.) Wenn Jsraels Hoherpriester am großen Versöhnuugsfefte das Opfer geschlachtet hatte, ging er mit dem Blute desselben in’s Allerheiligfte hinein und besprengte damit die Lade des Bundes und alles Geräth des Heiligthums, um dem Volke den Zugang zu Gottes Gnade offen zu s· halten. So ist nun auch Jesus Christus, der Hohe- priester des neuen Bandes, nachdem er am Kreuze ge- storben war, durch die Kraft seines Blutes in’s obere Heiligthum, in den Himmel eingegangen, zu erscheinen vor dem Angesichte Gottes für uns. Dort macht er die Kraft seines Verdienstes fortwährend für uns geltend, dort vertritt er uns als Mittler bei dem Vater und wendet uns die Fülle seiner Gnade zu. Darum riß auch bei seinem Tode der Vorhangd im Tempel mitten entzwei von oben bis unten, und er Bljck in’s eilig- thuni, in welches früher keinem Menschen zuf auen vergönnt war, that sich auf, zum Zeichen, daß nun der Zugang zur Gnade frei und offen stehe und die Thür zum Herzen Gottes aufgethan sei. Und so trete ich denn her an diese ossene Thtir, ein Diener Jesu Christi, meines HErrn, und rufe euch allesammt in seinem Namen herzu. Wer ein Sünder ist nnd die Last seiner Sünde fühlt, der komme und lege am Gnadenthron die Bürde nieder; wer ein betrübtes, ein bußfertiges Herz hat, der komme und hole hier Trost und Erquickung; wer nach Gnade sich sehnt, wer nach Gerechtigkeit hungrig und durstig ist, der komme mit Freudigkeit herzu und fasse im Glauben das Verdienst des Erlöfers — er darf’s, und wäre fein Elend noch so tief, feine Last noch so schwer; denn der Zugang steht allen, steht heute noch allen, die da kommen, offen. Noch hat Er, der die Schlüssel des Todes und der Hölle hat, nicht zugeschlossen, noch redet sein Blut für alle um Vergebung und Gnade, und solange das für uns redet, wird keiner abgewiesen, der heilsbedürftig und heilsbegierig herzu- tritt, keiner ausgefchlossen, der Heilung für die Wunden, die ihm die Sünde gefchlagen, Kraft zur Reinigung und Heiligung fucht. Es ist vielmehr des HErrn Jesu aus- drücklicher Befehl, daß jeder komme; es ist sein be- stimmter Wille, daß jeder, wer er auch sei, Barmher- zigkeit nehme und Hilfe sinde: wer sich weigert, der achtet den Preis der Erlösung für gering, der verschmähet das Blut des neuen Testaments - und ihr wisset das Urtheil, das jene Gäste traf, welche die Boten des Königs von sich abgewiesen haben, die sie zum Abend- mahle luden. Und so fahre ich denn fort zn rufen und zu ermahnen: ,,Wen da dürstet, der komme, und wer da will, der komme, und nehme das Wasser des Lebens umfonft«, trete auf’s Neue mit meiner Predigt zu einem jeden unter euch hin und bitte: ,,laffet euch versöhnen mit Gott«; denn Jetzt ist die angenehme Zeit, jetzt ist der Tag des Heils . Seitdem der Erlöses: am Kreuz ge- rufen: »Es ist vollbracht!« steht das Heiligthum allen offen, ist Heil und Leben allen bereitet, die daran glauben. In meines HErrn Namen biete ich’s euch an — und ihr wolltet der Stimme feines Boten den Ge- horsam weigern? weggehen, heut am Charfreitage weg- gehen, unbußfertig, unversöhnt, auf die alten gewohnten Wege der Sünde? Jst das die Antwort, die ihr auf meine Bitte, das der Dank, den ihr für feine Liebe habt? Sagt, was soll ich meinem Heiland antworten, der mich heute zu euch gesandt hat, den Frieden der Versöhnung zu predigen? Soll ich ihm antworten: siehe, deine Brüder und Schwestern, die du mit deinem Blute erkauft hast, wollen nicht? Sie haben die Welt zu lieb, die Sünde zu lieb, sie sind so satt und reich, daß sie deines Troftes, deiner Gnade nicht bedürfen? O laßt ihn nicht vergebens rufen, sehet vielmehr zu, daß ihr kommt; aber kommt in der rechten Weise, nämlich, wie der Apostel sagt, mit wahrhaftigem Herzen und völligem Glauben und los vom bösen Gewissen; denn nur den Aufrichtigem nur den Bußfertigeu steht der Zugang offen. Wer es wagt, mit frechem erzen, mit ftolzemkhoffürtigem Sinne sich zu nahen, tritt das Blut der Versöhnung mit Füßen; wer seine Fleiseheslüftq 428 Evangelium Matthiii 27, 52—-54. seine Eitelkeit, seinen alten Menschen nicht ablegen will, bleibe lieber weg, denn er holt sich außerdem nur das Gericht (Hebr. 10, 28-—31). Das Blut Jesii Christi will uns nicht nur die Sünde vergeben, sondern auch von der Sünde reinigen und unftriiflich darstellen vor dem Angesicht seines Vaters. (Thomasius.) ccdcscsh llilpdJdfie Ygjrdsech und uglchJgtusalemg ei eu er ei en vor re en un Freude zugleich — vor Schrecken, denn die Erwürgung des Heiligen Gottes, die nun eine vollbrachte Thatsache war, ist das Fur t- barste, was sie je hat mit ansehen und erleidkin müssen Apostg 2, 22 f., vor Freude aber, denn der Tod Christi hat auch zu ihrer Erlösung und Verherrlichung den Grund gelegt 2. Petri B, 12 f.], und die Felsen sum die Stadt her] zetrissen [spa1- teten sichL Und die sin diesen Felsen, besonders auf dem Berge Zion 1. Kön. 2, 10 Anm. ausge- hauenen] Gräber« thaten sieh auf [zum Zeichen, daß unten im Reiche der Todten jetzt ein Todter in ihre Mitte getreten sei, der sie erlösen werde aus der Hölle und vom Tode erretten Hof. 13, 14], und stunden auf [genauer: wurden erweckt] viel Leiber der Heiligen, die da schliefen sindem es Yusclztefgnter den Gebeinen und sich regte Heseb l · l 53. Und gingen [als nun auch Odem in sie gekciömfnen war 37I9sf.] äu? Eifer; Gräbern na einer sdes rrn eu] u er te un [am dritten Tage, denn früher, als bis Er, derg Erst- ling unter denen, die da schlafen Apostg. 26, 23; 1. Cor. 15, 20; Col. 1, 18., selber auferstanden, konnten sie nicht vollendet werden, wenn auch ihre Lebendigmachung nach dem Geist l. Petri Z, 18 sofort mit seinem Eintritt in das Todtenreich ge- schah und gleichzeitig damit eine Wiederherstellung ihres Leibes aus Staub und Verwesung sich zu vollziehen begann], Und kamen in die heilige Stadt [als welche für jetzt noch der Mittelpunkt des Lan- des Jsrael Hesek. 37, 11 ff. und das Abbild des künftigen neuen Jerusalems Osfenb. 21, 2 war] nnd erschienen vielen saus dem Kreise derer, die an Christum glaubten, unter denen nicht wenige Galiläer sich befanden Hes 37, 15 fs.; ,,nachmals aber sind sie mit dem HErrn Christo gen Himmel gefahren in das ewige Leben, gleichwie Henoch und Elias lebendig von Gott in Himmel genom- men sind: Luthers Wir haben hier eine Mittheilung, die für die Lehre von der Höllensahrt Christi von hoher Bedeutung ist, über welche von jeher, selbst bei Luther, so große Unklarheit der Vorstellung und Verschiedenheit der Mei- nung geherrscht hat; wir können aber, wie vielfach ge- schieht, die Sache nicht als eine unfaßbare und doch nicht zu ergründende auf sich beruhen lassen, vielmehr, da alle Schrift von Gott eingegeben uns nittze ist zur Lehre, zur Strafe, zur Besserung, zur Züchtigung in der Gerechtigkeit, muß eine zusammenhängende Bibelauss lågung auch über· die schwer zu verstehenden Dinge zum chutz gegen die Verwirrung der Ungelehrigen und Leichtsertigen (2. Petri s, is) das nöthige Licht verbreiten. Die Bekenntnißschriften der lutherischen Kirche haben im s. Artikel des Concordienbuchs auf Grund einer von« Luther a. 1533 im Sihloß zu Torgau gehaltenen Pre- digt die Lehre pon der Höllenfahrt so bestimmt: »wir glauben, daß die ganze Person, Gott und Mensch, nach dem Begräbniß zur Hölle gefahren, den Teufel über- wunden, der Hölle Gewalt zerstört und dem Teufel alle seine Macht genommen habe.« Dieser Satz ist unbe- dingt richtig und schriftgemäß, wir werden darauf bei Kap. 28, 4 zurückkommen; aber es siheint uns verkehrt, auf diese Thatsache , welche in diejenige Zeit fällt, wo Christus sein leibliches Leben wieder angenommen, ehe er dann aus dem Grabe hervorging, die Niederfahrt zur Hölle zu beschränkem vielmehr ist das von St. Matthäus hier berichtete Ereigniß »ein räthselhaft an- ziehender Einzelzug, der uns wie durch eine Ritze hin- einblicken läßt in den Triumph, den der HErr am Charsreitag über das Reich des Todes gewonnen«, und die neuere Theologie hat gewiß ein Recht dazu, wenn sie nach Christi Tode nicht sofort die Wiedervereinigung seiner Seele mit dem Leibe in’s Auge faßt, sondern zu- vor an den Zustand seiner vom Lei e noch abgeschiede- nen Seele denkt, nur daß sie dabei meist in die andere Einseitigkeit verfällt und den von den Bekenntnißschriften hervorgehobenen Punkt außer Betracht läßt. Erinnern wir denn uns zunächst, was zu Hiob 7, 9 über den alttestamentlichen Begriss der Hölle oder des schied! gesagt worden ist, und gehen von einem etwas andern Gesichtspunkte aus noch einmal auf diesen Gegenstand ein. Seiner sinnfälligen Seite nach, schreibt Delitzsch, ist der Tod die Rückkehr zum Staube (1. Mos Z, 19): dies das Geschick des Leibes; über das Geschick des Geistes und der Seele aber schweigt das göttliche Zorn- wort, man dachte sich also ohne besondere Offenbarung, doch auf Grund jenes Zornworts, das Geschick des Geistes angemessen dem des Leibes, und wie nun der Leib dem Grabe anheimfällh so bekommt der leiblose Geist das Innere der Erde (Ps. 63, 103 Hesek. 26, 205 Hiob 26, Z; 4. Mos 16, 30. 33; 1. Sam. 2»8,13) zum Aufenthalt —— eine dem Wesen des Geistes nicht wider- sprechende Vorstellung! Denn obgleich der Geist kein Extensum ist (ein Ding, das räumliche Ausdehnung hat), so kann er doch räumlich gebunden werden; er ist ja auch, solange der Mensch diesseits lebt, obgleich selbst unräumlich , an den räumlichen Leib gebunden und in- nerhalb, nicht außerhalb desselben. Den Zustand des Geistes oder der Seele im scheöl dachte man nicht als einen entfesselten, vollkommnerem sondern, da alles Leben des Menschen natürlicherweise leiblich vermittelt ist, als einen der Thatkrästigkeit beraubten, gebundenen, und, da der Tod ein Zorngericht Gottes ist, als ein von Gottes Gnade und dein Wechselverkehr mit ihm abge- schiedenen, als ein Halbleben in der Finsterniß des Ab- grundes, nicht ohne Bewußtsein und Erinnerun und Gemeinschaft, aber alles in nur schwachen, ni tigen Ueberbleibseln, und das gleicherweise bei Guten und Bösen, ohne Aussicht auf Rückkehr zur Oberwelt oder, was dasselbe, ohne Aussicht auf Erlösung. Indessen sind die alttestamentlichen Aussagen vom Jenseits nicht blos Zurückstrahlungen oder Widerscheine von Gottes Zorn, wie er in dem oben angeführten Strafurtheil sich zu erkennen giebt, sondern auch von seiner Liebe, wie sie alsbald nach dem Falle sich geoffenbart; und wie nun die Thatsachen der Entrückung Henockys (1. Mos 5, 24) und Elia’s (2. Köm 2, II) in jene trüben Vor- stellun en, die durch phantastische Ausmalung sonst leicht in’s ythologische (Sagenhaste) hätten umschlagen kön- nen, ihre Strahlen werfen, so reisen der Glaube, die Ohokma (1. Kön. 4, 31 Anm. und die Prophette zu« Erbeben der Erde, Auferstehung vieler Heiligen und Bekenntniß des heidnischen Hauptmanns 429 sammen und kämpfen sie nieder. Der Glaube birgt sich in Jehova, den Ewiglebendigem den Erlöser (Ps. 16. 17. 49 u. 73); die Ohokmax weist die Liebhaber der Weisheit verheißend aufwärts (Spr. 15, 24; 12,« 287 Pred. 3,21) und spricht schon das große Wort aus (Spr. 14, 32): ,, mitten im Sterben ist getrost der Ge- rechte«, ja, der Gedanke einer Erlösung aus dem Scheöl erscheint wenigstens schon in Gestalt des Wunsches (Hiob 14, 14 f.) und der Gedanke eines jenfeitigen Schauens des als Erlöser sich dffenbarenden Gottes in Gestalt einer Forderung des Glaubens, zu welcher der diesseits bis in den Tod, hinein verkannte und verfolgte Gerechte gedrängt wird Eziob 19, 25 ff.). Nachdem aber Glaube und Weisheit is zu derjenigen Erkenntniß vorgedrungen, daß, wer hienieden den HErrn geliebt hat, auch jenseits, obwohl er sterbend mit Leib und Seele dem Strafwort 1. Mos Z, 19 verfällt, doch zu- gleich gewisser Erlösung harrend in der Tiefe der Liebe ruht, aus welcher in der Fttlle der Zeit der Ueberwin- der des Todes und der Hölle hervorgehen wird, so kam weiter die Prophetie hinzu, um diesen Ueberwinder vor- aus zu schauen und die einftige Verschlingung des Todes, die Auferweckung der Leiber der Gerechten und die Er- lösung ihrer Seelen aus dem Hades (1. Köir. I, 33 Anm.) zu weisfagen (Jef. 24— 7; Hesek. 37), wobei denn schon die allgemeine Todtenerstehung deutlich als endzeitige Thatfache ausgefprochen wird (Jes. 66, 24; Dan. 12, 2). —- Blicken wir Von dem, mit dieser Aus- einandersetzung gewonnenen Standpunkte aus in unsre Textgeschichte zurück, so weist sowohl das letzte als das vorletzte von den 7 Sterbeworten des Erlösers unbe- din»t diejenige Vorstellung als fchriftwidrig zurück, die Luther nach dem Vorgange des Thomas von Aquino noch im J· 1519 (jedoch mit dem ausdrücklichen Vorbehalt: ,,bis mich jemand eines Besferen belehrt«) ausspricht und die dann der Hamburger Superintendent Joh. Ae- pinus seigentlich Höck oder Hoch) in seinem Eommentar über den 16. Psalm vom J. 1544 weiter entwickelte, daß Christus auch nach dem Tode höllische Pein und Schmerzen erduldet habe in der Hölle; denn mit dem großen ,,Es ist vollbracht« am Kreuze war offenbar das Vollmaß der Leiden Jesu zu Ende, der Kampf war aus- gekämpft, das Opfer dargebracht und das Heiligthum aufgethan, der Geist aber, den er in des Vaters Hände befahl, damit aller Qual entnommen. Dagegen belehrt uns die Stelle: l. Petri Z, 18 f., daß der HErr sofort nach dem Tode ,,lebendig gemacht worden nach dem Geist«; es löste sich zwar bei seinem Verscheiden das Band zwischen Leib und Seele, wie bei allen Sterben- den, er ist ,,getödtet nach dem Fleisch«, aber einerseits verfiel der Leib nicht dem Strafwort in 1. Mos. 3, 19., daß er auch nur von ferne die Verwesung hätte an sich erfahren dürfen (Apostg. 2, 34 ff.), sondern derselbe ging augenblicklich in den Zustand der Verklärung über, von unzerstörter Lebensmacht erhalten und getragen, und andrerfeits erfüllte dieselbe Lebensmacht das ganze, den Leib verlassende und in das Reich der Todten hin- übergehende Jch und fchijtzte nicht nur seinen eigenen Geist wider jenen, der Thatkräftigkeit beraubten, gebun- denen Zustand, von dem oben die Rede war, sondern brachte auch Leben in das Halbleben der Entschlafenen, die vormals den Tag Jefu Christi hatten sehen wollen, aber mit einer noch unerfüllten Hoffnung von hinnen hatten gehen müssen (Luk. 10, 24). Ihr bisheriger Todesschlummer auf Hoffnung machte bei seinem Er- scheinen, das in sich selber schon eine Wiederholung der Predigt vom Kreuze war: ,,es ist vollbrachtl« (aber eine Wiederholung im Geist, während bei der ersten Predigt noch das Fleisch, die leibliche Stimme, zur Vermittelung gedient hatte), dem Erwachen Platzz und wenn St. Paulus in Phil Z, 9 sagt: »Gott hat Jesu Christo einen Namen gegeben, der über alle Namen ist, daß in dem Namen Jesu sich beugen follen alle derer Kniee, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind 2c.«, so hat diese Beugung im Namen Jesu und dieses Bekennen, daß er der HErr sei, bei denen angefangen, die hier an dritter Stelle genannt werden, » um darnach in der Auferstehung auch zu denen fortzu- gehen, die an zweiter, und in der Hinimelfahrt zu denen, die an erster Stelle gemeint sind. Es hat nun nicht zugleich mit dieser Erweckung aus dem alttesta- mentlichen Todesfchlummer bei allen Heiligen auch eine Auferweckung zu neuem Leben des Leibes stattgehabt, son- dern nur bei einer auserwählten Zahl, die klein war im Vergleich mit denen, die nicht mit auferstanden, ob- gleich groß genug für die Gläubigen auf Erden, die ihrer Erscheinung gewürdigt wurden; wohl aber hat jene Erweckungi zur Folge gehabt, daß der Hades oder die Hölle ein fiir alle Mal die dem Jsrael Gottes an- gehörenden Todten hat frei geben müssen. Für sie giebt es keine Hölle in dem zu Hiob 7, 9 beschriebenen Sinne mehr , diese ist vielmehr nur noch als Vorhölle (Offenb. 20, «14) für die der Welt angehörigen Todten vorhanden; für sie ist das Paradies nun da, in das auch der begnadigte Schächer eingehen durfte (Luk. 23, 43), der Freudenort im Himmel, dahin der in Christo Ster- benden Augen blicken und dahin, wenn ihre Augen schon gebrochen, ihre Hände noch weisen. Dort sind der Ge- rechten Seelen in Gottes Hand und im Genusse der Ruhe und des Friedens (Weish. Z, 1. 4; 4, 2); dort sind sie angesichts ihres auferftandenen und Verklärten Heilandes, der ihnen ihre eigene Auferstehung und Ver- klärung verbürgt, auch in ihrer Leiblostgkeit schon selig, nur muß erst die Geschichte auf Erden abgelaufen fein, ehe die Vollendung eintritt, und diese Vollendung ist ihr süßes Sehnen, ihr seliges Hoffen. Ueber eine andere Thätigkeit des im Geiste lebendig gemachten Christus, die, welche er bei den ,,Geiftern im Gefängniß« ausge- richtet, wird zu 1. Petri Z, 18 ff. u. 4, 6 die Rede fein. 54. Aber der Hauptmann [der den Zug zur Kreuzigung angeführt hatte V. 32 Anm.] und die bei ihm waren und bewahreten Jesum [die unter seinem Eommando stehenden Soldaten, von denen in V. 35 f. die Rede war], da sie sahen das Erd- beben und was da geschahe kdaß die Felsen zerrissen und die Gräber sich aufthaten V. 52], erschraken sie sehr und sprachen: Wahrlich, dieser ist kein frommer Mensch Luk. 23, 47 und, wie er von sich bezeugt hat V. 40 u. 433 Joh. 19, 7] Gottes Sohn gewesen. Wie bei den Missethätern (V. 44), verallgemeinert St. Matthäus auch hier, denn nach Mark. 15, 39 u. Luk. 23, 47 hat der Hauptmann obige Worte allein ge- sprochen; es kommt ihm nur darauf an, das Zeugniß zu betonen als aus der Mitte der heidnischen Wächter Jefu hervorgegangen, welcher Einzelne daraus aber es in der That ausgesprochen, bezeichnet er nicht näher. (v. Burger.) Es ist eine Kunde von unbeschreiblich schöner innerer Wahrheit, wenn die Evangelisten berichten, daß der heidnische Hauptmann gerade durch die erschüt- ternde Macht in dem letzten Ausruf Christi (Mark. 15, 39) zur gewissen Ueberzeugung Von der Herrlichkeit desselben gekommen sei. Der römische Krieger meinte wohl schon lange zu wissen, was sterben heißt; und in der That wußte er wohl, was ehrenreich sterben hieß nach den Grundsätzen römischer Tapferkeit, auf manchem Schlacht- felde mochte er damit vertraut geworden fein. Aber die 430 Evangelium Matthäi 27, 55———58. Majesiät des freien Todes, welche sich in dem Donner der Kraft kund gab, womit Jesus seine Seele Gott be- fahl, diese war ihm neu und er riff wie eine Offenba- rung der ewigen Gottheit feine eele. Dieses göttliche Sterben erweckte ihn zu einem neuen Leben; wie außer sich vor Begeisternng fing der Mann an, wundersame Worte zu reden. Er lobte Gott wegen dieser Vorgän e, und es war das Mindeste, daß er den als einen e- rechten pries, den er beauftragt war als einen Misse- thäter hinzurichten (Luk. 23, 47). Er betheuerte mit einem Schwur, daß Jesus der Sohn Gottes sei; nicht etwa schon in dem Sinne entwickelte-·« christlicher Er- kenntnis; betheuerte er dies, aber auch nicht im Geiste heidnifchen Aberglaubens Ohne Zweifel wußte der Hauptmann von dem Vorwurf, unter dem die Juden Christum an das Kreuz gebracht, daß er nämlich sich selber zu Gottes Sohn gemacht habe: dies war es nun, was er jetzt beschwur, das Wort Christi über sich selber, wenn er auch den Jnhalt desselben nur noch dunkel sich zu entwickeln wußte, und selbst seine Genossen wurden von seinem Geiste ergriffen, voll Furcht stimmten sie in sein Zeugnis; ein. So wurde dieser gläubige Heide mit seinen Genossen aus Golgatha der erste Repräsentant der heidnischen Welt, welche in Zukunft ihre Kniee beugte vor der Macht des Kreuzes Christi; ja, dieser Zenge Christi schien schon mit seiner Betheuerung, Christus sei wahrhaftig Gottes Sohn gewesen , den Juden eine Strafpredigt zu halten darüber, daß sie ihn als Gottes- lästerer verworfen hatten. Das jüdische Volk aber fing an zu erbeben unter den großen Zeichen Gottes, welche für die Ehre Christi zeugten; manches Gewissen» er- wachte, viele wurden bewegt, ein Gefühl banger Ahnung ging durch die Hausen (Luk. 23, 48). Lärmend, fluchend nnd triumphirend waren sie gekommen in einer dämo- nisch erregten Masse, um den HErrn zu kreuzigen; fchweigend, niedergeschlagen, vereinzelt schlichen sie von Golgatha fort, manche schlugen an ihre Brust· (P.Lange.) Und als nun die Hausen betroffen, still und in sich ge- kehrt heimgingen, nach Jerusalem hinein, als sie zu beichten anfingen, wie der HErr gestorben, was für Wunder geschehen waren, was der Hauptmann gesagt hatte, und sich in stiller Verborgenheit wie Wetterleuchten alle diese Nachricht zu den Hohenpriestern Verlies, da mag man sich gegenseitig verlegen angesehen haben; da wird die Angst gewesen sein, daß die Sache noch nicht aus fein könnte. Der Verstorbene war nicht gestorben wie Andere; bei aller offenbaren Erschöpfung hatte er einen unbegreiflichen Zusluß an Kraft, sein Ende war ein mächtiges. Wenn er nicht todt wäre! — Doch sieh, es war ja Freitag und der Sabbath nahe; nach dem Gesetz sollte kein Gehängter am Sabbath hängen bleiben, darum waren sie ja zu Pilato gegangen (Joh. 19, 31) und hatten verlangt, daß den Missethätern die Beine gebrochen würden. Das geschah in solchen Fällen öfter zur Beschleuuigung des Todes: man zerschtug die Beine mit Keulen und führte zuletzt einen mächtigen Stoß auf die Brust, da konnte keiner mehr leben. Und das hatte denn Pilatus auch über die drei Gekreuzigten auf Ver- langen der Juden verfügt. Wird doch nach dem Bein- brechen keine Möglichkeit der Wiederbelebung sein: so denken sie vielleicht, und etwa so lange, bis ein neuer Umstand oder eine innere Regung sie in neue Sorge versetzt. Mögen sie sorgen! — Draußen auf Golgatha ereignen sich wieder Dinge von außerordentlicher Art (Joh.19, 32 ff.). Es durfte dem HErrn kein Bein zerbrochen werden, denn er war das Passalamm der Welt, und dem Pafsalamm durfte schon nach der vor- bildlichen Anordnung des Gesetzes kein Bein zerbrochen werden. Also das hilft nichts , Pilati Anordnung und der Juden Verlangen darf an Christi nicht hinausgehen; er muß mit uuoerletzteni Gebein zu seiner Grabesruhe kommen. Dagegen war eine alte Weisfagung Sacharja (12, 10), daß eine Zeit kommen sollte, wo die Jsraeliten an seinem Leichnam die Wunden schauen und aus seiner Herrlichkeit mit Schrecken merken sollten , in welchen sie gestocheii hätten. Sollen sie dermaleins — in welch ferner Zeit es auch sei ——- Wunden, Stichwundeu schauen, so mußte er, uoch ehe er begraben wurde, die verhängnißvolle Wunde bekommen; und das geschieht, ohne daß irgend Menschen es geleitet und gelenkt hätten, durch Gottes wunderbare Vorsehung. Da kommen sie her, die rohen Kriegsknechte was wissen sie, wer ihre Thaten lenkt und wie sie zur Ausführung göttlicher Weissagung dienen müssen! Sie brechen nach Befehl den zwei Mördern die Beine, sie kommen zu gleichem Zweck zu Jesu —- und siehe, er ist schon todt; offenbar braucht er, um zu sterben, keine Gewaltthat mehr. Man hätte ihm nun zwar auch die Beine brechen kön- nen — auf alle Fälle, zur Vorsbrge, weil es befohlen war; aber das geschieht nicht, Gott lenkt es anders. Einer der Soldaten ergreift die Lanze und sticht dem Leichnam eine Todeswunde, groß genug, daß am auser- standenen Leibe Thomas seine Hand hineinlegen kann, und tief genug, um auf alle Fälle zu tödten, denn das war ja die Absicht; und sieh, so war Pilati Befehl voll- kommen vollzogen und beide Weissagungeu, die des Ge- setzes und die der Propheten. sich, etwas unerwartete-s, Ungesuchtesx auf den Stoß floß reichlich Blut und Wasser aus der Wunde. Ein Todeszeichen war dies Blut und Wasser nicht; denn wenn aus einem bereits verstorbenen Leichnam Blut und Wasser fließt, so kann es eher Bedenken erregen als bestätigen, weil todtes Blut nicht gerne fließt, auch ist der Saft, welcher sich nach schwerem Leid im Herzen eines Sterbenden sammelt, des Namens Wasser nicht werth, während doch Johannes versichert, Blut und Wasser sei herausgegangen, Blut für stch und Wasser allein. Es ist hier etwas Wunderbares. Wäre Blut und Wasser nur erwähnt als Todeszeichen, so würde es als solches theils in der Geschichte mehr hervorgehoben sein, theils würde Johannes in seinen Briefen weniger hohen Tons von der Sache reden und zu anderem Zweck davon Gebrauch machen; nun siehet aber jeder- mann, daß Johannes im Evangelium kein Wort von dem Blut und Wasser als Todeszeichen redet, der ganze Vorgang erhebt und erfüllt ihn nicht wegen der Todes- gewißheit, welche damit gegeben ist, sondern wegen der herrlichen Erfüllung zweier Weissagungem und der Blut- und Wasserfluß wird überhaupt, so bestimmt er erzählt wird, einen so ausgezeichneten Platz» die Ermahnung davon in der Geschichtserzählung einnimmt, doch. nur erwähnt und ohne alle Betrachtung vor Augen gelegt. Desto mehr aber ist der Vorfall m I. Joh. 5, her- vorgehoben, und zwar zu besonderem Zwecke, das Zeug- niß Gottes von seinem Sohne darzulegen. Da· heißt es von Christo: ,,Dieser ist’s , der da kommt mit Wasser und Blut, nicht mit Wasser allein, sondern mit Wasser und Blut; und der Geist ist’s, der da zeuget, daß Geist Wahrheit ist«; und in V. 7 heißt es wieder: ,,drei sind, die da zeugen auf Erden, der Geist, das Wasser und das Blut« Kann man sich bei diesen Stellen ent- halten, an den wunderbaren Vorgang am Leichnam Jesu zu denken? sollte Johannes sein Absehen daraus nicht gehabt haben? Der HErr erhielt im Leibe des völlig Gestorbenen lebendiges Blut und verschasfte statt des Blutwassers reines, elementarisches Wasser, auf daß die beiden Sacramente, in denen uns sein Heil wie im Worte gereicht wird, in ihrem Zusammenhang mit dem Tode Jesu erkannt würden. Das Wasser deutet auf die Taufe und zeigt uns, daß die Taufe aus dem Tode Und noch Eins ereignet — Joseph von Arimathia erbittet von Pilato den Leichnam Jesu. 431 Jesu quillt; das Blut weist aufs heil. Mahl und zeigt uns den Brunnquell unsers Heils, Christum, den Gekkeuzigtem Aus seinem Tode quillt Leben, und alles Leben wird uns im Wort und in beiden Sacramenten ereicht. Lassen wir diese alte, dem Apostel selbst zu- ommende Deutun des Bluts und Wasserstromes un- angetastet, es gie t keine bessere und würdigere; steht sie, so ist der Blut- und Wasserstrom ein Geheimniß wunderbarer Art, vom Vater an des Sohnes Leib ge- stiftet, und die heimliche Weisheit deutet es auf den schönen und erwünschten Zusammenhang aller Heils- und Gna- denmittel mit dem HErrn Jesu und seinem gnadenreichen Tode. (Löhe.) II. Und es waren [auch da noch, als die Widersacher alle sich zurückziehen mußten link. 23, 481 viel Weiber da, die [so lange jene noch im Vordergrund stunden] von ferne zusahen [wie wenn sie angefesselt wären anihren Ort, um immer nach Jesu hinzublicken und den Sterbenden nicht aus dem Auge zu verlieren, jetzt aber getrost her- vortreten konnten, um mit feiner heil. Leiche ihr Erbe in Empfang zu nehmen], die da lals die Zeit des Osterfesies herannahtej Jesu waren nach- gefolget aus Galiläa sbis sie in Knie. 20,. 20 mit ihm bei Jericho zusaminentrafen] und hatten [wie früher in Galilüa Luk. 8, 2 f.] ihm gedienet [und Handreichung gethan von ihrer Habe] 56. Unter welchen war sum wenigstens drei davon namhaft zu machen Kap. 10, 4 Anm. Nr. Z] Maria Magdalena [von welcher waren sieben Teufel ausgefahreiy also nicht, wie man gewöhnlich an- nimmt, die große Sünderin in Luk. 7, 37 ff» vgl· Amw 2 zu Kap« 26, s] und Maria, die Mutter Jalobi sdes jüngeren] Und lieiner beiden Brüder Judas und Simon, die ebenfalls zu dem Apostelkreife gehörten, sowie des nicht dazu gehö- rigen] Jofes [vgl. Anm. zu Kap. 10, 5 Nr. 9———12], nnd [Salome] die Mutter der Kinder Zebediii [Kap. So, 20J. IV. v. 57—66; (§.123.) Auch vom segräbniß Jesu handelt Olatthaur nur kurz, ohne alle einzelnen Umstände zu berühren nnd außer dein Joseph von Krimathia aneh des dlieodemuu zu gedenken, der ja überhaupt in seiner Geschirhtgerzähtung bisher nicht vorgekommen ist. Da— gegen berichtet er als der einzige unter den vier Evan- gelisleu von dem, wag die hohenpriesier und Pharisäer am andern Tage nach der Krenzignug und Beerdigung deg htirrn mit seiueni Grabe vernahmen, weit das Wort von seiner Auferstehung aui dritten Tag: ihnen Angst bereitete. (l1gt. Jllarli.15, 42—47; Eule. Es, 50—56; Sah. 19, 3li--42.) 57. Au! Abend aber snoch während des Früh- abends, d. i. in der Zeit zwischen 3—6 Uhr Kap. 14, 15] tam [auf die Richtstätte, wo jene Frauen V. 55 f. sich befanden, um ihrer Wünsche in Betrefs des Leichnams Jesu sieh anzunehmen und ihnen zu einer ehrenoollen Bestattung desselben zu verhelfen] ein reicher Maul! [die Weissagung Its« 53- 9 Anm. erfüllendj von Arimathia [oder Raina Kap. Z, l8., dem Gebursort Samuel’s, vgl. Anm. zu l. Sam. I, 1 u. l. Mace II, 34 —- zwei Stdn. nördlich von Jerusalem Karte V], der hieß Joseph, welcher lobwohl Mitglied des Hohenraths Las. 23, 50., doch als ein guter frommer Mann und als einer, der auf das Reich Gottes wartete] auch ein Junger Jesu war sriur daß er bisher aus Furcht vor den Juden das heimlich gehalten und erst jetzt ossen mit seinem Bekenntniß hervortrat Joh. 19, 38]. 58. Der ging [denn, nachdem er einen festen, über alle Feindschaft, die von Seiten seiner Amts- genossen ihn erwartete, sich hinwegsetzenden Ent- schluß gefaßt Mark. 15, as] zu Pilato [in das Richthaus auf dem Tempelberge V. 11 Anm.] und bat ihn um den Leib Jesu. Da befahl Pi- latus [nach der in Mark. 15, 44 f. berichteten ZwischenverhandlungL mal! sollte ihm [dem Joseph] ihn [den Leib Jesu] geben. Ein Joseph (Kap. l, 18 ff.) ist bestellt zur Fürsorge für die Kindheit Jesu, ein Joseph zur Fürsorge für sein Begräbnis, ganz ähnlich, wie der alttestamentliche Joseph die Fürsorge für die Kindheit des jiidischen Volls in Egypten hatte (1. Mos. 45, 7) und diesem ein Josephus (1. Chrom 25, 7 Anm.) gegenübertrith welcher die welthistorische Bestattung des gestorbenen Jsrael in sei- nen Büchern besorgt hat. (P. Lange) Das hervortreten dieses bis dahin im Verborgenen gebliebenen Jüngers Jesu gerade jetzt, wo äußerlich angesehen es mit der Sache Jesu aus war, ift auch ein Zeichen, obwohl kein Wunder, aber ein vielversprechendes Vorspiel, um den voreiligen Triumph der Juden zu däinpfen. (v. Burger.) Jndem er auf der Richtstätte erscheint, spürt er, daß es sich jetzt um eine Entscheidung handelt und daß er eilen muß, wenn Jesu Leiche nicht soll mit den Misfethätern verscharrt werden. (Riggenbach.) Nach Römersitte blie- ben zwar die Leichname Gekreuzigter am Kreuz, wo· sie verweseten und den Raubvögeln zur Beute wurden; doch durfte auf desfallsiges Ersuchen der Angehörigen die Verabfolgung der Leiche zur Beerdigung nicht ver- sagt werden. (Mei)er.) Wenn nach Mark. 15, 44 Pilatus auf die Bitte des Joseph um den Leichuam Jesu sein Befremden äußert, daß der Tod desselben so frühe sollte eingetreten sein, so scheint diese Verwunderung des Land- pflegers sich nicht mit dem in Joh. 19, 31 angedeuteten Befehl, das Brechen der Beine an den Gekreuzigten zu vollstreckeiy zu reimen; indessen, erlassen hat zwar Pilatus auf Ansuchen der Juden jenen Befehl, aus- geführt aber wurde derselbe nur zum Theil. Die Kriegsknechte vollzogen das Beinbrechen zuerst an den beiden Schächerih sei es, daß diese ihnen am zugäng- lichsten waren, sei es, daß sie an denselben noch die deutlichften Lebenszeichen wahrnahmen. Indem sie dar- nach ihr Auge auf Jesum richten, bemerken sie den bei ihm schon eingetretenen Tod. Selbst diesen rohen Ge- müthern wird ihr Auftrag ein peinlichey mindestens ein lästiger gewesen sein; sie glauben sich hier des nutzlosen Geschäts iiberheben zu dürfen, und — gewiß unter Autoriation des Hauptmanns -— lassen sie es bei dem Lanzenktich bewenden, der mit Sicherheit das etwa noch glimmende Leben vernichten werde. Während nun die Körper der Srhächer gemäß dem Befehl des Landpfleserz der auf ein Zweifaches gelautet hatte (daß ihre eine gebrochen und ste abgenommen wiirden), herabge- nommen und verscharrt wurden, blieb der Leib Jesu, an dem das Erste nicht geschehen war und an dem da- rum auch das zweite für jetzt uoch unterlassen werden 432 Evangelium Matthäi 27, 59—64. mußte, vorläufig an seinem Ort, und es liegt die Vor- aussetzung nahe, daß Joseph den Hauptmann mit feinen Absichten bekannt machte und ihn, der ohnehin dtirch das Sterben Jefu tief ersihlittert worden war, die Hut des heil. Leichnams empfahl, bis er die gewiinschte Er- laubniß vom Landpfleger werde eingeholt haben. Als nun der Rathsherr bei Pilatus mit der Bitte erschien, daß er möihte abnehmen den Leichnam Jefu (Joh. 19, 38), da bedurfte es zur Motivirung dieser Bitte des Geständ- nisses, daß das angeordnete Abnehmen von Seiten der Kriegsknechte in Bezug auf Jesum noch nicht ausgeführt, sondern darum unter lieben sei, weil fein fchon längst erfolgter Tod (Mark. 15, 44) das Beinbreihen ent- behrlich gemacht. An diesem bei Gekreuzigten so unge- wöhnlich frühen Versiheiden haftet der betrossene Land- pflegen und erst nachdem er vom Hauptmann· die Be- stätigung empfangen, gewährt er dem-Joseph sein Gesuch. Weit entfernt also, daß sich die Berichte des Johannes und Markus ge enseitig aussihlöfsen, wie die Kritiker behaupten, klin en beide Darstellungen vielmehl genau in einander. (Steinmeher.) Gesegnet sei dein Wille, Joseph, und dein Begehren; Gott wolle dir die Fülle der Freuden dort gewähren, daß du, den meine Seele liebt, vom Kreuze, da man ihn betrübt, so freudig los- gebeten. (P. Gerhard: Als Gottes Lamm — V. 4,) 59. Und Joseph [dem noch ein Anderer sich zugesellete, nämlich Nicodemus, der vormals bei der Nacht zu Jefu gekommen und jetzt Myrrhcn und Aloe unter einander bei hundert Pfunden brachte Jvh— 19- 391 nahm den Leib [in Gemein- schaft mit Nicodemus vom Kreuze ab Mark. 15, 46; Luk. 23, 53; July. 19, 38] und wickelte ihn in eine reine seigenö für die Bestattung erst neugekaufte] Leinwand [nämlich in Tücher und Binden von der noch ungebrauchten Leinwand, die Nicodemuö mit den von ihm herbeigebrachten Specereien versah Joh. 19, 40; 2." Sam. 3, 31 Anm.]. 60. Und legte ihn in sein eigen neu snoch von keiner andern Leiche befetztes Luk. 23, 53; Jvh. 19, 411 Grab, welches er sin einem nahe bei der Richtstätte gelegenen Garten] hatte lassen in einen Fels hauen, und wälzte snach Beisetzung der heil. Leiche] einen großen Stein szum VerfchliißJ vor die Thnr des Grabes und ging sindem jetzt bereits der Sabbath anbrach] davon. til. Es. war aber allda swie vorhin unter dem Kreuz, V. 56] Maria Magdalena nnd die andere Maria [die Mutter Jacobi und Joses], die setzten fich gegen das Grab [unthätig, in tiefen Schmerz versenkt sich nur die Stätte beschauend, wohin er gelegt ward, indes; die andern Frauen, wie namentlich Salome, bereits Borkehrung für die eigentliche Einbalsamirung trafen Luk. 23, 56]. Die Beerdigung der Todten galt bei den Juden als eine Liebespslichy welche die den Verstorbenen zunächst stehenden Personen, vornehmlich die Söhne, und in deren Ermangelung die Verwandten oder Freunde zu lösen hatten. Dem HErrn waren seine Jiinger die Nächsten (Kap. 12, 50); als Johannes der Täufer von Herodes getödtet worden war, da erschienen seine Jiinger, um den hauptlofeii Leib des verehrten Meisters zu bestatten (Kap. 14, 12), bei dem Begräbniß Jefu aber vermissen wir die zu diesem Geschäft natiirlich Berufenen. Sie, die sich während des Lebens des HErrn unumwunden zu ihm bekannt und die aller Augen beständig in seiner Gemeinschaft und zu seinen Füßen gesehen hatten —- hier sind sie von dem Schauplatz verschwunden, während solche, welche bisher ihren Glauben behcirrlich verheim- licht hatten, an dem Gekreuzigten den letzten Liebesdienst vollziehen nnd dadurch ohne Bedenken die wahre Ge- sinnung ihrer Herzen verrathen. Man kann sich beides zur Noth pfychologifch zurecht legen: die Besttirzung und Todestraurigkeit der Jtinger erklärt etwa ihr sonst so auffallendes Verfäumnißx wiederum ist es ja oft vor- gekommen, daß der eingetretene Tod eine lange ver- leugnete Zuneigung zu hellen Flammen gebracht hat. Wir stellen anheim, ob siih jemand bei diesen oder ähn- lichen Betrachtungen beruhigen kann: uns gereichen sie zu keiner Befriedigung; es handelt sich hier nicht um ein Verhältniß der Liebe oder der Verehrung , sondern um den Glauben an Jesum als den Mesfias. Sowohl Joseph wie Nicodemus standen in diesem Glauben, aber die Furcht vor den Juden, die Rijcksicht auf ihre Stel- lung im Hohenrath hatte sie von offenen Erklärungen zurückgehalten; sie waren heiniliche Jiinger (vgl. Joh. 12, 42). Wie ging es nun zu, daß sie nach dem Ver- fcheiden Jefu diese Rücksicht bei Seite sehen, daß namentlich Joseph es über sich gewinnt, durch den Schritt, den er thut, so auffällig mit dem Rathe zu brechen und überzugehen in den Kreis der erklärten Jiinger des Gekreuzigten? Wir gehen aus das Pro- phetenwort: ,,s"ie werden sehen, in welchen sie gestochen haben« zurück, auf dieses Wort, an welches Johannes (19, 37 ff.) vermittels des ,,Darnach« unsere Erzählung unmittelbar anreiht: verfallen auch Joseph und Nico- demus dem in dem ,,gestochen haben« ruhenden Vor- wurf oder nicht? Es scheint wohl, daß die Bemerkung, aus Furcht vor den Juden sei Joseph nur ein heim- licher Jünger gewesen, und die Erinnerung an die Thatfache, nur einen verstohlenen Naihtbefuch habe Nicodemus bei Jefu zu machen gewagt, einen Schatten auf diese Gestalten werfen und die früher (Joh.12, 43) gefithrte Klage: ,,sie hatten lieber die Ehre bei den Menschen, denn die Ehre bei Gott« auch· über sie er- heben wollez allein dies ist ein bloßer Sihein, in·Wahr- heit sind diese Hinweisungen nur die Folie für »ihr ge- genwärtiges freiiiiiithiges Hervortretem . Wiederum scheint es wohl, als ob die Evangelisten beide Männer ausdrlicklich von einer Theilnahme an dem Vluturtheil lossprächen, den Nicodemus kraft der Mittheilung in Joh. 7, 51., den Joseph vermöge der Notiz in Stil. 23, 51 (in seinem Herzen war er nicht einverstanden weder mit der Tendenz, noch mit dem Verfahren des Raths). Aber auch dies ist ein täuschender Schein; be- kanntlich war die Sentenz des Shnedriums eiiimiithig und widerspruchslos gefällt worden, auf sämmtliche Mitglieder der Behörde, auch auf die schweigendeii, fiel mithin ein nicht abzuweisender Antheil an der Ver- antwortung (in Apostg 13, 29 werden die Bestatteuden in die gleiche Kategorie mit denjenigen gestellt, welche den Pilatus zu der Vollstreckung des Todesiirtheils ge- nöthigt haben), und auch Joseph und Nicodennis hatten alle Urfach, dem Volke gleich an ihre Brust zu schlagen. Nur daß ihr Schmerz noch weniger als der des Volkes eine aussichts- und hoffnungslose Traurigkeit der Welt gewesen ist: an ihnen hat sich das ,,sie werden sehen, in welchen fie gestoihen haben« in der ganzen Tiefe und Höhe feines tröstlichen Sinnes erfüllt. Jetzt geht dem Nicodemus das ahnende Verständniß jenes Nachtgefprächs mit dem Meister Jsraels aus, festbe- ginnt er das Wort von dem erhöhten Sihlangeiibilde zu durchschauen; und indem er sie durchschaut ist er Begräbnis; Jesu. Der Hoherath bittet den Pilatus das» Grab Jesu bewahren zu lassen. 433 selig in der That, die er kraft seines Kommens an das Licht (Joh. Z, U) vollzieht. In dem Auftreten, in dem Glauben, in dem Bekenntniß der beiden ,,frommen Juden« spiegelt sich die wahre Bedeutung des Todes Jesu als eines Opfertodes für die Sünde der Welt; und eben hierin ist die« Lösung des Räthsels offenbar. (Steinmeyer.) -— Zur Einwickelung der Leich- name der Hingerichteten verwendeten die Juden sonst die veraltete Leinwand, womit die Gesetzrollen eingehüllt und umbunden waren: wohl mit Beziehung hierauf be- .merkt der Evangelist ausdrücklich, daß es eine reine Leinwand gewesen, die Joseph verwendete; Nicodemus aber fühlte das Bedürfniß, den HErrn jetzt mit einem fürstlichen Aufwand zu ehren, wie dies vor Kurzem (Kap. 26, 6 ff.) die Maria zu Bethanien gethan. Für das Grab war durch die glücklichste ügung gesorgt: Joseph besaß einen-Garten ganz nahe ei der Schädel- stätte, iwwelchem er sich ein neues Grab in den Felsen hatte hauen lassen, worin noch kein Todter beigesetzt worden war (vgl. das Eselsflillem auf welchem nie kein Mensch gesessen Mark. II, 2); dieses Grab war ihm nicht zu kostbar für die Leiche seines HErrw Johannes bemerkt, in diesem Grabe habe man Jesum beigesetzt, weil es der Rüsttag der Juden gewesen sei, und Lukas giebt an, der Sabbath sei schon im Begriff gewesen, anzubrechen; wenn dies der Grund war, weßhalb man Jesum dort bestattete, so scheint es, als habe man ihn bei größerer Muße vielleicht anderswo begraben. (P. Lange.) ätte die Nähe des Sabbaths nicht so zur Eile getrieben, hätte man den Leichnam wohl ferner gebracht und ihn der feindseligen Nähe der Juden ent- zogen. (Lichtenstein.) Aber gerade dies Grab war nach Gottes Vorsehung für Jesum bereitet, obwohl, der es bereiten ließ, daran nicht dachte, als er’s sich in den Felsen hauen ließ. (Löhe.) Die Frauen gedenken außer den trockeneu Palmen, die Nicodemus gebracht, noch anderes, was zu einer förmlichen Balsamirung gehörte, nachzubringem nämlich Salben von verschiedener Art; sie wollen nicht geizen, wollen sich’s auch nicht nehmen lassen. Der HErr Jesus· freilich kommt ihnen zuvor: nicht unsre Salbung erhält ihn im Grabe, sondern seine Salbung verhilft uns zum Leben. (Riggenbach.) 62.» Des andern Tages, der da folgt nach dem Rustlag [d. i. nach dem Freitag, also am Sonnabend, nachdem dieser Wochentag nun ange- brochen war] kamen die Hoheiipriester nnd Phari- säer [die Mitglieder des Hohenraths aus Betrieb der Pharisäer] sammtlich zu Malo, 63. Und sprachen: Herr, wir haben gedacht suns aus früheren und neueren, gar auffälligen Aeußerungen Kap. 12, 39 f.; 26,»64; Joh. 2, 19 dessen erinnern, daß dieser Verfuhrer sdes Volks Las. 23, L. 5., der gestern seine verdiente Strafe durch die Hinrichtung am Kreuz erhalten hat] sprach, da er noch lebte: Jch ivill nach dreien Tagen auserstehen [Kap. is, 21; 17, 23; 20, 19]. sit. Darum besteht, daß man das Grab [mit einer daselbst aufgestellten Wache von Soldaten] verwahre bis an den dritten Tag sder auf morgen trifst], auf dasi nicht seine Jünger [in der nächst bevorstehenden Nacht] kommen Und stehlen ihn [sei- nen Leib] Und sagen [dann mit Berufung darauf, daß das Grab ja leer sei] zum Volk: Er ist Dächseks Bibelwert swie er vorausgesagt hat] auferstanden von den Todten; Und ivetde [weil das leichtgläubige Volk das sur baare Münze nehmen wird] der leßte Be- trug sweiin nun die Gemüther durch die Lügen- kunde von der Auferstehung des Gekreuzigten in Aufregung versetzi werden] arger, denn der erste [als noch bei seinen Lebzeiten alle Welt als dem vermeintlichen Messias ihm aiihing]. Unter Rüsitag haben wir denjenigen Wochentag zu verstehen, an dessen Abend der Sabbath seinen Anfang nimmt, daher St. Markus in 15, 42 zur Erklärung des an sich weitschichtigen Ausdrucks, der ja auch den Vor« tag eines Festtags bezeichnen könnte, hinzuftigh ,,welcher ist der Vorsabbath«; das Wort ist gleichbedeutend mit dem jüdischen den-ANY, welches zur stehenden Namens- bezeichnung des Freitags geworden; von 3 Uhr Nach« mittags fing man nach Maßgabe der Vorschrift 2.Mos. 16, 23 an, sich mit Speisen vorzubereiten, überhaupt alle diejenigen Geschäfte zu besorgen, die während des Sabbaths nicht gethan werden durften und doch auch nicht liegen bleiben konnten, und so sehen wir deun auch die Freunde Jesu die Zeit von 3—-6 Uhr am Char- freitag Nachmittag auskaufen, um seine Bestattung so ehrenvoll, als in der kurzen Frist irgend möglich ist, zu bewirken, den mit 6 Uhr Abends aber dann eintretenden und bis 6 Uhr Abends am darauf folgenden- Sonnabend reichenden Sabbath sich still verhalten (Joh. 19, 42; Luk. W, 54 u. 56). Wie nun in Joh. 19, 14 als der- jenige Wochentag , auf welchen die Verurtheilung und Hinrichtung Jesu gefallen, bestimmt der Freitag in der siebentägigen Osterzeit angegeben wird, so soll an unsrer Stelle als derjenige Wochentag, an welchem die Hohenpriester und Pharisäer zu Pilatus kamen und sich die Grabes-Wache von ihm erboten, der Sonnabend an- gegeben werden; während an diesem Tage die frommen Frauen sich still hielten nach dem Gesetz, waren dagegen die nicht still, sondern behandelten den Sabbath als einen getvöhnlichen Wochentag, welche sonst so geeifert hatten wider Jesum als einen Sabbathsschänder, und so führt denn der Evangelist mit Beziehung uiiruhiges Treiben den Tag ein als den ,,an ern Tag, der da folgt nach dem Rüsttag«, denn eigentliche Namen für die einzelnen Wochentage kennt der Hebräer nicht, er mußte sich da mit Umschreibungen helfen (2. Mos. 12, -2 Anm.). — »Der heil. Leichnam ruhte im Grabe, die Freunde trauerten und ruhten, aber die Bosheit ruhte und feierte nicht; sie arbeitete nicht umsonst, denn sie lieferte nichts als eitel Stoff und Anlaß für zukünf- tige Ueberweisungsgründe jedes Unglaubens an d e Anf- erftehung Jesu, aber sie verdiente dennoch weder Dank noch Lohn, denn sie gedachte es böse zu machen, obwohl sie es unter Gottes Hand gut machen mußte. Den Hohenpriestern nämlich und den Pharisäern mochte es unheimlich sein bei alle dem, was von dem Tode Jesu und seinen olgen kund geworden war; sie fürchteten die Auferste ung, den Neubau des heiligsten Tempels, nnd was möglich war, ihn zu verhindern, das thaten sie. Es wird also am Sabbath gearbeitet, denn es ist hohe Noth: man muß ja den Stein versiegeln, und die Wache muß auch vor’s Grab gelegt werden. (Löhe.) Die Feinde Jesu hatten gewähnt, sein Tod würde ihnen Ruhe bringen; allein jetzt erfuhren sie bald, daß ihnen der todte Christus noch mehr Angst inachte als der lebende. Diese Qual suchte sich einen Ausdruck und mußte ihn finden, so sicher wie eine Geisteskrankheit immer· auch ihre fixe Jdee findet. Sie erinnerten sich, daß sie vernommen hatten, Jesiis habe gesagt, da er noch lebte, er werde am dritten Tage wieder auferstehn. N» T« l. 28 auf ihr« 434 Leicht konnte ein solches Wort aus dem Munde der Jttnger in die Oefsentlichkeit kommen und zur Kunde des Hohenraths gelangen; und wenn sie auch nur die geringste Andeutung dieser Art hatten, so konnte ihnen diese Ausschluß geben über seinen räthselhaften Ausspruch in . 2, 19., um so mehr, da sie ihn über diesen Ausspruch zu inquiriren hatten und sich überzeugen konnten, daß er mit demselben ihren Tempel auf Zion nicht gemeint hatte. Diese Erinnerung aber an jenes Wort Christi wurde nun für sie zu dem Geiste des Todten, der sie schreckte. Noch in der Nacht nach dem vollbrachten Mord scheint er sie geschreckt zu haben, so sehr, daß sie getrieben werden, ziir nngelegensten Zeit, am Morgen ihres großen PassaiSabbaths , eine Vera- thung zu halten. Diese Verhandlung war keine fömliche Nathssitzung sondern eine improvisirte Besprechung der entschiedensten Feinde Jesu, bei welcher die Form der Sitzung absichtlich vermieden wurde um des Sabbaths willen; sie wenden sich dann an den Pilatus, indem sie, wie es scheint, vereinzelt mit ihrem Anliegen zu ihm hingehen, so zahlreich aber, daß sich eine Conferenz der- selben im ause des Landpslegers bildet. Sie hatten augenscheinlich schon jetzt die Ausrede gefunden, die sie machen wollten, wenn etwa nach einigen Tagen der Ruf ertönen sollte: er ist auferstanden (Kap. 28, 1lff.). Eiustweileii tänsihten sie aber sich selbst noch mit dem elenden Wahnbilde, es sei möglich, daß die Jtinger den Leib Christi stehlen," das; sie dann von seiner Auferstehung predigen und mit diesem Betrug die niigeheuersteu Wir-« kungen hervorbringen könnten. Es ist das offenbar ein richiendes Verhängnißt in surchtbarer Angst arbeitet und zerarbeitet stch der Hoherath und in ihm der ver- körperte Geist der jtidischen Satzung an dem höchsten Ruhetage des Jahres tiber dem Grabe Jesu, nur um den ewig wirksamen Geist Christi, um den zu neuer ewiger Sonntags-Wirksamkeit in den Tiefen der Gottheit sich entzündenden Funken des neuen Lebens Christi zu ewiger schauerlicher Todtenruh in das Grab zu versiegeln. (P. Lange) 65. Pilatus [mit der Nachlässigkeit eines vor- nehmen Ermüdeten auf ihren Antrag sogleich ein- gehend und mit einem gewissen Unwillen sie kurz alzfertigendj sprach zu ihnen: Da habt ihr die Hltlet [die ihr zur Wache bestellen wollt, ich stelle sie euch mit einem Commando Soldaten zur Ver- fügung]; gehet hin und verwahret sdas Grab so gut], wie ihr wisset [ich selber kümmere mich nicht weiter darum]. litt. Sie gingen [denn] hin und verwahreten das Grab mit Hutern kgegen jeden gewaltsamen Versuch, es zu öffnen] nnd versiegelteu den Stein sindem sie eine Schnur über denselben herzogen und mit, beiden Enden an die Seitenpfosten des Eingange? ansiegeltety vgl. zu Kap. 28, 4]. Merkwürdigt Die Jünger vergessen die Worte Jesu, die aus seine Auferstehung weisen, die Feinde denken dran; den Jüngern schnitt die Schärfe des Schmerzes das Angedenken ab, die Feinde, vom Hasse und der Furcht getrieben, sannen in ihrer Aufregung, die der Tod des Erlösers nur vermehrt haben konnte, allem nach, was ihr Wer! hindern oder fördern könne· Sie, die Lügner und Mörder, sttrchten der Jtinger Lüge und erkanfen der hütet: Lüge mit Geld; sie wollen Betrug hindern und machen Betrug. (Braune.) Evangelium Matthat 27, öd. 66. 28, 1--Z. Das 28. Kapitel. Christi Auferstehung und Befehl an seine Sänger. I. v.1--15. (§. 123.) In der Früh: des Ollermorgeiis begeben dieselben Frauen aus Sollt-in, die wir schon am Charfrritage bci den: Begräbnis; Christi in Thätiglirit crbltktitem ihm die letzte Ehr: zu erweisen, sich hinaus nach dem Grabe. dasselbe zu besehen und die durch Ein· brnth der Sabbaths uutcrbrocheiie Sulbuiig der heiligen cciche zu» vollenden; unterdessen aber hat sich draußen schon begeben, wag der ljErr fu«-r diesen dritten Tag nach seiner Kreuzigung geweissagt hatte: das Grab hat dem vom Hoheurath ihm angelegten Siegel zum Trotz den tlcbrrwicider des Todes und Fürsten des Lebens nicht halten Können, ein Erdbeben hat den Stein hin« wrggeschleudert und ein Engel sirh darauf gesetzt, und dir aufgestellten Wächter liegen von Schrctbru betäubt am Boden. Als dann die Frauen beim Grabe anlioms men, empfangen sie aus des Engels Jtlnnde dte frohe Kunde der Auferstehung mit dem Auftrag, sie seinen Jüngern zu hinierbringen und dieselben nach Galitäa als dem Ort seiner Ersihrinuug zu weisen; zuvor jedoch, ehe die Frauen ihre sotschaft auszurichten wagen, inatht eine thalsächliche Erfahrung wenigstens der einen aus ihrem Kreise, das; der holt: wirklich von den Todten auferstanden sei, ihnen Muth dazu. Wie so die Kund: von dem großen Ereigniß bci den Jüngern durch Frauen— niuud laut wird, so wird sie auch dein thohenrathe durih die Grabes-hütet hinterdrein« dort) dieser, wie er früher mit geringem Geld den Judas erliauft hat, daß er den lebenden Christus in ihre Händ: iiberantwortettz brsticht jetzt die Männer durch rrlchlirhes Geld, daß sie mit einer plumpen Läge ihm helfen, den auferstaudrnen Christus zu hvcrleugncir. (Vgl. silatli.16, l——1l; kalt. M, 1—12; St! . ) ,1 is. 1. Am Abend aber des Sabbathd srnit Ablauf der, nach jüdischer Rechniingstveise l. Mai. I, 5 Anm. dem Tage vorangehendeuNachtstunden des- jenigen SabbathsL welcher anbricht am Morgen des ersten Feiertags der Sabbathen swelcher feiner zweiten Hälfte oder den eigentlichen Tagesstunden nach am Morgen des ersten von den, auf den Hauptfesttag der jüdischen Ostern folgenden Feier- tagen eint-ruht, mit andern Worten: kurz vor An- bruch der ersten Morgenstunde des Sonntags in Ostern«], kam Maria Magdalena und die andere Maria [von der in Kuh. 27, 61 die Rede war, » abgesehen von den übrigen Frauen, welche ebenfalls den Weg machten"], das Grab zu besehen [und die am Charfreitag Abend unvollendet gebliebene Salbung des Leichnams Jesu fortzusetzen Lin. 23 56]. l) »Die Schrift fähet den Tag an am vergangenen Abend, und desselben Abends Ende ist der Morgen her- nach. Also spricht hie St. Matthäus, Christus sei am Morgen auferstanden, der des Abends Ende und Au- bruch des ersten Feiertags war; denn sie (die Juden) zählten die sechs Tage nach dem hohen Osterfest alle heilig, und singen an am nähesten nach dem hohen Qsterfest.« So erklärt sich Luther zur Rechtsertigung seiner Uebersetzung in der Nandglossq er meint also, der Tag, um den es sich hier handelt, nämlich der Der Engel des HErrn wälzt den Stein von Jesu Grab. Sonntag in Ostern oder der 17. Nisau, sei nach jüdi- scher Rechnuugsweise in feine 2 Hälften zerlegt, und nun solle der Wendepunkt zwischen beiden Hälften als diejenige Zeit, in welcher das, was der Evangelist er- zählen will, verfiel, bestimmt werden. Die erste Hälfte bestand aus den ca. 12 Stunden von dem Sonnenunter- ga11g des vorhergehenden Sonnabend (l6. Nisan) bis zum Anbruch der Sonntags-Frühe, und von diesem Zeitraum wäre dann der letzte Theil, das Ende ge- meint; dieses Ende aber schließt sich sofort zusammen mit dem Anfang der 2ten Hälfte, welche die etwa 12 Tages-stunden des Sonntags (17. Nisan) vom Aufgang der Sonne bis wieder zu ihrem Untergang umfaßt. Der Sonntag selber nun wäre nach Maßgabe der Stelle Z. Mos 23, 15 ff., wie Luther sie verstanden, bezeichnet; bei dem sshoheii Osterfest«, von dem er in der obigen Randglosse redet, denkt er an den Tag der Darbriiigungs der Webegarbe oder den 16. Nisan, und sieht die Sache so an, als bezögcn sich die »sieben ganzer Sabbathe«, auf welche dort hingewiesen wird, auf die Tage in Ostern: Sonntag, Montag, Dienstag it. (17. 18. 19. U. s. w. Nisan), von denen denn der Sonntag »der erste Tag der Sabbathen« sei. Indessen ist in der oben an- geführten Stelle von der Berechnung des Pfingftfestes die Rede, und die ,,sieben ganzer Sabbathe« find die wirklichen Sabbathtage, die zwischen dem Tage der Darbringung der Webegarbe (16. Nisan) und dem Pfingsitage in der Mitte lagen —- mit den Tagen in Ostern also hat die Stelle gar nichts zu schaffen; diese waren auch keineswegs ,,alle heilig«, sondern nur der 15. u. 21. Nisan wurden mit heiliger Versammlung und Ruhen der Arbeit gefeiert, während an den da- zwischen liegenden Tagen Arbeitsgeschäfte verrichtet werden durften, außer wenn auf einen derselben ein ge- wöhnlicger Wochensabbath fiel (2. Mos. 12, 15 f.; 4. M. S, 17 fs.). Wir sehen, daß Luther’s Auffassung obigen Verses theilweis auf salscher Grundlage beruht; und nun hat er auch dem Wortlaut des Grundtextes eine Deutung gegeben, die derselbe nicht haben kann, wenn auch der Sinn seiner Uebersetzung schließlich auf das Richtige hinausläuft. Wir übersetzen: Jn der Späte (oder nach völligem Ablauf) des Sahhaths (Sonnabends des 16. Nisan) aber, da der Morgen des ersten Wochen- tags (Sonntags des 1.7. Nisan) anhrach; es liegt also auch nicht jene Berechnung des Tags von einem Abend bis zum andern zu Grunde, auf welche Luther sich be- ruft, sondern wir haben hier die bürgerliche Tagesbe- stimmung des gewöhnlichen Lebens vor uns , die von einem Sonnenaufgang bis zum andern rechnet, und werden in die Zeit zwischeii 5—6 Uhr der Sonntags- Brühe (Mark. 16, Z; Luk. 24, 1; Joh. 20, l) versetzt. ie vom Evangelisten dabei gebrauchten Ausdrücke sind sehr bedeutsam: der Sabbath, welcher damals zu Ende ging, follte überhaupt das Ende der Sabbathe sein; eine neue Zeit, eine neue Aera sollte nun anheben, das Alte war vergangen nnd es sollte alles nun neu wer- den, an die Stelle des jiidischen Sabbaths follte jetzt der Sonntag der Christenheit treten (Kap. 12, 8). »Der Sabbath ist der letzte Tag der Woche, der Sonn- tag ist der erste; alle andern Tage stehen jetzt im Lichte dieses Sonntags, sie erhalten von ihm ihre Weihe, ihre ülle, ihreii Segen, während dagegen die Tage der uden sich nach dem Sabbath hin streckten und das Licht am Ende suchten, denn Israel hatte den Segen des Heils noch nicht im Besitz, sondern nur erst in der Verheißuug, in der Hoffnung« Wir werden weiterhin uns überzeugen, daß auch alle einzelnen Erscheinungen des Anferstandenen, von denen die heil. Evangelisten und die Apostel berichten, immer auf einen Sonntag gefallen sind; und zwar ist ein jeder von den5 Sonn- 435 tagen zwischen Ostern und Himmelfahrt durch eine von diesen Erscheinungen ausgezeichnet worden, was man bisher noch wenig beachtet hat. -—- DIE) JnMark.16, 1 wird noch Salome, die Mutter der Kinder Zebedäh und in Luk. 24, 10 Johanna, das Weib des könig- lichen Rentmeisters Chusa, mit Namen bezeichnet, an letzterer· Stelle aber zugleich bemerkt, daß noch andere Frauen mit ihnen waren. Nun ist wohl zu beachten, daß sämmtliche 3 Evangelisten die Maria Magdalena an die erste Stelle setzen; von ihr ist denn in Joh. 20, 1 ff. ausschließlich die Rede. Offenbar war sie die HauptpersoiH die tiefste Leidträgerin des ganzen stillen Zuges; darimscheint sie, wie Luthardt bemerkt, dem Johannes ähnlich- zu sein, daß sie persönlich dem HErrn sich ·auf das Jnnigste verbunden hatte, ja so vollständig an ihn verloren giebt sie sich in Joh. 20, 12 ff· zu er- kennen, daß sie so gar nicht befremdet ist über die Er- - scheinung zweienEngel in weißen Kleidern, daß sie mit denselben redet, als wäre es nichts Besonderes, und Jesum ohne Weiteres als ihren HErrn bezeichnet. Entweder nun eilte sie den übrigen Frauen, mit denen sie gleichzeitig von Jerusalem ausgebrochen war, voraus, weil sie nicht schnell genug zum Grabe kommen konnte; oder, was uns wahrscheinlicher vorkommt, sie ist von Haus aus früher ausgebrochen, da es noch finster war (gegen 5 Uhr —- in Palästina ist uämlich selbst im Sommer um 4 Uhr Morgens kaum erst Dämmerung, während Abends 8 Uhr schon die Nacht einbricht, für den April aber kann man den Sonnenaufgang etwa zwischen IX, und 74 6 Uhr ansetzen), um, noch ehe die Andern kämen, mit denen sie Abends zuvor eine Zu- sammenkunft am Grabe verabredet hatte, dort ihren Gefühlen einige Zeit allein nachhängeu zu können. Doch noch etwas früher, als selbst die Maria Magdalena beim Grabe ankommt, also wohl gleichzeitig mit ihrem Aufbruch aus der Stadt, begiebt sich draußen, was in den folgenden Versen erzählt wird. 2. Und siehe, es geschah sin der Frühe dieses Tages, etwa um 5 Uhr, noch ehe von jenen Frauen irgend eine beim Grabe draußen angelangt war, in dessen unmittelbarer Umgebung] ein groß Erdhehen [das in bedeutsamer Weise die Rückkehr Jesu in’s Leben begleitete, wie bei feinem Ver- scheiden die Erde ebenfalls erbebete Kap. 27, 52., und die ganze Scenerie veränderte sich auf einmal so völlig, daß für die Frauen, als sieshernach an- kamen V. 5, allerdings viel Veranlassung sich zu fürchten vorhanden war]. Denn der Engel des HErrn kam vom Himmel herab, trat hinzu und wälzte den Stein von der Thür ssdes Grabes, den man bei dem Begräbnis; davor gewälzt hatte Kap. 27, 60]- und setzte sich. darauf [auf den Stein, bis Der Auserstandene aus seinem Grabe hervorgegangen, worauf er dann in der Grab- hbhle selbst seinen Platz zur Rechten nahm Mark. 16, 5]. s. Und seine Gestalt sdas Aussehen seines AntlitZeSJ war [so hellen, leuchtenden Glanzes] wie der Blitz, und sein Kleid weiß als der Schnee sdaß man ihn, obschon er der äußeren Erscheinung nach wie ein Jüngling anzusehen war, doch sofort für einen Boten aus ver himmlischen Welt erken- nen mußte) 436 Evangelium Matthäi 28, 4—l1. 4. Die Huter [Kap. 27, 65 f.] aber lwelche das Erdbeben hörten und das Herabkommen des Engels wahrnahmem und von denen hernach der eine oder andere gläubig geworden und die Kunde von diesen Vorgängen der christlichen Gemeinde hinterbracht hat, gleichwie auch das Ereigniß in Kap. 27, 51 durch einen gläubig gewordenen Priester Apostg 6, 7 zu ihrer Kenntniß gekommen istJ etschtacken vor Furcht und wurden [für einige Zeit], als waren sie todt sals sie dann wieder zum Bewußtsein kamen, rafften sie sich geschwind aus und liefen stracks davon, so daß sie nicht mehr beim Grabe waren, als die Weiber V. 5 ff. da- selbst ankamen]. Die alten Ausleger nehmen an, daß Jesus noch bei verschlossenem Grabe auferstanden und der Vorgang also so zu denken sei, wie jener Liedervers andeutet: »Geh und laß den Stein versiegeln, o du blinde Juden- Schaark get; und laß das Grab verriegeln, stelle Hut und Wache ar: Jesus, wenn er auf will stehen, kann durch Stein und Siegel gehen-« Darnach habe die Wegwälzung des Steines durch den Engel nicht den Zweck gehabt, dem Auferstandeuen freie Bahn zu machen, sondern ausschließlich den, die Auferstehung nachzuweisen, wie ja der Engel hernach zu den Weibern spricht: ,,Jch weiß, daß ihr Jesum den Gekreuzigien suchet; er ist nicht hie, er ist auferstanden — kommt her und sehet die Stätte, da der HErr gelegen hat!« Man gewann so eine Vergleichung des Ausgangs aus dem Grabe mit dem Ausgang aus dem Mutterschooß bei der Geburt, indem bei dieser Jesus auch die Mutter nicht »gebrochen« (·2. Mos 13, Z) habe; gletchwte jedoch letzteres offenbar eme falsche Vorstellung m sich schließt, so ist auch jene erstere Meinung jedenfalls irrig und dem Zusammenhang der heil. Schrift nicht gemäß. Wohl aber haben die. alten Ausleger recht gesehen, wenn sie bei dem Erdbeben und dem Herabkomcnen des Engels an die Niederfahrt Christi zur Hölle dachten. Jnsosern dieHölle das Reich der Todten oder den Auf- enthaltsort der abgeschiedenen Seelen bezeichnet, ist der HErr da hinabgefahren unmittelbar nach seinem Ver- scheiden, also nur der Seele nach, und hat daselbst voll- bracht, wovon zu Kap. 27, 52 f. die Rede war und wovon wir zu 1. Petri s, 18 ff. n. 4, 6 noch weiter werden handeln müssen; insofern aber unter der Hölle der Ort des Teufels und seiner Engel zu ver- stehen ist (2. Petri Z, 4), ist der HErr da erst hinunter- gestiegen, nachdem er sein leibliches Leben im Grabe wieder angenommen, bevor er aus dem Grabe selbst hervorging, und wir können es uns nun erklären, warum der En el, der den Stein vom Grabe hinweggewiilzt hat, si erst auf den Stein setzt und darnach in der Grabhöhle seinen Platz nimmt. Er bildet auf der einen Seite, indem er auf dem Steine dasitzt, den er von des Grabes Thür sich hinweggewälzt, den erhabensten Ge- gensatz zu dem Siegel, welches der Hoherath auf den Stein gedrückt hat, verkörpert die Macht des Himmels, welche über die Macht der Erde triumphirt, und läßt schon im Voraus erkennen, daß alle Versuche der judi- schen Staatskirche, die neu sich bildende Christuskirche niederhalten und unmöglich machen zu wollen, mit dem Untergang der ersteren enden werden; und auf der an- deren Seite wartet er das Hervortreten des Auferstaik denen ab» ehe er zu einem Verkündiger des leeren Grabes wird, dies Hervortreten aber wird eine kurze Zeit dadurch aufgehalten, daß der Fürst des Lebens und Ueberwinder des Todes dem starken Gewappneten in seinen Palast fällt (Luk. U, 21 f.), ihm die Gewalt des Todes, die er bisher unan efochten besessen, feierlich ab- und an sich nimmt (He r. 2, 14) und aus den höllischen Mächten eines Triumph macht (Ephes.4,8ff.; Col. 2, I5), denn er wollte auf Erden sich nicht ein- stellen, ohne ,,viel Ausbeute«, wie es in einem Osterliede heißt, ans dem Grabe mitzubringen. Diese zweite Seite der Höllenfahrt Christi haben die Belenntnißschriften der lutherischen Kirche ausschließlich in’s Auge gefaßt, wäh- rend dagegen neuere Theologen vielmehr die andere Seite ausschließlich hervorkehren; beide Theile können stch zum Beweis ihrer Lehre auf Stellen der heil. Schrist berufen, weil sie aber die Sache immer nur mit Einem Auge ansehen, verstehen sie nur den einen Theil derbiblischen Beweisstellen richtig, thun dagegen dem andern Theil durch schiese Aufsassung eine gewisse Gewalt an. 5. Aber der Engel [der inzwischen, nachdem Jesus die Grabhöhle verlassen, von dieser Besttz genommen und darin sich so placirt hatte, daß er denen, die schon auf dem Wege waren, das Grab zu besehen V. 1, bei ihrem Eintritt zur rechten Hand säße Mark. 16, 5 und gleich damit sich ihnen als einen guten Boten zu erkennen gäbe Lin. 1, 11] antwortete sin Beziehung auf das Entsetzen, wovon sie ergriffen wurden, als sie um halb 6 Uhr nun wirklich herangekommen waren Mark.16,4] und sprach zu den Weibern sMaria Jakobi, Salome und Johanna Mark. 16, I; Luk. 24, Iojx Fürchtet Uhr] each nicht kwie vorhin die Hüter vor Furcht vor mir erbebeten und alle Ursach hatten, sich schleimigst davon zu machen, nachdem sie vom ersien Schrecken sich einigermaßen wieder erholt V. 4]; ich weiß, daß ihr [von Liebe gezogen und bewogen] Jesum den Gekreuzigten suchet lund da kann ich nur mit Liebe euch wieder begegnen]. 6. [Ja, gerade euretwegen sitze ich da und habe schon aus den seligen Augenblick gewartet, daß ich euch die frohe Kunde brächtexj Er ist nicht [mehr] hie [dieser Jesus, der Gekreuzigte, den zu salben ihr gekommen seid]; et ist [heut am dritten Tage] auferstanden, wie er smehr als ein Mal, wenn er von seinem Kreuzestode redete, auch davon] gesagt hat sdaß er am dritten Tage würde wieder auferstehen Kap. 12, 40; 16, 21; 17, 22f.; 20, 18 f.]. Kommt her und sehet die Stätte, da der HErr gelegen hat [aber nun nicht mehr da liegt, das wird euch Beweises genug sein für die Wahrheit dieser meiner Rede]; 7. Und gehet eilend hin snach Jerusalem] und saget es seinen Jüngern, daß er auferstanden sei von den Todten [besonders aber dem Petrus Mark. IS, 7]. Und siehe, er wird sseinem Wort in Katz. 26, 32 gemäß] vor each hiagehen in Galilaatn [wenn nun die Tage des Ostetfestes völlig vorüber sein werden], da werdet ihr lWeiber zugleich mit den Jüngern] ihn sehen fund aufs Neue zu einer Gemeinde der Gläubigen unter ihm geeiniget werden, nachdem ihr hier zu Jerusalem Die erste Kunde von der Auserstehung Jesu. 437 zu zersireueten Schafen geworden Kap. 26, 31]. Siehe, ich hab’s euch gesagt [und da gedeutet denn meiner Rede, wenn sie nun sich erfüllen wird; beweiset aber jetzt als solche, die da nicht sehen und doch glauben Joh. 20, 29., Gehorsam, damit ste sich erfüllen kanns 8. Und sie [die zu V. 5 genannten Weiber] gingen eilend zum Grabe hinaus kin dessen vor- derem Raum sie nach der Aufforderung des Engels »,,kommet her« wirklich eingetreten waren und so sich hatten überzeugen können, daß der, den sie suchten, in der That nicht mehr dalag], mit Furcht [eincr-] und großer Freude landrerseits -— mit Furcht wegen der ganz außerordentlichen Dinge, die sie gesehen, und mit großer Freude wegen der frohen Botschaft, die sie vernommen hatten], und liefen, daß sie [auch wenn es ihnen nicht noch besonders befohlen gewesen wsire V. 7] es seinen Juugetii sin der Stadt] Verkundigtett sdoch sagten sie, daselbst angekommen, fürs Erste niemand nichts, weil der Schrecken wieder die Oberhand über die Freude bekam Mark. 16, 8., bis dann Maria Magdalena kam und von ihrer besonderen Erfah- rung, die sie gemachh erzählte Joh. 20, 1»8; da- durch ward denn auch bei ihnen das Band ihrer Zunge los]. Wir können hier um so mehr die Geschichtserzählung einstweilen abbrechen, als die übrigen Worte des Verses: Und da sie gingen, feiueuJüngernzu verkün- digen, höchst wahrscheinlich ein unächter Zusatz sind, so daß V. 9 vielmehr so beginnen müßte: Und siehe, Jesus begegnete ihnen und sprach 2c.; der in V. 9 u. 10 vorliegende Abschnitt enthält demgemäß keine chronologische Fortführung der Geschichte, wie es iii Folge jenes Zusatzes cheint, sondern nur einen Nachtrag zu derselben, de en Zusammenhang mit dem Vorhergehenden uns erst aus Joh. 20, 1—18 klar wird. Jn B. I richtet St. Matthäus unsre Aufmerksamkeit wieder auf die« beiden Frauen, deren er in Kap. 27, 61 bei der Grablegung Christi gedacht, auf Maria Magda- lena und die andere Maria, des Kleophas Weib und Mutter Jakobi des Jüngeren. Beide nun, wie schon zu V. 1 bemerkt, find in der Frühe des Os·termorgens nicht zu gleicher Zeit von Jerusalem ausgebrochen, das Grab zu besehen und die Salbung der heil. Leiche noch zu vervollständigen, sondern Maria Magdalena eilte früher hinaus; sie kam, weil früher von Jerusalem ausgebrochen, auch früher draußen bei der Grabstätte an, wo sie schon aus einiger Entfernung bemerkte, daß der Stein vom Grabe hinwe war, und nun fchleunigst zurückeilte, den Petrus und ohannes herbeizurusen, ohne erst bis an das Grab heranzutreteiu Inzwischen ist auch Maria Jakobi in Gemeiiischaft mit den mindern galiläischen Frauen aus einem andern Wege bis vor die Stadt ge- taugt, und nun begegnet diesen Frauen, was wir in V. 5—8 gelesen haben; indem sie aber hingeben, den Jüngern Botschaft zu bringen, kommen aus dem Wege, den Maria Magdalene eingeschlagen, und von dieser ge- folgt, Petrus und Johannes zum Grabe, überzeugen sich, daß dasselbe wirklich von Jesu verlassen ist, und gehen, in Betrachtungen versunken, wieder heim, Maria dagegen bleibt zurück und wird der ersten Erscheinung des Auserstandenen gewürdigt (Joh. 20, 1 ff.; Mark. is, 9fs.). Es ist die eigeuthiiinliche Art des Matthäiis, daß er bisweilen in Bausch und Bogen erzählt und da auf mehrere Personen überträgt, was nur von einer gilt; a·m aufsälligsteii begegnet uns dieser Fall in Betreff der beiden mit Jesu gekreuzigten Llliörder (Kap.27,44), er tritt aber auch hier ein, wo der Evangelist ebenfalls in Bausch und Bogen die der Maria Magdalene zu Theil gewordene Erscheinung berichtet, ohne diese Maria von der andern und deren Genossinnen zu trennen. Was wir also im Folgenden lesen: »So, Und da sie gingen, seinen Jüngern zu verkundigenz 9. Siehe, da» begegnete ihnen Jesus und sprach-· Seid gegrußet.» Und sie traten zu ihm und griffen an seine Fuße und fielen vor ihm nieder. m, Da sprach Jesus zu Ihnen: Furchtet euch nicht; gehet hin und verkmidigei es meinen Bruderm »daß sie gehen in Galilaam, daselbst wer- den sie mich sehen. ist offenbar dieselbe Geschichte, die wir in Joh. 20, 11 —17 nach ihren einzelnen Umständen und in ihrem speciellen Hergange vor uiis haben; Matthäus, wenn er in der Mehrzahl von Frauen berichtet, denen der Auferstandene erschienen sei, erzählt nur in zusammen- fassender Weise, er generalisirt nach Kategorien, wie er das auch in Kaki. 8, 28 ss. u. 20, 30 ff. thut, weil es ihm nicht um das Einzelne des Hergangs, sondern lediglich um das Charakteristische desselben zu thun ist, darum nämlich, daß nicht der Kreis der Jüngeiz sondern der der dienenden Frauen es war, der, gleich» wie die erste Kunde von der Auferstehung, so auch die erste Erscheinung des Auferstandenen empfangen, was einerseits mit dem Eifer zusamiuenhing , der sie zuerst in der Frühe des Morgens zum Grabe hinaustrieb, andrerseits aber mit einer Gottesregeh die sich durch die gesammte Geschichte des neuen Tesiaments in ausfallen- der Strenge bewährt. »Die Freude, welche allem Volk widerfahren soll, wird durchwesk den Betheiligten ver- mittels der Verkündigung aus enschenmunde bekannt gemacht; dies ift der Weg, den Gott geordnet hat, und » auch die haben, aus diesem Wege zur Osterfreude kom- men müssen, durch deren Predigt die ganze Welt die Heilsbotschast empfangen hat.« Eine ebenfalls nur siimmarische Geschichtserzählung enthält der Abschnitt Luk. 24, 1—12., wo das Widersahrniß der Maria Magdalena mit dem Erlebniß der andern rauen in Eins zerschmolzen wird; die zwei Männer in weißen Kleidern, mit denen dort die Frauen zu thun haben, sind die beiden Engel, die der Maria erschienen (Joh. 20, 12 f.), und das, was von Petrus erzählt wird, ist der Vorfall mit Petrus und Johannes, die keine Engel zu sehen bekamen (Joh. 20, 3—10). Man sieht an diesen Beispielen, daß man einen Evangelisten nur im Zusammenhang seiner ganzen Eigenthümlichkeit richtig versteht und es daher durchaus nöthig ist, die Gesichts- punkte, von denen aus er erzählt, und die Weise, die er dabei beobachtet, sich gegenwärtig zu halten; wollte man blos aus dem unmittelbaren Wortlaut ftir jeden einzelnen Fall den Thatbestand zusammenftellem so würde man öfter den einen Evangelisten iii unauslöslichen Widerspruch mit den andern net-wickeln. 11. Da sie aber [jene Weiber V. 5 ss.] hin- gingen [den Jüngern es zu oerkündigen, daß sie den Leib Jesu nicht mehr im Grabe vorgefunden, wohl aber ein Gesichte der Engel gesehen hätten, welche sageten, er lebe Lin. 24, 23], siehe, da 438 Evangelium Matthäi 28, 12——15. kamen etliche von den Hintern lvgL V« 4J it! Die Stadt und verlnndigten den Hohenprtestern [dem Kaiphas und seinem Schwiegeroater Hannasj alles, was geschehen war [der eine oder andere von den Hütern dagegen, welcher einen tieferen Eindruck von dem Ereigniß bekommen, hat wohl an den Hauptmann Kap. 27, 54 sich gewendet imd diesem den Bericht erstattet]. 12. Und sie [die HoHenprEesterJ kamen zusam- men mit den Aeltesten szu einer förmlichen Sitzung des Hohenraths, zu welcher jedoch Joseph von Arimathia iind Nicodemus nicht mit eingeladen wurden Kap. 27, 7] und hielten einen Rath» swas in ihrer peinlichen Lage sie nun thun sollten], und gaben [als sie ihren Beschluß gefaßt] den Kriegs- knechten Gelds genug ssich ihrer Willigkeit zu dem, was ihnen geheißen wurde, zu oersichern], 13. Und sprachen: Saget [wenn es nun in der Stadt ruchbar wird, daß der Stein vom Grabe des Gekreuzigten hinweggewälzt und seine Leiche nicht mehr darin sei], seine Jünger kamen des Nachts nnd stahlen ihn, dieweil wir schliefent 14. Und wo es kdaß ihr geschlafen hättet- statt zu wachen, und so euch die Leiche stehlen IassenJ würde auskommen bei dem Landpfleger kwie es denn nicht ausbleiben wird, daß das Gerücht gar bald auch zu seinen Ohren dringt], wollen wir ihn stillen« ssdaß er euch gar nicht erst zur Ver- antwortung zieht wegen der Dienstverletzung deren ihr mit jener Aussage selber euch befchuldigtj und schaffen, daß ihr sicher seid svor der Strafe, die nach Kriegsrecht euch treffen würde Apostg 12, 19]. «) Es ist dies die letzte Sitzung des Hochwürdigkeit in Anspruch nehmenden Synedriums, welche Matthäus berichtet, und der letzte Rathsbeschluß, höchst bedeutungs- voll die ganze Perspektive des nachchriftlichen ungläubigen Judenthums erösfnend Was sie nun beschließen und vornehmen, ist ein Ausdruck der höchsten, peinlichsten Verlegenheih mit den 30 Silberlingen haben sie gemeint, siih des verhaßten Jesu zu entledigen; aber jetzt erst macht ihnen der bereits Gekreuzigte uud Begrabene eine viel größere Noth und kostet ihnen viel mehr Geld. Zu dem Gericht der Ohnmacht, der Rathlosigkeit und Verworsenheitz dem sie verfallen sind, kommt dann noch das Gericht der Dummhejtx die Soldaten sollen als Schlafende gesehen haben, daß Diebe kamen und daß das die Jiinger Jesu waren. (P. Lange) Doch die Lüge, wie abgeschmackt sie ist, wird dennoch von der Welt (insonderheit dem gemeinen, gottlosen Haufen) viel eher und lieber geglaubt als die Wahrheit. (Zeisius.) · «) Durch sein geschlageiies Gewissen, da Pilatus wider sein besseres Bewußtsein Jesum zum Kreuzestode ttberantwortet hatte, war dieser mit in ihren ganzen Handel verstricktz und mußte daher ihm ebenfalls daran liegen, daß das, was die Hüter am Grabe erlebt, nicht weiter bekannt würde; darauf rechneten die Hohenpriestey als sie versprachety den Landpsleger zu stillen, und darin haben sie ebensoweni sich verrechnet wie in der Vor- anssetzung, daß ihre Züge, die keinen andern Zweck hatte, als dem großen Haufen Sand in die Augen zu streuen, von diesem unbesehens geglaubt werden würde, obwohl es doch hätte ausfallen müssen, daß die Jünger wegen angeblicher Erbrechung des amtlichen Siegels am Grab- stein so gar nicht belangt wurden. 15. Und sie [die KriegskUechteJ nahmen das Geld nnd thaten, wie sie gelehret waren siprengten die ihnen eingegebene Lüge unter dem Volke aus]. Solches [daß die Jünger des Nachts gekommen wären und hätten die LeichelJesu aus dem Grabe gestohlen, während die Wächter schliefen] ist eine gemeine Rede worden bei den [ungläubigen] Juden [die gegen das Zeugniß von seiner Auferstehung sich verhärtet haben], bis auf den heutigen Tag [da ich, Ntatthäus, dies schreibe, und ist es noch bis auf diesen Tag, da wir, die Christen der Gegenwart, dies lesen]. Die weiteren Erscheinungen des Auferstandenem so- lange die Jünger noch in Jerusalem waren, übergeht St. Matthtius und versetzt uns im folgenden Abschnitt sogleich nach Galiläa, worauf es ihm hauptsächlich an- kam. Es fallen aber zwischen den vorstehenden und den nächstfolgenden Abschnitt nicht weniger als 5 Erschei- nungen, die wir uns vorerst vergegenwiirtigem ehe wir bei unserm Evangelisteii weiter lesen. Z) Noch im Laufe des Ostertages, wahrscheinlich gegen 3 Uhr Nachmittags (zur Zeit des Abendopfers), offenbart sich Jesus dem Simon-Petrus (Luk.24, 34; 1. Cor. l5, 5). Er war der trostbediirftigste unter allen Jüngern, ließ sich seit seinem Falle wohl nur noch Simon nennen, nnd war ,,eineni Priester gleich, der sein Priestergewand abgelegt, weil er es entweihet hat, einem Offizieiz der seinen Degen abgegeben, weil er die militairische Würde nicht behauptet; nur Jesus allein konnte ihm den Ehrennamen Petrus wiedergeben. Die Verhandlung Jesu mit ihm ist ohne Zweifel eine sehr geheime gewesen, denn das Nähere derselben ist nirgends berichtet; sie brachte ihm aber das ein, daß er wieder unter die Jtinger aufgenommen wurde, und in seiner jetzigen Stimmung war ihm das vor der Hand auch Gnade übergenug« Z) Um diese! e Zeit gehen zween aus dem weiteren Kreise der Jüngey von denen der eine Kleophas heißt, in dem andern aber schon von den älteren Schriftauss legern der Evangelist Lukas selber, der in L. 24, 13—35 (vgl. Mark. 16, 12 u.13) den Vorfall erzählt, ver- muthet worden ist, nach dem Flecken Emmaus; der Auferstandene gesellt fich unterwegs zu ihnen und giebt sich hernach beim Abendessen zu erkennen, sie aber eilen voller Freude noch am Abend nach Jerusalem zurtlck, wo sie etwa um 8 Uhr bei den Aposteln und denen, die bei ihnen find, anlangen und hier die Kunde von der Erscheiniing vernehmen, welche Simon Petrus in der Zeit ihrer Abwesenheit gehabt, worauf sie ihr eigenes Erlebniß berichten. 4) Da, während man in diesem Apostels nnd Jünger- kreise von ihm redet, tritt Jesus mitten unter die Sei- nen, überzeugt sie nach dem Friedensgruße von seiner leibhaftigen Erscheinung, ertheilt ihnen die Gabe seines heil. Geistes (die Kraft desselben ward ihnen dann auf Pfingsten zu Theil) und mit dieser Gabe die Macht, auf Erden die Sünden zu vergeben, wie er selbst sie besessen und geübt (Luk. U, 36——43; sah. 20, 19-——23); doch war Thomas dabei nicht gegenwärtig. Die Jünger nun, nachdetn mit dem darauffolgenden Donnerstag (21. Nisan = 13. April) die jüdischen Ostern zu Ende waren, kehren nicht jetzt schon aus Jerusalem nach Galiläa zurück: einestheils wollten sie wohl die Ge- dächtnißtage dessen, was vor 8 Tageii geschehen war, noch an dem Schauplatz dieser großen Ereignisse selber Der Hoherath besticht die Grabeswächter zur Aussage einer Lüge über die Auferstehung Jesii. 439 mit einander begehen, und anderntheils mochte ihnen ihr von Christi Geist geleitetes Gefühl sagen, daß sie noch nicht völlig zur Rückkehr bereitet wären, indem noch einer unter ihnen, Thomas, zuvor zi1m Glauben bekehrt werden müsse. 5) Sonntags, den is. April (24. Nisan), der im J. 1871 genau dem Sonntag Qiiasimodogeniti ent- sprach, erfolgt diejenige Erscheinnng des Auferstandenem welche auch den Thomas herumholt (Joh. 20, 24ff.). Nun erst brecheii die Jüiiger von Jerusalem auf nach Galiliia und— leisten damit dem Befehl des Engels an die ranen in V. 7 und der Weisung des HErrn an Maria Magdalena in V. 10 Genüge; sie kehren wieder gii ihrem Gewerbe zurück, und das giebt Gelegenheit, a s) Jesus sieben seiner Jünger, von denen Simon Petrus, Thomas, Nathanael und die beiden Söhne Zebedäi bei Namen genannt werden, am See Tiberias erscheint; er Verkündigt da dem Petrus seinen einstigen Märtyrertod, dem Johannes aber eine friedliche Heim: holung (Joh. 2l, ff.). Was er ·mit beiden, die ihm nach dem Mahle in diacsöinsamkeit »nachfolgtet»i», noch weiter verhandelt hat, wird nicht erzahlt; es laßt sich aber vermuthen, daß er durch sie die große Versamm- lung bestellte, von der wir im folgenden Abschnitt lesen, und· da anch als Ort· für diese Versammlung den Berg bestimmte, von dem in V. 16 die Rede ist. Ebenso ist über den Tag sowohl der eben besprochenen sechsten, als der nachher folgenden siebenten Erscheinung nir- gend eine Andeutung gegeben; wir werden aber wohl nicht fehlgreifen, wenn wir die beiden Sonntage, von denen der eine im J. 30 n. Chr. auf deii 23steii sMiserioordias Domini) und der andere auf den 30. April (Jubilatc) fiel, dafür ansetzen -— die beiden Evangelien ani 2. U. Z. Sonntage nach Ostern (Joh. 10, 12 ss.·u. 16, 16 ff.) würden gut stimmen, jenes zu der Erscheinung am See Genezareth (Joh. 2l, 1 ff.) und dieses zur Erscheinung auf dem Berge (Matth. 28, 16 ff.). Daß aber, indem wir die genannten beiden Sonntage für diese zwei Erscheinungen in Aiispruch nehmen, weiterhin aber auch für die Erscheiniing vor Jakobus und für die letzte Offenbarung in Jeru- salem (s. die chronolog. Uebersicht zu Kap. 20, 19: §. I29) die beiden Sonntage vom 7. u. 14. Mai Gan— tate u. Rogate), wir nicht grundlofeii und leeren Ver- muthungeii uiis hingeben , geht aus der hohen Bedeu- tung hervor, die der Sonntag gar bald für das christliche Gemeindebewnßtsein als »Tag des HErrn« gewann (Apostg. 20, 7; 1. Cur. 16, 1f.; Offenb.1, 10), so daß er znletzt ganz an die Stelle des alttestamecit- lichen Sabbaths trat und das Gebot in 2. Mos. 20, 8 ff.) ohne Bedenken auf ihn übertragen werden kann. Die Thatsache«, daß Christus an einem Sonntag aufer- standen ist, reicht nicht· hin, um das Recht der Kirche zu erklären, daß sie an die Stelle des von Gott geheiligten nnd gesegneten Sabbathtages, ftir dessen Einsetznng wir ein bestimmtes Schriftwort haben, den ersten Wochentag gesetzt hat; nnd die andere Angabe, daß auch an einem Sonntag der zur· Rechten Gottes erhöhete Christus· sei- nen· Geist über die Jünger aiisgegossen und· die Kirche gefiiftet habe, die christliche Kirche also an diesem Tage gleichsam ihren Geburtstag begehe, beruht auf einem ihronologischen Jrrthum, der erste Pfingsitag fiel viel- mehr anf einen Sonnabend (27. Mai). Durch letztere Thatsaihe würde die erste wieder entkriiftet sein, sie würde als ein Beweis gelten können, daß die Kirche kein Recht gehabt habe, von dem alttestamentlicheii Sabbathtage abzusehen, wenii sie doch das alttesta- metitliihe Sabbathsgebot festhalten wollte; man weiß so in der That nicht recht, was man Gegründetes da- gegen vorbringen soll, wenn der schwärmerische Perrückew macher Joh. Tennhardt zu Nürnberg (·s-17·20) feiner Zeit den christlichen Sonntag den Aftersonntag nannte und die Verlegung des HErrnsTages auf denselben für ein Kapitalverbrechen der Kirche erklärte, und auch im J. 1850 der Verfasser einer Preisaufgabe über die christliche Sonntagsfeier zu beweisen versucht hat, daß alles Unheil in der Kirche von der Verlegung des Sab- baths aus den Sonntag herrühre. Man hat es bisher im Grunde nicht weiter gebracht, als daß man sagt: »Die Worte: du sollst den eiertag heiligen, gelten uns für ein Kirchen gebot, d. . für eine Satzung, die die christliche Gemeinde sich selber gegeben, aber freilich e- geben aus ihrem iniiersteii Bedürfnisse herans«; a er wie haltlos ist doch dieser Satz der so schwierigen Frage gegenüber: worauf ruht die Verbindlichkeit, den Sonn- tag heilig zii halten? womit kann ich demjenigen, der denselben gemein niaeht, beweisen, daß er sündigt? wenn das alttestamentliche Gebot nicht hierauf bezogen werden darf, ein neutestamentliches aber nicht existirt, womit soll man dann eine Verpflichtung noch stützen? Offenbar müssen wir die Sache anders angreifen; und da haben wir fchon zu Kaki. 12, 8 gesehen, wie der HErr eine Umwandlung des iüdischen Sabbathtages in dem christ- lichen Sonntag in Aussicht stelltx das Gebot der Feier selber erhält er, denn er ist nicht gekommen aufzulösen, sondern zu erfüllen, aber über die Bestimmung des Tages ist er ein Herr, weil ihm der Vater Macht e- geben hat über alles Fleisch. Nun hat der Vater selber zuvor den neuen Tag bestimmt, indem er am Sonntag des Menschen Sohn auferweckt hat ani dritten Tage; nachdem aber dieser, des Menfchen Sohn, kräftiglich er- wiesen ist ein Sohn Gottes nach dem Geist, der da heiliget, hat er den Sonntag geheiliget und gesegnet da- » mit, daß er im Laufe der 40 Tage bis zu feiiier Him- melfahrt immer gerade an diesem Tage unter den Jüngern sich sehen ließ nnd mit ihnen redete vom Reiche Gottes. An keinem andern Tage that er dies, als an einem Sonntage; so oft aber ein Sonntag kam, trat er auch allemal aus seinem verborgenen Leben her- vor nnd erzeigte sich den Seinen lebendig. Wie tief das Bewußtsein hiervon sich der Kirche eingedrückt hat, das geht daraus hervor, daß man in der ältesten christ- lichen Zeit auch die Wiederkunft des HErrn an einem Sonntag erwartete; und wie wenig Urfach man hat, unsre Aufstellung in Betreff der Datirung der einzelnen Erscheinungen des Aiiferfta1idenen anzuzweifelih ergiebt sich daraus, daß ebenfalls an einem Sonntage der, der da spricht: ,,Jch war todt, nnd siehe, ich bin lebendig von Ewigkeit zu Ewigkeit,« dem Johannes erfcheint und ihm die Offenbarung giebt, feinen Knechten zu zeigen, was in der Kürze geschehen wird. Man wird sich aber noch besser überzeugen, wie in der That die Erscheb nungen des Aiiferftandenen sich nur für den Sonntag schickten, für diesen Tag aber gewissermaßen eine innere Nothwendigkeit waren, wenn wir uns klar gemacht haben, was diese ,,Erweitiingen«, wie sie in Apostg. 1,3 genannt werden, ihrem Wesen nach eigentlich sind. Ueber die Natur des Auferstehungsleibes Jesu scheinen die evangelifchen Berichte, wie sie uns vorliegen, zwei einander geradezu entgegengesetzte Vorstellungen an die and zu geben: bald läßt der Anferstandene sich anfüklen und berühren, ißt und trinkt, und das erweckt die Vorstellung, daß er durch die Auferstehung in das- selbe Leibesleben zurückgekehrt sei, das der Tod am Kreuze ihm genommen; bald erscheint feine Leiblichkeit als eine rein übersinnlichh nicht gebunden an räumliche Schranken, er tritt unter die Jüuger bei verschlossenen Thüren, ist auf einmal da, ohne daß man ihii hat kommen sehen, und verschwindet ebenso plötzlich wieder, 440 ohne daß man weiß, wohin er gegangen, und das drängt zu dem Schlusse, daß er in ein anderes, höheres Leben eingegangen, aus welchem er nur in vorüber- gehenden Erscheinungen den Seinigen sich versichtbarte. Gewöhnlich nun sucht man diesen scheinbaren Widers ruch daraus zu erklären, der Auferstandene habe sich toä rend der— 40 Tage bis zu seiner Himmelfahrt in dem ustande des Uebergangs, auf der Grenze zweier Welten efunden und da ganz folgerichtig gleichzeitig das Gepräge dieser beiden Welten, sowohl das der irdischen als das der himmlischen Welt, a1i sich getragen. Gegen diese An- nahme aber, als habe die Leiblichkeit Jesu während jener Periode sich im Prozeß einer allmäligen Verklärung oder Verwandlung befunden, in einem Prozeß, der am Oster· morgen aiihub und am Tage der Himmelfahrt sich vollendete, spricht schon sein eigenes Wort in Luk.24,26: ,,mnßte nicht Christus solches leiden und zu seiner Herr- lichkeit eingehen?« welches jeden Zwischenzustand aus- schließt und den Uebergang aus dem Leidensstande in den Stand der Herrlichkeit als einen sofortigen kenn- zeichnet; und wenn St. Paulus in 1. Eor. 15, 51 ff. die Verwandlung derer, welche bei der Widerkunft des gErrn noch auf Erden und in ihren Leibern sind , als ache eines Augenblicks, als etwas Urplötzliches be- schreibt, und dasselbe auch von denen gilt, welche zuvor (1. Thess. 4, 15 ff.) aus dem Todeszustande erweckt werden, so daß diese sofort mit den, dem Reiche der Zerrlichkeit entsprechenden neuen Leibern aus ihren räbern hervor ehen, wie kommt man dazu, bei Christo, der da·ist der rstgeborene von den Todten und dessen Bild die·trage»n sollen, welche der zukünftigen Auferste- hung theilhaftig werden, eine Allmäligkeit der Verklä- rung seines Leibes vorauszusehen? Nein! an ihm, der in allen Dingen den Vorgang haben sollte (Col. l, 18), mußte zuerst jene Verwandlung geschehen, die der Apostel meint, wenn er schreibt: ,,dies Verwesliche muß anziehen das Unverwesliche, und dies Sterbliche muß anziehen die Unsterblichkeit«z schon bei feinem Austritt aus dem Grabe mußte er mit dem Leibe angethan sein, in welchem er hernach gen Himmel gefahren ist und sich gesetzt hat zur rechten Hand Gottes , eine ganz anders organisirte Leiblichkeit mußte er da gleich anfangs mit- bringen, als wie sie früherhin an ihm erfunden worden war. Das ,,an Geberden als ein Mensch erfunden« galt während der irdischen Tages-stunden des HErrn auch in Beziehung aus das ,,Haus seiner Hütte« (2. Cor. 5, 1): ihn hungerte und er aß, ihn dürstete und er trank, er wurde müde und entschlief, er wurde matt und ruhete aus; er hatte also während jener Zeit jenen materiellen Leib, wie Paulus mit dem Aus- druck »Unser irdisch Hans« ihn kennzeichnet. In den 40 Ta en dagegen tritt ein anderes Bild uns entgegen: man fleht ihn uicht kommen , sondern erscheinen; man sieht ihn nicht gehen, sondern verschwinden. Seine gegen- wärtige Leiblichkeit ist da den physischen Gesetzen und Schranken in keiner Weise mehr unterworfen; nicht dazu ist er aus den Todten lebendig geworden, um ein durch den Tod nur unterbrochenes Leben wieder aufzunehmen und fortzusetzen, wie es bei denen der Fall war, die er in den Tagen seines Fleisches von den Todten aufer- weckt hatte, vielmehr, 1iachdem ihm die zwölfte Stunde geschlagen, nachdem er sein irdisches Leben zu Ende ge- führt, hat· er die Auferstehung, die besser ist als jene bloße Wiederherstellung des früheren Lebensstandes (Hebr. U, 35), erlanget und eine Leiblichkeit davonge- tra en, wie sie den Kindern der Auferstehung eigen, die tust wieder einem schließlichen Absterben entgegenreisen, sondern geradezu nicht sterben können (Luk. 20, 36). Wenn aber der auserstandene Christus hiernach gleich anfangs einen Verklärten, himmlischen, ganz durchget- Evangelium Matthäi 28, 16, stigteti Leib an sich trug, der seinem Wesen nach unfiihts « bar und unbetastbar, an keinen bestimmten Ort ebuns den und irdischer Speise nicht bedürstig war, wie ommt es, daß er gleichwohl gesehen und seine Stimme gehört wird , daß er sich betasten läßt und selber die Jünger darauf aufmerksam macht, daß er Fleisch und Bein habe, daß er sie auf die Malzeichen seiner Wunden hinweist, als hätten sich dieselben im schnellen Prozeß einer natürlichen Heilung geschlossen, daß er mit ihnen wan- delt und vor ihren Augen Speise genießt? Das alles sind ja Eigenschaften und Thätigkeiten eines materiellen, sinnlichen, irdischen Leibes, einen solchen aber hat der Auferskandene nnd in’s himmlische Wesen Versetzte, wie wir vorhin behauptet haben, nicht mehr gehabt: wie gleicht sich dieser offenkundige Widerspruch aus? Der Widerspruch verschwindet sofort und hebt sich von selber auf, wenn wir dem geistigen und verklärten Leibe des HErrn die Macht zutranen, auf die niedere Stufe, die er vordem eingenommen, zurückzntreteih sobald er in die Erscheinung treten wollte, also sich sichtbar, hörbar und betastbar zu machen, Fleisch und Bein an sich zu tragen und Speise zu sich zu nehmen. Ein Mann, der längst abgethan, was kindisch war, kann gleichwohl in Liebe und Herablasfung auf die Vorstellungen nnd Anschläge eines Kindes so uollftändig eingehen, als wäre er selber noch ein Kind: wie sollte der zn seiner Herrlichkeit be- reits eingegangene Heiland nicht auf denjenigen Stand haben herabsteigen können, den er durchaus einnehmen mußte, wenn die Jünger ihn wiedersehen sollten, wie er ihnen verheißen hatte (Joh. 16,16)? Sehen mußten sie ihn ja unbedingt, uin von seiner Auferstehung über- zeugt zu werden; sie mußten mit ihm essen und trinken, nachdem er von den Todten auferstanden (Apostg.10,41l, und ihre Hände mußten ihn betasten (1. Ioh. 1, l), wenn sie Zeugen seiner Auferstehung für die Welt wer- den sollten; und da mußte er in seiner eigenen Gestalt vor ihre Augen hintreten, mit der ihnen bekannten Stimme sie anreden, sich ihnen zum Betasten darbieten und vor ihnen Speise zu sich nehmen —- es ist das ein Herabfteigen zu menschlichen: Bedürfen ähnlich dem, wie wenn Engel dort in Abrahams Hütte einkehren und sich beköstigen lassen (1. Mos.18), und doch wieder in sofern davon verschieden, als der Auferstandene nicht überhaupt einen solchen Leib den Jüngern zeigt, wie Menschen ihn haben, einen Leib, kraft dessen er aufstehen und wandeln, sich niederlassen und essen kann, sondern eben denselben Leib sie schauen läßt, in welchem sie früher ihn gesehen nnd welcher zuletzt die Durchbohrung der Hände und Füße und den Lanzenstich erlitten hat, so daß er dann zu ihnen sagen kann: ,,ich bin es selber« (Luk. 24, 39). Er nimmt da nicht, wie man die Sache wohl auch auf- gefaßt hat, seinen bereits abgelegten Leib zu dem be- Ttimniten Zwecke der Erscheinniig auf einzelne kurze Fristen in vorübergehender Weise an, um sich nachher desselben sofort wieder zu entledi en — was wäre denn aus diesem bereits abgelegten Lei e schließlich geworden, als nun mit dem Tage der Aufnahme in den Himmel die Zeit zu Ende war, wo der Auserstandene den Seinen sich lebendig erzeigte? hätte der gen Himmel Fahrende ihn etwa fallen lassen, wie Elia seinen Mantel, als der HErr ihn im Wetter gen Himmel holeteP — es haftet vielmehr alles« an dem Begriff der Erscheinung: Jesus tritt in dieselbe ein nnd tritt aus ihr wieder zurück. Sein Leib ist da immer nur einer, es ist der- selbe Leib, welcher erscheint, und derselbe, der in’s Un- sichtbare zurücktritt; aber dieser eine Leib entspricht dem Gesetz» der Erscheinung sobald der HErr vorhat, sich den Seinen finnensällig kund zu thun, und er hört aus, sicht- bar und greifbar zu sein, fobalb der HErr sich wieder in seine Herrlichkeit zurttckziehr Darnach kann man Die Jünger gehen nach Galiläa, wohin der Auferstandene sie beschieden. 441 Z. B. bei den Offenbarungen in Luk. 24, 15 u. Joh. O, 19 eigentlich nicht sagen, Jesus sei nach und nach zu den Jüngern herangekommen oder er sei durch die Thüren hindurch zu ihnen eingetreten; er war im Ge- gentheil gleich anfangs ihnen nahe, wie er ihnen überhaupt die ganze Zeit der 40 Tage iiber fortwährend nahe ge- blieben und ihr Aufenthalt anch der feinige gewesen ist, denn um ihretwillen hat er noch so lange auf Erden verweilt. Aber dies Nahesein ist fiir gewöhnlich ein verfchleiertes, ein hinter dem dichten Vorhang seines höheren, immateriellen Wesens verborgenesx erst mit der au enblicklichen Erscheinung wird der Vorhang in die Höhe gezogen, Jesus giebt sich da seine materielle Leiblichkeit wieder und wird so auf einmal sichtbar, hörbar und greifbar, bis er dann eben so plötzlich aus den Augen verschwindet, weil nun der Vorhang vor den Augen fällt. Nach dem oben Bemerkten haben die einzelnen Erscheinungen immer an einem Sonntag und nur an einem solchen stattgefunden; das hat seine Be- deutung flir alle Zeiten der Kirche und verleiht dem Sonntag seinen eigenthtimlichen Wesenscharaeter, der ihn von den Wochentagen unterscheidet, der ihn zum Ruhe- tage für die neutestauientlirhe Gemeinde erhebt und ihn zu dem geheiligten und gesegneten Tage des HErrn macht. ,,Jch bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende«, sagt der HErr bei jener Erscheinung auf dem Berge in Galiläa vor mehr denn 500 Jüngern (1.Cor. 15, 6); was aber an gewöhnlichen Tagen verschleiert, obwohl sicher vorhanden ist, das wird am Sonntag, wenngleich nicht fichtbar mehr, doch spürbar offenbar, und erst wer diese spltrbare Lebendigerweisung des zur Rechten Gottes erhöheten Menschensohnes an seinem Herzen erfahren hat, dem ist auch seine besiändige Ge- genwart im alltäglichen Leben verbtjrgn — Bei feiner Himmelsahrh um dies hier gleich mit zu berühren, er- scheint der HErr den Jüngern zum letzten Mal: auch da ist’s, wie der Begriff der Erscheinuug dies fordert, ein materieller Leib, in dem er mit den Jüngern ver- handelt. Sie follen eben so ihn sehen gen Himmel fahren, wie sie ihn gesehen haben von den Todten auf- erstanden, und sie sollen aus Erfahrung wissen, wo- hin er von ihnen gegangen ist; aber nur ein finnliches Wesen vermag sich dem Menschen zu entbieten und den Organen der Wahrnehmung muß der Gegenstand der- selben entsprechen, und darum ist es eine räumliche, all- mälige und sinnenfällige Erhebun , die in der Him- melfahrt vor sich geht, eine Erhe ung , die der Err durch die Wunderkraft seines Willens bewirkt. anz so, wie er einst auf dem Wasser gewandelt ist (Kap. 14, 25 ffss hebt er sich empor in die Luft; sobald dann das oment der Erscheinung hinwegftillh sobald er den Blicken der Jtinger entnommen ist, hört der Begriff der räumlichen Bewegung von selber auf, der HErr mit feinem geistlichen Leibe ift unmittelbar fchon am Ziele » — an eine ,,ätherische«, dem Gesetz der Schwere nicht unterworfene Leiblichkeih welche den Auserstandenen dazu befähi t hätte, sich in die Lüfte zu schwingen, ist hier tibera nicht zu denken. Von der Himmelfahrt an ist es dann, wenn wir von dem besonderen Fall mit Pau- lus (Apoftg. 9, 3 ss.; 26, 13 ff.; 1. Cor. 15, s) ab- sehen, wo es sich ebenfalls um eine sinnenfiilligh that- sächliche Ossenbarung des Auferstandenen handelt, weil um eine Berufung zum Apostelamte, die nur von ihm unmittelbar ausgehen konnte, nur ein visionäres Schauen, was im neuen Testament noch vorkommt, nur ein Schauen im Geist nnd nur ein Schauen des ver- herrlichten Christus (Apoftg. 7, 55; Ossenb. 1, 10 ff.); erst am Ende der Zeiten wird der, dessen Leben jetzt verborgen ist in Gott, aus seiner Unsichtbarkeit heraus- treten, also wieder in fichtbarer Leiblichleit sich zeigen, und da auch die Malzeicheii seiner Leiden an sich tragend (Apostg. I, II; Osfenb. 1, 7). II· v. 16—20. (§.127.) Das wiedersehen in Galiläa, welches der Kufersiaadene dem größeren Kreise seiner Sänger schon am ersten Osiermorgen hatte ansagen lassen W. 7 n. 10), war im Verlauf der darauf folgenden 3 Worhen nun soweit vorbereitet, daß am Z. Sonntag aaeh Ostern endlich die ersehnte Stunde kam, worin er sich allen denen, die in der Hoffnung dieses wiedersehen- nach Galiläa gepiigert waren, in großer Versammlung auf einein serge kund geben konnte. Diese Umgebung, die unter allen Grssheianngen deg tjtxrrn alg die siebente zählt, aber sonst von keinem andern Evan- gelistea beriihtet wird, war dem Matthias naiis Maß— gabe der Gewinst-nahte, die er bei Abfassung seiner Evangeliums in’s Knge gefaßt, von so großer wiastigiieit nnd Bedeutung, daß er die übrigen Grscheinnngen ent- weder nnr nebensäihlich behandelt oder geradezu über— geht, diese aber mit besonderem Fleiße beschreibt und da namentlikh Chrißi entscheidenden Wort, dadnrth er seine Gemeinde von der jsidtsetjen voltigliirche trennt und ein neues Weihexsarrameut nistet, genau mittheilt nnd damit sein Evangelium beschließt. 16. Aber die elf Junger snachdem sie noch in Jerusalem zwei Mal Jesum selbst gesehen hatten von den Todten auferstanden Joh. 20, 19 ff.; 26 ff.] gingen [der empfangenen Weisung in V. 7 u. 10 gemäß] in Galiicia [nach Galiläa, wo sie dort an einem bestimmten Tage, der ihnen bei der Erscheinung am See Genezareth Joh. 21, 1 ff. bezeichnet worden war, nämlich am 30. April] aus einen Berg, dahin Jesus sie beschieden hatte sund waren nun daselbst auch die mehr denn 500 Brüder gegenwärtig, von denen in I. Cor. 15, 6 die Rede ist]. Manche Ausleger denken hier an den Berg Tab-it, den die Tradition ftir den Berg der Verkltirung hält; es liegt aber dieser Anficht mehr ein poetisrher als ein heilsgeschichtlicher Gedanke zu Grunde« Bedenken wir dagegen , daß es bei Matthäus, der allein unter allen Erscheinungen des Auferstandenen gerade diese Ossenba- rung aus» dem Berge näher in’s Auge gefaßt hat, haieptsächlich um den Gegensatz mischen der jüdischen Volkskirche unter dem Hohenrath und der Gemeinde Jesu mit den Elfen an der Spitze sich handelt, um den Gegensatz zwischen Jerusalem, dem Hauptsitze des gegen den Christ des HErrn sich verftockenden Israel, nnd Galiltia, dem Sammelpnnkte derer, die an diesen Chri- stus gläubig geworden, und daß nun dieser Gegenfatz vom HErrn selbst zuerst in der Bergpredigt vor ca. IV« Jahren zum Ausdruck gebracht worden ist, so kön- nen wir keinen Augenblick zweifelhaft sein, es ist hier an keinen andern Berg, als an eben den, auf welchein die Bergpredigt gehalten worden, an die Berghörner von Hattin (S. 55) zu denken. Was sich damals nur angebahnt, das vollendet sich hier: das neue Testament tritt an die Stelle des alten, die Christusgemeinde löst sich los von der jitdifchen Volksgemeinde, an die Stelle der Befchneidung wird das Tauf-Sacrainent gefetzt; und wie vormals die Apostel die ntichste Umgebung Jesu bildeten und in einiger Entfernung das Volk seinen Platz einnahm, so hat er hier wiederum die Elfe zu- nächst um sich und hinter diesen bilden die mehr als 500 Brüder den weiteren Kreis. Wenn St. Matthäus nur die ,,els Jungen« erwähnt, so erklärt sich das aus dem Gegenst-he, mit welchem er sein Evangelium 442 Evangelium Matthäi 28, 17--20. schließen will: er hat uns den Hohenrath, die geistliche Obrigkeit des jttdischeii Volks, unmittelbar vorher in seiner Verstockuiig gegen die auch ihm kund gewordene Thatsache der Auferstehung Jesu gezeigt und hat dar- ethan. wie derselbe für die Juden der Erfinder einer andgreiflichen Lüge geworden, mit der sie jener That- sache sich entledigt haben; und nun will er uns die Obrigkeit der neutestainentlichen Gemeinde in denen zeilgeiy die der HErr längst schon zu feinen Zeugen be- ste t hatte, hier aber betrauet er sie mit ihrem Berufe für die ganze Welt. 17. Und da ste ihn sahen [wie er auf einmal aus der Unsichtbarkeit seines verklärten Leibes in die Sichtbarkeit hervortrat und da über seine ganze Person um so mehr eine wunderbare Hoheit aus- gegossen war, als er ja dies Mal gleich durch seine äußere Erscheinung als den HErrn Himmels und der Erden V. 18 sich zu erkennen geben wollte] , fielen sie lin tiefster Ehrsurcht ihn begrüßend, anbetend Joh. 30- 28; Lin. 24, 521 vor ihm nieder; etliche aber [genauer: die Andern aber Kap. 26, 27·, nämlich diejenigen, welche noch außer den elf Jüngern gegenwärtig waren, oder die mehr als 500 Brüder I, Cor. 15, 6] zweifelten [ob sie es mit einem lebenden leibhaftigen Menschen, mit dem wirklich erstandenen Jesus, und nicht vielmehr mit einer unmittelbar vom Himmel gekommenen Erscheinung zu thun hätten Lnk. 24, 37]. Bei den elf Jüngern war nach dem, was Lukas und Johannes von den bereits früher stattgefundenen Er- scheinungen erzählen, ein Zweifeln nicht mehr möglich; ver- kehrt aber ist es, den Zweifel darauf zu beziehen, ob eine solche anbetende Verehrung, wie in dem Niederfallen der Jün er sich zu erkennen gab, dem HErrn wirklich gebti re. 18. Und Jesus sum sie durch die ihnen wohlbekannten Züge seines Angesichts Luk. 24, 31 und durch den ihnen ebenso bekannten Klang seiner Stimme Joh. 20, 16 zu überzeugen, daß er selber es sei, und nicht ein anderes Wesen Luk. 24, 39] trat [aus dem Kreise der Jünger näher] zu ihnen [den Zweifelnden, damit sie ihn in nnmittelbarster Nähe sehen und hören könnten], redete mit ihnen snatürlich jedoch so, daß seine Worte zugleich den Jüngern, ja diesen zunächst und vor allen galten] nnd sprach: Mir [als dem, der durch die Aufer- weckung von den Todten nunmehr zu seiner Herr: lichkeit eingegangen Luk. 24, 26] ist lnachdem bis daher der Vater seinem Sohne nur die Macht gegeben über alles Fleisch, auf daß er das ewige Leben gebe allen, die der Vater ihm gegeben Joh. 17, 2] geåeben alle Gewalt im Him- mel nnd auf rden [aus daß ich fortan mein Reich einnehme, das Himmel und Erde umfaßt] 19. Darum sgemäß der Sendung, die ich euch» bereits ertheilt habe Joh. 20, 211 gehet hin [in alle Welt Mark. 16, 15., denn nun hat dle Beschränkung auf die Juden, wie ich in den Tagen meines Fleisches sie euch auferlegte Kuh. 10, b» ein Ende] nnd lehret sbessen macht zu meinen Jüngern] alle Völker [oder, wie Luther im Katechismus übersetzt hat: alle Heiden] nnd taUset sie [s. V. a. indem ihr sie taufet] im [eigentlich: aufden] Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes. 20. Und lehret sie [dann, nachdem ihr durch die Taufe ihre Aufnahme in meine Jünger- schaft ein sür alle Mal bewirkt habt, in fortgehen- dem Unterricht] halten alles, was ich euch befohlen habe [meine Worte durch Glaube und Bekenntniß Joh. 8, 51., meine Gebote durch Ge- horsam und Nachfolge Joh.14,15]. Und siehe [damit ihr vor dieser Aufgabe eures apostolischen und christlichen Berufes als zu schwer für euch nicht zurückschreckh noch an dem Erfolg eurer da- hin gerichteten Wirksamkeit verzaget], ich sals der, dem gegeben ist alle Gewalt im Himmel und auf «Erden] bin swährend des ganzen Zeitlauss, wo ich vom Tage der Himmelfahrt an der Sichtbarkeit werde entrückt sein] bei ench [in euch, mit euch und für euch wirkend] alle Tage, bis an der Welt Ende [wv ich dann wieder erscheinen werde vom Himmel, das Gericht zu halten Kap. 25, 31 ff.]. Nachdem Jesus in dem früheren Unterricht während der Zeit seiner Lehrthätigkeit von allen Theilen der heil- samen Wahrheit den Jüngern die Grundzüge kund ge- than, war gleichwohl Ein Punkt, der für das praktische Leben doch so wichtig war, in inerkwürdiger Unbestimmt- heit von ihm belassen worden, nämlich die Stellung « seiner Gemeinde zum mosaischeu Gesetz. »Mit großem Ernste tritt er in der Bergrede der Meinung entgegen, als ob er es mit Jsraels Gesetz leicht nehmen werde; so wenig sei er gekommen, Gesetz- und Propheten aufzulösen, daß, so lange Himmel und Erde bestehen, kein Titelchen davon vergehen dürfe (Kap. 5, 17 f.). Auch redet er dann vom Opfern und Fasten in einer Weise, die deren Fortbestand vorauszusetzen scheint (Kap.5,23; s, 16). Seine Absicht, sagt er, sei ganz auf die Erfül- lung gerichtet, das ganze Gesetz müsse endlich einmal verwirklicht werden; noch in feiner letzten Tenipelrede verlangt er auch von seinen Jüngern, daß sie alles halten, was die auf Mosis Stuhl Sitz-enden gebieten, so schwer auch diese Lasten zu tragen seien, und zu dem Flehen, womit die Seinen auf Gottes Gericht über Jerusalem sich rüsten sollen, soll auch die Bitte gehören, daß ihre Flucht nicht auf den Sabbath falle(Kap.23, I; 24, 40). Nun spricht derselbe Jesus aber es andrer· seits auch deutlich und utszweideutig aus, mit Johannes dem Täufer sei die Periode von Gesetz» und Propheten abgelaufen (Kap. 11, 13), und zwar nicht blos in Be»- treff des weissagenden, sondern auch des befehlenden Theiles des Gesetzes; und er erklärt ausdrtieklich, daß sein neuer Wein neue Schläuche fordere (Kap. 9, 17). Ebenso giebt er seinem Satze, der Sabbath sei um des Menschen willen gemacht, und nicht der Mensch um des Sabbaths willen, eine weitgreifende Anwendung, denn lebensgefährlich war bei dem Aehrenranfen der Jünger der Hunger, durch den er sie rechtfertigt, nicht gewesen (Kap.12, 1ff.);« so stimmte auch das Wort, das Simon Petrus nur zur Verhiitunsk von Aergerniß die Tem- pelsteuer geben solle, mit osis Buchstaben in Z. Mvf. so, 13 nicht, ja es schloß die Freiheit der Gottessöhne Der HErr erscheint den Jüngern, und gründet seine Gemeinde durch Stiftung der Taufe. 443 von allem Dienst des Tempels in sich (Kap. 17, 24ff.), und von Kap. 9, 17 aus das Wort in Kap.15, 11 »er- wägend, muß man glauben, daß aiich der Unterschied zwischen reinen und unreinen Speisen für Jesum ge- fallen war. Eine Ausgleichung dieser fiel) so entgegen- gesetzten Sätze hat Jesus, soviel uns berichtet wird, me egeben; die Jünger haben also bis hierher eine klare Instruktion, wie sie zum Gesetz sich stellen sollten, nicht gehabt. Aeußerungen entgegengesetzter Art standen ein- aiider gegenüber, ja in Luk.·16,»16 u. 17 stehen die entgegengesetzten Anschauungen in hochst paradoxer Weise unmittel ar zusammen: ,,das Gesetz nur bis Johannes; es istaber leichter, daß Himmel und Erde vergehen, als daß ein Titelchen vom Gesetz falle'·«; die Lnsiing des Räthsels aber, wie das Gesetz zugleich hinfallig iind ewig sein könne, giebt Jesus auch an diesem Orte nicht. Zweierlei nun ist klar: zuerst daß für Jesu Bewußtsein die Lösung vorhanden sein, sodann daß er einen ge« wichtigen Grund sehen mußte, warum die Jünger die- selbe noch nicht empfangen konnten. Welchen Grund, das können wir aus den Worten Jesu selber» schließen: aus Kap. 17, 25 ergiebt sich, daß die Freiheit von der Tempelpflicht aus der Gotteskindschafr entspringt, aus Kap.12, 5 ff., daß die Gemeinsihaft mit dem Menschen- sohne es ist, was von der Sabbathsatzung aus Kap.9,19., daß den Bräutigam besitzen es ist, was voni Fasten befreit; also mußten die Jünger erst Gottes Kinder ge- worden und sie mußten erst in dievolle Gemeinschaft Jesii eingetreten sein, um die Freiheit von der Satzung u haben. Jesus hat ausgesprochen, daß er auf dem Telsenmanne seine Gemeinde grtjnden wolle, er hat dem imon und hernach der gaiizen Gemeinde das Recht der Gesetzgebung zuerkanntz seine Gemeinde ·galt»ihm also für frei von Mosis Gesetz, denn nur in diesem Falle bedurfte es neuer Gesetzgebung. Aber diese Voll- macht der Gemeinde beruht nach Kap. 18, 20 auf seiner Gegenwart in ihr; erst in seinem Sterben sieht Jesus die Bezahlung des Lösegelds, in seinem Blute die Vermitt- lung des Bandes, erst zum Vater gegangen, konne er senden den Geist, könne er selbst in die Jünger kommen, erst wenn dieser neue Wein des Geistes aus Gott in den Jüngern glüht, dürfen die alten Sitten fallen. »Die ganze Geschichte der Kirche zeigt,»wie das menschliche Herz nur in dem Maße zur Freiheit von den Satzungen reift, in welchem Gottes Geist in ihm Wohnung macht. Die Päpstlichen können in der Freiheit eines Christenk menschen heute noch nichts sehen als Zuchtlosigkeih bei den Namenchristen wird sie wirklich dazu; und ·wo der Rationalismus mit sittlichem Ernst auftritt, will auch er wiederum alle Welt uiiter den Befehl stellen. ·Da- egen hat Jesus gewußt, daß für ·die Himmelreichs- gürgey für die Geistgetauften die Zeit des Gesetzes ab« elaufen, und doch zugleich jedem Titel des Gesetzes die hrerbietung , vielmehr die endliche Verwirklichung ge- sichert sei; denn der Gottesgeist, fwelchen sie inwendig lehrt, ist derselbe, aus welchem einst Mosis Buchstaben geflossen sind. Der neue Geist findet in dem ganzen System der alten Buchstaben den ihm weissagenden Schattenriß, und die Gesetzestreue der Geistgetauften verhält sich zur Gesetzestreue der rechten Jttnger Mosis wie der Auferstehungsleib ziim irdischen: der Stoff des Jrdischen fällt der Verwesung heim» die Seele aber bleibt dieselbe, und die neue Leiblichkeih ivorinsie sich jetzt darstellt, ist ihr eine bessere Abbildung ihres Wesens, eine bessere Vermittlung ihrer Lebendigkeit als die frü- here von Fleisch und Blut. (Geß.) Besser als mit diesen Auseinandersetzuiigen glauben wir unsre oben ausgesprochene Behauptung, daß die hier vorliegende Geschichte das Gegenstitck zu der Bergpredigt und die nunmehr zum Vollzug kommende Bundesschließung des neuen Testameiits ist, nicht begründen zu können; es begreift sich da von selbst, warum der Auferstandene es dies Mal vor allem mit der Stiftung des ersten von seinen beiden Sacrainenten Oaoramentum injtiationis), mit der heil. Taufe zu thun hat, während die Stif- tung des andern Sa(:raments, des heil. Abendmahl-B, bereits früher (Kap. 26, 26 ff.) geschehen. Auf Wesen, Kraft und Bedeutung dieser Sakramente werden wir später näher eingehen; hier handelt es sich zunächst nur um den Siiin iind die Anwendung der Ein- fetznngsworte der Taufe.- Wenn Luther übersetzt: »Gehet hin und lehret alle Völker«, so richtet.er sich nach der Vulgata, die das griech. Hahn-könnte durch docete wiedergiebt; allerdings kann der Ausdruck das bedeuten (Kap.13, 52), doch ist dies erst der abgeleitete Sinn, der um des nochmaligen ,,lehret« in V. 20 willen nicht wohl an feiner Stelle ist. Jn Kap. 27, 57 wurde dasselbe Wort von Joseph von Arimathia in der Be- deutung gebraucht: »der ein Jünger Jesii war, zu ihm im Verhältniß eines Schülers stand« (Joh.19, 38); hier dagegen, gleichivie in Apostg l4, 21 steht es offen- bar in dem Sinne: »zu Jesu Jüngern machen, die Völker in das Verhältniß der Schüler zu ihm als ihrem Meister stellen« (Joh. 4, 1). Die weitere Rede des HErrn sagt dann ans, auf welche Weise dies ge« schehen soll; an erster Stelle wird da die Taufe, an zweiter der Unterricht genannt, und zwar erscheint jene als das einmalige Mittel der Ausnahme in die Gemeinschaft Christi, dieser aber als das fortwäh- rende Mittel der Vefestigung nnd Bewahrung, jene begründet, diese unterhält und pflegt das neue Ver« hältniß und leitet die in dasselbe Aufgenommenen an, sieh demselben gemäß zu Verhalten. Jnsofern nnn der Taufe allerdings ein gewisses Maß der Predigt von Christo voransgehen und die Empfänglichkeit dafür be- reits geweckt sein muß, ehe sie wirklich ertheilt werden kann (Apoftg. Z, 14—41; 8, 27—38; 10, 34-—48; 16, 30-33), so ist, wenii man das Lehren auf diesen, den vorlaufenden Keriipiinkt der christl. Heilslehre er- fassenden Unterricht beschränkt, die Uebersetzung unsrer« deutschen Bibel: ,,lehret alle Völker« nicht zu verwerfen; der Heiland hat hier zunächst nur die Erwachsenen im Auge, ohne den Jüngern auch eine Anweisung geben zu wollen, wie es mit den noch unmtindigen Kindern ge- halten werden solle, er will aus allen Völkern der Erde ohne Unterschied von Juden und Heiden seine Kirche sich sammeln, und da sollen denn die Jünger die Aufnahme in diese seine Gemeinde durch die Taufe bewirken. Die Taufe nun soll geschehen »auf den Namen des Vaters und des Sohns ni1d der heiligen Geistes-«. Jii den Ausgaben des »Neuen Testaments deutsch« vom J. 1522 —-2 hat Luther: »in den Namen des Vaters 2c.«; was ihn bewogen hat, von da an zu schreiben: ,,im Namen«, können wir nur vermuthen, da eine bestimmte Nachricht darüber nicht vorliegt. Jm J. 1527 ließ nämlich der bekannte katholische Gegner Luther’s, Hieronymus Emser, sein neues Testament erscheinen, worin derselbe zwar im Wesentlichen den lutherischen Text beibehielt, jedoch einige Veränderungen nach der Vulgata vornahm, indem er Luther’n Schuld gab, »der christlichen Kirchen bewährten Text hier und da gefälseht zu haben«; da niin die Taufhandlung immer mit den Worten ,,im Naiiieii des Vaters ic.« vollzogen worden war, Luther aber keine neue Taufe anrichten wollte nnd deshalb wie in der ersten (1523), so auch in der zweiten Ausgabe seines Tanfbüchleins (1526) diese Formel bei- behielt, scheint er auch seine Bibelttbersetzung nach der einmnl herkömmlichen Taufweise eingerichtet zu haben, wobei vielleicht die durch Hieronymus’ Angabe von dem hebräischen Uriext des Matthäiis, den er selbst eingesehen 444 Evangelium Matthäi 28, 20 Anm. habe und von. welchem der griechische Text eine bloße Uebersetzung sei, in der katholischen Kirche verbreitete Meinung, als gebühre dem Wortlaut der Vulgata höheres Ansehen denn dem griech. Wortlaut, auf ihn einwirkta Erwägen wir nun, daß der Ausdruck »auf oder in dem Namen des Vaters und des Sohnes iind des heiligen Geistes taufen« nichts anderes bedeuten kann, als mittels der Taufe in das Verhältniß der Zu- gehörigkeit versetzen zu dem, auf dessen Namen man taust, dessen Namen man bei der Taufe nennt, und daß ein solches Versetzen nur dadurch möglich ist, daß die Taufe im Namen, in Vollmacht nnd Unter höchsteige- ner Vertretung des Vaters und des Sohnes und des heil. Geistes geschieht, so haben wir gar keine Ursach, mit der Kirche darüber zu rechten, daß sie bei Vekkich. tung einer Tanshandlung ihre Diener lieber dies Moment zum Ausdruck bringen läßt als jenes; wird die Taufe nämlich im Namen des dreieinigen Gottes vollzogen, so wird sie von selbst auch u einer Taufe auf den Namen des Vaters und· des Sohnes und des heil. Geistes, der Täusling wird m das Verhältniß mit Vater, Sohn und heil. Geist ganz und, vollständig eingeführt, weil der dreieinige Gott eigentlich selbst der Täufer ist und hinter dem Diener der Kirche steht, um .das zu bewirken, wozu er auf göttlichen Befehl Hand und Mund als Werkzeuge darbietet. Hiernach ist es nicht wahr, was Meyer be- merkt, daß die Formebder A enden: ,,im Namen« lediglich auf einer unrichtigen Ue ersetzung der Vulgata und unsrer deutschen Bibel beruhe; die den Grundtext nicht genau wiedergebende Uebersetzung beruht vielmehr auf der agendarischen Formel, wie sie aus dem Bewußt- sein der Kirche sich entwickelt hat, daß sie vor allem das Verhältniß ihrer eigenen Zngehörigkeit zu dem drei- einigen Gott geltend zu machen habe, ehe sie daran denken könne, den Täusling in dies Verhältniß zu ver- sehen, ja daß dieses Versetzen eigentlich nicht ihre Sache sei, sondern nur die Vollziehung des vom HErru ge- ordneten Gnadenmittels, und daß nun dies Bewußtsein von Anfang an die Kirche geleitet hat, beweist die Stelle Apostg. 10, 48: »und befahl sie zu taufen in dem Namen des HErrnC Jn Fortsetznngl der zu V. 15 aufgezählten 6 Er- scheinungen des userstandenen, denen sich dann in V. 16—20 die 7te anreihete, bemerken wir zuvördersh daß St. Paulus in 1. Tor. 15, 5 ss. nicht blos, wie tnanche Ansleger voraussehen, einzelne Beispiele anführen will, wo der Auferstandene von menschlichen Augen ge- sehen worden sei, sondern seine Absicht ist ossenbar die, die Efälle dieser Art, soweit er sie im Auge hat, sowohl in i rer Vollständigkeit als in ihrer Reihenfolge auszu- zählen. Hiernach wäre 8) die weiter folgende Erscheinung (naih unsrer Rechnung am 7. Mai, Sonntag Saat-site) die vor Ja- kobus; es fragt sich aber, welcher Jakobus ist hier ge- meint, der Aeltere oder der Jüngere (Kap. 10, 4 Anm. Nr. 3 u. 9)? Nach Hieronymus wäre es Jakobus II. gewesen, der Bruder des HErrUH dieser Jtlnger habe nämlich geschworen, er werde keine Nahrung mehr zu sich nehmen, seitdem er Christi Kelch genossen, bis er ihn von den Todten auferstanden sehen werde, und da habe ihn Jesus-schon am Tage seiner Auferstehung von dem Gelübde entbunden, indem er ihm erschienen sei. Diese Legende klingt sehr abenteuerlich, und wie sie ganz und gar in Bestimmung der Zeit dieser Erscheinung fehlgegriffen, so auch in der Bestimmun der Person und des Zweckes; wir haben vielmehr an Jakobus I., den Bruder des Johannes, zu denken, und als Zweck, warum gerade diesem Apostel noch eine besondere Offen- barung des Auferstandenen zu Theil wurde, ergiebt fich ein Zwiefaches Es würde überhaupt schon aussallend fein, schreibt Steinmeyer, wenn dieser Jünger wäh- rend der 40 Tage der Auszeichnung entbehrt hätte, welche ihm während der früheren Gemeinschaft mit dem HErrii in gleichem Grade wie dem Petrus und Johannes (Mark. 5, 37; Matth. 17, 1; 26, 37) zu Theil gewor- den war; aber wir haben noch einen besticnmteren Be- weggrund, einer besonderen Offenbarung Christi gerade an ihn gewärtig zu sein. Der HErr hat dem Petrus wie dem Johannes über ihr persönliches Schicksal auf Erden Eröfsnnngen gemacht: jenem hat er den Tod am Kreuze in Aussicht geftellt, nnd auch gegen— diesen hat er sich irgendwie über seine Zukunft geäußert, wie dunkel und unbestimmt die Aeußerung auch gehalten ist (Joh. 21, 18 sf.); und den dritten in dem Kreise seiner enge- ren Umgebung hätte er nichts dieser Art gesagt? Ge- rade ihm hat er jedenfalls etwas Sonderliches zu sa en gehabt, denn sein Loos ragte vor dem Schicksal er Andern hervor; er war der erste Apostel, welcher den Zeugentod erlitten nnd den Kelch seines HErrn getrunken hat (Apostg. 12, i s.). War er dazu ersehen, hatte das die göttliche Weisheit mit ihm vor, so war eine Er- neuerung der hierauf bezüglichen Frage in Katz. 20, 22 von Seiten des Verklärten wohl sehr bestimmt motivirn Dieser Jakobus I» der nach dem Psingftfeste ein ganz hervorragendes Ansehen in der Gemeinde zu Jerusalem bis zu seinem Märthrertode genoß, so daß auch Herodes ihn früher greifen ließ als den Petrus, dürfte denn auch der geeignetste unter allen Aposteln gewesen sein, durch dessen Vermittelung Jesus seine Jünger aufforss derte, schon jetzt wieder Galiläa zu verlassen und nach Jerusalem zu ·ehen; bis zum Pfingstfeste waren noch beinahe 3 vo e Wochen, und keinenfalls hätten die Jünger von selber so frühe sich nach der Stadt auf den Weg gemacht, daß sie mindestens 10 Tage vor dem Feste schon dort eintrafen, wenn nicht ein ausdrücklicher Befehl des HErrn sie dazu veranlaßt hätte, sie hätten ja besorgen müssen, seinen weiteren Kundgebungen in Galiläa, wohin sie schon an dem Ostertage gewiesen worden waren, aus dem Wege zu gehen. Und daß dem »so sei, daß ein ausdrücklicher Befehl erfolgt war, be- stätigt der Ausdruck iii Apostg I, 4., wo es von Jesu heißt, Jesus habe seine Apostel zuletzt in Jerusalem ver- sammelt; da aber, meinen wir mit mehreren Auslegern, ist Jakobus der nächste Empfänger jenes Befehls gewesen. Wir weichen aber von den übrigen Auslegern ab und gehen unsern eigenen Weg, indem wir annehmen, die Elfe seien nicht erst kurz vor dem Himmelfahrtstage in Jerusalem eingetroffen, sondern schon 6 Tage früher,- und es sei noch I) eine eigene Erscheinung des Auferstandenen zu Jerusalem im Kreise der Apostel für Sonntag, den 14. Mai Woge-te) anzunehmen; zn dieser Annahme nöthigt uns sowohl der Abschnitt Mark. 16, 14-—l8., als auch die Rede Jesu in Luk. 24, 44—48., welchen beiden Stellen wir unmöglich die Schuld aufbürden können, daß sie verschiedene Begebenheiten mit einander vermischten und dadurch die Darstellung verwirrten, die Verwirrung besteht nur auf Seiten der Erklärer und schwindet sofort, wenn man sieh zu unsrer Annahme ver- steht. Endlich handelt es sich noch 10) um die Erscheinung des Auferstandenen am Himmelfahrtstage selber (18. Mai = 26. Jjjar); sie beginnt in der Frühe des Tags ebenfalls zu Jeru- salem in dem gewöhnlichen Versammlungslokal der Jünger, alsbald aber führt sie der HErr von dort aus nach dem Oelberge, und auf dem Wege dahin hat er mit ihnen die Gespräch« welche die eit nnd den Ort des Anfangs ihrer apostolischen Thätig eit näher bezeich- nen und nach diesem ihrem eigentlichen Thema in Stil. 24, 49 auch kurz angegeben sind: ,,nieht eher sollten sie Schlußbemerkiingen 445 ihre Zeugenstimme erheben, als bis sie den bestimmten Impuls von oben her empfangen hätten, uiid an keinem andern Orte follten sie den Evangelistenlauf beginnen, als in der Stadt Jerusalem« Wenn Lukas (24,50ff.) dann noch in fummarifcher Weise auf die Geschichte der Himmelfahrt und das Bleiben der Jiinger in Jerusalem eingeht, so thut er es in dem Streben nach miiglichster Vollständigkeitz aber zugleich auch in dem Bewußtsein, daß er die eigentliche Grenze der dem Evangelio gestellten Aufgabe eigentlich tiberfchreite und in dasjenige Gebiet eintrete, welches der Apostelgeschichte zugehörh und da- rum nimmt er im A1ifan der letzteren die Sache aus- führlicher wieder auf. E enfo siellt sich in Mark. 16, 19 f. die Erwähnung der Himmelfahrt als Uebergriff in ein über das Evangelium hinaus-liegendes Gebiet, das auch fogleich als das einer Geschichte der Apostel charakterisirt wird, dar; in der That ist denn auch die Schlußstein der Erdenwallfahrt Christi, wie man sie ge- nannt hat, fondern vielmehr der Anfangspunkt feiner neuen Wirksamkeit vom Himmel aus; der Schlußstein seines Erdendafeins ist im Gegentheil die Auferstehung mit den mancherlei Erweisungem von denen in Apostg. 1, 3 die Rede ist, und darum , weil die Hiinmelfahrt des HErrn nicht mehr zu der evangelischen Geschichte in ihrem wahren, richtig begrenzten Umfange gehört, haben auch der erste und der vierte Evangelist von derselben geschwiegen. Indem wir sie aber gleichwohl in den · Kreis unsrer Vetrachtnng gezogen haben, insofern sie wenigstens mit ihren dorlaufenden und begleitenden Umständen in den Bereich der Erweisuugen des Aufer- standenen fällt, ist die Zahl dieser Erweisungety welche nach allgemeiuer und wohlbegründeter Annahme nicht anders als auf zehn sich belaufen kann (1. Mof. 46, 27 Am. 2), gewahrt. Himmelfahrt nicht sowohl der herrlichste und würdigste Schlusilicuiekliungru zum Evangelium St. Ylialthäi Den Matthäus, welcher in den Verzeichnisfen der Apostel (Kap. Z, 1 Anm.) bald die 7te und bald die 8te Stelle einnimmt, haben wir in Kap. 9, 9 ff. unter seinem ursprünglichen Namen Levi als einen Mann vom jüdischen Volke, Sohn eines gewissen Alphäus, kennen lernen, der früher zur Klasse der so übel berüchtigten Zollpächter gehörte, in Kapernaum seinen Wohnsttz hatte, von dem Heilaude aber gegen Ende September des J. 28 n. Chr. zu seinem Nachfolger und Apostel berufen und mit dem neuen Namen ,,Geschenk des HErrn« geschmückt wurde. Nachher tritt er in der evangelischen Geschichte sowohl, wie in der der Apostel, so völlig zurück, daß er auch nicht ein einziges Mal wieder erwähnt wird; der kirchlichen Tradition zufolge hat er nach der Himmelfahrt Jesu während eines fünfzehnjährigen Aufenthalts zu Jerusalem das Evangelium verkündigt und sich sodann zu andern Völkern gewendet, wobei freilich die Angaben weit auseinander gehen, für welche Völker er zum Apostel geworden. Laffen wir diesen letzteren Punkt auf sich beruhen, legen dagegen auf den ersteren ein desto größeres Gewicht! Denn in der That entspricht die Zeit um das J. 45 n. Chr. ganz derjenigen Lage der Dinge, welche der Abfassung des Evangelii St. Matthäi vorausgeht. Dasselbe dient zur Recht- fertigung der Thatsache, daß eine Gemeinde galiläifchen Ursprungs und geleitet von galiläischen Männern aus dem niederen Volk sich aus der vom Hohenrathe geleiteten Gemeinde Gottes besondert hat und nun über die Grenzen Jsraels hinaus weithin durch die Welt sich verbreitet; und diese Rechtfertigung wird geleistet, indem der Beweis geführt wird, daß jene Thatsache durch die Schuld des jüdischen Volks und feiner Oberen selber herbeigeführt worden. Nachdem der verheißene Heiland Jsraels und der Welt erschienen war, ist er verkannt worden von seiner durch heidnische Weise bezeugten Geburt in Bethlehem an bis zii feiner von den heidnifchen Wächtern bezeugten Auferstehung; die verhältnißmäßig Wenigen aber, die sich von denen, in deren Händen die Leitung des jüdifchen Volks lag, nicht haben gegen den Sohn Davids, den Sohn Abrahams, an dem und durch den die Schrift des alten Testaments ihre Erfüllung gefunden, haben einnehmen lassen, sondern unbefangen dem Eindruck der Wahrheit hin- gegeben, hat dieser, als er mit den Pharisäern und Schriftgelehrten brechen mußte, um sein Reich ohne sie in Israel aufzurichten, theils zu einer eigenen Obrigkeit für die neue Gemeinde bestellt, theils als die ersten Glieder dieser Gemeinde um sich gesammelt, und er hat dann, als er mit seiner Auferstehung in den Vollbesitz seiner königlichen Gewalt eingetreten war, kraft solcher Gewalt seine Jünger selber ange- wiesen, die Grenzen Jsraels zu durchbrechen und hinaus zu gehen in die Völkerwelt, um dort sein Reich zu bauen, indem er das Gelingen ihres Werkes mit seiner sie überall hin begleitenden Gegenwart .ihnen verbürgte. Jst das in seinen Hauptgrundzügen der Gedankengang unsers Evangelii, so war die Veranlassung zur Abfassuug am meisten zu der Zeit gegeben, als die übrigen Apostel außer denen, welche ferner in Jerusalem zurückblieben, zunächst in die in Palästina grenzenden Länder, und hernach von da aus weiter gingen , die Predigt des Evangeliums hinaus zu tragen in alle Welt; es waren das Andreas, Philippus, Bartholomäus Thomas, Matthäus, Judas Jakobs, Simon Zelotes und Matthias, und daß nun ihr Ausgang nicht früher als im J. 42 n. Chr. erfolgte, verbürgt eine alte Sage, wo- nach Christus feinen Jüngern befohlen habe, vorerst noch 12 Jahre nach feiner Himmelfahrt in Jerusalem zu bleiben, daß er aber auch nicht viel später geschehen, geht aus dem weiten Umfang, den die christliche Kirche bereits am Schluß des apostolischen Zeitalters gewonnen, mit Bestimmtheit hervor. Hiernach 446 Evangelium Marci I, 1-—4. dürfte das J. 45 n. Chr., das nach dem oben Mitgetheilten die kirchliche Tradition in Beziehung auf Matthäus angiebt, wohl auf gutem Grunde beruhen: es ist das die Zeit, wo ein Jahr zuvor Jakobus I. als der erste unter den Aposteln den Märtyrertod erlitten (Apostg. 12, 1 s.) nnd die christliche Gemeinde zunächst in Antiochien sich bereits von der jiidischen Synagoge abgelöst und zu einer eigenen, selbstständigen Religionsgesellfchaft ausgebildet hatte (Aposig. 11, 28); in dieser Zeit war ein Evangelium von der Richtung, wie sie in dem des Matthäns vorliegt, ganz an der rechten Stelle. Eine bis setzt noch nicht entschiedene Frage ist, ob sein Evangelium ursprünglich hebräifch (in dem Sinne, in welchem das Wort in Apostg. 21, 40 gebraucht wird, wo es soviel bedeutet als aramäisch oder svroihaldäisch, also in der damals üblichen Landessprache Palästina’s) geschrieben habe und der griechische Text nur erst eine Uebertragung von einem nicht mehr bekannten Uebersetzer sei, oder ob wir diesen Text selber für die Grundschrift anzusehen haben, nur daß Matthäus früher schon eine hebräifch geschriebene Sammlung von Aussprüchen und Reden Jesu geschriebeii hatte, die dann von Andern zu dem sogen. Evangelium der Hebräer, einer apokryphifchen Schrish verarbeitet wurde. Wir entscheiden uns für die letztere Ansichh wie denn auch das griechische Evangelium ganz den Charakter einer Urschrist trägt. St. Matthäiis legt da zuerst schriftlich nieder, was bisher den Jnhalt der mündlichen Heils: verkündigung der 12 Apostel an das Volk Israel ausgemacht hatte, nämlich den Nachweis, daß Jesus von Nazareth der in l. Mos. 15 verheißene Same Abrahams und zugleich der in 2. Sam. 7 ver- heißene Sohn Daoid’s sei; und nun tritt in seiner weiteren Darstellung vorzugsweise die menschliche, und zwar näher die israelitische Seite im Wesen des HErrn heraus. Am Schluß der Erdenlaufbahn Jesu hat sich dann ergeben, wie Israel im Großen und Ganzen gegen seinen Messias, den Sohn Davids, sich verhärtet und unter seiner geistlichen Obrigkeit zu beharrlicher Verwerfung und Befeindung dieses Christus und seiner Gemeinde entwickelt hat, so daß nun der, welchem als Davids Sohn alle Gewalt gegeben ist im Himmel und auf Erden, sich als jenen Samen Abrahams erweisen muß, in welchem gesegnet werden- sollen alle Geschlechter auf Erden (1. Mos. 12, 3). Jn seiner Erzählungs- weise ifi Matthäus um genaue Zeichnung der Vorgänge nach ihren Einzelheiten, um Erörterung des zeitlichen und rirsächlichen Zusammenhangs unbekümmert: ,,Dieser Zöllner untersucht nicht das Detail, sondern verfährt summarisch. Gleichwohl giebt er uns einen Einblick, einen geordneten, planmäßigen Einblick in das Leben des HErrn in einer Weile, die von keinem Andern übertroffen wird, weiler eben den Stoff gruppirt und die Thaten des HErrn in kurzer Uebersicht zusammenstelltz besonders klar und planvoll aber führt er seine Reden aus nnd übertrifft in diesem Stück nicht nur den Plutus, der überhaupt nur wenig größere Reden Christi berichtet, sondern auch den dritten Evangelisten.« Evangelium St. Markt. Markus stellt großentheils blos die Begebenheiten zusammen, welche er ausführlicher als die andern Evangelisten und mit Hinzufiigung einer Menge, die Vorfiille anschaulich machender Umstände erzählt, daher jeder Bibelleser ihn stets mit den andern sorgfältig vergleichen sollte; die längeren Reden dagegen läßt er gewöhnlich weg. Die Art und Weise des Handelns Jesu Christi aus Erden ist es daher, was uns in diesem Eoangelio besonders in einem kräftigen, lebendigen, gedrängten Bilde vor die Augen tritt; wir sollen aus diesem Evangelio vorzüglich die Thaten Jesu als redende Zeugnisse ansehen lernen. War nun das erste Evangelium sMatthäiis) vorzugsweise für Christen aus den Juden geschrieben, so theilt das zweite (Markus) die Hauptereignisse des ersten und einiges Andere in solcher Form mit, wie es den Christen aus den Heiden verständlicher sein konnte; das dritte (Lukas) ist ver- mnthlich für Christen aus den Heiden bestimmt, und das vierte (Johannes), obwohl unter griechischen Christen geschrieben, wendet sich an keine bestimmte Klasse von Lesern, sondern an die damals, nach der Zerstörung von Jerusalem, schon zu Einem Ganzen verbundene Gemeinde des HE-rrn. (v. Gerlach.) Das 1. Kapitel. Christus oon Johannes gekauft, wird versucht, predigt, beruft Sänger· und heilt die Kranken. I« v. 1—3. (§.15.) zilarltus will seinen liefern linnd thun, wie die Entsinnst, welrhe jetzt durch die Welt er- geht, ihren Anfang genommen mit der predigt Io- hannis des Täufers; darum fängt er and) sogtelch mit dieser Predigt an, ohne erst auf die Kindheit-i— und Jngendgeschieljte Jesu nnd seines dlortänfers zurückzu- blirtieit, gleichwie ja auch Petrus, dessen Dolnietsetser er gewesen, iin Hause des Eornelins von demselben Punkte ausgeht (Jtpostg. 10, 37 ff.). Und wie nun Petrus der erste unter den Jtposteln gewesen, der den Glauben be- nannt hatte, daß Jesus sei Christus, der Sohn den lebendigen— Gottes Geh. s, litt; Mattl1.16,16), so sägt auch St. Ltlarlius gleich seinem ersten Wort dies Erkennt· niß bei. tilgt. iilatth Z, 1—-12; can. Z, 1-—1ii.) 1. Dies swas in V. 4—8 folgt] tft der Anfang des Evangelti [oder der frohen Botschast March. 4, 23; 11, s; 24; 14] von Jesu Christo, dem Sohn Gottes [insofern diese Botschaft nun wirklich zur öffentlichen Verkündigung kam vor allem Volk]; 2. Als geschrieben stehet in den Propheten sund zwar geschiehet dieser Anfang in« eben der Weise, wie sie im ersten und im letzten prophetischen Buche der alttestamcntlichen Schrift schon zuvor bestimmt war, nämlich gemäß den Worten in Mal· Z, l u« Its« 40- 3]: Siehe, ich sende meinen» Engel [Matth. 18, 1o Anm.] vor dir her, der da bereite deinen Weg vor dir [Matth. n, to; Luk. 7, 27]. 3. Es ist eine Stimme eines Predtgers in der Wüste: Vereitet den Weg des Ostern, machet seine Steige richtig [Matth. s, 3; Luk. s, 4J. Was als ofsenkundig von Christo nnd in Bezie- hung auf ihn gesagt und geschehen vorliegt, nicht was erst auf dem Wege der Forschung ergründet werden mußte (Luk. 1, 3), faßt Markus zu Nutz und Dienst seiner Leser zusammen, um ihnen die auf Thatsachen ge- stützte Ueberzeiigung zu verschaffen, daß Jesus wirklich ist, wofür er hier erklärt und bekannt wird, der Christ, der Sohn Gottes. (v. Burgen) Dieser Anfang des Evangelii war in der apostolischen Zeit auch der iibliche Anfang der evangelifchen Ueberlieferung, wie sie die apostolische Predigt begleitete; man fing mit dem Auf- treten Johannisdes Täufers an, die Kindheitsgeschichte dagegen und die Lehre vom Wort, das im Anfang bei Gott war (Matth. 1 n. 23 Luk. 1 n. L; Joh. 1,1—18), folgte später für die Eingeweihten, die Glänbigem (P. Lange) Der« herkömmliche Text: »als geschriebeii steht in den Propheten« ist insofern der angemessenem, als es Ausspriiche zweier verschiedener Propheten sind, welche der Evangelist ohne Unterbrechung ansührt, und darunter die erstere Stelle nicht von Jesajas, sondern von Maleachi; aber nach äußeren Zeugen kann als ent- schieden betrachtet werden, daß die ächte Lesart ist: »in Jesara, dem Prophetens erst durch die Wahrnehmung, daß hier die Stellen zweier Propheten mit einander ver- bunden seien, ist man in der christlichen Kirche veran- laßt worden, die Angabe so zu ändern, wie sie jetzt vorliegt. (Bleek.) Diese Znsammenstellung des jefaiak nischen Wortes mit dem Spruche ans Lllialeachi kann uns an sich nicht befremden, da Maleachi deutlich und geflissentlich auf jenes Wort bei Jesaia stch bezieht, wie schon der Ausdruck: »den Weg bereiten«, der im alten Testament überhaupt nur im 2. Theil des Jafaia (und zwar drei Mal) vorkommt, beweist; hat aber Maleachi schon so ausdrücklich an das bezeichnete jefaianische Wort angeknüpft, daß das feinige nur. wie.verdeutlichende Anwendung davon erscheint, so erklärt sich vollkommen, wie unser Evangelist die Worte Jesaiahs so anfiihrte, daß er zugleich die deutlichere und unmittelbar auf die Erscheinung und Bedeutung des Johannes pafsende Gestalt derselben bei Maleachi einsetzte. (Klostermann.) 4. Johannes sSohn des Priesters Zacharias und seines Weibes Elisabeth Luk. I, 5 ff. 57 ff.], der lvar lals mit Beginn des Sabbathsjahres vom Herbst 26 bis dahin 27 n. Chr. nun die Zeit ge- kommen, daß er »sollte hervortreten vor das Volk Israel] in der Wufte [oberhalb des todten Meeres am Jordan, nicht weit von der Stadt Livius, s. Karte V]- tanfte Daselbst] und predigte von der Taufe der Buße sbezeugte mit seiner, die Taufe begleitenden Predigt, daß dieselbe eine Taufe zur 448 Evangelium Marci I, 5--13. Buße sei, nicht blos dazu verpstichteniz sondern auch sie»vollziehend und darstellend], zur Vergebung der Sunden [um diese, die Vergebung der Sünden, wenn nun Christus selber käme, von ihm zu em- pfangen]. « » » 5. Und es ging sseinem Rufe folgend] zu ihm hinaus das ganze sudische Land [die gesammte Einwohnerschaft der Landschaft Judäa, welche zu: nächst von seiner Predigt berührt wurde] und sin- sonderheit fanden sich auch bei ihm ein] die von Jerusalem, und ließen stch alle von ihm taufen im Jordan [indem sie in dessen Fluthen untertauchten] und bekannten [dabei mit Worten und im Sinn- bild] ihre Sunden. Dreierlei hebt der Evangelist an Johannes hervor, als worin er der Weissagung des Jesaia entsprach: l) daß er taufte, indem dieses im Allgemeinen eine Wandlung aus sittlicher Unreinheit in sittliche Reinheit verfinnbildlichtez L) daß er nirgends anders als in der Wüste tauste. Nicht u den Menschen ging er, sondern sie mußten zu ihm ge en, mußten sich’s etwas kosten lassen, um dessen theilhastig zu werden, was er zu geben hatte, und zu einer Leistung besremdlicher Art fordert ja auch die Stimme bei Jesaia auf; und daß er in der Wüste rauft, ist ein sinnbildlicher Ausdruck dafür, daß er eine sittliche Arbeit fordert, welche das Voll in sei- nem gegenwärti en Zustande nur durch willenskräftigen Entschluß der elbstverleugnung vollbringen kann. 3) daß Johannes mit seiner Taufe und mit seinem Zeug- nisse an denen, die es wahrhaft aus sich wirken ließen, eine Sinnesänderuug vollbrachte, welcher die Sün- denvergebung, also die Bedingung der Theilnahme an dem Segen des kommenden Gottes, geschenkt werden sollte; denn das »zur Vergebung der Sünden« gehört zu ,,Buße«, nicht zu »Taufe«. Jn dem allen war er die eroldsiimme, welche bei Jesaia zur durchgreifenden Ste ung Jsraels zu Jehova, weil nur so er und sein Heil zu seinem Volke kommen werde, aussordert. (Klostermann.) Es giebt Zeiten, wo ein Geist ausgehen der Macht empfangen hat, wo eine gute, heilsame An- steckung sich verbreitet, welche auch die Abgeneigten er- greift, ohne daß irgend ein zwingendes Gebot oder auch nur eine Rücksicht des Vortheils und der Ehre waltete; Zeiten, wo man spürt, ich darf mich nicht entziehen, wo auch die Widerstrebenden Geister ihr Widerstreben darnieder halten und kommen müssen, Gott die Ehre zu geben. So kamen see dort; aber wie entflammte hernach (Matth. 3, 7; Luk. Z, 7) die Heuchelei. die das Heilige drohte zur Mode zu machen, den Zorn des Propheten! ,,Otterngeztichte, SchlangenbiutC so schilt er sie, nicht als wollte er ihnen nicht gönnen, daß sie dem kommenden Zorn entrinnen, sondern gerade damit fte es nicht so leicht damit nehmen, damit ste erschrecken und Ernst anwenden möchten, wahre Kinder Abrahams zu werden. (Riggenbach.) b. Johannes aber [bei seinem Aufenthalt in der WüsteJ war bekleidet mit seinem sackähnlichen Obergewaniz von] Kameelhaaren nnd mit seinem ledernen Gurte! [Jer. 13, 11 Arm] um seine Lenden [der solchen Prophetenmantel da zusammen- hielt], uiid aß Heuschrecken nnd wilden Honig [Nicht. 14, 8 Anm.]. 7. Und er ptedigte [denen, die sich von ihm hatten taufen lassen] und sprach: Es kommt einer nach mir, der ist starker, denn ich [genauer: Es kommt der Stärkere als ich, nach mir, sa ist schon» im Anzuge begrisfenL dem ich nicht genugsam bin, daß ich seinem dienstthuenden Sklaven gletchj mich vor ihm bucle und die Riemen seiner Schuhe auflose. 8. Jch taufe euch mit Wasser kund kann mit dieser geringen Taufe euch das rechte, volle Heil nicht gewähren, sondern nur zur Empfangnahme durch Erweckung des Verlangens darnach vorbe- reitenjz »aber er [der da kommt] wird eiich mit dem heiligen Geist taufen sund - dadurch in den Vollbesitz des Heiles versetzen] Jn Johannis persönlicher Erscheinung stellte sich dar, was die Gegenwart sei, nämlich eine Zeit ernster Vußarbeit; in seiner Verkündigung stellte sich dar, was die Zukunft im Verhältniß zur Gegenwart sei, und das wurde erkannt an dem Verhältnisse der Person des Johannes zu der Person dessen, mit dem die Gegenwart ihr Ende erreicht — es ist wie das eines Menschen zu einem Gotte —, und an dem Ver- hältniß des Werkes des Johannes zu dem des Zukünf- tigen -— es ist, wie die Reinigung des Leibes sich ver- hält zur Neugestaltuiig des ganzen Lebens in göttlicher Beschaffenheit (Klostermann.) Johannes will sagen: Jhr staunt über mich schon —- was wird erst der thun, der nach mir kommt! Meine Taufe ist nur äußerlich, durch Wasser, deckt die Sünden auf, fordert Buße, aber den neuen Geist kann ich nicht geben; die bloße Gesetzes- predigt kann noch nicht zum Heile führen, das thut nur die Predigt des Evangelii. (Heubner.) Jn strenger Demuth ordnet er sich als unwtirdiger Knecht dem Köni unter, der da kommt, um Joeks Weissagung zu erfit en und seinen Geist auf alles Volk auszugießem dieser wird im Geist vollenden, was die Wassertaufe bedeutet, er wird mit dem heil. Geist und mit Feuer taufen. Ei: wird sitzen und schmelzen und die Söhne Levi läutern wie mit Feuer eines Goldschmieds (Mal. 3,3), das ist eine Reinigungdie viel schärfer eindringt, als das Wasser des Jordan; es ist aber auch im Feuer des Geistes eine belebende Kraft uiid nur für die Wider- ftrebeuden eine Gluth des Gerichts, welche die Gottlosen wie Spreu verzehrt. Erst darin erweist fich Johannes im vollen Sinne als der letzte Prophetz daß er nicht nur die Predigt des Gesetzes schärft, um alles Volk zur Buße zu treiben, sondern von dem König des Reiches weissagt, der da kommen werde, ja schon vorhanden sei. (Riggenbach.) II. v. 9—13. (§. 16 u. 17.) nachdem de: avaugkiia im vorigen Abschnitt den Anfang des Evangelium vou Iesu Christo, dem Sohne Gottes, durch kurze Varfleliung der Taufe nnd predigt des Johannes gelieaazeichnet hat, soviel für seine Leser nöthig war, ritt er, niögliehü rasch zu demjenigen Fortschritt von jenem Anfang zu kommeii, den die galiläische Wirksamkeit Sesu an» Stelle der so— hannetsskhen gebildet; ehe er aber dazu übergehen kann, muß er Jesuui uns vorfuhrem wie er von Johannes in! Jordan getauft und dabei von Gottuitt dem heil. Geist nnd Kraft gesalbct Uepostg 10, säh, daraus aber 40 Tag: uou dem Satan in der Wüste oersuchet ist, um so der Heiland zu werden, der alle, die vom Teufel iiberwiiltiget waren, gesund machen könne. (Vgl. North. Z, Is- 4, it; Tun. Z, 21 — a, 13. 9. Und es begab sich zu derselbigen Zeit swo das in V. 4 ff. Ekzählte sich ereignete], daß Jesus Christus wird von Johannes getauft und vom Teufel verfucht 449 fals mit Beginn des J. 27 n. Chr. nun für ihn die Stunde gekommen, hervor zu treten vor das Volk und die Predigt des Täufers von dem, der nach ihm» kommen werde V. 7 f., zu erfüllen] ans Galilaa von Nazareth [woselbst er bis dahin in stiller Verborgenheit gelebt hatte] kam [an die in V. 4 bezeichnete Stätte] Und ließ sich taufen von Johanne [der anfänglich seinem Begehr wider- strebte, aber dann doch feiner Weisung willig folgete] im Jordan. 10. Und alsbald stieg er ans dem Wasser stauchte er aus den Fluthen wieder auf, denn das Sichtaufenlassen war für ihnnur ein kurzer Durch: gnug] und sahe [gleichwie auch Johannes Joh. l, 32], daß sich der Himmel aufihat l»die Wolken bekamen dem äußerlichen Ansehen nach einen Riß, wodurch ein lichter Strahl als von dem Thron der Masesiät Gottes herabschoßL und [sahe] den Geist [in solchem Strahl], gleichwie eine Taube [in sichtbarer leiblicher Gestalt einer Tanbe«: Starke] , herabkommen auf ihn. Himmel und Erde waren verknüpft, die niedere Schöpfung hineingehoben in die Fülle der göttlichen Herrlichkeit in dem Augenblick, wo Jefum Christum der Geist Gottes erfüllte: das that sich kund durch das Hervorbrechen eines tiberirdifchen Lichtglauzes; und wenn es heißt, der lautere, sanfte und stille Geist sei auf ihn gekommen wie eine Taube (es steht nicht: als eine wirk- liche Taube, sondern eiwas Sichtbares, Leibliches, gleichsam wie eine Taube), so ist das eben die Art und Weise der Bezeichnung, wie es unsre Sprache am nächsten auszu- drücken vermag, was Jesus und Johannes inne wurden. (Riggenbach.) Da der heil. Geist seiner Natur nach unfichtbar ist, so kann die Taube nur begleitendes Bild und Wahrzeichen des geistigen unsichtbaren Vorgangs fein, wie das Windesbraufen und die Feuerzungen am Pfingstfest (Apostg. 2, 2 f.); das Zeichen aber entspricht dem Vorgange hier wie dort -—— es ist ein anderes, wo der Knecht des HErrn gesalbt wird zum Dienst der tiefsten Selbftverleugnung, von dem gesagt ist, was in Jes. 42, 2 f. gefchrieben steht, und ein anderes, wo feine Diener ausgerüstet werden, die Votfchaft von ihm mit weltüberwindender Kraft auszubreitem (v. Burgen) 11. Und da geschah eine Stimme vom Himmel fsich unmittelbar an Jesum selbst wendend —- vgl. die Bem. von Menken zu Matth. 3, 17]: Du bist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe. Die Taufe war für Jefum gleichsam die göttliche Ordination zu seinem Werke; von jetzt an war er der Geweihete und Gefalbte des HErriy der Messias und König im Reiche Gottes, von jetzt fängt Christus an, wie Luther sich ausdrückt, ein Christus zu fein, in Jefu Person ist nunmehr das Reich Gottes bereits da. (Fr. Arndt.) Durch den Geist des heil. Amtes wird Jesus ausgerüstet, den heil. Sinn, der in ihm ist, der alle Sünden Jsraels eben so sehr fühlt und trägt, als ver- abfcheut und von sich weist, durch Wirkung seines geist- erfüllten leiblichen Organismus in den ganzen Umkreis des israelitifchen Volkslebens auszubreiten und damit das Volk zu reinigen von feinen Sünden und zu er- lösen von seinen Uebeln, mit Einem Worte, Jsrael zu vollenden; ist aber Jsrael vollendet, so ist auch die Menschheit vollendet, denn dazu ist Jsrael von Abraham her- berufen, den durch die Sünde verlorenen Segen Gottes wiederum allen Völkern und Stämmen der Erde Dächleks Bibelwort. zuzuwenden. Keines Menschen Weihe ist auf so tiefer Stufe der Niedrigkeit und Demuth empfangen worden ;« darum hat aber auch keines Menschen Weihe eine solche Wahrheit und Kraft erlangt. (Baumgarten.) Hier, da er den Messias taufte, that Johannes fein größtes Werk; hier vollzog er nicht an einem Sünder das Zeichen der Reinigung von den Sünden, sondern wie die Juden von Elias erwarteten, er würde den Mesfias falben, so half er an feinem Theil, den Gesalbten Gottes zu weihen und in sein Amt einzuführen. Hatte aber der HErr die Taufe Johannis empfangen, so mußte daraus etwas ganz anderes werden für jeden, der fortan im Glauben sich in die Hingebung des Sohnes verfenkte, ein solcher bringt sich selber in der Gemeinschaft Christi, des Sohnes,- an welchem der Vater Wohlgefallen hat, zum Opfer dar, und der Geist wird auch ihm zu Theil. Die christ- liche Taufe ist deswegen nicht blos eine Taufe der Sinnesänderung, worin sich der Mensch nach Vergebung der Sünden ausstreckh sondern ein Mittel der Aneigi nung dessen, was ihm Christus erworben, der Geburt aus dem Geist, des Lebens im Vater, Sohn und heil. Geist. Das hat Christus der HErr für uns aus der Taufe gemacht. (Riggeubach.) 12. Und bald [nachdem Jesus so von Gott gesalbt worden mit dem heil. Geist und Kraft] trieb ihn der Geist saus der Wüste, in der er schon bei Johannes sich befand, noch tiefer hinein] in die Wüste [nordwestlich von Jericho, s.»zu Matthx 3, 1]. 13. Und war allda in der Wnste vierzig Tage und ward swährend dieser ganzen Zeit Luk. 4, 2] von dem Satan versucht sbis die Versuchung zuletzt in drei Spitzen auslief, wie sie bei Matthäus und Lukas näher bezeichnet sind] und war bei den [wilden] Thieren [beständig von ihnen umgeben und bedrohet], und die Engel dieneten ihm [indem sie zunächst unsichtbarer Weise ihm Schutz gewährten wider die Bestien, bis sie dann, nach besiandener Ver- suchung, auch hervor-traten, ihn mit Nahrung ver- forgten und ihm als Sieger ihre Huldigung brachten Matth. 4, 11., jetzt aber die Thiere ihre drohende Stellung in die der unterwiirsigen Creaturen wan- delten Jes. 11, 6 ff.]. Johannes ist in der Wüste, und der Satan versucht ihn nicht: Jesus wird aus der Wüste in die Wüste, d. h. in die tiefsten Wildnisse der Wüste getrieben, und der Satan macht sich an ihn heran; der Evangelist findet es jedoch überflüssig zu bemerken, daß Jesus den Satan besiegt habe. Es versteht sich nach dem Vorigen von selbst, sodann (V. 23 ff.) will er uns die concreten Siege über ihn in den Diimouenaustreibungen vorführen; doch ist der Sieg darin angedeutet, daß er vierzig Tage seine Residenz in der Wüste trotz der Anfechtungen des Teufels behauptet und daß ihn dafelbst die Engel be- dienen, eine himmlische Hofhaltung also darf der Gott- mensch sofort in das Gebiet, welches der Satan vor- zugsweise in Anfpruch nimmt (3. Mos 16, 10), ver· legen. (P. Lange) Richt blos zeitlich, sondern auch urfiichlich stehen Taufe und Versuchung Jefu m .Ver- bindung; ist die Taufe feine Weihe zum Amte, so ist die Verfuchung fein erstes amtliches Werk. Er war durch die Taufe darauf angewiesen und dazu ausgerüstet, auf das ihn umgebende Volk, auf diese vorhandene Gegen-« wart Jsraels zu wirken; diese ganze Gegenwart Jsraels aber war von Johannes als unrein und damit alle alt- testamentliche Heiligung als vergeblich erwiesen. Diese R. T. I, 29 450 » Anschauung der Gegenwart drängt nothwendig die Frage auf: wo ruht die Wurzel solcher allgemeinen Verderbt- heit? und diese Frage weist in den Anfang der isracli- tischen Volksgeschichte zurück» Dieser Anfang ist folgender: Israel ward von Iehova in die Wüste geführt, um dort versncht zu werden, damit der HErr erfahre, »was in feinem Herzen sei (5. Mos. S, 2). Die Wüste ist der Ort, wo der Bann, der seit der Sünde des Menschen auf der Erde lastet, augenscheinlich und ha11dgreiflich zum Vorschein kommt; in der Wüste war daher Israel von den durch die Welt vermittelten Segnungen Gottes ab- geschnitten und an Jehovcks Macht, Treue und Gnade allein gewiesen. Indem so Gott und Welt für Israel streng geschieden waren, mußte der Zustand der unklar- heit, bei dem es unentschieden bleibt, ob der Mensch sich auf Gott in der Welt oder auf die Welt ohne Gott verläßt, aufhören und es mußte sich entscheiden, ob das Herz des israelitischen Volkes seinen letzten Ruhepunkt in Gott oder in der Welt hatte. Israel bestand nicht in dieser scharfen Prüfung, und seitdem ist nichts ge- schehen, was diesen ersten großetrRiß hätte wieder ausheileu können, im Gegentheil muß der Zustand der Verderbtheih den Johannes straft, als die Auswirkuiig jenes ersten Abfalls angesehen werden; wer also diesen Zustand gründlich und vollständig bessern will, der muß wiederum in diesen ersten verfehlten Zustand zurück- kehren, er muß das Werk Israels da wieder aufneh- men, wo es fallen gelassen ist. Darum wird Jesus von dem Geiste, der in der Taufe über ihn gekommen ist, in die Wüste geführt, und zwar um versncht zu werden, wie Israel versucht wurde, damit er die Versuchung bestehe, um das, was durch den Abfall Israels ver- loren war, durch seine Bewährung wiederzubringen. Nun ist Israel während der 40 Jahre, die es in der Wüste zubrachte, nicht von dem Brod der Erde ernährt, sondern empfing dafür Manna vom Himmel; es sollte daraus lernen von allem Anfang her, daß der Mensch nicht vom Brode allein lebt. Aber Israels Herz hing zu sehr an der Erde und ihrem dunkeln Schatten, um an der himmlischen Speise dauernde Freude zu haben; wenn denn Jesus den Anfang Jsraels wiederherstelleti will, und zwar zunächst in sich selber, so wird er in dieselbe Versuchung eingehen müssen, um da zu bestehen, wo Israel gefallen ist, wie daher Israel 40 Jahre dem. Brode der rde hat entsagen müssen, so aß er in den 40 Tagen, die er in der Wüste zubrachte, nichts, also nicht einmal die Speise der Wüste, wie Johannes, nnd wie Israel während der 40 Jahre von Manna, dieser Verkörperung und Verbildlichung der himmlischen Speise lebte, so ist für Iesum, indem er dem Brode der Erde entsagt, seine Speise das Wort Gottes, die reine und volle Aufnahme des göttlichen Worts in den Grund der Seele von seiner Seite aber ist die Wiederherstellung jenes Anfangs. Indessen, der Fall Israels tveist über sich selbst hinaus und weist uns in den Anfang der Menschengeschichte zurück; der Fall Israels in der Wüste hat den Fall des Menschen in dem Garten Gottes zur Voraussetzung und muß um so mehr in diesem Lichte des ersten Anfanges erschaut werden, als die Führung Israels darauf angelegt ist, den ersten Fehltritt des Menschen wieder gut zu machen. Ist nun aber die Ge- schichte Israels in der Wüste nicht die Wiederherstellung des gefallenen Menschen, sondern vielmehr ihrem wesent- lichen Inhalt nach eine Wiederholung und Folge jenes ersten Falles, so kann auch dieser Abfall Israels nicht wieder gut gemacht werden, ohne daß auf den ersten Fall zurückgegangen wird. In dem Paradiese nun geht die Versuchung und Verführun aus von der chlange, welche Lügen redet, indem te Wahrheit und Unwahrheit in einander mischtz das Wort der Lüge aus Evangelium Marci I, I4-»—21. ihrem Munde wird das Gift, welches den Mensch-en mordet, und ist somit das gerade Gegentheil von dem Worte, das aus Gottes Munde geht. Seitdem hat der Vater der Lüge die Gewalt des Todes (Hebr. 2, 14) und besitzt eine Herrschaft in der Welt, welcher die Menschheit durch Macht der Sünde und Furcht des Todes verknechtet ist; seitdem ist der Widersacher der Fürst der Welt. Demnach kann die Wiederstellung Israels und seines Falles nicht anders erfolgen, als durch den Sieg über den Fürsten dieser Welt, der durch seine Lüge das Menschengeschlecht vergistet hat; deshalb dürfen wir uns auch nicht wundern, aß die Versuchung Jesu in der Wüste von Anfang an als eine Versuchung durch den Teufel dargestellt wird, ja die Steigerung und der Schluß dieser Versuchung kommt darin zum Vorschein, daß der Satan persönlich auf den Kampfplatz tritt und in solcher Concretheit auftritt, wie er niemals vorher sich gezeigt hat nnd auch niemals später sich zeigen wird. (Baumgarten.) Daraus , daß es heißt: ,,Jesus war bei den Thieren«, siehet man, daß hier eine folche Wüste zu verstehen, die ganz unbewohnt war: Satan mag wohl auch durch folche Thiere ihm zugesetzt haben (5. Mos. 8,15), wie der Eva durch eine Schlange. Hierdurch hat Christus die verlorene Herrschaft über die Creaturen uns wieder zu Wege gebracht; man mag es auch als ein Bild ansehen, wie Christus hernach in seinem Amte, und ferner auch in der Kirche, würde mit thierischen Leuten (Ps. 22, 13 f.; Tit. l, 12; 2. Tini. 4, 17; Offenb. 13, 1 u. l1) zu thun haben. (Starke.) Adam fiel im Paradiese und machte es zur Wiistex Christus siegte in der Wüste und machte sie zum Para- diese, wo die Thiere ihre Wildheit verloren und die Engel weilten. (Olshausen.) I. o. 14 —20. (§. 28 u. ge) us: Evangelist ca jetzt bei demjenigen Punkte seiner Darflellung angekommen, dem wir ihm tm vorigen Abschnitt zueileu sahen; nnd nun kann er uno gleich am Jlufang der galiläismeu Wirksamkeit Jesu die von Johannes begonnene Gottesbotschast in diesem Jesu srhou zu einer solkheu macht im idotke sich entwiitielnd zeigen, daß alte, die seiner Verkündigung sitt) unbefangen hingeben, in hellen Haufen um seine person sich sammeln. Das bewahr- heitete sich gleich bei Berufung der vier Sänger: Simon Petrus, Andreas, Jakobus I. und Johannes, zu beständiger nachfolgt. (bgl.-td1atth. 4,12—-22; Eule. it, 14—31 u. Z, 1—11.) 14. Nachdem aber Johannes sAnfang Mai des J. 28 n. Chr.] überantwortet [von Herodes, dem Vierfürsten von Galiläa, behufs künftiger Hinrichtung ins Gefängniß gelegt Kap. 6, 17 ff.] ward, kam Jesus [bei seiner Rückkehr von Jeru- salem, wo er auf dem Pfingstfest jenes Jahres ge- wesen war und den Kranken am Teiche Vethesda gesund gemacht hatte Joh. b] in Galilåa und predigte [hier, zunächst m Nazareth anfangend, dann aber nach Kapernaiim sich wendend List. 4, 16 ff.] das Evangelium vom Reich Gottes. 15. Und sprach [die Predigt des Täufers wieder aufnehmend und vollendendjt Die Zeit ist ersitllet [Gal. .4, .4], und das Reich Gottes sdas die Propheten als zukünftig ver- kündigt haben] ist herbei kommen. That Buße nnd glaubet an das Evangelium [die ihr in dieses Reich eintreten wollet]. Jesus predigt und beruft vier Jungen 451 Ohne den Bericht des Johannes würde es nicht recht verständlich sein, wie gerade die Gefangennehmung des Täufers Jefum könne bewogen haben, sich in das Gebiet desselben Herrschers zu begeben, der ihn, den Täufer, festgenommen hatte; da lernen wir aber aus dem vierten Evangelio, daß, nachdem Jesus schon in Joh. 4, 1 ff. zu einem Gegenstand feindlicher Beob- achtung für die Pharisäer geworden, die ihn als noch einflußreicher und ihrem Ansehen bedrohlicher, denn den Täufer, erkannt hatten, diese seit dem Heilungswunder am Teiche Beshesda sogar Mordanschläge wider ihn faßteu (Joh. 5, 16; 7, 19 ff.). Daß Herodes gewagt hatte, Hand an den Täufer zu legen, wirkte aus den Hohenrath in Jerusalem zurück, die denselben beherr- schendeu Pharisäer fühlten sich angeregt, den zweiten Propheten aufzugreifen, nachdem der König den ersten anfgegriffen. « Solchen Nachstelliingen gegenüber war der HErr in der That immer noch sicherer in Galiläa, als in Judäa, zumal er dort nicht in unmittelbare Be- rührung mit Herodes, der jetzt noch in Livius refidirte und erst 10——11 Monate später nach Tiberias iiber- siedelte (Matth. 4, 17 n. IS, 14 Anm.), kam; und nun kaufet er die Zeit ans, das Volk gerade dieses Fürsten, der den Johannes eiugekerkert hat, zur Buße und zum Glauben an das Evangelium zu berufen, und erfüllt damit die prophetifche Weissagung (Matth. 4, 14 ss.). is. Da« er aber [bald nach seiner. Nieder- lassung in Kapernaum nicht weit von dort, bei Bethsaidaj an dem galilciischen Meer ging svon einer großen Volksmenge begleitet, der er das Wort Gottes von einer geeigneten Stelle aus verkündigen wollte], sahe er [wie im Vorbeigehen, doch mit den Augen eines solchen, der es auf etwas abge- sehen hat] Simon und Andreas, seinen Bruder, daß sie ihre Netze ins Meer warfen sgenauem im Meer umherwarfen, ihnen eine neue Lage im Wasser zu geben]; denn sie waren Fischer fund noch immer im stärksten Berufseifer begriffen nach einer vergeblich durcharbeiteten Nacht Luk. 5, 5]. 17. Und Jesus [nachdem er in des Simon Schifs getreten war, von dort aus zum Volk am Ufer geredet, darnach aber ihnen einen reichen Fischzng bescheeret hatte] sprach zu ihnen: Folget mir nach; ich will euch [indem ich euch von diesem Tagewerk abrnse und zu meinen bleibenden Jüngern erwähld zu Mcnschenfischcrii machen. 18. Alsbald verließen sie [die ihn von früher her schon kannten Joh. l, 35 —— 4, 54., in Folge des reichen Fischzuges aber fich jetzt mit Leichtigkeit für seinen beständigen Dienst gewinnen ließen] ihre Nehe und solgeien ihm nach. » 19. Und da er von dannen ein wenig furbas ging [dem Meere entlang], sahe er Jacobum, den Sohn sei-edit, und Johanuem seinen Bruder, daß sie [nach der Hilfleistung die sie vorhin dem Simon gethan, nnd nach dem Antheil an dem diesem be- scheerten Segen Luk. 57 7] die Netze im Schiss slickten [denn noch blieben sie bei ihrem bisherigen Berufe, so lange der HErr nicht auch ihnen seinen Willen kund gethan]; nnd bald rief er ihnen lzum Zeichem daß das Wort an die beiden Andern V. 17 ihnen ebenfalls gelie]. 20. Und sie ließen ihren Vater Zebedamu im— Schiff mit den Tagldhnern sals der sonach auch, ohne sie das Gewerbe weiter betreiben konnte], und solgeten ihm nach. Wie ist es zu erklären, daß Matth. und Mark. den Fischzug des Lukas nicht erzählen? Einfach daraus, daß ihnen die Berufung jener Jünger als weit wich- tiger erschien, denn die wunderbare Veranlassung der- selben; sie haben zunächft die Absicht zu berichten, daß von der Uebersiedelung nach Kapernaum an Jesus sich mehrere Jtinger zu steter Begleitung wählte, das dabei vorgefallene Wunder hätten sie so gut wie Lukas be- richten können, sie konntet: es aber auch eben so gut auslassen, da nicht jeder Evangelist ein jedes Wunder erzählen mußte. (Ebrard.) Es mochtc damals in Ka- pernaum großes Aufsehen machen, daß diese jungen Männer so plötzlich den Erwerb ausgabeu, an den sie so ganz gebunden zu fein schienen; das Staunen über die Macht Jesu, welche diese Veränderung bewirkte, hat sich abgedrückt in der Erzählung, wie wir sie zunächst bei Matthäus finden, der wohl am tiefsten das Uner- hsorte dieses Umschwungs gefühlt hat, und durchuhn hat die Geschichte m ihrer Eigenthümlichkeit für die evan- gelische Tradition sich ganz als eine abgeschlsffene Ge- schichte für sich ausgeprägt. Es»ist, als ob Jesus xetzt zum ersten Mal jene Männer fände und als ob ein Wort von ihm hinreichte,· sie mit allmächtig unwider- ftehlieher Wirkung zu seinen Nachfolgern zu machst; und tm Grunde genommen stellt auch wirklich diese Ge- schichte das Verhältuiß Jesu zu diesen Jüngern in einem neuen Lichte dar, znnächft insofern sie ihren alten Beruf aufgeben, dann aber auch, insofern sie jetzt von Christo berufen werden, in die ersten Menscheufcscher oder Apostel verwandelt zu werden. (P. Lange.) Jesu erstes Absehen (in Joh. I, 35 ff.) war darauf gerichtet, überhaupt eine Bewegung in dem Volke hervorzubringen, das Verlangen nach dem Reiche Gottes zu erwecken; jene Männer, welche aus dem Jüngerkreife des Täufers zu ihm kamen, erhielten die ersten Anftöße von ihm und hatten die Aufgabe, den empfangenen Anstoß in ihrem Kreise fortzupflanzein Später erst nahm der HErr aus dem Kreise der Angeregten die Zwölfe in seine beständi e Gemeinschaft auf. Wie die frommen Weiber, welche ihm von Galiläa ans waren nachgesolgh gewiß nicht mit Einem Male sich für immer an ihn anschlossen, sondern erst kamen und wieder gingen, bis sie von ihm sich nicht mehr losreißen konnten, so wird es auch bei diesen Aposteln zugegangen sein, nur daß eine ganz be- sondere Aufforderung des HErrn zu seiner Nachsolge an sie erging. (Nebe.) II. v. 2l——28. (§. 30.) Das Wort, welches Simon Petrus; nach dem reichen zkischzug iu dem Zwecken, der ihn angekommen, an Iesum gerichtet: ,,l)Ørr, gehe non mir hinaus« Gans, 8), verkehrt dieser in sein Gegen— ihcil nnd nimmt Wohnung in dessen Hause zu sauer— nimm; am nächstfolgenden Sahbath heilt er in der dor- tigen Schule einen hesesseneu Menschen. (d1gl. Kuh. 4, 31—37). 21. Und sie [der HErr Jesus mit den vier neuangeworbenen Jüngern V. 16 ff.] gingen [oon dem Meeresuser bei BethsaiDaJ gen Kapernaum fdas nicht weit davon entfernt mehr landeinwärts lag Kap. 4, 25 Anm., wo dann des Simon Haus sie aufnahm Matth. 8, 15 Anm.]; und bald an den Sabbalhen lohne von den nächstfolgenden Sab- 29’·· 452 Evangelium Marci l, 22—34. bathen einen vorüber gehen zu lassen, also gleich am ersten derselben, nach unsrer Berechnung am 5. Juni des J. 281 ging er in die Schule nnd lehrete [dafelbst, wie vor 8 Tagen in der Schule zu Nazareth Luk. 4, 16 ff.]. 22. Und sie entsetzten sich über seiner Lehre [wurden tief davon ergriffen und im Herzen be- wegt]; denn er lehrete gewaltiglich [als einer, dem die volle Macht der Rede zu Gebote stund], und nicht, wie die Skhrifigelehrten kdaß er sich darauf befchränkt hätte, einzelne Stellen der Schrift nach gewissen Auslegungsregeln zu deuten und anzu- wenden, sondern in dem Bewußtsein, selber ein Mittler göttlicher Offenbarung zu sein Matth. 7, 28 f.]. Seine Predigt war als eines, der es mit Ernst meiner, und was er sagte, das hatte eine Gewalt und lehrete, als hätte es Hände und Füße; nicht wie die Lutnpenprediger daher fpeien und geifern, daß man dar- über Unlust und Greuel gewinnen, (Luther.) 23. Und es war in ihrer Schule [wohl un- versehens mit eingedrungen] ein Mensch, besessen mit einem unsauberen Geiste [vgl. zu Matth 8, 34], der schrie sals die andern sich über Jefu Lehre entsetzten und gegenseitig ihre Verwunderung aus- drückten], 24.. Und sprach« Halt slaß ab von uns], was haben wir mit dir zu schaffen, Jefu von Na- zareth? Du bist kommen, uns zu verderben [da- rum wollen wir mit dir unverworren sein]. Jch [der unfaubere Geist in diesem Menschen] weiß, wer du bist [wenn’s auch der Mensch selber und die übrigen Anwesenden mit ihm noch nicht wissen], der Heilige Gottes snämlich der nun erschienene Messias und Heiland Jsraels Dan. 9, 24z Joh. 10, Bis; Aposig 4, 27; Jak. L, 19]. 25. Und Jesus bedräuete ihn sden unsauberen Geist, der also aus dem Menschen redete] und sprach: Verstumme [V. 34; Kap. 3, 11 f.] und fahre aus von ihm kdaß du auch sonst ihm nichts mehr anhaben könnest]. Der HErr will kein Zeugniß aus solchem Munde- darum gebietet er den unsauberen Geistern Schweigen; die That ihrer Austreibung ist selbst das Zeugniß, das er an ihnen, nicht ans ihrem Munde, sich nimmt. (v. Burgen) 26. Und der nnsaubere Geist kder dem Gebot auch wider Willen gehorchen mußte, aber noch einmal zuvor seine ganze Wuth an dem Menschen auslafsen wollte], riß ihn [daß er unter allerlei Gesichtsverzerrungen und Gliederzuckungen am Boden dalag] nud schrie laut [that einen gellenden Schrei] und fuhr [unter svlchen Erscheinungen, die dem Menschen nichts weiter schadeten, wohl aber die ganze Furchtbarkeit der Macht, an welche derselbe bisher dahingegeben war, allen Augenzeugen zum Bewußtsein brachten] aus von ihm [Kap. I, 26]. 27. Und sie entsetzten sich alle [wurden gar sehr von dem Vorgang erschüttert und von ge- waltigem Staunen ergrifsen], also, daß sie unter einander ficlybefragten und sprachen: Was ist das swas hat es für eine Bewandtniß damit]? was ist das für eine neue Lehre ldie zugleich als unwider- stehliche Erlösungsmacht von dem Elend dieser Zeit sich ankündigt]? Er [der heute gelehrt und schon da als einer, der Machtvollkommenheit dazu besitzt, sich bewiesenhat V. 22] gebeut snun auch] mit Gewalt den unsauberen Geistern, nnd sie gehorchen ihm swas doch bei unsere Schriftgelehrten so wenig der Fall ist Matth. 12, 29 Anm.]. Während die Schriftgelehrten einen ihnen fremden, tiberlieferten Stoff künstlich behandelten, war Jesu Lehren freies Mittheilen eines ihm ursprünglichen und eigen- thümlichen Besitzes; den Lesern erklärt sich das durch die Erzählung von der Taufe Jesu, nach welcher in ihm mit letzterer ein neues Bewußtsein gesetzt worden war, das feine beständige Kraft in dem Geiste hatte. Noch mehr aber war das an sein Lehren sich unmittelbar an- fchließende Ereigniß dazu angethan, die Anwesendenin Aufregung zu bringen. Wenn jene geistige Macht, die des Kranken Bewußtsein, Wollen und Sprechen ihm entfremdet und sich dienstbar: gemacht, durch den Mund desselben ausruft, daß mit der Selbstbezeugung des Menschen Jesus für sie und Jhresgleichen das Ende dieses ihres Wirkens im Menschen vorhanden sei, weil er der Heilige Gottes, so entnehmen wir daraus, daß wie in Jesu der wahrhaft gottesvolle Mensch erstanden, so auch diejenige Macht geschrchtlich geworden sei, durch welche die gottentfremdete Menschheit überhaupt Gott wieder zur Fülle ihres persönlichen Lebens gewinnen soll; und wenn wir die Thatsache, daß die Aeußerung seines Selbstbewußtseins im Lehren als eine unwider- ftehliche Macht der Wahrheit» im» Inneren der Zuhörer sich bewahrte, aus dem bei seiner Taufe Geschehenen uns erklärten, so bietet uns die Erzählung von der sieghaften Bewährung Jesu und seines neuen Bewußt- seins e eniiber den Bersuchungen Satans zu der an- deren gThatsache den Schlüssel, daß sein Befehlswort dem Wirken gottwidriger Mächte in den Kranken ein gewalt- sames Ende macht. (Klostermann.) Die Kranken, die der HErr gesund machte, bezeichnet Petrus vor Cornelius als solche, die vom Teufel ttberwältiget waren (Apostg. 10, 38); so legt auch Markus ganz besonderes Gewicht auf die Heilung der Besessenen — die erste Wunderthat, die er berichtet, ist eine solche Heilung in der Schule zu Kapernaum sRiggenbachJ Das erste Wunder, welches Matth äus uns erzählt, ist die Heilung des Aussätzigen durch Berührung, denn ein Hanptgesichtspunkt ist der Gegensatz Christi gegen die hierarchifche Theokratie und ihre Satzungen; das erste Wunder, welches Johannes erzählt, ist die Verwandlung des Wassers in Wein, denn der Hauptgesichtspunkt des Johannes ist die Verklärung der alten, verfinsterten Welt zur Welt des Geistes; das erste Wunder, welches Lukas und Markus erzählen, ist diese Dämonenaustreibung in der Schule zu Kaper- naum, ihre Gesichtspunkte find dabei aber ebenso ver- schieden nnd charakteristisch wie ihre Evangeliem Lukas hat nach seinem Augenmerh der göttlichen Humanität Christi, vorzugsweise den geheilten Menschen im Auge — der Dämon warf ihn hin und fuhr aus von ihm, ohne ihn irgend zu beschädigem für Markus da- gegen ist die Uebermacht Christi über das Reich der Dämonen das Hauptaugenmerh wie sie auch seine Lehre erkennen läßt und bestätigt — daher betont er, daß Der HErr Jesus heilt Petri Schwiegermutter und andere Kranke, auch Besessene Christus auch sogar den unreinen Geistern gebiete und daß sie ihm gehorchen. Dieser Gesichtspunkt zieht sich sodann als Nerv durch sein ganzes Evangelium hindurch bis in die Schlnßworte III. Lange) 28. Und ein Gerucht [die Kunde von ihm] erscholl bald [nach diesen Selbstbezeugungeu als eines Lehrers von Gott gekommen, mächtig von Thaten und Worten] umher in die Grenze Galilaa [durch ganz, Galiläa nnd darüber hinaus in die Grenzstriches Ohne solche Wirkungen der heilenden Kraft, welche Vermögen und Einsicht der Menschen überstieg, konnte wohl der Prediger der Buße einen gewaltigen Eindruck machen, aber nicht der Heiland sich als Messias dem Volke bewähren. Er selber legt auf seine Thaten Ge- wicht, indem er Zeichen und Wunder die Fülle thut, und straft nicht weniger als die fleischliche Sucht nach Wundern auch die fleischliche Verachtung der Wunder und macht es dem Geschlecht seiner Zeitgenossen zum schweren Vorwurf, daß sie so wenig anf die Zeichen merken, so stumpf und nnempfänglich für die Werke seien, die er in des Vaters Namen thue und welche so mächtig von ihm zeugen (Joh. 10, 25; 15, 24). Ein Haß gegen Gott und das, was göttlich ist, liegt also der Verachtung seiner Wunder zu Grunde; denn seine Werke find eine Selbsioffenbcirung die niemand verkennt, der sie nicht will verkennen. Es sind nicht zweideutige Wirkungen einer unlauteren Kraft, es sind Selbstbezeugnngen des reinen Lebens, welches mit ursprtjnglicher Klarheit her- stellend mitten in die Unnatur der Krankheit und des Todes hineintritt; es sind Kräfte aus der Kraft Gottes, Zeichen, worin er den Erliisungsrath Gottes kundgiebt, dieser aber besteht darin, daß Gott ein Neues schafft (Jer.31, 22), indem er das schon Geschassene aus seiner Zerrtittung herstellt und also der Vollendun und Ver- klärung entgegenflihrh Somit sind es erzie ende Weck- mittel und Kennzeichen feines göttlichen Wesens, Gleich- nisse des Werks, das er inwendig an den Seelen thun will, Pfänder der verheißenen Herrlichkeit, zu welcher er die Schöpfung führen will. Nicht als ein fremdes, zu- fälliges, an sich selbst gleichgiltiges Beweismittel bestä- tigen die Wunder Christi seine Lehre, sie sind vielmehr Thaten, worin er dieselbe heilige und errettende Liebe ausprägt, die alle seine Worte durchweht; an jener Weltverkllirung gemessen, die er zu vollbringen verheißt, sind die Wunder, die er in den Tagen seines Fleisches gethan hat, im höchften Sinne naturgemäße Anfänge, worin der Keim derselben hervorzubrechen beginnt: Matth. 1·2, 28 f. (Riggenbach.) IIL v. 29—34. (§. 31.) von de: Schuie geh: Jesus: mitdenJnngern in Simonie ijaimdessen Skhwiegers mutter liegt hart an: Fieber· darnieder nnd wird ge- heilt; am Kiiend erfolgt dann norh die Heilung vieler Kranken und Besessenen. Sagt. ilnattlx s, 14—17; rat. 4, 38—41.) 29. Und sie sJesus und die Jiinger, so viel ihrer bis jetzt sich um ihn gesammelt hatten V. 16 ff] gingen bald [nachdem das Wunder V. 23 ff. ge- schehen] aus der Schule und kamen in das Haus Simonis und sseinen Bruders] Andreas sMatth 8, 15 Anm., es kam also der HErr dahin in Be- gleitung der beiden eben genannten HaUswirtheL mit Jakob-i sdem AeItereriJ und Johanna sit. Und die Schwieger [-mutter] Simonie lag szu Bett] und hatte das Fieber [und zwar ein 453 »h»kes« Fieber List« 4- 3815 und alsbald [da sie ja kurz vorher seine Macht zu helfen so fichtlich er- fahren hatten] sagten sie ihni von ihr [und baten ihn für sie]. 31. Und er trat zu ihr san das Krankenlagerj und richtete sie auf, nnd hielt sals er das that, dem Fieber gebot und sie aufrichtete] sie bei det Hand; nnd das Fieber Verließ sie bald [so daß die Gene- sung nicht allmälig, sondern aiif der Stelle erfolgte] nnd sie [sofort im Besitz aller ihrer Kräfte] dienete ihnen lindern sie ein Mahl herrichtete]. Auch hier ein dreifaches ,,bald« (V.10. l2. 18. 19. 21. 28) in, schneller Folge: sogleich in’s Haus: V. 29, sogleich zur Sache: V. 30, sogleich geheilt: V. 31. (P. Lange) Es ist, als ob, wohin er kommt, alles Uebel fliehen müsse. (Klostermann.) 32. Am Abend aber, da die Sonne unter- gegaugen [und nunmehr der Sabbath V. 21 zu Ende] war, brachten sie sdie Leute in KapernaiimJ zu ihm allerlei Kranke und Vesessene kdenn früher wagten sie das nicht zu thun, weil sie noch von den pharisäischen Satzungen, die auch folcheLiebes- werte an den Noihleidenden für den Sabbath nicht. gestatteten Joh. 5, 16., befangen waren]. 33. Und die ganze Stadt versammelte sich vor der Thier sdes Hauses V. 29, um es mit anzusehen, wenn Jesus die Heilungen oollziehen würde] 34. Und er half vielen Kranken sfooiel ihrer zu ihm gebracht wurden], die mit mancherlei Sen- chen beladen waren sdenn kein Leiden war ihm zu schwer, das er nicht hätte beseitigen könnenL Und trieb viel Teufel aus [so daß alle die Besessenety die man ihm zufiihrte, wieder gesund wurdens Und ließ die Teufel lwelche beim Ausfahren auch so sprechen wollten, wie der in V. 241 nicht reden; denn sie kannten ihn [daß er wäre Christus, der Sohn Gottes Las. 4, 41., er aber wollte das Zeugniß aus solchem Munde nicht haben]. Wenn wir des Markus Evangelium im Zusammen- hang durchlesen, so tritt uns aus demselben wie aus keinem andern ergreifend entgegen, welchen mächtigen Eindruck Jesus machte allen, die ihn sahen und hörten, welches steigende Aufsehen er erregte, mochte es auch in Wenigen bis zum rechten Glauben an den Sohn Gottes reifen, bis endlich die wachsende Feindfchaft ihm den Tod bereitete, woraus er dann, als Sieger aus dem Grab erstanden, in seinen Jüngern den Unglauben liber- wand und sie ttichtig machte, als feine Zeugen auszu- gehen, begleitet von den Thatbeweisen der ihnen er- theilten Wundermacht — durchgängig dasselbe Augen- merk auf die Kraft-thaten, die für die Herrlichkeit des Sohnes Gottes zeugeir. So erzählt er Schla auf Schlag, reiht in schlichtester Einfalt eine Geschi te an die andere, wie Kinder erzählen, mit dem einfachen »Und« oder mit seinem andern Lieblingsworte ,,alsbald«, welches sich bei ihm allein so manchmal findet, als im ganzen übrigen neuen Testament zusammen. Bei dieser Weine kann er einmal einen· kurzen Abriß hinwerfem woru er eine Reihe von Zügen zu Einem Bilde zu- sammenfaßt (V. 9-—13); häufiger aber ist das Umge- 454 Evangelium Marci l, 35 -——45. 2, 1—4. kehrte, daß er die Erzählungen, die wir bei den Andern kürzer finden, mit lebendigen Einzelzügen bereichern von denen mehr als einer den Petrus betrifft. (Riggenbach.) IV. b. 35—39. (§. 32.) Schon in der ersten Frühe des nächsten Morgens hat Jesus aus dem hause und der Stadt siih hinaus in eine Ginöde begeben zum Gebet; als die Sänger ihn daher bei dem neuen Lindrung des Doollies beim Zlnbruch des Tages nicht zu hause finden, eilen sie ihm nach, um ihn zurfikti zu rufen; er aber verläßt mit ihnen eint-ernannt, um auf einige Zeit eine Wanderung durch das galiläische tuergland zu unternehmen nnd auth anderwärts das Evangelium zu predigen. (togt. Many. 4, 23—-25; thun. 4, 42—44.) 35. Und des sank-ern] Morgens vor Tage sda es noch sehr dunkel war] stund er aus und ging hinaus saus dem Hauses— Und Jesus ging saußerhalb der Stadt Kapernaum] in eine wiiste [d. i. einsame] Stätte [vgl. V. 45] und betete daselbst [auf sein weiteres Werk V. 39 sich vorbereitends 36. Und Petrus mit denen, die bei ihm waren [mit seinen Genossen Andreas, Jacobus und Johannes V. 29], eileten [als sie bei Anbruch des Tages seine Abwesenheit inne geworden] ihm nach sweil bereits wieder das Volk mit Kranken und Besessenen sich vor dem Hause versammelte und seine Hilfe begehrte] 37. Und da sie ihn [nach längerem Suchen endlich] fanden, sprachen sie zu ihm: Jedermann suchet dich fdarnm eile und komm nach Hause] 38. Und er sdieses ihr Ansinnen zuriickweisend] sprach zu ihnen: Laßt uns [statt nach Hause, viel- mehr] in die nächsten Städte sin die Ortschaften der umliegenden Gegend] gehen, daß ich daselbst auch predigt; denn dazu [und nicht, um einer einzelnen Stadt blos zum leiblichen Helfer für ihre Kranken zu dienen] bin ich kommen [ausgegangen vom Vater und gekommen in die Welt Joh. 16, 27 f.]. II. Und et« lstch auch alsbald mit ihnen von Kapernaum hinwegbegebend ohne sich von dem Volke aufhalten zu lassen Luk. 4, 42] predigie swähreiid der nächstfolgenden Wochen] in ihren [der Städte nnd Märkte] Schuleu in ganz Galilcia und trieb die Teufel aus. Jesus hat sich in der Einöde zu dein zweiten großen Anlauf vorbereitet; es gilt die geistige Erweckuug nnd Eroberung des galiläischen Landes. (P.Lange.) Lehrer, die Christi Nachfolger sein wollen, müssen die Früh- stunden wohl in Acht nehmen, und sie sonderlich zum Gebet und Stndiren anwenden: Sir. 39, I ff. fStarkeJ Es ist gut, daß man frühmorgens lasse das Gebet das Erste nnd Abends das Letzte sein, und hüte sich mit Fleiß vor diesen falschen, betriiglichen Gedanken, die da sagen: Harre ein wenig, über eine Stunde will ich beten; ich muß dies oder das zuvor fertigen! Denn mit solchen Gedanken kömmt man vom Gebet in die Geschäfte, die halten und umfangen dann einen, daß aus dem Gebet des Tages nichts wird. (Lnther.) V. v. 40——45. (§. 41.) on« hierin: icon-ne St. make-is, indem er uns eine Gruppe von gewaltigen Thaten des zween, die einen tiefen Eindruck machten auf alle, welrhe ihn sahen nnd hörten, nnd alles voll; an seine Person fesselte, genau an die geschichtliche jieitfolge halten; jetzt aber, wo er ohnedies an einem neuen Zeit— abschuilt in der galiläisiijen Wirksamkeit hehr, greift er ans dieseni diejenige Krafithat heraus, die an die bis— herige Gruppe als ein füustes verwandten Stätte siih einschließt, nnd erzählt uns von der Heilung des Jlussäizigem (d1gl.-Matth.8,1—4; Knie. 5, 12—16.) 40. Und es kam zu ihm [als er überein Vierteljahr später vom Berge, auf welchem er eine lange Predigt gehalten Kap. 3, 13 ff.,»herabstieg, bei der nächstgelegenen Stadt] ein Aussagigetz der bat ihn [indem er schon bei seinem Daherkommen ihn anrief], knieete [dann, als er sich bis dicht an ihn, ja vielleicht sogar in das Haus, in welches er ging, hinein gewagt hatte] vor ihm und sprach zu ihm: Willst du, so kannst du mich wohl reinigen. 41. Und es jammerte Jesnm sdas Elend des Mannes, das ihn so unmittelbar in seine Nähe trieb, statt daß er sich von ihm hätte fern halten so»llen 3·Mos. 13, 45], »und reckte die Hand»aus, ruhrete ihn an und sprach: Jch tvill’s thun swas du bittesiL sei gereiniget · 42. Und als er so sprach, ging der Aussatz alsbald Von ihm ldem Manne Pf. W, 9; Jes. 63, 1], und er ward rein. 43. Und Jesus bedrciuete ihn [etwa mit den Worten: Nun fort!] und trieb ihn alsbald [mit Geberdew die das Wort begleiteten] von sich, . 44. Uud sprach zu ihm: Siehe zu, daß· du niemand [oon dem, was mit dir geschehen] nichts [Ys. 140, 11 Anna] sagest, sondern gehe hin und zeige dich dem Priester: sdieses Bezirks] und opfere [wenn nun dieser dich als rein befunden, in Jeru- salem] für deine. Reinigung, was Moses sit: Z. M. 14, 10 ff] geboten hat, zum Zeugniß über sie [die dortigen Priester, dich als rein nun auch gesetzlich zu beglaubigen]. Man beachte das eigenthtimliche Schildern des Marias, welcher darstellt, wie Jesus mit sehr angelegetip lichem Eifer die Entfernung des Geheilten wollte und betrieb. Auch daß die Heilung in einem Hause geschah, wie ans dem: ,,er trieb ihn hinaus« (Lnther: »von sich«) hervorgeht, ist dem Markus eigenthiimlich; zwar war den Aussätzigen der Eintritt in ein Haus untersagt, aber der Trieb zu Jesu und dessen Hilfe ließ den Kranken die Schranke des Gesetzes dnrchbrechem woher auch das eilige und heftige Benehmen Iesu erklärlich ist. tållieyerh Die das Gesetz durchbrechende Hilflosigkein der Aussätzige dringt in’s Haus, wie der Gichtbrtichige durch das Dach (Kap. 2, 4), die Sünderin (Luk. 7, 36 ss.) an den Tisch des Pharisäers (P. Lange) Der Erlöses: hat durch seine Berührung des Aussätzigen den Bann, der ihn von dem menschlichen Verkehr ausschied, aufgehoben. (Schleiermacher.) 45. Er aber, da er hinaus kam svor das, wohl in der Nähe der Stadt, nicht in dieser selbst befindliche Haus], hub er [der vorhin es besser verstanden, zu glauben und zu bitten, als er jetzt es oerstund, sich zu bezähmen und zu gehorchenj an und sagte viel davon und machte die Geschichte Jesu Wanderung dnrch das galiläische Bergland und Heilung eines Ansfätzigen rnchtbar sbei allen Leuten]; also, daß er [Jesus] hinfort nicht mehr swie er eigentlich sich vorge- nommen] konnte dfsentlich in die Stadt gehen snicht sowohl ans Besorgniß vor vermehrtem Auflauf, vielmehr weil die Berührung mit dem Ausfätzigen ihn nach dem Gesetz für eine Zeitlang unrein ge- macht zn haben schien nnd er keine Verstörung durch levitische Skrupel in die Gemeindeoerhältnifse der Stadt bringen wollte], sondern er war haußen in den wüsten Oertetn [in WüstenstrichenL und sie sihrerseits sich nicht an den Umstand jener Berüh- rung kehrendJ kamen [während der sieben Tage, da er sozusagen Quarantaine hielt Z. Mos. 13, 4; Luk. 5, te] zu ihm von allen Enden. Der Mensch war rein geworden, aber Jesus hatte ihn im Schwunge des Erbarmens berührt, da er noch nicht rein war; und dies konnte die levitifche Satzung so -deuten, er habe sich an ihm verunreinigt. Aber eben darum , weil es scheinen konnte, als sei er unrein ge- worden nach der Satzung, während der Attssätzige rein geworden war, mußte dieser nun von ihm "zuriicktret·en; er trieb ihn von sich mit einem lebhaften Affekt, indem er ihm einfchärfte, er solle wohl beachten, daß er keinem irgend etwas davon sage, wie er ihn geheilt habe, sou- dern hingeben, sich dem Priester zeigen nnd das von Mose verordnete Reinigungsopfer bringen, um die ge- setzliche Beglaubigung seiner wiedererlangten Reinigung zu erhalten. Allein der Geheilte übertrat die Verord- nung; er ging von ihm und verkllndigte in der Stadt, was ihm ·eschehen war, verkiindigte viel und zu viel davon, wahrscheinlich erzählte er also auch von der Ve- riihrung, welche stattgefunden hatte, was zur Folge hatte, daß der HErr, um den gesetzlichen Geist des Volkes zu schonen, eine Einöde aufsuchte und seine Zeit dem ein- samen Gebetsleben widmete. —- Jnwiefern schließt Markus das Gemälde des ersten Auftretens Christi mit der Heilung des Aussätzigen ab? Diese Geschichte ist l) ein Zeugnis; daß er in die Leidensgemeinschaft mit den Sündern eintritt, um für sie zu leiden, und in so- fern ein Vorzeichen des Endesx «2) bezeichnet sie sein Verhältniß zur Satzung, deren Anstöße nun im Folgen- den hervortreten. (P. Lange) Der geschichtlichen Zeit: folge nach schließt sich an diesen Aufenthalt in der Ein- öde das Wort in Kuh. 3, 20 an: »Und sie kamen zu Hause« (d. i. nach Kapernaum); hier sollte denn, wie zu Matth. 12, 22 auseinandergesetzt worden, ein Punktum stehen, und chronologifch folgt nun die Begebenheit mit dem Hauptmann von Kapernaum, St. Markus läßt aber nach seinem Plane eine andere Geschichte folgen. Das L. Kapitel. Rom cgiohtbriichigetu Matthäi Beruf, und Christi Verantwortung wider« die Pharisäer» I. la. 1——l2. (§. 36.) Es folgt eine zweite Gruppe von siiuf zusatumengehdrigen Begebenheiten. Sollte die vorige Gruppe (Kap.1,14—45) den Anfang des öffent- lichen Wirkens Jesn im Unterschiede von dem des Tau· ferg alH einen wesentlichen Fortschritt vom dltederen zum höheren charaltterisiren nnd die schnelle Größe, so— wie die Art der ltlopularitätz zu welcher der Htkrr tu folge solchen wirken:- gelangte, verauschanlichettz so werden la dieser nun solche Erzählungen zusammengestellt, 455 aus denen die Esststehtcng nnd Ausbildung der Oppo- sitiougsiellnng zur Anschauung kommt, welcheitn dlnterschiede von der Menge die religiösen Weiter de- votlen die Schriftgelehrlrn und Pharisäer, mehr und mehr gegen Iesum eiuuahnten Den Anfang bildet da die Geschichte vom Giclttlsrüchigen (d1gl. Matth I, 1—— s; Latr. Z, 17—-26.) s 1. Und über etliche Tage ging er wiederum gen Kapcrnaum [geuats.er: Und er ging einstmals wieder, wie das so seine Gewohnheit war, wenn er diese seine Stadt für einige Zeit verlassen hatte, in Kapcrnaum hinein nach etlichen Tagen, die er anderwärts zugebracht], und es ward swie das auch sonsi immer gleich bei seiner Rückkehr geschah] ruchtbar sin der Stadt) daß er im Hause [eigentlich: in das Hans hinein gegangen oder zu Hause angekommen] war. Der Wortlaut unsrer deutschen Bibel beruht auf dem Mißverständniß, als wäre hier die Rückkehr von dem Ausfluge in Kap. 2, 38 ss. gemeint; es ist aber ganz unmöglich, daß der Evangelist mit den ,,etlichen Tagen« die Zeit der gewiß nicht allzulangen Abwesenheit Jesu, während welcher er in den nächsten Städten predigte, gemeint haben sollte, da unter den Schristgelehrten in V. 6 sich nach Luk.5,17 solche befinden, die »aus allen Märkten in Galiltia und Judtia und von Jerusalem« eigens nach Kapernaum gekommen sind, um mit dem HErrn anzubinden, also schon manches sich begeben haben muß, was zu einer förmlichen Organisation der Feindschaft und Nachstellung gegen ihn Veranlassung gegeben, während bei jenem Aussluge er nur erst den Leuten näher bekannt ward (Matth. 4, 24 f.). Vielmehr ist schon daraus, daß in allen 5 Stücken der hier vor- liegenden Gruppe der Schriftgelehrten und Pha- risäer Erwähnung geschiehtz ohne daß diese dazwischen auch einmal außer Betracht blieben, ersichtlich, daß der Evangelist Gefchichtem die auf sie Beziehung haben, zu- sammenstellen will; er hat den Anfang der Feind- schaft der religiösen Volksführer in’s Auge gefaßt, nachdem er vorhin den Anfang des großen Erfolgs der Wirksamkeit Christi in Galiläa geschildert, und läßt nun diese Feindschast sich vor unsern Augen bis zu eigentlicher T odfeindfchaft entwickeln. 2. Und alsbald versammelten sich viele szu ihm im Mittelranm seines nur einstöckigen Wohn- hauses, um ihn zu hören], also, daß» sie nicht Raum hatten, auch draußen vor der Thore [in der Vorhalle]; und er sagte ihnen das Wort [predigend vom Reiche Gottes] Z. Und es kamen etliche [die] zu ihm [wollten], die brachten einen Gichtbrnchigem von vieren [auf einem Ruhebett] getragen. 4. Und da sie [auf dem ordentlichen Wege- zur Hauothür herein] nicht konnten bei ihn kommen vordem Volk sdas in dicht geschlossener Menge die Hausthür umringte], deckten fle [auf der Treppe, die von der Straße her auf das Haus führte Matth. 24, 17., emporsteigend] das Dach auf sttber der Stelle] da er war, und grubend sdurch Wegnahme der Ziegel oder Fliesen Luk b, 191 atlf nnd ließen [an Seiten] das Bette sbis zu seinen Füßen] hernieder, da der Gichtbritchige inne lag. 456 Evangelium Marci 2, 5——17. Z. Da aber Jesus ihren [in so außerordent- licher Weise sich Bahn brechenden] Glauben sahe,’«· sprach er zu dem Gichtbrüchigen [der, am meisten von Glaube « und Heilsverlangen entzündet, wohl der eigentliche Anordner des Wagstticks gewesen war und jetzt, von Schrecken vor der Mafestät dessen, dem er nun in die Augen sah, erfüllt, vor allem einer Hilfe für seine Seele bedurfte Matth. 9, 2 Am. 3]: Mein Sohn, deine Sünden find dir vergeben. b. Es waren aber etliche Schristgelehrteu svou der Sekte der Pharisäer List. 5, 21], die saßen allda [mit unter denen, die Jesum im Hause umgaben und seiner Predigt zuhöreten] und ge- dachten sieht, wo er jenes Wort an den Kranken richtete] in ihrem Herzen: J. Wie redet dieser kein gewöhnlichey nicht einmal mit einem geisilichen Amt in Israel be- traueter Mensch] solche [Worte, wie sie nur Gott zustehen? begeht er nicht damit, daß er so in Gottes Piajestätsrechte eingreift, eine] Gotleslaste- rang? wer kann Sande vergeben , denn allem Gott?"«· V) Der Weg, den die Träger wählten, ging auf das platte Dach, zu welchem man unmittelbar von der Straße, vielleicht über die Dächer von Nachbarhäufern hinweg, gelangen konnte. Entweder bestand nun das Haus blos aus dem Erdgeschoß, oder der HErr war auf dem Söller, d. h. im oberen Stock, jedenfalls eben unmittelbar unter dem Dach; das Erstere empfiehlt sich als das Natürlichere, auch der in V. 2 beschrtebenen Situation Angemesfenere, wo es heißt: so daß auch der Raum vor der Thür nicht mehr reichte, keine Menfchen mehr faßte, was darauf führt, den Volkshaufen auf der Straße vor dem Hause znfammengeströmt zu denken. Das aus ausgelegten platten Ziegeln bestehende oder mit Estrich belegte, jedenfalls leicht gebaute Dach wurde nun von den Trägern so weit ausgedeckt, und wo es mit Bauschutt oder Erdreich überdeckt war, ausgegraben, als es nöthig war, um den Kranken zwischen den Dachbalken erab zu lassen vor Jesu Füße. Nicht ohne Grund eißt es deshalb bei allen drei Evangelistent da Jesus »ihren« Glauben sah, nicht blos den des Gichtbrüchigem sondern auch den der Träger; denn nur ein festes Ver- trauen zu Jesu Helfermacht konnte solchen Liebeseiser entzünden. (v. Burgen) i— VI) Jesus spricht zu dem Kranken vor allen Dingen nicht ein Wort der Leibes- Heilung, wie es die Sehnfucht erwartete, sondern ein Wort, das durch den Aufschub der Hilfe den Glauben pritfte und durch Gewährung der Hilfe für den schwer- sten Schaden das tiefste Verlangen der Seele hervorrief und stiklte; so wenig aber die Genesung eine rechte Hilfe wäre, wenn ihr nicht die Vergebung voranginge, so wenig wäre das volle Heil vollbracht, wenn nicht endlich auch aus dem Leibeselend ein Triumph gemacht würde, wie es hernach V. 11f. vorbildlich an dem Lahmen ge- schiehea Jn der vollen Heilung muß beides beisammen sein, sowie auch auf Seiten des Elends Sünde und Sold der Sünde zusammenhängem (Riggenbach.) VII) Die Liturgie des Gesetzes kannte eine priesterlich vermittelte Reinsprechung z. B. des Anssätzigen (Kap. 1, 44), aber keine priesterlich vermittelte Lossprechung von Sünden; überhaupt kannte das Judenthum keinen menschlich vermittelten Abfolutionsakr Jesaias wird (Kap. S) durch einen Seraph, und Josua, der Hohe- prtester, durch einen Engel Gottes absolvirt (Sach. 3); aber in beiden prophetischen Gestchten ist es ein gött- ltcher Auftrag, den die himmlischen Geister vollziehen, denn Sündenvergeben ist ein ausschließliches Vorrecht Gottes, und wenn irgend eine Creatur die andere ihrer Sünden quitt und ledig spricht, kann fte es nicht in selbsteigener Machtvollkommenheit sondern nur vermöge göttlichenVevollmächtigung (Delitzfch.) Das Wort Jefu an den Gtchtbrüchigen könnte auch so verstanden werden, Jesus wolle die Ver ebung nur bezeugen, nicht von sich aus spenden; a er die Weise, wie er hernach dem Verdachte begegnet, als sei von ihm eine Lästerung ge- schehen, beweist, daß er nicht als Propbet, sondern als Richter das Wort will gefprochen haben, sonst hätte er nun reden müssen von der Macht —- nicht zum Ver- geben aus Erd en· sondern zum Bezeugen der Ver- gebung, die im Hirt-me! gefchehen. »Aus Erden« fügt er hinzu, nicht um das Vergehen auf der Erde dem im Himmel entgegenzustellem was hier zwecklos wäre, fon- dern um zu sagen, daß statt an Lästerung zu denken die Schristgelehrten vielmehr sich freuen sollten über das endliche Ertönen des Vergebungswortes bei den schuld- beladenen Menschen. (Geß.) 8. Und Jesus [der da wußte, was im Men- schen war, und nicht bedurfte, daß irgend ein An: derer oder auch die eigene Miene und Geberde Zeugniß gäbe von einem Menschen Joh. L, 251 erkannte baldsin seinem Geist, daß sie also gedachten bei sich selbst, nnd sprach zuzihnenx Was gedeutet ihr solches iu euren Herzen [ohne mir erst Zeit zu lassen, mein Wort als ein Wort voll Wahrheit und Gotteskrast an dem Gichtbrüchigen zu bewähren]? 9. lJndem denn diese Bewährung jetzt ge- schehen soll durch ein zweites Wort, das ich dem ersten folgen lasse, da bedenket:] Welches ist [im Urtheil der Menschen, die nur nach äußeren, sicht- und greifbaren Thatsachen entscheiden können, im vorliegenden Falle] leichter, zu dem Giehtbrüchigen zu sagen swie ich vorhin gethan]: Dir sind deine Sünden vergeben; oder kzu ihm sagen, wie ich jetzt will thun]: Siehe ans, nimm dein Bette und wandele? [auf menschlichem Standpunkte ist doch jedenfalls dies zweite Wort das schwerere, weil keiner sonst es sprechen kann, als der im Vollbesitz göttlicher Machtvollkommenheit steht.] 10- Auf daß ihr aber [wenn nun, wie ich jetzt fprechen werde, also auch vor euren Augen ge- schtehet] wisset ldaraus fchließen möget], daß [der, den ihreinen Gotteslästerer gescholten, vielmehr] des Menschen Sohn [Matth. 8, 20 u. 16, 13 Anm. ist, und dieser vor allen Dingen auch] Macht hat, zu vergeben die Sünden ans Erden, sprach er [von der Ankündigung seines nunmehrigen Worts sofort zum Aussprechen desselben übergehend, ohne den angesangenen Redesatz zu vollenden] zu dem Gikhtbrüchigem 11. Ich sage dir, stehe [in Kraft der neuen Gesundheit, die ich dir hiermit verIeiheJ aus, nimm dein Velie [das zuvor dich genommen und hierher Heilung des Gichtbrüchigem Berufung des Matthäns und das Zöllnerntahl 457 getragen hat] und gehe [als einer, der wieder ge- wisse Tritte thun kann mit seinen Füßen] heim. 12. Und alsbald sdas zu ihm gefprochene Wort mit zuverstchtltchem Glauben erfassend] stund er auf, nahm sein Bette swie ihm geheißen war] und ging lunter Lobpreisung Gottes Las. 5, 25] hinaus [zur ordentlichen Hausthür] vor allen [mitten durch sie hindurchlz also, daß sie sich alle fdie das Wunderwerk vor ihren eigenen Augen sich hatten vollziehen sehen, auch die SchriftgeIehrteUJ entseyten [von tiefer Ehrfurcht vor dem, der es mit seinem Wort ausgerichtet, ergriffen] Und prei- seten swenigstens die aus dem Volk, die nicht, wie die Schriftgelehrtem sich muthwillens verhärteten] Gott [der solche Macht den Menschen gegeben« Matth. s, 8], und sprachen leiner zu dem andern]: Wir haben solches fwie heute geschehen, wo die Gottesmajestät dieses Jesu von Nazareth uns so sichtlich unter die Augen getreten wäre] noch nie gesehen. » Während in Kalt. I, 40 ff. Jesus den Gehetlten lediglich zur Beobachtung der altgewohnten heil. Ord- nung des israelitischen Landes anweift und in dieselbe entläßt, ohne Von einem Danke gegen ihn selbst außer und neben dem gegen Gott etwas wissen zu wollen, als habe er nichts Sonderliches bei der Genesung des Kranken gethan, gefchieht hier die Heilung in einer solchen Weise, daß sie lediglich als Bewährung einer Macht erscheint, die Jesum Gott gleich stellt, und daß sie von Jesu ausdrücklich als Beweis dafür ausgegeben wird, daß er in Bezug auf Slindenvergebung auf der Erde eine Stellung habe, die neben der Vollmacht Gottes im Himmel von den Menschen anerkannt sein will. Mit der Stellung, die St. Markus diesem Stück dadurch gegeben, daß er es an die Spitze des zweiten Abfchnitts seiner Erzählungen gesetzt hat, war ihm da- ran gelegen, besonders das scharf hervorzuheben, daß es hier noch eine lediglich innere und innerlich blei- bende Erregung des Aergers ist, zu welcher die Leiter des Volks durch das anspruchsvolle Auftreten Jesu ge- trieben wurden, nnd daß es Jesus sich hat angelegen sein lassen, gleich im ersten Beginn durch thatsächliche Ueberführung von der Wahrheit seiner Aussprljche dem Anstoß seinen Grund zu nehmen und einem Wachsthum jenes unberechtigten Aergers vorzubeugen. (Kloftermann.) II. v. 13—17. (§. 37a.) die hie: folgend: akzayumg vou der Berufung deø juatthäue oder Eevi und dem Zällnermahl in seinem Haufe entfpritht der ge— fchichtlichen jteitfolgq aber sie steht atuh in einem, dem Plane, den St. Marku- befolgt, entsprechenden Zusam- menhange mit der vorhin erzählten Begebenheit: Dort war den Schriftgelehrten Sefn Wort aastößig über die ihm zusleheude Idollmamt der Säudenvergebung doch wagteu sie nicht, nachdem erdafselbe mit einer Wunder— that alg wahrhaftig bewiesen, eg vom dienen anzugreifenz da meinen sie nun hier iu seiner Lebensweise einen ge- rechten Grund zu dem Vorwurf herausgefunden zu haben, daß dieser sein blmgang mit öffentlich gebraudmarlkten Leuten sitt) nicht vertrage mit der heil. Macht, die er für feine person in Anspruch nehme, und wagen sich mit ihrem Bedenken weuigueng an die Sänger. Wie aber dort durrh die rechte That Jesus verhinderte, daß ihre· tteschuldiguug der Gotteslästerung weiter um Ich grifftz fo hatte er hier rasch das-rechte Wort zur Hand, um ihr Bedenken als uichtig und verkehrt ZU ktwkklklh ehe die uede in den Herzen der Sänger Musik! laß«- (Vgl. Jlskluttls I, 9—13; Eule. Z, 27——32.) 13. Und er ging [einige Tage nach dem in V« 1 ff« erzählten Vorfall] wiederum kwie in Kap. I, 16., aus der Stadt Kapernaum über den— Fischerort Bethsaidaj hinaus an das Meer; und alles Volk [das immer, wenn er fich öffentlich zeigte, sich an ihn anschIoßL kam fauch dies Mal] zu ihm, und er lehrete sie sfchon auf dem Wege, noch mehr aber wollte er das thun draußen am Seegestade]. 14. Und da Jesus [bei dem Zuge dahin auch an »der Zollstütth die wohl dicht am Meere lag] vorubergiug, sahe er Lebt, den Sohn Alphclh am Zoll sitzen nnd sprach zu ihm seinem inneren Herzensverlaugen desselben Matth. 9, 9 Anm. 4 entgegenkommend]: Folge mir nach [als einer, dem ich hiermit eine Stelle in der Zahl meiner Jüuger auweise]. Und er [Levi, oder wie er als Apvstel hieß, ManPäUSJ stund auf fseinen bis- herigen Erwerb für immer verlassend] und folgte ihm nach [so daß er noch an diesem Tage der Predigt am Meere beiwohnte]. 15. Und es begab sich, da er [am andern Tage, an welchen: Levi seinen bisherigen Berufs- genossen ein Abschiedsmahl gab] zu Tische saß in stillem sdes Levil Hause, setzten sich viel Zbllner und Sunder [denn beides galt für gleichbedeutend be; den Juden] zu Tische mit Jesu und seinen Jungeru Denn ihrer [der schlechtweg für »Situ- der« geachteten Zöllnerj war viel, die ihm [als Liebhaber und heilsbegierige ZUhörerJ nachfolgeten sund sich freueten, daß sie ihn hier einmal eigens in ihrer Mitte haben konnten] Its. Und die Schriftgelehrten und Pharisäer sdes Orts,.denen wohl die aus Judäa und, Jeru- salem V. 6 bei ihrer Heimkehr besondere Instruk- tion ertheilt hatten, wie ste stch aufs Lauern und Beobachten legen sollten, und die denn das auch pisvkllich befvkglezll da sie sahen, daß er mit den Zollnern und Suuderu aß [und nach aufgehobeuer Tafel schon vor der Thür des Hauses warteten, um ihre Sache»an den Mann zu bringen], sprachen sie zu seinen Jnngern sbei ihrem Heraustreten aus dem Hause]: Warum skümmert sich euer Meister so gar nicht um die, die doch für die Frommen und Gerechten in Israel gelten, daß er es mit denen halte- ·und] isset und trinket er [dagegen] mit den Zbllnern und Sündern lwodurch er ja sich nur in ein übles Licht jiellt]? 17·". Da das Jesus [der eben hinzu kam, als die Jünger, von jene also angesprochen, um eine geeignete Antwort in Verlegenheit sich be- fanden] hörete, sprach et zu ihnen lden Fragern]: Die Starken bedürfen keines Arztes, sondern die 458 Evangelium Marci 2, 18—23. g Kranken. Jch bin kommen zu rufen den Sundetn zur Buße, und nicht den Ge- rechten [vgl. die Erklärung zu Matth 9, 12 f., wo der HErr auch das Wort Hof. S, 6 seiner Rede einflicht]. Daß die Gesunden des Arztes nicht bedürfen, sondern die Kranken, ist der voraugestellte Grundsatz; daß der HErr in der Stelle des Arztes steht, ist die deutliche, wenn auch nicht ausgesprochene Voraussetzung; aus ihr folgt, wie thöricht es ist, dem Arzte den Ver- kehr mit Kranken zum Vorwurf zu machen. Es ist da- mit nicht zugestanden, daß sie Gesunde seien, sondern nur gezeigt, wie grundlos ihr Tadel sei, selbst wenn sie es wären; auch wenn ihr Dünkel, in dem. sie sich für solche hielten, berechtigt wäre, wären sie mit ihrem Tadel doch im Unrecht —- aber er itt nicht berechtigt, das zeigt der Spruch aus Hosen, den ållkarkus wegläßt, wie durchgehends die Beziehung auf das alte Testa- ment. (v. Burgen) Wer die Liebe nicht hat, kann nicht begreifen , was ein Anderer aus Liebe zu des Nächsten Seligkeit thut. (Quesnel.) Jesus erklärt mit diesem Worte aus dem Propheten seinen Umgang mit Zöllnern und Sündern, und daß er sich zu diesen Unwissenden und Verwahrloseten herablasse für ein Werk der Barm- herzigkeit, also für eine Ausübung des ersten, des königlichen Gebots der Liebe, und bezeugt damit seine Gewißheit, daß diese Gefetzeserfüllung seinem himmlischen Vater angenehmer sei, als Opfer oder als die strenge, kalte Erfüllung des Gesetzes in Werken und Gebräuchen, wobei man von dem Sinne Gottes, von der Hauptsache des Gesetzes, der Liebe, entfernt bleibe. Darauf sagt er, was er vorher bildlich ausgedrückt hatte, nun noch einmal mit eigentlichen Worten; die er vorhin die Starken oder Gesunden nannte, die nennt er nun die Frommen oder Gerechten, und die er vorhin Kranke nannte, nennt er nun die Sünder, und was dort Hei- lung und Genesung war, das ist hier Buße, Gemüths- änderung, Aenderung und Besserung des Sinnes und Lebens. (Menken.) Ill. v. 18——22. (§. 371).) du derselbe« Zeit, ja iu unmittelbarer Verbindung mit der vorigen Gesehichte begab sieh noch eine andere, die hier ganz an ihrer Stelle ist; das ist die Frage der Sohanuiøjüugey welchen alsbald die Pharisäer als Bundesgenossen sieh zugesehen: warum Jesus seine Jüuger nicht die uhari- — säisehe sauern-Ordnung beobachten lasse? (dgl.«tdiatth. 9, 14 —17; Eule. b, 33——Z9.) is. Und [um zum näheren Verständnis; einer, mit der vorhin erzählten Begebenheit in unmittel- barer Verbindung stehenden andern eine Bemerkung oorauszuschickeuJ die Jünger Johauuis [die seit der Einkerkerung ihres Meisters Kap. 1, 14 sich noch viel mehr als früher einer strengen Lebensweise be- fleißigten] und sebeuso die Jüugerj der Pharisäer [die in Uebung der äußeren Werke der Frömmigkeit oft ihren Lehrherrn es noch zuvor thun wollteu] fasteieu viel lund hatten gerade an jenem Tage, an welchem Jesus mit seinen Jüngern an dem Gastmahl des Levi Theil genommen V. 15, etwa an einem Montag Matth. 9, 18 Anm., wieder einen solchen Fastentags Und es kamen etliche szunächst von den Jüngern Johauuis Matth. 9, 14., denen aber sofort die noch zur Stelle befindlichen Pharisäer Veistand leisteteu Luk. 5, 33], die sprachen zu ihm [anders als die Schriftgelehrtexi und Pharisäer in V. 16., unmittelbar an Jesum selber mit ihrem Vorwurf sich tvendend]: Warum fasten [wir] die Junger Johanns» und [gleich·er- weise wie wir, die] der Pharifaey und deme Junger smit dir, ihrem Meister] fasten nicht? sdu solltest doch wohl besser zu einer ernsten, ent- haltsamen Lebensweise sie auleiten und sie nicht so über das, was ein frommer, heiliger Wandel er- fordert, sich hinwegsetzen lassen] Die Lebensweise unsers HErrn war nicht in der Form nnd nach dem Zuschnitt pharisäifcher Heiligkeit; es war in seinem Wandel keine knechtische Aengsilichkeitz sondern eine edle, kindliche Freiheit, jedoch so, daß er nie den mindesteu gegründeten Anlaß gab zu glauben, sein Leben sei ein sadducäischer Wandel nach eigenen Lüften. Nur einmal lesen wir von ihm, daß er, und zwar eine lange Zeit, faftete (Matth. 4, 2), vor seinem öffentlichen Austritt vor dem Volk, und das so, daß es auch seine Freunde nicht wußten. Er gebot seinen Jüngern au nicht, daß oder wie oft sie fasten sollten, setzte aber voraus (Matth. 6, 16 ff.), daß sie je zu- weilen fasten würden, und überließ die Sache ihrem Bedürfniß Er hielt sehr hoch auf Einsamkeit und Stilley zur Stärkung u11d Erhebung des Geistes, und war oft allein, von allen ElJienschen fern, um ungestört beten zu können (Kap. 1, 35. 45; Z, 13 u. s. w.); dann aber kehrte er wieder in die Gefellschaft der Menschen zurück und machte alsdann keinen ängstlichen Unterschied zwischen heiligen und unheiligen Menfchen, daß er die letzteren ganz von seinem Umgange ausgeschlossen hätte, sondern gab sich mit dem Sinn der Liebe Gottes allen hin, die durch die Ftigung seines himmlischen Vaters zu ihm kamen, und suchte die Verirrten zurecht zu bringen und allen zu helfen, so viel sie der Hilfe be- dürftig und fähig waren. (Menken.) Fasten ist wohl gut; aber ein Verdienst daraus machen, oder auch die Gewissen damit befchwerem ist wider die christliche Frei- heit. —— Es ist ein geiftlicher Stolz, wenn man in Dingen, die Gott unsrer Freiheit überlassen, begehrt, daß ein Audrer seine Frömmigkeit nach der unsrigen einrichten solle. (Cramer.) 19. Und Jesus sprach zu ihnen: »Wie können die Hochzeitleute fasten, diewetl der Brauttgam bei ihnen ist? Alsolauge der Brautigam bei ihnen ist fund sie ein Herz voll eitel Freude in sich trageu], können sie nicht fasten ldenn das würde sich schlecht zu ihrer inneren Herzensstimmung reimen) »20. Es wird aber die Zeit kommen, daß der Vrautigam von ihnen genommen wird; dann wer- den sie [von ihrer Traurigkeit dazu getrieben, von selber] fasten lohne daß es ihnen jemand zu ge- bieten braucht]. In der Antwort Jesu treten zwei Gesichtspunkte hervor: das Fasten kann zunächst angesehen werden als ein allgemein menschlicher, natürlicher Ausdruck der Herzensbetrübtheiy in diesem Sinne können auch seine Jünger vom Fasten nicht ausgenommen sein. Aber da dieses Fasten nur da Grund hat und nattirlich ist, wo ein Trauerfall das Herz betrübt hat, und es andrerseits eiten giebt, wo allein helle und lautere Freude natür- lich und berechtigt ist, so fragt es sich, ob die Jünger Jesn als solche, d. h. als Genossen Jesu aus' seiner Frage der Johannisjünger wegen der pharisäischen Fastenordnung 459 Wanderung und bei seiner Verkündigung , Grund zur Trauer oder zur Freude haben; und da steht Jesus nicht an, die Zeit des unmittelbaren persönlichen Um- gangs mit ihm als eine Zeit lanterer Freude zu be- zeichnen und als möglichen Grund der Trauer für feinen Iüngerkreis allein das Aufhören dieses Umganges mit ihm zu benennen. Denn sein Thun ist nichts anderes als Herrichten der höchsten Freude, und da das Theil- haben an seinem Thnn ihnen die gewisse Aussicht der Theilnahme an der herzurichtenden Freude verbürgt, so kann damit Trauer nicht zusammen bestehen; diese wird erst da eintreten, wo es durch seine gewaltsame Entfer- nung scheint, als ob es mit der gehosften Zurichtung der Freude und so auch mit der Theilnahme an der- selben für seine Jiinger vorbei sei auf immer. (Am Schlnß des 20. Verses folgt noch der Zusatz: ,,an jenem Tage«, den aber unsre deutsche Bibel wegge- lassen; gleichwohl ist er nicht überflüssig, denn während das »dann« nur auf die Zeit sich bezieht, wo Jesus wird von seinen Jüngern genommen sein, soll durch das ,,an jenem Tage« dem Slliißverstäiidiiiß vorgebeugt werden, als ob die ganze Zeit, wo die Jllnger die persönliche Nähe Jesu entbehren müssen, eine Zeit lauterer Trauer sei, das ift vielmehr nur der Tag, an welchem die Hin- wegnahme eintritt, ohne daß ihnen das Verbleiben des Hinweggenommenen kund geworden, also die Zeit zwi- schen Tod und Auferstehung) Aber es ist auch noch ein zweiter Gesichtspunkt, unter dem der HErr das Fasten betrachtet, sofern nämlich Fastenübuugen charakte- ristische Bestandtheile der Gemeinsitte jener engeren, von Anhängern des Johannes und den Pharisäern gebildeten Kreise waren die sich die Pflege des religiösen Lebens zur sonderliihen Ausgabe gesetzt hatten. Sofern nun auch Jesus einen Kreis von Jüngern um sich hat, mit dem er es auf Pflege des religiösen Lebens in sonderlicher Weise abgesehen hat, ist die Frage nach dem Fasten seiner Jünger zugleich eine Frage nach dem Verhältnisse des« Zweckes, für welchen er eine besondere Genossenschaft gemeinsamen Lebens um sich sammelt, zu demjenigen Ziele, welches jene längst bestehenden Ge- nossenschaften anstrebein Wenn diese Jefu anmuthen, in seinem Kreise dieselbe Lebenssitte mit ihnen zu pflegen, so beanspruchen sie oder setzen sie voraus, daß er nichts anstrebe, als was auch sie wollen, nichts über die Ziele jener Kreise Hinausliegendes Nach dieser Seite erledigt Jesus die Frage in den beiden folgenden Versen. 21. Niemand slickt einen Lappen von neuem Tuch an ein altes Kleid; denn der neue Lappe reißt doch Vom am«- Und d« Riß Wird W« lv. n 23—28. (§. 50.) während di: drei erste» Seins« legt. die Erklärung zu Matth 9, 16 u.»17]. 22. Und niemand sasset Most in»alte Schlciuchez anders zerreißt »der Most die·Schlaukl)e, und der Wein wird verschutteh und die Schlaiiche konzmen um. Sondern man soll Most in neue Schlauche fassen [so werden beide mit einander behalten: der Wein durch die Schläncha nnd diese durch den Weins Der Anmnthung und Voraussetzung, aus welcher die Frage in V. 18 bei den Fragestellern entsprungen ist, ent- spricht aus Jesu Seite der Anspruch nnd die Voraus- setzung, welche den beiden Bildern zu Grunde liegt, nämlich daß er etwas absolut Neues mit der Bildung seines Jüngerkreises will und seht, ein neues Gewand, einen neuen Trank — eine neue Lebensgestalt, einen neuen Lebensgeist für sein Volk bereitet er in feinen Jüngern zu. Ist nun der Sinn des ersten Bildes (V. U) der, daß wer ein altes Kleid mit ungewalktem Tuche ausbessern will» thöricht handelt, sofern er das alte Kleid ganz mit dem neuen Stoffe verdirbt, aus dem er doch ein neues hätte gewinnen können, und der des zweiten (V. 22), daß der den neuen Wein, den er gewonnen, übel verwahrt, der ihn in alte Schläuche stillt, so will Jesus hiermit sagen, daß er für die Vlöße seines Volkes srhlecht sorgen würde, wenn er nur dazu Jünger um sich sammelte, um demselben seine verdorbene Lebens- gestalt durch Ansbesserung an diesem oder jenem einzel- nen Punkte zu erhalten, während er in ihnen den Stoff hat, eine von Grund aus neue und dauerhafte herzu- stellen, und daß er für die neue Lebenskraft, welche sein Jüuerkreis von ihm erhält, schlecht sorgen würde, wenn er die Selbstbethätignng derselben in ihr fremde, ans einem ganz anderen Geiste hervorgegangene Formen einzwängen wollte. Jn dem letzteren Satze liegt der Anspruch, daß die Gemeinschaft mit ihm einen absolut neuen Geist wirke, uud in dem ersteren, daß durch seine persönliche Gemeinschaft die zu ihm Gehörigen ein Bil- dungsstoff werden, welcher die Welt erneuert. Eine Lebeusmacht ist mit seiner Person in die Welt getreten, der die Zukunft gehört, die, statt in alten Formen sich auszuwirketn vielmehr den Beruf hat, selbst alles neu zu gestalten. sKlostermannJ Zuerst machten die Asceten dem HErrn die Zumuthung, er solle sein Zeug, seine Geistesweise, als Mittel dazu hergeben, um ihr altes »» Lebensgewand zu flicken; wenn er aber auch diese Zu- « muthuiig ablehnte, wenn er also nicht das Judenthum als solches reformiren wollte mit seinem Christenthuny so konnte dennoch die Beschwerde wiederkehrt-en, sie konnte eine mildere Gestalt annehmen, man konnte erwarten, daß» er wenigstens sein Leben, das Chriftenthum, in den jüdischen Formen, z. B. des Fastens und des astetischen Prophetenthums der pharisäischen Satzung oder des klerikalischen Priesterthums darstelle. Allein auch diese Zumuthung verwirft er, und dazu bedient er sich des zweiten Gleichxiisses indem er z1igleich seinen Gedanken über das Verhältnis? des Neuen zum Alten weiter in ihm entwickelt. (P. Lange.) Das erste Gleichniß geht auf die objektive Lehre Christi; diese, will er sagen, kann nicht mit den alten Satzungen des Pharisäismus ver- bunden werden, dazu hat sie einen zu reinen, freien Geist; es würde nur eine elende Flickerei. Das zweite Gleichniß dagegen geht auf die Subjekte, die die Lehre ausnehmen sollten, auf die subjektive Empfänglichkeit der Schüler: die Pharisäer waren zu verdorben, als daß sie hätten die Lehre Christi aufnehmen können, zu ver- säuert; Christus hatte auch keinen Schüler aus der pha- risäischen Schule, nur ein noch unverbildetes, unbefan- genes Herz ift empfänglich für Wahrheit. (Heubner.) dieser Gruppe auch die chronologisehe Reihenfolge inne- hielten, greift das vorliegende in eine bedeutend spätere Brit hinüber; aus dem September des I. 28 werden wir nun schon in die Osierzeit des I. 29 versetzt mit der Geschichte vom Kehtenranfeii der Sänger an einen! S abb ath. (vgl. imatth 12,1——8; Eule. 6,1—5·) 23. Und es liegab stch 17 Monat späte-J, da [besser:v daß] er svon der Schule zu Chorazin aus, nach Beschluß des Gottesdienstes] wandelte am Sabbath [genaner: an den Sabbathen, d. i. am Wochensabbath der Osterzeih dem ein Festsabbath vorausgegangen war und ein solcher auch wieder folgte] durch die [der Ernte schon eUtgegeUgereifteJ Saat [an den auf ihn lauernden Pharisäern vor- über) Und feine Jünger [die bis jetzt noch nüchtern geblieben und daher hungrig waren] singen an, indem sie szwischen den, auf beiden Seiten mit » 460 Evangelium Marci 2 , 24—28. Z, 1——7. ihren Halmen in den Weg hängenden Getreide- feldern hindurch-] gingen, fnach dem Recht, welches das Gefetz in b. Mos. 23, 25 ihnen gab] Aehreu auszuraufen [rieben sie nun mit den Händen und stillten von den so gewonnenen Körnern als einem von Gott selbst ihnen dargebotenen Nahrungsmittel ihren Hunger) Dadurch, daß der Evangelist die Erzählung mit einer ausführlichen Angabe über Ort und Gelegenheit eröffnet, giebt er zu erkennen, daß, wenn die vorangegangenen Stücke nachdieser Seite enger unter einander verknüpft find, dieses gar keinen zeitlichen Zusammenhang mit dem vorigen habe; es kann also nur die sachliche Zusammen- gehörigkeit sein, die ihn bewogen hat, dasselbe hierher zu stellen. Wie passend er es aber gerade hierher geftellh liegt auf der Hand. Den Argwohn vermeintlicher Läste- rung, welcher sich in dem Stücke: V. 1—12 in seinen Gegnern regte, hatte Jesus durch die Heilungsthat widerlegt und zerstört; desto mehr Recht meinten die Pharisäer zu haben, seine Lebenssitten bedenklich zu fin- den, seinen Umgang , das äußere Benehmen seiner Jungen Und während sie nun in dem Stück: V. 13—17 in den Jüngern Bedenken und Argwohn über den Ver- kehr ihres Meisters mit übel bertichtigten Leuten zu er- regen versuchen, treten sie in dem folgenden (V. 18—22) schon an Jesum selbst heran — zwar dem äußeren An- schein nach mit einer gegen die Jünger gehenden Miß- billigung des so sehr gegen den Ton der ähnlichen Kreise abstechenden ungebundenen Lebens in seiner Unt- ebung, aber in Wirklichkeit, um ihm selbst Mangel an Zeiligem Ernst und Strenge vorzuwerfen. Jn dem vorliegenden Stück haben sie denn schon etwas gefunden, was, wenn es nicht grobe Uebertretung eines ausdrück- lichen Gebots war, doch an einen Sabbathsbruch nahe anstreifte. Sie rügen das freilich nicht an ihm selbst, sondern an seinen Jüngern; aber er antwortet ihnen so darauf, als ob das Sabbathsgesetz wirklich und von ihm selbst übertreten wäre, und leitet zur Verantwor- tung aus der Bedeutung seiner Person Grundsätze her, die ihnen auss Gewisseste verhingen, daß sie auch ihn selbst über kurz oder lang auf einem Sabbathsbruch (nach ihrer Meinung) ertappen würden. Und so schließt sich denn passend als Gipfelpunkt dieser, mit Kap. 2 er- . öffneten Reihe der folgende Abschnitt (Kap.3, 1ff.) an, in welchem wir die Pharisäer auf offenen Sabbaths- bruch von Seiten Jesu selber warten sehen. (Kloftermann.) Christus hat niemals Wunder gethan, in Hungers-noth sich und seine Jtjnger zu speisen, um ihnen zu zeigen, sie sollten ohne Noth keine außerordentlichen Wege suchen und sich des Nächsten Noth mehr als ihre eigene zu Herzen gehen lassen; er selber hungert, da seine Jünger essen, um damit zu zeigen, ein Meister, Oberer und Vorgesetzter müsse vollkommener als seine Jünger sein. (O«uesnel.) 24. Und die Pharisäer [dies bemerkend, mit ihrem schon in Bereitfchaft gehaltenen Vorwurf so- gleich bei der Hand] sprachen zu ihm: Siehe zu, was thuii deine Jiinger am Sabbath, das swecm auch sonst ganz erlaubt, doch am Sabbath] nicht recht ist? , 25. Und er [das Recht des Hungers« an sei- neu Jüngern vertheidigendj sprach zu ihnen: Habt ihr nie lin 1. Sam. 21, s] gelesen, was David that, da es ihm noth war und ihn hungerte, sammt denen, die bei ihm waren? 26. Wie er ging in das Haus Gottes, zur Zeit Absatharsz des Hoheupriesters, und aß die Schaubrody die lnach s. Mos 24, 9] niemand durfte essen, denn die Priester, und er gab sie [weil es eben um einen Nothfall sich handelte, gegen welchen ein Gebot des Cerimonialgesetzes zurückstehen müssej auch denen, die bei ihm waren [ohne alles Bedenken, als verleite er sie damit zu einem Bruch des Gefetzess Eigentlich hieß der damalige Hohepriester Ahimei lech (1. Sam. 21, 9 ff.); derselbe wurde bald nachher in Folge Von Doeg’s Verrätherei durch Saul ermordet nnd sein, allein aus dem Blutbade entronnener Sohn Abjathar kam zur hohepriesterlichen Würde. Dieser, der dann in Davids Geschichte eine so bedeutende Rolle spielte (1. Sam. L, 31 Anm.), war wohl schon damals, als David auf seiner Flucht nach Nobe zum Hohepriester Ahimelech kam, derjenige, der es beim Vater vermittelte, daß demselben die Sehaubrode ausgeliefert wurden; und daß Gott ihn nachher dein Blutbade entrinnen und zur hohepriesterlichen Würde gelangen ließ, darin lag Reichsam eine Gutheißung dessen, was er zu Davids ettung gethan, so daß es viel bezeichnender ist, wenn der HErr ihn statt seines Vaters Ahimelech nennt, kei- neswegs aber, wie 1nanche Ausleger behaupten, auf einem Gedäehtuißfehler beruht. Die jüdische Tradition kannte mancherlei Ergänzungen der heil. Geschichte (vgl. Apostg 7 u. 2. Tim. Z, 8), und es gehörte zur Schriftgelehrsams seit, an geeigneter Stelle hiervon Gebrauch zu macheu. 27. Und et lnach einigen andern Ausfpriichein die er dem hier angeführten noch zusügte Matth 12- 5——7] sprach zu ihnen Deine Lehre über das Sabbathsgebot für die neutestamentliche Zeit in eine Summa zusammenfassendp Der Sabbath ist um des Menschen willen gemacht, und nicht der Mensch um des Sabbaths willen; 28. So ist des Menschen Sohn ein Herr ainh des Sabbaths [Matth. 12, 8; Luk. S, 5]. »Der Sabbath ist um des Menschen willen gemacht, und nicht der Mensch um des Sabbaths willen«: das ist die Lebensidee des Sabbaths, er soll den Menschen in seinem höheren Lebensbedürfniß ficher stellen, schützen und schirmen gegen einen, das innere Leben gefährdenden und die höhere Weihe und Würde des Menschenlebens überhaupt verletzenden Werk- und Frohndienst; und weil der Sabbath diese Bestimmung hat, so kann man das Sabbathgesetz nicht gegen die schreiende Noth, gegen den Hunger oder gegen das Heilungsbediirfniß des leidenden Menschen geltend machen, weil man gerade damit eine Aengstlichkeit, Quälerei und Lebensverstörung, einen subtilen Frohndienst erzeugt, welcher am Ende schlimmer wäre als der grobe Frohndienst Auf diese Weise würde man den Menschen opfern, um den Sabbath zu retten; so würde man eben den Sabbath in seiner eigentlichsten Bestimmung zu Grunde richten, indem man dem Menschen aus einem Freudentag einen Tag der Qual in tausend peinichen Observanzen, am Ende gar einen Tag des Verhungerns und des hoff- nungslosen Nothleidens machtr. (P. Lange) Also nicht um des Tages willen darf der evangelische Christ auf den Sabbath dringen, wohl aber um der Anbetung willen, die er in der Gemeinde dem HErrn darzubringen begehrt, und um der Brüder willen, die wie er des Ruhetags für« Leib und Seele bedürfen; und als eine Verkümmeriizig der Liebe zum HErrn und als eine Aehrenrausen der Jiinger am Sabbath. Heilung der oerdorrten Hand. Feindschaft der Pharisäersp 461 Beeinträchtigung der Gemeinde, besonders aber der ge- ringen und wehrlosen Brüder, muß ei: es beklagen, wenn immer mehr die Sitte, alle Tage gleich unheilig zu halten, mit weltlichem Treiben den Ruhetag über- sluthet. (Riggenbach.) Das Z. Kapitel. » Ifon der oerdocreteii Hand, Christi Flucht, Mahl der Apostel, der schristgeletjrten Läsierunip Hottes Freunden. V. n. 1——12. (§. 51.) Gleichwie chkouoiogisag so schließt auch pragmatisch (i11.23 Blum) an die vorige Geschichte die hier folgende aufs Giigste sich an: am andern Tage heiltslesiig in der Inwieweit-Stadt, bei welcher dar-Iehren- rausen der Jiinger geschehen war, den Mann mit der iierdorreten Hand, und die Feindschaft der dortigen Pharisäer steigert sich nun schon zu einer solchen, daß man darauf sinnt, wie man ihn um’s Leben dringen könne, und in solcher Kbsicht mit jherodis Dienern, obwohl man zu diesen sonst auf lieineni guten Fuße stand, sich ver— bündet. (togl. odlatth IS, 9——21; Wirte. b, 6——11.) 1. Und er ging [des andern Tages, des letzten Festtags der Osierzeit, der einem Sabbath gleich stund] abermal in die Schule szu Chorazins Und es war da soielleicht absichtlich von den Pharisäern dort aufgestellt, vgl. Luk. 14, L] ein Mensch, der hatte eine verdorrete Hand sdte in Folge eines Ungliicksfalls ihm so abgestorben und unbrauchbar geworden war]. 2. Und sie sdurch das Wort in Kap. 2, 27 keineswegs zu rechter Erkenntnis; der eigentlichen Bedeutung des Sabbaths gebracht, sondern durch das andere Kp. 2, 28 vielmehr in dem Argwohn be- festigt, daß Jesus überhaupt kein Sabbathsgebot mehr ivolle gelten lassen] hielten auf ihn smit arg- listigen feindseliger»Beobachtung], ob er auch [heute, als] am Sabbath ihn» heilen wurde, aus daß sie eine Sache zu ihm hatten sderetwegeii sie ihm des Sabbathsbriichs anklagen könnten; denn das war nach ihrer Meinung selbst die Heilung eines Kranken, wenn sie an diesem Tage geschah, weil sie ja eine Art Arbeit in sich schließe]. Das Besuchen der Synagoge am Sabbath war eine feste Sitte im Leben Jesu; wo er sich aushielt, da konnte man ihn am Sabbath in der Synagoge erwarten. Seine Feinde unterließeii nicht, diese Sitte seines Lebens feindselig zu benutzen und es zu veranstaltet» daß er in der Synagoge Veranlassung finde, etwas zu reden oder zu thun, das man gegen ihn möge gebrauchen können. (Menken.) Z. Und er [nachdem er die Widersacher schon durch eine oorläufige Ansprache außer Fassung ge- bracht Maith.12, 12 Arm] sprach zu dem Men- schen mit der verdorreten Hand: Tritt hervor [hier- her in die Mitte des Zimmerss 4. Und er sprach swetterj zu ihnen: Soll man am Sabbath Gutes thun, oder Böses thun seinem Menschen wohl thun oder wehe]? das Leben erhalten [indem man dem, der krank und elend ist, wieder zur Gesundheit verhilft, wenn man’s kann], oder tödten [indem man einen solchen noch länger in seinem Elend beläßt]? Sie aber schwiegen stille [weil sie nicht antworten wollten]. 5. Und er sahe sie umher an mit Zorn, und war betrübt über ihrem verstockten Herzen, und ssich gar nicht daran kehrend, was sein Wort und Werk auf ihrer Seite für Folgen haben würde] sprach [er] zu dem Menschen: Strecke deine Hand ans. Und er [der Mensch, dem Worte mit gläu- bigem Gehorsam begegnend] streckte sie aus; Und die Hand ward ihm gesund, wie die andere. Am vorigen Sabbath wurde das Werk der Noth gerechtfertigt nnd begründet, an dem gegenwärtigen rechtfertigt und begründet der HEcr das Werk der Lieb e. (P. Lange.) Die Pharisäer prooocirteii Jesum mit der Frage, ob es erlaubt sei, am Sabbath zu heilen; Jesus thut die Gegenfrage, ob es am Sabbath erlaubt sei, wohlzuthun oder wehezuthun? denn einen Menschen im Elend belassen, dem man helfen kann, wäre ja in der That ein Wehethnin (Ebrard.) Unter die Kategorie des Gutesthuns, Rechthandelns gehört offenbar die Verhä- tignng der Nächstenliebe, während ihre Unterlassung nur in die Kategorie des Bösesihuns fallen kann, wohin auch die Unterlassungsstinden unzweifelhaft gehören. Aus demselben Gesichtspunkt ist die zweite Alternative gestellt: ein Leben erhalten oder tödten? Sie beweist, wie richtig Luther das 5. Gebot erklärt, wenn er darunter begreift: »daß wir unserm Nächsten an seinem Leibe keinen Schaden noch Leid thun, sondern ihm helfen und fördern in allen Leibesnöthen.« Das letztere unterlassen gehört in die Kategorie des Todtschlags, es üben in die der Lebens- rettung. Die Ordnung des Sabbathsgesetzes kann aber nicht gegen das 5. Gebot sein; diesen Satz: können auch Jesu Gegner nicht leugnen, weil sie ihn aber nicht zu- gestehen wollen, schweigen sie. (v. Burgen) Sie geben ftir jetzt nur die Antwort des trotzigen Schweigens welche bezeugt, daß sie nicht widersprechen dürfen; nach der Heilung dagegen geben sie die weitere Antwort der schändlichen That, daß sie sich erlauben, in Ver- bindung mit der weltlichen Macht zum ersten Mal den Mordplan zu besprechen. (Riggenbach.) b. Und die Pharisäer serbittert über die Nie- derlage, die in ihrem Kampfe wider Jesum ihnen heute noch viel ärger als gestern widerfahren war] gingen» hinaus [aus der Schule], und hielten also- bald einen Rath mit Herodis Dienern [welche da- mals gerade nach Chorazin heriibergekommen waren Many. 12, 14 Anm.] über ihn, wie sie ihn Imit Hilfe des Arms der weltlichen Obrigkeit, gleichviel unter welchem Vormund] umbrachtem 7. Aber Jesus [der nunmehr in das Jahr der Verbannung und fluchtartigen Wallfahrt Matth 12, 21 Am. eintrat] entwich mit seinen Jungern an das Meer [bei Kapernaum, um von hier aus wieder eine Wanderung durch die umliegende Ge- gend anzutreten]; und viel Volks folgte sauf diesem Zuge sowohl, wie auf den anderen, die er in den Sommermoiiaten machte] ihm nach ans Galilaa, und aus Judas, 462 Evangelium Marci Z, 8——20. 8. Und von Jerusalem, nnd aus Jdttmiia sdem siidlichen Theile von Judiia Matth 4, 25 Anm.], nnd von jenseit des Jordan, und die um Thrus und Sidon wohnen, eine große Menge sauf der großen Handelsstraße über Kapernanm hier zusammengeführts die seine Thaten hörten, und faulen zu ihm sAngenzeugen seiner Wunder zu sein nnd bei seinen Seepredigteu seine Zuhörerschaft zu bilden]. 9. Und er sprach zu feinen Jüngern sdie er sich erwählet hatte«V. l3 ff. und von denen nicht wenige ihrem Gewerbe nach Schiffer waren Kap. l, 16 ff.j, daß sie ihm ein Schtfslein hielten sihn aufzunehmen, wenn er von dem Lande sich ent- fernen wollte] um des Volks willen, daß sie ihn nicht drcingeten [Kap. 4, 2]. 10. Denn er hetlete ihrer viele, also, daß ihn iiberfielen stn ungestiimer Weise sich an ihn drängten] alle, [wenigstens] die geplagt waren, auf daß sie ihn anrühreten [und so seine Wundermacht dennoch an sich erfuhren, auch wenn er nicht mit jedem Ein- zelnen verhandeln konnte Kuh. Z, 27 f.; Luk.6, l9]; 11. Und wenn ihn die nnsaubern Geister stn den Besessenery die zu ihm gebracht wurden] sahen, fielen sie vor ihm nieder, schrieen und sprachen: Du bist Gottes Sohn fund vermehrten auch mit solcher ihrer Zudringlichkeit sein Bedrängnißs 12. Und er sweil es ihm nicht schlechthin um dies Wort der Wahrheit, sondern um die Wahr- heit und Lauterkeit des Bekenntnisses zu thun war] bedrciuete sie hart, daß sie ihn nicht offenbar machten ssondern schwiegen]. Das Leben auf dem See, auf dem Uferschiff, das jetzt feine Hauptlehrstätte war, inc Gegensatz gegen die Synagoge, und das ihm mehr als einmal zum flucht- artigen Rückzug nach dem jenseitigeu Ufer diente, nahm jetzt feinen Anfang; denn der nächste Zweck für die Be- reithaltung des Schiffesr »daß sie ihn nicht drängeten,« schließt den weiteren nicht aus, daß er sich von jetzt an eine freiere Stelluug auf dem Schiffe gab und oft über den See in das jenseitige Gebiet zurilckzog Diese Verlegung der Predigt Christi aus der Synagoge in das Seeschiss aber ift von vorbildlicher Bedeutung — denke an das Schiss der Kirche! (P. Lange.) Das, was Jesus der Feindschaft der Oberen gegen sein Wirken als Gewinn seiner bisherigen Wirksamkeit mit Wort und Werk im Volke gegenüber-setzen kann, das fortwährende Umgebensein von einem zahlreichen bunten Haufen, der ihm überall nachströmtz ist am wenigsten derartig, daß man davon die Sicherheit feines Werkes auch dem Hasse der Pharisäer gegenüber erwarten könnte; denn nur das hat er davon, daß ihn jene Menge mit ihrem Un- gesttim und Trachten nach leiblicher Genesung an Leib und Seele belästigt. Wirklich zutreffende Erkenntnis; seiner Person begegnet ihm nicht, außer bei den Ve- sessenenz aber hier ist sie solcher Art, daß er sie nicht dulden oder anerkennen darf. (Klostermanlt.) I. to. l3——19. (§. 40.) Lin! Schluß des letzten Sinnes der vorigen Gruppe sahen wir Scsnnt etwas thun, um sein tderufswerie äußerlich sowohl gegen die Feindschaft der idolleslriterz welche dasselbe mtt ihren Zlnschlägen auf sein Erben liebte-holen, als auch gegen den uugkstumen Jst-drang der loolltstnenge und namentllth aneh der se— sessenen unter ihr, der ihm das stehen auf dem ttande kaum noch möglich machte, sicher zu stellen: das war die Bereitstellung eines Schiffes fiir ihn, dazu er die Sänger veranlaßte. Aber dieses änßcrlirhr Hilfsmittel war zugleich Weisfagung auf seine Kirche, wodurch er, wenn er schließltrh denn dosh ans Israel Init seinen! Hei! und seinem dkeikhe wtirde hinausgedriiugt werden, sich eine Stätte dafür auf dein Meere der Heidenwelt griinden wollte. In! l. Stirn: der nun folgenden drit· ten Gruppe» sehen wir ihn den Grund dazu legen in der Wahl und Berufung der zwölfKposlel. (vgl. Matth- 5, 1. 10, 2——4; Eule. s, 12—16.) 13. Und er ging snicht erst seht, nach den in den beiden vorigen Abschniiten erzählten Begeben- heiten, sondern bereiis nach den früheren Conflikten mit den Pharisäern Katz. 2, 1—22., welche letztere schon damals anfingen ihn zu lästern Matth I, 27 ff] auf einen Berg Denselben, auf welchem er hernach die Bergpredigt hielt: Seite 55, nnd blieb dort iiber Nacht im Gebet zu Gott Luk. S, l2]., und rief [am andern Morgen aus dem Kreise derer, die bisher seine Jünger im Allgemeinen ge- bildet hatten] zu sich, loelche er wollte; und die gingen hin zu thut ssich willig in den Dienst, zu welchem er sie bestellen nollte, begebend]. 14. Und er ordnete die Sirt-life, daß sie bei ihm sein sollten [so lange er noch auf Erden wäre], und daß er sie aussendete zu predigen swenn er nun würde von hinnen genommen sein], 15. Und daß sie szur Beglaubigung ihres Wirkens an seiner Statt und zur Fortführung sei- ner eigenen, die Predigt des Evangeliums beglei- tenden WUUDerthätigkeitJ Macht hätten die Seuchen zu heilen nnd die Teufel auszutreiben sKap. 6, 7. 13]. Wie wird der HErr, der in Matth 9, 38 zu den Jüngern sagt: ,,bittet den Herrn der Ernte, daß er Arbeiter in seine Ernte sende.« in jener Nacht selbst ge- betet haben, die er vor der wichtigen Wahl der Apostel durchwachtel Denn in der That, es war ein großer Akt, aus seinen freiwilligen Begleitern gerade die passen- den auszuwähletu schlichte Leute, die nicht von Priester- satzungen beherrscht noch durch Gelehrtendünkel angesteckt waren, und dennoch Männer, deren Charakter in srischer Kraft und Lauter-lett, gereinigt durch die Geburt von oben und gekräftigt durch die Ergänzung unter ein- ander mitte st der Verschiedenheit ihrer Gaben, tüchtig wäre, die feste Grundlage der neuen Gemeinde zu bil- den. Denn mit einander bezweckte er das Nächste und zugleich das Fernste; er sorgt fiir taugliche Werkzeuge, die er mit der Botschaft des Heils in Israel könnte ausgehen lassen, je zwei und zwei, damit sie einander untersttitzten und ergänzten und einer am andern den Bruder tragen lernte; in diesem ersten Keim aber schaute das Auge seines Geistes die herrliche Vollendung, wo ste im Reiche seiner Herrlichkeit auf zwölf Stühlen sttzen und richten würden die zwölf Geschlechter Israel-s. Zwischen diesen Polen bewegt stch ihre Sendung: sie sollten seine stetigen Begleiter und Diener sein, in dieser Schule aber herangezogen werden zu brtiderlich ver· bundenen Herolden seines Königreichs und Zeugen seines Lebens. Herolde und Zeugen sollten sie werden, die er einmal als selbstständige Boten in der Kraft des Geistes Wahl und Berufung der 12 Apostel. 463 senden könnte und deren unvergänglich» Beruf durch ihre Zwölfzahl ausgedrückt würde —- der Beruf näm- lich, den neuen Bund auf die Grundlage des alten zu Pflanzen, die Einheit des Werkes Gottes von Anbeginn darzustellen, als neue Erzväter des wahren Israel da- zustehen, als Pfeiler des himmlischen Jerusalems (Ofsb. 21, 14) in Ewigkeit zu glänzen. Das galt ein Beten in jener Nacht, damit dem HErrn die Gewißheit würde (Joh. 15, IS; 17, 12), er habe in Wahrheit diejenigen erwählt, die ihm der Vater gegeben habe. (Riggenbach.) Die Apostel wurden von Jesu erstlich dazu berufen, von nun an ganz in einer persönlichext Gemeinschaft zu ihm zu stehen, mit ihm zu leben, zu essen nnd zu trinken, eine geistliche Familie mit ihm zu bilden und überhaupt immer in feiner Nähe zu sein, nur die kleinen Sen- dnngett in die Nähe abgerechnet, welche sie als Vor- iibungen zu ihrer künftigen großen Gesandtfchaft be- trachten konnten; denn sie sollten zweitens in Zukunft als feine Zeugen , als die Zeugen seines Lebens, seines Todes und seiner Auferstehung, als Zeugen seines Geistes nnd seiner Kraft in der Welt austreten (Apostg. I, 8 u. Z! f.l, zu diesem Zengnisse aber sollten sie den Geist Christi empfangen, und in der Kraft dieses Geistes sollten sie die geschlossene Repräsentantschaft seines Lebens in der Welt, die erste Totalität seiner geistig ewigen Gegenwart in der Welt darftellein Indem sie aber auch schon die jetzige Wirksamkeit Jesu vertreten und verbreiten sollen, giebt ihnen der HErr iu Verbindung mit dem Auftrag, das Evangelium zu predigen, die Macht, die unsauberen Geister auszutreiben und die Kranken zu heilen. (P. Lange) l6. Und [er] gab Simon* sindem er diesen zuerst heran rief] den Namen Petrus [d. i. ein Fels, ihm diesen Namen bei einer späteren Ge- legenheit in seiner Bedeutung auch erklärend Matth 16, 18]; 17. Und srief darnach heran] Jakobuuh den Sohn Zebeday und Johannen den Bruder Jalobiz und gab ihnen den Namen Bnehargein, das ist gesagt koder verdeutschts Dounerskmderztt l8. Und [rief hierauf zu sich] Andream sden Bruder« des. Siinon V. 16], und Philippnu und Bartholomcium [Nathanael], und Matthäum kfrüher Leoi genannt kratz. 2, 14] , und T»homam, und Jakobum, All-hat Sohn, und Thaddaumsttt [oder Lebbäum Mattix 10, Z» auch Judas Jakobi Luk. G, 16 genannt) und Simon von Cana [oder Ze- lotes, den dritten unter seinen Brüdern oder Vettern]; 19. Und Judas Jscharioth der ihn [hernach- mais] verrieih [vgl. die Bem. zu Matth. 10, 4]. III) Während Markus die übrigen Elf als anwesend nnd von der Wahl betroffen ausdrücklich auszahlt, hat er allein den Simon als selbstverftändlich an- wesend gedacht; es geht daraus hervor, daß er Erinne- rungen des Simon Petrus wiedererzählt, wie auch eine Andeutung dafür schon in der eigenthitmlichen Aus- drucksweise in Kap. I, 29 lag. —- ’H«) Man bezieht diesen Beinameu vielfach auf den, in Luk. 9, 54 hervortreten- den Charakter des Feuereifers der beiden Brüder; es ist aber dem Begriff eines neuen Namens widersprechend, daß die beiden einen solchen bei ihrer Wahl zum Apostel- amt sollten empfangen haben, der ihren Fehler gewisser» maßen verewigte, vielmehr steht der Name ,,Donners- kinder«« ganz auf gleicher Stufe mit dem ,,Petrus«, welchen Simon empfängt, und da soll denn der neue Name gewiß den neuen Menschen dieser Söhne des Zebedäus charakteristren oder die neue Natur, die in Christi Jüngerschaft ihnen zu Theil werden wird, ver- sinnbildlichen Man hat sich gewöhnt, den Johannes sich als sehr weich vorzuftellem allein alle seine Schriften beweisen, daß bei aller Receptivität Empfänglichkeit) doch eine große Kraft und Schärfe des Ernstes gegen das— Böse in ihm ruhte: ,,gegen Christum verhielt er sich ganz receptiv-jungfräulich, von Christo erfüllt aber gegen alles Widerchristltche ganz männlich, ja zerschmet- ternd als ein ächter Donners-sehn, der die Kraft von oben stammenden Feuers gegen das Widergöttliche wendete« (vgl. I. Joh. 4, l ff.) —- WSI Es ist letcht begreiflich, daß man den Apostel Judas gern von dem argen Judas unterschied und um so lieber die verschie- denen Beinameu brauchte; auch Johannes (14, 22) hebt es hervor, daß Judas, nicht der Jscharioth, den HErrn gefragt habe. ll. d. 20——35. (§. 53.) mit de: way! de: Hause, m der wir so eben gehört haben, hat der tjtlirr in denen, die fortan beständig bei ihm sein sollten (V. 14), äu) eine getstliche Familie oder Hausgenossenschaft gebildet; nun berithtet der Evangelist mit tlebrrgrhnng nitht nur der Zergpredigtz sondern auch eineg längeren Zeitraums von Es, Jahren (§. 41—52), aus dem et erst später die bedeutsamften Geschichten naajbringen wird Man. is, 7 ff.), nachdem er etliche schon oorweggenommen(Kap.1,40ff.; L, 23 fs.), diejenige Begebenheit, in welche: er diese geistlichc Verwandtschaft auch öffentlich legitimirte und sie geradezu an die Stelle seiner leiblithen Verwandten liebte. Es ist das dieselbe Begebenheit, bei welcher seine leib- lichen Verwandten gemeinschaftltche Sache zu machen schienen mit feinen eigentlichen Todfcindem denn wie. diese von ihm sagten: ,,er hat den seelzebubX so redeten sie von ihm und schritten gegen ihn ein, als sei er einer, der von Sinnen genommen, nnd hatten eg damit wohl verdient, daß er sie in ihrer Eigenschaft als seine Kn- gehörigeu nccleugnete vor drn Leuten und ihnen alle Recht: leililicher Verwandtschaft an ihn abfchnttt (Vgl. ulatth 12, 22—50; Eule. 1l, 14—36.) 20. Und sie sJesus mit den zum Apostelamt bestellten Zwölfen] kamen svom Berge, ausswelchem der HErr nach ihrer Berufung die Bergpredigt Matth. 5, 2-—7. 27; Luk. 6, 20——-49 gehalten, über die Stadt, bei welcher er dann den Ausfätzigen geheilt und hierauf in eine Einöde sich begeben hatte Kap. 1, 41—45] zu Hause [nach Kaperuaum, wo- selbst die Geschichte mit dem Hauptmann sich begab Niatth 8, s—- 13; Luk. 7, I— 10]. Und da srichtigerx Und es] kam saber nicht sowohl bei dieser i Rückkehr, als vielmehr bei der, über 8 Monate später erfolgten, als Jesus nach seiner Entweichung von den Pharisäern V. 7 an das galiläische Meer sich zurückgezogen und eine abermalige Wanderung durch die uinliegende Gegend beendigt hatte Matth. 12, 22 Arm] abermal das Volk zusammen [draußen, am Meeresgestade bei BethsaidaL also daß sie sder HErr mit den Zwölfem vor der wie eine Ein- schließungsmauer sie umgebenden Volksmassej nicht Raum halten sheim nach Kapernaum zu gehen und daselbst] zu essen fihr Minagsbrod einzunehmen, wozu es nun läugst schon Zeit war] 464 Evangelium Marci 3, 21—35. 4, 1—9. 21. Und da es [daheim, in Simons Hause zu Kapernaum] höreten [wie er so draußen förmlich belagert und an der Nachhausekunft verhindert sei], die Um ihn waren [richtiger: die ihm angehörten, seine Haus: oder Familiengenossen — außer Maria und Joses wohl auch die von Nazareth zum Besuch anwesenden Schwestern und deren Männer Matth. 19, 2 Anm.], gingen sie hinaus [an das Meeres: Ufer] nnd wollten ihn halten [gen.: festnehmem mit Gewalt hereinholen]; denn sie sprachen szunächst die Schwägersleute, durch deren Gerede sich aber auch Maria und Joses in ganz unnöthigeSorge bringen ließen]: Er wird von Sinnen kommen [er treibt’s init seiner Vegeisterung für den Pro- phetenberuf zu weit und ist nahe daran, wahnwitzig zu werden Aposig 26, 24]. Den Angehörigen Jesu war die Kunde zu Ohren gekommen, wie über alles Maß er in Anspruch genom- men wurde iind mit welcher fast übermenschlichen An- strengung und Selbstaufopferung er sich den andrängen- den Volksmassen widmete (und sie fanden das bestätigt, da er nicht nach Hause kam zu essen). Dies beiinruhigte sie und erfüllte sie mit einer Besorgniß, die freilich nicht aus dem Glauben kam, desto mehr aber auf Grund ihrer natürlichen Anhänglichkeit und menschlichen Ve- trachtungsweife begreiflich ist swenigstens auf Seiten der Mutter Jesu und des Joses, während bei den übrigen Angehörigen derselbe Grund waltet, der in Joh. 7, 5 zu Tage tritt; wie ansteckend aber eine zunächst aus unlauterem Herzen hervorgegangene Rede oft auf ein- fältige uud arglose Gemüther wirkt und auch diese ver- wirrt, darüber vgl. Joh. 12, 4 ff. u. Matth. 26, 8 f.). In dieser Gemüthserregung machten sie sich auf, gingen hinaus, um ihn mit Gewalt abzuhalten von der auf- reibenden Berufsübung »Von Sinnen sein« ist die starke Bezeichnung eines Verhaltens, welches die Rågeeln sonst üblicher Bezeugung und Thätigkeit und das aß gewöhnlicher Lebensführung überschreitet und der natür- lichen Anschauungsweise unfaßbar ist (2. Cor. 5, 13): so erschien den Angehörigen Jesu sein Thun und Treiben, und darum achten sie sich berufen, ihm Einhalt zu thun. Feindselig ist ihre Absicht nicht (wenn auch auf Seiten derjenigen, von denen die Rede ausgegangen ist, eine gewisse Frivolität sich nicht verkennen läßt); aber eine Wirkung fleischlicher Beschränktheit ift sie, die sich in das Außerordentliche von Jesu Thun nicht zu finden weiß, und die nun durch ein Wort der Bestrafung (V. 33 f.) überwunden werden mußte. (v. Burgen) 22. Die Sehriftgelehrten aber, die sgerade damals, als er so in der angestrengtestenThätigkeit sein Lehr- und Heilswerk ausrichtete, jüngst] von Jerusalem herab kommen waren sum ihn zu be- lauern und einen Klagepunkt wider ihn ausfindig zu machen Matth. 15, I Anm.] sprachen [bei Gelegenheit einer Teufelanstreibung, welche die Verwunderung des Volkes in ganz besonderer Weise erregte und dasselbe Jesum für den Messias erken- nen ließ Matth. 12, 22; Las. II, 14., im Verein mit den einheimischen Pharisäern, ihre Meinung den Leuten in die Ohren flüsternd]: Er hat den Veelzebnb und durch Diesen] den Obersten der Teufel treibt er die Teufel ans« 23. Und er [indem er wohl wußte, was sie so heimlich den Leuten einzureden suchten] rief sie zusammen, nnd sprach zu ihnen in Gleichnissen: Wie kann ein Satan den andern austreiben? v 24. Wenn ein Reich mit ihm selbst unter einander uneins wird, mag es nicht bestehen. 25. Und wenn ein Haus mit ihm selbst unter einander uneins wird, mag es nicht bestehen. 26. Setzt sich» nun der Satan wider sich selbst, und ist mit ihm selbst uneins, so kann er nicht bestehen, sondern es ist aus mit ihm. 27. Es kann niemand einem Starken in sein Haus fallea nnd seinen Hausrath rauben; es sei denn, daß er zuvor den Starken binde, und als- dann sein Haus »bera»iibe.rr » 28. Wahrlich ich sage euch: Alle Sunden werden »der-geben deii Menschenkiziderw auch die Gotteslasternng damit sie Gott lastern. Tit. Wer aber den» heiligen Geist lüstert, der hat keine Vergebung ewiglich, sondern ist schuldig des ewigen Gerichts. 30. [Solcher Sünde der Lästerung des heil. Geistes waren die Schriftgelehrten V. 22 schon sehr nahe getreten]. Denn sie sagten [dem Zeug- iiiß des heil. Geistes zum Trotz, welcher in dem Wunderwerk jener Heilung die Herrlichkeit des Sohnes Gottes als des rechten Messias zu erken- nen triebjx Er hat einen uufauberu Geist. M· «) St. Markus berichtet nicht, auf was für einen einzelnen Anlaß hin die Schriftgelehrten ihren Schritt gethan; offenbar ist es ihm nur darum zu thun, das Urtheil derer, welche im Gegensatz zu denjenigen, die Jesus durch seine, von dem himmlischen Vater geleitete Wahl sich zu seinen Haus- und Berufsgenossen gemacht, von Haus aus ihm zugehörten (V. 21), mit einem an- dern, zwar noch viel schlimmerem aber doch in lgewisfer Verwandtschaft damit stehenden Urtheil in Ver indung zu bringen: wird von den Schriftgelehrten behauptet, daß er ein vom Teufel Besessener sei, der mit des Teufels Macht die Dämonen aus den von diesen Be- sessenen austreibe, so haben ihn ja die leiblich Ver- wandten für einen Wahnwitzigen ausgegeben, der den Verstand verloren habe, und ebenfalls schon einen An- fang damit gemacht, des Menschen Sohn zu lüstern. DER» Bei ihrem Urtheil V. 22 haben die Gegner ganz richtig vorausgesetzt, daß alle Mächte der Finster- niß, die Dämonen in den von ihnen besessenen Men- schen, von einem Oberherren, dem Fürsten der Finstev niß oder Teufel, geleitet und beherrscht werden, dem sie unbedingt Folge leisten müssen; nun ist aber ihr Urtheil selber, welches« einen, Von dem Obersten selbst angeregten und unterstützteii Kampf der ihm Untergebenen Mächte unter einander behauptet, ein offenbarer Widerspruch gegen die eigene Voraussetzung, denn kein auf feine Herrschaft eifersüchtiger Fürst führt die ihm Untergebenen Kräfte gegen einander in’s Feld, er weiß, daß er damit selber der Zerstörer seines Reiches oder Herrschaftsges bietes fein würde. Vielmehr ist auf Grund jener Vor- aussetzung aus der offenkundigen Thatsache, daß hier einer das Haus eines Starken plündern nur allein der Schluß ein vernünftiger und zuliissigey daß der Starke von dem Pliinderer seines Hauses zuvor im Kampfe be- siegt sein müsse; läßt es also Satan geschehen, daß Jesus III. til. 1-—34, Der Schriftgelehrten läsierliche Rede, Jesus treibe die Teufel durch fataiiischen Beistand aus. die von ihni in Beschlag Genommetieu gewaltsam wie eine Beute ihm entreißt, so ist daraus zu entnehmen, daß Jesus dem Satan bereits einen Sieg abgewonnen habe, in Folge dessen er sein Heilandswirken nicht mehr hindern kann. Aus diesem Worte ergiebt sich eine Be- stätigung aus dem eigenen Munde des HErrn, daß eine solche Gefchichte, wie die von den Evangeliften erzählte Versuchung dnrch den Teufel (Kap. I, 12 f.) vorgefallen sein müsse. — TM) Es ist kein Zweifel, daß die Läste- rung Jefu eine Lästerung des heil. Geistes enthalten kann; die gegen feine Person gerichtete Lästernng veran- laßt ja Jesum zu der Warnung vor der Geistesläsieruug. Doch sei es auch möglich, ein Wort zu sagen gegen den Menfchensohn» und Vergebung zu erhalten, also den Menschensohu zu lästern, ohne daß der Geiftgelästert wird: auch hier wieder die sanftniüthigste Ruhe — die menschliche Hülle möge Manchem das innere Wesen dessen verhüllen, den sie schniähen, denkt der HErn (Geß.) 31. Und es kam swährend dieser Verhand- lung mit den Schriftgelehrten] seine Mutter fin der V. 21 angegebenen Besorgniß und Absicht] und seine Bruder, und stunden draußen laußerhalb des ihn umgcbendeti Volkskreisess schickten zu ihm, nnd ließen [durch solche, welche durch die Menge stch hindurchdrängteis ihn rufen. 32. Und das Volk saß um ihn sals die Bot- schaft an ihn gelangte] Und sie swelche dieselbe uberbrachtenJ sprachen » zu ihm: Siehe, deine Mutter und deine Bruder setnige Handschriften fügen hier hinzu: nnd deine Schwestern Kap. 6, Z] draußen fragen nach dir. IF. Und er antwortete ihnen, »und sprach: Wer ist meine Mutter, und meine Bruder? » 34. » Und er sahe rings um sich auf dte Hunger, die um ihn» tm Kreise saßen, und sprach: Siehe, das ist meine Mutter und meine Bruder. »35. Denn wer Gottes Willen thut, der ist mein Bruder, und meine Schwester, und meitte Mutter. « g Für die Jlinger war es keine kleine Versuchung, wenii der, dem sie stch bei ihrer Berufung zu beständigem Dienst ergeben, nun hier theils von denen, die ihm leiblich am nächsten standen und ein scheinbar berechtigte-s Urtheil über· ihn fälleu konnten, fiir einen Wahntvitzigen gehalten, theils von denen, welche von Amtswegeii sein Lehren nnd Wirken zu prüfen hatten, fiir einen vom Teufel Besessenen ausgegeben wird, und sie hätten wohl bedenklich werden können, ob sie klug gehandelt, daß sie seine Sache so ganz zu der ihrigen geniacht haben; das Gegengewicht gegen die Macht dieser Versuchung aber ist die innere geistige Verwandtschaft, in der sie bereits mit »Jesu stehen» Wo eine solche vorhanden, da»läszt auch Ietzt noch kein Gläubiger durch das Geschrei nnd Ge- schreibe der Welt sich irre niachen, sondern ivächfet nur in der Gnade und Erkenntnis; Christi, je ärger dies Geschrei zu toben anfängt. Das 4. Kapitel. Manchercei igleichnifsiz Stillung des ungefiiiiiieii Meeres. (§. 54.) Der Guangelist fährt in thro- uotogifchetii Zusammenhange fort zu erzählen, wie Jefiie DächselW Bibelwerb abermal am Meer das holte gelehrct habe; aber indem er eg thut vom Schiffe aus, wo die Sänger in seiner unmittelbaren dlähe sieh besindetizioährend dag Voll: am dtfer fleht, if! schon äußerlich ein Untersihied aufge- richtet zwischeii denen, die drinnen, und denen, die draußen find, nnd indem er dem Volke allein duroh Gteichnisse das Geheimnis des Keimes Gottes vertiändign den Jüngern aber auch das Verständnis fiir diese Gleich« nisfe öffnet, ihnen zugleich ihren Beruf für die Welt und ihre tinnftige noch weitere Begabung fiir solchen Beruf audeutend, scheidet er auch innerlich in solche, dir « »außerhalb, nnd solche, die innerhalb des Reiches Gottes sikh befinden, und charalitcrisirt jetzt die, welche er ini vorigen Abschnitt als feine Faniilie oder Verwandtschaft bestimmte, als feine Genieiiide oder Kirche. Mal. Matth 13, 1—52; Eule. s, 4——18.) 1. Und er fing [am Nachmittag jenes Tages, an welchem das in Kap. Z, 20 ff. Erzählte pok- gefallen war] abermal an zu lehren am Meer [bei Bethfaida]; und es versammelte sich ssobald seine Anwesenheit daselbst bekannt geworden] viel Volks zu ihm, also, daß er mußte in ein Schiff swelches die Jünger für solche Fälle ihm bereit hielten Kalb. 3,»9] treten, und lin demselben] auf dem Wasser sitzen, und alles Volk stund auf dem Lande am Meer. 2. Und er predtgte ihnen lange durch Gleich- niffe., Und in feiner Prcdigtt sprach er sderen Hanktinhalt in ein Schlußgleichiiiß zusammenfassendj zu i neu: 3. Höret zu, siehe, es ging ein Säcmaun aus zu siieu. 4. Und es begab sich, indem er feine, fiel etliches an den Weg fder längs dem Ackersiücke hinlief1; da kamen die Vögel unter dem Himmel, und fraßen es aus [oder es ward vertreten] Z. Etliches fiel auf das Steiuichte [auf fel- sigen Boden], da es ilicht viel Erde loben über. folchemuntergrundej hatte, nnd ging hald auf, darum, daß es nicht tiefe Erde hatte Uondern leicht an das Tageslicht hervortreten konnte] b. Da nun die Sonne ausging, vcrioelkte es [genaner: ward es gegliihet, litt es von der Hitze], und dieweil es nicht Wurzel hatte, ver- dorrete es. 7. Und etliches fiel uiiter foder in] die Dornen [d. i. auf Land, welches schon Samen voii Dorngebüfch in sich trug], und die Dornen wuchsen empor, und erstickteit es, und es brachte keine Frucht. 8. Und etliches fiel auf ein gut Land, und brachte Frucht, die da zunahm und wuchs; nnd etliches trug dreißigfältig fso daß ein einzelnes Saamenkorn so viel Körner als Ertrag gab], nnd etliches sechszigftiltig, und etliches hundcrtftiltig « [Matth. 13, 9 Anm.]. 9. Und er sprach zu ihnen stiachdeai er das Gleichntß ausgeredeqx Wer Ohren hat zu hören, der höre fund forderte damit zum Nachdenken N. T. I. 30 466 Evangelium Marci 4, 10——26. über dieses Gleichniß auf, zu dessen Anhörung , mit gefpannter Aufmerksamkeit er um der besonderen Wichtigkeit willen mit dem »Höret zu« in V. 3 angeregt hatte]. V) Mit diesem , dem Markus eigenthümlichen Aus- druck (vgl. Kap. 12, 38) wird hervorgehoben, daß das Folgende nur ein beispielsweise mitgetheiltes Stück aus dem Lehrvortrage Jesu sei; und dies wird hernach oben- drein mit einem »Höret zu« eingeleitet, einer das Auf- merken sonderlich in Anspruch nehmenden Aufforderung, als ob eine fchon vorher besprochene Sache nun end- giltig ihren Ausdruck finden sollte. Wir werden nicht fehlgreifen, wenn wir die geflissentliche Angabe, daß Jesus gesondert von der dichtgedrängten Menge seinen Standpunkt gehabt und von dort aus dieser bunten Masse eine und dieselbe Rede aus seinem Munde zuge- ftrömt sei, für eine beabfuhtigte Jllustration zu der folgenden Parabel halten und annehmen, daß eine sin- nende Betrachtung tiber sein augenblickliches Verhältniß zur Menge Jesu diese Rede in den Mund gelegt hat, daß er darin das Wesen feiner Verkündigung, wie er sie augenblicklich vollbringt, hat darsiellen wollen. Jn parabolischey d. i. in indirekter Form drückt er seine Gedanken aus; denn ,,Parabel«, die Vergleichung zweier Dinge, ist im neuen Testament Kunfiausdruck für eine solche Darstellung der Wahrheit, bei welcher das Ge- sagte, weil es dem Hörer so gut bekannt ist, wie dem Redenden, und deshalb in seiner nächsten Gestalt nicht der Zweck der Mittheilung sein kann, an sich selbst dazu treibt, es auf ein anderes Gebiet zu übertragen, um der eigentlichen Meinung des Redenden gewiß zu wer- den. Dieser will nämlich das auf allgemein bekanntem Gebiete Vorkommende auch für ein anderes, das er im Sinne hat, aber nicht der Hörer, als geltend hinstellen, und vollzieht so eine Gleichfetzung, eine ParabeL (Kloftermann.) Mit) Die Reihe der Gleichnisse von dem Himmelreich beginnt mit dem Worte und mit der Geschichte des Glaubens und Unglaubens an dasselbe, wie der Mensch es annimmt oder verwirft, wie er es in Lust und Leid behauptet oder fahren läßt. Wie dasselbe Samenkorn eine ganz andere Geschichte erhält und etwas ganz Anderes wird, je nachdem es entweder auf die Landstraße hinfällt, oder auf den todten, mit wenig Erde überdeckten Stein, oder unter die Dornen hingeworfen, oder in gutes Land ausgesäet wird, so ist auch die Geschichte und Wirkung des Wortes Gottes eine ganz verschiedene nach der, unter diesen Bildern dargetelbten Verschiedenheit des menschlichen Herzens. sMen en.) 10. Und da er [hernach, als er das Volk entlassen hatte] allein war, fragten ihn um dieses Gleichniß, die um ihn waren szu seinen vertrau- teren Schülern außer den eigentlichen Aposteln ge- hvrten], sammt [diesen] den Zwblsen swas der eigentliche Sinn desselben wäre Luk. 8, 9]. 11. Und er sprach zu ihnen: Euch ist es gegeben, das Geheimniß des Reichs Gottes zu wissen; denen aber draußen widerfahrt es alles swas ihnen von diesem Geheimniß mitgetheilt wer- den fis-U] durch Gleichnisfe [in der Verhüllung der parabolischen Lehrform] , 12. Aus daß sie swie in Jes. 6, 9 f. zuvor Verkündigt ist] es mit sehenden Augen sehen, nnd doch nicht erkennen, nnd mit hbrcnden Ohren hören, und doch nicht verstehen; auf daß sie sich nicht [be- vor das in Jes. e, 10 angedeutete Gericht sich ausgewirkt und bis zu Ende vollzogen hat] der- maleins belehren, nnd ihre Snnden ihnen vergeben werden [Matth. 13, 10—15]. Nur in Kap. 3, 9 ff. hat der Evangelist mittelbar angedeutet, inwiesrrn es mit der großen, wundersüchtigen Masse nun fchon so weit gekommen, daß der HErr sie als »die draußen« bezeichnen mußte; indem er dann in Kap. Z, 21 ff. die Seinen in Parallele ftellt zu den offenbaren Widersachern und Lästerern, erweitert er den Kreis dieser Draußenftehenden so weit, daß er im Grunde das ganze Israel umfaßt, welches in seiner Mehrheit ungläubig blieb und mit seinen geistlichen Flihrern ge- meinschaftliche Sache machte, so daß das Reich Gottes von den Juden genommen werden mußte und den Heiden gegeben ward. Die Mutter und Brüder Jesu sind hier ein Abbild derer, die Jesu angehörten nach dem Fleisch (Rb"m. 9, Z) und von denen er sich hat los- sagen müssen, und das Schifflein auf dem Meer ist ein Abbild der Kirche, die mit dem kleinen Rest der Geret- teten aus Israel sich zu den Heiden gewendet hat, wo- bei es außer Betracht bleibt, daß die Mutter und Brü- der hernach doch auch zu diesem kleinen Rest gehörten (Apostg. 1, 13 f.),. Offenbar ist unser Evangelium zu einer Zeit und an einem Ort geschrieben, wo die Zu- stände der Gegenwart zu solcher Betrachtungsweise eine feste Grundlage bildeten. Das »auf daß« in V. 12 ist als Mittelzweck, nicht als Endzweck zu fassen; es handelt sich um ein göttliches Strafurtheil, welches eine erziehliche Bestimmung hat. 13. Und er sprach zu ihnen smit Beziehung auf ihre Bitte um Aufschluß über den Sinn des Gleichnisses von dem einen Samen und dem mancherlei Boden, darauf derselbe siel]: Versteht ihr dieses Gleichniß nicht, wie wollt ihr denn die andern ulle sdie ich weiter gesagt habe Matth. 13, 24——30; Mark. 4, 26 — 29 und künftig noch sprechen werde] verstehen [da euch aber gegeben ist, das Geheimniß des Reichs Gottes zu wissen, wie sollte ich euch die erbetene Deutung vorenthalten wollen]? Die im Zusammenhang liegende und durch Jesum thatsächlich sofort selbst gegebene Antwort auf diese Frage ist: »ich werde sie euch deuten«; dies entspricht ganz dem Inhalt von V. 1l f., denn ihnen ist es gegeben, das Geheimniß des Reiches Gottes zu wissen, nicht so, daß sie ohne Erklärung es fchon von selbst verstehen sollten, sondern so, daß es ihnen erklärt werden muß, während den Andern das nicht widerfährt. Die Frage enthält also nicht einen Tadel der Jünger, wie man vielfach an- genommen und nun den Satz für ganz unpassend aus- gegeben hat, sondern sie bringt ihnen ihr Bedürfniß zum Bewußtsein, erkennt die Nothwendigkeit der Befriedigung an und verspricht dieselbe für diesen wie für alle kom- menden Fälle (V. 34). Das Gleichniß nun, um das es zunächst srch handelt, ist die Grundlage für alle fol- genden: verstehen sie dieses nicht, so werden sie überhaupt keines verstehen, aber mit der Erklärung von diesem ist ihnen der Schlüssel zum Verständniß auch der andern gegeben. 14. Der Sciemann [der in V. 3 gemeint ist] sået das Wort fes ist also ein Prediger des Evan- geliums gemeint, und zwar zunächst der größte und vornehrnste unter ihnen , Christus , der DER. Das Gleichniß vom Säemann und dessen Deutung. 467 15. Diese sind es aber, die an dem Wege sunier dem Samen, der an den Weg siel, zu ver-- stehen] sind [nämlich alle diejenigen Leute Matth -13, 23 Anm.], wo [d. i. in denen] das Wort gesaet wird, und [wann] sie es gehöret haben, so kommt alsobald der Satan, und nimmt weg das Wort, das in ihr Herz gesaet war. 16. Also auch [was den Samen in V. 5 betrifft] die find es, die auf-s Steinichte gesaet find: wenn sie das Wort gehbret haben, nehmen sie es bald mit Freuden auf; 17. Und haben keine Wurzel in ihnen, son- dern sind wetterweudisch; wenn sich Trübsal oder Verfolgung um des Worts willen erhebt, so ärgern sie sich alsobald. 18. Und diese sind esjdie sin dem V. 7 ge- meinten Falle] unter die Dornen gesciet sind, die das Wort hören; 19. Und die Sorge dieser Welt, und derbe- trügliche Reichihum und viele andere Liiste [gen.: die Begierden um die übrigen Dinge oder Begierden anderer Art, als sinnliche Lust, Eitelkeit, Ehrgeiz sc] gehen hinein, und ersticken das Wort, und es bleibt ohne Frucht. 20. Und diese sind es, die sit: dem V. 8 genannten Falle] auf ein gutes Land gesaet sind, die das Wort hbren und nehmen es an und bringen Frucht; etlicher dreißigfciltig, nnd etlicher s8echzigfiiltig, und etlicher hundertfciltig [vgl. zu Luk. 11 15]. « Zweck dieser Parabel ist, darauf hinzuweisen, wel- cherlei Beschaffenheit des menschlichen Gemiiths es be- wirke, daß der Same des göttlichen Worts bei so vielen keine Aufnahme finde oder nicht nachhaltig gedeihe, und was gegentheilig bei dem Menschen erfordert werde, da- mit es Frucht bringen könne; und dabei wird denn als Hemmung fttr das Wort Gottes dreierlei bemerklich ge- macht: n) Stumpfsinn, wo dasselbe gar nicht ver- standen wird,» somit gar nicht zum Herzen kommt, b) Leichtsinn und Mangel an Tiefe, wo es zwar schnell Aufnahme findet, aber der Mensch es eben so leicht fahren läßt, sowie es irgend Aufopfernng.verl»cingt, o) weltlicher Sinn, des: nur auf Irdisches gerichtet ist. (Bleek.) 21. Und er snachdem er so auf dem Heim- wege nach Kapernaum angefangen, ihnen das Verständniß für feine Gleichnisse zu öffnen] sprach zu ihnen ssie über»deii Zweck belehrend, für welcheu er das thnejk Zundet man auch ein Licht an, daß man es unter einen Scheffel [Maith. ö- III]- oder unter einen Tisch sehe fund so feste« Schem verbergep Mit iiichten, sondern daßinau es auf einen Leuchter sehe [wo es allen, die im Hause find oder in das Zimmer hereintreten, leuchtet Luk. 8, 16 s.]. 22. Denn es ist nichts verborgen, das nicht offenbar werde, und ist nichts Hetmliches·, dasuicht hervorkommek [und so seid auch ihr, meine Jungen berufen, das Geheimniß des Reiches Gottes hin- auszutragen in alle Welt, damit es ein aller Welt zugängliches werde Matth. 10, 26]. 23. Wer Ohren hat zu horen, der höre« [und verstehe meinen Willen, wie ihr euch in Betreff der Behandlung der euch mitgetheilten Ge- heimiiisse zu verhalten habt]. « V) Meiner nicht, was ich euch jetzt im Geheimen an- vertraue (indem ich euch die Erkenntnis des Geheim- nisses des Reiches Gottes erschließe), wolle fttr immer verborgen bleiben: ein Licht ist (vielmehr) durch mich in euch angezündet, damit es durch euren Dienst die Finsternisse der ganzer: Welt vertreibe. (Erasmus.) Das Licht, welches ihr von mir empfaiiget, follet ihr nicht Anderen vorenthalten, sondern seine Verbreitung vermitteln; denn wie nichts Verborgenes znrVerbori genheit, sondern zur Offenbartverdung bestimmt ist, so auch das Geheimniß vom Messiasreichm (Meyer.)s «) Dach und Markt stnd die Loge des Freizimmes rers von Nazareth. (Pfenninger.) Gott giebt niemand das Licht seiner Erkenntniß nur zu seinem eigenen, son- dern auch zum gemeinen Nutzen: 1. Cor. 12, 7. (Canstein.) 24. Und set, mit dieser Weisung auch eine Vermahnung tJerbiUdeUdJ sprach zu ihnen: Sehet zu, was ihr horet. Mit welcherlei Maß ihr messeh wird man euch wieder messen [Matth. 7, 2; Luk. S, 38]»; und man wird noch zugeben euch, die ihr dies horet. o 25. Denn wer da hat, dem wird gegeben; und wer nicht hat, von dem wird man nehmen auch das er hat [Matth. 13, 12; 25, 29; List. 8, 18; 19, 26]. Die Ermahnung: ,,Sehet zu, was ihr höret,« hängt aufs Engsie zusammen mit V. 23, der zum richtigen Verständnis und Gebrauch der Sätze in V. 21 u. 22 auffordert. Nicht umsonst will der HErr darauf auf- merksam gemacht haben, daß alles, was jetzt Geheim- niß zwischen ihm und feinen Jüngern ist, dazu bestimmt sei, seiner Zeit offenbar zu werden. »Wer Ohreii hat zu hören, der höre,« setzt er deshalb V. 23 hinzu, d. h. er merke sich, was ich ihm V. 21 f. gesagt habe. Jn einem neuen Absatz der Rede wird dann den Jüngern dies noch deutlicher nahe gelegt; wie wichtig aber das rechte Zusehen und Aufsehen, dazu er ermahnt, fiir sie sei, drückt der Satz aus: ,,mit welchem Maße ihr messet,« nämlich Andern die von euch gewonnene Einsicht nach der Regel von V. 21 f. wieder zumesset, weiter gebet» »wird man euch wieder messen, und man wird euch noch zugeben« —- je mehr ihr mittheilt, desto mehr werdet ihr empfangen, je eifriger ihr verwendet, was euch an- vertrauet ist, desto reichlicher wird euch gegeben werden. Daran schließt sich passend zur weiteren Begründung V. 25 an: nur der hat wirklich, wer auch Gebrauch davon macht; ein nicht verwendeter und nicht dadiirch verwertheter Besitz ist auch kein bleibender. (v.Vurger·) 26. Und er [bei seiner Seepredigt in V. 1 f. den zweiten Theil derselben in das Gleichniß vom Unkraut zwischen dem Weizen: Matth 13, 24-——30., und hierauf den dritten Theil eben- falls in ein Gleichniß zusammenfassend] sprach: Das Reich Gottes hat sich also, als wenn ein Mensch Samen aufs Land wirst, 304 468 Evangelium Marci it, 27—-32. 27. Und schläft, und stehet anf Nacht und Tag, nnd deuSaine gehet auf, und wachsen daß er es nicht weiß; 28. Denn die Erde bringt von ihr selbst zum ersten das· Gras, darnach die Aehren, darnach den vollen Weizen in den Aehren. 2l·). Wenn sie aber die Frucht gebracht hat, »so schickt er bald die Sichel hin, denn die Ernte ist da [vgl. die Erklärung und Auslegung dieses Gleichiiisses hinter Matth. 13, 46.]. Im Folgenden knüpft St. Markus an die beiden Gleichnifse, die er aus der zweiten Seepredigt Jefu mitgetheilt hat (Matth. in Kap. 13, 3——9. 24—30. 47——50 theilt deren drei mit, zwischen das zweite und dritte aber ist das vorstehende bei Markus V. 26 ff. einzufchaltety so daß zusaminen vier Gleithnisfe aus dieser zweiten Predigt fich ergeben), noch ein anderes an, das aber der ersten Seepredigt (Matth. 8, 18 Anm.) angehört; er gewinnt so die heil. Dreizahl, während dagegen St. Matthäus, der ebenfalls beide Predi ten zu einem einzigen Gemälde vereinigt, an die heil. Sie en- zahl sich hält und mit den obigen drei Gleichniffen aus der zweiten Predigt ihrer vier (außer dem folgenden vom Senfkorn noch die drei vom Sauerteig, vom ver- borgenen Schatz im Acker und von der köftlichen Perle) aus der ersten Predigt verwebt. Wir haben, die Gleichnisse der zweiten Predigt bei Matthäris näher besprechend, die der ersten Predigt flir Markns uns auf- gefpart, und beginnen da jetzt mit dem, welches die folgenden Verse (vgl. Matth. II, 81 u. 32; Luk. 13, 18 u. 19) vorlegen: 30. Und er sprach [bei einer früheren Ge- legenheit, vor etwa 8 Monaten, als er auch in der Vsz 1 angegebenen Lage sich befaiid]: Wen! wollen wir das Reich Gottes [in Hinsicht auf die Un- scheinbarkeit seines Beginnens in der Welt nnd dann seine Größe und Allgemeinheit beini weiteren Fortgang und, der fchließlichen Entwickelung] ver- gleichen? Und durch welch Gleichniß wollen wir es vorbilden* [oder darsiellen]? 31. Gleichwie ein Senfkorn [isi dasselbe »in den angedeuteten BeziehungenL wenn das gcsaet wird aufs Land, so ist es das kleinste unter allen Samen auf Erden« [wenigstens von Seiten der Gartengewächfejz 32. Und wenn es gesiiet ist [und einmal aus dem Erdboden heroorgewachfen], so» nimmt es zu, und wird größer, denn alle Kohlkrantey und ge- winnt große Zweige, also, daß die Vogeknnter dem Himmel unter seinem Schatten wohnen kennen. «) Die Zuhörer werden rednerischer Weise mit in die Erwägung herein gezogen, die der HErr anftellt, um ein passendes Gleichniß ftir den auszuprägenden Ge- danken zu finden; es ist das ein Zeichen, daß wir es hier noch mit einer Zeit zu thun haben, wo sich Jesus noch nicht von der Menge, die ihm nachfolgte und sein Wort zu hören begehrte, geschieden und auf seine Jiinger zurtickgezogen hatte, wie in V. 11 f., sondern noch mit allen gleichmäßig verkehrte. und seine Rechnung darauf zu stellen schien, daß sie alle ohne Ausnahme sich wür- den fiir das Himmelreich gewinnen lassen, wo er mit vollem Vertrauen auf ihre Heilsbediirftigkeit und Em- pfänglichkeit fiir die Geheimniffe des Reiches Gottes ihnen entgegenkam. — Eis) Der Senf ist ein schoten- tragendes Stauden Wachs, das theils wild wächst, theils im Orient und S deuropa seines Saniens wegen, der zum Gewürz»»dient, angebaut wird. In Europa wächst er nur bis zu 2 Fuß Höhe, in den heißen Ländern aber fchießt er wirklich, itameutlich unter der Pflege der Gärtner, zu einem kleinen Baum empor, so daß sein Stengel sogar W« Höhe erreicht. Die runden Körner (4--—6 in einer Schon) gelten bei den Juden sprich- wörtlich für das Kleinftg Winzigste (Matth. 17, 20s, und find das wohl auch unter den in der israelitifchen Landwirthschaft vorkommenden San1enkörnern, während Pie wissenschaftliche Botanik allerdings noch viel kleinere e nt n . Unter dem Senfkorn will der HErr nichts anderes als den geringen, unscheinbaren Anfang des Reiches Gottes darstellen; und in der That, die ganze Geschichte des Christenthumsin der Welt und in jedem einzelnen Herzen ist eine volltönende Auslegung dieses Ausspruchs Wie klein Und uns einbar lag , einem Senfkorn gleich, der Same des Rei es Gottes in den Weifsagungen und Vorbereitungen des alten Testameuts verborgen! Als Gott unter dem Baume des Gartens in Gden den ge- falleuen Menschen die erste Verheißungsvom Schlangen- treter gab, wer hätte in dem kleinen armen Wort so roße, segensreiche Folgen ahnen können, als die spätere eit der Erfüllung in »der gefammten Menschheit ver- wirklichte? Viertaufend Jahre liegt das Samenkorn still unter Adams Kindern, zweitausend Jahre unter Abrahams Nachkommen in einem Winkel der Erde, in dem kleinen, unbeachteten, ja verachteten Volke der Juden; die übrigen Nationen wissen und ahnen nichts von den diesem Volke gegebenen einzigen Zusagen und Weifsass gungen, noch von den großen Hoffnungen, welche auch ihnen damit ausgehen würden. Kein Weiser des Alter- thums vermag die Verheißungen zu erforschen, kein Fürst und Mächtiger der Erde vermag sie zu erfiillent dunkel und still gehen sie ihren Gang durch die Jahrhunderte. Die Jahrhunderte vergehen, die Menschengefchlechter wechseln, es ist, als wäre das Samenkorn verwehet und erstorbent da bricht ein Keim hindurch, ein wunderbar herrlicher Keim, der Ersehnte erscheint, die Verheißungen zu erfüllen, Christus wird geboren. Aber wie klein und nnfiheinbar ist wieder dieser ans dem Senfkorn hervorbrechende Keim! In einem armfeligen Stalle, in einer Krippe sogar zu BethlehemJn tiefster Dtirftigkeit begrüßt er das Licht dieser Welt: wer hätte ahnen kön- nen, daß dieses unter solchen Umständen geborene Kind dereinst die Welt erlösen, das Reich Gottes grlinden, den Himmel auf die Erde bringen und die ganze Menschheit erneuern würde? Wohl begeben sich wunderbare Er- eignisse, Zeichen vom Himmel bei feiner Geburt, Engel- stimmen preisen seine Menfchwerdung; aber wie bald sind diese vergessen! wie vergehen die folgenden dreißig Jahre fast ohne die mindeste Kunde von ihm! es ist, als wäre fein Name schon wieder verschollem als ge- hörte er selbst längst schon zu den Verstorbenen. Stiller, verborgenen nnscheinbarey demüthi er konnte kein Leben und Wirken beginnen; es ist so un emerkt, wie wenn ein Mensch ein einzelnes Samenksorn der kleinsten Gattung auf seinen Acker hinslreut, wovon feine ganze Mitwelt nichts gewahr wird. Nun ist es freilich wahr, mit dem dreißigsten Jahre änderte sich plötzlich der Schauplatx Stimmen vom Himmel führen den Sohn Gottes bei feiner Taufe in’s Prophetenamt ein, Worte der hold- feligsten Art und des reichsten Inhalts erklingen im Lande der Verheißung; Wnnderthaten geschehen, so groß nnd erstaunenswerth, wie sie die Welt weder vorher noch nachher gesehen; das» ganze Land ist voll des Ruhmes dessen, der umherzieht und wohlthuy und alles es noch fortwährend in uns. Gleichniß vom Senfkortm f 469 Volk hing ihm an und hörete ihn. Aber dennoch blieb es im Ganzen bei dem alten Charakter der unschein- barkein Wie kurz war die Zeit des Wandels Jefn Christi auf Erden! Drei Jahre nurwährte sein Lehren und Wunderthun Wie arm und anspruchslos war feine Erscheinung auch in dieser Zeit! Die Füchse haben ihre Gruben, die Vögel ihre Nester, aber des Menschen Sohn hatte nicht, da er sein Haupt hinlegr. Wie eng war der Kreis seiner Thätigkerti er war nur gesandt zu den verlorenen Schafen vom Hause Israel un blieb daher in Canaan, meistens in Galiläa, im kleinen Juden- lande, im verachteten Jndenvolkefz das mächtige Rom, das gebildete Athen, das reiche Corinth erfuhren nichts von ihm und seiner Sache, so lange er auf Erden wan- delte. Wie unbedeutend war der Erfol seines Wirkens, als er seine Augen schloß! zwölf Apostel, iebenzig iingetx später hundert und zwanzig in Jerusalem, fltu undert in Galiläa, das ist das ganze Häuflein, welches ihm zu Gebote steht und durch den Glauben sich zu ihm bekennn Jm großen Volke« wurde er von der Neugier wohl an- «esiaunt, aber eben so schnell wieder vergessen; von den YIbersten des Volkes, von den Hohenprieftern und Schrift- gelehrten glaubte fast keiner an ihn. nd nun schauet dies Häuflein der Gläubigen, diese Apotel an, die ein- zigen, welche unter Millionen von der acht der Wahr- heit ergriffen, vom Geiste Gottes erleuchtet und etrieben, in der Welt Zeugniß ablegten von dem Ge reuzigten und Auferstandenen: was sind das für Menschen? Lauter arme Fischer nnd Zöllner, aus dem niedrigsten Stande, Menschen, die keine Schulen besticht, keine Bil- dung empfangen haben, die völlig unbekannt waren mit der Welt und ihren Verhältnissen, die keine Gunst eines Mächtigen, keine Empfehlung bei den Großen der Erde, keine feurige Beredtfamkeit noch Ueberreduugsgabe, keine Schätze und Reichthümer, kurz nichts von dem besaßeu, was bei der Welt Eingang findet; denen nichts von dem zu Gebote stand, was nothwendig ist, um irgend eine Sache einzuleiten und durchzusetzein Ach, und das alles wollten wir noch übersehen, wenn nur in ihnen selbst eine Grundlage wäre, auf welcher der HErr sein Him- melreich aufbauen könnte, eine Fülle von Empfänglichkeit und Hingabe, eine Begeisterung und Treue für seine Sache, ein Heldenmuth, der mit dem HErrn und für den HErrn durch Noth und Tod ging. Aber auch von diesen, zur Gründung eines Gottesreichs unentbehrlichen Erfordernisfen ist nichts bei ihnen anzutreffen. Der eine unter ihnen ist sogar ein Verräther, der andere vermag in der Stunde der Gefahr trotz allen vorhergegangenen Betheuerun en feinen über alles geliebten HErrn und Meister drei Mal zu verleugnen; alle bis auf einen er- greifen die Flucht und sagen stch von ihm los, so wan- kelmüthig, so kleingläubiF so unznverlässtg, so unfähig zu feiner Nachfolge, so eschränkt in ihrer Einsicht er- scheinen sie, daß jeder Andere als der HErr mit ittern und Beben ihrer Zukunft würde ent egengefehen aben. Wahrlich, kein König würde folche eu chen zu seinen Trnppen, kein Meister irgend einer Kunt und Wissen- fchaft würde solche Meufchen zu seinen Schülern gewählt haben, wie Christus, «der höchste, ia einige HErr und Meister, mit den Apostelu gethan. Aber ihre Wahl be- stätigte das apostolische Wort: 1. Cor. I, 26—29! — Einem Senfkorn gleich begann das Reich des HErrn in Christo und den Aposteln, einem Senfkorn gleich beginnt Kann es einen unschein- barereru Anfang geben, als den, welchen es unbewußt in der Taufe bei uns nimmt? wo gilt das Wort des HErrm ,,felig sind, die nicht sehen und doch glauben,« mehr als da? Aeußerlich erblicken wir nichts als heilige Gebriiuche und ein fcheinbar unempfäugliches Menschen- kind, mit schlummernden Geiste-Kräften, mit einer Un- fähigkeit aufzunehmen, wie sie sticht größer gedacht wer- den kann —— und doch ist die Taufe das Bad der Wie- dergeburt und der Erneuerung des heil. Geistes, der Bund eines guten Gewissens mit Gott; der Täufling wird nicht nur aufgenommen in die fichtbare Gemein- schaft der Kirche, sondern auch in die nnsichtbare Ge- meinde der Heiligen. Was die Verheißung des Messias im Paradiese für das neugewordene Menschengeschlecht tm Allgemeinen war, das ist bei dem einzelnen Wen-« schen die Taufe: die Aussaat des Seufkorus in das menschliche Herz— Aber»...g1;ch-»d»ie »Wiedergeburt, welche in späteren Lebens-fahren bei uns auf bewußte Weise zu Stande kommt, beginnt sie nicht jedesmal klein und unbemerkt? Es ist bald ein Wort Gottes, das des Sonntags in der Kirche oder an einem andern Ort sund zu einer Zeit, wo wir es gar nicht erwarteten, tiefer- schtitternd in die Seele fällt, ein kleines Körnlein, ein übersehener Bibelspruch, ein längst vergesfener Liedervers —— und wir können es nicht wieder los werden, es tönt von Zeit zu Zeit immer wieder in unsern Ohren, es beugt und es erhebt uns auf unwiderftehliche Art; und der verborgene Keim hebt endlich die Erdfcholle, der graue Acker unsers Herzens und Lebens fängt an zu grünen und sich— zu fchmücken mit Frühlingsherrlichkeir Es ist bald ein Ereigniß in unserm Leben, eine Krank- heit, eine unangenehme Nachricht, ein Todesfall, ein großes, unerwartetes Glüch und — unser Wesen ist wie umgewandelt, das ganze Leben ist mit einem Male aus feinen Fugen gewichen; wo früher Leichtsinn wohnte, herrscht plötzlich tiefer Ernst, statt der Gleichgiltigkeit gegen Gottes Wort hat Liebe zu ihm und Sehnsucht, Fragen, Forschen, Beten, Verlangen nach seiner Gnade das Herz erfüllt. Es ist bald das Gefühl der Ungenüge aller irdischen Güter und Freuden, das —— wir wissen selbst nicht, wie? — plötzlich, ohne äußere Veranlassung in uns erwacht ist, nnd der erste Lichtstrahl ist in die Finsternis; unsers Herzens gefallen; oder ein Gedanke, den wir gehört, vielleicht oft unbeachtet gehört, und der. jetzt eine Wahrheit hat und eine Gewalt übt, daß wir ihm Raum geben müssen: genu , was es auch sei, der Anfang der neuen Geburt ju’s eich Gottes ist iimuier klein; der HErr sagt: »Der Wind wehet, wo er will, und du hörest sein Sausen wohl, aber du weißt nicht, von wannen er koinmt und wohin er fährt; also ist ein jeglichen der aus dem Geist geboren ist« (Fr. Arndt.) Sehen wir nach 18 Jahrhunderten zurück auf das, was aus dem einst so unscheinbar gepflanzteu Senfkorn des Himmelreichs geworden ist, so müssen wir erstaunen über den Baum, der daraus hervorgewachfen und der jetzt fchon seine Aeste über alle Welttheile ausbreitet und Menfchen aller Völker, Sprachen und Länder unter sei- nen Schatten sammelt. wie das Christenthuni, über die ganze Erde verbreitet, unter allen Himmelssirichetnin allen Welttheilen da ist, und die Urkunden desselben, die heil. Schrifteti des alten und neuen Teftaments in den Sprachen fast aller Völker- gelesen werden, der muß erkennen, daß das Verheißungs- wort Gottes an Abvaham zum Licht und Lebens-Wort Gottes für die ganze Menfchheit erweitert ist; daß das, was dort so einzeln, so familienartig begann, herrlicher als es ein Mensch denken konnte zu göttlicher Allgemein- heit erhöhet und also jetzt fchon wahrhaftig, wie ohne Pracht und Gepränge, so auch ohne Zwang und Ueber- eilung ein Segen aller Geschlechter der Erde geworden ist, oder daß das unscheinbar gepflanzte Senfkorn des Himmelreichs ausgewachsen ist zum Baum, der die Erde iiberfchatteh Und doch ist alles, was bis jetzt geworden ist, noch nicht das, was da werden foll; das Wort des Gleichnifsesz »wenn es aber erwächst, so ist es das größefte,« wird erst dann eigentlich erfüllt und recht Wer eine- Anfikht davon hat, 470 verstanden werden, wenn durch die Erscheinung der Zu« kunft des HErrn alle die großen, argen, offenbaren und geheimen Hindernisse der Wahrheit und Gottseligkeit hin- weggeräumt sind und dem Himmelreiche von Neuem auf Erden so Raum und Weite gemacht ist, daß es sich nach allen Seiten hin ungehemmt ausbreiten und mit seinem Lichte und Frieden alle Nationen beseligen kann. Das wird geschehen! Das Israel nach dem Fleisch, dieser unter allen Nationen verbreitete Zeuge Gottes und seiner Worte, wird von seiner Blindheit genesen zum Lichte des Glaubens und der Erkenntniß, und wird mit Blicken des Glaubens und der Anbetuiig den an- sehen, den seine Väter durchstochen haben; und es wer· den den HErrn loben alle Heiden und ihn preisen alle Völker, weil seine Gnade und Wahrheit uns durch Jesum Christum worden ist und über uns waltet in Ewigkeit. Halleluja! (Menken.) »Sei der Anfang noch so klein, ist"’s aus Gott, so wird’s gedeihn; das sei aiich uns gesagt, und zwar vorerst als Warnung für alle stolzen Geister. Euch, ihr hochmüthigen Geister, die ihr nur auf das sehet, was vor Augen ist, und nur das» schätzen was glänzet, euch ist das Evangelium Christi i1och heute das unfcheinbare Senfkörnlein ohne Gestalt· noch Schöne, weil’s nicht in die Augen fällt und keinen Lärm macht; aber sehet zu, daß ihr nicht zu Schanden werdet vor ihm, denn wahrlich, diese Pflanze von Gott gepslanzet reutet ihr nicht aus, und sie über- wächst allen Kohl eurer eigenen Weisheit, alle Lorbeeren eurer selbstgepflanzten Herrlichkeit — den Hoffärtigeu widerstehet Gott, aber den Demüthigen giebt er Gnade! Das sei zum Troste gesagt allen zagenden Seelen. Schämst du dich deiner eigenen Niedrigkeit und Armuth; fragst du, wie soll aus mir armer Made noch etwas werden zur Ehre Gottes und zum Preise feines Namens, ist doch kaum ein Sämlein des neuen Lebens in mich « gefallen, ist doch mein Glaube, meine Liebe, meine Hofs- uung kaum ein Senfkorn, so wiiizig iind klein und so bald niedergetretem siehe, wenn du nur Glauben hast wie ein Senfkorn, du kannst Berge versehen; wenn ein- mal der erste Keim des göttlichen Lebens in dein Herz gefallen ist,-Pflege ihn nur treulich, bete nur täglich, wache nur fleißig, und auch in dir wird das Senfkorn zum Baume erwachsen. Klein wie in der Welt draußen, klein auch im Herzen ist der Anfang des Reiches Gottes, aber aus Einer Gnadenstunde kann eine felige Ewigkeit erwachsen, und Ein Spruch, Ein Vers, Ein Lichtgedanke, zur rechten Zeit in die Seele gefallen und in einem feinen guten Herzen bewahrt, kanii zum Lebensbaume werden, der· Himmelsfrüchte trägt fiir dich und für Andere. Sei der Anfang noch so klein, ist’s aus Gott, so wird’s gedeihnt das sei zur Regel gesagt allen, die etwas wirken wollen für Zeit und Ewigkeit. Willst du ein Haus gritnden, fang nicht groß und prahlerisch an, sondern still und bescheiden; den Demiithigen giebt Gott· Gnade. Willst du ein gutes Werk thun, laß nicht vor dir herposaunem sondern thu es in der Stille; der Vater, der in’s Verborgene sieht, wird dir’s vergelten öffentlich. Willst du dem Reiche Gottes atifhelfen an deinem Theil, du brauchst keinen stolzen Thurm zu bauen und kein prunkvolles Panier aufznpslanzem pflanze du das Senfkorn des göttlichen Worts in die Herzen und in das deine zuerst, daraus wird das Reich Gottes erwachsen, daraus wird grünen «Gerechtigkeit, Friede kiäd Freude im heil. Geist für dich und Andere. ero . Hieran schkießen wir aus Wirtin. 13, 33 das Gleich- niß vom Sauerteig (vgl. Luk. 13, 20 f.): Ein anderes Gleichiiiß redete er zu ihnen sin ähn- licher Weise anhebend wie beim vorigen]: Das Him- Evaiigelium Marci 4, 32 Anin. melreich ist einem Sauertcige gleich, den ein Weib nahm, und veriiieiigte ihn unter drei Scheffel svSleah = etwa 2 Melken 2. Mos. IS, 36 AnmJ ehl, bis daß es gar durchsiiuert ward. Das Gleichniß vom Senskorn hat uns gezeigt, wie das Reich Gottes auf Erden gar einen geringen, un- scheinbaren Anfang hatte, wie es aber im Sonnenschein und unter Stürmenheranwuchs und wunderbare Zu· nahme gewann, so daß es jetzt ein Baum ist, der seine Zweige weithin über die« Welt ausstrecktz in diesem Gleichniß wird uns also vornehmlich die äußerliche Ausbreitung der Kirche Ehristi vor Augen gestellt. Das vorliegende Gleichniß vom Sauerteig dagegen richtet unsern Blick vorzugsweise auf das innere Gottesreich, auf die Wirksamkeit des Evangeliums in den Herzen der Nienschem — Das Wort Sauerteig wird auch sonst in der heil. Schrist bildlich gebraucht, hat aber an anderen Stellen (Matth. 16, S; I. Eor. Z, 6 f.; Guts, I) eine üble Bedeutung; in unserm Texte hingegen hat das Wort gerade eine entgegensetzte, ehrliche und herrliche Bedeu- tung, wie denn der Sauerteig an siih nichts Böses, sondern etwas Nützliches und Unentbehrliches ist, und zwar ist hier das lebendige und kräftige Gotteswort (Hebr. 4, 12) damit versinnbildlichn Der Sauerteig ist bestimmt, unter das Mehl, und das Evangelium, in unser Herz zu kommen; die 3 Scheffel Mehl sind die menfchliche Seele mit Verstand, Gemüth und Willen, wir können aber auch bei dem Wort ,,Herz« bleiben, weil in ihm das ganze innere Wesen des Menschen zu- sammenläufn Der Sauerteig durchgehet das Mehl, so durchdringet das göttliche Wort unser Jnneres: sehet ein Beispiel gleich bei jener Predigt Petri am Psingstfesh wo es von einem großen Theil seiner Zuhörer heißt (Apoftg. Z, 37): »Da sie aber das höreten, ging es ihnen durch’s Herz« Das göttliche Wort wirkt auf die Gedanken, auf die Neigungen, auf die Vorsätze des Menschen ein; es dringt so zu sagen durch alle Adern und Fasern des Herzens hin, ja bis in die Glieder hinaus.- Und das auf verborgeue Weise; ganz ver- borgen, aber doeh kräftig, durchgeht der Sauerteig das Mehl, so das Reich Gottes die Herzen der Menschen. Da stand die Menge um die Apostel, wie sie von dem gekreuzigten und auferstandenen Sohne Gottes predigten; die Einen spotteten, diese Predigt war ihnen etwas ganz Thörichtes und Verkehrtes und sie dachten nicht von ferne, welch mächtige Wirkung sie bei Andern haben könnte, aber siehe, das Wort hatte unversehens hundert und tausend Herzen tief ergriffen. Wie es aber heimlich das Herz ergreift und durchdringt, daß der Unbekehrte nichts davon ahnt nnd der Ergriffene selbst nicht weiß, wie er durchdrungen wird, so muß doch auch wieder seine Kraft, sein eben im Herzen sich merkbar machen: der Sauerteig bringt Gährung in das Mehl; so kommt mit dem göttlichen Wort ein Arbeiten und Treiben in’s menschliche Herz — das ist noch ein be- sonders merkwürdiger Vergleichungspunkn Gottes Wort erzeugt eine Gährung im slindigen Menschenherzem es führt einen Kampf und Streit darinnen; besonders im Anfang einer ernstlichen Bekehrung gährt es oft gewaltig in der Seele, der Mensch der Sünde in uns und dieser göttliche Lebensstoff wollen sich nicht mit einander ver- tragen. Das Fleisch neigt sich der Erde und ihren Gütern zu — das göttliche Wort sagt: ,,trachtet uach dem, was droben ist;« das Fleisch begehrt nach der unreinen Lust der Welt —- das göttliche Wort sagt: ,,stellet euch nicht dieser Welt gleich;« das Fleisch denkt, ich will groß fein unter den Leuten —— das göttliche Wort sagt: ,,wandelt in aller Demnth«; ach das Fleisch sagt, ich kann iiicht Christo dienen -— das göttliche Wort spricht: ,,er ist dein HErr und sollst ihn aiibeten«. Da Ergänzungen aus dem Evg. Matthäi (oom Sauerteig und verborgenen Schatz im Acker). 471 ist alles wider einander, da giebt es» einen heftigen Kampf und Streit, daß dem armen Herzen oft sehr bange wird; aber eigentlich is·t das ein fröhliches Ereig- niß, denn es ist ein Zeichen, daß das himmlische Ele- ment im Herzen vorhanden und darin wirksam ist, nnd es wird zu einem schönen rieden kommen. Der Sauer- teig bewältigt das Meh und theilt ihm einen ange- nehmen Geschmack mit; so wird das menschliche Herz von dem Evangelium überwunden, verändert, Gott an- genehm und wohlgefällig , wie es heißt: ,,als die da - wiedergeboren sind ans dem lebendigen Wort Gottes — Gott reiuigte ihre Herzen durch den Glauben — ist jemand in Christo, so ist er eine neue .Creatur —- wir sind Gott angenehm gemacht in dem geliebten Sohne« Indessen will der Sauerteig wohl unter das Mehl ge- bracht sein; wenn er neben demselben in Einem Be- hälter liegt, so spürt das Mehl seine Kraft nicht, und wenn er nicht tüchtig unter dasselbe verarbeitet wird, giebt’s kein gutes Brod. So wird ja auch der Mensch nicht davon anders und besser, daß seine Bibel neben ihm auf dem Brett oder im Schranken liegt; und wenn er in die Predigt geht und es liegt Gottes Wort auf der Kanzel, wird aber von dem Prediger nicht wirklich und redlich getrieben, so ist’s ihm auch gefehlt. Darum ist ein rechtschaffenes Vermeugen nöthig; das Gleichniß sagt: »ein Weib nahm den Sauerteig und vermengete ihn unter das Mehl, bis daß es gar durchsäuert ward.« Wer ist nun dieses Weib? Es paßt ganz, wenn wir darunter die christliche Kirche als Verwalterin des göttlichen Wortes verstehen; sie verwaltet aber ihr Amt durch ihre Diener. Sehet hier also vornehmlich die Lehrer bezeichnet, die ja berufen sind, mit den ihnen andertraueten Seelen das göttliche Wort zu treiben und dasselbe, soweit dies bei Menschen steht, in sie hineinzu- flihren. Diesen wird hier ihre hohe und heilige Plicht vorgehalten, nichts anderes als den guten himmli chen Sauerteig, das reine Wort Gottes den Seelen in:tzu- theilen, damit sie dieselben nicht mit sihädlichem Stoff verderben, statt ihnen zum Heil zu verhelfen; sie wer- den aber auch an ihre ernste Pflicht gemahnt, mit dem rechten Sauerteig in der Hand, mit dem göttlichen Wort im Munde nicht faul und lässig zu sein, sondern das wichtige Geschäft mit aller Sorgfalt zu üben. Sie sollen das kräftige, seligmachende Wort in alle Theile der Seele hinzubringen suchen; sie sollen den Verstand erhellen, das Gemüth mit Trost erfüllen, den Willen er- regen und zum Guten lenken; sie sollen ihren Vortrag auf die besonderen Zustände und Bedürfnisse der An- vertrauten richten, sollen namentlich auch die Knollen im Herzen, wo das Vorurtheil, der Eigenwille oder eine ieblingssünde das Herz verfestet hat, tapfer, angreifen, damit das Herz allerwärts den Lebenskräften zugänglich werde. Uebrigens aber dürfen wir nicht bei den öffent- lichen Lehrern stehen bleiben: es giebt auch angestellte Prediger im Hause, die Eltern, welche die Ihrigen mit Gottes Wort als der Seelen Nothdurft sorgsamer noch als mit dem leiblichen Bedarf zu versehen haben; und diese mögen sich auch an dem Weibe unsers Gleichi nisses spiegeln. So nun die öffentlichen nnd Hauslehrer ihre Schuldigkeit nicht thun, den edlen Sauerteig nicht mit Eifer und Treue in die anoertrauten Seelen schaffen, wohl gar mit Wort und Wandel den Sauerteig der falschen Lehre, den Sauerteig der Sünde, der Bosheit und Schalkheit in sie hineinrlihrem wie darf es befrem- den, wenn man in einer evangelischen Gemeinde, bei evang. Kindern doch wenig Licht und Leben des Evan- eliums, aber Irrthum und Thorheih Bosheit und chalkheit und allerlei Laster genu wahrnimmt? Wo sie aber ihrer theuern Pflicht ge ührlich naxhkommem da wird wohl einegesegnete Wirkung nicht ausbleiben: o wie viel Gutes iind Seliges kann da ein armes Weiblein im Kreise ihrer Kinder wirken, wenn sie solch ein Weib des Gleichnisses an ihren Seelen zu sein sich befleißigt — und auf die Seelen der Kinder sollte doch jedermann, nicht wahr? mehr Fleiß verwenden, als auf das Mehl im Troge! Es ist aber noch Eins zu be- rücksichtigein Wenn das Weib den Sauerteig wohl unter das Mehl gemengt hat, so muß der Teig noch stehen, damit die gehörige Durchsäuericiig vor stch gehe, und man darf nicht zu frühe Brod haben wollen: so will auch das göttliche Wort, wie behende es durch die Seele hinlaufen kann, wie schnell oft ein einziges Sprüchlein durch die Seele fährt, dennoch seine Zeit haben, bis es das ganze Herz nach allen Seiten hin durchdringt und wirklich umwandelt. Denn das Herz ist klein, und doch wieder überaus groß; es ist eine ganze Welt darin, nnd es braucht etwas, bis eine alte Welt eine neue wird. Darum sollen Eltern und Lehrer nicht ungeduldig werden, wenn sie an ihren Pflegebefoh- lenen nicht gleich lauter erfreuliche Erfahrungen machen; sie finden am Ende bei sich selber, so alt sie sind, noch viel Ungesalzenes; man darf sich die Arbeit nicht ver- drießen lassen, man darf sich aber auch das Warten nicht verdrießen lassen —- ,,bis daß es gar durchsäuert ist.« Und freilich ist das Menschenherz nicht in jeder Hinficht solch ein Mehl, das der Bearbeitung keinen Widerstand entgegensetzt; das Herz hat doch selbst einen Willen, ein Regen und Bewegen, darum kommt es allerdings zuletzt auf das Herz selber an. Nehme das jeder für sein eigen Herz: es soll sich dem göttlichen Worte nicht verschließen, sondern dasselbe an sich aus· richten lassen, wozu es gegeben ist. Leider mögen es viele nicht in sich aufnehmen oder ihm doch nicht ge- niigend in sich Raum gönnen; so geschieht es, daß auch die Arbeit treuer Lehrer und Pfleger zu ihrer Besserung und Erneuerung nicht gedeihen kann (Hebr. 4, 2). Wo sich aber euer Herz ihm öffnet und es frei in sich wirken und schaffen läfset, ja wo ihr selbst auch —- wie ihr denn sollet -—— bei euerm eigenen Herzen das Geschäft des Weibes verrichtet durch fleißiges, heilsbegieriges, alles sich zuführendes und in sich verarbeitendes Lesen der Schrift, da wird der himmlische Sauerteig seine Kraft bewähren; er wird allmälig alles durchdringen und durchwitrzem daß euer Herz, in der Hitze der Aus. fechtung, im Ofen der Trübsal vollends bereitet, ein lieblich duftendesOpferbrod wird, wie jenes auf dem goldenen Tifch des Heiligthums (Redenbacher.) Matth 13, 44. Abermal ist gleich das Himmel- reich [in Hinsicht auf die Freude, die es anrichtet, wenn’s einer entdeckt, und den Preis, den er’s dann sich kosten läßt, um es zu besitzen] einem verborgenen Schatz im Acler seinem dahin vergrabenen Schatz], tvelcheu ein Mensch [der etwa den Acker in Nießbrauch hatte, wie von ohngefähr] fand- Und verbarg ihn [einstweilen wie- der im Acker, der noch nicht sein Eigenthum war, so daß er auch den Schatz fis) noch nicht aneignen durfte], und ging hin vor Freuden uber denselben, und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte den Acker sum nunmehr den Schatz rechtmäßiger Weise haben zu dürfen) Es ist das Gleichniß eines der kürzesten zwar, aber zugleich auch eines der sinnigsten und bedeutungsreichsieiy indem es uns das Himmelreich unter dem Bilde eines Schatzes darftellt, zeigt es uns, l) wie verborgen seine Herrlichkeit, L) wie erfreulich sein Fund, Z) wie leicht sein Erwerb. — l. Was das Himmelreich ist, das brauchen wir denen, die daran Theil haben, ebensowenig erst auseinanderzusetzem wie dem Esfenden, was Brod, dem Trinkenden, was Wasser sei; sie wissen’s, denn sie sitzen täglich an der Tafel des großen Königs, der in 472 Evangelium Marci v4, 32 Anm. diesem Reiche herrscht und regiert. Dagegen könnten wir dieses Reiches Herrlichkeit schildern mit den lieb- lichsten Farben , könnten sie preisen mit den beredtesten und begeistertsten Worten, könnten sie erheben und feiern mit den schönsten Liedern nnd Gesängen, nnd würden doch nun und nimmer von denen verstanden werden, die noch fern von diesem Reiche sind und keinen Theil an, demselben haben; wir würden ihnen in Räthfeln, in, fremden Sprachen zu reden scheinen, sie würden iins gar« nicht fassen, für Schwärmer und Träumer würden sie uns halten, denn die Herrlichkeit des Himmelreichs ist für die Draußenssehenden verhiillt und verschleiert, das Himmelreich ist, wie der HErr sagt, gleich einem verborgenen Schatz im Acker. Bevor der Mensch diesen Schatz gefunden, ahnt er gar nichts von seinem Werth, von seinem Glanz, ja nicht einmal von seinem Vor- handensein überhaupt hat er eine Ahnung; er läuft tausendmal daran vorbei, indem er andern Schätzen nachrenntuiid nach andern Schätzen gräbt. Für ihn giebt es kein Reich Gottes, kei1i Reich des Unverwelk- lichen und Unvergänglicheiiz er weiß davon ebensowenig, wie der Blinde vom Reiche der Natur, der Taube vom Reiche der Miisik, der Egoist vom Reiche der Liebe. Man redet ihm von unbekannten Din en, wenn man spricht von dem Frieden Gottes, der höher ist als aller Menschen Vernunft, von der Hoffnung, die nicht zu Scha1iden werden läßt, von dem Siege des Glaubens, der die Welt überwindet; das Einzige, was dem armen Erdenleben einen höheren Werth und eine höhere Be- deutung giebt, was uiifern inwendigen Menschen wahr- haft beglückt und beseligt, was dem Staube der Ver- gänglichkeit uns entreißt und auch das Jrdische uns verklärt, was uns Freudigkeit verleiht und Trost im Leben und im Sterben — er kennt es nicht, er ahnt davon nichts. Und gehörte ihm auch die ganze Erde, und gewänne er auch die ganze Welt — er ist ein armer Mensch, ärmer als der ärmste Tagelöhner, der aber jenen verborgenen Schatz gefunden! Aber es giebt auch Menschem die von dem Himmelreich wohl wissen, denen aber doch seine eigentliche Herrlichkeit noch ver- borgen ist; ich meine die Menschen, welche die That- fachen, Begriffe, Anschauungen und Vorstellungen des Christenthums wohl kennen, denen aber nichts desto- weniger das eigentliche und innerliche Wesen des Chri- stenthums noch fremd und verschlossen blieb. Sie ge- hören nicht zu denen, die gar kein Bedlirfniß nach etwas Höherem und Göttlichem in sich spüren und deren Lebens- loosung lautet: ,,iß und trink, denn morgen bist du todt;« nein, sie reden und hören gern von religiösen Dingen, sie gehen in die Kirche, sie lesen in der Schrifh sie glauben an einen Gott, sie haben eine gewisse Ehrsurcht vor Christo, sie hoffen auf ein ewiges Leben. Aber trotz alledem stehen sie doch noch in den Vorhösen des Hei- ligthnms, und vor dem Allerheiligsten hängt für sie noch ein undurchdringlicher Vorhang; sie kennen wohl den Acker des Himmelreichs, aber nochnicht den ver- bor enen Schatz im Acker, sie haften nur an der Ober- flä e und graben nicht in die Tiefe. Wem’s aber wirklich und ernstlich darum zu thun ist, der findet auch, was er sucht. Die Herrlichkeit des Himmelreichs, ja sie ift verborgen; aber es kann sich keiner damit entschul- digeii, wenn er nur das Wort Gottes besitzt, die hell- ftrahlende Fackel, die uns hinableuchtet bis in die tiefsten Tiefen des Schachtes der göttlichen Wahrheit. 1I. Selig, wer den« verborgenen Schatz im Acker entdeckt und findet! Die Freude, die einen folchen erfaßt, ist höher als alle Freuden dieser Welt. Wie kann’s auch anders sein? Denn welch eine Welt ging ihm mit Einem Male bei diesem Funde auf! Gab es bis dahin ftir ihn nur ein Diesseits, nur ein Reich der Vergänglichkeit und des Sterbens, so erkennt er jetzt plötzlich, daß es ein seliges Jenseits giebt, ein Reich der Unvergiinglichkeit und des ewigen Lebens! Sah er bis dahin ein blindes Spiel des Zufalls Enur in den Geschicken der Menschen, jetzt sieht er darin die lenkende Hand eines ebenso weisen wie liebevollen Gottes, ohne dessen Willen auch nicht das Geringste geschieht. Erblickte er bis dahin im Grabe das Ziel des menschlichen Lebens, so weiß er nun, das Grab ist nur der Durchgang zu einem höheren Dasein . der Unsterblichkeit und Unverweslichkein War es bis dahin nur eine dunkle Ahnung, nur eine schwankende, haltlose Hoffnung , mit der er das ewige Leben erfaßte, fo ist es jetzt die freudigste Gewißheit und Zuversichn Doch mehr noch als diesalles entschleiert sich vor sei- nem freudetrunkenen Blick, indem er jenen Schatz ent- deckt: all"diese einzelnen herzerhebenden Wahrheiten sind Goldstücke, die das Gepräge eines allmächtigen Königs tragen; trügen sie es nicht, wer stünde ihm fiir die Aechtheit der Münze ein? Der Name dieses Königs ist Jesus Christus; er ist der König, der eben in jenem Reiche herrscht, dessen Herrlichkeit sich ihm erschloß. Der Glanz seiner Hoheit und Majestiit, wie strahlt er ihm jetzt entgegen! Sah er« bis dahin in Christo einen Menschensohn nur, jetzt erkennt er in ihm den ein e- borenen Sohn des Vaters voller Gnade und Wahrheit; war es nur eine verbesserte Sittenlehre und ein vollen« deteres Beispiel, was seiner bisherigen Meinung nach dieser Jesus deu Menschen gebracht und gegeben, jetzt steht er ein, daß Christus nichts Geringeres uns brachte, als Versöhnung mit Gott und Erlösung von der Sünde; war ihm bis dahin der Weg zum Himmel unbekannt, die Wahrheit schwankend, das Leben zweifelhaft, jetzt kennt er den, der Weg , Wahrheit und Leben in Einer Person und der die einige Pforte ist, durch welche man zum Vaterhause eingeht. Besonders groß ift die Freude des Fundes, wenn einer den Schatz im Acker plötzlich entdeckt, nachdem er lang vergeblich nach ihm suchend auf tausend Jrrwegen sich umhergetriebe1i. Was ihm kein menschlich Wissen, keine irdische Kunst, keine ver- gängliche Lust gewähren konnte, was er umsoiist bei den Weisen dieser Welt gesucht, wovon aber der dunkle Traum von einem verlorenen Paradiese eine Ahnung und eine Sehnsucht ihm im Herzen zurückgelassen, das hat er nun gefunden — und o, wie wallt sein Herz vor Freude, wie wogt seine Seele vor Lust und Wonne! Der müde Pilger sitzt an der heißersehnten Quelle, der verirrte Sohn steht an der Schwelle des Vaterhausesx wie« Andreas einst zu seinem Bruder Simon, wie Philippus zu seinem Freunde Nathanael, so spricht er selig und entzückt zu allen, die ihm begegnen: ich habe gefunden, ich habe gesunden, was ich suchte, gefunden den Stern meiner Sehnsucht, den Anker meiner Hofs- nung, den Fels meines Heils, gefunden habe ich die Ruhe und den Frieden meiner Seele! —— Doch nein, noch schweigt er, noch ift er stumm vor Freude. Das ist ein tiefer Zug in unserm Gleichniß , daß der HErr sagt: »das Himmelreich ist gleich einem verborgenen Schatz im Acker, welchen ein Mensch fand und — ver- barg ihn.« Er verbirgt ihn, er sagt nichts davon, gleichsam aus Eifersucht, um den Schatz den Augen Anderer nicht preiszugeben, aus Besorgniß, um ihn nicht alsbald wieder zu verlieren und feiner beraubt zu wer- den. Er verbirgt den Schatz, denn noch ist er ja nicht sein, noch muß er ihn ja erst erwerben. O heiliges Schweigen, in welchem ein Mensch dahingeht, dem der volle Glanz des Himmelreichs die Seele erfüllt hat! heiliges Besinnen auf das Eine, was noth ist, um Theil zu gewinnen an den Gütern dieses Reichsl Durch die Seele eines solchen geht bei Tag und Nacht die eine Frage nur, um welchen Preis wird dieser Schatz mein Fetnere Ergänzungen aus dem Erz. Matthäi (von der Einen kösilichen Perle) 473 eigen? So denkt er, so fragt er; und die Antwort auf diese Frage, sie bleibt nichti1nbeaniwortet. Il«l. Auf den ersten Anblick erregt es Befremden, wennderHErr im Gleich- niß sagt: »und er, der glütkliche Finder des verborgenen Schatzes, ging hin vor Freude über denselbigen und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte den Acker.« Wie, fragen wir, wie kann da von Kauf die Rede sein? und wäre selbst der Finder ein reicher Mann, welch Kapital wiegt denn diesen Schatz auf? Nun würde es freilich unmöglich sein, das Himmelreich zu gewinnen, müßten wir’s uns wirklich im gewöhnlichen Sinne des Worts erkaufen; vielmehr ist hier ein Kaufen gemeint, zu welchem schon Jes. 55, I ermuntert: ,,kommt her und kaufet ohne Geld und umsonst« Jndefsen liegt im Ausdruck zugleich angedeutet, daß, wer das Himmelreich ererben will, allerdings auch manches darangeben und zum Opfer bringen muß, was jedoch um so weniger für eine Bezahlung gelten kann, als der Grund, wes- halb wir’s fahren lassen sollen, eben der ist, weil es nichts taugt, weil es schlecht ist und darum theils ver- nichtet, theils« wenigstens in den Schmelz- und Läute- rnngstiegel geworfen werden muß. Alles, was wir haben oder zu haben glauben, sollen wir verkaufen, d. h. daran geben. Dahin gehört denn vor allen Dingen unsre eigene vermeintliche Gerechtigkeit: so lange wir sie nicht los und dadurch hungrig und durstig ge- worden sind nach der Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, können wir das Himmelreich nicht ererben. Dahin ge- hört weiter unsre eigene vermeintliche Weisheit in göttlichen Dingen: so lange wir sie nicht in ihrer Un- zulänglichkeit erkannt und darum aufgegeben haben, find wir nichtsim Stande, die Schätze der Weisheit und der Erkenntniß uns anzueignen, die in Christo Jesu verborgen liegen. Dahin gehört ferner unser« eigener, von dem Göttlichen abgekehrter, ja ihm entgegengesetzter Wille: so lange wir ihm nicht dem HErrn zum Opfer gebracht, ist es nicht mö lich, daß wir durch den HErrn wahrhaft frei nnd wahr aft selbstständig werden. Ja, es gehört dahin nicht nur dies und das nnd jenes, es ge- hört dahin alles;. wie wir um seinetwillen und um den Schatz seines Reiches zii gewinnen, bereit fein müssen, alles, auch das Liebste daranzugeben, drückt der HErr einmal (Luk. 14, 26) mit recht scharfen, zweischneidigen Worten aus: außer ihm sollen wir nichts, in ihm dürfen wir alles lieben, das ist der Sinn dieser Worte. Wem aber einmal die verborgene Herrlichkeit des Him- melreichs sich geoffenbart, wem einmal die himmlische Freude über solch einen Fund das Herz erfüllet hat, der ist auch gern bereit, alles dafür in die Schanze zu schlagen. (A. Krummacher.) Mut-eh. 13,45. Aberinal ist gleich das Himmel- reich [in Hinsicht auf seinen Werth im Vergleich mit andern ebenfalls für tverthvoll geachteten Gütern und in Hinsicht wiederum auf den Werth, den man daransetzett muß, um es davon zu bringen] einem Kaufmann, der gute, Perlen fuchte [die er von den Verkäusern einhandeln und dann mit Gewinn wieder verkaufen könnte]. » 46. Und da« er eine [auf dem Wort liegt ein Nach- druck, also: Eine] köstliche Perle fand [denn in Betreff dessen, was hier emeint ist, giebt es nur eine, die diesen Namen verdient , ging er hin, und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte dieselbe. Wenn man uns fragte, welche Güter den größten Werth haben, die irdischen oder die geistigen, welche von beiden das tiefste Verlangen unsrer Seele befriedigen, welche von beiden auch mit größerem Eifer und Fleiß gesucht werden müssen, so würden wir alle wie mit Einem Munde antworten: die geistigen! Wenn man nun weiter fragte: suchet ihr aber auch die geistigen Güter mit dem Eifer und Fleiß, den sie verdienen? habt ihr unter denselben das höchste Gut erkannt und gefunden? habt ihr alles angewendet, um euch dieses zum Eigenthum zu erwerben? so fiirchte ich sehr, es würde sich, wie man in diesen Fragen fortsehritta immer mehr die Zahl derer vermindern, welche sie mit Ja beant- worten könnten. O wären doch die Kinder des Lichts eben so klug als die Kinder der Welt in ihrem Ge- schlecht; ftrebten sie doch nach geistlithen Gütern ebenso rastlos, als diese utn irdische sich bemühen! Jst der Kaufmann unsers Textes nicht vollkommen in seiner Art? Er suchte gute Perlen: das ist das Geschiift seines Lebens, und er widniet sich ihm ganz. Da findet er Eine köstliche Perle; er sieht sie und erkennt sie mit ge- übtem Blick sogleich für das, was sie ist, für den größten Schatz, der jemals ist aus den Gründen des Meeres gezogen worden. Er muß sie, besitzen: das steht bei ihm fest; zwar der Preis, der dafür gefordert wird, ist ungeheuer — sei’sl noch ungeheurer kann der Gewinn sein! —- und so ging er hin und verkaufte, was er hatte, und kaufte dieselbigr. Das Himmelreich ist« diesem Kauf- mann gleich; die Himmelsblirger sollen sein Beispiel nachahmem mit dem einzigen Unterschiede, daß das Geistige an die Stelle des Jrdifchen gesetzt werde: sie sollen l) geistige Güter suchen; sie follen L) das eine höchfte geistige Gut erkennen und finden; sie sollen B) alles hingeben, um es zu ihrem Eigenthum zu er- werben. (Theremin.) Die beiden Gleichnisse vom verborgenen Schatz im Acker und von der köstlichen Perle schildern uns die Aneignung, die das Reich Gottes von den einzelnen Seelen verlangt, und den Weg, auf welcheni man zu ihm gelangt. Handelt es sich nun hier um die köstliche Perle, so haben wir zu merken 1) auf die Art, wie sie sich uns bietet, und L) auf das,- was wir für sie bieten sollen. l. Was die köstliche Perle sei? Es ist die Eine Gottesgabe schleun- hin, diejenige, von welcher Christus, fich sel er weinend, zu dem famaritifchen Weibe« gesagt hat: wenn du er- kennetest die Gabe Gottes! Es ist die Gnadengabe der Erlösung, die am Kreuz errungene; es ist die Gnaden- gabe der Gerechtigkeit Gottes, die auf Christi Verdienst gegründete; es ist die himmlifche Gabe des Lebei1sbrodes, die Gabe seliger Genüge und ewigen Lebens, wie sie Christus gewährt, wie sie Christus ist. Es giebt man- cherlei Gaben, aber es ist Ein HErr;· und diese Gabe kann nur die einzige fein. Und die Perle, diese edle Zierde, mit der meuschliche Schönheit sich schmückt, ist ein wundersam treffendes Bild für das, was der HErr damit bezeichnet. Tief im Meeresgrund wird sie ver- borgen gezeugt; aus der Tiefe des Meeres, unter Ge- fahr und Mühe, wird sie geholt; in unscheinbarer Hiille zunächsl verborgen, erglänzt sie hernach mit lieblichem Glanz. So ist es mit der Gnadengabe in Christo auch: tief im verborgenen Grund des göttlichen Wesens ist sie geboren, aus der Tiefe göttlicher Liebe ist sie gewährt; Christus hat sie herausgebracht, es hat ihm Arbeit ge- maiht um unsrer Sünde willen, die Schauer des Todes haben ihn umgeben; uns hat er sie erworben, für sich hat er sie nicht zu suchen gebraucht; in unfcheinbarer Hiille zunächst, aber voll von dem Glanze himmlischer Herrlichkeit reicht er sie dar, nur will sie gegeben sein. An ihr wird es wahr: ich werde gefunden von denen, die mich-nicht suchten; darum heißt es auch von dem Kaufmann im Texte nur, daß er gute Perlen suchte — die Eine, die köstliche, die hat er gefunden aus Gnaden. Nicht das ist das Erste, daß wir der Gnade nachgehen, sondern daß die Gnade. uns nachgehet; nicht das ist das Erste, daß wir das gottselige Geheimnis; der Erlösung entdecken, sondern daß der himmlische Vater es uns entdeckt; nicht an dem menschlichen Wollen uud —erken1it er. 474 Evangelium Marci 4, 33—36. Laufen ist es gelegen, sondern allein an der göttlichen Erbarmung Was der Mensch thun kann durch sich selbst, ist nur dies, daß er gute Perlen sucht: die Eine, die köstliche, wird von ihm gefunden aus Gna- den. Tief im Menschenherzen wohnt ein Sehnen nach Frieden, ja Frieden; aber den Frieden, der in der Versöhnung mit Gott durch Christum Hex, den kennt man erst, wenn man ihn empfunden. ief im Men- schenherzen wohnt ein Ringen und Seufzen nach Er- lösung, ja Erlösung; aber die Eine Erlösung, die Chri- stus am Kreuze gestistet hat, die kennt man erst, wenn man sie empfunden hat. Gute Perlen kannst du suchen, aber die Eine, die köstliche, wird dir gegeben aus Gna- den! — Da ist Einer, er wirbt um Liebe; er sucht ein Herz, das er sein nennen möchte, das mit ihm theilen soll Leid und Freude, zu dem er sagen kann: was mein ist, ist dein, und was dein ist, ist mein. Und ein lie- bendes Herz, es ist gewiß eine ute Perle, die er sucht; aber wie mancher hat doch auf iesem Wege mehr ge- funden! Er suchte ein liebendes Herz, nichts weiter; aber siehe, das Herz, das ihn lie te, hatte auch seinen Heiland lieb, die Seele, die sich ihm verband, ihm ver- mählte, war auch die Braut des himmlischen Bräutigams — unvermerkt ward sie ein Predi er für ihn, ward sie zum Werkzeug, durch welches Christus selbst sich ihm darbot. Und nun dann, wenn er beten gelernt hat, weil sein liebend Weib ihm vorbetete; dann, wenn er, von liebender Hand geleitet, seinen Heiland gefunden hat, ,dann frage ihn: was wird er antworten? Liebe habe ich gesucht, Glauben habe ich gefunden; ein Men- schenherz habe ich gesucht, und das Herz meines Hei- landes ist mir geworden; gute Perlen suchte ich, -aber die Eine, die köstliche, ward gefunden aus Gnaden. Da ist Einer, es beseelt ihn ein reger Forschungstrieb nach Wahrheit; ein Gebiet menschlicher Erkenntniß nach dem andern durchläuft er, die Schätze menschlicher Weisheit durchforscht er, die Schönheit, den Reichthum der Natur Und wer wollte leugnen, daß ies gute Perlen sind, die er sucht; aber zur vollen Genüge bringt er es so nicht, es bleibt eben ein Suchen nur, das Finden selbst« wird immer vom Neuen zum Suchen. Ein Räthsel löst sich, andere Räihsel stellen sich ihm entgegen; am wenigsten löset er das Räthsel in der eigenen Brust. Da wächst unter dem, was er weiß, der Glaube an das, was Gott offenbart; von der Weis- heit der Menschen flüchtet er sich zu der Weisheit aus Gott. Da hat er nun den festen Standort gefunden, von dem aus alle Räthsel sich lösen — das Wort Gottes; nun frage ihn, was wird er antworten? Gute Perlen hab ich gesucht; die Eine, die köstliche, habe ich gefunden aus Gnaden. Da ist Einer, er sucht dauernde Befriedigung im Leben; er sucht sie in unablässiger Arbeit, aber sie läßt doch eine Lücke; er sucht sie in ver- geistigten Genüssen, aber alle Bedürfnisse des inwendigen Menschen befriedigen sie nicht; er sucht ste im Kreis treuer Freunde, aber bittere Erfahrungen bleiben nicht aus. Da fällt ihm Gottes Wort in die Hand, da wird ei: hingestellt vor den wahren Freund der Seelen, der niemals täuscht, hingestellt vor die Fülle von Gnade, die iii allen Lageii so reichlich strömt, vor das Lebens- brod, das wirklich satt macht; allmälig geht ihm der Frieden der Kinder Gottes auf, den ihm niemand raubt. Nun frage ihn, was wird er antworten? Gute Perlen hab ich gesucht; aber die Eine, die köstliche, hab ich ge- funden aus Gnaden! Da ist Einer, er that reichlich das Seine, um zu helfen, soweit sein Arm, fein Ver- mögen reicht; er möchte nicht sruchtlos über die·Erde gegangen sein, er will Tröster der Trauerndem Beistand der Bedttrftigem Freund der Verlasfenen sein. Und gewiß, es sind gute Perlen, die er sucht; aber er will trösten und lernt es fühlen, daß der rechte Trost ihm selber fehlt; er will helfen und er sieht’s, daß es ohne Rettung der Seele nicht gethan ist, die er doch nicht retten kann»- Am Krankenbett eines Frommen tritt ihm die Geduld der Heiligen entgegen; auf den verschiedensten Wegen wird er zum wahren Helfer gewiesen; er suchte Kranke zu heilen, und ist selber heil geworden; er suchte Leidtragende zu trösten, und ist selber ein Leidtragender geworden wie die, von denen es heißt, daß sie selig sind. Gute Perlen suchte er; aber die Eine, die köstliche, hat er gefunden aus Gnaden. — II. Der Kaufmann im Gleichniß hat das Seine für die köstliche Perle, die er fand, geboten. Erwerben will er sie sich, das ist sofort seine Absicht, und nun fallen bei ihm Entschluß nnd That in Eins zusammen; die Sehnsucht, sie fein nennen zii können, entzündet sich in dem Augenblick, wo er weiß, daß er sie sein nennen kann; der Eifer sie zu erreichen als Besitz, entbrennt in dem Augenblick, wo er sieht, daß sie ihm dar ereicht wird. Wir aber müssen be- kennen, daß dieser aufmann sich wesentlich unterscheidet von Vielen in unsrer Zeit. Wie viele giebt es, denen von Jugend auf die köstliche Perle vorgehalten wird, denen von der ersten Kindheit an gezeigt worden ist, daß die Gnade Gottes auch ihnen zu Theil werden kann; aber daß ein Eifer in ihnen entbrannte, eine Sehnsucht sich entztindete, sie zu besitzen, das sieht man nicht. Wie viele wieder zögern und zaudern und bringen es nicht zu einem klaren, festen Entschluß; wie viele Andere bringen es in ihrem Leben über den Entschluß nicht hinaus; wie viele schwanken und zweifeln wenig- stens über den Weg, den sie einschlagen sollen, aber zu einem wirklichen Hingehein um sich die dargebotene Gnade anzueignem zur Entschiedenhein koste es, was es wolle, das Heil sich zu erwerben, bringen sie es nicht. Und doch ist das der entscheidende Wendepnnkt in jedem Leben. Hat die Gnade Gottes in Christo dir gezeigt, daß sie dich will, so mußt du nun auch zeigen, daß du sie willst; reicht Gottes verborgene Hand in dein Herz hinein, nnd spricht er, hinweisend auf Christum: dieser soll dein sein-l so mußt du nun auch deine Hand im Gelübde— zu Gott emporheben und sagen: ja, er soll mein sein! kjkDer Kaufmann verkaufte nun alles, was er hatte, und kaufte die Perle. Hier hast du den Preis, den du zahlen mußt, um das denkbar Höchste, das, was nicht ausgedacht werden kann, das ewige Leben zu erlangen; es ist derselbe, den Christus sonst ohne Bild fordert, da er spricht: »ein jeglicher unter euch, der nicht absagt allem, das er hat, kann nicht mein Jiinger sein.« Dies ist es, daß wir innerlich uns dessen entschlagen, was wir besitzen; daß wir uns frei machen von dem, woran das Herz hängt; daß wir entsagen alle dem, was nicht Gott und seinem Reiche dient; daß wir mit Petrus sprechen: »wir haben alles verlassen und sind dir nachgefolgt,« und mit Paulus sagen können: ,,ich achte es alles für Schaden gegen der tiberschwänglichen Erkenntuiß Christi Jesu«; daß wir Yausziehen alles, was uns hindert, umkleidet zu werden mit dem Schmuck der Gerechtigkeit; daß wir ablegen alles, was uns zur Erde zieht und das Trachten nach dem, was droben ist, aufhält. Verkaufen alles, was du hast! hörst du? - allesl Auch deine liebsten Wünsche sollst du ausgeben vor der Einen Sehnsucht, ein Kind Gottes zu heißen; alles, auch deine edelsten Kräfte, sollst du dazu verwenden, dir einen Schatz im Himmel zu gewinnen; alles, auch deine festesten Ansichtem mußt du gefangen geben unter den Ge- horsam Christi; alles auch deineLie eselbst, alle irdische Liebe muß zurücktreten hinter der Einen Liebe zu Gott in Christo; alles, auch dein Leben, wenn du es nur um den Preis be- halten kannst, daß du die Anwartschaft auf das ewige Leben verlierst; alles, zuletzt dein eigenes Ich, sollst du zer- Der HErr Jesus redet zum Volk nur in Gleichnissen 475 brechen, um dich ganz an Christum hinzugeben. Nichts darf dir zu hoch, nichts zu theuer, nichts zu schön er- scheinen, daß du nicht bereit wärest, es zu opfern, wenn es gilt, dir das Opfer anzueignem das Christus für dich gebracht hat. Es diinkt uns dies ein hoher Preis, eine ernste Forderung; wenn es hieße: Vieles! wir würden uns darein finden, aber Alles, auch nichtEines behalten, auch das Liebste und Theuerste nicht, um des HErrn willen, das fcheint zu viel gefordert. Es hat jeder einen Preis, um den er sich hingiebt; es hat aber auch jeder eine Seite, um deretwillen er sich dem HErrn nicht ergiebt. Es ist ein wahres Wort: ,,hängt nicht ein jedes Herz an feinem eignen Stricke? erkenne, wo es fehlt; nur Eins hält oft zurückel« Und gerade dies Eine ist das Alles, was du verkaufen mußt, um die köftliche Perle zu erlangen. (Brtlckuer.) 33. Und durch viele solche Gleichnisse [wie hier ihrer etliche ans der jetzigen und aus der früheren Seepredigt zu einem Ganzen zusammen: gefaßt sind, um dem Leser einen Einblick in die parabolische Redeweise des HErrn zu verschaffen] fagle er ihnen Damals, als er in dem Schiffe auf dem Wasser saß, und alles Volk stund auf dem Lande am Meer V. I] das Wort svom Reiche Gottes; es war dies schon ehedem, als das Volk noch unbefangener ihm gegenüber stund, seine Lehr- weise, weil er ihm so das Wort sagen konnte], nachdem sie es hören konnten [in- einer ihrer Fas- sungskraft angemessenen fchlichten, an Vorgänge des alltäglichen Lebens sich anschließenden und anschau- lichen, aber auchsden reichen Inhalt in kurze Haupt- punkte zusainmenfassenden und leicht behaltbaren Form, die eben so anregend und fesselnd war für den Augenblick, als sie Stoff zum Nachdenken bot für die Zukunft] 34. Und [nun wurde dies nochmals so sehr seine ausschließliche Lehrweise, daß die Jiinger bei der zweiten Seepredigt sich darüber wunderten Matth 13, 10., denn] ohne Gleichniß redete er snunmehrj nichts zu ihnen; aber insonderheit swenn er mit ihnen allein und ohne das Volk war] legte er’s [da] seinen Jüngern [als denjenigen Ostern, für welche nicht der zweite, in V. 11 angegebene Zweck der Gleichuißrede galt, sondern der ursprüng- liche, in V. 33 bezeichneteJ alles aus swährend er das Volk sich selbst überließ und für dessen Ver- ständniß nichts weiter that] « ,,Vesonders war es die Lehre von der Stiftung fund, fetzen wir hinzu, dem geistlichen Charakter) des Reiches Gottes, welche Jesus sich bestimmt fand, durch parabolische Redeweise zu verschleiernz denn diese Lehre war gerade diejenige, in welcher er von den Vorsiellungen feines Volks am weitesten abging, wo er den Erwar- tungen desselben sicb durchaus versagen mußte. Und wenn er nun feine Velehrungen über diesen Gegenstand dem Volke nur mit der höchsten Vorsicht gab , so zeugt die Kreuzigung dafür, daß er in feiner Vorsicht das Maß nicht überschritteii habe; und wie das Volk wirk- lich nicht mehr fähig war, über die wahreNatur des Reiches Gottes sich belehren zu lassen, das beweist die fkzerstörung Jerusalem-IF· Von anderer Art dagegen ind die Gleichnifsh wie wir sie der ersten Seepredigt zugewiesen haben (V. 30—32; Matth. is, 33. 44——46); diese enthalten durchaus keine Wahrheit, die der pro- fanen Menge hätte durch Verhüllung entzogen werden müssen snaeh dem Wort in Matth. 7, 6), sondern sollen reizen und anregen und das Verlangen erwecken, wie sie diese Wirkung auch in Matth. 8, 19—22 offenbaren, daher wir sie eben in jene frühere Zeit verlegt haben, letztere schließt sich aber für unseren Evangeliften mit der späteren Zeit, welche er in dem vorliegenden Abschnitt zunächst vor Augen gehabt hat, so sehr zu einer Einheit zusammen, daß er, was auf die erste Seepredigt für eine Begebenheit gefolgt ist, auf die zweite mit einer zeitgeschichtlichen Bestimmung folgen läßt (V. 35: und an demselben Tage des Abends 2c.), die leicht mißver- standen werden kann, wenn wir den nur leise angedeu- teten Zeitpunkt, den er dabei im Sinne hat, nicht zu unterscheiden wissen von dem, den die äußere Abfolge seiner Erzählung an die Hand giebt. IV. b. 35—41. (§. 34.) Hatt: im reiten Abschnitt dieser dritten Gruppe Gan. Z, 13———19)Sesu2i ßih eine eigene getstliche Familie gebildet durch die Wahl der Zwölftz die beständig bei ihm fein sollten, hatte er dar- naeh im zweiten Abschnitt Man. Z, 20—·35) gegen diese feine geislliihe Familie die letblichen verwandten znrürtigestellt alg solihe, die da seltene machten, aus Gtnem Tone zu reden mit feinen offenbaren Widersaiherm und hatte er hierauf im dritten Kbsrhnitt than-i, 1—34) auch die große Masse des vollis äußerlich durch das Lehren aua dem Schiffe und innerlikh dnrkh das kehren in Gleichnissen als draußen, außerhalb derjenigen Ge- meinde stehend gelienuzeichneh der er sich aus der blähe und ohne Hülle offenbaren könne, so folgt nun nach dem Gesetz jener Grzählnnggweifn welche mehr die innere Gntwiitieluug bestimmter Zustände und Verhältnisse iu’- Auge faßt, als die gesihiehtliche Reihenfolge der einzel- uen Begebenheiten, die fahrt über das Meer, bei welcher ein Sturm ßeh erhob, der aber auf Christi Wort ßrh legen mußte. Sie erfshetnt in diesem Zusam- menhange alg ein sitd des künftigen seruføwegs der Sänger, den ße ohne die unmittelbare Gegenwart ihres HGrrn durch eine feiudliche Welt werden machen müssen und für den ße hier in sofern oorgebildet werden, al- sie jetzt schon lernen, wag für einer der ist, dessen Wert: sie zn treiben berufen sind, nnd was für eine Macht ihm zu Gebote sieht, alle ihnen entgegentretendeu Saite- oien der feindticheu slläkhte mit Gineni Wort ßegreich ;iärderz;i5fit))lagen. (Vgl. Muth. it, 18—27; Bitte. it, 35. Und an demselbigen [genauer: an jenem] Tage [an welchem er diejenige Seepredigt gehalten, aus welcher oben V. 30 ff. das Gleichniß vom Senfkorn mitgetheilt wurde] des Abends [da er für jetzt nicht nach Kapernaum zurückkehren wollte] sprach er zu ihnen [den Jüngern im engeren Sinne des Worts, deren Zahl damals noch fechs betrug: Simon, Andreas, Jakobus I., Johannes, Philippus und Vartholomäus oder Nathanael]: Laßt Uns hinüberfahren [über das Meer an das südliche Ufer bei Gadara; dem Volke aber gebietet, daß es auch ohne uns nach Hause gehe]. 36. Und sie ließen [solchem Befehle gehorsam] das Volk gehen [aus welchem aber ein Schriftge- lehrter zur Mitfahrt sich anbot; während Jesus diesen zuriickwies, forderte er einen Andern, den » Wind, und sprach zu dem Meer: 476 Thomas, zur Nachfolge auf Matth. 8, 19-—22], und [nun, nachdem er lich« um auszuruhen von des Tages Mühen, nach i dem Hintertheil des Schiffes begeben] nahmen [sie] ihn, wie er im Schiff war lohne daß er erst noch einmal an’s Land gestiegen wäre oder fie selber auf die Fahrt sich weiter eingerichtet hätten, und fuhren alsbald ab]; und es waren mehr Schiffe bei ihm fdie ebenfalls die Nachtfahrt über das Meer machen wollten, wenn auch einem anderen Ziele zu] Es ist offenbar, daß der Evangelist in V. 35 nicht denjenigen Tag meinen kann, von welchem er in V« 1 geredet hat; denn der Ausdruck in V. Bis: »sie nahmen ihn, wie er im Schifs war,« deutet an, daß der HErr, im Hintertheil des Schiffes auf das dort befindliche Kissen sich hinstreckend, bald in Schlaf gesunken sei (V. 38), zu einer Unterredung über die Gleichnisse mit den Jüngern, wie sie an dem in V.1 bezeichneten Tage sich an die Entlassung des Volkes angeschlossen hat tV. 10; Matth. 13, 10 u. 36; But. 8, 9), war also an dem in V. 35 genannten Tage keine Zeit und Gelegen- heit. Nun hat jedoch der Evangelist durch das ,,aber- mal« in V. l zu verstehen gegeben, daß schon früher einmal eiue ganz ähnliche Situation stattgefunden habe wie die, von der er dort ausging; diese frühere See- predigt, auf die er bisher nur nebenbei hingedeutet hat, verfolgt er denn hier weiter und läßt die spätere so sehr in feinen Gedanken fallen, daß er dem Grundtext gemäß zu erzählen anhebt: »Und er sprach zu ihnen an jenem Tage (also nicht an diesem, von welchem zu Anfang des Kapitels die Rede) da es Abend geworden war 2c.«, und wir dürfen nun diese offenbare Riickbeziehung auf frühere Zeit nicht dadurch verwischen, daß wir ,,an dem- selbigen Tage« dafür setzen und so die Beziehung auf die spätere Zeit erst in den Text hineintragen. 37. Uud es erhub sich [da sie schon mitten auf dem Meere waren] ein großer Wiudwirbel und warf die Wellen in das Schiff, also daß das Schiff voll ward fund in Gefahr stund, zu ver- sinken Jon. I, 4]. 38. Und er war hinten auf dem Schiff fwo das Steuerruder sich befand], und schlief auf einem Kissen fJon. J, 5]. Und sie wectten ihn auf, und sprachen zu ihm: Meister, fragst du nichts darnach, daß wir Verderben? 39. Und er stund auf, und bedrciuete den Schweig und verftumuie fvgt zu Brand« s, 26]. Und der Wind legte sich, und fes] ward eine große Stille. 40. Und er sprach zu ihnen fzuerst vorhin, da sie ihn weckten V. 293 Matth. 8, 26]: Wie seid ihr so furchtsam? fund darauf jetzt, nachdem die Hilfe geschehen war Luk. 8, 25:] Wie, daß ihr keinen Glauben habt?* 41. Und sie fürchteten sich sehr, und sprachen unter einander: Wer [alfo] ist der« [Matth. 8, 27 Anm.]? Denn Wind und Meer find ihm ge- horsaur V) Wechselfeitiger Vorwurf: die Jlinger machen dem HErrn den unbegrlindeten und unehrerbietigen Vorwurf der Sorglosigkeit, er seinerseits macht ihnen den wohlbegrtindeten Vorwurf der Verzagtheitz des Evangelium Marci 4, 37——41. 5, 1—15. Mangels am Glauben; jene sprechen ihren Vorwurf voreilig aus, ehe sie die Entscheiditng des HErrn ab- gewartet, Christus spricht den seinigen erst dann voll- ständig» aus, nachdem er geholfen hat. Diese Thatsache wiederholt sich oft in den großen Nöthen der Kirche, wie in den Drangsalen des einzelnen Christenlebens. (P. Lange.) «— THE) »Wer ift also dieser?« fragen sie, weil sie aus dem» so eben Gesehenen und Erlebten folgern, als wollten sie sagen: wofür haben wir dem- uach diesen zu halten? (v. Burgen) Das 5. Kapitel. Vom Besessenen, dem blutfläfsigen Weibe und Jairi Töchterleiir V. u. 1-43. (§. 35 u. Zu) nie Iiiugee koste« are: für ihren künftigen serusawcg tu der islachfolge Scsn einerseits auch lernen, welrhe sclbfiverlengnendr Geduld nnd Geuägsamtieit fie bei Jtusrichtung ihres Jtmtea denen gegenüber würden beweisen müssen; welchen Hei! und wohtthaten zu bringen sie benimmt waren, wenn he nun wenig Ausnahme mit ihrer Heilgprcdigt nnd wun- derhilfe finden würden; und andrerscita sollen fie lernen, was dagegen der Glaub: an Sesn Namen für seine Macht bei denen set, die diesem Glauben in ihrein Herzen dlaunk ncrstatteu würden, wie sie demselbigen alle Heilgansprüche zugestehen und da, wo er iu seiner tliühuhctt und Zuversicht angefokhten werde, selber zu rekht großen Ztrisorächeu ermnntrrn könnten. Mk! der Geschicht: von dem besessenen Gadareuriz die sich zeitgeschiojtlich unmittelbar an die vorhin erzählte se— gebrnheit aufrhließh wird daher hier sogleich dte von dem blutflüssigen Weibe nnd Iairt Tochter— lein verbunden. Sagt· Matth Z, Eli-M; 9, til-A; u. rate. n, 26—56.) 1. Uud sie kamen fmit Tagesanbruch] jeuseit des Meers, in die Gegend der Gadarener fin das bis an’s Seeufer sich erstreckende Gebiet der Stadt Gadara, s. Karte VI] 2. Und als er aus dem Schiff trat, lief ihm alsobald fweil gerade wieder einmal am Meeres- gestade sich herumtreibend] entgegen aus den Gra- bern [die er hinter sich zurückgelasserq ein befesfeuer Mensch mit einem unsaubern Geigå s s. Der feine fgewöhnlichej ohnung in den fziemlich weit vom Ufer entfernt liegenden] Grä- bern [bei-Gadara] hatte. Und niemand konnte ihn [in seinem jetzigen, bis zur ärgsten Raserei fort- gefchrittenen Zustande] binden, auch nicht mit Ketten. 4. Denn er war further] oft mit Fesseln fan den Füßen] und Ketten san den Händen] gebunden gewesen fwas auch immer eine Zeitlang von Er: folg war], und hatte fdann doch] die Ketten [immer wieder, wenn die Raserei zu einem neuen Ausdruck) kam] abgerissen und die Fesseln zerriebeu, nnd nie- mand konnte ihn sieht, um diese Mittel der Bän- digung aufs Neue zu versuchen, mehr] zähmen [so daß er die ganze Umgegend unsicher machte Matth 8, 28]. « fehlstvort Jesus stillt den Seesturm und heilt den besessenen Gadareneu 477 Z. Uud er war allezeih beide Tag und Nacht, auf den Bergen und in den Gräbern, schrie und, schlug fiel) [in sein-er wider den eigenen Leib wüthew den Tobfuchq mit Steinen. -6. Da er aber Jefum sahe von ferne, lief er zu und ßel vor ihm nieder, schrie laut, nnd sprach sdeni wohl noch nicht ausgesprochenen Be: V. 8 actgstvoll entgegensehend Kap. l, 24]: . 7. Was hab ich mit dir zu thun, o Jesu, du Sohn Gottes, des Allierhöchftcnk Ja) beschwbre dich bei Gott, daß du mich nicht qnaleft sdurch das Gebot des Ausfashrenss 8. Er aber sJesusj sprach zu ihm sder also aus dem Besessenen redete]: Fahre ans, du un- saubserer Geist, ans dem Menschen sdeu du zu dessen Qual in Besitz» genommen] Wie der Befessene den HErrn erblickt, kommt er gegen ihn dahergeftürztz ist es der innere Zwiespalt zwifchen dem fremden Geist und dem Menfchen selber, welcher ihn treibt? vielleicht noch eher zuerst ein Anfall von Raserei; der HErr aber in majestätifcher Ruhe ge- bietet dem Geist, daß er von ihm ausfahrej Das ge- schieht dies Mal nicht in Einem Augenblick; wie dort in Kaki. 8, 22 ff. der Kleinglaube des Blinden, so ist es hier die Bosheit des unsauberu Geistes, welche die Hei- lung zu einer allmäligen macht. Aber das Machtwort Jesu hat doch den Rafenden niedergeworfen, und auf den Knieen fleht er und befchwört sogar den Errn im Namen Gottes, daß er ihn nicht quäle. elch ein Jammerbildl Jst es denn nicht des Menschen Erlösung, wenn Jesus die Teufel quält? aber so gänzlich ist der Unglitckliche durch die heillose Macht gefesselt, so völlig ist sein Selbstbewußtsein durch den Wahnsinn gebunden, daß er der ihn beherrschenden Macht feine Lippen lei en und für dieselbe bitten muß gegen sein wahres Sel it. Der HErr aber erkennt in diesem verkehrten Flehen, in dieser äußerster: Unterdrückung dennoch das wesent- liche Flehen des elenden Menschen; er hört ans der seltsamen Beschwörung das Bedtirfniß heraus, das um so lauter zu eihm»schreit, je tiefer es geknechtet ist, so daß es fich nicht auszusprechen weiß. Der Mensch ist gezwungen zu bitten, daß er nicht geheilt werde; darin aber bittet er , ohne es sagen zu können , daß er doch möchte geheilt werden. Das menschliche Jch fleht zum Erlöses-r, daß er fich seiner erbarme; es fleht in der Form, die ihm einzig übrig gelassen ist; und der HErr erhört das Flehen, wie er von Petrus, dem süudigen Menschen (Luk. 5, 8 ff.), nicht ausging. — Wir sahen, daß es zweierlei ist, besessen sein und ein Teufelsknecht in Sünden fein (1.Sam.16,14 u. Matth.8, 34 Anm.); aber das erste ist doch ein Bild des zweiten, wie die verfchiedenen leiblichen Uebel Gleichnisse sind der ver- wandten Gebrecheic des Herzens. Und auch von der zweiten Art der Satansknechtschaft uns zu befreien, auch den Teufel der Bosheit und die nusauberen Geister jeglicher Sünde aus Herz und Willen zu vertreiben ist Jesus allein der rechte Helfer. Der Befessene ist ein Gleichniß des Sünders, wie er unter den Fluch der Sünde verkauft und geknechtetz in fremder Botmäßigkeit wider fich. selbst, nicht mehr sein eigener Herr, sondern der Feind feiner selber ist; aber auch hier, wenn ihm der Helfer nahe kommt, merkt er wohl desselben Macht, widerstrebt ihm aber, hat Angst vor der Berührung mit dem Heiligen Gottes, meint, er müßte fein Leben lassen, wenn er die Stindeugewohnheit las-sen sollte, fürchtet jede Aenderung als« ein Unglück, hält krampfhaft fein-Elend fest, wünscht das Unausweichliche wenigstens noch hin- auszuschiebent ,,qnäle tnich doch nur jetzt noch nichts« 9. Und er fragte ihn sindem er jetzt zur wirklichen Austreibung des. bösen Geistes schritt]: Wie heißest du? und er antwortete und sprach: Legion [d. i. eine Heeresabtheilung von 6000 Mann Matth. 26, 531 heiße ich, denn Unser sdie wir den HJienschen besessen haben] ist viel ses ist das »k)alb ein Wort des kriegerischen Trotzes, welcher steh der Einwirkung noch durch eine Prahlerei zu erwehren fucht, halb ein Wort uusäglicher Klage, sofern das leidende Bewußtsein des Dämonischeu dabei mitwirkt«]. 10. Und er sder einzelne Wortführer dieser Vielen] bat ihn sehr, daß er sie nicht aus derselben Gegend swo sie bisher ihr Wesen hatten treiben dürfen, in den Abgrund] triebe sjsouidern ihnen einen ferneren Aufenthalt in der Nähe gestatte] 11. Und es war daselbst an den Bergen sauf einer, in einiger Entfernung gelegenen Anhöhej eine große Heerde Siiue an der Weide. 12. Und die Teufel sdie ihrer eben ausge- sprochenen Bitte gemäß in derselbigen Gegend bleiben wollten] baten ihn alle, Und sprachen: Laß uns in die Stille fahren sdenn so, meinten sie, würde ihnen jene ihre Bitte noch am ehesteu ge- stattet werden]. 13. Und alsobald erlaubte es ihnen Jesus [da das Anliegen in dieser Form ganz seinen wei- teren Absichten entsprach, denn die so sorglos an die Züchtung unreiner Thiere sich hingebenden Ga- darener sollten einmal die Schrecken des Geister: reichs zu erfahren bekommen] Da fuhren die unsaubern Geister aus svon dem Meenschen]," und fuhren in die Säuez und die Heerde sdurch die in sie sahrenden Dämonen in ein furchtbares Angst- gefühh das sie rasend machte, versetzt] stürzte sich mit einem Sturm [oom Abhang herab] ins, Meer —— ihrer war aber bei zwei tausend —"—, und er- soffen im Meer. 14. Und die Sauhirteu flohen, und verkün- digten das in der Stadt, und auf den: Lande. Und fie [die Stadtbewohner und die Ackerhofsbe- fitzer der Umgegend, denen die Heerde angehörte] gingen hinaus zu sehen, was da geschehen war. 15. Und kamen zu Jesu, und sahen den, so von den [vielen, in V. 9 mit ,,Legiou« bezeichneten] Teufeln besessen war, daß er saß sstatt wie vor- mais sich umher zu treiben], und war bekleidet swährend er früher es liebte, seine Kleider unge- braucht zu lassen und nackend umh-erzulaufen»Luk. 8, 271 Und sbenahm sich in federHinsicht ganz] vernünftig, und ssies fürchteten fich svor der in Jesu verborgenen Gottesmajestät, zu dessen Füßen der Mensch wie ganz von ihm hingenommen da- faß Luk. 8, 35]; . 478 Evangelium Marci 5, 16—34. Its. Und die es gesehen hatten, sagten ihnen, was dem Besessenen widerfahren war, und [so auch die Geschichtej von den Säuen. 17. Und sie fingen an [nur schüchtern und erst nach und nach mit der Sprache herausrückenn was sie von ihm begehrten] nnd baten ihn, daß er aus ihrer Gegend zbge sweil sie befürchtetery noch weitere Gerichte durch ihn erfahren zu müssen]. Jesus fragt den Besessenen, wie er heiße? Will er wohl den Kranken zur Besinnung bringen und fragt daher nach dem menschlichen Namen? oder fragt er, da- mit der böse Geist, der bis jetzt noch Widerstand ge- leistet, seinen Charakter kund gebe, zur Verherrlichung dessen, der sich als den Stärkeren zu erweisen gedachte? Jedenfalls höchst seltsam lautet die Antwort: ,,Legion, denn unser sind viele«; es liegt darin das Aei1ßerste von Verwirrung, wenn wir uns dieses Wort denken als dnrch Eines Menschen Mund gesprochen, der Un- glückliche muß sich selber mit dem Inbegriff von bösen Geistern, die in ihm hausen, verwechseln. Weiter aber knüpft sich daran die Bitte der Dämonen, in die Schweine fahren zu dürfen, die in einiger Entfernung weiden; u diesen unreinen Thieren haben sie Lust, die in der Zahl von Tausenden in Palästina gar nicht sollten gehalten werden. Der HErr gestattet die Bitte, und die Dämonen fahren in die Heerde; solche Erweisungen des Ausfahrens kommen außerdem in keiner neutestament- lichen Geschichte vor. Wer weiß, welchen Einflüssen, ähnlich denen, welche die Menschen erleiden, die Thiere ausgesetzt sind? Leibeskrankheiten vererben sich auf sie; auch das Rasendwerden kann sie befallen, besonders auch die Schweine. Aber warum zerstören die Teufel so- gleich wieder die kaum gewonnene ZUslUchtsstätteP ge- schieht es, um dem HErrn zu schaden? Eher nehmen wir an, daß sie nur eine Bosheit auszurichten begehrten, welche dann gegen ihre Berechnung auf sie zurückfiel; vielleicht wollten sie die Schweine mörderisch rasend rnachen, dann aber ging- es ihnen wie dem rnenschlichen Sünder, der sich gegen seine Rechnung das Leben ver- kürzt. Daß aber Jesus· solchergestalt mit fremdem Eigenthum schaltete? Wir sagen nur: die Gadarener sel er, da sie den Menschen geheilt und vernünftig fau- den, wagten keinen Vorwurf zu erheben —- wer will ihr unberufener Anwalt werden? Wo es die Heilung eines Menschen bedarf, der nur geheilt und von der Heilung überführt werden konnte, wenn es geschah, was er gezwungener Weise hatte erbitten müssen, wer wollte so herzlos sein, die Thiere höher anzuschlagen? Thiere besonders, die in Jsrael nur aus Gewinnsucht gehalten wurden, deren Verlust sich die Besitzer zur Strafe rech- neu sollten? Und wenn es oft die Weise des HErrn ist, durch Nehmen viel herrlicher zu geben, hatte er nicht schon gegeben? war nicht der ganzen Gegend eine Befreiung zu Theil geworden von dem, was lange ge- nug ihr Schrecken gewesen war? Und was ist Schuld, daß nun die Gadarener nicht den höchsten Segen und zu demselben auch äußerlich einen hundertfachen Ersatz gewannen, »was anders als die Kurzsichtigkeit ihres Un laubens? Den größten Schaden haben sie sich selber gethan, indem sie ihr Vieh mehr liebten als die Men- schen, indem sie Jesum baten, »von ihnen zu weichen, so traurig-ungleich den Samaritern "(Joh. 4, 40), die ihn baten, bei ihnen zu bleiben. (Riggenbach.) 18. Und da er [Jefus, dem Begehren der Gadarener gleich bei dessen erster Aeußerung will- fahrendj in das Schiff trat, bat ihn der Besesseny daß er möchte bei ihm sein ssich ihm als Begleiter und Nachfolger anschließen dürfe]. 19. Aber Jesus ließ es saus guten Gründen Matth 9, 1—Anm.] ihm nicht zu, sondern sprach zu ihm: Gehe hin in dein Haus, und zu den Deinen, und vertiindige ihnen, wie große Wohlthat dir [Gott] der HErr sdiirch die Heilung von dem so entsetzlichen Uebel] gethan, nnd steh deiner er- barmet hat sdurch Zusendung dessen, dem auch die bösen Geister: unterthan sind]. 20. Und er ging hin lohne gerade sich zu- nächst zu den Seinigen zu wenden], und fing an auszurufen in den zehn Städtem wie große Wohl: that ihm Jesus gethan hatte. Und jedermann sder es hörete] verwunderte sich. Der gewöhnliche Weltsmn achtet die Umwandlung« durch die Kraft Christi für nichts; es stört ihn aber auch, weil dabei Hand gelegt wird an die gewöhnlichen Verhältnisse, in denen er lebt und sich wohl befindet, er sucht daher alle göttlichen Werkzeuge, die starke Erwe- ckungen in den erstorbencn Gemüthern hervorbringen, von sich fern zu halten. Wie die Gergesener stoßen Viele den Glauben an Christum von sich, bald mit Ge- walt, bald mit Höflichkeiy sie suchen des ihnen lästigen Evangelii los zu werden. (Heubner.) Die Christenheit ist voll Gergefener. (Brentius.) Dem dunkeln Gadareners lande läßt Christus für einstweilen einen Stellvertreter zurück, so lange sie seine persönliche Gegenwart nicht ertragen können. (P. Lange) Das Wunder zu Ga- dara, eine Offenbarung der Herrlichkeit des tZErrm 1) als des Sohnes des lebendigen Gottes, ) als des Königs der Geisterwelt, s) als des Erretters der Clendery 4i als des Heiligen, der nicht vergebens sich bitten läßt wegzugehem lvan Oosterzee.) 21. Und da Jesus wieder snach dem andern, diesseitigen Ufer, von welchem er in Kap. 4, 35 ausgefahrem also nach der Gegend bei Kapernaum und Bethsaidaj hernberfnhr im Schiff sbessem her- über gefahren war tin SchiffL versammelte sich seiwa 8 Tage später, als er vom Gasimahl des Levi kam Kap.2, 15—22; Matth I, 18 Anm. l] viel Volks zu ihm, und [er] war an dem Meer [denn in der Nähe des Seeufers befand sich indes Levi Hauss Seit Kap. 3, 7 ss. ist es das Meer und das Schiff, was die Gedanken des Eoangelisten beschäftigt; auf das Meer ist der HErr vorn festen Lande hinaus- gedrängt, daß es ihm zur nunmehrigen Stätte seiner Wirksamkeit geworden und er nur noch die Ufer berüh- ren kann, a er er hat sich auch für dieses Arbeitsfeld schon eine Unterlage zugerichtet in dem Schiff, das fort und fort für ihn bereit steht nnd gleichsam das Haus bildet, in welchem er seine Familie, die Jlingey bei sich hat, um sie zu lehren und zu üben (Kap. Z, 12 Anm.). Dieses Bild — ein Abbild von dem Stande des Reiches Gottes zu der Zeit, wo St. Markus sein Evangelium in Rom schrieb — schwebt ihm so sehr in dieser dritten Gruppe von Erzählungen (Kap. Z, 13—- Z, 43) vor den Augen, daß er im vorliegenden Verse sich nicht begnügt von einem bloßen Herüberfahren nach dem dieseitigen Ufer zu berichten, sondern das selbstver- ftändliche »in dem Schiss« noch ausdrücklich hinzuftigq und ebenso, was für die folgende Geschichte von unter- geordneter Bedeutung scheint, unterliißt er dennoch nicht Heilung des blutflüssigen Weibes. zu bemerken, daß Jesus nämlich ,,an dem Meer« sich befand, als Jairus mit seinem Anliegen sich an ihn wendete. Hiernach haben wir -keine Veranlassung, eine chronologisch genaue Zufammengehörigkeit des nunmehr beginnenden Abschnitts mit dem vorhergehenden voraus- zusetzen, zumal das »und er war an dem Meer« nicht sowohl an die Worte des 2l.Verfes sich anschließh als vielmehr den Inhalt des 22. einleitet; unftreitig gebührt in der chronologiichen Zusammenordnung der Begeben- heiten dem Matthäus der Vorzug , der dann aber von Seiten der anschaulichen und eingehenden Darstellung hinter Markus zurücktritt und mehr in kurz zusammen- fassender Weise erzählt. 22. Und siehe, da fwährend Jesus mit den Pharisäern nnd den Johannisjüngern verhandelte] kam der Obersten einer von der Schule seiner von den Synagogenvorstehern Kapernaumss mit Namen Jairus [aus seinem Hause daher» geeilt]. Und da er [Jairus] ihn [den HErrn Jesum] sahe, fiel er ihm lohne durch die Rücksicht auf seine anwesenden Parteigenossen sich von solcher hohen Ehrenbezew gung abhalten zu lassen] zu Füßen, 23. Und bat ihn sehr, Und sprach [wenigstens hatte er so sagen wollen, wenn auch in dem ent- scheidenden Augenblick er noch mehr sagte, als feine ursprüngliche Absicht wars: Meine Tochter ist in den letzten Zügen; du wolleft kommen, und deine Hand auf sie legen, daß sie gesund werde, und lebe [vgl. Matth. 9, 18]. » 24. Und er [Jesus, der da wohl wußte, wie es um das Kind in Wirklichkeit jetzt schon stnnd V. 35, vgl. Joh. 11, 3 u. 4., sich sofort auf: machend] ging hin mit ihm; und es folgte ihm viel Volks nach, und sie drangeten ihn. 25. Und da war ein Weib, das hatte den Blutgnng zwölf Jahre gehabt, 26. Und viel erlitten von vielen Aerzten [die bei den Juden gerade mit blutfliisstgen Weibern gar vielerlei Experimente zu machen pflegten und bald dies bald das verordneten], und hatte alle ihr Gut darob verzehret, nnd half ihr nichts, son- dern vielmehr ward es ärger mit ihr. 27. Da die von Jesu hbrete swie mächtig er wäre, von allen Krankheiten zu helsenL kam sie [weil ste es nicht wagte, ihre Sache offen auszu- sprechen] im Volk fdas in gedrängter Masse ihn umgab] von hinten zu, und richtete fein Kleid [an dessen Troddeln des unteren Saumes] an. 28. Denn sie sprach: Wenn ich nur sein Kleid mbchte anrühren, so würde ich gesund« 29. Und alsobald sals sie solchem Glauben gemäß auch handelte] vertrocknete der Brunnen ihres Bluts [denn bisher war dasselbe so reichlich und beständig wie einer nicht zu verstopfenden Ouelle ihr entströmtjz und sie fühlte es am Leibe, daß sie von ihrer Plage war gesund worden. 30. Und Jesus fühlte alsobald an ihm selbst die Kraft, die von ihm sbei diesem Vorgang] aus- 479 gegangen waryir und wandte sich [da er die Sache nicht in Verborgenheit lassen, sondern zum Seelen- heil des Weibes, der Jiinger und der Umstehenden noch weiter verwerthen wollte] Um zum Volk Und sprach: Wer hat meine Kleider aUgerühretL 31. Und die Jiutger [in deren Namen Petrus das Wort fiihrete Luk. 8, 45] sprachen [als sich niemand meldete] zu ihm: Du siehest, daß dich das Volk soon allen Seiten] dränget, und sprichst sals ließe sich aus der Menge derer, die dich an- gerührt, noch eine einzelne Person herausgreifem die das gethan]: Wer hat mich ungerührt? 32. Und er [nach einer Erwiederung aus diese Gegenrede Luk. 8, 461 sahe sich um nach der, die das gethan hattet« [ihn in solcher Weise und mit solchem Erfolge angerührt, daß eine Kraft von ihm ausgegangen war]. 33. Das Weib aber fürchtete sich und zitterteck denn sie wußte, was an ihr geschehen kund sie also diejenige] war [die Jesu Auge und Frage suchte, und meinte, sie habe seinen Unwillen durch un- rechtes Thun erregt], kam und fiel [Gnade ersie- hend] vor ihm nieder, und sagte ihm die ganze Wahrheit [so daß. sie nichts verhehlte und nichts anders darstellte, als es sich in Wahrheit verhielt]. » 34. Er aber sprach zu ihr: Meine Tochter, dem Glaube hat dich gesund gemacht; gehe hin mit Frieden [1. Sam. 1, 17], nnd sei [in Kraft meiner nun auch öffentlich ausgesprochenen Ge- währung deiner fetzt offen ausgefprochenen Bitte] gesund von deiner Plagr.H V) Es wird schwer halten, sich ein klares Bild von dem Glauben dieses Weibes zu machen, jedenfalls aber dachte sie, daß äußerlichen Contakt kein Heil ihr widerfahren könne; sie braucht, wie Luther sagt, das Kleid als eines äußerlichen Mittels und Zeichens, damit sie ja etwa whmit an Christus gelange, leichwie wir auch nichts anderes haben in diesem eben und im Reich des Glaubens denn das äußerliche Wort und Sacramenh darin er sich uns als in seinem Kleide äußerlich zu berühren und zu ergreifen giebt. (Nebe.) —- ") Nicht durch die Ve- rührung war die Heilung bewirkt worden, berührten ihn doch Viele; sondern durch den Glauben, der in der Berührung sich bethätigta Der Glaube fand Ge- währung, und Jesus erkannte bei sich selbst (Luther: ,,ftihlte an ihm felbst«) diesen Vorgang mit derselben Sicherheit, als er der Menschen Gedanken durchschautn Kap. L, s; Joh. L, 25. (v. Burgen) Man kann zwei- felhaft sein, wie das griech. Z» Spruch; gemeint sei, ob an stch oder in sich. Auf die erstere Weise nimmt es Luther; es wäre dann entsprechend dem, was in V. 29 von dem Weibe gesagt ist: »ste fühlte es am Leibe«, und würde darin liegen, daß Jesus irgendwie eine kör- perliche Empfindung davon gehabt hätte, daß von ihm eine Kraft ausgeströmt sei. Nimmt man es dagegen auf die andere Weise: »in stch«, d. i. in seinem Inne- ren, so dürfte man das Ganze doch nicht so fassen: da Jesus in seinem Inneren um die von ihm ausgegangene Kraft wohl wußte, sondern: da er in seinem Inneren ohne solch eine Berührung, ohne solcheni 480 Evangelium Marci 5, 35-43. erkannta daß die ans ihm kommende Kraft von ihm ausgeströmt war; immerhin scheint darin zu liegen, daß Jesus nicht blos vermöge seines höheren Wissens im Allgemeinen darum gewußt habe, was die Frau begehrte und gethan hatte, sondern daß er durch die in bestimmter Absicht geschzeheue Berührung des Weibes ein bestimmtes, sei es innerliches Bewußtsein oder körperliches Gefühl davon erhielt, daß eine Heilkraft von ihm ausgeströmt seiszwie dasselbe auch in den Worten Jefu bei« Lukas 8, 46 zu liegen scheint. (Bleek.) Es ist und bleibt im- mer eine schwierige Frage, wie wir dies Ausgehen uns vorstellen müssen; gewiß nicht in der Weise, als ob seine Heilkraft einer« elektrischen Batterie ähnlich wäre, "die sich bei der geringsten Berührung unwillklirlich ent- laden müßte, Es geht nichts von ihm aus, ohne daß er es will; aber er hat immer den Willen zu helfen, wo und sobald er— nur gläubiges Vertrauen antriffh Es ist also nicht uutuillklirlich, sondern wohlbetviißh daß er Heilkraft ansströmen läßt, wo die Hand des Glaubens ihn angreift; das Volk drängt ihn von allen Seiten, erfährt aber von der jederzeit bereiten Heilkraft nichts, wenn auch der eine oder der andere eine verborgene Krankheit gehabt hätte, blos weil dieser Glaube, dieses Vertrauen ihnen fehlt. " Und daß diese Kraft von dem HErrn ausgeht, darin wird doch wohl ebensowenig etwas Anstößiges liegen, als daß der heil. Geist von dem Vater ausgeht: Joh. 15, W. « ldan Oosterzee.) Calovius be- » nntzte die Stelle gegen die Calviniftem welche dem Fleische ChrM göttliche-,,Kraft absprächen (Meher·) l ) Warum dreht er sich um? Chrysostomus giebt drei Gründe an: er will Fürsorge treffen, damit das Weib sich später keine Vorwürfe macht, daß sie die Gabe gestohlen habe; zweitens will er ihren Glauben fördern, sie soll erkennen, daß sie ihm nicht verborgen bleiben konnte, und drittens will er sie den Andern als eine rechte Glaubensheldin vorstellen. Ich möchte aber noch den weiteren Grund hinzu’iigen, daß er ihr zu der Erkenntniß helfen wollte, nicht das äußere Anrühren seines Kleides habe ihr geholfen, sondern sein heiliger Wille. Gliede) Christus befreit sie nicht nur von ihrer Krankheit, sondern auch von der krankhaften Sehen und Furcht ihres weiblichen Bewußtseins: auch die Scham- haftigkeit bedurfte der Befreiung und Heiligung durch den Geist der Wahrheit. (P. Lange) f) Das Weib fürchtete stchi theils beschämt über die Art ihrer Krankheit, theils beunruhigt durch das Schuld- betpußtseim als gesetzlich Unreine sich unter das« Volk gemischt und sogar den erhabenen Lehrer selbst berührt zu, haben. (Richter.) Es ist menschliche Schtvachheit und Blödigkeitz daß wir oft meinen, wir habecss unrecht gemacht, da es doch gar wohl gemacht worden· (Cramer.) ff) Zweierlei Hände gehören dazu, wenn ein Almosen gegeben werden soll: die Hand des Gebers und die Hand des Nehmerszund wenn eine von beiden fehlt, so kommt die Wohlthat gewiß nicht zu Stande. Wenn irh mir nun einen Geber denke, der am Geben seine größte Freude hat, der es empfänglichen Herzen dankt, daß ste ihn seine Seligkeit zu geben an ihnen erfahren lassen, so kann ich mir auch denken, wie ein solcher die Ehre der schönen That auf die nehmen- den Herzen überträgt. Und so ist Jesus: er hilft, und weil er gerne hilft, aber den Unwilligen und Unglau- bigen weder helfen will noch nach des Reiches Satzung— kann, so freuet er sich, wenn ihm gläubige Herzen ent- gegenkonimezy und legt ihnen die Ehre bei, daß ihm sein Werk on ihnen gelingt. Sie hingegen, diese Herzen, werden ihrerseits einsehen, wie es gemeint ist, werden ihren Hlkrrn erkennest »als den einzigen Brunnen ihrer Hilfe, werden ihm allein die Ehre geben und lebenslang nicht die Stunde vergessen, wo ihr betender, hilfsbe- gieriger Wille seinem freundlich gewährenden, gleichfalls hilfsbegierigen Willen entgegenkam, der doppelte treue Wille des Helfers und des Elenden sich vereinteund von dem mächtigen Willen des Helfers alle Noth gestillt und Freude statt Klage in’s Herz gebracht wurde. (Löhe.) 35. vom Gesinde des Obersten der Schule, nnd spra- chen: Deine Tochter ist» gestorben, was mithest [Jes. 3, 24 Anm. I] du weiterden Meister ldaß er vollends in dein Haus komme, da ja doch nun nicht mehr zu helfen ists? · 36. Jesus aber horete bald die Rede, die da gesagt ward, nnd sprach zu dem Obersten der Schule [an dessen Seite er einherschritt]: Flttehte dich nicht lals sei wirklich alles nun verloren], glaube nur [an die Gnadenmacht dessen, den du zum Helfer dir erkoren, auch noch weiterhin]. 37. Und ließ [da er nun bis an Jairi Haus gekommen« und in dasselbe eintreten wollte] nic- maud ihm naehfolgety denn Petruny und Jakobuuy und Johannen, den Bruder Jakobitt [denen er in Kap. 3, 16 u. 17 vor allen Aposteln besondere Namen gegeben und die er auch späterhin auszeichnen Kap. 9, L; 14, 33]. V) Das ift ein harter Stoß, sder den Hoffnungs- glauben des Vaters zu erschüttern droht, was ihm von seinem Kinde jetzt genieldetwirdx da fängt es ihm an vor den Augen zu dunkeln wie einem , der in die tiefe Nacht verfinkeit will. Aber der HErtz der an seiner Seite geht, reicht seinen! siukenden Glauben die Hand, wie einst dem Petrus auf dem Meer, nnd hält ihn, daß er nicht gar unterfinken muß. Wieviel wäre davon zu reden; aber ich begnüge mich, die Treue unsers Gottes zu preisen, der nicht nur durch seine Gnade den Glau- ben in uns weckt, sondern auch unsern schwachen und wankenden Glauben trägt durch die Kraft seines ewigen unwandelbaren Worts, welches die lebendige Gestalt seines Geistes ist. An dieses Wort, nicht an die Ge- danken, auch nicht an die Empfindungen, Bewegungen und Gefühle eures Herzens, sondern an dieses helle, feste, unwandelbare Wort haltet euch unter allen An- fechtungen und Schwankungen, die eurem Glauben dro- heu von innen oder von außen; es wird euch sicher hin- übertragen über alle Tiefen, es wird uns nicht entfallen lassen von des rechten Glaubens Trost: getreu ist Er, der uns ruft; welcher wird’s auch thun. (Thomasius.) «) Bei seinem letzten Aufenthalt zu Jerusalem am Pfingstfest (vor etwa Monaten) sagte Jesus: »Der Vater hat den Sohn lieb und zeigt ihm alles, was er thut, und wird ihm noch größere Werke zeigen, daß ihr eucxh verwundern werdet« (Ioh. 5, 20). Dies war nun ein solches größeres Werk, worin er wie in allen Werken seines Vaters, die er that, sich als den Christus und Gottes Sohn erkannt haben wollte, und das grö- ßere Verwunderung erregte, als alles, was er bis da- hin gethan hatte; obgleich er dieser großen That ihre volle Wirkung auf die Gemitther der Menschen nicht ließ, indem er, seine 3 Jünger abgerechnetz nur zweien« Menschen erlaubte, Augenzeugen derselben zu sein, und auch diesen noch verbot, davon zu reden. Wie er den Tag seines irdischen Wandels und Wirkens nicht zu verlängert: begehrte, so wollte, er ihn auch nicht ver- kürzen, nichts vor der Zeit beschleunigecq er wußte aber, daß, je unverhüllt-er er in Wort »und That als der Christus Gottesshervortrety die Verehrung und Liebe Da er noch also redete, kamen etliche« Auferweckung der Tochter des Jairus. 481 der Wenigen, die ihn als solchen erkannten, desto lauter sich aussprechen, aber auch alle Kräfte der Finsterniß, desto mächtiger gegen ihn aufgeregt, ihm und seinem Wirken unter den Menschen jedes ersinnlichesinderniß in den Weg legen würden. (Menken.) Jene ewißheit, daß er das Mädchen retten werde, konnte er nur haben, wenn er wußte, daß das Anliegen des Jairus ein ihm von Gott aufgetragenes Werk war; ließ dann Gott, bevor er es ausgerichtet hatte, das Mädchen sterben, so war sie gestorben, um von ihm in’s Leben zurückgerufen zu werden. Aber in der gewissen Erkenntniß, daß er nun, statt zu einer getvöhnlichen Krankenheilung, zu einer Todtenerweckung gehe, läßt er jene Aenderung in seinem Zuge eintreten, wodurch er verhütet, daß auch Solche seine unverhiillte Herrlichkeit sehen, die in ihr mehr gesehen hätten, als sie vorher von ihm geglaubt hatten, denen also das sittliche Verhalten des Glaubens dadurch erspart worden wäre. (Klostermann.) 38. Und er kam in das Haus sden Vorder- raum des Hauses] des Obersten der Schule und sahe das Getümmel [der sofort nach dem Sterben des Kindes von den Angehörigen herbeigernfenen KlagepersonenL und [sie] die da sehr weinten nnd heulten [2. Satt« s, 21 Anm.]. 39. Und er ging hinein, nnd sprach sbesserx Und indem er hineinging oder eintrat, sprach er] zu ihnen: Was tnmmelt und weinet ihr? [,,Meinet ihr, ihr wollet mit der Leiche gehen? O nein, gehet an andere Orte, da jemand gestorben ist:« Luther] Das Kind ist nicht gestorben, son- dern es schläft. Und sie verlachten ihn [weil ste meinten, er rede vom leiblichen Schlaf und tröste ganz thörichter Weise sich und Andere mit falscher Hoffnung Joh. II, 11—131. i Todt ist sie freilich, denn sie ist soeben gestorben, und die Ihrigen, die es mit angesehen haben, und das Volk umher wissen es auch wohl; darum lachen sie seiner Rede, sie ist eine Thorheit in ihren Augen. Aber vor feinen Augen schläft sie nur, der Tod seiner Todten ist nichts als ein Schlaf vor ihm; mit diesem Wort nimmt er dem Tode seine furchtbare Gestalt, denn Schlaf ist ja nicht Vernichtung, sondern ein stilles, heim- liches Leben. Wenn einer schläftz ist es nicht gar aus mit ihm, sondern über den Schlafenden ist die Hoffnung des Erwachens hingebreiten wer das weiß und glaubt, der kann sein Haupt im Tode ruhi niederlegen, er ist des Auferstehung-morgens, der inter seinem Grabe herauszieht, gewiß. (Thomas»"tus.) Wie Jesus nicht lange vorher (Matth. 8, 22) in der Weise und Sprache höherer Ansicht und Erkenntniß von Todten redete, die Gestorbene begraben, und also, obgleich sie in der irdi- schen, menschlichen Ansicht für Lebendige gelten, in einer höheren Ansicht aber für Todte erklärte, so redet er auch hier mehr göttlich als menschlich; ihm leben sie alle, sagte er von seinem himmL Vater, wenn er von den Gestorbenen redete, von denen man, auf Erden sagt, sie sind todt (Luk. 20, 38). Dies Mädchen aber war um der fast augenblicklich nach ihrem Tode erfolgten Auferweckung willen, die ihm so gewiß und leicht war, so viel weniger das, wofür die übrigen Todten und» Sterbenden von den Menschen angesehen werden, sie war um so viel mehr als eine Schlafende anzusehen. (Menken.) 40. Und er trieb sie alle lmit scharfem Be- fehiswortj ans, nnd nahm mit sich den Vater des Kindes, und die Mutter, und die bei ihm waren sdie 3 Jünger V. 37]; und ging hinein kin das GemachL da das Kind lag. 41. Und er griff das Kind bei der Hand, und sprach zu ihr [auf Aramäisch Kap. s, 17; 7, 11. 34; 14, 36; 15, 34]: Talithu kumizt das ist verdolmetschet: Mägdlein, ich sage dir sdiese Worte: ,,ich sage dir«, gehören nicht mit zur Ueber- setzung, sondern sind nur eine Veranfchanlichung des Bewußtseins göttlicher Machtdollkommenheih womit Christus redete], stehe auf. 42. Und alsobald stund das Mägdlein [dessen Geist auf solches Wort hin wiedergekehrU auf, und wandelte; es war aber zwölf Jahre alt strat also mit diesem Anfstehen und Umhergehen in die seiner Altersstufe entsprechende Lebensthätigkeit wieder ein, als wäre sie nicht einmal krank gewesens Und sie entseszten sich über die Maße [Matth. 9 , 26 Anm.]. 43. Und er verbot ihnen hart, daß es nie- mand wissen solltetr kwas mit dem Mägdlein eigentlich geschehem sondern sie sollten die Sache in ihrer unbestimmten Allgemeinheit lassen, daß die draußen darüber denken mochten, wie sie selber tvolltetqz und sagte, sie sollten ihr zu essen geben«-«— sund sie ganz wie eine Gefunde behandeln]. V) Die aramäische Sprache ist ein Zweig des großen sog. semitischen Sprachftammes und bildet den vokalärmeren und ranheren, aber auch in Folce der Angrenzung an viele nichvsemitische Völker und Zungen nnd der häufigen, Jahrhunderte lang dauernden Unter- jochungen durch fremde Eroberer verdorbenen und ver- mischten Zweig desselben; es ist im Verhältiiiß zu den beiden anderen Hauptzweigen, dem reinen, wohltönendem vokalreichen und seinen Arabiscben und dem in der Mitte stehenden, noch sehr alterthitmlichen Hebräischety der platte Dialekt. Diese aramäische Sorache nun zerfällt wieder in 2 Hauptdialekth den otaramäischen oder chaldäischerh und den wesiaramäschen oder syri- schen; jener ist derjenige Dialekt des aramäischen Zwei- ges, der von den eigentl. Babhloniern gesprochen wurde und in Babel von den Juden während des Exils mehr und mehr angenommen ward. Nach dem Exil wurde das Aramäische allmälich die Umgangs- und Volks- sprache, dann auch die Schriftsprache in Judäa; und das neue Testament nennt in Apostg. 21, 40; 22, 2 u. a. diese aramaisirende Mundart»Hebräisch«, während Neuere sie mit dem Namen »shrochaldäisch« bezeichnen. Den anderen Hauptzweig des aramäischen Dialekts bildet die eigentlich syrische oder westaramäische Sprache, die gewiß sehr alt ist, von der wir aber erst aus der Zeit nach Christi Geburt schriftliche Denkmalh und zwar als das älteste die sog. Peschito oder die shrische Vibelitber- setzung besitzem (Riietschi.») Jesus sprach in der Regel gewiß »Shrochaldäisch, wie die palästinensischen Juden überhaupt, wenngleich er das Griechische verstand (Kap. 7, 26), wie denn die Juden seit der seleucidischen Pe- riode zum großen Theil des Griechischen mächtig waren und die jährliche Anwesenheit helleniftischer Juden in Palästina viel dazu beitrug, die Kenntniß dieser Sprakhe zu verbreiten und zu erhalten; ja, in den hauptsächlich von Heiden bewohnten Städten Palästina’s, z. B. Cä- sarea, Scythopolis, war das Griechische die herrschende Sprache. (Winer.) Es ist eine Gewohnheit des Mar- 482 Evangelium Marci S, 1——7. las, daß er bedeutsame und wirksame Worte des wun- derthätigen Jesus hebräisch anzuführen pflegt, nicht als ob es Zauberformeln wären, sondern weil sie den Zeugen unvergeßlich geblieben sind und weil sie gerade in dieser Form als Machtrufe des Sohnes Gottes ebenso trost- reich in das Bewußtsein der Christen eingehen, wie etwa das Abbe( mit der Empfindung des Friedens aus ihrem Munde ausgeht. (Steinmeyer.) IV) Dies Wort dienet sehr dazu, diejenige Ansicht dieser Geschichte nicht zu verfehlen, die das Evangelium eigeutlich haben will. War die Tochter des Jairus nicht gestorben, war das, was wir hier lesen, nicht die Auferweckuug eines Todten, war es nur das Aufwecken eines Schlafenden, das Zurechtbringen eines Ohnmäch- tigen, warum wurde das so geheim gehalten? warum sollte das niemand wissen? die Wahrheit überhaupt und besonders die unverletzte Wahrhaftigkeit des Charakters und des ganzen Verhaltens Jesu hätten das Gegentheil erfordert; das Volk hielt es für ausgemacht gewiß, daß das Kind gestorben sei (Luk. 8, 53), und Christi Sache war es nicht, sich höher ansehen zu lassen, als er war, und Griißeres von sich glauben zu lassen, als srch in der That und Wesen bei ihm fand, vom Zürechtbringen eines Ohnmächtigen auch nur in den Gedanken der Menschen den Ruhm einer Todtenauferweckung davon zu tragen. Der Sinn des Verbots ist also nicht der: laßt es niemand erfahren« daß dass Kind nicht todt war und daß ich es aus dieser Ohnmacht wieder aufgeweckt und von seiner Krankheit geheilt habe, sondern nach der Ansicht und Ueberzenguug der Evangeliften vielmehr dieser: das Kind war todt, er machte es lebendig, nnd dies größere Gotteswerh die Auferweckung eines Todten, wollte er damals noch nicht erzählt haben. (Menken.) Die Einwirkung dieser Thaten Jesu auf das Urtheil nnd die Gesinnung des gesammten Volkes sollte nicht übereilt und durch gewaltsame Aufre ung in’s Fleischliche gezogen werden; allmälich und cher sollte die Ueberzeugung, daß er der verheißene göttliche Helfer, der Messias sei, sich Bahn brechen, nicht durch öffentliche Demonstrationeu beschlennigt und dadurch äar leicht ge- trübt werden. (v. Burgen) —- ""«) Er wi nicht allein die Realität des zur vollen Gesundheit wieder herge- stellten Lebens bewähren, sondern auch nach diesem mächtigen Eingreifen in den Lauf der Natur die Ord- nung derselben wieder Platz greifen lassen; auch sollte diesErgriffenheit der Eltern einer ruhigeren Stimmung Raum geben. In einem andern Sinne freilich sollte die bloße Natur für immer verdrängt bleiben; wie es in einem ähnlichen Falle heißt: »und er glaubte mit seinem ganzen Hause«, so war dies auch hier die Absicht des HErrn , und vielleicht der wirkliche Erfolg. Hätte es an demselben« nach einem solchen Vorgange noch ge- mangelt, so wäre er durch Wunderwerke überhaupt nicht zu erreichen gewesen. (Steinmeyer.) Wenn das Weib erfuhr, daß dem Heilands-vermögen Jesu, aus das sie sich im Glauben verließ, sein Heilands wille so entsi spreche, daß er mit jenem Eins sei, so erfuhr Jairus, daß dem Heilandswillen Jesu, der sich ihm verhieß, sein Heilandsvermögen so entspreche, daß es mit jenem Eins sei; denn jener hat gemacht, daß der Tod seiner Tochter der Erfahrung dieses nichts entziehen konnte. (Klostermann.) Man bemerke eine gewisse Ordnung unter denen, die von den Todten auferweckt werden: Da finden sich drei vor der Erscheinung Christi(1.Kiin. 17, 17 ff.; 2. K. 4, 18ff·; l3, 20f.), drei von Christo selbst Erweckte (vgl. Luk. 7, 11 ff,; Joh- 11, l fs.), und eine dreifache Auferweckuug nach seiner Auferstehung (Matth. 27, 527 Apostg. 9, 40 u. 20, 9). Das 6. Kapitel. Christi Verachtung, blussendung der Apostel, Enthauptung Johanns, wunderbare speisung und Hilfe. I. v. 1—6. (§. 55.) es ekrkknct Ha) ein: vierte Gruppe oon Erzählungen, bei welcher aber nnuniehr in die geflhitljtliche Jeitfolge eingelenkt wird. Den eigent- lichen Mittelpunkt dieser Gruppe bildet die Geschichte von der Gefaugennehmuug und Gnthatiptniig Johannis- des Täufers in d. 17-—29, um welche fuh in v. 7—— 16 u. 30 —56 als tllorher und Uakhher die nämlichen Ereig- nisse herum legen, welche auch in Rauh. 9, 35—11,1 u.14,1—36 dieselbe umgeben, indem die Gefandtschaft deg Johannes ane dem Gefängniß, welche wir in Matthylh 2—30 lesen, hier äbergangen wird nnd das, was den Inhalt des is. u. l3. Kapiteln bei ddlatthäuu ausmacht, dort aber den! in End. 14 Erzählt-en voraus— greift, bei Martin-z schon in den früheren Gruppen seine Verwendung gefunden hat. tlur der Abschnitt von Jefu abermaliger Anwesenheit in Uazareth konnte früher noih keine Verwendung finden; er folgt daher jetzt als eine Art tlachtrag der das in Lan-i, 35 Gesagte ergänzt, und alg eine Art lleberleitung, welche den faehlichen Zusammenhang zwisihen der Z. u. 4. Gruppe vermittelt. (vgl. Rauh. is, 53—58.) 1. Und er ging aus von dannen saus Ka- vernimm, nachdem sich auf dem Wege aus Jairi Hause bis zu dem des Petrus, wo Jesus wohnte, sowie innerhalb des letzteren noch das in Matth. 9-, 27-——34 Erzählte begeben hatte, und machte eine Wanderung durch die umliegende Gegend, die mit der Aussonderung der Zwölfe Katz. 3, 13 ff. und der Bergpredigh der Heilung des Aussätzigen und des kranken Kuechts des Hauptmanns von Kapernaum abfchloß Matth. 4, 23 — 8, 13. - Ein ähnlicher Ausgang aus Kapernanm fand aber auch nach der etwa 8 Monat später gehaltenen zweiten Seepredigt statt Matth IS, 53], und [Jesus, jetzt wieder mit Nazareth einen Versuch wagend, ob er bessere Aufnahme daselbst sinden würde, als vor Jahresfrist Luk. 4, 16 ff] kam tu sein Vaterland [d. i. nach Nazareth, das ihm setzt, wo ein stän- diger Aufenthalt in Kapernaum zur Unmög- lichkeit geworden war, s. Eint. zu Matth 14, 1——12., wieder im Licht seiner eigentlichen Hei: marh erschien]; und seine Jünger folgten ihm nach [ihre Heimath nun mit der seinen vertauschend]. 2. Und da der Sabbath kam sder nächste, der auf den Tag seiner Ankunft folgte und den er erst abwarten, ehe er öffentlich aufträte], hab er an zu lehren tu ihrer Schule kmit der Absicht, solches Lehren auch künftig fortzusetzen, wenn er willige Aufnahme fände]. Und viele, die es höreten swas er gleich bei diesem ersten Mal sagte], verwunderten steh seiner Lehre, und sprachen: Woher kommt dem solches? und was Weisheit ists, die ihm gegeben ist, und solche Thaten, die durch seine Hände, ge- schehen? Die ungläubigen Nazarethauein 483 3. Jst er nicht der Zimmermann, Mariä Sohn, und der Bruder Jalobi und Joses und Juda und Simois? sind nicht aukh seine Schwe- stern allhie bei uns?« Und sie argerten sich an ihm lals an einem Vermefsenen, dek sich mehr beilege, als er seiner Herkunst und äußeren Er: scheinung nach sein könne]. · 4.» Jesus aber sprach zu ihnen: Ein Propbet gilt nirgend weniger denn im Vaterland nnd da- heim bei den SeiiieUH [genauer: Ein Prophet ist nirgends oerschmäht, denn in der Vaterstadt und bei den Verwandten und in seinem Hauses 5. Und er konnte allda nicht eine einige That thun lwährend er so gern den ganzen Reichthum seiner göttlichen Helfermacht offenbaret hätte]; ohne, wenig Siechen legte er die Hände auf und heilete sie. b. Und er verwunderte sich ihres Unglaubens if« [der sich so oppositionell und demonstrationssuclztig darin zu erkennen gab, daß man ihn gar nicht erst mit Bitten um seine Hilfe anging]. Und er ging umher in die Flecken iiii Kreis und lehrete«« V) Offenbar hat Markus durch die Ausführlichkeih mit welcher er die Nazarethaner vom Hause Jesu be- richten läßt, zu zeigen beabsichtigt, wie sie sich davon nicht abbringen lassen wollten, daß sie seinen ganzen Werth vollständig genug übersähen, um sich in ihrem Urtheile nicht durch das irre machen zu lassen, was er selbst mit Wort und That von sich bezeuge. Dabei paßt es ihnen besser, ihn selber als Zimmermann und nicht blos als eines Zimmermanns Sohn zu bezeichnen, weil so der Gegensatz seiner früheren und seiner jetzigen Beschäftigung desto greller hervortritt; die Benennung »Mariä Sohn« aber erklärt sich bei unserm Evangelistem den sein Erzählungsplan ja nie auf Joseph zu reden kommen ließ, von selbst, wie denn auch in der That zu der Zeit, mit welcher Markus sein Evangelium anhebt, Joseph schon gestorben war. — IV) Wenn Schleiermacher hierzu die Bemerkung macht, daß sich auch oft das Ge- gentheil finde und es der Eitelkeit der Leute schmeichle, wenn einer vor Andern sich ausz»eichnet, sie· daher gern sich dessen rühmen, daß er ihr Mitbürger sei, so ist das wohl· richtig; aber 1) ist das mehr bei· weltlichen als geistlichen Dingen der Fall, und Z) geschieht es oft erst hinterdrein, wenn Andere die Größe eines Mannes schon erkannt haben und sein Ruhm sich Bahn gebrochen r hat, während anfangs einer nur selten die rechte Aner- kennung bei seinen Angehörigen findet. EIN) Was den Zusammenhang unseres Stiicks mit dem vorhergehenden in Katz. 5, 21—23 betrifft, so springt sofort der Kontrast in die Augen zwischen den Erfahrungen, welche die Jtinger dort, und denen, welche sie hier hinsichtlich der wunderbaren Macht Jesu machten: waren sie dort Zeugen seines unbeschränkten Herrscher- vermögens in voller Herrlichkeit, so hier davon, wie die Offenbarung desselben durch entschlofsenen Un- glauben eingeschränkt, ja geradezu unmöglich gemacht werde. Wenn sie nun bedachten, daß ihm dieses in seiner Vaterstadt widersuhr, und die allgemeine Lehr- wahrheit erwogen, die Jesus selber in V. 4 aus diesen Thatfachen entnahm, so mußte ihnen diese ganze Ge- schichte wie eine Weissagung erscheineiy wie auf das Ende, welches die öffentliche Selbsibezeugung Jesu bei seinem Volke nehmen sollte, so .auch auf das, was sie selbst nachher bei ihrer Verkündigung würden erleben müssen; an die Stelle der Vaterstadt Jesu trat sein Vaterland überhaupt, an die Stelle der Verwandten und Hausgenossen die jüdischen Volks enossen insge- sammt, in beharrlicher Selbstverschließguug vor dem Evangelio entzogen sich die Juden uiuthwillens der Kraft desselben, selig zu machen, während diese Kraft den Heiden reichlich zu Theil wurde, und das war ja der Stand der Dinge im Reiche Gottes zu der Zeit, wo St. Markus fein Evangelium schrieb. Zu Nazareth geschah also in kleinerem Maßstab, was hernach im Ganzen und Vollen sich herausstellte; indem nun die Iünger den Vorfall miterlebten, war· ihnen das eben- falls eine Erziehung »für ihren» kiinftigewapostolischen Beruf, wie schon die Ereignisse der vorigen Gruppe unter dem Gesichtspunkte dieser Erziehung standen. Der Vorfall war jedoch, wie bereits angedeutet, zugleich eine Weissaguiig auf das Ende, welches Jesu Selbsibezeugung selber ei der großen Masse des jüdischen Volkes neh- men würde; eine gleiche Weissagung hierauf war das Ende, welches Johannis Zeugniß bereits genommen, und so schließt sich passend an diesen einleitenden Ab- schnitt der folgende Haupttheil der uns vorliegenden vierten Gruppe von Erzählungen an, deren Mittelpunkt die von des Täufers Eathauptuug ist. f) Das ,,im Kreis« gehört zu ,,er ging umher«; wir dürfen aber den Satz: ,,er zog umher im Kreis in den Flecken und lehrete« nicht, wie die herkömmliche Verseintheilung thut, zu dem Vorhergehenden ziehen, als solle damit gesagt werden, Jesus habe, weil er in Nazareth selber» so schlechte Aufnahme gefunden, die um- liegenden Ortschaften dieser Stadt durchwandertz viel- mehr soll derselbe die Situation angeben für das, was im folgenden Abschnitt erzählt wird, so daß schon mit diesen Worten der neue Vers zu beginnen hätte. Es ist also ganz die Situation wie die, welche in Matth. 9, 35 ff. der Aussendung der Zwölfe vorausgeht; zu grö- ßerer Deutlichkeit werden wir daher die Worte zu An- fang des Folgenden noch einmal wiederholen. II— h. 7—13. (§. 42.) Genossen feines Lebens und Gehilfen seines Wirkens sollten die Sänger nach dem, was der hErr bei ihrer Auswahl in ibeao.Z,13 ff. ihnen für eine Bestimmung gab, fein; nakhdem tfie bisher in der ersteren Beziehung uns oorgeführt worden find, ler- oen wir ne jehi auch tu der anderen nennen, Jesu- sendet sie, nachdem er sie in der Sihnle seines slmgangg dazu erzogen hat, alg Werkzeuge aus, durch die er die Botschaft vom anbrechenden Himmelreich von Ort zu Qrt trägt. sei dieser Knosendung der Bniötfe giebt ei: ihnen aber, wag er in hab. Z, 15 ebenfalls schon in Aussicht gestellt, für die Dauer ihrer mission die Macht, die Seucheu zu heilen und die Teufel auszutreiben, uud ertheilt ihnen ein für alle Mal die Instruktion für ihren goostolisctieu Beruf. (Dl1gl. Muth· I, 35 — II, l; Eule. I 7. [Und er ging, von Kapernaum aus, umher in die Flecken im Kreis und lehrete V. S] Und et berief sindem er auf dieser Wan- derung so recht die Noth und Hilfsbedürftigkeit des Volks kennen lernte] die Zlvdlfe lsich in ihnen gleichfam vervielfachendj nnd bnb an und sandte sie [d. i. unternahm es sie zu sendeiiL je zween und zween. [wie ja nach dem Gesetz zur Vollgiltig- keit eines Zeugnisses wenigstens ihrer zwei gehörten. 484 Evangelium Marci S, 8——-20. Z« Mvls 19- 15J- und gab ihnen Macht über die unsaubern Geiste« » 8. Und gebot ihnen, daß sie nichts bei sich trugen auf dem Wege, denn allein einen Stab [wie sie ihn gerade zur Hand hätten, ohne sich erst einen besonderen für die besondere Fahrt herbeizuschaffens keine Tasche, kein Brod, kein Geld im Gürtel; s. Sondern wären geschuhet [aber auch nur in der Weise, wie ihr gewöhnlicher Stand es mit sich brächte, ohne auf eine besondere Ausriistung der Füße Bedacht zu nehmenL nnd daß sie nicht zween Röcke anzbgentt [Matth. 10, 9 f.]; 10. Und sprach zu ihnen: Wo ihr in ein Hans gehen werdet, da bleibet innen, bis ihr von dannen ziehet. 11. Und welche euch nicht ausnehmen, noch hören, da gehet von dannen heraus und schüttelt den Staub ab von euren Füßen, zu einem Zeugnis Ubek sie sdaß sie den Heiden gleich zu rechnen und außerhalb der Bundesgemeinschaft stehend zu erachten seien]. Jch sage euch, wahrlich, es wird Sodom und Gomorra am jüngsten Gerichte trüg- liserllergellhgi]i, denn solcher Stadtspt sMatth 1 , — . V) Nach den Wortformen des Gruudtextes (zwischen den beiden Rot-isten: ,,hub an zu senden« und ,,gebot ihnen« in V. 8 steht das »gab« im Jmperfekt) zu schließen, haben wir den Vorgang uns wohl so zu denken, daß der HErr immer je ein Paar heranries und jedem Paar besonders die Macht über die unsauberen Geister ertheilte, also auch bestimmte, welche zwei immer mit einander gehen sollten. — IV) Hier sind Stab und Schnhe als die nicht einen Vorrath bildenden, sondern am Leibe und in unmittelbarem Gebrauch befindlichen gemeint, während dagegen bei Matthäus Stab nnd Schuhe als Glieder der mit den ,,zween Röcken« be- ginnenden Reihe von Vorraths -Doppelstticken austreten und daher selbst als solche Doppelstticke verstanden sein wollen. (Ebrard.) Die Apostel sollen ihre Wanderung nicht in dem Sinne antreten, als hätten sie dieselbe ftir eigene Rechnung und Gefahr zu machen, sondern als eine solche, die lediglich den Leuten zu gute geschieht, zu welchen sie kommen; darum sollen sie keine solchen Vorbereitungen der Ausrüstung treffen, als ob sie auf ihre eigene Vorsicht angewiesen wären, ihr Augenrnerk darf rein und einzig auf die Ausrichtung der Botschast gserichtet sein. Wie wenn sie einen kurzen Ausgang machen, der sie vom eigenen Hause fort- und in das eigene Haus zurückführt, bedürfen sie nur des zur Be- wegung des Gehens Erforderlichem des Stockes und der Sandalen; was Nahrungs- und Kleidungsvorräthe an- langt, so brauchen sie deren ebenso wenig wie jener Wandernde, der überall auf seinem Ausgange nahe ge- nug bei seinem Hause ist, um sich zu versorgen; und wo man sie aufnimmt, wird man sie auch immer gern mit dem gerade zum Unterhalt Erforderlichen ausstattew tKlostermaniul — IN) Jn V. 8 n. 9 bediente sich der Evangelist der indirekten Rede: ,,er gebot ihnen, daß sie nichts bei sich trügen . . . wären geschuhet . . . nicht zween Röcke anzögeri«; man sieht daraus, daß es ihm da nicht aus den Wortlaut der Rede Jesu ankam, sondern er lediglich einzelne charakteristische Bestim- mungen im Auszug mittheilen wollte. Jn V. 10 da- gegen bahnt er sich mit dem »und sprach zu ihnen« den Weg zur direkten Rede; handelte es sich vorhin um den Antritt der Wanderung, so nunmehr um dasVerhalten beim Ankommen an Ort und Stelle, and da kommt es dem- Evangeliften auf wörtliche Mittheilung der Weisung Christi allerdings an. »Als solche, die nicht um ihretwillen, sondern zum Besten der Leute reisen, zu denen sie kommen, sollen sie in der Voraussetzung , daß sie als Herolde des Gottesreichs in jedem Hause will- kommen find, gleich das erste beste Haus zum bleibenden Quartier nehmen, bis sie weiter ziehen; für den Fall aber, daß sich jene Voraussetzung an einem Orte als falsch erweist, sollen sie den Einwohnern symbolisch be- zeugen, daß wie jene ihnen die Genieinschast des natür- lichen Lebens versagt haben, sie ihrerseits nun auch jene nicht in die Gleichheit der Anwartschast auf das Gottes- reich aufnehmen. Der einheitliche Gedanke der beiden Regeln in V. 8——l1 aber ist dieser: die Botschaft vom Gottesreich, welche Jesus sendet, ist ein in sich selbst werthvolles Gut, das um seiner selbst willen geb racht und um seiner selbst willen empfangen werden soll; die Bringer sollen sich verhalten, wie es dem hohen Bewußtsein entspricht, den Menschen das wesentliche Gut anzubieten, nnd die Empfänger werden ihre Aner- kennung desselben und daß sie seines Empfanges werth sind, damit beweisen, daß sie um seinetwillen auch die Boten persönlich lieb und werth halten« 12. Und sie [die ZwöIfeJ gingen ans und predigten [während ihrer 2—3wöchentlichen Ab: wesenheit], man sollte Buße thun sdenn das Him- melreich sei nahe herbei kommen Matih. 10, 7]. 13. Und trieben viel Teufel aus und salbeten viel Siechen mit Oel nnd iuachten sie gesund. Das Salben mit Oel als Mittel zur Bewirkung der Heilunger,i, die uach dem Zusammenhang durch die den Jüngern übertragenen Wunderkräste geschehen, sieht auf gleicher Linie mit ähnlichen Vermittelungen der Heilung, wie sie Jesus selbst gelegentlich anwendet (Kap. 7, 33; 8, 23; Joh. 9, 6 f.): es diente nicht irgendwie als selbstständiges Heilmittel, sondern nur zur Mittheilung der übernatürlichen Heilkräfta mit denen die Jünger ausgestattet waren. So ist auch die Stelle: Jak. 15, 14 f. zu verstehen, wo die Gläubigen in Krankheits-fällen statt an die zweifelhafte Geschicklichkeit der Aerzte auf die in der Gemeinde wirksamen» gdttlichen Gaben und Kräfte der Krankenheilung und· auf das Gebet hinge- wiesen werden (1. Cur. 12, 9. 28. 30), wobei das Oel nur als formales, nicht als wesentliches oder verhei- ßungsgemäßes Mittel der Zueignung oder Mittheilnng dienen sollte, daher sich von selbst versteht, daß die Hei- lung nicht an das Mittel gebunden war (Apostg. 9, 34; 28, 8), sondern auch ohne dasselbe geschehen konnte, je nachdem der Geist des HErrn es seinen Dienern aus- zurichten gab. Dem Gebet, nicht dem Oel, schreibt auch Jakobus die Wirkung zu. (v. Burger.) Thatsache ist es, daß die alttestamentliche Salbung mit Oel als Symbol der nentestamentlichen Geistesrnittheilung vor- angeht, und daß sie in der katholischen Kirche da wieder hervortritt, wo die realen Geistesmittheilungen zurück: treten; daraus· ergiebt sich denn auch , daß es für die Jungen die noch nicht, wie der HErr selber, zum Glauben erwecken konnten, nahe lag, ein Medium ihrer Wunder- wirkung in Anwendung zu brin en, was zugleich sym- bolisches Zeichen der Geistesmittseilung und Erweckuiig zum Glauben war. Die Salbnng also war Symbol der Geistesmittheilung als der Vorbedingung der Hei- lung; die Oelsalbung dagegen, welche Jakobus den Presbytern bei der Krankenpflege empfiehlt, erscheint als Aussendung der zwölf Jünger. eine Verbindung des natürlichen Heilmittels mit der durch dasselbe zugleich shmbolistrten Heilkraft des Ge- bets. (P. Lange) 1I1. v. 14—29. (§. 47. ge u. ins) wankend diene— wesenheit der »du-Eise, etwa unc die Mitte des April im I. 29 n. Ehr» vertcgt Jherodes Kntipas seine Residenz von lrivias nach Tiberias und hört hier zum ersten Mal von Jesn, iiber den versrhiedene Ziusikhteu nnd Mel— nnngen beim volle: im Schwauge gehen, die alle daraus hinauslaufen, daß er eine ganz ungewöhnliche, außer— ordentliche Erscheinung sei, und das laäthsel seiner Ewig— artiglieit ans die eine oder andere Jlrt zu lösen ver- suchen, ohne jedokh die allein richtige tkösung zu treffen (vgl. Kuh. Z, 28 u. 29). Ziukh therodes bildet sich nach dem, was er hört, seine Meinung, die ein produht ist eiuestheils von dem ciiudrurle der Gleirhartigleeit der Botschaft, welche Jesus Verkündigt, mit der, roelkhe zu— erst aus Sohannis des Täufers Munde erklungen, und anderntheils von der Wahrnehmung, das; die tzotskhaft Jesn von der des Johannes durch die ttlerrichtung wun- derbarer werde sirh nnterstheidez er meint, in Jesu, der in ftbermenschlieher Weise so große Thaten vollbringe, sei in übermensihlicher weise Johannes wieder iu’s Erben zur-umgekehrt, den er vor Kurzem enthauptet hatte. Idies giebt denn dem Evangelisien Veranlassung, die Gesehichte von der Gesangeunehmnug und Hinrichtung des Täufers hier beizubringen, um den keser über den Sachznsammeuhang dieser ans dem dunkeln Grunde eines bösen Gewissens emporgesiiegenen Jinsitht des toiersäcsten zu verständigen. (bgl. Matth 14, l—12; Eule. 9, 7——9; Z, 19 u. 20.) 14. Und es kam sum die Zeit, in welche wir mit der vorigen Geschichte V. 7 ff. eingetreten sind] vor den König Herodes swas für Gerüchte über Jesum im Volke wegen seiner außerordent- lichen Thaten umliesen] — denn sein [Jesu] Name war nun bekannt [so daß niemand mehr um die Großartigkeit seiner Erscheinnng sich unbekümmert lassen konnte] ——, und er sprach ssich die Groß- artigkeit dieser Erscheinung in seiner Weise erklä- rend]: Johannes, der Tauser, ist von den Todten auferstanden; darum thut er sweil als ein wun- derbar Auserstandener nun natürlich auch mit wun- derbaren Kräften ausgerüstet] solche Thalern 15. Etliche aber sdies der Grund, warum er auch seinerseits fortgerissen wurde, sich eine Erklä- rung zu suchen] sprachem Er ist Elias; etliche aber: Er ist ein Propbet, oder einer von den Propheten [so groß war nun einmal der Eindruck, den Jesu Wirken in allen Kreisen des Volks, bis in die höheren Stände hinauf, gemacht hatte] 16. Da es aber [wie schon V. 1 gesagt] Herodes hbrete swas von Jesu geschah und was die Leute deshalb von ihm dachten], sprach er sals sei es ihm gegeben, unter den mancherlei Mei- nungen diejenige festzusetzem welche unzweifelhaft die richtige sei Luk. s, 7 f.]: Es ist Johannes, den ich enthauptet habe; der ist von den Todten auferstanden. Jedenfalls zunächst iu der Umgebung des Fürsten selber muß der abergläubische Gedanke aufgetaucht sein, 485 daß der vor wenigen Tagen getödtete Täufer bereit-s wieder in anderer Gestalt Wunderbarer Weise unter dem Volk zu wirken begonnen habe; diesen hingeworfenen Gedanken griff das böse Gewissen Herodis,« bei welchem der Eindruck von der vor Kurzem an dem von ihm ge- achteten Propheten verübten Unthat noch frisch nnd lebendig nachwirkte, hastig auf, bis nach eingetretener Ernüchterung und eingezogener Erkundigung über die Zeit des Auftretens Jesu sein kritischer Verstand diesen vom enthaupteten Täufer unterscheiden lernte. Bei den Vdlkssmassen Palästincks freilich konnte jener aber-gläu- bische Wahn sich uoch längere Zeit forterhalten (Matth. 16, 14); es würde uns nicht besremden, wenn selbst solche, welche Jesnm kennen gelernt, sich jenem Wahn hingegeben hätten, als ob er mit dem getbdteten Täufer ein und derselbe wäre: ift’s doch eine noch heutzutage zu erlebende Thatsache, daß der blödeste Aberglaube dem natürlichen Menschen immer mehr mundet, alsder schlichte nüchterne Glaube an die einfache Wahrheit der göttlichen Offenbarung· (Lichtenstein.) Wenn die Welt vor Aufklärung an keinen Gott mehr glaubte, würde sie dafür an Gespenster glauben. (Heubner.) Je entschie- dener die neue Philosophie in Frankreich den alten kirchlichen Glauben erschüttert und aus den Seelen ge- bannt hatte, je sorgloser die Verworfenheit sich in Ge- lüste versenkte, da sie sich die Furcht vor einem ver- geltenden Jenseits wegdisputirtz um so furchtbarer rächte sich das dunkle Bewußtsein des verirrten GemitthQ in- dem der krasseste, abgeschmacktesie Aberglanbe, eine alt- gothische Geisteroerehrung und bange Teufelsfurcht an die Stelle eines gläubigen Vertrauens auf eine liebe- volle Vorsehung folgte. (Berthold.) 17. Er aber, Herodes sum dies zum Ver- ständniß dieser seiner Aeußerung hier aussührlicher mitzutheilen], hatte [vor etwa einem Jahre, als er noch in Livius oder Julius in Südperäa residirteJ ausgesaudh und Johannem gegriffen und in’s Ge- fängniß gelegt, um Herodias willen, seines Bruders Philippi Weib; denn er hatte sie gefreiet. 18. Johannes aber sprach zu Heerde: Es Bstb Eicht recht, daß du deines Bruders Weib a e . 19. Herodias aber stellete ihm nach und wollte ihn tödten und konnte sdoch ihren Willenj nicht [durchsetzen]. 20. Herodes aber sdies eben der Grund, warum Herodias , die sonst viel Gewalt über ihn besaß, hier nichts bei ihm erreichte] fürchtete Jo- hannem [er möchte Unglück über ihn bringen, wenn er sich an seinem Leben vergriffe]; denn er wußte, daß er ein frommer und heiliger Mann war; und verwahrete ihn [gab ihn den Nach- stellungen seines Weibes nicht preis], und gehorchte ihm in vielen Sachen nnd hbrete ihn gerne swenn er gerade in Machärus anwesend war, oder ließ ihn nach seiner Residenz holen] Herodeg hatte vielleicht gehofst, seine Würde als Vierfttrst fchütze ihn vor einem lästigen Tadel, aber er kannte Johannes den Täufer schlecht; dieser treue Diener Gottes erscheint vor dem wollüstigen Vierftirstety · wirst ihm freimüthig seine Verbrechen vor, namentlich die. Entführung der Herodiasz und sagt zu ihm: »es» ist nicht recht, daß du deines Bruders Weib hast» Hing es nun allerdings von dem Täufer ab, den Herodes zu 486 Evangelium Marci 6, 2;1—23. warnen, so stand es dagegen nicht in seiner Macht, ihn auf einen andern Weg zu bringen. Herodes geräth in Zorn über den Strafprediger und wirft ihn in’s Ge- fängniß, sei es, um seine Kühnheit zu strafen, oder um ihn zum Schweigen zu bringen. An dem, was weiter bemerkt wird, erkennt man so recht den schwachen und unentfchlossenen Charakter des Vierfürsten. Nach der Erzählung des Matthäus müssen wir glauben, er habe Johannes in’s Gefängniß geworfen, um seine eigene Rache zu befriedigen; nach Markus scheint er ihn sorg- fältig gegen die Nachftellungen der Herodias, «die ihm nach dem Leben trachtete, verwahrt zu haben. Nach Matthäus hätte Herodes den Johannes gerne getödtet, aber er fürchtete das Volk, welches denselben für einen Propheten hielt; nach Markus hielt er ihn selbst-für einen Propheten, hörete ihn gern und gehorchte Ihm in vielen Sachen. Seltsamer Widerspruch! Aber dieser Widerspruch findet sich in dem Herzen des Herodesx er glaubte und glaubte wieder nicht, er wollte und wollte auch nicht, er haßte und achtete, er bildete Mordpläne und verhinderte doch die Anschläge der Herodias, er warf den Propheten in’s Gefängniß und that doch viele Dinge nach seinem Rath —- viele Dinge, aber nicht alle, das ist das Unglück, das ist der Unterschied zwi- schen dem Redlichen, der nur Eine Richtfchnur kennt, den Willen Gottes, und dem Schwankenden, der sich vergeblich abmüht, dem Willen Gottes zu folgen, ohne dem eigenen zu entsagen. ,,Ein Zweifler ist unbeständig in allen seinen Wegen« (Jak. 1, 8). Mehr als ein Widerfpruch, den man in der heil. Schrist wahrzuneh- men glaubt, hat feinen sUrsprung im Geiste des Men- schen und kommt nur deshalb in der Schrift zum Vor- schein, weil sie das menschliche Herz so getreulich zu schildern weiß. (Monod.) 21. Und es kam ein sfür die Absichten der Herodias passender oder] gelegener Tag, daß [näm- lich] Herodes auf seinen Jahcestag [meist in dem Sinne von Geburtstag von den Auslegern gefaßt, es kann aber auch der Tag seines Regierungsan- tritts gemeint sein] ein Abendmahl gab den Ober- sten und Hauptlenten sseinen vornehmsten Einkl- und MEIitairbeamtenJ nnd Bornehmsten in Galilaa [die als Ehrengäste zugegen waren]. Jn ein Fürstenschloß versetzt uns dieser Bericht: sehet da, welch ein Glanz ringsum! und wie wir näher kommen, welch ein Hollah und Jubel, Niustk und Becher- klang, Gesang und gellendes Gelächter in allen Winkeln des Schlosses, als wäre Belsazar mit seinen Trinkgesellen von den Todten auferstanden, um sich noch einmal ein ,,Mene, Mene, Tekel« an die Wand herunter zu jubeln! Wir treten hinein in das schimmernde Prunkgemach — ja, sehet da, die Welt in Paradel Da sitzen sie auf ihren seidenen Polstern um die brechenden Tafeln her, die Sadducäer, lustig wie das Vieh, mit rothen Ange- sichtern von Wein, und überselig in der Schwemme ihrer sinnlichen Geltiste Hier Herodes, der Fürst — der Fuchs, wie ihn Jesus nannte; dort Herodias, diese Jsabell ihrer Zeit, und ringsumher die hohen, reichbe- brämten Staatsbeamten — eine glatte Schmeichlerzunftl und die Hauptleute des Heer-es, rohe Kriegsgesellem und die Magnaten aus Galiläa —— ein gottvergessenes Ge- findet! Und des Spaßes ist kein Ende, und das Hei- ligste ist nicht zu heilig , wenn gemeiner Witz es zur Belustigung gebrauchen und pöbelhaftes Lachen damit erwecken kann. Man lacht, man raset, und eine bestia- lische Begeifterung hat sich aller Gemüther bemächtign was giebt’s denn heute? Herodes feiert feinen Geburts- tag, ·und da darf es ohne Saus und Braus nicht her- gehen. Ei ja, es ist auch wohl der Mühe werth, daß Weltmenfchem die keinen zweiten Geburtstag in den Büchern des Lebens angefchrieben haben, ihren Jahres- tag mit Jubel und Hallo begrüßen! Warum seid ihr doch so lustig? möchte man sie fragen: darum etwa, daß euch vor so und so viel Jahren eure Mutter in Sün- den empfangen und geboren hat? oder macht euch das so munter, daß wieder ein Jahr vor dem Stuhle Gottes steht, um euch zu verklagen und eure Seele zu verdam- men? oder stoßt ihr darauf an, daß ihr wieder eine gute Strecke dem höllischen Feuer seid näher gekommen? O du verkehrte Art! du toll und thöricht Volk! wenn du nur deine Lage wüßtestl Aber der Teufel hat seine Hände auf deinen Augen: großer Gott, daß ihr nicht erst in ewigen Wiisten möchtet nüchtern werden! —- Kommt, wir verlassen das Trinkgemaclx wo befinden wir uns? Jn der Burg Machärus; da war es viel- leicht, wo Herodes die Gasterei veranstaltet hatte. Und siehe, in diesem Palast ist noch ein anderes Gemach, ja ein anderes! dahin ziehen wir. Erst manche Treppe hinunter, dann in unterirdische Gewölbe hinein, jetzt durch manchen dunkeln, schauerlichen Gang, und nun durch diese eiserne Pforte «— wir sind zur Stelle! Ein dumpfer, nächtlicher Kerker um uns her, und vor uns? — siehe da, ein armer, gefangener Mann, anseinen Felsblock feftgeschmiedet, blaß und abgezehrt von Kum- mer und das bleiche Haupt auf »die Brust herabgesenkt! Dem Menschen steht es auf der Stirn geschrieben, daß er hierher nicht gehört: erkennt ihr ihn? Ja, der ist’s, der am Jordan uns das Lamm Gottes zeigte, das der Welt Sünde trage; der in heiliger Selbftvernichtung ausrief: ,,ich muß abnehmen, Er aber muß wachfen,« nnd welchem Jesus das große Zeugniß gab, von allen Propheten bis dahin sei keiner größer gewesen denn Johannes der Täufer — und der hier? und der hier? Ach, wie oft findet sich Gelegenheit, im Blick auf theure Gotteskinder auszurufem und der hier? und die hier? Aber stille, stille! es ist noch nicht erschienen, was wir sein werden. Und dann: lieber ein Johannes in allen Abgründen des Jammers und in Läuterflammem als ein Herodes auf dem Thron und in goldenen Gemä- chern! Wieviel tausendmal heimlicher und seliger hier unten, als da oben, wo wir fernher die Becher klingen hören! Hier unten auf der grausigen Kerkernacht ruhet doch, wenn auch ungesehen, das gnadenvolle Auge dessen, der nicht schläft noch schlummert; da droben, hal da hängt, gräßlich leuchtend, das Schwert des Zornes über der Versammlung am seidenen Faden, noch vor Mitter- nacht kann es fallen. Hier unten durchschreiten Engel Gottes das Dunkel, wenn auch unbemerkt, von Gott gesendet dem bekümmerten Mann zu Diensten; da dro- en beim festlichen Kerzenschimmer schwirren die bösen Teufel herum legionenweise und alles ist besessen von den unsauberen Geistern. Hier unten ift doch ein Pförtlein geöffnet himmelan —- o harre noch ein wenig, Johannes, deiner harret ein ewiger Sabbath! und da droben? — ha, auf vulkanifchem Boden wandeln die Verworfenen, die Hölle unter ihren Füßen. Hier unten, wenn’s auch Johannes zur Zeit noch nicht lesen kann, steht geschrieben an die Wand (Jes. 49, 15 f.): »Kann auch ein Weib ihres Kindleins vergessen 2c.«; und da droben da heißt es, wenn auch unverstanden (Dan. 5, 27): ,,Gewogen, gewogen, und zu leicht befunden und verworfen» Hier unten das finstere Loch eine Hütte Gottes bei den Menschen und ein Augenmerk der ewigen Liebe; und da droben der lustige Saal eine verfluchte Teufel-Kapelle, eine Herberge der Drachen. O Kluft und Abstand! (Krummacher.) Der Tanz der Herodias und der Schwur des Herodes 487 22. Da trat hinein [in den Speisefaalj die Tochter der Hekodias saus ihrer ersten Ehe mit PhiIippUSJ nnd tanzte, und gefiel wohl dem Herodi nnd denen, die am Tisch saßen. Da sprach der König zum Mägdlein sganz von ihrer Anmuthi und Kunst hingenommen, um ihr ein Zeichen sei- neirllsGnkxlz zullggbenL bBitte von mir, was du w t, i wi ir’s ge en. 23. Und schwur ihr lsich selbst in feinen Per- sprechungen und Beiheuernngfen überbietendf einen Gib: Was duivirst von mir bitten, will ich dir geben, bis an die Halfte meines Konigreicha Sollte zwischen dem abgehauenen Haupte· des Jo- hannes und dem Tanz der Salome kein geheimer Zu- sammenhang bestehen? Gewiß! Das, was hernach ge- schah» wurde vorausgesehen und i1berlegt, jener Tanz alshlein låtztbes gjliitteg diesdHaitigot zörl erlangen, acåisew wä t. a t i r ni tin er rzä ung un ers ban- gelisten eines jener Wörtlein bemerkt, an denen man die Feder des heil. Geistes erkennt »(V. 21): »und es in eszipexsgsgresssesxii rsgsisrkk gsikkkissssisch e a n a a e e en, ohne sbis jFZt Sen Tktiderstang des Hekrodes übeägoindem noch eine a sam eit täus en zu binnen· a er nun jkigiimt eind gelegen? Tag sur GAgsführung ihrer Ab- i ten, un dieser ag ist er e urtstag des erodes. Ein gelegener Tag , um dem Täufer das Hsupt ab- Flug? zudlafsewßpslegg riäanchdoch Csjonsä an einem solx en age en rö ten s er re ern na e zu erweisen Bock? lasäet sie g3wilihren, s? verftehtldas gessg als ikhry r ie i ’s ein ge egener ag, wei er i r ele en eit verschafft, ihre Tochter vor Herodes tanzen ziiglassew sei-stät, if» «?-«s2"E-.«T"Lriz dsiskekkidispiåäistk is; aenr ae u a , eiene Alterthums schlossen die Frauen von solchen Zusammen- künften aus; aber gegen Ende des Mahls schickt Hero- dias, die der Evangelist so darstellt, daß sie, obwohl abwesfends doch To? ·ganzeHFfest leitet, ihre Tächåey um vor ero es un einem o e zu tanzen. a einer römischen Sitte, die leicht in das Haus der Herodess dieser gefälligeii Kreaturen des Kaisers, eindringen konnte, pflegten öffentliche Tänzerinnen während der Feste »ihre Dunst zu zeigen. Abgesehen davon, daß solche Tanze die Schamhaftigkeit verletzen mußten, war schon das Fescheibrilercki difeses jungden Sålliädchenhs inMeiititem soächen iigen ie ern von en ugen i rer u erun an einem Ort: der sich nur für eigentliche Tänzerinnen III? sie? skiliiiiii gkäßseiikiikfgkäsefchilkeksk Ai-««"L"Z" o ir ea ir«ee«ein er- gessen, sage ich, aber ein Vergessen, bei deni alles dar- aufberechnet ist, den Herodes dahin zu bringen, daß er sich elbst vergißt und so selbst den ersten Schritrauf dem Wege» thut, der ihn zum Morde führen soll. Dieser Saitllpckrzitt des; Sxnüixketnraäisikxz Zsirt sehen· iläi ie e en un e au er in eine Freude-wusch, den er iiicht zu beherrschen versteht, aus- ruft: ,;»itte von mir, was du willst, so will ich dir’s geben« Er ist nicht mehr Herr seines Herzens, er ist äxljsrtlzAäåliiFiergöttertiinlg fkKreatkir atxieiuzgefallgnz ( erinner i n e a an eine reu e o e richtigeVAiagt an seine ganze Schande -— doch, ich scheue ·mich,den Schmutz anzurühren, der sich in dieser fletschlichell und gemeinen Seele angehäuft hat. » Die meisten »Aus-get: nehmen an, Herodes sei m diesem TUTTI-VIII sie«Lkkihismspächtkgespeßlnkieikkkii ikI2"T?-?LF o i e m i riin V. 26 zeigt, saß ek Ewch eieke ziemciche Freiheit des Geistes befaß), so hat ihm doch der Tanz der Salome seine Sinne berauscht, er ist vor Wohlgefallen, Bewun- derung und Begierde seiner nicht mehr mächtig, er ver- spricht alles und überläßt es der Kreatur, die ihn be- zaubert hat, den Sinn und Umfang feiner Verspre- chungen zu bestimmen. Ja, die Zerftreuung wie man ein sinnliches Vergnügen zu bezeichnen pflegt, berauscht uns! Es steht gefchrieben (Spr. 4, 23): ,,behüte dein Herz mit allem Fleiß«; aber die Zerstreuung bewirkhdaß wir uns selbst verlieren, sie betäubt unsern Geisherhitzt unsre Sinne und entflammt unsre Einbildungskrafn Wie kann man bei einer Lustpartie wachen? wie kann man sein Herz behüten, wenn man es aus freien Stücken tausend Gegenständen ansieht, die sich um die Ehre, es zu besitzen, streiten? Um wachens zu können, muß der Geist frei sein und über das leifch siegen, muß das Unsichtbare über das Sichtbare errschen; die Zerstreuung aber unterwirft den Geist dem Fleische, sie drängt das Uusichtbare in den Hintergrund, während sie das Sichtbare herbeiruft und fich so ganz damit umgiebt, daß alle Blicke des Leibes und der Seele dar- auf gerichtet bleiben. Und dies ist noch nicht alles; bei Herzen wie die unsrigen, die stehenden Wafsern gleichen, welche, in Bewegun gesetzt, irgend einen ansteckenden Stoff aushauchen, ei solchen Herzen sollte jene Be- rauschung, jene Aufregung, die uns zur Kreatur und zwar zu einer gleichfalls erregten Kreatur hinzieht, ohne alle Trübung und ohne böse Gedanken abgehen? Jst denn ein Ball- oder Theatersaal der beftgewählte Ort, um durch den Geist des Fleisches Geschäfte zu tödten? Der Geist spricht: ,,enthaltet euch von fleischlichen Lüsten, die wider die Seele streiten«; die Zerstreuung aber sagt: gebt euch ihnen hin! Seht ihr nicht, wie die Unkeuschheit mehr als Ein Wort eingiebt, mehr als Einen Wunsch einflößt, mehr als Einen Blick leitet, mehr als Ein Kleid zuschneidet? Und wenn in euren weltlichen Zusammenkünften die Herzen sich plötzlich öffneten und ihre geheiinsten Gedanken offenbarten, wie aus einem gespaltenen Boden widerwärtige Schlangen hervorkriechen, glaubt ihr nicht, daß dieses Schaufpieh so häßlich es auch überall ist, hier doch noch häßlicher wäre als anderswo? — Die von der Höllengluth ent- flammte Zunge des Herodes wird immer unbändiger in ihrem Laufe und jene glühenden Worte, die fie so eben ausgestoßen: ,,bitte von mir, was du willst, ich will dir’s geben«, genügen schon dem Feuer nicht mehr, das sie verzehrt; er muß fein unbesonnenes Versprechen mit größerer Bestimmtheit und Feierlichkeit wiederholen, er schwörtx »was du wirft von mir bitten, will ich dir geben, bis an die Hälfte meines Königreichs.« Du Unglücklichey was hat denn der Name Gottes mit einem solchen Versprechen, einer solchen Person gegen- über uvd in einem solchen Augenblick zu schaffen? Ge- nügte dein verwegenes Ja noch nicht, konntest du uns nicht mit dieser Entheiligung des göttlichen Namens verschoiien? Doch Herodes versteht diese Sprache nicht mehr. Gestern noch hatte er sie verstanden, gestern be- wahrte er noch einige Achtung für das Heilige, gestern hörte er Johannes den Täufer gern und that vieles nach seinem Rath; aber heute hat der Tanz der Salvme alles geändert. Durch den Sinnenraufch, den dieses Mädchen in ihm erregt, hat er Gott dermaßen ans den Augen verloren, daß er feinen Namen unnütz führt und nicht einmal an ihn denkt. Die Gottesv er- gefsenheit ist also sein zweiter Schritt zum Mord. Und wie sollte man nicht Gottes vergessen, wenn man angefangen hat, sich selbst zu vergessen! Wäre die Frömmigkeit des Herodes selbst bis heute eine ächte ge- wesen, wie hätte er den Geist des Gebets bewahren können, nachdem er den Geist der Wachfamkeiy der 488 Evangelium Marci S, 24-—34. demselben zur Stütze dient, verloren hatte? Ja, wie konnte er bei einem solchen Schauspiel Gott anrufeu? wie kann er an Gott in einem Augenblicke denken, wo er feine Blicke an der Anmuth der Salome, die ihren schmachvollen Ruhm vor dem ganzen Hofe zur Schau stellt, weidet? Ach, die erste in seinem Herzen auftau- chende Regung aufrichtiger Frömmigkeit würde ihn an einen so gehässigen Gegensatz erinnern, daß er ihn nicht ertragen könnte: alles um ihn her bemüht sich, wett- eifert, eine Tänzerin zu feiern, und doch schmachtet in seiner nächsten Nähe, neben seinem Palast, wohl gar im Palast selber, Johannes der Täufer in feinem Kerker. Der kann in feinem Gefängniß beten, aber Herodes und sein Hof vermögen es nicht; sind sie noch einer Verehrung fähig, so wird sie der Salome gewidmet. Diese Ver- gnügungssucht aber, die da gottvergesfen macht, beschränkt sich nicht auf den Palast von Maehärusx Zerstreuung und Gottlosigkeit sind immer im Bunde mit einander, weil es in der Natur der Sache also begründet ist. Nächst den verbrecherischen Verirrungen entfernt nichts mehr unser Herz von Gott als flache und leichtsinnige Ver- guiigungen; sie erstickens das Gebet, und das Gebet ist das Athmen der Seele. Betrachlet ein junges Mädchen, welches auf den Ball gehet: ist es möglich, daß sie dann ihr Herz auf Gott richtet und jenem Gebot des heil. Geistes nachkommt: ,,betet ohne Unterlaß«? Jch sehe nicht ab, wie sie vor dem Feste oder während desselben und nach demselben hierzu geneigt fein sollte. Kann sie vor dem Feste beten, während sie ganz mit der Sorge für ihren Putz und ihren Anzug beschäftigt ist? wollte sie sich auf die Kniee niederwerfen, müßte sie nicht fürchten eine Falte ihres Kleides oder ihres Kopsputzes zu verderben? Wozu auch niederlassen? Treu jenem Gebot (1. Tor. 10, 3l): ,,ihr esset nun oder trinket, oder was ihr thut, so thut es alles zu Gottes Ehre«, müßte sie um die Gnade bitten, Gott in dem, was sie thun will, zu verkerrlichem müßte sie den Segen des heil. Geistes anru··en sü ich vollende den Ge- danken nicht, es krsnnte den Anfchein haben, als wollten wir über heilige Dinge spotten. Wäre es aber auch möglich, daß der HErr dich bis an die Thür begleitete, wird er dir weiter folgen? kannst du in ihm bleiben und er in dir während des Geräufches nnd der Lust? Ach, wolltest du einen Kranken besuchen, einen Noth- leidenden unterstützen, eine trauernde Familie trösten u. dgl., so würde der HErr dir sicherlich folgen; aber hier, wo dein ganzes Bestreben dahin geht, zu gefallen, dich und Andere zu betäuben und dich mit ihnen der Weltliebe zu überlassen, ach hier wäre die Gegenwart des HErrn lästig. Wenn du die Schwelle des Tanz- saales überfchreiiefh mußt du ihm sagen: bleibe; wo ich hingebe, kannst du mir nicht folgen. Oder findest du ihn, wenn du heimkehrst? Gewiß, du findest ihn, du sindest ihn überall, trotz deiner Kälte und Ungerechtigkeit, wenn du ihn von ganzem Herzen suchst; glaubst du aber jene Inbrunst des Herzens bei der Heimkehr von einem Balle zu besitzen? Solltest du wohl, wenn du die Nacht zum Tage gemacht hast, dich der nöthigen Freiheit des Geisteserfreuem um zu seinen Füßen zu weinen? fürchtest du nicht, die einzelnen Scenen und Erlebnisse des Balles könnten dir wieder vor die Seele treten und dich nicht nur in deinem lauen Gebete, sondern selbst in den wirren Gedanken « deines Schlummers stören? Armes Mädchenl — . 24. Sie [ja überhaupt erst von der Herodias zu ihrenrVornehmen angestellt und daher beflissen, ganz deren Willen zu dienen] ging hinaus und sprach zu ihrer Mutter: Was soll ich bitten? Die sprach: Das Haupt Johanns, des Täufers. r———: 25. Und sie sals wäre ihr selbst das das Liebste und Beste, was sie sich erbitten könnte] ging bald hinein mit Eile zum Könige sdaß bei diesem nicht erst eine veränderte Stimmung der Gewährung der Bitte hinderlich würde], bat Und sprach: Jch will, daß du mir gebest jetzt so bald [da du noch bei Tafel sitzest und die Gäste bei dir sind] auf einer Schüssel das Haupt Johauiiis, des Täufers. 26. Der König ward betrübt fund zwar um und um, gerade diese Bitte erschütterte ihn am tiefsten] ; doch mn des Eides willen und derer, die am Tische saßen, wollte er sie nicht lassen eine Fehlbitte thun. 27. Und bald schickte hin der König den Henker [eigentlich: Achthaber oder Wächter, der die königlichen Depeschen als Courier zu besorgen, aber auch Polizeidienste und sogar Hinrichtungen zu vollziehen hatte], und hieß sein Haupt hei- briugeit Der ging hin und enthauptete ihn im Gefaugniß. , »28. Und trug her sein Haupt auf einer Schussel und gab’s dem»Magdlein sals des Königs GeschenkL und das Magdlein gab-s ihrer Mutter [als ein Präsent das sie wiederum ihr mache]. Salome hat das Herz des Herodes durch seinen Eid in ihrer Gewalt, und nun eilt sie als gehorsame Tochter zu ihrer Mutter, um diese zu fragen: was soll ich bitten? Und die Mutter, die von Anfang an den Unter- gang des Täufers beabsichti te, die in der Leidenschaft des Herodes, in der Anmut der Salome und in ihren eigenen Reizen nur Werkzeuge ihrer Rache erblickt und jenes Wort des HErrn: »die Kinderdiefer Welt sind klüger als die Kinder des Lichts in ihrem Geschlecht« (Luk. 16, 8) bewahrheitet, und die uns in ihrem Ver- brechen ein Beispiel von der Ausdauer zeigt, welche unsre Schlafsheit im Guten verklagt, diese Mutter hält schon einen Rath bereit nnd antwortet ihr mit einer höllischen Geistesgegenwartx das Haupt Johannis des Täufers. Den Befehlen der Herodias gehorsam, sicherlich auch schon allmälig in ihren Geist eingeweiht, vielleicht entzückt über die Gelegenheit, sich eines so lästigen Richters ihrer liebsten Vergnügungen zu entledigen, kehrt ihre würdige Tochter eiligst in den Feftsaal zurück; und während alle Gäste mit Spannung ihre Blicke auf sie richten und zu wissen verlangen, auf welche Probe sie das Versprechen des Herodes stellen wird, bringt sr ihre Bitte vor und spricht, ohne ihm Zeit zur Besit- nung zu lassen: ,,ich will, daß du mir gebest jetzt soglech auf einer Schüssel das Haupt Johannis des Täufer-I« Welch ein Augenblick! welch ein Schrei des Entsetzns müßte sich aus dem Herzen der Gäste emporritgeth wenn Furchtsamkeit und Schmeichelei ihnen nichtden Mund verschlössenl Das Haupt eines Gefangenen, eitles Gerechten, eines Heiligen, eines Propheten —- hakU sis recht gehört? sind die Tage Ahabs und der Ffabec wiedergekehrt? sollen sie vom Tanz zum Mord, ucd von! Weinnebel zum Blutgeruch übergehen? Wcch EIU Augenblick nanientlich für Herodesl leset auf seiem Ge- sicht alle Gefühle, die ihn auf einmal erregen Ueber- raschung, Unwille, Luft, Scham, Schrecken un? das Ge- wissen kämpfen mit einander einen kurzen, akk elltsetzs lichen Kampf; der heil. Geist stellt ihn uns alf"»betklkbt« dar. Bei diesem Schlage erwachte er ans dm Rausch-E, der sich aller seiner Sinne bemächtigt hatte et Ist ent- Enthauptnng Johannis des Täufers. 489 rüstet, daß ein listiges Weib ihm eine solche Schlinge legen konnte; er zürnt mit sich selbst, daß er ein so un- besonnenes Versprechen gegeben hat. Seinem Blick stellt sich die Unschuld, die Treue, die Frömmigkeit, der heilige Beruf des Gefangenen dar; vielleicht erinnert er sich auch in der Tiefe der Seele, daß es einen Gott giebt; vielleicht sagt er sich, daß er die Schwachheit eines Augenblicks mit den Gewissensbissen eines ganzen Lebens, wenn nicht einer Ewigkeit bezahlen muß. Alles jedoch steht der Furcht vor der öffentlichen Meinung nach; die Furcht vor der öffentlichen Meinung ist also der dritte Schritt des Herodes zu seinem Verbrechen, und nachdem er stch einen Augenblick gegen das schreckliche Verhängniß, das ihn fortzureißen scheint, gewehrt hat, kehrt er wie ein schüchternes Lamm in die Sklaverei der Salome zurück und will sie um seines Eides und derer willen, die am Tische sitzen, keine Fehlbitte thun lassen. »Um seines Eides willen und derer, die am Tische saßen«: mit welcher Wahrheit zeichnet uns dies Wort das Herz des Herodesl Nicht blos seines Eides wegen. Daß Gott hier nicht weiter in Betracht kommt, braucht kaum erwähnt zu werden; wäre der Gedanke an Gott nicht ganz in ihm erstorben, so würde er gefürchtet haben, ihn durch das Halten seines Versprechens mehr zu beleidigen als durch die Erfüllung desselben. Der Gerechte wird allerdings seinen Eid halten, und sollte es ihm auch zum Schaden gereichenz und wenn von dem Herodes auch nur die Hälfte seines Königreichs ge- fordert worden wäre, so durfte er nicht wortbrüchig werden. Aber er durfte seinen Eid nicht zum Schaden eines Andern, nicht um den Preis eines so reinen und theuern Blutes halten wollen; für ihn war nur Eine Antwort möglich: ich habe mich durch meinen Verwege- nen Eidschwur versiindi t, würde aber eine zweite, weit schlimmere Sünde bege en, wenn ich ihn hielte; begnüge dich mit einem Opfer, denn ein Verbrechen konnte ich nicht versprechen. Doch nicht der Eid des Herodes ift es, der ihm die Hände bindet, sondern sein Eid und die am Tische sitzen, die Gäste, die Zeugen seines Eides waren; hätten ihn nur Herodias und Salome gehört, so würde er sicherlich sein Wort zurückgenommen haben, aber die Gegenwart der Gäste, das ist die zwingende Notwendigkeit, die seine zitternde Hand zum Verbrechen verurtheilt. Die öffentliche Meinung, die man die Königin der Welt genannt hat, ist am Feste des Hero- des vollständig Herrscherin; und da nun der Augenblick für ihn gekommen, wo er zwischen dem Verbrechen und der falschen Scham wählen muß, da alle von ihm und seiner Tochter entzückten Gäste ihn beobachten, ob er seinem Versprechen bis an’s Ende treu bleiben wird, ob er den Muth hat, alles, selbst das Haupt eines Pro- pheten der Ehre seines Worts zu opfern, da meint er, es sei jetzt an der Zeit, ihnen zu zeigen, daß er alles wagt und vor nichts zurückschreckd Herodias, der Sieg ist dein: Herodes hat ein Versprechen gegeben, das nimmt er nicht zurück — stehst du, wie der Trabant abgeht, der das von dir bestellte letzte Festgericht auf- tragen soll? (Monod.) Johannes im Gefängniß dort, dich stärke Gott — o sorget nicht, der HErr wird sein Kind schon stärken und an sein Herz nehmen! Im dunkeln Gewölbe schallen Fnßtritte, ein Mann erscheint, tritt vor Johannes hin, sieht ihn an, schweigend, mit starren Augen, fällt über ihn her, faßt ihn, zieht ein fcharfes Schwert unter seinem Mantel hervor —- »HErr Jesu, erbarme dich meint« Der Schlag iit geschehen, das Haupt gefallen; da fahren die Engel Gottes auf mit der gerechten Seele in Abrahams Schooß, der treue Leib, ein Opfer der Treue, schwimmt in seinem Blut, das hLHaupt aber wird droben im Palast auf einer Schüssel herumgereicht und redet nun freilich keine Spieße und Nägel mehr. (Krummacher.) » »29. Und da das feine ldes Johannes] Jmtget höreten sdaß ihr Meister entleibt sei], kamen sie [wie ste ja bisher immer freien Zutritt zu seinem Gefängniß gehabt hatten] und nahmen seinen Leib und legten ihn in ein Grab sworauf ste die Todes: nachricht an Jesnm brachten , indem sie dessen Jün- gern Mittheilung von dem Geschehenen machten Matth. 14, 12]. IV. V. 30—44. (§. 47.) Die von ihrer Kunsendung zu Iefu znrüaebehreuden Jtposiel überbringen Iefu die dlachricht von der Hinrichtung des Johannen, die sie von dessen Jüngern mitgetheilt erhalten haben; er zieht sich auf einem Schiss mit ihnen in die walte auf der andern Seite des gaiiläifehen Meeren Zutritt, das holte aber zieht zu Bande ihm nakh und es erfolgt nun die Spei- fung der Fünftausend. (dgl.Matth.14,13-—21; tEnb. I, 1(l——17; Sah. b, 1-—-13.) 30. Und die Apostel kamen sunmittelbar vor dem Osterfest des J. 291 zu Jesu zusammen [fan- den sich bei ihrer Rückkehr von der Aussendung V. 7 ff. , bei welcher immer je zween nnd zween mit einander gezogen waren, in Kapernaum wie- der zu Jesu als ihrem vereinigenden Mittelpunkt zusammen] und verküudigten ihm das alles swas sie von Johannis Ende unterwegs vernommen] und [erstatteten zugleich ihm BerichtJ was sie [auf ihrer MissioUSreiseJ gethan und gelehret hatten. 31. Und er [sowohl für sich als für sie der Einsamkeit und stillen Sammlung bedürfend Matth 14, 13 Auen. 1] sprach zu ihnen: Lasset uns besonders in eine Wüste gehen, und ruhet ein wenig? Denn ihrer war viel, die sdamale gerade wieder bei Jesu] ab und zn gingen, nnd hatten [er, der HErr, und die wieder zu ihm ver- sammelten Jüngen gleichwie in Kap. 3, 201 nicht Zeit genug, zu essen [und wenigstens leiblich sich zu erfrischen]. 32. Und er fuhr da sseinen Veschlnß auch fogleich ausführend] in einem Schiff [wie es seit Kap. 3, 9 ihm jederzeit zu Diensten stund] zn einer Wüste [bei Bethsaida am nordöstlichen Ufer des Sees] besonders [d. i. um dort mit den Jün- gern besonders und allein zu sein]. 33. Und das Volk sahe sie wegfahren [so« sehr sie auch die Abfahrt zu verbergen snchten], und viele kannten ihn [indem die Menge am Ufer das dahingleitende Fahrzeug bemerkte, erkannten viele aus ihr, wer die Jnsassen des Kahnes wären] und liefen daselbst hin [wohin der Kahn seine, Richtung nahm] mit einander zu Fuße ans allen Stadien und kamen ihnen zuvor sdaß sie eher noch am östlichen Ufer anlangten als das Fahrzeug] nnd kamen zu ihm [da er nun aassteigen wollte]. 34. Und Jesus ging heraus nnd sahe das große Volk [sahe beim Aussteigen das viele Volk, 490 Evangelium Marei 6, 35 ——47. das seiner so sehr begehrtejz nnd es jammerte ihn derselben, denn sie waren wie die Schafe, die kei- nen Hirten haben [Matth. 9, 36]; und sing an eine lange Predigtkki -!«)Jm Grundtextheißtest Kommet ihr selbst (die ihr so eben mir berichtet habt, was ihr gethan u1id ge- lehrt) besonders (oder für euch allein, mit Ausschluß aller Andern) hierher (wohin ich meinestheils mich zurückziehch an einen einsamen Ort, und ruht ein wenig aus; den Jüngern also will der HErr, während er früher in einer ähnlichen Lage großer Be- drängniß durch die zuströmenden Volksmassen ihnen an- muthete, sich die niithige leibliche Pflege mit ihm zu versagen, dies Mal die Erquickung, deren sie bedurften, in entgegenkommender Weise gestatten, weil es für sie gut war, daß auf die Zeit der Zerstreuung nach außen hin nun eine Stunde der Sammlung nach innen folge (im Rückblick auf den vorigen Abschnitt lassen sich hier die Zerstreuungen der Kinder dieser Welt und die Erholungen der Jünger Jesu mit ein- ander vergleichen). Seine Worte geben aber mittelbar zugleich zu verstehen, daß er für sich selber der Gele- enheit zu stiller Einkehr und zum Gebetsumgang mit seinem himmlischen Vater bedarf; wir haben schon zu Matth. 14, 13 bemerkt, daß ihm des Johannes Ende seinen ei enen Ausgang, den er tiber’s Jahr zu Jeru- salem ne men würde, vergegenwärtigte, denn gleichwie die Wirksamkeit des Täufers in Kap. 1,.4 ff. eine Vor- bedeutung auf die gleich- und doch auch wieder anders- artige Wirksamkeit Jesu war, so nun auch dessen Ende eine Weissagung auf das zumal gleichs und anders- artige Ende Jesu. »Der Herodias entsprechen die lei- tenden Parteien des Volks, die, wie jene dem Johannes, so Jesu von Anfang an nach dem Leben stunden; dem Herodes aber gleicht die leicht erregte Menge, die von Jesu sich ern lehren und helfen läßt, nur nicht zu dem, wozu er ie berufsmttßig führen will, und zugleich einen zu entschiedenen Eindruck von der Heiligkeit Jesu hat, als daß ein Anschlag der leitenden Parteien gegen sein Leben bei ihr Billigung finden würde. Aber wenn das Volk, statt fich entschieden Jesu hinzugeben, in dem von den Pharisäern genährten Wesen beharrt, wie Herodes im Widerspruch mit der Forderung des Johannes die Herodias behielt, so kann ihnen dasselbe widerfahren, was dem Herodes, daß es nämlich seiner Zeit (wenn der gelegene Tag für jene kommt Luk. W, 53) von den Feinden Jesu durch eigene Verschuldung dazu hinge- rissen wird, felbst Jesu Ermordung herbeizuführen. Mit des Johannes Tode war seine Wirksamkeit vorbei, er war nur Hei-old eines Größerety seine Jünger hatten nichts zu schafsen als ihn zu begraben, aber den Hero- des straste feine Sünde, sofern sie ihm den abergläubis schen Gedanken eingab, Johannes sei in Jesu aufer- standen; mit Jesu Vegräbniß war sein Werk nicht vor- bei, in feinen Jüngern hebt er als der wahrhaft Auf- erstandene in neuer höherer Weise sich zu bezeugen nnd darzubieteii an, aber die Schuld des jüdischen Volks, das ihn in den Tod gebracht, giebt ihm die Tiiuschung ein, als sei er ein Todter, ein mit Recht Verurtheilter, und es empfindet gleichwohl ein Grauen vor ihm« «) Diese Menge, die nicht wußte, weshalb sie Jesu nachlief, und doch nicht von ihm lassen konnte, die ihr alltägliches Leben deshalb unterbrach, weil es ihr das- jenige Bedürfniß nicht befriedigte, dessen dunkle Ahnung sie zu Jesu trieb, kam ihm, als er sich ihr entziehen wollte, wie eine Heerde ohne Hirten vor; so wenig nun ein Mensch eine solche Heerde irren lassen kann, fowenig hat Jesus eine Gelegenheit vorübergehen lassen können, ohne daß er das Seinige dazu thäte, der Rathlosigkeit und Unselbststiindigkeit der Menge ein Ende zu machen, und das bezweckt er durch seinen Unterricht, zu dem er sich jetzt mit Aufgebung seines ursprünglichen Planes entschließt. »Wie aber Er die Sorge für seine Jünger, so vergißt wiederum die Menge über feiner Predigt die Sorge fiir sich selbst. (Klostermann.) Der anscheinende Widerspruch mit Matthj 14, 143 Luk. 9, 11 u. Joh. 6, 3 fs., wonach Jesus nicht gleich bei seinem Aus-steigen aus dem Schiff, sondern erst, nachdem er wirklich für einen Augenblick in die Einsamkeit gegangen, an den Unterricht des Volks und die Heilung ihrer Kranken sich hingiebt, gleicht sich einfach dadurch aus, daß Mar- kus uns anschaulich machen will, wie schon beim Aus- steigen der HErr ihrer viele bemerkte, die ihm nachges laufen und nun zuvorgekommen waren, was sein Herz zum Mitleiden bewegte, so daß er bereits, wenn der Vater im Himmel sein Ja dazu gebe, seinen ursprüng- lichen Plan aufzugebensich entschloß, ob er gleich die Zeit, wahrend welcher ihrer immer mehr und mehr mit Kranken und ilfsbedürftigen sich einstellten, für seine Absicht des ebetsverkehrs mit Gott noch ausnutzte, um des Vaters Willen zu erkennen; als dann die ganze Menge beisammen war, trat er nun auch thatsächlich hervor, der— Vater hat xetzt dem Sohne gezeigt, was er thun soll (Matth. 14, 14 Anm.), und dies ist das Moment, auf welches die andern Evangelisteii unsre Gedanken hinrichten wollen, während Markus mehr Jesu barmherziges Heilandsherz uns vor die Augen führt, womit er· auch in» das sich schickte, was seinem eigenen Bedürfntß nach ihm stdrend sein mußte. 35.» Da nun [Nachmittags 3 Uhr] der Tag fast dahin war, traten seine Jüngers zu ihm und sprachen: Es ist wuste hie, und der Tag ist nun dahin [daß es nur noch bei 3 Stunden hell ist]. » Its. »Laß sie von»dir, das; sie hingehen umher in die Dorfer und Markte und kaufen ihnen Brod; denn sie haben nicht zu essen. 37. Jesus aber antwortete und sprach zu ihnen: Gebet ihr ihnen zu essen. Und, sie sindem sie die Meinung dieses Worts gänzlich mißverstaiiden] sprachen zu ihm lnachdem sie zuerst nachgesehen, wie viel Geld sie gerade in der gemeinschaftlichen Kasse hatten Matth. 14, 16 Anm.]: Sollen wir denn hingehen und zweihundert Pfennig [griech. Denare a 772 Gr. 2. Mos 30, 13 Anm-] werth Brod kaufen nnd ihnen zu essen geben? [denn für soviel würde die Kasse allerdings aus: reichen; doch wäre das noch lange nicht genug, das; ein jeglicher von den Tausenden ein wenig empsinge Joh. 6, 7.] 38. Er aber [um sie noch grüiidlicher mit ihren Berechnungsgedankem womit sie nnr auf das Aeußere und Sichtbare sahen, zu Schanden zu machen] sprach zu ihnen: Wie viel Brode habt ihr? Gebet hin und sehet. Und da sie es er- kundet hatten, sprachen sie: Fünf, und zween Fische [und mußten dabei zugleich sich selber sagen, daß, wenn ihre Kasse auch noch so weit gereicht hätte, doch alles Geld hier in der Wüste, wo nichts zu kaufen war, als ein so geringer Vorrath, ihnen nichts nützeii köunte]. Wunderbare Speisnng der Fünftausend. 491 39. Und er gebot ihnen, daß sie sich alle lagerten, bei Tischen voll [immer so viele zufam- men, daß genau abgetbeilte Mahlzeitsgesellschaften zu Staude kämen]- auf das grüne Gras sdas es jetzt, im Frühjahr, noch reichlich gab]. " 40. Und sie seßten sich nach Schichten sdie wie abgetheilte Gartenbeete sich ausnahmen] je hundert nnd hundert, funfzig und fünfzig salso in theils größeren, theils in nur halb so großen Mahlzeitsgenossenschaften]. 41. Und er nahm die fünf Brode und zween Fische [deren Unbedeutendheit vollends ihre zeitliche Rechnung vernichtete], und sahe auf gen Himmel Und dankete sBrod und Fische damit zugleich seg- UeUdL und brach die Brode und gab sie« den Jün- gern, daß sie [durch die Schichten hindurchgehends ihnen vorlegten, nnd die zween Fische theilete er unter sie alle. 42. Und sie aßen alle sdie da waren und deren große Menge die Jünger so geängstigt hattes nnd wurden satt. 43. Und sie [die Jüngerj huben auf die Brocken, zwölf Körbe voll [so daß ein jeder von den Zwölfen einen Korb sammelte] nnddon den Fischen [blieb ebenfalls noch Vorrath librcgs » 44. Und die da gegessen hatten, der waren snnf tausend Mann [ungerechnet die auch in großer Zahl gegenwärtig gewesenen Weiber und Kinders Auch dieses Evangelium, dessen Geschichte nach Joh. G, 1—15 auf den Sonntag Laetare verordnet ist, will im Lichte der Passionszeit betrachtet sein. Wie weit nun gleich beim ersten Anblick diese Erzählung von einer Passionsbetrachtung entfernt fein mag- (darauf, daß es in Joh. s, 4 heißt: ,,es war aber nahe die Ostern, der Juden Fest« legen wir kein großes Gewichh war’s doch auch noch ein ganzes Jahr bis zu Christi Kreuzestodx so sehen wir doch, daß Christi eigene Gedanken fchon damals bei seiner Passiory und nur hierbei gewesen sind, wenn wir auf die Worte merken, die er am andern Tage in der Schule zu Kapernaum redet (Joh. 6, 51): »Jch bin das lebendige Brod, vom Himmel gekommen; wer von diesem Brode essen wird, der wird leben in Ewigkeit. Und das Brod das ich geben werde, ist mein Fleisch, welches ich geben werde für das Leben der Welt« Philippus bringt bei, was nöthig ist zur « Speisung einer so großen Menge Volks, Andreas, was vorräthig ist, und allerdings, wenn das so zu ein- ander fleht —- zweihundert Denare noch nicht genug, daß ein jeglicher ein wenig nehme, und dannvorhanden 5 Gerftenbrode und 2 Fische ——, wenn da nicht ein Drittes dazwischen tritt, reimt es sich nimmer zusam- men; aber es tritt dazwischen »der HErr wußte, was er thun wollte« Das ist ja nichts anderes, als wenn wir in den himmlischen Rath hinein versetzt würden und sähen den himmlischen Vater die nach dem Him- melsbrod schmachtende, verschmachtende Meufchheit hier auf Erden überblicken, und hörten ihn durch den Him- mel und aller Himmel Himmel wie über die Erde hin fragen: ,,wo kaufen wir Brod, daß diese essen?« und nun steht ein Mensch auf und antwortet: dazu muß ja erst eine Versöhnung erfunden werden, eine Erlösung, nicht mit Silber oder Gold, sondern mit heilig theuerm « Blut und unschuldigem Leiden und Sterben (1. Petri I, 18); und ein Anderer entgegnet auf der Stelle: ein Bruder kann den Bruder nicht erlösen, noch Gott jemand versöhnen, es kostet zu viel, eine Seele zu lösen, daß er’s muß anftehen lassen ewiglich (Pf. 49, 8 f.). Aber dann tritt der Sohn dazwischen, der ewige Gottessohm und zeuget und ruft: ich weiß wohl, was ich thun will! nnd nun läßt er das Volk sich lagern und tritt in des Volkes Mitte und hebt an mit sich selbst, mit dem Fleisch es zu speisen, das des Menfchen Sohn giebt für das Leben der Welt; und siehe, die Welt kann nun satt werden, die ganze große Welt von dieser Einen Speise. Etat er aber dazu Rath schaffen können, dann ist es ein leines Wunder, daß er es auch in Händen hatte , mit dem geringen Vorrath irdischer Speise 5000 Leiber zu sättigen; und wenn dann Tage theurer Zeit herein- brechen, dann, HErr, stärke uns den Glauben, daß du sie uns nur aus derselben Ursache sendest, aus welcher du den Philippus fragst: woher kaufen wir Brod, daß diese essen? nämlich weil du uns versuchen willst, und daß du wohl weißt, was du thun willst! (Nielfen.) Die Speisung der Fünftausend ein rechtes Passionsbild: 1) die allgemeine Noth, Z) die über- schwängliche Gnade, Z) der gewöhnliche Dank. (Nebe.) V. U. 45—56. (§. 48 n. 49.) Uarh der wunderbaren Speisnng will das erregte Wollt, wie wir aus St. So— hanueg erfahren, tm Sturm der isegeisternng Sesum zum Könige machen; solchen Einflüssen sleischlicljen Glaubens— eiferg entsteht der htlkrr seine Sänger, indem er sie eilig auf den See treibt und die Entlassung des volles selber übernimmt, dagegen läßt er in der närhstfolgenden nacht, wo sie auf dem widerwärtigen Meer nicht vorwärts— kommen nnd selbst bis zur letzten Uachtwaclje das Use: noch nicht erreicht haben, mit seinem wunderbaren Kommen zu ihnen einen mächtigen Fortschritt im Glauben thun, und anrh für das voll: im Lande Gene- zareth sind die folgenden Tage seiner Wirksamkeit der Art, daß ev mit ihm zum Dnrchbruch der Erkenntnis dessen, der unter ihnen einherziehtz hätte kommen und he verstehen müssen, daß sie nicht den Gttag oder soust einen Propheten bei ßch hätten, sondern Christum, des lebendigen Gottes Sonn. (tlgt. Many. 14, 22 — 363 Joh. S, 14—71.) 45. Und alsobald trieb er seine Jünger [vvn einer Ansteckung von dem durch das Speisungs- wunder ausgeregten Volksgeisth der durchaus den Messias auf dem davidischen Throne Jsraels sehen wollte Joh. 6, 14 f., sie zu bewahren], daß sie in das Schifs träten und vor ihm hinüber führen gen Bethsatda [am westlichen Ufer, bei Kapernaum], bis daß er das Volk von sich ließe [und seiner Zeit ihnen nachkämes 46. Und da er [nachdem die Jünger abge- fahren waren] sie [die Fünftausend, dadurch, daß er ihnen entwich Joh. 6, 15 und sie also für seht nichts mit ihm anfangen konnten, sondern sich ent- schließen mußten wieder heimzugehen] von sich ge- schafft hatte, ging er hin aus einen Berg [auf die Höhe des umliegenden Berglandesj zu beten. 47. Und am Abend lals nun die Sonne untergegangen] war das Schiff mitten auf dem Meer, nnd er aus dem Lande alleine sund blieb im Gebet vor Gott bis gegen 3 Uhr MorgensL 492 Evangelium Marci S, 48—50. 48. Und er sahe [da, als er um diese Zeit, wo es noch ganz finster war, seine Augen hinüber wendete nach den Jüngern auf dem Meer], daß sie Noth litten im Rudern; denn der Wind war ihnen entgegen fund kamen sie deshalb, obgleich sie die Ruder zu Hilfe genommen, in vielen Stunden nur eine ganz kleine Strecke vorwärtss Und um die vierte Wache der Nacht szwischen 3—6 Uhr früh Kap. IS, 35 Arm] kam er zu ihnen ssic aus ihrer Noth zu erlösen, indem er gerades Wegs über das Wasser hinÜberschrittJ und wandelte auf dem Meer. 49. Und er wollte vor ihnen übergehen kihnen damit Gelegenheit zu bieten, daß sie, ihn bemerkend, seiner unmittelbaren Nähe sich getrösteten und neuen Muth faßtens Und da sie ihn sahen auf dem Meer wandeln, meineten sie, es wäre ein Gespenst, sdas ihren gewissen Untergang bedeute] nnd schrieen [laut auf vor Furcht und Schrecken]. 50. Denn sie sahen ihn alle swußten also, daß sie es nicht mit einer Sinnentäuschung eines Einzelnen unter ihnen zu thun hatten, als sie die Erscheinung bemerkten], un erschraken [weil ihre Augen gehalten wurden, daß sie ihn nicht kunnten) Aber alsobald ssolchen unnützen Schrecken einer thörichten Meinung von ihnen zu nehmen] redete er mit ihnen lfchvn an dem Klang seiner Stimme sich kenntlich machend], und sprach zn ihnen sdie Aufregung ihrer Seele zugleich durch freundlichen zusprach beschwichtigendk Seid getrost, Ich bin’s, furchtet euch nicht. Daß Jesus nicht in willkiirlichem Belieben seine Iünger so lange allein gelassen, erhellt aus der Be- merkung, daß ihn sein Bedürfiiiß zu stillem Gebetsver- kehr mit Gott auf den Berg getrieben und dort festge- halten habe. Jn eigenthiimlich spannender Weise stellt Markiis dann Jesum und die von ihm geschiedenen Jünger einander gegenüber: sie in der Dunkelheitallein auf dem Meer, ohne ihren Meister, dessen personliche Gegenwart ihr Muth war, und er allein auf dem festen Lande — es ist das »ein Gegensatz wie zwischen Unsicher- heit und Geborgenheit. Und dieser Gegensatz steigert sich bis zur äußersten Höhe im Verlause der Nachtz vom Standpunkte Jesu aus, als etwas, das Jesu Blicken sich darstellt, erzählt Markus, wie die Jünger ferne von ihm die äußersten Anfechtungen von dem ftlirmischen Meer zu leiden haben und trotz der grbßten Anstren- gungen ihrem Ziele nicht näher kommen, denn dann erscheint sein Kommen als eine That liebreicher Hilfe und alles schauender Vorsicht, nicht als ein zusalliges. Während es nämlich aussieht, als habe er m seiner ruhigen Geborgeuheit ihrer vergessen, die doch auf feinen Befehl sich dieser miihevollen Fahrt» unterzogen haben, kommt er ihnen doch zu-Hilfe, weil ihm ihre Nothnicht entgangen ist. Jn der Kraft seiner eben neugestarkten Gemeinschaft mit Gott kommt ei; gegen Ende der Nacht, nachdem also ihre Geduld hinreichend erprobt war, zu ihnen, wie auf ebenen Wegen »auf dem stürmischen Meere wandelnd; unds sie sehen ihn vor sich hingeben, als ob er ihrer nicht achtete noch sie erkennete, bis sie in ihrem Wiedererkennen durch den Umstand, daß er auf dem Wasser wandelt, als habe sein Körper keine mate- rielle Schwere, irre gemacht und auf die Meinung ge- rathend, die Erscheiuung sei ein sinnentriigendes Gespenst, vor Angst laut ausschreiew Denn ihre Wahrnehmiin war nicht die eines oder zweier aus ihrer Mitte, daß sie sich darüber hätten als über ein Erzeugniß aufge- regter Phantasie beruhigen können; aus der Allgemein- heit und Gleichheit derselben mußten sie auf eine un- heimliche reale Macht schließen, die sie zu schädigen suchte. So wenig glauben sie noch, daß ihr Meister ihnen überall schirmend nahe sei, so wenig legen sie ihm ein übermenschliches Vermögen bei, in dieser seiner Nähe sich ihnen auch sichtbar darzustellem daß sie lieber jene abergläubische Erklärung für die Erscheinung suchten; erst daß er zu ihnen redete, ließ sie glauben, daß sie mit einem leiblich lebendigen Menschen zu thun hätten, und sein Trostwort und Verstcherung überzeugt sie, daß dieser Mensch der wirkliche Jesus selber sei. (Kloster- wann) Ein Gespenst (vom altdeutfchen spannt» locken, s. v. a. verlockendes Trugbild) ist die schatten- haste, stchtbare Erscheinung entweder der Seele eines Verstorbenen oder eines bösen Geistes, der zu schaden sucht. (Lehrer.) s Es ist eine Erscheinung, welche schon in sofern täuscht, als sie leiblich greifbar zu sein fcheint und doch als bloßer Schatten wieder zerrinnt; aber auch darin ist das Gespenst eine täuschende Erscheinung daß es den bereits beirrten Schauer noch mehr in die Beirrung seines aufgeregten Gemüths verstrickt. Es ift einerseits der trüglichste Lieblingsgötze des menfchlichen Aberglauben-Z, der mit Vorliebe Gespenster siehet, an- drerseits aber auch die unvertilgbarste Aeußeruiig des Glaubens, sofern es auf der Voraussetzung von der Unsterblichkeit der Seele und dem Dasein persönlicher Geister beruht. Mit der Gespeiisterseherei verwechselt aber das Conversatiouslexikon den Glauben an Geister- erscheinungen, der eine Voraussetzung der heil. Schrift ist; diese isi nicht nur von Erscheinungen überirdischer Geister, d. h. der Engel durchzogem sondern sie hat auch den Glauben aii die Erscheinuiig abgeschiedener diesseitiger Geister sanctionirt (1. Sam. 28, 11 Anm.), und nicht nur durch die dunkle Zeit des Mittelalters hindurch, sondern auch bis in die neueste Zeit hat sich jener Glaube, nur geläutert und gereinigt von der Furcht vor Gespensterm diesem apokryphischen Zerrbild der Geister- erscheinungen, erhalten. Der Ausgangspunkt ist, wie schon gesagt, das Dasein perfönlicher Geister jenseits unsrer Sinnenschranken felbstz daß aber der Geist sich zum Geiste hiiibewegt, daß namentlich der abgeschiedene, von der Erde entfesselte Geist eine freiere Bewegung haben kann als z. B. das elementarische Licht, liegt ebenfalls in dem Begriff der persönlichen Geister , die einzige Schwierigkeit liegt nur in der Fra e: wie kann sich der jenseitige, im Sinne des irdischen Le ens entkbrperte Geist dem diesseitigen, durch die Sinne bedingten Geist zu erkennen geben? Die ältere Voraussetzung war diese: er nimmt vorübergehend einen Leib oder eine Art von Leiblichkeit an; die neuere Seelenkunde dagegen kann antworten: er ist von Haus nicht absolut körper- los. (P. Lange.) Die Seele des Geistes ist auch nach der Trennung von ihrem Leibe nicht ganz ohne Leib; der-innere folgt ihr, und der alte wird ihr künftig wieder beigefügt werden zu ihrer vollkömmlichen Redintegration (Wiederherstellung) und Restauratioiu Ja, es bleibt auch zwischen der Seele des Geistes und dem todten Leibe in der Zwischenzeit ein geheimes Ver- hältiiiß, näher ein Polaritätsverhiiltiiiß ein gegenseitiger Zug, ein Rapport; und daraus folgt auch wieder, daß der von der Seele verlasseiie und insofern entseelte Leib, wenn er auch die Seele riicht mehr in sich hat, sie- doch als das Leben außer sich hat, ist doch auch die Ver- wesung des Leibes ein Lebenszeichen und als Durchdrin- Jesu Wandeln auf dem Meere. 493 gnug eine Vorbereitung der Auferstehung. (Göschel.) Der Vorzug der größeren Anfchaulichkeit ist in dieser Erzählung auf Seiten des Matthäusz namentlich das Ereigniß mit Petrus, der zu Christo über das Meer hingehen wollte , ist nur von Matthäus (14, 28 — 31) erzählt. (Olshausen.) Von der Noth der Sünde siud wir überall umgeben und bedrängt, während wir hie- nieden wandeln, wie diejenigen, die auf dem Meere schisfen, überall von Gefahren umgeben sind. Von sei- nem Fahrzeuge getragen, schwebt der Schiffer über den Abgründen, die sich unter seinen Füßen vertiefen; und wie leicht, wenn ihm Wind und Wellen entgegen sind und sein Fahrzeug zertrümmern, kann er nicht in diese Tiefen, aus denen keine Rettung möglich ist, ver-sinken. Auch wir, bis wir in die sichere Arche der göttlicheic Gnade aufgenommen werden, in welcher wir allen Ge- fahren Trotz bieten können, schwanken und schweben, unsern eigenen Kräften vertrauend, in einem gebrech- lichen Kahne auf dem Meere der Welt; unsere Leiden- schaften sind die Stürme, welche die Wellen erregen, an denen wir hoch hinauf und dann tief hinunter fahren. Und wenn sie uns gegen die Untiesen und Klippen der Sünde werfen, wenn dann unsere Kräfte nicht genügen, wenn die durch Menschenhand zusammengefügten Theile des Fahrzeugs sich von einander trennen, dann sinken auch wir hinab, tief und tiefer in einen Abgrund, den kein Gnadenlicht erhellt, wo fürchterliche Ungeheuer wohnen und aus welchen keine hilfreiche Hand uns emporziehen wird. Wer ist es, der einherwandelt auf der Fluih, als wäre sie ein fester Boden, der durch keine Schwere in das flüssige Element niedergezogem durch keine Welle aufwärts und abwärts getragen, dessen Sohle kaum von der Feuchtigkeit benetzt wird? Wer ist es, der hindurch geht durch die menschlichen Angelegenheiten, ohne das Verderben zu theilen, von welchem sie ergriffen sind, durch alle Stürme der Leiden- schaften, die ihn umtoben, ohne sich dadurch bewegen zu lassen, der, überall von Sünden umgeben, sich auch von der geringsten Befleckung rein erhält? Wer ist es? — Ein Gespenst, so rufen auch jetzt noch Manche, ein durch Schwärmerei erzeugtes Trugbild ist jener Christus, von dem ihr uns erzählt, der die öttliche Natur mit der menschlichen verbunden, der den lementen unumschränkt geboten, der überall versucht, doch immer die Sünde von sich entfernt gehalten nnd durch seinen Tod alle, die an ihn glauben, von der ewigen Verdammniß er- rettet haben soll, Aber, o theure Stimme, die durch das Geräusch des Windes und der Wellen, durch den Lärm des täglichen Lebens und der weltlichen Ange- legenheiten, durch das Geschrei des Unglaubens hindurch von den empfänglichen Herzen vernommen wird! Ver- nahmet ihr sie schon, m. Bin? fühltet ihr schon, Christus sei nicht, wozu der Unglaube ihn machen will, nicht ein Gespenst, sondern der lebendige Gottessohn, der wahre Heiland, der von der Sünde, die ihm fremd war und deren Strafe er trug, erlösen kann? fühlet ihr’s? dann werdet ihr auch in eben dem Eifer entbrennen, von welchem wir den Petrus ergriffen sehen. Die begna- digte Seele brennt vor Verlangen, Christo durch Heili- gung ähnlich zu werden; auch sie will schweben über den Wogen dieser Welt, ohne in ihre Lüfte niederzu- tauchenz sie will trotz den widrigen Winden, die sie aufhalten und zurücktreibem trotz den sich hebenden und, niedersinkendeii Wellen ihren Gang zu Christo, wohin alle ihre Wünsche gerichtet sind, fortsetzen. Wird der HErr dies Verlangen gUtheißenP wird er dem Petrus gestatten, auf den Wellen zu ihm zu kommen? wird er alles das billigen, was die Seele in der Gluth ihrer ersten Liebe zu ihm unternimmt? kann nicht das himm- lische Feuer noch mit irdischen Elementen, der Trieb der Gnade mit den Trieben der Natur gemischt sein? kann der, welcher Jesu nahen will, nicht auch, vielleicht ohne daß er es selbst wisse, den Wunsch hegen, von den Men- schen bewundert zu werden? kann er nicht, nur auf den Ruhm des Gelingens blickend, vergessen, sich gegen die Gefahren und Schwierigkeiten zu rüftenW Das alles inag sein, ja man kann zugeben, daß es sich fast immer so verhält; aber sollen wir nur dann erst handeln, wenn unser Handeln ganz rein ist? dann würden wir nimmer zum Handeln kommen! Der HErr muntert uns auf, sobald nur der Antrieb , der dem Unternehmen zu Grunde liegt, lobenswerth ist: das Unreine, das noch daran hängt, wird durch die Prüfung, die er uns be- reitet, ausgeschieden werden. Er spricht zu dem Petrus: »komm herl« Uubeschreibliche Freude für diesen, als ihm eben das gelingt, was er in seinem HErrn ange- itaunt hatte: unbeschreibliche Freude für denjenigen, der ich zur Nachfolge Christi entschloß, daß er durch seine Begeifterung eniporgetragen wird über den irdischen Dingen, daß er sich gleichsam entbunden fühlt von den Gesetzen der Schwere,—welche alles übrige niederzieht in die Wogen der Welt, daß sein Wandel nicht mehr auf Erden, sondern jetzt schon im Himmel ist! Solche Ent- zückungen gewährt die göttliche Gnade den aufrichtigen und feurigen Gemüthcrm welche den Weg des Heils betreten haben; die ersten Schritte werden ihnen leicht, die ersten Zeiten nach der Bekehrung sind gewöhnlich unaussprechlich frohe und glückliche Zeiten. —- Sie müssen aufhören; die heilige Freude, die den Christen erfüllt und die ein stolzes Selbstgefühl in ihm erregen könnte, muß gedämpst werden. Petrus sah einen starken Wind: daß sich ein neuer Sturm erheben und die Wellen gegen ihn führen würde, das hatte er nicht gedacht, das war ihm ganz uuerwartet; da es nun dennoch ge- schieht, erschrickt er und in seiner Verwirrung, wo er mehr auf den Sturm und auf die Wellen, als auf Christum sieht, fängt er an zu sinken. Auch du hattest geglaubt, begnadigte Seele, es hätten nun alle Ver- suchungen für dichuusgehört oder diejenigen, welche sich zeigten, würden dir nur Gelegenheit geben. eine glän- zende Vollkommenheit zu entwickeln. Aber siehe, da er- hebt sich ein Sturm! Käme er von außen, wäre es eine Anfechtung, welche das freimüthige Bekenntniß des Glaubens dir znzog, einer solchen würdest du dich freuen; aber sie geht aus deinem eigenen Inneren her- vor, Leidenschaften, die du längst besiegt glaubtest, regen sich und zeigen, daß sie immer noch vorhanden sind. Aeußre Prüsungen kommen wohl auch hinzu, und sie sind von der Art, wie sie nur für die gewöhnlichen sündlichen Weltmenschen einzutreten pflegen, wie du sie für dich niemals erwartet hättest. Du wirst irre an dir selbst, an dem HErrn und an seiner Gnade, und weil dein Vertrauen zu ihm geringer ist als deine Furcht vor der Versuchung, so fängst du an, der Ver- suchung nachzugehen. Petrus erschrak und hub an zu sinken, aber zugleich schrie er und sprach: HErr, hilf mir! Auch du sankest und bist in deiner Versuchung wohl nicht rein von aller Sünde geblieben: da ver- schwand es, das stolze Selbstgefühl, das auch den Frömmsten beschleicht; da erkanntest du, daß die gött- liche Gnade uns nicht aus einmal das nöthige Maß der Kraft für den ganzen Lebensweg verleiht, sondern daß sie in jedem einzelnen Falle, in jedem Augenblick immer aufs» Neue angefleht werden muß. Da riefst du: HErr, hilf mir! Und der HErr ergriff auch dich, wie den Petrus, mit seiner gewaltigen Hand; und er, welcher dich von den Strafen der Sünde besreiet hatte, rettete dich von der Sünde selbst, in welche zu Versinken du Gefahr liefeft. (Theremin.) e 494 Evangelium Marci 6 , 51—56. 7, 1——4. «) Dessen etwas ist wohl Petrus hernachmals unter der Zucht des heil. Geistes sich bewußt geworden; er lernte sich eingestehen, daß fein Glaubensmuth nicht frei gewesen von einem gewissen Ueberniuth, von einem Trachten nach hohen Dingen und Selbstüberhebung über die Andern (vgl. Anm. zu Matth. 14, 27). Da wollte er denn nicht, daß je einmal einer ihn bewundere und höher stelle, denn sichs gebühre, und hat bei feinen Miffionsvorträgen diese Geschichte von feinem Glaubensmuth gar nicht erst mit erzählt, auch hernach nicht zugegeben, als fein »Sohn« Markus (1. Petri Z, is) aus jenen feinen Vorträgen dies Evangelium zusamrnenftellta daß derselbe die Gefchichte mit aufnehme. Die Kritiker und Schriftforfcher freilich meinen zumeift, Markus habe sie nicht mit aufnehmen dürfen, um der Ehre des hohen Apostels nicht zu nahe zu treten, weil das Sinken auf dem Meer ihm nicht gerade zum Ruhm gereiche; aber Markus hat Anderes aufge- nommen, was dieser vermeintlichen Ehre in viel fchlimmerer Weise zu nahe tritt, es ist also wohl das gerade Gegentheil das Richtige, Petrus hat nicht gewollt, daß jemand höher von ihm halte, denn sich’s gebühret zuhalten. Daß die Gefchichte selber darum für die Kirche nicht verloren ginge, dafür hatte bereits St. Matthäus gesorgt; und also wird wohl auch in Betreff der Absassungszeit der vier Evangelien das das Richtige sein, daß das EvangeL Matthäi längst schon vorhanden war, ehe eins von den drei übrigen Evangelien geschrieben wurde. 51. Und [Jesus in Gemeinschaft mit Petrus, der zu ihm aus’s Wasser gekommen war] trat zu ihnen [den übrigen elf Jüngern] m das Schlfß nnd der Wind legte sich sin demselben Augenblick, wo der HErr nun bei ihnen war]. Und »sie [die Jüngerj entseszten und verwunderten sich uber die Maße [wegen dessen, was sie in V. 48 an Jesu gesehen hatten]. » 52. Denn sie waren nichts verstandiger ge- worden über den Broden [die durch seine Wunder- macht so gemehret wurden, um 5000 Menschen zu sättigen] und ihr Herz war verftarret [stumpf und unzugänglich für höhere Einsichh sonst hatten sie schon bei jenem Wunder merken miissen, wer Jesus eigentlich sei, und es hätte nicht erst noch eines zweiten von derselben außerordentlichen Art bedurft, ihnen das Verständnis; zu öfsnen]. Ein zweites Wunder-dates, das ihnen selbst zu gute kommt, erleben die Jiingey indem Jesus zu ihnen ein- steigt, nämlich daß der widrige Sturm sich sofort legt; das bringt sie aber nur um so mehr außer Fassung. Die Jtingey sagt Markus, haben nicht das Verftändnrß gewonnen, welches fre aus der wunderbaren Vermehrung der Brode hätten entnehmen können, nämlich daß die Maße des menfchlich Möglichen nicht geeignet seien, die Selbftdarstellung Jesu zu begreifen; nach seiner Anschau- ung frnd also beide Wunder spezifisch von allen früheren verschieden; eben deshalb fcheut er sich nicht«, das Herz der Jiinger verstumpft zu nennen gegen die Wirkung, welche das erste Wunder auf ihre Erkenntniß hätte aus- iiben sollen, weil sie bei dem zweiten gleichartigen noch so völlig faffungslos dastehen konnten, jedenfalls aber faßt er beide Thatfacheii in der Absccht zusammen, um zu zeigen, wie die Selbftdarstellung Jesu jetzt darauf angelegt gewesen sei, den Glauben der Jtinger zu emem i Urtheile über die Einzigartigkeit seiner Person zu zwin- gen (Matth. 14, 33), und wie schwer ihr Glaube dieser Niithigung nachgekommen sei. Beide Vorgänge haben indessen auch ihre Bedeutung m Beziehung auf den künftigen Beruf der Zwblfe: stellte sich im ersten (V.35 fs.) dar, wie es ihnen um der allmächtigen Gegenwart ihres HErrn willen gelingen werde, durch ihren geringen Dienst die hungernde Welt mit dem Brode des Lebens zu speisen, so zeigt sich im zweiten (V. 45 f.) die andere Seite des Ganges der Gemeinde Jesu durch die Welt, wonach sie mit der durch den Geist der Welt erregten Menschheit zu ringen und von ihm zu leiden hat. Sie hat ihn an- getreten auf den Befehl ihres zur Vollendung feines Werks zu Gott gehenden HErrn, angetreten in der auf feine Verheißuug gegründeten Hoffnung, nach kurzer Zeit ihn wieder zu sehen; aber die Arbeit, an das Ziel zu gelangen, wird schwerer und länger als sie gedacht, und es wird der Zeitpunkt kommen, wo sie die gliickliche Fortsetzung ihres Ganges zum Ziele für eine Unmög- lichkeit hält und wo es den Schein gewinnt, als ob ihr in der Geborgenheit bei Gott weilendes Haupt ihrer vergessen hätte· Dann Geduld zu erzei en und in Ge- duld standhaft den Glauben an die a mächtige Treue dessen festzuhalten, der sich ihr verheißen hat, das sollte der Ausgang dieser Meerfahrt sie lehren. Denn eben so plötzlich wie hier wird ihr der HErr erscheinen, von warmen und wie sie es nicht gedacht hat, so daß sie erst durch fein Trostwort dessen versichert werden muß, daß der in solcher Herrlichkeit Kommende derselbe ist, mit dem sie in Gemeinschaft des Fleisches und Blutes sieht; dann wird auf einmal der Widerstand der Welt besei- tigt fein und sie selbst sich am seligen Ziele ihres Weges finden. (Klosiermann.) Dem eitlen irdischen Königthum, welches das fleifchliche Israel ihm aufdringen wollte, stellt Jesus die wahre unbeschränkte Herrfchermacht gegenüber; er giebt sich den Seinigen als den, der Ge- walt hat über alle Kräfte der Natur, der fah selbst und sie mit i m über das Gesetz der Schwere dieses irdi- schen Lei es erheben kaum-l« Wenn er ihnen in der wunderbaren Speisung ein Vorspiel gegeben hat von der bevorstehenden Hingabe feines Fleisches zur Speise für die Welt, wenn er fee in dieser furchtbaren nächt- lichen Finsterniß, im Sturm nnd Alleinsein einen Vor- schmack hat fühlen lassen von der noch fchmerzlichereru eigentlicher-en Trennung nach feinem Tode, so bildet er in dieser unerwarteten, triumphirenden Rückkehr mitten durch die tobenden Wogen fein tröstliches Wiedcrerschei- nen bei der Auferstehung vor, ja seine herrliche Auffahrtz an welcher er seine Gläubigen Antheil nehmen läßt, in- dem er ste durch das Wesen des Geistes mit sich zu den himmlischen Wohnungen erhebt. (Godet.) V) Wenn man bedenkt, daß jede freiwillige Bewegung, welche unser Körper vollbringt, allerdings nicht eine Aufhebung, aber doch eine Ueberwindung des Gesetzes der Schwere durch das Dazwifchentreten einer überlegenen Kraft, nämlich der Kraft des Willens ist, so wird durch diese Analogie begreiflich, daß die Materie als ein Werk des Willens dieser wesentlich über- natürlichen Kraft immer zu Gebote stehen muß; und nichts hindert anzunehmen, das; der Hauch von oben in einem ge- gebenen Augenblicke einen menschlichen Leib, ja selbst ganz materielle Gegenstände (2. Kön. C, 6), von dieser Herrschaft der Schwere entbinden kann· 53. Und da sie hinüber gefahren waren, kamen sie [bei Bethsaidcq in das Land Genezareth [Matth. 4, 25 Arm] und fuhren an. 54. Und-da sie aus dem Schifs traten kund nach Kapernaum sich begaben], alsobald kunnten sie [die Leute dort, die Tags vorher ihn hatten über das Meer fahren sehen V. 331 ihn; 55. Und liefen alle in die umliegenden Län- der [die Botschaft von feiner Ankunft auszubreitem nachdem man bisher 3 Wochen lang feiner An: wefenheit hatte entbehren müssen und auch gestern Beginn der fluchtartigen Wanderung Jesu. 495 ihn nicht hatte halten können B. 31], und hiiben [in den nächsifolgenden Tagen, während am heu- tigen Tage selber Jesus in der Schule zu Kaper- nauizi lehrete Joh. e, 59] an die Kranken umher zu fuhren auf Betten, wo sie hörten, daß er war [denu in diesen vier Tagen vom 19—22. April machte er eine Wanderung durch die Landschafts 56.» Und» wo er in die Märkte oder Städte oder Dorfer einging, da legten sie die Kranken auf den Markt, und baten ihn, daß sie nur den Saum seines Kleides unituhren möchten sweil der Kranken zu viele waren, als daß er mit jedem einzelnen sich hätte können zu schaffen machen]. Und alle, die ihn anruhrten, wurden gesund. [Die beiden Geschichten vom 23. und 24. April aber, die auch noch in die Zeit des Osterfestes vom J. 29 fallen- sind schon in Kap. 2, 23 — Z, 12 erzählt worden.] Offenbar will der Evangelist zu verstehen geben, daß man auf Jesnm jetzt gespähet hat wie auf einen, dem man selten als länger weilenden Gast begegnete; nur daraus erklärt sich diese ängstliche Geschäftigkeit, mit der man die ganze Landschaft durcheilte nnd die Kranken in ihren Betten rings um die Stätte aufstellte, wo er ge- rade eingekehrt war. In Folge der Aussendung der Zwölfe war nun schon die Meinung, in Jesu einen un- fehlbaren Helfer vom leiblichen Uebel zu haben, im Volke zur herrschenden geworden, und was in Kap. 5, 27 noch als ein vereinzelter Beweis auffälliger Glaubens- kühnheit aus einer um etwa 7 Monat früheren Zeit be- richtet werden mußte, gehörte nunmehr schon zu den ge- wöhnlicheii Vorkommnissen; um so deutlicher trat aber auch an das Volk die unabweisliche Forderung heran, sich ein abschließeudes Urtheil über diesen Mann, auf den man solches Vertrauen setzen durfte, zu bilden, gleichwie die Jünger in den beiden Geschichtem V.35 ff. u. 45 ff. Veranlassung hatten, zur rechteu Erkenntnis; der Person Jesu Christi hindurchzudringen. Mit diesen ist es zu solcher Erkenntnis; gekommen, bei dem Volke aber sind die i1i V. 14 f. als im Schwange gehend be- richteten Urtheile die stehenden geblieben ( ap.8,27 ff.); im Folgenden sehen wir denn Jesum nunmehr auf sei- ner fluchtartigen Wanderung während der ferneren Monate bis zu seinem Aufbruch aus Galiläa. Das 7. Kapitel. Von der Pharisäer Heuchelei, des heidnisohen Weibes Tät-Hiersein, einem Tauben und stammen. I. Ob. 1—23· (§. 56.) In den bisherigen vier Gruppen von Erzählungen hat Mariens die deit der öffent- lich en Wirksamkeit Iesu in Galiliia bis in den Anfang derjenigen Periode hinein besmriebeiy wo seine Wunde— rung durch das Eand einen fluchtartigen Charakter annimmt. Diese Periode, in welcher sieh der Stand des Reiches Gottes zur Zeit der Abfassung des Evangeliums vorgebildet hat, schwebte ihm gleim von vornherein so sehr vor den Augen, daß es ihm bei seinen mitthei- lungen nirht auf die geschichtliche jieitfolgn sondern auf bestimmte Gesichtspunkte-für die innere Abwickelung an- liamz nun er aber sein Ziel erreicht hat, hält er sich streng an die mronologisrhe Aufeinanderfolge der Bege- benheiten, ivie sie auch bei Matthäus vorliegt sagt. die itlebersiiht zurilatth.5,1), nnd bringt da sogar noch zwei ihm eigeiithüniliche Erzählungen Man. 7, 31—37 u. s, 22——26) bei. Das erste Statt: dieser fünften, in 2 X 5 Abschnitte zerfallenden Gruppe bildet die Streit— frage der Pharisäer über das häudemasitsen (illgl. Matth 15, 1—-20; kalt. U, 37 —- l2, 12.) 1. Und es kamen [genauer: versammelten sich] zu ihm [am Tage nach seiner Rückkehr von Nazareth Kap» S»- 1— S] die Pharisäer szu Ka- pernaum] und etliche von den Schriftgelehrten, die saus der, in Matth. l5, l Atem. 1 ausführlicher dargelegten Veranlassung] Von Jerusalem kommen waren szur Einleitung einer Uniersuchung gegen ihn einen Anklagepunkt ausfindig zu machen, indem der einheimischen Pharisäer einer ihn mit seinen Jüngern zu besserer Beobachtung hatte müssen zu Tische laden und sie nun da insgesammt sich eben- falls im Hause des Gastgebers als wider ihn Ver- schworene einfanden Luk. 11," 37]. 2. Und da sie sahen [bei dieser Gelegenheit« es bestätigt fanden, was zur Anzeige bei dem Hohenraih in Jerusalem gebracht worden war Matth. 12, 1 Anm. l» nämlich daß man gesehen habe] etliche seiner Jünger mit gemeinen, das ist, mit ungewascheneu snicht durch die, in den Auf- sätzen der Aeltesten oorgeschriebenen Waschungen religiös geheiligten] Händen das Brod essen ssetzte er doch selber hier sich ohne Weiteres mit seinen Jüngern zu Tische Luk. II, 37], versprachcn sie, es [machten sie das zu einer Sache des Vorwurss oder Tadels]. Im Nenhochdeutschen bedeutet versprechen ent- weder s. v. a. etwas zusagen oder in der Verbindung mit »sich« s, v. a. aus Versehen ein falsches Wort wählen; in der älteren Sprache aber, derLuther folgt, bedeutet das Wort: I) zu viel sprechen, wie noch in Lessing’s ,,Nathan der Weise« zu lesen ist: Saladin, wenn du dich sühlest, dieser weisere, veriprochene (d. i. viel befprochene) Mann zu sein; Z) dnrch vieles Spre- chen sich verbindlich machen oder verpflichten (Luk. 22, 6); s) von sich weg sprechen, welches dann entweder sein kann: ableugnen, oder aber: sich gegen etwas erklären, es mißbilligem Z. Denn sum zuvörderst die mit den jiidischen Gebräuchen unbekannten Leser über den Sachzw sainmenhang dieses Vorwurfes aufzuklären] die Pharisaer Und alle ·[noch immer unter ihren Satzungen steheiidenJ Juden essen nicht, sie waschen denn die Hände manchmal sbehufs der levitischen Reinigung, auf die sie so großes Gewicht legen]; halten also die Aufsäsze der Aeltesteu [wie sie die- selben in der pharisäischen Schule überkommen haben Matth. 5, 22 Aum.]. 4. Und wenn sie vom Markt kommen [wo sie durch Berührung mit der Menschenmenge sich könnten levitisch verunreinigt haben Joh. 18», 28], essen sie nicht, sie waschen sich denn fund zwar in- dem sie ein förmliches Bad nehmen]. Und des 496 Evangelium Marci 7, 5—23. Dings ist viel, das sie zu halten haben ange- nommen, von [hölzernen] Trinkgefäßen und [irdenen] Krügen, Und eheruen soder kupfernen] Gefäßety Und Tifkhen lTischs es s eln oder Speise- lagern, sie vor dem Gebrauch in einer bis in’s Einzelne geregelten Weise] zu waschen [um ja nicht mit irgend etwas sich zu beflcckeiu was dem Charakter leoitischer Reinheit widerspräche Z. Mos. 11, 25 Aum.]. Das alles sind erweiternde Zusätze« zu dem mosai- schen Gebot, welches soweit in’s Einzelne gehende Be- stimmungen nicht enthält, weshalb sie auch Aufs ätze, d. i. Ueberlieserungen der Aeltesten oder der alten Ge- setzlehrer genannt werden; noch jetzt ist ja das Gesetz Mosis bei den Juden vom Talmud verdrängt und von dessen Satzungen überwuchert (v. Burger.) Nicht nur unbewußt, sondern mit dem beftimmtesten Bewußtsein erhoben die Rabbinen ihre Satzungen über das Gesetz Moses, und Abgeordnete des Hohenrathes in Jerusalem besuchten die Provinzen fleißig und waren besonders aus diejenigen Lehrer aufmerksam, welche von den Grund- sätzen des Pharisiiismus abwichen, an deren Spitze das Dogma von der Ueberlieferung stand. (P. Lange) Viel änßerlicheCeremonien und Menschensatzungen sind nicht gut in der Kirche Gottes, denn so man die steif und fest halten will, verläßt man leicht Gottes Gebot darüber; aber die Menschen thun gemeiniglichs alles gern, wenn sie nur ihr Herz nicht ändern dürfen, und Eigenliebe und Eigensinn sind so toll, daß sie Sorgfalt und Fleiß lieber auf Krüge und Becher als sich selbst wenden. (Eanstein.) Das war auch die Beziehung, in welcher der HErr selbst sagte, daß sein Joch sanft und seine Last leicht sei (Matth. 11, 30), indem er sich und die Ge- rneinschash die er auf seinen Namen stiften wollte, mit dem Joche verglich und mit der Mannigfaltigkeit von äußeren Lasten bei den Juden, welche die Aeltesten nie müde wurden auszulegen. (Schleiermacher.) Z. Da fragten ihn nun die Pharisäer und Schriftgelehrten sindem sie den Anklagepunktz des- sentwegen sie sich zu ihm versammelt hatten, mit ihrem beabsichtigten Versprechen V. 2 jetzt vor- brachten]: Warum wandeln deine Jünger [die du dir heranbildestJ nicht nach den Aufsäßen der Aelte-·ten, sondern essen das Brod mit ungewasche- neu L5ånden? [Wie wir eben an deinem eigenen Beispiel bemerkt haben, leitest du sie recht geflis- sentlich dazu an, sich über diese Aufsätze der Ael- testen hinwegzusetzen — du willst also wohl eine ganz neue Schule stiften?] 6. Er aber svor allenDingen den Vorwurf wegen Nichtbeachtung der Aufsätze der Aeltesteti widerlegend] antwortete und sprach zu ihnen: Wohl fein [d. i. in ganz zutreffender Weise] hat von euch Heuchlern Jesajas sin Kap. 29, 13 sei- nes prophetischen Buchs] geweissaget, wie geschrieben steht: Dies Volk ehret mich mit den Lippen, aber ihr Herz ist ferne von mir. 7. Vergeblich aber ist es, daß sie mir dienen weit davon entfernt, daß die Weise ihres Got- tesdienstes mir wohlgefallen sollte], dieweil sie lehren solche Lehre [als Gottes selbsteigenes, von jedermann heilig zu haltendes Gebot], die nichts ist, denn Menschen Gebot. 8. sMjt vollem Recht läßt solches Wort sich aus euch anwenden] Jhr derlasset sia in der That] Gottes Gebot, und haltet der Menschen Aufsäßh von Krügen und Trinkgefäßen [dieselben für den Zweck der strengsten Beobachtung leviti- scher Reinheit] zu waschen; und desgleichen thut ihr viel [vgl. V. 4]. o. unt: er spmch zu ihnen: Wort fein spgr V. 6, hier aber s. v. a. wie arg 1. Kön 22, 15 Arm] habt ihr Gottes Gebot aufgehoben sja setzt es beständig bei Seite] aus daß ihr eure Aufsäsze haltet [die euch bequemer und wohlgefälliger sind, als der gute und vollkonimene Gotteswille, gegen den ihr einen geheimen Widerwillen hegt]. 10. Denn [damit ihr euch überzeugt, daß ihr wirklich Gottes Gebot aufhebet, so höret doch, was ich einander gegenüberzustellen habe!] Moses hat sin 2. M. 20, 12 u. 21, 17 in Gottes Austrag oder aus seiner Eingebung] gesagt: Du sollst dei- nen Vater und deine Mutter ehren; »und wer Vater oder Mutter ftucht, der soll des Todes sterben. , 11. Ihr aber lehret: Wenn Einer spricht zum Vater oder Mutter: Oorban [3.Mos. 27, 8 Anm.]- das ist, wenn» ich’s [mit einem Gelübde, wie ich’s eben mit dem Wort: c0rban— Geschenk an den Tempel! gethan] opfere,» so tft dtr’s viel nuszer [indem dir Gott um meines Gelübdes willen nun etwas viel Besseres bescheeren wird]; der thut wohl [und muß es nun bei dem Gelübde sein Be- wenden haben]. 12. Und so laßt ihr hinfort sindem ihr das, was er dem Tempel versprochen hat, demselben auch für verfallen erklärt, so daß er es nichi mehr nach seiner ursprünglichen Bestimmung verwenden darf] ihn nichts thun seinem Vater oder seiner Mutter; 13. Und hebet auf Gottes Wort swelches Vater und Mutter zu ehren gebietet] durch eure Aussätzh die ihr ausgesetzt habt sstatt daß ihr die Leute von solchen unheiligen Gelübdem die eine Beeinträchtigung der Kindespflichten in sich schließetu abmahnen und dieselben auf alle nur mögliche Weise verhindern solltet]; Und desgleichen thut ihr viel kvgt V. 8]. Markus giebt die beiden Theile der Rede Jesu in umgekehrter Reihenfolge, so daß bei ihm der Hauptge- — danke vorangeht, bei Matthäus aber nachfolgt; letzterer hatte wohl die Absicht, das Gesetz dem Propheten vor- anzustellem (Meher.) Dagegen läßt Markus auf die allgemeine Schilderung pharisäisch-jüdischer Sitte das von Jesu angeeignete Urtheil des Jesaia vielleicht des- halb unmittelbar folgen, um zu zeigen, daß den Pro- pheten Jsraels selbst zufolge die eisrige Beobachtung jener Sitte dahin führen müsse, an die Stelle der eigentlichen sittlichen Aufgabe des Menschen, den Willen Gottes zu thun, den Gehorsam gegen rein menschliche Erfindungen zu rücken. (Klostermann.) Jesajas, Christus und die Resormation in ihrem einstimmigen Urtheil über den Streitfrage der heuchlerischen Pharisäer über das Händewafcheti 497 wahren und den falschen Gottesdiensh (P. Lange) Ofseubar Gottlose schwächen die Wahrheit des göttlichen Gesetzes nicht so sehr durch ihr böses Leben, als die- jenigen, so sich ftir seine Liebhaber ausgeben und es doch sälschlich erklären. (Qucsnel.) 14. Und er tief [nachdem er noch eine weitere scharfe Strasrede wider die Pharisäer und Schrift- gelehrten gehalten und das Haus dessen, der ihn zu Tisch gebeten, verlassen hatte, ohne sich weiter an der Mahlzeit zu betheiligen, beim Hinaustreten vor die Thür wieder] zu sich das ganze Volk sdas schon vorher ihn umgeben hatte, ehe er die Einladung des Pharisäers erhielt, während seiner Abwesenheit aber noch zu weit größeren Schaaren angewachsen war Lnk. 11, 39 —— 12, 1], und sprach zu ihnen: Höret mir alle zu, und vernehmet es [denn es ist eine gar wichtige Lehre, die ich euch zu eurer Bewahrung vor dem Sauerteig der Pha- risäer mitzutheilen habe]. 15. Es ist nichts außer dem Meuschcn, das ihn könnte gemein machen, so es sals leibliche Speise und Trank] in ihn gehet; sondern das von ihm ansgehet lans dem argen, bösen Grunde eines ungöttlich gerichteten Herzens] das istes, das den Menschen gemein macht. « 16. Hat jemand Ohren zu hören, der höre [Matth. 11, 15 u. 13, 9]. Jesus erledigt die Frage grundsätzlich, wovor-der Mensch sich als vor einer wirklichen Verunreinigirng zu hüten habe, um wirklich rein zu sein; dies thut er in einem öffentlichen Ausspruch vor den Ohren des Volks, dem das Verhalten seiner Jünger (V. L) nicht anstößig bleiben soll, mögen auch die Gegner sich daran ärgern. Jst es doch nicht ein besonderes Privilegium, das seine Jijnger rechtfertigh sondern eine allgemeine Wahrheit, die er im Gegensatz zu der pharisäischen Lehrweise zur Anerkennung bringen will. (Klostermann.) 17. Und da er von dem Volk [zu tvelchem er noch vor der Hausthür des Pharisäers geredet] in’s Hans swo er seine Wohnung hatte, glso s. v. a. nach Hause] kam, fragten ihn seine Junger [dnrch Vermittelung des Petrus Matth. l5, 151 un! dieses Glcichniß [das er vorhin V. 15 gegen das Volk ausgesprochen habe]. 18. Und er sprach zu ihnen: Seid ihr denn sdie ihr ja bestimmt seid, die Anfänger einer neuen Heilsordnung in der Menschenwelt zu sein, und auch bereits dem Grundsatz gemäß euch verhalten habt, daß äußere Reinigungen für die innere Wesens: beschafsenheit nichts austragen V. 2] auch so nn- Vekständig [daß ihr nicht von selber den Ausdruck für jenen Grundsatz versteht, womit ich euer Ver- halten gerechtfertigt habe]? Vernehmet ihr [trotz- dem, daß eure Gemeinschaft mit mir euch schon zu einer neuen religiösen Lebenssitte gebracht hat und ihr nun auch ein bestimmtes Bewußtsein um den Wahrheitsgrund dieser neuen Lebenssitte haben solltet] noch nicht, daß alles, was außen ist und kerst von außen her] in den Menschen gehet, das kann ihn nicht gemein machen? 19. Denn es gehet nicht in sein Herz sdessen Beschaffenheit ja doch allein über Reinheit oder Unreinheit entscheiden, sondern in den Bauch, und gehet [von da in Folge eines Ausscheidungsprw zesses, der sich von selbst vollzieht, auch wieder] ans durch den natürlichen Gang, der alle Speise swas als unreiner Niederschlag davon zurückge- blieben] ansfeget lindern er die Unreinheit dahin entläßt, wohin sie gehört, und so die eigeniliche Lebensstätte des Ebtenschen davor bewahrt]. 20. Und et« sprach snachdem er so über die erste Hälfte seines Ausfpruches in V. 15 sich er- klärt hatte, auch die andere Hälfte erläuternd]: Was aus dem Menschen gehet, das [wei«l es eben von ihm selber kommt und ein Erzeugniß seines eigenen inneren Wesens ist] macht den Menschen gemein lwenn es von der Art ist, daß er stch da- mit als fleischlich, unsittlicls und verwerflich be- kundet]. 21. Denn von innen, aus dem Herzen der Menschen, gehen heraus böse Gedanken, [die sich dann auch zu bösen Werken vollziehen nämlich:] Ehebruch, Hurerei, Mord, 22. Diebereh Geiz, Schalkheit sin boshasten ZuchtlosigkeitL Schalksange [Scheelfuchi Matth. 20- 17], Gotteslasteruug, Hossart [oder Ueber- muih], Unvernunft [oder unbesonnenes Wesen] 23. Alle diese szweimal sechsspvou ,,Ehebruch« bis ,,Unvernunf « aufgezählten] bose Stucke gehen von innen heraus [als eine Frucht der bösen Ge- danken], und machen den Menschen gemein [daher sein rechtes Sichreinerhalten allein darin besteht, daß er die aus dem Herzen sich hervordrängenden Gedanken prüfe, wie sie beschaffen sind, und nun die unreinen nicht hochkommen und sein Wollen und Vollbringen nicht beherrschen lasse]. Wie der HErr Jesus alle Gerechtigkeit, die er lehrte und forderte, selbst erfiillet hat, so hat er auch das Gebot in Joh. 7, 24: ,,Richtet nicht nach dem Ansehen, sondern richtet ein rechtes Gericht« selbst erftillet; er richtete immer nach dem Recht, nie nach Empfindung und Leidenschaft, urtheilete immer wahrhaftig, nach dem inneren Grunde, nach dem eigentlichen Werthe, nie nach Anscheiu und Oberfliiche, und es ist auch in dem Sinne kein Betrug in seinem Munde erfunden worden, daß er kein halbwahres und schiefes, kein übertriebenes oder mangelhaftes Urtheil, da zu viel oder zu wenig gesagt wäre, gesällt hat. Es konnte aber da nun auch nicht fehlen, seine Urtheile mußten meistentheils von den Ur- theilen der Menschen sehr verschieden, seine ganze Art und Weise, die Dinge anzusehen und zu würdigen, mußte eigen und besonders, sein Maßstab, womit er Sachen und Menschen maß und wornach er ihren Werth bestimmte, mußte um so viel ungewöhnlicher sein, als die meisten Menschen nach Empfindungen und Leiden- schaften, nach hergebrachten Gewohnheiten und ange- nommenen menschlichen Entscheidungen urtheilen, messen -und würdigen. So ist denn auch hier das Urtheil des HErrn Jesu über das, was den Menschen «, gemein macht, einem andern Urtheile entgegengesetzt, AnschlägenL List, Unzucht [Ausgelassenheit oders 498 Evangelium Marci 7, 24———30. nämlich der Meinung und dem Urtheile seiner Zeitge- nossen unter seinem Volk, und der Meinung und dem Urtheile der Welt jeder Zeit und jedes Landes. Die Juden hielten einen Menschen in dem Maße gemein, schlecht, unwerth und verächtlich, als er die Befolgung der Gebote Gottes nach dem Buchstaben nnd der äußer- lichen Form, und noch mehr als das, die Ersüllung und Befolgung der Aussätze der Aeltesten, gewisser bei ihnen in hohem Ansehen stehenden menschlichen Lehrer, unter- ließ. Wer diese mit der größten Genauigkeit hielt, der war in ihren Augen heilig; wer diese nicht beobachtete, der galt ihnen für einen gemeinen, schlechten, nichts- würdigen Menschen. Reichthnni nnd vornehmer Stand machte bei ihnen den Menschen nicht vornehm und würdig, gab ihnen keinen Werth, und Armuth und Niedrigkeit machte bei ihnen niemand gemein; der reichste Zöllner war bei ihnen ein gemeiner Mensch, weil er römischer Zöllner war, und der vornehmste Jude galt für einen gemeinen Menschen, wenn er die Anfsätze der Aeltesten nicht hielt, hingegen war der ärmste nnd nie- drigste Jude, wenn er diese beobachtete, geachtet nnd heilig. — Was dagegen macht in den Augen und nach dem Urtheile der Welt einen Menschen gemein? wen und was nennt man einen gemeinen Mann oder einen gemeinen Menschen, gemeine Leute oder gemeines Volk? Nennt man lasterhafte, böse, frevelhaste Menschen so? oder Menschen, die ohne Gott und ohne Hoffnung in der Welt sind? oder etwa Menschen, die über das Hei- ligefpotten? Nein, solche Menschen nennt man so nicht! Man nennt auch keinen Reichen, keinen Gelehrten, kei- nen Vornehmen gemein. Einen Reicheru wie schlecht, wie roh, wie unwissend, wie lächerlich stolz er sein mag, in welchem Geize und schreiender Unbarmherzigkeit oder in welcher Verschwendung und Ueppigkeit er leben und wie viel Betrug und Unredlichkeit an seinem Gelde haften mag, zählt niemand zu dem gemeinen Volk; ja, wenn ein Armer und Niedrigey dessen bis dahin keiner achtete, plötzlich zu großem Reichthum gelangt und nun prächtige Häuser baut, prächtige Gärten anlegt, prächtige Hausgeräthe anschasst, kostbare Kleider trägt, die feinsten nnd iheuersten Speisen und Getränke genießt, so hört er alsobald auf, zu den gemeinen Leuten zu gehören, wenn er aber über Jahr und Tag all seinen Reichthum wie- der verliert, so gehört er alsobald wieder zu dem ge- meinen Volk, mit seinem Gelde verliert er seinen Werth. Einen Gelehrten, wie wenig Werth seine Gelehrsamkeit an siih selbst haben, wie schlecht er sie anwenden, welch ein lasterhaften schädlicher, verderblicher Mensch er sein mag, zählt man nicht zu den gemeinen Leuten; eben so wenig einen Vornehmen, wie schlecht er fein möge, wie elend und unnittz in nnerhörtem Müssiggange, wie schlecht und sihädlich in allerlei Niederträchtigkeit, Schlem- merei, Trunkenheit, Hurerei, Ehebruch, Gottes- und Menschenverachtnng er allbekannt leben möge — das alles nimmt ihm in der Welt seinen Werth nicht, er bleibt darum ein vornehmer Mann, nnd wenn man sein häßliches Verhalten auch tadelt, so zählt man ihn doch nicht zu dem gemeinen Volk. Ein Mensch im Gegentheile, der arm und niedrig ist, wie gut er in sich selbst, wie unbescholten sein ganzes Verhalten sei, wie brav und treu, wie fleißig und arbeitsam, nnd ob er auch noch mehr als das ist und thut, ob er auch in der Furcht Gottes und im Glauben an Gottes Ver- heißungen mit der schwersten und edelsten Anstrengung der Heiligung nachjagt, Gott und der Ewigkeit lebt, aber, wie gesagt, arm und niedrig ist, etwa nur in einer kleinen engen Hütte wohnt, nur das allernöthigsie und schlechteste Hausgeräth hat, ein grobes Kleid trägt, im Schweiße seines Angesichts sein Brod essen muß, der hat in der Welt keinen Werth, der ist und bleibt nach ihrem Sprachgebrauch ein gemeiner Mensch. Und wie urtheilt und spricht der HErr in dieser Sache? was macht nach seinem wahrhaftigen und entscheidenden Ur- theile den Menschen gemein? Er siehet auf den Men- schen selbst, nnd nur allein auf den Menschen, wenn er bestimmt, was den Menschen gemein mache; ja er will in dieser Sache nicht einmal den Leib des Menschen eigentlich zu dem Menschen selbst gerechnet haben. Alles Aeußerliche, Körperliche, sagt er, kann den Menschen nicht verunreinigen, die körperliche, irdische Nahrung kann ihn nicht gemein machen, denn sie berührt ihn nicht, sie kommt nicht in und zu dem Menschen selbst, sondern in den Bauch; sie gehört nur dem Leibe des Menschen an, nnd der Leib ist nicht der eigentliche Mensch, sondern nnr seine Hütte und Wohnung für die kurze Zeit seines Aufenthalts auf Erden. Der Mensch selbst, der geistiger Natur und Beschaffenheit ist, kann auch nur durch geistige Dinge unrein und gemein wer- den, und nur geistige Dinge können ihni Werth geben; darum, was von innen, aus dem Herzen des Menschen hervorgeht, das entscheidet über ihn, denn es zeugt, wie er in sich selbst ist, wie gut oder wie schlecht der ver- borgene Grund und Schatz seines eigentlichen Wesens ist, und darnach kann man ihn würdigen und schätzen. Was so von innen, aus dem Herzen, aus deni Menschen selbst Gutes, Reines, Schönes, Göttliches hervorgeht, das ehret und würdigt ihn; denn es zeuget, daß er innerlich, in sich selbst gut, rein und schön ist und etwas Göttliches in sich hat. Und was so von innen ans dem Herzen, ans dem Menschen selbst Arges, Unreines, Häßliches hervorgeht, das schändet ihn nnd macht ihn gemein; denn es zeuget, daß er innerlich, in sich selbst arg, unrein und häßlich ist. So richte denn über deine eigene und andrer Menschen Gemeinheit ein gerechtes Gericht, wie du nach diesen Worten des HErrn thun kannst! Ueberhaupt, was du äußerlich in dieser Welt bist, das bist du nur ein paar Augenblicke in Verglei- chung mit der Ewigkeit; aber was du in jener Welt sein wirst, das bist du ewig. O mache, daß du da nicht gemein genannt und gehalten wirst! Auch das macht den Menschen gemein, wenn er hier gern viel sein und viel haben will, aber dort nicht; da nichts sein und gelten wvllen, das ist nichtdemüthige, nein, das ist gemeine Gesinnung (Menken.) II. v. 24—30. (§. 57.) nicht zkiigcschichicich altem, sondern auch von Seiten seiner heilsgesrtiirhtlirljen se— deutnng schließt an dao vorige Stück von dem Hände— waskhen der Pharisäer und Schriftgelehrten das nun— mehr folgende von dem großen Glauben der» cann- näisaj en Weibes sieh an, deren vom Teufel gequälte« Tochter der im Gebiet von Turm; und Sidon wetlende Jesus gesund macht. »Mit der Gemeinde der Sänger Christi, die sich dort gegenüber dem alten als das neue Israel zeigte, dar nicht in der Beobachtung äußerer Satzungen nnd Enthaltnngen seine Heiligkeit hat, sondern in der Heiligung des Herzens, werden diejenigen Heiden leichter, als« das von den Pharisäern reprcisentirte Israel, in Ging znsccncmengehem tvelaje ohne allen Gesehesdienlt in Demath nnd Glauben ihr Herz für deu Empfang dee in Iesn vorhandenen Heiles gereinigt haben-« (it1gl. Muth. is, 21—28). 24. Und er stund auf und ging von dannen [von Kapernaunu wo er von den Pharisäern und Schriftgelehrten von feindlichen Nachstellnngen auf Schritt nnd Tritt umgeben war] in die Grenze Thti Und Sidon san der Nordwestseite von Galiläa], und ging in ein Haus [um dort im Stillen eine Von dem großen Glauben des cauatiäischen Weibes. 499 Zeitlang hinzubringen], und wollte es niemand wissen lassen sdaß er da wäre, um nicht von Hilfesuchenden hier in der Heidenwelt in Anspruch genommen zu werden] und konnte doch lnach gött- licher Fügung, die hierein Ereigniß von prophe- tischer Bedeutung für die Zukunft des Reiches Gottes wollte eintreten lassen] nicht verborgen sein. 25. Denn ein Weib hatte von ihm gehört, welcher Tbchterlein einen nnsaubern Geist hatte, nnd sie sdie Gelegenheit abpassend, wo er einmal in«s Freie ausging] kam und fiel nieder zu seinen Fiißen [Matth. 15, 25]. 26. Und es war ein griechisch kredendesj Weib aus Shrophbnice [aus dem zur Provinz Syrien gehörigen Phönicien —— ein anderes Phönicien war das zu Libyen in Nordafrika gehörige, das Gebiet Des ehemaligen Karthagojz und sie bat ihn, daß er den Teufel von ihrer Tochter austriebe kindem sie sprach: HErn hilf mir]. - 27. Jesus aber [nachdem er zuerst ihr Nach: schreien nnbeachtet gelassen, dann aber auch die Fiirsprache der Jitnger abgewiesen hatte Matth.15, 23 u. 24] sprach zu ihr« sdei diesem dritten Anlauf, um den es sich hier hauptsächlich handelt]- Laß zuvor die Kinder satt werden sehe die Reihe an dich und Deinesgleichen kommt]; es ist nicht fein, daß man der Kinder Brod [so lange diese noch am Tische sitzen und ihre Zeit zur Sättigung havenlnehuie und werfe es vor die Hunde [das würde alles Hausrecht verletzen und die Würde der Kinder beeinträchtigen]. , 28. Sie antwortete ihm: TaspHErrspgber doch essen die Hiindlein unter dem Tisch von den Vrosamen der Kinder [die diese von ihrem Ueberstnß herunter fallen lafsen]. 29. Und er sprach zu ihr: Um des Worts willen*" [das nicht Fleisch und Blut dir einge- geben hat, sondern mein Vater im Himmel, und dem ich als einem Gebot des Vaters gehorsam binj, so gehe hin: der Teufel ist [in diesem Augen- blick, wo ich solches zu dir rede] von deiner Tochter ausgefahreu 30. Und sie ging hin in ihr Haus und fand, daß der Teufel war ausgefahrem und die Tochter szwar noch ermattet von dem letzten Anfall des bösen Geistes Kuh. 9, 26., aber doch nun ganz beruhigt und genesen] aus dem Bette liegend. «) Zwar war nach der ursprünglichen Bestimmung die phöiiizische Ktjste dem Erbtheil Jsraels zugelegt (1. Mos 49, 13; 5. M. 33, 14; Ins. 19, 28); aber dieser Küsteustrich ist von Jsrael niemals erobert wor- den, sondern in den Händen der phönitischen Cananiter geblieben. Jesus, der wahre Sohn Davids, der eigent- liche Josua, dessen Namen er verwirklichy hat es nicht unterlassen, dieses wahre Grenzgebiet Jsraels, in wel- ches weder Josua noch Salomo gekommen ist, zu betre- ten; er hat hier die Cananiter nicht ausgerottet, wie aber und sprach zu dem Volke Jsraels als dem Knechte Jehovws zur Voll- ziehnng des göttlichen tdåerichts über den verderbtesten Theil der Heidenwelt aufgetragen war, er ist nicht ge—- kommen zu richten, weil sich gezeigt hat, daß das Ge- richt die Menschheit uicht mehr retten kann, smtemal das Volk Gottes selber, welihes das Gericht an der Welt vollziehen soll, vor allen Völkern unter dem Zorne Gottes steht. Darum hat das Betreten der Gegend von Tyrus und Sidon von Seiten Jesu den gerade entgegengesetzten Erfolg: er rettet Seele und Leib einer Cananiterin nnd ihrer Tochter aus der Gewalt der Fin- sternis. (Baumgarten.) ——- «) Diese Versuchung geht weiter als alle vorhergehenden, da ihr der HErr zuerst kein Wort geantwortet, dann aber den Jüngern auf ihre Ftirsprache erwiedert hat: ,,ich bin nicht gesandt, denn» nur zu den verlorenen Schafen vom Hause Jsrael«; Markus hat das so wohl gefühlt, daß es die einzige ist, die er in seiner Erzählung erwähnt. Jesus hat hier alles, was es nur an Verachtung für die Heiden in der Sprache und in den Vorm-theilen seines Volkes gab, sich angeeignet, ja anf die Spitze getrieben; nun ist nicht blos der Geist der Cananäeriii in Verwirrung s gebracht, jetzt ist auch ihr Herz verwundet, zu Boden geschmettery zertreten — ich sage, ihr Herz, denn es wäre zu wenig, wenn ich sagte, ihre Eigenliebm Man erwiedert ihr Vertrauen mit Kälte, ihre Hingabe mit Unempfindlichkeit, ihre Liebe mit Verachtung: ach, nun wird sie besiegt sein! —- ja, wenn sie besiegt werden könnte! Aber sie kann nicht besiegt werden, weil sie nicht zweifeln will; sie läßt sich nichterschlitterm sie läßt sich nicht irre machen, jene demüthigende Vergleichung, die dem Anschein nach ihr ganzes Herz empören mußte, nimmt sie ohne Einspruch an, schöpft aber daraus einen neuen Beweis, um den Widerstand des HErrn zu be- siegen. (Monod.) Sie hatte geglaubt, daß ein solcher Mann für alle Menschen sei und daß alle, die in Noth sind und Hilfe brauchen, gleiches Recht an nnd zu ihm hätten; nun das aber nicht ist, nun sie hört, daß die Juden die Kinder sind und ihnen das Brod gehört, bleibt sie gleich« zurtick. Sie kann dann kein Brod ver- langen, verlangt auch keins; nur eine Krume von diesen! Brode, ein Brosamlein ist ihr genug — nur ein Wort, ein Blick, und meine Tochter wird genesen. (M. Clau- dius.) — set-«) Wir haben oft die Macht des Gottes- wortes bewundert; es ist Zeit, heute die Macht des Menscheuwortes zu bewundern, das Wort der Cana- näeriu öffnet den Himmel, triumphirt über den HErrm vertreibt den Teufel und schafft, was sie will. »So wahr der HErr lebt, spricht Elias in 1.Kön. 17, 1, es soll diese Jahre weder Thau noch Regen kommen, ich sage es denn. Es ist dies Wort das Wort des Glan- bens, und der Glaube macht uns , ich weiß nicht, anf welche geheimnißvolle Weise, der Allmacht Gottes theil- haftigx wie geschrieben steht: »bei Gott ist kein Ding unmöglich«, so steht auch geschrieben; »dem Gläubigen sind alle Dinge mö·lich.« (Monod.) Herrlich leuchtet auch in schweren äiroben jener Heldin Glaubenslicht; Jesus schweigt, die Hilfe wird verschoben, doch sie läßt den Helfer nicht, So will ich auch, Jesu, dich tiicht lassen, dich mit meinen Glaubensarmen fassen: gieb mir nur, wenn dir’s gefällt, was von deinem Tische sällr. III· v. 31—37. (§. se) »nu- uieiu on: dem un: vorhin gehört haben, redete recht und durrh die Rede ihres Bekenntnisses gewann fie selbst sich unmittelbar, unter Edeln bloßer Bestätigung, dir Heilung, die sie snthtez sie redete aber recht, weil sie mit breunendcm Verlangen due Gerücht von ihni gehör! hatte. Da tritt uns nun hier einer von Israel entgegen, der un— fähig ist zu reden, weil zu hören; bei ihm muß Jesus IN· 500 Evangelium Marei 7, 31——35. selbst erst die Jlhnung von dem in ihn vorhandenen Gute nnd die Sehnsucht darnach erwecken« Er ist denn ein ganz snrechendes Zlbbild seines volles, das mit hörenden Ohren dennoch nicht wollte hören, weil ihm Stumpsstnn und Härtiglteit das Her; verschloß, und das nnn aneh seinen Beruf versäumte, Zeuge des Heils unter den Völkern zu sein; erst durch besondere Maß— nahmen Christi wird noch einmal der Bann von ihm genommen und es zum hören gebracht werden, um dann sogleich recht zn reden, in vollkommener normaler Weise, als ob es nie stumm gewesen wäre. (lldsfenb.14, 3.) Evangelium am 12. Sonntage nach Trinitatish Wie der Taubstumme durch das Gefühl « seines Elends sich zu Christo treiben ließ, so soll auch uns die Erkenntnis; unsrer Sünde treiben, daß wir Hilfe suchen bei dem, der ja gekommen ist, die Stinder selig zu machen. Wo wirklich Reue und Leid iiber die Sünde ist, da weckt der heil. Geist auch Sehnen nnd Verlangen nach Gnade und Vergebung, und führt so zum HErrn; der HErr aber öffnet uns Ohr und Herz, dem Worte des Lebens zu glauben, und thut uns den Mund auf zum Bekenntniß nnd Lob seines Namens. Es ist die wahre Bekehrung nicht unser Werk, sondern ein Werk des HErrty rechtschaffene Buße um der Sünde willen ist das erste Sttick derselbigen, die gläubige Hinwendung zum HErrm unserm Erlöserz das zweite. (Dieffenbach.) 31. Und da er wieder ausging von den Grenzen Tyri und Sidon [wo er doch nicht hatte können verborgen bleiben, wie er wollte V. 24], kam er [in einem geschwungenen Halb: kreise, der ihn zunächst durch die Gebirgsöden und Thalschluchten am Fuße des Libanon und Anti- libanon, dann an dem schneebedeckten Gipfel des großen Hermou vorüber und hieraus nach Jturäa und Auranitis führte, schließlich] an das galt- Iåifche Meer« lauf dessen Ostseitet mitten unter die Grenze der zehn. Städte [etwa dahin, wo auf Karte VI die Stadt Hippos verzeichnet steht]. 32. Und sie brachten [unter den vielen Kranken, die er auf dieser Wanderung zu heilen bekam Matth. 15, 29 ff» auch] zu ihm einer; Tauben, der stumm war, und sie baten ihn, daß er die Hand auf ihn legte sum so seine Segenshilse ihm zu vermitteln Kap. 6, H; 8, 23 u. 25]. Markus hat in der Aufhebung der Wundergeschichten eine Vorliebe bekundet für diejenigen Heilungen, bei denen der Heilungsprozeß in seiner Vermittelung und Entfaltung auschaulich hervortrat. So liegt auch nach ihm die Tochter der Cananiterin nach der Heilung noch erschöpft auf dem Lager (V. 30); so verordnet Jesus nach ihm, daß man der Tochter des Jairus zu essen gebe (Kap. 5, 43); so hat er die Heilung des Blinden zu Bethsaida, welche allmälig und in zwei Absätzen vor sich geht (Kap· 8, 22 sf.), allein. Ebenso theilt er nur hier allein eine Geschichte mit, in welcher das wunder- bare Heilversahren des HErrn unter Anwendung des Spützens genau beschrieben ist. (P. Lange) Es will dies Evangelium uns zeigen, was Gott der HErr thut beim Werke unsrer Wiedergeburt, damit wir neue Menschen werden; dasselbe führt uns klar und anschaulich an dem leiblich Taubstummen das Dreifache vor, worauf es bei der geistlichen Wiedergeburt ankommt: I) in welchem Zustande uns seinem Wirken gegenüber der HErr antrifft von Natur; Z) welche Mittel er zu unsrer Heilung anwendet; s) welchen Er- folg die Anwendung dieser Mittel bei uns hat. (Fr. Arndt.) 33. Und er nahm ihn von» dem Volk besonders und legte ihm die Finger lwohl von jeder seiner beiden Hände den Zeigesingerjz en die Ohren und spützete [nahm von» dem Speichel seines eigenen Mundes] nnd ruhrete seine Zunge sbrachte denselben auf die Zunge des Taubstummem um auch mit seinem andern Ge- brechen in unmittelbare Berührung zu kommen 8, 23]. 34. Und sahe [jetzt·] auf gen Himmel, feufzete und sprach zu ihm: Hephata [Kap. s, 41 Anm.], das ist, thu dich auf ssowohl m Betreff der geschlossenen Ohren als der gebundenen Zunge] 35. Und alsbald lda der HErr dies Wort sprachj thaten sieh ferne sdes Cleriden] Ohren auf, und das Band seiner Zunge ward los, und redete [sogleich, ohne die Zwifchenstufen einer erst allmälig sich eutwickelnden SprachfertigkeiU recht svollkommen deutlich und r:chtkg]. Wie die Leute hier den Taubstummen, so bringen die Pathen in der heil. Taufe das (von Natur in geist- licher Hinsicht ebenfalls taubstumme I. Tor. 2, 14; Joh. s, 6) Kindlein zu Jesu; wie der Taubstumme den HErrn noch nicht kannte, so auch das Kindlein nicht in der heiligen Taufe; wie der HErr den Glauben in jenem durch seine Gnadennähe und sein vorbereitend Thuu wirkte, so auch bei dem Kindlein. (G. Lang) Giebt es schon unzählig frohe Stunden, wird das Leben erst ein Leben, wenn ich mich mit Menschen aussprechen und austauschen kann, welche Freude, wenn ich mich mit meinem Gott und Heiland aussprechen kann, wenn ich da nehmen und geben kann! Da wird in der That das Leben erst ein rechtes Leben. Aber gerade hier ist die Hauptkrankheit unsers Geschlechts; der größere Theil der jetzigen Christen ist in dieser Glaubenssprache taubstumm, kein Wort von den großen Heilsthaten und vom Preise Gottes, kein Wort von in- nerer Heilserfahrung geht über ihre Lippen. Gegen ihre Freunde reden sie von Wind und Wetter, von Krieg und Frieden, von Zeitungsnachrichten und Leute- geklätsch, von ihrem Beruf und Geschäft; aber von der größten Nachricht, von der Zeitung, die Himmel nnd Erde bewegt hat, von ihrem Beruf zu der Kmdschaft Gottes und zum ewigen Leben, da sagt man kein Wort. Sie treten in ihr Haus, sie reden mit Frau und Kin- dern von Brod, Kleidern und dergleichenx aber ein Wort vom Brod des Lebens und vom Rock der Ge- rechtigkeit wird nicht gesprochen, die Lippen wollen dazu nicht auseinander. (Ahlfeld.) Von dem Volke beiseits nimmt Jesus diesen Taubstumment alles Andre soll ihn: aus den Augen schwinden, er soll sich sammeln, soweit es ihm möglich ist; Jesus allem soll ihm vor Augen und im Herzen stehen. auf diesen Einen sollen sich alle seine Sinne und Gedanken conceutrtrem Welche Be- wegung mußte in der Seele dieses Elenden vor sich gehen, als er dem HErrn in seine leuchtenden Augen sah, als er nichts sah als diesen» Jesus allem! Gehört hatte er von ihm noch nicht-s, hochftens tnct bedeutsamen Zeichen und Geberdeu war er auf seine· ssserson und sein Werk aufmerksam gemacht worden; vielleicht hatte er mit seinen eigenen Augen, als er herzugebracht wurde, gesehen, wie Jesus Andern half, hatte er aber auch gar Heilung eines Taubstummen 501 nichts gesehen, jetzt, da der HErr sein Auge in feines senkte, da das Heilandsauge wie die liebe Sonne auf ihm ruhte, mußte es in ihm licht und warm werden und ein erwartungsvolles Ahnen mußte feine Seele er- füllen. (Nebe.) Ueber die äußeren Weltgeschicke wird öffentlich vor den Augen der Welt verhandelt, auf Schlachtfelderth in Volksversammlungen, auf Fürsten- tagen, aber die Geschicke der Seele, die werden nicht auf dem Markt ausgemacht; wo siclfs um Erweckung, Erleuchtung, Bekehrung und Beselignng eines Menschen- herzens handelt, da nimmt uns der HErr gern vom Volke besonders nnd führt uns in die Stille, auf daß fein Geist vernehmlicher mit uns reden, fein Werk un- gestörter in uns von Statten gehen könne. So hat der HErr alle feine großen Rüftzeuge in der Stille zube- reitet und vom Volke besonders genommen, um sie ttjchti zu machen für ihre Bestimmnn . So nahm er Abraham besonders, als er ihn ausgehen hieß aus sei- nem Vaterland und von seiner Freundschaft, damit er unter Gottes alleiniger Führung der Vater der Gläu- bigen- werde; so hat er Mose besonders genommen vierzig Jahre lang in die Wüste Midian, um ihn da heranzubilden zum Führer seines Volks; so wurde David unter den Trübfalen feiner Jugend , da er wie ein gehetztes Wild im einsamen Gebirge hauste, heran- gezogen zum Hirten seines Volks; Elias lernte als Ein- siedler am Bache Crith den lebendigen Gott Israel recht kennen, den er dem abtrünnigen verkiindigen sollte; der Apostel Paulus mußte seine drei Bußta e in Da- maskus blind und einsam zubringen im sti en Käm- merlein, aß nicht, trank nicht, sah nicht, damit das Werk seiner Bekehrung vollendet werde; in der Stille feiner Klosterzelle lernte Luther den evangelifchen Heils- weg kennen und vernahm das Hephata der göttlichen Wahrheit, das die Bande auerzogener Jrrthümer sprengte. Und nun, wenn der HErr dich aus dem Ge- trieb deines Tagewerks, wo du nie zu dir selber kommst, auf ein wocheulanges Krankenlager legte, wo du wieder Zeit hattest, über dich selber nachzudenkem oder wenn er durch einen Trauerfall im Kreise deiner Angehörigen dich aus deinen gewohnten Zerstreuungen auf eine Weile herausriß und in die Stille verwies; oder wenn er durch widrige Erfahrungen dir die Gesellschaft der Menfchen eutleidete, daß du dich aus der Welt mehr znrlickzogst auf dich selber — was heißt denn das an- ders, als: er nahm dich vom Volke besonders? Und was wollte er damit anders; als dir Zeit und Gelegen- heit geben, dich zu sammeln aus der Zerstreuung der Welt und deinen Gott und HErrn wieder ernstlicher zu suchen? Hast du denn diese seine gnädige Absicht auch verstanden und benützt? hast du dich in der Einsamkeit deines Krankenzimmers auch besonnen über dich selbst, über deine Vergangenheit und deine Zukunft? in der Stille eines Trauerhauses auch an dein eigen Grab im Geiste dich gestellt? wo dich die Welt verließ, deinen Gott wieder gesucht? O siehe, dann konnten gerade solche Heinisuchuiigeu des HErrn Segenszeiten für dich werden, glückliche Wendepunkte in deinem inneren Leben! Oder hast du die Gnadeuabsicht deines Gottes nicht verstanden? hast du nur über Langeweile geklagt nnd dich zurückgesehnt nach deinem gewohnten Treiben, wie die Kinder Jsrael in-der Wüste nach den Fleifchtöpfen EgypteUsP bist du der Einsprache des HErrn in deinem Herzen ausgewichen und hast dich zu betäuben und zu zerstreuen gesucht durch eitle Unterhaltungen und faden Zeitvertreib? lagen unr Romane auf deinem Bett statt Gottes Wort, und hast du nach lustigen Kameraden ge- schickt statt nach dem Geistlichen? Siehe, dann hast du dich selber um den Segen gebracht, den der HErr dir zugedacht. (Gerok.) HErry zieh mich gleich den Kindern, die man zu Haus behält, das Böse zu verhindern, wo- rein der Leichtsinn fällt; und bin ich dann alleine, so lehre mich dein Geist zualler Zeit das Eine, das gut und selig heißt. (Hiller.) — Drei Stücke haben wir in dem Heilungsverfahren Jesu zu unterscheiden: zuerst die Berührung der Ohren und der unge, alsdann das Seufzen Jesu, und zuletzt das Hep atha. Jesus fängt damit an; seine Finger in die beiden Ohren des Krau- ken zu legen, darnach feine Finger mit Speichel zu netzen und die Zunge des Kranken damit zu berühren; er kann nicht mit dem Taubstummen reden, weil der- selbe nicht hören kann, er muß aber mit ihm reden, weil er ihm etwas zu sagen hat, bevor er ihn heilt, da er nun nicht Worte gebrauchen kann, so redet er mit Zeichen, welche uns räthselhaft erscheinen, dagegen dem Taubstummen sogleich verständlich waren. Jesus be- rührt die kranken Theile, Ohren uud Zungen; der Taubstumme merkt daraus, daß mit denselben etwas soll vorgenommen werden. Sah er daneben Jesu mitlei- diges Gesicht an, so war es ihm nicht zweifelhaft, daß die berührten Theile, Zunge und Ohren, von Jesu ge- heilt werden so1lten; was also Jesus durch diese Zei- chenfprache in ihm erweckt, das ist das Verlangen, ge- heilt zu werden, und der Glaube, daß Jesus ihn heilen will. Nach dieser Vorbereitung kann der HErr sein eigentliches Werk anfangen; der Mensch ist zwar noch nichts, aber er ist doch soviel, daß er etwas werden kann, und so siehet Jesus auf gen Himmel und seufzet. Auf Erden ist der eine Theil des Werks geschehen; soll es nicht bei dem geringen Anfange bleiben und wieder zu- rückgehen, so muß der zweite Theil des Werks, an dem alles liegt, im Himmel geschehen. Hat Jesus den Glauben des Taubstummen mit seinen Fingern geweckt«. so führt er den Glauben mit seinen Blick vor den Thron des göttlichen Erbarmensz da soll er suchen, was ihm fehlt, da soll er-ruhen, damit er frei von der Noth wird. Die Seelen, welche der HErr mit seinem Finger erweckt, führt er mit sich aus der Welt in fein himm- lisches Heiligthum und leitet sie mit seinen Augen zu den Schätzen , welche für sie aufgespeichert sind; denn als Jesus aussah gen Himmel, da feufzete er zugleich und mit dem Blicke steigt der Seufzer zu Gott empor, beide aber tragen zwischen sich den Taubstnmmery wel- chen sie vor Gottes Thron stellen. Das ist das Mit- leiden Jesu, welches mit Fürbitte für uns vor Gott erscheint; zwar werden hier auf Erden die Sünder be- kehrt und vom Tode zum Leben gebracht, aber allein im Himmel zwischen Vater und Sohn wird ausgetnachh was auf Erden geschieht, nnd keine Seele würde zum Leben kommen, wenn nicht der Sohn mit« seinem Leiden und mit seiner Fürbitte ihr das Leben von Gott er- würbe. Das Hephatha hier hätte der HErr nicht spre- chen können, wenn er nicht den Elenden mit seinen: Seufzen in Kraft seiner Leiden vor Gott hätte darge- stellt; denn es heißt freilich: »so er spricht, so geschieht’s« und mit feinem Wort kann er sich alle Dinge unter- thäuig machen, aber ein Anderes ist es, wenn er Wasser in Wein verwandelt und wenn er einem Sünder hilft. Jenes kann er durch sein bloßes Wort, hingegen Sün- der sind keiner Hilfe und Gnade Werth; soll er ihnen helfen, so muß er das mit seinem Leiden thun nnd muß sie erst mit Gott versöhnen, darnach kann er in sein Wort die Gnadenkriifte Gottes legen und dasselbe mit dem Verdienst seiner Leiden erfüllen. Alsdann ist es so kräftig, daß es auch den Sündern allerlei Hilfe schaffen kann. (Münkel.) Der HErr führt den Kranken heraus aus dem Volksgetümmel; er soll wissen, daß es sichjetzt um ihn allein handelt. Dann legt er ihm die Finger in die Ohren; er soll wissen, daß es sich um fein Ge- hör handelt. Dann spützet er, nicht als ob er mit 502 Evangelium Marci 7, 36. 37. 8, l. Speichel heilen wollte; er will den armen Menschen mit l und Hände seine süßen Gaben. seinen Gedanken recht auf die Stelle bringen, an wel- cher das Gnadenwerk geübt werden soll. Dann schaut er auf gen Himmel; er will die Seele des armen Mannes mit hinausziehen, er hat sie gleichsam an der Hand, sie soll auch ein, wenn auch noch so armes Gebet mit vor den Gnadenthron bringen. Er seufzet, es geht ihm durch die Seele, daß die Sünde das Ebenbild« Gottes so sehr vcrwüstet hat; und dann folgt das He- phata, d. i. thue dich auf — Gnadenhimmel dort oben, verschlossenes Ohr und gebundene Zunge hier unten! sAhlfeld.) Dem HErrn ist bei seinem Seufzer nicht zu thun gewesen um der einigen Zunge und Ohren willen dieses armen Menschen, sondern es ist ein gemein Seufzen gewesen -über alle Zungen und Ohren, ja über alle Herzen, Leiber und Seelen, und alle Menschen von Adam an bis auf den letzten, also daß er in den gan- zen Klumpen Fleisches und Blutes gesehen hat, wie der Teufel dasselbe in mördlichen Schaden im Paradies ge- bracht, die Menschen stumm und taub gemacht und also in den Tod und höllisches Feuer gesteckt hat. Dabei hat er freilich wohl gesehen, der liebe HErr, was für Schaden und Jammer durch Zungen und Ohren noch geschehen soll; denn das ist uicht der größte Schaden, so der Christenheit von den Tyrannen mit Verfolgen, Morden und von der Faust wider das Wort wird zu—- gesüget, sondern das Stücklein Fleisch, das hinter den Zähnen stecket, das thut den größten Schaden dem Reiche Christi. Ich rede davon, daß, nachdem Christus die Zunge losgemacht und ihr das Evangelium gegeben, sie darnach solchen merklichen großen Schaden thut; es hat wohl ein ärger Ansehen, wenn man einem den Kopf abhauet, aber eine falsche Predigt, ja ein falsch Wort, das da kommt gelogen in Gottes Namen, das hauet einen Haufen Seelen hinweg. (Lnther.) Jesus sahe in dem Taubstummen ein Bild des zum Hören des Glau- bens und zum Sprechen des Bekenuens (Röm.1(") un- fähigen Volkes. (v. HofmannJ Das Legen der Finger in die Ohren hinein hat noch nicht ausgesagt, wie die Heilung erfolgen soll; mit dem Spützen und Rühren der Zunge wird dem Unglücklichen auch zu Gemüthe geführt, daß von dem Munde des HErrn Jcsu das- senige ausgehen werde, was Gehör und Sprache her- stellt, daß der HErr das Heil in Person ist und aus sich heraus durch das Wort seines Mundes das Heil mit- theilt; in Gottes Macht, der da ruft dem, das nicht ist, daß es sei (Röni. 4, 17), wendet er sich alsdann zu dem Nichthörenden als zu einem Hörenden Hephath a, d. i. thue dich auf: l) du Auge, und siehe deinen Heiland; Z) du Ohr, und höre sein Wort; Z) du Mund, und rühme seine Ehre; 4) du Herz, nnd werde seine Wohnung. (Nebe.) Gleichwie im Sacramente des HErrn das Wasser allein kein guadeureiches Lebens- wasser ist, sondern es erst durch das damit verbundene Wort wird; gleichwie das Brod, der Wein im Abend- mahl ohne Wort des HErrn nur Brod und Wein sind und keine seelenheilenden Kräfte des Lebens bei sich haben, so ist es auch mit unserm Wunder: erst durch das Hephatha wird die Berührung des Fingers und Speichels Jesu zum mächtigen Hilfsmittel für den Tauf-stummen. Da zeigt Uns der HGB-er, wie seine Weisheit unter den Menschenkindern gern in verbergen- den Hüllen spielt, wie er sich so gern mit seiner Gnade in allerlei Mittelursachen verhüllt. So thut er in der Natur, so thnt er im Reiche der Gnaden. Er bestreuet nicht unmittelbar die Erde mit Korn und Trauben, er schüttet die Aepfel uicht unmittelbar aus seiner himm- lischen Vorrath-Hammer, sondern er erzieht mit feiner Geduld das Aehrenfeld, den Weinberg, den Baum- garten, und reicht uns durch mancherlei anmnthige Arme Alle Gaben schenkt er mittelbar, und keine seiner Gaben dient der Seele zum Segen ohne sein heiliges Wort. Die Sonne in ihrer Herrlichkeit, kder Mond in seiner schauerlichen Heiinath- lichkeit, die Sterne in ihrer wundervollen Verheißungs- fülle, ja alle Engel in ihrem himmlischen Glanze — ohne ,das Wort des HErrn sind sie Schaugepränge, Schaugerichte; aber diese tanben Creaturen, diese-ver- nunftlosen Wesen, sie bekommen eine Sprache, sie be- kommen Segnungen über Segnungen für-uns, sie wer- den uns zum Paradiese des Glaubens, und die heiligen erscheinenden Engel werden zu Gottes Boten, wenn über ihnen, mit ihnen, durch sie ein Wort des HErrn zu uns gelangt. Nichts ist heilsam ohne Gottes bene- deiendes Wort; alles, was nicht zum höllischen, ver- lorenen Reiche gehört, wird heilsam, wenn das Wort damit verbunden wird. Der Apfelbaum lächelt ohne Wirkung, wenn ohne Wort; aber schreib über seine Blüthen: ,,Gottes Verheißungen trügen nicht, was er zufagt, das hält er gewiß,« so ist der Stumme redend worden oder vielmehr dein verschlossenes Ohr ist em- pfänglich worden für die Stimme der Ereatun Das Wort ist die lebendige Seele aller Dinge; alles ist leer und öde, wie ein zum Feuer abgenommenes Nest, wenn das Wort nicht mehr drüber webt, und ohne die durch das Wort weihende Kirche ist nichts uns heilsam. (Löhe.) Jn den Worten ,,alsbald thaten sich seine Ohren auf« wird angedeutet, daß die Taubheit hier ihren Grund nicht in einem äußeren sichtbaren Schaden an dem Ohre, sondern in einem Mangel in dem inneren Ohre, in den Gehörgängen hatte; das zweite Wunder aber »das Band seiner Zlxnge ward los« weiset darauf zu- rück, daß die Zunge vorher nicht im Stande war, ihren gewöhnlichen Dienst zu verrichten. In dem dritten Punkte ,,er redete recht« gipfelt dann das Wunderwerh es bezieht sich das ans ein Zwiefaches — er redete recht, indem er nicht undentlich, gebrochen, dumpf und schwersällig sprach, und er redete recht, indem er das, was er ausdrücken wollte, auch mit den rechten Worten und in richtig gebildeten Sätzen aussprach Hieraus geht hervor, daß der arme Mensch nicht von Mutter- leibe an taubstumm war, sondern erst durch einen Unfall in. diesen erbärmlichen Zustand gekommen ist, daß er also früher schon einmal reden konnte und einen —be- stimmten Bildungsgrad sich erworben hatte; die Be- zeichnungen der Dinge, die Wendungen der Sprache, die Bildung von Sätzen brauchte er nicht erst noch zu erlernen, wie es aber einem Matrosen ergeht, der Jahre lang das feste Land nicht betreten hat und nun in sei- nem Gange seltsam hin- und herschwankt, oder wie ein Kranker, der Monate lang schwer darniedergelegen hat, wenn auch die Kräfte wiederkehren, doch nicht gleich gut geht, weil ihm die Uebung abhanden gekommen ist, so hätte es auch diesem Menschen ergehen können, welcher Jahre lang stumm fein mußte, sein Reden hätte anfäng- lich mehr ein unsicheres Anschlagen von Tönen, ein Redebrechen und kein Sprechen sein können. Das war indessen nicht so: der wunderbar Geheilte sprach geläufig, fließend, fertig; und wenn der Evangelist auch nicht be—- stimmt sagt, was derselbe redete, so greifen wir doch gewiß nicht fehl, wenn wir sa en, daß das Volk in V. 37 nur in dem Tone fortfäljgrh welchen der Taub- stumme angeschlagen hatte, durch diesen Lobspruch klingt seine Stimme als die tonangebende, tonhaltende kräftig hindurch. (Nebe.) Der HErr hat alles wohl ge- macht! —- Ja wohl gemacht durchs ganze Leben, recht wohl in meiner Todespeim sein mittterliches Tragen, Heben bracht mich heraus, hindurch, hinein —- heraus aus dieser Erde Lüsten, hindnrch durch die Ver- suchungswiistem hinein in’s schöne Canaan, da ich ans Der HErr hat alles wohl gemacht. 503 Milchs und Honigauen den rechten Josua kann schauen, der große Ding an mir gethan. (Allendorf.) 36. Und er verbot ihnen fals er mit dem Geheilten, der jetzt recht redete, zu dem Volke zu- rückkehrteL sie sollten es niemand Draußen, außerhalb des Kreises derer, die von selber schon um den vorigen Zustand des Elenden und das an ihm geschehene Wunder wüßten] sagen sdenn sie hatten ohnedies der Kranken und Elenden schon zu viel zu ihm gebracht Matth 15, 30., daß er sei- nes eigentlichen Berufs, den Armen das Evange- lium zu predigen, nicht so warten konnte, wie er gern wollte Matth 12, 16 ff] Je mehr er aber verbot, je mehr sie es fals sie hernach heim kehrten und Leuten aus den zehn Stödten begegneterq ausbreitetem 37. Und verwunderten sich seiner gegen den andern] iiber die Maße, und sprachen: Er sals wäre er ein Abbild dessen, der am An- fang alles so gut gemacht l. Mos l, 311 hat alles wohl gemacht; die Tauben macht er [um hier den besonderen Fall, an dem uns sein Thun am offenkundigsten vor die Augen getreten, namentlich hervorzuheben] hörend, Und die Sprachlosen redend. Jesus will nicht gerühmt sein, wenn der Vater nicht in und mit ihm geehrt wird. (G. Lang.) Auch sollten die Leute nicht den Geheilten zu einem Gegenstand des Schaugepränges machen und ihm so den empfangenen Segen nach seiner inneren Seite schmälerw (v. Burgen) Die Leute hatten das Gebot gehört und waren wohl bereit zu thun, was er sagte; aber dies Gebot schien ihnen wie gar kein Gebot, solche unerhörteu Dinge soll- ten und durften doch nicht verborgen bleiben, ihrer Meinung nach war ja das gewiß nicht unrecht, wenn sie jedermann erzählten, wie barmherzig und wunderbar Jesus dem kranken Manne geholfen hatte. (Ziethe.) Den Grad des Berbietens iiberboteu sie durch den noch weit größeren« Grad des Kundthuns so hingerissen waren sie durch das Wunder. (Meyer.) Sie waren an Jesu Erscheinnng noch nicht gewöhnt, und eben so auch durch die Obersten noch nicht gegen ihn vorweg eingenom- men; ganz überwältigend ist siirisie seine Person, sein Werk übertrifft alles, was je ein Auge gesehen, ein Ohr gehört hat und je in eines Menschen Herz gekom- men ist, man muß staunen nnd kann stch von seinem Staunen reicht wieder erholen , sondern wird von einer Stufe der Verwunderung zu einer immer höheren auf- geführt. Die Leute sind also zu entschuldigew doch da- rum noch nicht zu loben (Nebe.) Siehe nicht auf das, was dich gut dünkt, sondern auf das, was Gott gefiillt; die Vernunft muß nicht Christum meistern wollen. (G. Lang) Das rechte Hören besteht im Gehorchem der rechte Gebrauch der nicht gebundenen Zunge gefchieht mit einem freiwilligen Binden derselben zum Gehorsam. (Stier.) Doch trägt Jesus ihr Ausbreiten in Geduld, weil sie es nicht ans Bosheit, sondern aus menschlicher Schwachheit thaten. (Starke.) Die Demuth des Wohl- thäters Und die Dankbarkeit dessen, der die Wohlthat empfangen, können mit einander streiten, doch geschiehts ohne Veschädigung des Friedens. (Quesnel.) Aus dem Lobpreis der Leute klingt eine Ahnung der neuen Schö- pfung heraus, welche durch Christum vollbracht ist; sein Hephatha mit der augenblicklichen und allmächtigeri Wunderwirkung erinnert an das Schöpfnngswortt »es werde Lichtl« und es ward Licht. (Ziethe.) Einst wollte der HErr in den Tagen seiner Niedrigkeit das Gefchrei beschwichtigen, denn er wandelte in feiner armen Ge- stalt; er schrie und zankte nicht, er fuhr sauft einher, man sollte fein noch unvollendetes Werk nicht stören, der Hindernisse nicht allzuviele aufthlirmem Jetzt ist es anders, jetzt will er den Lobgesang, jetzt läßt er sich her- nieder, jetzt ist es seine Demuth, ihn anzunehmen; vom Cherub feines Thrones , vom Aeltesten auf dem Stuhl bis zum Bienlein kurzer Stunden ist Ein Schall: »er hat alles wohl gemachtl« (Löhe.) Das 8. Kapitel. Von sieben Rinden, Zeiohen und Sauerteig der Pharisäer, Blinden, Izekennlnifj non Christo, und feinem Leiden. IV. V. 1—10. (§. 59.) Jlnf seinem weiteren Zuge der Oftfeite des galilätfcheit Meere:- entlang leommt der holt: wieder in die erhebliche, fo gut wie gar nicht angebaute nnd bevöllterte Uordhälfte dieser Seite, wo er oor 7 Wochen, zur Zeit des Osterfestes, die Fünftausend gespeist mit fünf ldroden nnd zween Fifkhen Man. S, 32 ff.); ihm s folgen abermals große Scham-en Volkes, deren Summe ans viertausend sich belaust, nnd auch an ihnen vrrtichtet er mit den sieben vorhandenen droben nnd wenigen Fischen ein Speifnnggwunden Hatte er nun damals dem Israel nach dem Fleisch als den sieh be- triefen, der einst ihre Väter in der Wüste mit Manna gefpeift vom Himmel nnd nun persönlich unter ihnen er- schienen sei, um dae Wort in Yf.107, 4 ff. an ihuea zu erfüllen, fo tsi es hier mehr ein Israel Gottes, das er vor sich hat, ein Vorbild feiner neutestamentlichen Ge- meinde, und er giebt auch diefer ein Unterpfand, daß sie zu allen Zeiten ihres Dafeiug tu der Welt fo wenig in ihrer irdischen dlolhdnrft bei ihm foll Mangel leiden, als ihr geistlich etwas fehlt znr Jluferbauung im Glauben. (vgl. Many. 15, 29——39.) Evangelium am 7. Sonntage nach Ctinitatish s Das Evangelium erzählt uns, wie der HErr das hungrige Volk in der Wüste wunderbar speist; durch dies Gotteswort erleuchtet uns der heil. Geist, wo wir uns hinwenden müssen, um Leben und volle Genüge zu haben. Erkennen wir unsre Sünde und die 1lnmöglich- keit, durch eigne Gerechtigkeit selig zu werden, so wird dadurch der Hunger und Durst nach der wahren Ge- rechtigkeit erweckt. Das Evangelium leuchtet uns zu Dem, der uns sättigen kann und will, der uns Leben und Frieden giebt, zu unserm HErrn und Heiland (Dieffenbach.) · · 1. Zu der Zeit [wo der HErr die seit Kap. 7, 24 beschriebene fluchtartige Wanderung machte und zuletzt bis an die gebirgige Nordosiseite des galiläischen Meeres gelangte —— nach unsrer Berechnung am Pfingsttage oder dem 7. Juni des J. 29], da [bei ihm in dieser unbewohnten Ge- gend einige Tage nach einander] viel Volks da [oder vorhanden] war sseine Predigten zu hören und seine Segenswohlthaten zu genießen] nnd hatten [in Folge dieses langen Aufenthalts, wäh- rend dessen alle Vorräthe an Lebensmitteln auf: 504 gezehrt wurden] nicht zu essen, rief Jesus sals er nun das Volk wieder zu entlassen gedachte] seine Jiiuger zu sieh und sprach zu ihnen: 2. Mich jammert des Volks swenn ich mir vorstelle, wie es ihnen auf ihrem Wege nach Hause ergehen tvird]; denn sie haben nun lmit einem Heilsverlangem welches die. Bedürfnisse des zeitlichen Lebens vergißt] drei Tage bei mir verharren und haben [jetzt, wo es gilt, daß sie erst noch einmal leiblich sich stärken, ehe sie den Rückweg antreten] nichts [mehr] zu essenz 3. Und wenn ich [denn, wie nach Lage der äußeren Umstände es doch würde geschehen müssen] sie ungeessen [ohne daß sie zuvor geefsen hätten Das! S, 181 von mir heim ließe gehen, wur- den sie auf dem Wege szumal bei dieser heißen Jahreszeit] verschmachtem denn etliche waren frichtigerx sind] von ferne kommen fund haben also einen weiten Weg bis nach Hause —— was, rathet ihr, soll ich da thnn?]. Es scheint, als sei solch Wunderwerk darum auf diese Zeit (am 7. Sonnt. n. Trin.) zu predigen verordnet, auf daß die Leute lernten, weil jetzt zur Zeit des Jahrs die Ernte angeht, daß man die Früchte auf dem Felde beginnt einzuführen (gleichwie das Wunderwerk von der Speisung der Fünftausend in die Zeit des Frühjahrs stillt, da die Säeleute wieder beginnen den Samen auszustreuen), daß jedermann durch dies Evangelium er- innert würde, daß es Gottes Segen sei und er noch heu- tiges Tages mit uns das Wunder thue, das er dazu- mal in der Wüste gethan hat, daß er mit einem Wenig durch seinen Segen weit reichen und Viele speisen und ernähren könne, aus daß wir ihm für solche Wohlthat von Herzen danken, daß er uns jährlich die Früchte der Erde giebt und segnet. (Luther.) Wie sehr gleicht die Ernte nicht diesem Speisnngswuiiderl Der Wüste dort entspricht die Leere in Scheuer und Keller; die Ernte ist ja auch Gottes Gabe, und diese Gabe ist ein überschwäng- licher Segen. Doch ist mehr noch der Fortschritt in der Perikopenfolge zu beachten: wenn das vorige Sonntags- evangelium (Matth. 5, 20 sf.) dem Christen das Ziel vor die Augen stellte, nach welchem er zu ringen hat, die bessere Gerechtigkeiy so lehrt diese: getrost darfst du nach dieser Gerszechtigkeit trachten, du wirst im Jrdischen deshalb nicht Noth leiden, der HErr läßt dir, wenn du nur um das Eine, was noth ist, forgst, alles Andre zufallen. (Nebe.) Es wird hier der dritte Einwand des natür- lichen Menschen gegen die Nothwendigkeit der Bekeh- rung und Wiedergeburt widerlegt. Der erste (5. Sonnt. n. Tritt) hatte gemeint, sie sei hinderlich bei der Be- rufsarbeih was aber so wenig wahr ist, daß, wie das Evangel. des Sonntags (Luk. 5, 1 ff.) zeigt, die Wie- dergeburt unsre irdische Berufsarbeit erst wahrhaft för- dert und verklärt; der zweite (6.Sonnt. n. Tr.), sie sei nundthig, wo schon Tugend und Rechtschaffenheit vor- handen sei, wogegen das Ev. des Sonnt. (Matth. 5, 20 ff.) erklärt, daß die natürliche Selbstgerechtigkeit und Tugend nicht genügt, sondern es eine bessere Gerechtigkeit giebt; der dritte nun behauptet, sie sei sogar höchst bedenk- lich, weil sie dem Menschen nichts als Noth und Elend bereite. Und allerdings läßt sich nicht in Abrede stellen, daß das lebendige Christenthum und die aufrichtige Be- kehrung zum HErrn die Veranlassung ist, daß dem Menschen das Brod entzo en wird; die Welt kann es einmal nicht leiden , daß sich jemand aufrichtig bekehrt, Evangelium Marei 8, 2———8. es ist ihr das ein Dorn im Auge, jeder neue Fall der Art bringt sie in Harnisch, weil er eine Gewiffensan- klage gegen ste selbst erhebt, darum, daß sie zurückbleibt in ihren Sünden und sich nicht ändern will. Gelingt es ihr nun nicht, die bekehrten Kinder Gottes zu ver- folgen, einzusperren, mit Koth und Steinen zu bewerfen, sie zu verbannen oder ihnen an’s Leben zu gehen, so sncht sie ihnen wenigstens das Leben auf alle Weise so bitter wie möglich zu machen, namentlich sie um ihr Auskommen und ihren Broderwerb zu bringen. Hören wir nicht vpn Negerfklaven in Amerika, denen ihre weißen Herrn alle erdenkbaren Qualen zufügen, sobald sie anfangen, die Kirchen der Missionare zu besuchen, die Bibel zu lesen und zu beten? hören wir nicht von getauften Jsraelitem die nach ihrem Uebertritt zum Christenthum nicht nur von ihren nächsten Verwandten verflucht, sondern denen auch von ihnen alle Möglichkeit entzogen wird, ehrlich an Ort und Stelle ihren Unter- halt zu finden? hören wir nicht von christlichen Gesellen nnd Lehrlingen, denen ihre Meister und Fabrikherrn so- fort den Dienst aufkündigen, wenn sie des Sonntags in die Kirche gehen und nicht arbeiten wollen, oder die deshalb von ihren Mitgefellen über alle Maßen ver- höhnt und verkürzt werden? hören wir nicht von from- men Kindern, denen sogar von ihren eigenen Eltern in der Beziehung Hindernisse über Hindernisse in dkn Weg gestellt werden? In allen diesen Fällen macht die lebendige Bekehrung zum Christenthum allerdings oft brodlos, oder droht wenigstens brodlos zu machen; und es ist diese Versuchung keine Kleinigkeit, es gehört im Gegentheil viel Festigkeit und Entschiedenheit im Glauben dazu, um nicht Schiffbruch zu leiden am in- neren Menschem Tausende unterliegen der Macht der Anfechtung nnd halten es auf die Dauer nicht aus, unterhandeln, verleugnen, fallen ab nnd gehen verloren. (Fr. Arndt.) Es ist nun über ein Menschenalter her, da lebte in der englischen Stadt Bath ein Mann, Namens Wilh. Kind; derselbe war ein ehrlicher und fleißiger Barbier, der niemand etwas zu Leide that, in aller Ruhe und Ordnung einen Tag wie den andern seine Arbeit verrichtete, bei allen seinen Kunden gern gesehen wurde und auch in seinem Haufe das Lob eines guten Gatten und Vaters genoß. Wegen seines Ge- schäfts war er nicht im Stande, an einem Sonn- oder Fefttage das Gotteshaus zu besuchen, weil gerade an solchen Tagen die vornehme und reiche Welt, die fast durchgehends zu seiner Kundschaft zählte, seines Dienstes am meisien bedurfte; nach vollbrachter Tagesarbeit fühlte er am Abend sich leiblich und geistig so matt, daß er etwa noch durch den Besuch eines Wirthshauses sich zu stärken suchte, aber in der Bibel oder in sonst einem er- baulichen Buche zu lesen fiihlte er sich nicht ausgelegt, und so lebte er lange in der Meinung dahin, es stehe mit ihm ganz wohl, er sei ein ebenso glücklicher als vortrefflicher Mann, davon aber, daß alle seine Men- schenfreundlichkeit und Bürgertugend, die er übte, in der Selbstsucht und im Eigennutze ausging und ihm bei sei- nen immer mehr sich bessernden Vermögensumftänden doch das Eine, was da noth thut, fehle, hatte er keine Ahnung. Da führte ihn eines Sonntags, als er bereits einen großen Theil seiner Kunden bedient hatte, sein Weg an einer Kirche vorbei, die Thüre stand offen und drinnen ertönte bei tiefer Stille die einzelne Stimme des Predigersz getrieben von einer flüchtigen Neugierde, wie er meinte, trat er ein, um einen Blick in’s Gottes- haus und auf die Versammlung zu thun, und eben ver- las der Prediger die Textesworte aus 2. Mos. 20, 8—11. »Ja, ja,« sagte Kind leise vor sich hin, »das war in alter Zeit so , jetzt geht das nicht mehr,« und wollte seines Weges wieder weiter gehen; aber eine unerklär- Wunderbare Speisung der Viertausend 505 liche Regung hielt ihn zurück: ,,ich will doch sehen, wie der Mann das auslegt«. Nach den ersten, einleitenden Sätzen der Predigt sah er nach seiner Uhr und erschrak, daß er bereits mehrere Minuten versäumt hatte, schickte sich an zu gehen und wollte durch schnelleres Eilen das Verfäumte wieder einbringen; an der Thür blieb er jedoch wieder stehen: »auf ein paar Minuten wird es doch nicht gerade ankommen, der Mann hat eine ganz eigenthümliche Sprache«, und schlich an feine vorige Stelle zurück. Eine gewaltige Gemüthserregung ging in ihm vor, als er da weiter und weiter hörete; Ge- danken, die sich unter einander verklagen oder entschul- digen, durchwogten feine Seele, bis es zuletzt hieß: »Wer von sieben Stunden nicht Eine, von sieben Tagen nicht Einen seinem Gott und HErrn heiliget und ohne alle Gedanken an die Ewigkeit Tag für Tag ohne Unterschied seine arme Seele in die Lust und Last dieser Welt vergräbt und die Zeit und Stunde seiner Selbst- erkenntniß, seiner Besserung, seines Gebets, seiner Hei- ligung für Geld und Gut verkauft, der hat wie die Zöllner seinen Lohn dahin und wird zur Zeit der wahren Noth ohne Segen, ohne Frieden sein u. s.w.« Den Hörer erfaßte eine Aengstlichkeit nnd Beklommen- heit, deren er nicht Meister werden konnte; er blickte nach der offenen Kirchthtir wie nach einem Rettungsweg und eilte mit gesenkten Augen aus dem Gotteshaus, draußen in der freien Luft holte er dann lang und tief Athem, nnd als er nach seiner Uhr sah und bemerkte, daß er über eine halbe Stunde sich verweilt hatte, ver- doppelte er seine Schritte, um seine wartenden Kunden zu befriedigen, aber von einem zum andern begleitete ihn ein Stachel, der feinem Herzen sich tief eingedrückt hatte. ,,Dummes Zeug mit den albernen Gedanken, die ich mir mache«, sprach er beim Heimgehen zu sich selber: ,,Herrendienst geht vor Gottesdienst, ich weiß das besser als der Pfarrer dort auf der Kanzel, der freilich das ganze Jahr nichts anderes zu thun hat als zu predigen, aber ein jeder muß nach feinem Stande sich richten« Indessen wollte doch alle Selbstvertröstung nicht ver; fangen. »Das weiß der liebe Gott, was mit mir vor- gegangen ist,« sprach er für stch hin, als er am Abend feinen Ausgang, aber dies Mal nicht in’s Wirthshaus sondern hinaus ins Freie machte; ,,schlimmer kann es doch fast einem Verbrecher nicht zu Muthe fein als mir, und was habe ich denn eigentlich gethan? Jch habe diese Unruhe mit aus der Kirche gebracht, und das ist mir eben das Unerklärlichex die Leute gehen doch in die Kirche, um fich »Ruhe und Frieden zu holen, ste tragen, wie ich von Eimgen gehört habe, ein fchweres Herz hin- ein und bringen ein leichtes wieder heraus ,» und bei mir ist’s gerade umgekehrt geschehen -— diesen Morgen noch so heiter und froh und glücklich, und heute Abend trage ich eine so schwere Last mit mir herum, als wäre ich der allerungllicklichste Mensch« Gern möchten wir ihn auf den weiteren inneren Wegen, die er durchlief, be- gleiten, wir müssen aber zum Ende derselben eilen; das war die Erkenntniß, daß es Sünde ist, den Sonntag zu einem Werktage zu machen, und der Entschlnß: ich arbeite fortan des Sonntags nicht mehr, sondern gehe, wie fich’s gebührt, zur Kirche, die Kunden bleiben da von mir unbedient. Einen schweren Stand hatte er jetzt mit seiner Frau, eine desto stärkere Stütze dagegen an sei- ner frommen und geförderten Tochter; er blieb feinem Entschlufse treu, welches nun freilich zur Folge hatte, daß nach Jahr und Tag, weil. alle feine vornehme Kundfchaft sich von ihm gewendet, die Frau aber wie zur Rache dafür, daß er stch von seinen Gedanken nicht abbringen ließ, mit ihrer Verschwendung den Ruin aller Vermögensverhältnisfe beschleunigt hatte, er mit seinem geringen Hausrath eine fchlechte Kellerwohnung beziehen und feine Kunden unter den rohesten und ordinärsten Leuten des Orts fuchen mußte. Dahin mochte die hof- färtige und verwöhnte Frau ihn nicht begleiten, sondern machte sich heimlich davon; Gottes bekehrende Gnade wußte indessen auf ihren Jrrfahrten sie zu finden und ste mit einem neuen Herzen und einem gewissen Geiste zu ihm nnd der Tochter zurückzuflihrem An einem Sonnabend stieg Noth und Entbehrung in der Familie auf’s Höchste; auch nicht ein einziger Kunde war an diesem Tage in das Gewölbe herunter gestiegen, der kleine Verdienst der vorhergehenden Tage völlig aufge- zehrt, als daher am Abend ein Fremder sich meldete, der während des Wechfels der Pferde auf der benach- barten Post noch schnell barbirt sein wollte, mußte Kind sich erst von diesem soviel Geld reichen lassen, um das benöthigte Licht zu beschaffen. Aber gerade jetzt war auch die Stunde des HErrn gekommen, die Treue des Mannes zu krönen; eben dieser Fremde war als Testa- mentsvollstrecker eines in Indien verstorbenen reichen Kaufmanns Thomas Kind auf der Reise begriffen, dessen Neffen und Erben ausfindig zu machen, und das war kein Andrer als unser Wilhelm Kind. Er, der um Gottes und feiner Seele willen aus dem Wohlleben des Reichthums in die Noth der Armuth hinabgestiegen war, sollte nun auch zum Lohne seines bewährten Glaubens wieder aufsteigen: das Haus feiner bisherigen Prüfung brachte er käuflich an sich, und obwohl er bald zu den angesehenften und reichsten Personen der Stadt gehörte, behielt er doch das Kellergewölbe als feine eigentliche Arbeitssiube bei und hat an den Armen nnd Niedrigen aus dem Volk, die er ebenfalls als feine Kundschaft beibehielt, gar manche Frucht durch Wort und Zeugnißj gefchafft. (Eine vollständig wahre Ge- schichte, von A. Wildenhahn im 5. Band seiner Erzäh- lungen ausführlich mitgetheilt.) 4. Seine Iiinger antworteten ihm: Woher [wenn die von dir beabsichtigte Speisung auf gewöhnlichem Wege geschehen foll] nehmen wir Brod hie in der Wüste, daß wir sie sättigen? [Du mußt also nicht bei uns zu Rathe gehen, deren Können und Vermögen uichts vermag noch helfen kann, sondern selber beschließen, was du thun willst, vgl. die Bein. zu Matth 15, 37.] 5. Und er srecht absichtlich die weitere Vers— handlung der früheren in Kap. 6, 38 ganz ähn- lich gestaltend] fragte sie: Wie viel habt ihr Brods? Sie sprachem Sieben kund eiletem indem sie nun schon verstundem was er thun wolle, diese sieben Brode herbeizuschassenf l h. Und er gebot sdurch den Mund der Jiinger als feiner mitwirkenden Helfer] dem Volk, daß sie sich auf die Erde lagerten. Und er nahm dce sieben Brode und dankete und brach sie nnd gab sie seinen Jüngern, daß sie dieselbigen vorlegtenz und sie legten dem Volke vor. 7. Und hattewein wenig Fischlein; und er dankte sals ihm die Fische gebracht wurden] und hieß dieselbigen auch vortragen. e 8. Sie [alle die Vielen, von denen in V. 7 ff. die Rede war] aßen aber und wurden satt, nnd hnben die übrigen Brocken auf, kder 506 Evangelium Marci 8, 9—20. Zahl der Brode, aber auch der Zahl der auf jede IF? fallenden Tage entsprechend:] sieben or e. 9. Und ihrer war bei vier tausend, die da gegessen hatten; und er ließ sie sals die Handlung vorüber war] von sich i [ohne daß er hätte dies Mal, wie in Joh. S, 14 f., einem sleifchlichen Beginnen der Leute sich zu entziehen nöthig gehabt]. Jesus fragt seine Junge» ,,wieviel habt ihr Brods?« Erst wird der ganze Vorrath nachgesehen und zu jeder- manns Kenntniß gebracht, damit niemand nachher sagen kann: ,,wer weiß, wo das Brod hergekommen ist? heim- lich wird wohl noch eine gute Menge vorhanden ge- wesen sein, und damit ist das Volk gespeist-« Denn der HErr Jesus kennt unsere Unart recht gut; wenn er uns geholfen hat, so sind wir bald darüber aus, uns das zu erklären; bald hat es an diesem, bald an jenem Umstande und göttlichen Zufall gelegen, daß uns ge- holfen ist, und er, der uns so milde geholfen, kommt Um Dank nnd Ehre, als wäre er ein mtjsfiger Zuschauer dabei gewesen, der die Dinge gehen läßt. Es ist daher wohl gethan, daß er uns recht tief und genau in die leeren Kasten und Kammern sehen läßt, damit wir uns vorher überzeugen, sei es gleich, daß wir heftig darüber erschrecken sollten. Doch hat er noch eine andere Ab- sicht, warum er die sieben Brode hervorholen und nach- sehen läßt. Mit sieben Broden kann man keine vier- tausend Menfchen speisen; es hätten noch ganze Wagen voll Brod dazu geschafft werden müssen, wenn man hätte ausreichen wollen. Das thut aber Jesus nicht, wiewohl er es gekonnt hätte: mit diesen sieben Broden will er die Viertausend speisen, und von den sieben Broden soll alles genommen werden, was die Vier- tausend verzehren. Auf das, was Menschenhand be- reitet, will er seinen Segen legen, und so lange noch menschliche Mittel und menschliche Hilfe zu haben sind, sollen wir sie nicht verachteiy wir sollen nicht warten, daß Gott die Fenster des Himmels aufthut und Brod herniederregnen läßt, wenn auf Erden noch Hilfe zu haben ist. Sei dieselbe so klein sie wolle, werfe deine Mühe und Arbeit den geringsten Verdienst ab, veraihte es,nicht: sieben Brode waren es, womit der HErr Jesus Biertausendspeista und vielleicht sind es sieben Pfennige, die dir Hilfe in der Noth bringen können. (Miinkel.) Denke man sich den Fall, die Jitnger hätten antworten müssen: wir haben gar nichts! —- ob der HErr dann etwa gesagt hätte: nun, so muß das arme Volk freilich verschmachten? oder ob er sie, mit oder ohne Speise, dennoch hätte sättigen mögen und nach seinem Erbarmen an ihnen thun? (Stier.) Wenn er dem Volke sich auf die Erde zu lagern gebietet, so ist das eine freundliche Einladung, Platz zu nehmen an dem Tisch, der hier in der Wüste ihnen gedeckt und reichlich besetzt werden soll. Unter seinen segnendeti Händen mehrt sich dann das Brod: wenn sonst durch Brechen und Theilen ein Gan- zes in mehr oder weniger Theile zerlegt wird, so wird hier jeder, auch der kleinste Theil zu einem neuen Gan- zen; indem der HErr theilt, vervielfältigt er, und was kein Rechenmeistey anch der scharfsirinigste und gewand- teste nicht, vermag, darauf versteht er sich , denn er ist der HErr, dem alle Gewalt gegeben ist im Himmel nnd auf Erden. (v. BiarowskhJ Die Jünger empfingen nur sieben Brode und gaben wohl mehr denn siebenzig mal sieben; im Brechen vergrößert es sich, im Geben vermehrt es sich. Stannend nehmen die Jünger und geben, gehen nnd kommen wieder, und der HErr bricht immer noch, giebt immer wieder, und im Nehmen nimmt es nicht ab, nnd im Geben giebt sich der HErr nicht aus, bis alle gesättigt»sind. (v. Zezlchtvitzh Von den anfänglichen und im Genuß vermehrten sieben Broden werden die Brocken in sieben Körben gesammelt. Jch denke bei diesen sieben Körben an die sieben Zeit- läufe des neuen Testaments (Ofsenb. 2 u. 3), wie die ganze Kirche ihr Brod und wie eine jegliche Zeit ihren eigenen Brodkorb habe, und was für eine überschwäng- liche Fülle des Heils in Christo Jesu soviel tausendmal- tausend Seelen sein müsse, die stch alle so satt essen nnd vollkommen in ihm Vergnügen, daß nicht nur an dem allervollkommensten Heilande nichts abgehet, sondern daß sich auch immer ein neuer Vorrath seiner Gnaden offenbart, der sich erst recht ergießen wird in jene be- vorstehende unendliche Ewigkeit. (Rieger.) Der HErr vermag alles: l) drei Tae hält er das Volk durch sein Wort bei sich; 2) die üste wandelt er in einen Speisesaal; Z) seinen Segen legt er in die Hand der Jüngey 4) und sättigt alles mit Wohlgefallen. —— Dei« HErr ein Vorbild stir alle Hausvätert I) in der treuen Sorge für die Seinen, Z) in dem frommen Vertrauen auf seinen Gott, Z) in der freudigen Mild- thätigkeit gegen die Armen; 4) indem sparfamen Haus- halten mit Gottes Segen. (Nebe.) Das Bild eines rechten Wohlthsäters: l) er findet an allen Orten genug Bedttrftige nnd hat· dabei zu allen Zeiten ein offenes Herz; ·2) er weiß in der schlimmsten Lage noch Mittel u11d bleibt sich gleich beim Andrang der åVienge; Z) er danket Gott, wenn er geben kann, nnd forget, daß er wieder geben könne; 4) er giebt am liebsten durch fremde Hände und flieht den scheinbarsten Dank. (Schuur.) Die wunderbare Speisung der Vier- tausend: l) den Heiland jammert seines Volkes Noth; Z) im Segen bricht er ihm das Lebensbrod; s) vergeßt das nicht und haltet sein Gebot. (v. Biarowsky.) 10. Und alsbald snachdem er das Volk ent- lassen] trat er in ein Schisf mit seinen Jüngern und kam sauf einer Fahrt schräg über den See hinüber] in die Gegend Dalmanutha [im Süden vom galiläischen Meer Matth 15, 39 Anm., also wieder in die Nähe der Stadt Gadara, wo er vordem den geheilten Besessenen als einen Zeugen seiner Herrlichkeit zurückgelassen Kap. b, 1 ff., daher jetzt auf seinem Zuge durch die Ge- genden die ihn begleitenden Volkshaufen zu vielen Tausenden anwuchsen Luk. 12, 1]. Von Dalmanutha, das schon ·ein gut Stück (etwa 4 Stunden) unterhalb des Sees am Jordan lag (s. Karte VI), ftihrte den HErrn sein Weg jtber den Fluß -bis unterhalb Bethfean nach Magadan, und von da kehrte er hernach nach ersterem Ort zurück. Jn diese Zeit, die etwa eine Woche in Anspruch nahm, fällt nach der Auseinandersetzung zu Matth. 16, 1 die Geschichte in Luk. 12, 13——31, wo Einer aus dem Volk Jesum zum Schiedsrichter in einer Familienfireitigkeit machen wollte, der HErr aber, dergleichen Zumuthung ablehnend, das Gleichniß vom reichen Kornbauer vortrug und darauf gegen seine Jiinger etliche Aus- sprttche aus der Bergpredigt wiederholte, um sie von aller Sorge um das Jrdische loszutrenneu und ihr Trachten— allein auf das Reich Gottes zu richten. V. o. 11—21. (s. ca) eei Its« entweichen m die Grenzen von Cyrus und Zidon Rats. 7, 24 is) hatten die von Jerusalem hcrabgettommenru Schristgrlehrten eg aufgeben nassen, ihm fiir jetzt weiter zuzusetzen; sic- W arnung vor dem Sauerteig der Pharisäer nnd vor dem Sauerteig Herodis 507 hatten aber, ehe ne nach der heil. Stadt znrücietkehrtem norh dem ganzen westlichen Ufer des galiläisclseu Meeres entlang bis unter Tciberiag hinunter die einheimischcn Pharisäer, Saddncüer und tljerodianer zu einer förm- lichen Aufpasser-Gesellschaft organistrh die, sobald sich Jesus wieder an irgend einem Punkte dieses Eatidstrichs sehen lasse, ihm die Forderung eines Zeichens von! Himmel zum Beweise seiner oilessiactiiän die er vor dem voller in Einspruch nehme, in den Weg treten sollten, um dann, wenn er die Forderung sticht bewilligen würde, wie von selber ihn in den Zeugen der Menge zu Schau- den zn machen. So icomtncn sie denn hier gleichsam aus ihren Schlupfwililreln hervor nnd stellen ihre For— derung an ihn; er aber fertigt sie kurz ab nud zieht sich wieder iiber das Meer hinüber nach tzethsaida- Iulias zurück, warnt aber die Jünger bei der lieberfahrt vor dein Sauerteig der Pharisäer und des Oktober. (hgt. Erlaub. 16, t—12; Eule. 12, 54—59.) 11. Und die Pharisäer« gingen fals Jesus bei seiner Rückkehr von Magadan wieder bis Dalma- nutha kam] heraus saus einem dortigen Haufe, in welches sie sie sich mit Saddueäern und Herodim nern auf die Lauer gelegt hatten] und fingen an, seine messianische Sendung Niatth 12, 38 ihnen geben wolle, da er es ja müsse können, wenn er wirklich der Messias wäre], bersnchten ihn [denn es war ihnen bei ihrem Anliegen nicht um Ueber- zeugung von der Wahrheit zu thun, sondern um eine Gelegenheit, ihm etwas anzuhaben] und be- gehrten von ihm ein Zeicheu vom Himmel fwomit sie denn auch das Jnteresse des umstehenden Volkes gerade für ein solches, ganz auf die Schaulust be- rechneies Zeichen anregten]. 12. Und er senfzete in feinem Geist süber solcheu fleischlichen, eigensinnigen Unglauben] und sprach: Was sucht doch dies Geschlecht Zeichen? Wahrlich, ich sage euch, es wird diesem Geschleeht kein Zeichen gegeben fdenn das fchon früher ange- deutete Matth. 12, 39 f.; Luk. U, 29 f.]. 13. Und er ließ sie snachdem er noch mit meh- reren andern Worten den Unglauben dieses Ge- fchlechts, das wohl in den Dingen dieser Welt zu Hause war, aber für geistliche Sachen so wenig Empfänglichkeit und Verständniß hatte Matth.16, 2 f.; Lin. 12, 54 ff» gestraft] nnd trat san dem südlichen Ufer des Sees nun ankommend] wiederum in das Schiff und fuhr herüber lnach der Nord: OstsCiteJ Die Antwort Jefu auf die verfuchliche Frage wird von Markus in einem einzigen Verse abgethan: Was— sucht doch dies Gefchlecht ein Zeichen? (es kann ihm ja doch durch keines geholfen werden l) Wahrlich, ich sage euch, es wird diesem Gefchlecht kein Zeichen gegeben werden (denn dasjenige des Pro- pheten Jonas, das allerdings gegeben werden soll, ist eben kein solches, wie sie es begehren, und wird auch reicht jetzt, sondern erst später gegeben). Der Evangelist läßt also die Forderung schlechthin abweifeu. (v. Burgen) Die Kürze der Erzählung, bei welcher Mar- kus es verfchmähh die etwaigen Worte der Pharisäer anzuführen, während er doch den Sinn kennzeichnet, aus dem ihr Verlangen entsprungen ist, und der Ant- wort Jesu uicht mehr Raum giinnt als der Notiz, daß Jesus ihnen räumlich gewichen sei, biirgt dafür, daß er auch diese Begegnung zwischen Jefu und den Pharisäern uicht um ihrer selbst willen berichtet, sondern daß er auf das folgende ausfiihrlicher berichtete Gespräch zwi- fchen Jefn und feinen Jüngern hineilt (Kloftern1ann.) Die Folge der von den Pharisäern geforderten Beginn- bigung wäre gewesen, daß Christus nun in ihrem Sinne als Messen-s hätte anftreten rniisfety daher heißt es auch, sie ,,verfuchten« ihn damit; die Forderung des Him- melszeicheris war gleich der Versuchung in der Wüste. Was aber der HErr den Pharisäern verfagte, das be- reitet er bald darauf (Kap. 9, 1 ff.) den drei vertrau- teften Jüngern: das Himmelszeichen feiner Verklärnng, feine Rückfahrt nach dem jenseitigen Ufer degegen ist ein Vorzeichen feiner Rückkehr in die jenfeitige Welt. (P. Lange) Es ist ein fchreckliches Gericht, wenn die Wahrheit ganz und gar die Menschen verläßt und sie ihnen selbst gelassen werden. (Quesnel.) 14. Und sie sdte Jüngere, um dies zur Er- füllung ihres Mißverständnisfes in V. 16 vorab sich mit ihm zu befragen [ob er denn nicht den Z hier zu bemerken] hatte« lda die Rückschrt sp msch fchon einmal ihm abverlangteu Thatbeweis für :. und unvorbereitet vor sich ging] vergessen, Brod mit sich zu nehmen, und hatten nicht mehr mit sich im Schisf denn Ein Brod sdas ihnen noch übrig geblieben war]. 15. Und er [als er mit ihnen in’s Schiss getreten und eine Strecke auf dem Meer fchon ge- fahren war] gebot ihnen [die Seele uoch voll von den Eindrückem die er in V. 11 empfangen March. 16, 4 Anm.] und sprach: Schauet zu und fehct euch vor vor dem Sauerteig der Pha- risäer nud vor dem Sauerteig Herodis. 16. Und sie [nicht versiehend, was er mit solcher Warnung sagen wolle] gedachten hin und wieder und fprachen unter einander [als hätten ste’s mit ihrem Besinnen endlich gefuuden]: Das isi’s, daß wir nicht Brod haben [denn nun werden wir nur gar zu bald in die Lage kommen, Brod kaufen zu müssen, nud können da teicht übel be- rathen werden]- 17. Und Jesus vernahm das fdaß sie im Mißverständniß feiner Rede sich so forgliche Ge- danken machten] nud sprach zu ihnen: Was be- kümmert ihr euch doch, daß ihr uicht Brod habt? Vernehmet ihr noch ntchts nud seid noch nicht verständig [Kap. 7, 1812 habt ihr noch ein ver- ftarret Herz [Kap. 6, 521 in euch? 1.8. Habt Augen und fehct nicht, nnd habt Ohren und hbret nicht? und deutet nicht daran fwas bereits zweimal unter eurer Mitwirkung sich ereiguet hat]? 19. Da ich fünf Brode brach unter fünf tausend, wie viel Kbrbe voll Brocken hubct ihr da auf? Sie sprachen: Zwölf [Kap. s, 84 fs.]. 20. Da ich aber die sieben brach unter die vier tausend, wie viel Kbrbe voll Brocken hubct ihr da auf? Sie sprachen: Sieben [V. 1 fs.]. 508 Evangelium Maret s, 21—30. 21. Und er sprach zu ihnen: Wie vernehmet ihr denn nichts? Markus hat hier den Höhepunkt seiner Veranschau- lichung des Verftändnißmangels erreicht, mit wel- chem die Jünger den Thaten und Worten Jesu folgten· Diese Veranschaulichung begann schon mit dem fünften Stück der vierten Erzählungsgruppe (Kap. 6, 45 sf.), setzte sich im ersten Stück der fünften Gruppe fort (Kap. 7, 1 fs.) und schließt in diesem fünften Stück derselben Gruppe mit einem Fall, der auf’s Deutlichste darlegt, wie sehr die Jünger bei aller Hingabe an Iesu Person unfähig gewesen sind, aus seinen Werken und Worten den Schluß einer klaren, das praktische Leben fruchtbar beherrschenden Erkenntniß zu ziehen. Denn hier ist das Unbegreifliche geschehen, daß sie, nachdem sie zweimal hinter einander in der deutlichsten Weise erlebt haben, das; Jesus sich als absolut freien Herrn über die zum Leben nöthigen Dinge zeigte, in einem dritten ähnlichen, aber ungleich leichteren Falle lieber in ihrer kleinlichen Sorge verstrickt bleiben, ja lieber Jesu selbst dieselbe Sorge und Verlegenheit beilegen, als daß sie aus jenen beiden Fällen auch für diesen dritten nur die Möglich- keit erschlossen hätten, daß er aus eine ähnliche Weise feine Erledigung finden werde wie jene. Eben deshalb, um das Beschämende dieses Verständnißmangels grell hervorzuheben, hat Markus die Rede Iesu so wieder- gegeben, daß dieser sie an jene Fälle erinnert und sie durch ihre Antworten sich selbst die Berechtigung zur Sorge völlig absprechen läßt. (Klostermann.) Sonder- bar genug, daß die Jünger den Umstand, daß sie Brod mit sich zu nehmen vergessen hatten, mit dem warnen- den Wort Christi in Verbindung bringen: wo mochten sie denn eigentlich einen Bäcker finden, der gewiß weder Pharisäer noch Saddncäer war in irgend einer Weise? Und dergleichen sollte der Meister meinen! (Stier.) Dennoch hat er indessen mit ihrer Unwissenheit und Schwachheit Geduld; er verläßt sie nicht, noch stößt sie von sich. Und auch sie werfen deswegen die Liebe, das Vertrauen und die Ehrerbietung gegen ihn nicht weg, sondern sie leiden als rechtfchaffene Jlinger die Züchs tigung ihres Meisters gern und werden durch sie ge- bessert. Dies sollen wir auch thun, wenn wir einmal von innen oder von außen gestraft werden, daß wir nicht alsbald meinen, solches geschehe aus Gottes Zorn und wir müßten deswegen verworfen werden; aber das Gewissen ist eine zarte Sache, welches dergleichen Ver- trauen in der Versuchung sehr schwer behält. (Luther.) VI. h. 22—26. (§. 61.) Uicht ohne Bedeutung steht zwischen der vorigen Geschichte und der im folgenden 7. Abschnitt gerade dsese von der Heilung des stin- den zu tBethsaida in der Mitte; sie ist wie ein Spiegelbild der Sänger des hinten, denen in h.18 noch norgeworfen werden mußte: ,,ihr habt Augen und sehe! nicht«, und die dann in h. 29 als solihe, die alles »scharf sehen« im geistlichen Verstande des Worts sich auskneifen; fehl sind sie noch, wie der Blinde, da er Menschen sahe gehen als wären es Bäume, aber der thGrr beziehet mit ihnen aus etwa ein Vierteljahr eine Stätte der Gtiisamlieih um seine Hände abermal aus ihre Jlugeu zu legen, damit sie ganz zurecht gebracht werden. Um der Jkciiger willen also, um ihnen ein Gleichniß zu geben ihrer Heilung non geistlicher Blind- heit, hat Jesus ein so eigenthiiinliches Verfahren mit jenem leiblich Blinden bei dessen Heilung eingeschlagen, und gerade dem Petrus, der in V. 29 der Sprecher der nun alles scharf Seheuden ist, war die Geschichte so hochbedeutsam das sein geistlicher Sohn Martin-i sie iu’s Evangelium ausgenommen hat. 22. Und et smit den Jüngern am uordöst- lichen Ufer des Sees landend und in derselben Richtung, die er bei der Ueberfahrt eingeschlagen, seinen Weglandeinwärts fortsetzend] kam gen Beth- saida [mit dem Beinamen ,,Julias« im Gebiet des Viersiirsten Philippiis Matth 2, 20 Anm.]. Und sie setliche Leute, die ihn von seiner Wande- rung Kap. 7, 31 her in dortiger Gegend kunnten] brachten zu ihm [bald nach seiner Ankunft] einen Blinden [der das nicht von Geburt an war, son- dern erst in Folge einer Krankheit gewordeii V. 24], und bateii ihn, daß er ihn anrührete sum ihm aus der Fülle seiner Heilandskraft wieder gesunde Augen zu verschaffeii]. 23. Und er nahm den Blinden bei der Hand [sein Auge werdend Hiob 29, 15; 4. Mos. 10, 31 an Stelle derer, die denselben zu ihm ge- brachtJ und fiihrete ihn sin ähnlicher Weise mit ihm verfahrend, wie früher mit dem Taubstummen in Kap. 7, 33] hinaus vor den Flecken, und fpützele sNebenform zu: speiete, von Luther ge- wählt, um den edlen Charakter dieses Speichel- auswersens zu wahren] in seine Augen und legte feine Hände auf ihn [um ihm die allgemeinen Grundkräfte des Sehens wiederherzustellenj und fragte ihn [jetzt, wo die erste Stufe zu seiner Er- neuerung erreicht war und er dessen sich auch be- wußt werden sollte], ob er etwas swenn auch nur noch in allgemeinen, unbestimmten Umrifsen] sähe? 24. Und er sahe auf sseine Sehkraft zu pro- bireiIJ und sprach: Ich sehe Menschen gehen, als sähe ich Bäume [ich bemerke Wandelnde, die aber wie Bäume sich ausnehmen, so unförmlich uiid groß sind sie: nur daraus, daß sie sich bewegen, erkenne ich, daß es Menschen sind] 25. Datttach lzur zweiten Stufe seines Werks; fortschreitend] legte er abermal die Hände aus seine Augen und hieß ihn [nachdem er die Hände wie- der von ihm zurückgenommen] abermal sehen sum zu problem, wie es nunmehr— mit seinem Schnee: mögen stehe]; Und et ward [wie die Probe ergab, mit diesem zweiten Werk] wieder [vollständig] zu rechte gebracht, daß er alles schars [ohne beim Blicken in die Ferne noch des richtigen Messungtk vermögend zu ermangeln, wie vorhin V. 241 sehen konnte. 26. Und er schickte ihn heim sin die Stille seines Familienhausesj und sprach: Gehe nicht hin- ein in den Flecken [Bethsaida], und sage es auch niemand drinnen [daß ich nicht täglich von Hilfe: suchenden angelaufen werde, da ich hier mit met- nen Jüngern längere Zeit allein sein will Matth 16, 12 Anm., was der Geheilte denn auch — anders als die Leute in Kap. 7, 36 - pünktlich » befolgte]. Heilung des Blinden zu Bethsaida Petri Bekenutniß von Christo. 509 Es kommt wohl vor, daß der HErr mit« Einem Schlåfge die Decke von den Augen hinwegnimmt, sodaß der ensch auf der Stelle alles scharf sehen kann; wir haben ein leuchtendes Beispiel an dem Apostel Paulus, bei welchem die Eröffnung des geistlichen Auges merk- würdiger Weise mit einer zeitweiligen leiblichen Erblin- dung zusammenfiel. Als er in Antiocbien das finuliche Au e wieder aufthat, da vermochte er auf dem höheren Ge iete alles klar zu durchschauen; von einer Entwicke- lung der Erkenntniß ist bei ihm keine Rede, urplötzlich war es ihm wie Schnppen von dem inneren Gesicht gefallen. Allein das war nicht die Regel, sondern eine Ausnahme — eine Ausnahme, die wir bei dem be- greifen, welcher dazu berufen war, anfzuthun die Augen der Heiden, daß sie sich bekehren von der Finsterniß zu dem Licht it. (Apostg. 26, 18). Zwar das Licht über- haupt, das sieht man alsbald, wenn das blinde Auge eröffnet ist; aber daß man in diesem Lichte alles klar nnd richtig erkenne, ohne Tänschung und’Jrrthum, alle Gegenstände, Verhältnisse, Ordnungen im Reiche Gottes, daran fehlt sehr viel. ,,Jn deinem Lichte sehen wir das Licht«: das ist in der Regel das Resultat des allmäligen Prozesse-Z. Jn gewissem Sinne kommt derselbe zwar " während des irdischen Lebens überhaupt nicht zu seinem Abschluß, Paulus bezeugt: »wir sehen jetzt durch einen Spiegel in einem dunkeln Wort, jetzt erkenne ich es stückweisett (1. Cor. 13, 12); allein in einem gewissen Sinne giebt es auch wiederum ein klares Erkennen der himmlischen Dinge in der Gegenwart, namentlich den Sohn Gottes kann man mit aufgedecktem Antlitz sehen (Joh. 9 , 38; Z. Cur. 4, 6). Jn V. 27 ff. heißt es, daß, nachdem Jesus mit feinen Jüngern Bethsaida ver- lassen, er sie auf dem Wege gefragt habe, was doch die Leute über ihn urtheilen; und sie hätten ihm entgegnet, die Einen hielten ihn für Johannes den Täufer, die Andern für den Elias, die Dritten für der Propheten einen, sie selbst aber erkenneten in ihm den Christ. Kann man wohl eine zntreffendere Deutung des all- mäligen Prozesses jener Blindenheilung wünschen , als sie hierdurch gegeben wird? Etwas (V. W) von der Wahrheit sehen auch die, welche in Christo Johannes den Täufer oder den Elias oder einen Propheten ver- mutheten, aber auch nur etwas; sie sahen Menschen wie Bäume, während die Jünger scharf sahen, indem sie im Glauben den Sohn Gottes erblicken Aber« auch sie selbst, die Jünger, haben ihn nicht von vorn ab dafür erkannt, sondern ihn als solchen erst kennen gelernt, und zwar durch ihn, den HErrn selber, er hat auch sie erst allmälig sehend gemacht. Jn einer merkwürdigen Uebereinstirmnung befindet sich denn der Schluß der Heilungsgeschichte (V. 26) mit dem Ende der Unter- redung Jesu mit den Jüngern (V. 30): in beiden Fällen das Gebot, zu schweigen und vor der Hand eine stille Freude an dem erschauten, ihnen aufgegangenen Licht zu genießen. (Steinmeyer.) — Die Hinausführting des Blinden vor den Flecken geschah allem Anschein nach in nördlicher Richtung; dieser, als er geheilt war, ging wohl ösilich oder südöstlich mit denen, die ihn zu Jesu gebracht, nach seiner Heimath ab, und brauchte man also, wenn man nicht ausdrücklich nach Bethsaida hin- einlaufen wollte, den Ort nicht erst zu berühren —— denke man sich die Heimath des Mannes etwa da, wo auf Karte V. Gaulan verzeichnet steht, so wird alles leicht verständlich werden. Der HErr selber blieb jenfeit des Fleckens, doch gewiß in ziemlicher Nähe desselben wäh- rend der folgenden Sommermonate seinen Aufenthalt nehmend, und verkehrte da hauptsächlich mit seinen Jüngern, wenn er auch nicht ganz gegen das Volk sich abschloß, denn in V. 34 sehen wir bei seinem Ausbruche von dort ihn von einer Schaar begleitet; in Lnk. 12, 32»——53 haben wir eine· seiner Reden, womit er in dieser Zeit der Stille seine kleine Gemeinde gestärkt und unter- wiesen hat. VIL o.27—uap. 9,1. (§. an) as ia jetzt, nach Verlauf der heißesten Sommerezeitz nun wieder soweit, daß» der tjGrr aus der Stille in dao bewegtere Erben zururliliehrtz aber eo ist eine ganz neue Periode, die sich erosfnet, er hat seht sihon die ersten Schritt: zu thun aus seinem Eeidenowegg wenn auch bis dahin noch 6—7 Monate vergehen werden. Indem er, mit den Jüngern von der Gegend bei Bethsaida weiter nach Uordeu hinauf in die Gegend von Ciisarea phitippi aus- bricht, hält er mit ihnen ein Grausen, wie weit sie nun- mehr in der Gclienntntß seines Wesens nnd seiner Wurde norgeschritten sind, redet ganz rückhaltlos von seinenc bevorstehenden seiden, Sterben nnd Jluserstehen und richtet an seine dlachfolger eine Erklärung darüber, wag seine getstliche tlachfolge fiir pflichten auferlegte, aber auch für ttohn mit sich bringe. (bgl. Matth Its, 13—28; End. 9, 18—27.) 27. Und Jesus ging Ium die zweite Hälfte des September a. 29] aus lvon seinem bisherigen Aufenthaltsort bei BethsaidaJ und seine Jüuger smit ihm, gefolgt von einer, wohl nur kleineren Volksschaar V. 34], in die Märkte der [nach Norden hinauf gelegenen] Stadt Cäfarea Philippi. Und aus dem Wege Dahin] fragte er seine Jünger [um ihnen Veranlassung zu geben, mit ihrem eige- nen Bekenntniß von der öffentlichen Meinung sich in bestimmter Weise nunmehr zu scheiden und als seine Gemeinde zu cousiituiren] und fptachen zu ihnen: Wer sagen die Leute, daß ich sei? 28. Sie antworteten sgemäß dem, was schon seit länger die landläufigen Volksansichten waren Katx S, 14 ff.]: Sie sagen, du seiest sder von den Todten wieder erstandene] Johannes, der Tau- ser; etliche sagen, du seiest Elias; etliche, du seiest- der Propheten einer [Jeremias oder Elisa Many. M, l4]. 29. Und er sprach zu ihnen: Jhr aber, wer saget ihr, daß ich sei? Da antwortete Petrus sum hier blos die eine Seite seiner Antwort zu berüh- ren, soweit er zugleich im Namen der übrigen Jünger redete, während die andere Seite, womit er über die andern hinausging außer Betracht bleiben mag Matth 16, 16,Anm.] und sprach zu ihm: Du bist Christus. 30. Und er sum entsprechend der soeben nur einseitig berichieten Antwort des Petrus auch nur den daraus bezüglichen Theil der Erwiederung Jesu mitzutheilexq bedrcinete sie, daß ste niemand von ihm sagen sollten sbis sie als seine mit dem heil. Geist erfüllten Zeugen nun würden hervortreten an die Oefsentlichkeits Es ist gewiß nicht zufällig und ein menschliches Be- lieben oder Versehen, daß St. Markus hier das Wort Christi von des Petrus Priorität im Kreise der Apostel, die ihm wiederfahrene Auszeichnung nnd demgemäß auch denjenigen Theil seines Bekenntnisses, auf welches diese sich gründete, übergeht; es ist, als hätte Petrus auf daß ihre Werke nicht gestraft werden. 510 Evangelium Marei 8, 31—38. 9, l. vorausgesehem welchen Mißbrauch man in Rom einst mit diesem Stück unsrer Geschichte, wie es in Matth IS, 17——19 vorliegt, treiben würde, und als hätte er ain allerwenigsten eine Veranlassung dazu geben wollen, darum ließ er den Markus es nicht in sein Evangelium mit aufnehmen (wer möchte glauben, Petrus selber oder Markus würden jenes »Du bist Petrus 2c.« übergangen haben , wenn sie der Meinung gewesen wären, auf jenen Worten beruhe das Funda- ment der christlichen Kircheisl — Beza), dagegen, um zu bezeugen, daß derjenige, der sich dem Kreuze und der Kreuzlehre Jesu widersetzt, ein Satan sei, und sollte er gleich Petrus heißen, den Vorgang V. 32 f. aus- driicklich mit aufnehmen. Hat nun Petrus es zwar selber nicht vorausgesehen, als er in Rom war und dort das MarkussEvangelium unter seiner Leitung geschrieben wurde, so hat doch der heil. Geist alle Dinge zuvor er- kannt und Sinn und Feder der heil. Schriftsteller so gelenkt, wie es nöthig war; es ist das einmal ein recht osfensichtlicher Fall, wie die anfcheinenden Widerspriicha Ungenanigkeitem Halb- oder Dunkelheitem die uns bei den Evangelisten und Aposteln begegnen, ihren Grund haben nicht in ihrer eigenen Menschlichkeitz sondern in der Tiefe des Reichthuttts beide der Weisheit und Er- kenntniß Gottes. Das Wort Gottes ist eine klare, helle Leuchte, da sie uns nirgend läßt in Finsterniß wandeln; nur die Menschen machen es zu einer triibe scheinenden Laterne oder stellen sein Licht n1iter einen Scheffel, weil sie das Licht hassen und an dasselbe nicht kommen mögen, Auch Lukas hat bei Mittheilung unsrer Geschichte sich in derselben Weise beschränkt, wie Markus , weil er ebenfalls in einei- Zeit und für einen Kreis schrieb, wo es nun galt, dem Mißbrauch keine Stütze zu bieten und ihm von Haus aus das Verwerfungsiirtheil zu sprechen; anders hin- gegen verhält» es sich mit Matthäus, und wenn das Volk, deni»s ein Evangelium hauptsächlich und zunächst gilt, sich einmal zu Christo wird bekehren, worauf wir nicht lange mehr werden zu warten haben (wie des Peter Wlillh zu Ende-des 14.·Jahrh. so bestimmt aus- gesprochene Perechiiuug, daß im« J.·1·789 große nnd außerordentliche Umwälzungen in politischer Hinsicht in seinem Vaterlande sich vollziehen würden, verwirklicht worden, so kann auch unsre Berechuung, das J. 1897 werde das Ende der Verstoßung Jsraels sein, sich gar wohl bewahrheiten), dann wird es auf einmal mit dem römischen Primat, den der HErr jetzt noch flir einen großen Theil der Christenheit aus weisen Absichten dul- det, ein Ende haben und Rom wird dann kräftiglich als Babel erwiesen werden, um seiner Zeit das Gefchick der ,,großen Hure« zu erfüllen. 31. Und sder HErn indem er auf die Zeit hinwies, bis zu deren Ablauf sein eben ausge- sprochenes Verbot Giltigkeit haben solle] hub att sie zu lehren: Des Vienschen Sohn muß viel leiden und verworfen werden von den Aeltesten und Hohenpriestern und Schriftgelehrtem und ge- tödtet werden nnd über drei Tage [wo ihn die Verwesung schon ergriffen haben müßte, wäre er eine rechtmäßige Beute des Todes, geschweige ein rechtmäßig Verurtheilter, zur Erweisung feiner Herrlichkeit Rom. I, 41 anferstehen 32. Und er redete das Wort [von solchem Leiden und Sterben, auf das er früher nur mit- telbar hingewiesen] frei offenbar [fo daß er gar nicht überhört oder mißt-erstanden werden konnte] Und Petrus [der es auch ganz richtig aufgefaßt hatte, doch mit seiner Meinung nicht zu reimen wußte] nahm ihn zu sich [beiseits], fing an, ihm zu wehren ker solle sich doch nicht so unnöthig dem Schlimmsten aussetzen wollen]. 33. Er aber [Jesus, als Petrus ihn so bei dem Arme nahm und mit seiner Abmahnung ihm zuzusetzen OUsiIXgJ wandte sich Um lvach ihm] nnd sahe [zugleich alle] seine Jünger [die in ihrem Herzen der Abmahnung beipflichtetem bei dem, was er jetzt sagen wollte] an lals auch ihnen geltend] und bedrciuete Petruui und sprach: Geh hinter mich sdaß du weit von mir weg kommest Matth.4, 10], du Satan; denn du meinest nicht das göttlich, son- dern das menschlich ist. 34. Und er rief zu sich das Volk [so viel noch andere Leute ihm auf dem Wege folgten] sammt seinen Jüngern und sprach zu ihnen: Wer mir will nacbfolgen- der verlengne sich selbst nnd nehme sein Kreuz auf sich swillig entschlossem das, was in meiner Nachfolge ihm als sein Antheil an dem Kreuz, das dem Meister befchieden war, zu- sällt, nun auch zu tragen] und folge mit« nach« [indem er sein Kreuz nun auch wirklich, nnd in gleicher Weise wie ich, trägt] 35. sTrotz des scheinbar schweren Standes, in welchen er dadurch eintritt, befindet er stch gleichwohl in einem sehr guten Stande im Ver- gleich mit den Andern, die nicht eintreten mögen] Denn wer sein Leben will behalten, der toirds l verlieren; und wer sein Leben verlieret um meinet- nnd des Evangelii willen sdenn nach meiner Auf- nahme in den Hinimel wird das ,,um meinet- willen« nur so geschehen können, daß er es ,,um des Evangelii willen« thut], der wird’s be- halten» 36. Was hülfe es dem Menschen sder sein Leben zu behalten gedenkt], wenn er die ganze Welt gewönne und nähme an seiner Seele Schaden? - 37. Oder was kann der Mensch geben lals ein ausreichetides Wiedereintauschungsmittell, damit er seine Seele [wenn sie einmal verloren] lbfe?"« 38. Wer sich aber sstatt um meinet- und des Evangelii willen sein Leben zu verlieren] mein und meiner Worte schämet unter diesem ehebreche- rischen nnd sündigen ldon Gott abgefallenen und widerspenstigen] Geschlecht; deß wird sich auch des Menschen Sohn schämen, wenn er kommen wird in der Herrlichkeit seines Vaters, mit den heiligen Engeln szum jüngsten Gericht] Katz. 9. V. 1. Und er smit dieser Ver- kündigung seiner sichtbaren Zukunft in Herrlichkeit die von seinem unsichtbaren Kommen über Jeru- salem und das jiidische Volk VerbindendJ sprach zu ihnen: Wahrlich, tch sage etich, es stehen etliche Der HEer Jesus redet von seinen bevorstehenden« Leiden, Sterben und Auferstehen 511 hie [untereuch], die werden den Tod nicht schmet- ken, bis daß sie sehen das Reich Gottes sdurch Beseitigung derer, die jetzt es aufzuhalten oder gar zu vernichten unternehmen] mit Kraft kommen [und eine von Israel abgelösie neutestamentliche Gemeinde vor ihren Augen nun dasteht]. V) Alles Lasttragen oder sich selbst Lastauflegen ohne Selbstverleugnung ist nicht das Kreuz, von dem der HErr den Seinen redet; alle Aufopferungen und Hin- gaben sind umsonst, wenn’s nicht geschiehet um seinet- willen oder um des Evangelii willen, d. i. auf daß man desselben, des darin dargebotenen Himmelreichs theilhaftig werde (1. Cur. 9, 23). Gott bereitet dir das Kreuz: das wirf nicht weg, sondern achte es als das deine nach dem Willen des Gehorsams, wie wenn du es selbft erwählet hättest; verleugue dich selbst, sprich von dir selbft, wie Petrus von dem HErrn sagte, als er ihn verleugnete: ,,ich kenne des Menschen nicht«, fprich gegen den sich weigernden Willen des Fleischesx ,,nicht wie ich will« —- das ist der Grund und das Erste. So gefchiehet das Aufnehmen des Kreuzes; und nun kommt dazu das andere, welches die Kraft und Ausdauer darreicht, das, was der HErr spricht: ,,Folge mir nach!« (Stier.) Das Wort ,,Kreuz« ist in der Christenheit eine sehr geläufige Redeweise , man versteht darunter gemeinhin alles, was von Erdennoth und Plage ein Herz verwunden und beschweren kann; wer einen Dornengang durch’s Leben geht, wem das Unglück zu den Fenstern hereinbricht, oder bedachtsamer durch die Thüre schreitend als Hausfreund und täglicher Gast sich mit ihm zu Tische setzt, wessen Schultern an der Last eines langwierigen, fchmerzlicheu Siechihums zu tragen haben, den nennt man ohne Weiter-es einen Kreuzträgen Aber das beruht auf einem Mißversta1ide; der Ausdruck »Krenz« ist ganz ausschließlich ein christ- licher Begriff und von der Nachsolge Christi nntrennbay in keiner Sprache keines Volkes der Welt ist jemals Leiden mit dem Namen des Kreuzes bezeichnet worden. Sie ist als etwas ganz Neues ans Christi Munde aus- gegangen, und zwar zum ersten Mal bei Aussendung der Zwölfe tMatth. 10, 38); die lieben Jünger nah- mens das Wort denn als so hin, fie merkten wohl, daß damit etwas sehr Ernstes gemeint, aber ohne daß ihne11 auch bei der späteren Wiederholung des Worts das« volle Verftändniß desselben aufgegangen wäre. Erst als das unmöglich Geglaubte nun geschah, als Christus selber, von Israel verworfen, zur Schlachtung gebunden, in der Mitte zweier Schächer mit dem Kreuze auf der Schulter durch die Gassen Jerusalems hinausgefiihrt wurde zur Richtstätte, da ward auf einmal die Decke weggenommen und das dunkle Wort brach in der vollen Tageshelle seiner wahren Bedeutung hervor. In der Beleuchtung, die von daher auf die Sache fällt, wird?- uns über allen Zweifel gewiß, daß ,,sein Kreuz in der Nachsolge Christi auf sich nehmen« nicht heißt, sich nur unter irgend eine gerade vorhandene Leidensschickiing biicken und sich dabei der Nachahmung der Geduld und Gelassenheit Christi befleißigen; etwas viel Umfafsenderes und Durchgreifenderes wird damit bezeichnet Ein Christ soll gleich beim Antriit der Nachfolge Christi einen solchen Abschied mit der Welt und dem Leben in der Welt machen, wie ein schon zum Tode verurthei1ier Uebelthätey an den eben jetzt die Mahnung ergangen ist, sich zur Hinrichtung hinausfiihren zu lassen; die Nachfolge Christi ist für ihn an jedem neuen Tage eine Nachfolge zum Sterben, wie das damit verbundene Wort vom Finden und Verlieren des Lebens so klar bezeugt. Das Kreuz aber, welches erzum Sterben da- ran tragen soll, kann sehr verschiedene Gestalten nnd Wandelnngen annehmen: bald wird es unmittelbar vom Himmel iiber ihn verhängt, bald scheinbar nur durch Menschenhände auf seine Schultern gelegt; bald ist es ein Leiden, das ihn selbst zunächft betrifft, bald wird es ihm dnrch’s Llliitgefiihl mit fremder Noth und fremden Leiden angethan; bald driickt es langwierig und be- schwert ohne Nachlaß bis zum Herbeiwünscheii des Todes, und bald giebt es eine schnelle Exeeution mit daztvischenfallenden Pausen der Erleichterungx bald stellt sich’s äußerlich in allerlei Unglück, Noth und Plage dar und bringt eine Lazarusgestalt mit sich, bei deren An- blick auch andern Leuten die Augen übergehen, bald ver- hlillt es sich vor den Augen der Menschen als ein in- neres Kreuzspdas kaum sich klagen läßt, als ein Seelen- kreuz der Dürre, der Versuchung, der Gottverlassenheiy des Leidens von den feurigen Pfeilen des Bösewichts und von den Faustschlägen des« Satansengels Vor allem aber ist unter dem Kreuze, welches der Heiland seinen Jüngern und Nachfolgern in Aussicht -ftellt, ein Leiden um Christi willen zu verstehn. Zwar sind zu Zeiten der Welt die gewaltthätigen blutigen Hände gebunden, aber ihrem Hasse entgehen kann darum doch keiner, der gottselig leben will in Christo Jesu allein; hat sie keine Stricke anzulegen, keine Geißel zu schwin- gen, keine Folter damit zu schrecken, keine Jnquifitions- oder Revolutionskerker für die Bekenner des HErrn, so braucht sie ihre Zunge, damit todtzuschlagein Ueble Nachreden, spöttifche Blicke, verächtliches Achselznckem höhnisches mit Fingern Zeigen, Schimpfnamen u. s. w., das sind die Begegnungen, mit denen sich die Welt a1i denen von der Welt Erwählteii reibt und welche die letzteren als ihr Kreuz auf sich zu nehmen und es dein Heilccnde nachzutragen haben, sich nicht weigernd, darüber hinzusterbeiy ohne daß sie in diesem Leben eine Recht- fertignng erlangen. (Roffhack.) VII) Wer die Wahrheit um des Kreuzes willen, das sie mit sich führt, um des Leidens willen, das mit ihrer Annahnie verbunden sein kann, fahren läßt und nun, indem er die Empfindung-Bart behält, die ihm eigen ge- worden ist, die Ansicht der Dinge, womit er aufwuchs, die Neigungen und Leidenschafteii, die ihn beherrschen, ohne etwas in sich tödten und verleugnen zu müssen, nnd dem äußerlichen Leiden entgeht, auch etwa noch über das alles gute Tage in dieser Welt verlebt, fich wohl fühlt, nun recht als in feinem Elemente, nun recht in seinem Leben ist, der verliert doch iii Wahrheit sein Leben; er kommt je länger je weiter von dem wahren Leben ab, er geht des Lebens verlustig, das dem Men- schen nur allein durch Annahme, Erkenntniß und Ge- horsam der Wahrheit zu Theil werden kann. Wer da- gegen, indem» er die Wahrheit annimmt, sie bekennt, ihr gehorsam wird, in der Verleugnung seines eigenen Willens, in der Ableguug seiner Vorurtheile und Irr- thiimer, in der Ueberwinduug seiner Leidenschaften und Begierden sein eigenes natiirliches Leben verliert und unter dem Kreuze, unter dem Leiden, das ihn nm der Wahrheit willen trifft, nun auch noch das verliert, was ihm das Leben in dieser Welt lieb und werth machte, was ihm das Leben des Lebens war, und so innerlich nnd äußerlich seiu bisheriges Leben nnd Wohlsein daran giebt, der findet das wahrhaftige,·höhere, ewige Leben; mit diesem höheren Leben und seinem ewigen Frieden und seiner unvergänglichen Freude wird ihm jede Ent- behrnng nnd jede Verleugnung belohnt. Der Weg des Ersteren scheint der Weg zu immer froherem und rei- cherem Lebensgenusse zu sein, und ist in Wahrheit der Weg zu immer größerer Leblosigkeit; der Weg des Andern scheint der Weg zu immer größerem, traurige- rem Lebensmangel, ja zum Tode zu fein, und ist der 512 Evangelium Marci 9, 2——8. Weg zu einem Leben, das allein würdig ist, das Leben genannt zu werden. (Menken.) ’i") Was ist es, daß der Mensch also sehr den Frieden sucht und vor dem Kreuze flieht? gesetzt auch, das; die ganze Welt sein wäre mit allen ihren Gütern, aber außer mir, wider mich nnd ohne mich, was hat er ftir Gewinn davon, da er indeß in die ewige Ver- dammniß rennt? Warum sucht er alsosehr die Tro- pfen des Friedens oder die kleinen Theilchen der ganzen Welt, wenn ihm die ganze Welt voll Güter sollte zur ewigen Verdammniß gereicheUP Dieser Friede, den man sucht, ist kurz, ist ferner gering, weil es der ge- ringste Theil von dem Frieden oder von dem Gute der ganzen Welt ist; hingegen ist das Kreuz auch kurz nnd das geringste Theil von der ewigen Verdammniß, gleichwohl rennen jene durch einen kurzen und mäßigen Frieden in ein ewiges und unendliches Kreuz, und diese finden durch ein kurzes und mäßiges Kreuz den ewigen und unendlichen Frieden (2. Cor. 4, 17 f.; Pf. 92, 7f.). Wer aber bedenkt die Kürze, die Wenigkeit, die Unge- wißheit dieses Lebens, dieses Friedens, dieser Herrlich- keit, dieser Wollust? und auch die Ewigkeit, die Unend- lichkeit, die Gewißheit des Todes, des Kreuzes, der Schmach, des SchmerzeUsP Und im Gegentheil, wel- cher Fromme erwägt sattsam die Kürze, die Wenigkeit, die Leichtigkeit des Kreuzes, und auch die Ewigkeit, die Unendlichkeit, die Sicherheit des Lebens, der Freude, der Seligkeit? O Fleisch, wie bist du doch so mächtig, daß du diese Dinge auch in den Heiligen verdunkeln kannst! (Luther.) Denke an die Stunde, wenn du aus dem Todtenbette liegen wirst: alles, was du von der Welt hast, bleibt da zurückz nur du, ganz allein du, gehst vor Gottes Thron. Wenn du nun dich, deine Seele verloren hast, so hast du alles verloren und kannst dann nichts geben, sie von der ewigen Verdammniß zu erlösen; jetzt kannst du noch etwas geben, das Blut Jesus Christi, das rechte Lösegeld —— »dieses ist die Ran- zion deiner Missethaten, bringst du das vor Gottes— Thron, ist dir wohlgerathen.« (Besser.) Wenws zum Sterben kommt, wollte man gern alles um seine Selig- keit geben, im Leben gedenket man nicht einmal daran; wir wollen nichts thun, wenn wir können, und alles thun, wenn wir nichts mehr können — o Blindheit nnd Verkehrtheitl (Qnesnel.) Das 9. Kapitel. Historie, von Christi Uerhlärung und dem inondsächtigen Sohne. Lehre non der Demuth und dem chtergerniss VllL U. 2—13. (§. 64·) Sechs Tage sind seit jenem Tage, auf welchen Jesus sich mit besonderem Gebet be- reitet (t3uk. 9, II) und an welchem er dann die her— handlung mit den Jüngern gehabt hatte, verflossen, ohne daß weiter etwas vorgefalten wäre, dessen die hLEoaw gelisien in ihrer Darstellung seines Lebens erwähnten; doch geht aus dem, was wir in V. 14 ff. lesen werden, hervor, daß er während dieser Zeit sich wieder ganz dem Volke gewidmet und der Elenden auch hier oben, in dem närdlichslen Theil des heil. Landes, sieh ange- nommen hat, so daß er nur ganz langsam und allmälig, den Jüngern kaum bemerkbar, dem Berge nahe gekom- men, auf welchem, wie er wußte, ein himmlischer klar— gang erfolgen würde. Als der dafür bestimmte Tag uuu erschienen, geht er am Abend zuvor in Begleitung der drei Zeugen, die er ans dem Zlposlelkreise sich er- wählt hat, hinauf auf den Berg nnd verklärt sikh nach der im Gebet bit-gebrachten islacht in der Früh: des andern Morgens vor ihren Augen; und »wir bei der Taufe im Jordan der Vater im Himmel vor den Augen des lehten alttestailtentitchen Propheten diesen zum Tode entskhlosseiieu Jesum fiir seinen Sohn erklärt hatte, so geschah es hier vor dem Gesetzgeber und dem ersten Propheten, also vor den Häuptern des alten Bandes selbst. Gesetz und Propheten kamen in person selbst; der alte Bund, der Bund des Sehnens, begrüßte den neuen als seine Erfüllung, und Gott sprach zum zweiten male über Ltesum sein Wohlgefallen aus-« (il)gl. Many. 17, 1—13; Eine. I, 28——36.) 2. Und nach sechs Tagen lals etwa Sonntag der 25. September a. 29 herbeigekommen war] nahm Jesus zu sich Weitem, Jakobum und sdesseii jüngere» Bruder] Johannem und sührete sie sin- dem er von der Stätte seiner damaligen Wirksam- keit aufbrach, die übrigen Jünger aber daselbst zu- rückließ, mit sich] auf einen hohen Bergs« besonders alleine [so daßisonsi niemand als eben sie bei ihm waren] und verklarete sich swohl richtiger zu liber- setzen: ward verklärt] vor ihnen. 3. Und seine Kleider wurden [bei dieser Ver- klärung, die mit seinem Leibe vorging, in Folge des durchleuchtenden Glanzes] helle und sehr weiß wie der Schnee, daß sie kein Färber [oder BIeicherJ auf Erden kann so weiß machen. 4. Und es erschien [im Verlauf des weiteren GesichtSJ Elias Mit Most, Und hatten eine Rede mit Jesus« sdessen Inhalt sie auch der Hauptsache nach verstanden Luk. 9, 31]. 5. Und Petrus sals jetzt die beiden wieder zu verschwinden begannen] antwortete [gleich als rniisse dem HErrn selber daran liegen, die Erschei- nung länger festzuhalten] und sprach zu Jefut Rabbt, hie ist gut sein sundenun trifft es sich gut, daß wir ihrer drei bei dir sind]; lasset uns drei Totitten machen, dir eine, Most eine und Elias c Ue. h. El« wußte aber lindem er also meinete, himmlische Gäste durch irdische Mittel zufrieden stellen zu können] nicht, was er redete; denn sie waren sPetrus sowohl wie die beiden andern] bestürzt. 7. Und es kam [um die vom Lichtglanze des Himmels wie Verwirrten in die Nüchternheit des Selbstbewußtseins zurückzubringen und sie für das Folgende empfänglich zu.machen] eine Wolke, die iiberschattete sie. Und eine Stimme fiel ans der Wolke und sprach: Das ist mein lieber Sohn, den follt ihr hören [und ihn also für denjenigen Propheten erkennen, der in b. Mos. 18, 15 ff. verheißen worden]. 8. Und bald darnach lals sie von dem Schrecken, den diese Stimme vom Himmel ihnen verursacht, daß sie zu Boden sielen, sich wieder. er- holt hattenwj sahen sie um sich nnd sahen niemand Christi Verklärung 513 mehr, denn« allein Jesnm bei ihnen-«« [der dann zu ihnen trat und sie von der Stelle hinweg- führete]. . V) Etwa 2 Stunden nordöstlich von Cäsarea Philippi liegt der Ort Kefr Darm-r, und dicht hinter diesem der slidlichste von den drei Gipfeln, in welche der große Hermon nach Süden zu ausläuft; denn der bis über das Nordende des Sees Genezareth nach Südosten sich ausdehnende Ausläufer ist nur ein niedriger Vorsprung, der von Osten her gesehen kaum noch als Höhe erscheint Da von einem hohen Berge die Rede ist, so kann nicht wohl der Berg Paneas bei Cäsarea Philippi gemeint sein, wie manche Ausleger angenommen haben, sondern nur das HermowGebirge selber; doch kommt es auch nicht auf die höchste Schneeregion des nördlichen Haupt- rückens an, dessen beide Gipfel noch von keinem neueren Reisenden bestiegen worden sind, sondern nur auf einen zum Gebirge gehörigen, zur Einsamkeit geeigneten und der Erhabenheit des Vorgangs entsprechenden Theil, so daß der oben bezeichnete Gipfel des etwas tiefer gelege- nen Siidrückens wohl zutreffen dürfte. Zu größerer Veranschaiilichung lassen wir nachstehend das zn Matth. 17, 1 versprochene Kärtchen folgen: «) Wenn die Verwandlung Jesu selbst eine Hin- deutung darauf war, daß eine seine irdische Natur ver- klärende Annahme himmlischer Herrlichkeit den Ausgang seines Lebens bilden werde, den Ausgang dessen, der doch nach Kap. 8, 31 dem Tode entgegengeht, so kann die Erscheinung des Mose und Elia nur bedeuten, daß er sterben werde wie Muse, aber um wie Elia lebendig zum Himmel aufzusteigen, und daß er, um dieses zu können, wie Mose im Tode vor der Verwesung beschützt bleiben werde. (Klostermann.) Wir verstehen, warum der HErr den Jüngern auferlegte davon zu schweigen, bis er auferstanden sei (V. 9): sie sollten keinen Anlaß geben, daß der Anderen und ihre eigenen falsche Hoff- nungen Nahrung empfingen; sie szsollten das theure Ge- heimniß nicht vor der Zeit ihrer inneren Erstarkung dem D ä ch s e l ’s Bibelwerh Spott und der Zweifelsucht preis-geben. »Ihr sollt das Heiligthum nicht den Hunden geben, und eure Perlen nicht vor die Säue werfen.« Alle Wurzeln müssen« im Verborgenen treiben, bevor der Keim an’s Licht empor- dringt. Zugleich aber liegt cfür uns gerade in jenem Verbot der Schlüssel dieser Begebenheit. Bis zu Ostern sollten sie warten, Ostern sollte ihnen den Aufschluß brin- gen; an Ostern würden sie das Leben der Verklärung schauen, von welchem jener Vorgang auf dem Berge ein Vorschmack gewesen. Steht uns Ostern fest, so befremdet uns auch die Station nicht mehr, die schon zum Voraus auf Ostern deutete; sie ist ein Glied in der Reihe jener Ereignisse, während die verklärte Lebensordnung durch- zubrechen begann, worin die Herrlichkeit seines himm- lischen Vaters, als gehörte er bereits der oberen Licht- welt an, aus seiner irdischen Gestalt hervorbrach. Sie gehört zur Verherrlichung bei der Taufe und zu jenem wunderbaren Wandeln auf dem See, als Ausnahme, nicht als Regel. Wir haben nur von· Weitem einen Hochschein davon in dem Ausdruck seliger Herrlichkeit, der aus einem durch heilige »Liebe· verklärten Menschen- antlitz strahlt, oder indem hinimlischen Frieden, der sich über das Angesicht eines selig Sterbenden verbreiten kann. (Riggenbach.) —- FVH Es giebt Weihestunden in diesem armen Leben, die durch Gottes Gnade dem Menschen zur Stärkung seines Glaubens geschenkt wer- den, Stunden und Augenblicke, sei es nun im Gottes- hause, in der Versammlung der Gemeinde, sei es in der Einsamkeit oder im vertranlichen Gespräch mit Freunden, wo die himmlischen Wahrheiten sich der Seele in wun- derbarer Klarheit enthiillen; wir sehen die Gnadenhand, die unser Leben leitet, wir werden es inne, daß Gottes Auge über uns offen steht; wir können alles aus seinen Händen nehmen, denn wir wissen, daß uns alles zum Besten dienen muß; der Geist des Gebets ist über die Seele ausgegossen, wir können den Unsichtbaren im Glauben fassen und halten, vor dem geössneten Glaubens- blick ist die obere Welt aufgethan, unsre lieben Todten sind aus den Gräbern lebendig geworden, wir sehen sie in dem himmlischen Vaterhause, wir wissen es, da wartet auch unser der ewige Sabbath. Jn solchen Stunden liegt die Welt so tief, so tief unter unsern Füßen: wie armfelig dünkt uns ihr Glanz, wie gering ihre Güter, wie niedrig ihre Lüste! Wir haben eine innere Freu- digkeit, das Gebot unsers Gottes zu erfüllen, die schwerste Pflicht wird uns leicht und selig; es ist nicht anders, als wäre alle Sünde und alles Elend dieses armen Lebens überwunden, als könne der Friede, der unser Herz erfüllt, niemals wieder von uns genommen wer- den. Und dann? — nun dann geht es langsam von der Höhe der Verklärung in das tiefe Thal der armen Wirklichkeit; das Leben tritt wieder an uns heran mit dem Ernst der Verleugnung, in dem Herzen regen sich wieder die alten Sünden; die glänzenden Bilder sind vers-leicht, die Gesichte sind geschwunden, und Noth und Sorge, und Sünde und Elend, die uns noch vor Kurzem wie flüchtige Wolkenschatten, wie eitles Blend- werk gedünkt, sie lasten wieder mit ihrer ganzen Schwere auf der Seele und halten sie nieder im Staube. Diese Höhen und Tiefen, die das innere Leben des Christen dukchzugehen hat, beruhen, wie in der Natur der Wechsel zwischen Tag und Nacht, zwischen Sonnen- nnd Stur- meszeiten, auf ewigen Gesetzety die in den Bedürfnissen der menschlichen Seele zu suchen sind; sie sind ebenso nothwendig wie Berg und Thal auf der Erde, die ja auch dem Wanderer nicht nur so völlig verschiedene Aufgaben stellen, sondern ihm auch ganz eutgegengesetzte Empfindungen abnöthigem die ihn beugen, wenn er unter der Gluth des Sonnenstrahls verschmachtend mit wankenden Knieen steile Höhen erklimmen muß, die ihm R. T. I. 33 514 Evangelium Marci 9, 9—24. dann, wenn er oben steht, durch eine reiche Fernsicht aus der Höhe lohnen, die dann das gefchaute Ziel sei- nes Weges auss Neue vor seinen Augen entziehen, wenn er sich anschickh von Bergeshöhen in das tiefe Thal herniederzusteigem »und ihn wieder hoffen lasse1i, wenn er die nächste Höhe erklommen hat, es in näherer Nähe auf’s Neue vor sich schaueu zu können. Einem solchen Wanderer thut es sreilich wohl, wenn er von den Mühen seiner Wanderschaft eine Zeit lang ansruht, um sich an dem lieblichen Bilde, an der hellen Feriisicht zu erquicken; aber der Zweck seiner Reise ist nicht, die ersehnte Stadt von ferne anzuschauen, sondern in ihren Mauern zu wohnen; die Stadt kommt nicht zu ihm, so muß er zn ihr gehen, und noch nianches Thal ist zu durchmessen, noch manche Bergeshöhe zu erklimmen, ehe er sagen kann: ich bin daheim. In jenen Weiheftunden unsers Lebens, die uns auf die Höhe der Betrachtung stellen und uns den HErrn der Herrlichkeit zeigen, wie er uns alle Sünde abnimmt, allen Zweifel bannet, alle Räthsel in unserm Leben auflöst und uns mit einem Frieden tiberschütteh der höher ist denn alle Vernunft, in jenen Stunden schauen wir wohl weiter als im gewöhnlichen Leben, aber wir sind darum nicht weiter; in den Gesichten sind wir uns selbst immer weit voraus, wenigstens weit über das hinaus, was wir in der Wirklichkeit sind. Und wie das Auge und der Gedanke eher an das Ziel gelangen, als der Fuß, so ist es auch viel leichter, die Wahrheit zu erkennen als sie zu üben; denn wie Auge und Gedanke über der Erde schtveben und Höhen und Thaler· überschreiten können, ohne den Boden zu berühren , der Fuß aber eben auf den Boden gestellt ist, jeden Fuß breit bewältigen, und wo er auch hintritt, überall den schweren Leib nachtragen muß, so kann auch wohl ein Mensch in Gedanken und Empfindungen leichter gut sein, weil sie sich über die Wirklichkeit hinaus erheben können, ohne sie anzurtihren, aber die sittliche That des Gehorsams und der Selbst- verleugnung hat immer den Fuß auf die Erde gestellt, hat immer die Schwere der Wirklichkeit zu tragen und zu überwinden. Da kann’s nur schrittweis weiter gehen, wie bei dem Kriegsmann auf feindlichem Boden, der jeden Fuß breit Landes erobern und der Gewalt des Feindes abtrotzen muß. Aus diesen Gedanken will uns auch das Wort hinweisen: ,,Dies ist mein lieber Sohn, den sollt ihr hören;« das Hören seines Worts, der demüthige Gehorsam, das ist der sicherste Weg zum Ziel. (Müllensiesen.) . 9. Da sie aber vom Berge herabgingen, ver- bot ihnen Jesus, daß sie niemand sagen sollten, was sie gesehen hatten, bis des Menschen Sohn auferftunde [anferstanden wäre] von deii Todten [wo sie daiin seine Zeugen sein sollten bis an’s Ende der Welt 2. Petri 1, 16 ff.]. 10. Und sie behielten das Wort bei sich fdaß sie wirklich niemand etwas davon sagten —- nach andrer Auslegung: es blieb aus dieser Rede des HErrn besonders das letzte Wort in ihren Gedanken haften] nnd befragten sich unter einander: Was ist doch das Auferstehen von den Todten sdas er von ihm als des Menfchen Sohn aussagt]? 11. Und sie [indem sie gerade jetzt, nach dem eben stattgehabten Vorgang, am allerwenigsten sich darein finden konnten] fragten Ihn und sprachen: Sagen doch die Schriftgelehrtem daß Elias muß zuvor kommen« sehe] der Messias sich offenbaren kann]. 12. Er antwortete aber nnd sprach zu ihnen: Elias soll ja [wie die Schrift bezeiigt Mal. 4,»5f.] zuvor kommen nnd alles wieder znrecht bringen [die Schriftgelehrten haben also mit jenem ihrem Ausspruch ganz Recht]; dazu fmuß aber auch das Andere sich erfüllen:] des Menschen Sohn foll viel leiden und verachtet werden, wie denn san vielen Stellen des alten Testaments] gefchrieben stehet. 13. [Das nun möget ihr nicht glauben und sncht euch auf alle nur erdenkliche Weise dem Ge- danken an diese Nothwendigkeit zu entziehn.] Aber ich sage euch: Elias ist sin Johannis des Täufers Person allbereits] kommen, Und sie sdie ungläubigen Juden in der Person des Herodes und seines Weibes] haben an ihm gethan, was sie wollten, iiachdem von ihnen fin der vorbildlichen Geschichte des Ahab nnd seines Weibes] geschrieben stehet-««- sihr könnt euch also daraus abnehmen, daß das Leiden des Menschensohns sich ebenso er- füllen wird] V) Das Wort« des Grundtextes zeigt an, daß die Jiinger nicht ohne Mühe und ohne sich Gewalt anzu- thun dieses Geheimniß so lange verschwiegen gehalten haben (Luk. 9, 36); denn es ist wahrscheinlich, daß die andern Jünger werden Nachfrage gethan haben, was auf dem Berge geschehen und was er mit ihnen daselbst geredet. Andere Ausleger wollen lieber also übersehen: die Jtinger ergriffen gleichsam diese Rede des HErrn und hielten sie fest, indem sie sich daran stießen und ihnen nnglaublich vorkam, was er von seiner Anfer- stehung sagte. (Starke.) Das Zweite folgt aus dem Ersten: indem sie das Siegel der Verschwiegenheit strenge bewahrten auf den Tag seiner Auferstehung hin, mußten sie sich fragen, wann und wie es sich lösen werde. (P. Lange.) —- «·) Die Frage ist eine befangen vorgebrachte, halb verschwiegene, indem ein Satz, hinzudenken ist, etwa: »Was ist denn das, daß die Schristgelehrten sagen 2c.?« Sie steht nicht außer Zusammenhang mit dem Jnhalt ihres Gespräches unter einander; denn ist Jesus der Christ und muß Elias vor diesem hergehen, so kann ja Jesus nicht sterben noch aufersteheiy Elias sei denn zu- erst gekommen, kommt aber Elias, der große Propbet, den sie eben erst an der Seite des Verklärten Jesus mit Moses in Lichtgestalt gesehen, wie soll dann noch Tod und Auferstehnng Jesu möglich sein? (v.Burger.) IN) Der HErr schreibt nicht blos dem Herodes und der Herodias zu, was sie in Vieler Sinn und Namen thaten, er rechnet auch damit alles Verhalten des Volkes gegen Johannes zusammen, das aus dem Nichterkeiinen folgte, dessen natürlicher Ausgang nur der Märtyrertod des von der Nation gleichsam in Stich gelassenen Buß- predigers war; also stehet auch des Menschen Sohn be- vor, von ihnen zu leiden. Wo von Johannis Geschick die Weissagung stehe, das mit Sicherheit zu finden, ist unsre Auslegung noch zu blödsichtig; auch des Thisbiten vorbildliche Lebensgeschichte (1. Kön. 19) reicht insofern doch nicht ganz aus, als gerade des Elias Tod nicht übereinstimmr (Stier.) IX. b. 14—32. (§. on) Jiue and« de: Zukunft mit ihren Schreclien nnd mit ihrem Glanze, welche die Sänger so eben empfangen haben, weichen plötzlich dem unmittelbaren Rechte der Gegenwart: der Stelle nahe, wo die dlcnn zurückgeblieben, bemerlien die Vier, die vom Berge zurüriiliehrem tm steife jener eine Un— Jesu Ausspruch über das Wiederkommen des Elia. 515 ruhe, einen Wortwechsel zwischen ihnen nnd den Schrift— gelehrten; auf die Frage Sesn ltouimt alsbald durch den selber, welcher dazu die Veranlassung gegeben, die dlrsath zu Tage— ein ttlater hat seinen von einem bdseu Geiste besessenen Sohn zu den Jüngern gebracht, die haben ihn ciiclit heilen können, da giebrg denn einen Streit, ob überhaupt Iesn nnd den Seinen das unbeschränkte Ver— miigen zustehe, die Dämonen zu bannen, das man ihm zuzu- schreiben geaeigl gewesen. Der ujGrr nun nimmt nth seiner Sänger gegen die Schristgelehrteu an, erzieht den Vater zum Glauben und beweist seine Macht an dem Knaben, zeigt darauf auch den Jüngern, worin sie’ø versehen haben, und kommt mit ihnen wieder nach Ga- lan-r. (vgt. many. 17, 14—23; unt. g, 37—45.) « 14. Und er kam [als er unten in der Thal- niederung mit den Dreien angelangt war] zu sei- nen [übrigen, dort am Abend zuvor zurückgelasse- nen] Jungern und sahe viel Volks um sie [ein Zeichen, daß etwas Besonderes vorgefallen wäre], und Schriftgelehrte, die sich mit ihnen [den 9 Jüngern] befragten. 15. Und alsbald, da alles Volk ihn sahe, entsehten sie sich, liefen zu [ihn als den rechten Helfer in der großen Noth willkommen heißend] und grußeteu ihn sihm ihre Ehrfurcht zu be- zeugen]. · 16. Und er [die Volksmenge selber nicht weiter beachtend] fragte die Schriftgelehrteur Was be- fraget ihr euch mit ihnen [meinen Jüngern, und setzet ihnen so hart zn]? 17. Einer aber aus dem Volk lsich als die erste Veranlassung zu dem ganzen Auflauf beken- nend] antwortete und sprach: Meister, ich habe meinen Sohn hergebracht zu dir Idaß du ihn hei- len sollkestL der hat [was sein ständiges Leiden betrifft] einen sprachlosen sund tauben V. 251 Geist« 1,8. Und stvenn die Zeit des periodischen Leidens mit dem Mondwechsel wiederkehrt, dann isi das Elend über alle Beschreibung groß:] wo er [der unsaubere Geist, der den Knaben von Kind auf in Besitz genommen] ihn erwiseheh so reißt er ihn, und schciumet lnun der Knabe aus seinem Munde] und knirschet mit den Zähnen und ver- dorret [wird ganz abgezehrt und elend]. Jch habe [weil ich dich bei meiner Ankunft hier nicht an- traf] mit deinen Jüngern geredet, daß sie ihn sden bösen Geist] austrieöen, und sie könuen’s nicht. 19. Er antwortete ihm [dem so über die Unsähigkeit seiner Jiinger klagenden Vater] aber [in- dem er stch»strasend an diese wendete], und sprach: O du nuglaubiges Geschlecht, wie lange soll ich bei ench sein? wie lange soll ich mich mit ench leiden so. i. gedulden Sie. 2, 212 Bringet ihn her zu mir. St. Markus erzählt alles so, wie es sich den vom Berge Kommenden dargestellt hat und ihnen nach nnd nach kund worden ist; wir haben also den Ursprung sei- ner bis in’s Einzelne gehenden Schilderung in dem Kreise der drei Jünger zu suchen, die mit Jefu vom Berge kamen, d. i. sein Gewährsmann war Petrus. Was dagegen den übrigen Jüngern während der Zeit ihrer Trennung von Jesu zugestoßen, wird nicht berich- tet; wir erfahren nur, wie es ihnen eben jetzt ergiug und wie das Wiederkommen des HErrn eine Erlösung aus schwerem Stande für sie war. Die näheren Um- stände nun, wie sie aus den verschiedenen Angaben sich erschließen lassen, sind bereits zu Matth. 17, 16 aus- führlich dargelegt worden; für die praktische Verwer- thung hier nur noch den doppelten Fingerzeig von Cansteim 1) Wenn die Welt denkt, Christus habe sich den Seinigen entzogen, so meint sie gute Gelegenheit gefunden zu haben, letztere zu versuchen und im Glau- ben irre zu machen; Z) wenn das Evangelium wenig Frucht bringt, so haben die Boten dessel en sich dabei sorgfältig zu prüfen, ob die Schuld nicht an ihnen liege. Dazu dann noch einen dritten von Rieger: Der armen Jungen wenn ihre Sache in Streit kommt, mag man sich nicht gern annehmen; aber wenn man den HErrn anrücken sieht und also den siegreichen Ausschlag auf die gute Sache vermuthet, da wird man sich auch wieder umweuden wollen. 20. Und sie sder Vater und die Jünger] brachten ihn [den Knaben] her zu ihm. Und als- bald, da ihn [den Stärkeren, der in Jesu ihm, dem starken Gewappnetem hier gegeniiberstund,Lnk. 11, 21 f.] der Geist [in dem Knaben] sahe, riß er ihn [daß er in heftige Krämpfe und Zuckungen gerieth] und fiel auf die Erde nnd wälzcie sich und schiiumete [Offenb. 12, 12]. « 21. Und er [der HEry in aller Seelenruhe nnd mit weiser Absicht ein eingehendes Examen beginnend] fragte seinen·Vater: Wie lange ists, daß ihm das widerfahren ist? Er sprach: Von Kind auf; 22. Und oft hat er ihn in Feuer nnd Wasser geworfen, daß er ihn umbriichtn Kannst du aber was [nach andrer Deutung: Wenn du aber irgend kannst], so erbarm dich unser« und hilf uns [das Erbarmen mit unsrer Noth traue ich dir wohl zu, aber uns zu helfen, das wird nun eben davon abhängen, ob du was kannst]. 23. Jesus aber sprach zu ihm: Wenn du könntest glauben [so könntest vielmehr du was, nämlich das Heil davon bringen, das dir schon bereitet ist]; alle Dinge sind möglich dem, der da glaubet. » · 24. Und alsbald schrie des Kindes Vater mit Thranen und sprach: Ich glaube, lieber HErn hilf nieinemUuglauben [hilf mir, wenn auch mein Glaube, soweit er schon vorhanden, um seiner Schwachheit willen dir immer noch als Unglanbe erscheint] · Zu diesem Abschnitt schicken wir zunächst zwei all- gemeine Bemerkungen voraus: 1) Ueber das Leben des Kindes hatte der böse Geist trotz seiner Bosheit keine Gewalt; auch spätere Beispiele beweisen, daß, wenn Besessene oder Magnetische selbst aus großer Höhe in die Tiefe, oder in Feuer oder Wasfer·stiirzen, so lange sie hierbei im Zustande ihrer Unnatürlichen Ekstasen oder Paroxysmeri sind, nicht getödtet, meist nicht einmal er- heblich verletzt: werden. (Reischel.) 33V —— 2) Die Macht 516 Evangelium Marci 9, 25——33. der Dämonen wurzelt in der Ohnmacht der Menschen; vor deren erwachender Glaubensmacht unter der All- macht der Gnade Christi versinken sie in Ohnmacht. (V.—Lange.) Was wir aber in den Wem. zu Matth. 17, 8 im Besonderen für Markus uns aufbehalten haben, das ist eine Betrachtung der Seelenkur des HErrn an dem Herzen des Vaters; nachstehend folgen diejenigen Auslassungen darüber, wie sie uns gerade zu Gebote stehen. ,,Unter sämmtlicheic Fällen, wo das menschliche Elend vor Jefu Augen trat, war der vor- vorliegende vielleicht derjenige, in welchem sein Erbar- men am allerwenigsten lebendig war; nicht so war es ihm zu Sinne, daß ihm die Augen im Schmerz der Theilnahme hätten übergehen mögen, und die Jnnigkeitz welche der gebeugte Vater in seine klagend-flehenden Worte legt, hat sicher auf ihn eben so wenig, ja einen noch geringeren Eindruck gemacht, wie das eindringliche ,,Hilf mir« des cananäischen Weibes. Wir sehen ihn statt dessen seine Hoheit entfalten und hervorkehren; hierzu hatte er die bestimmteste Veranlassung dadurch empfangen, daß der Bittende in die Worte: »wenn du was kannst« ausgebrochen war. Dem gegenüber giebt er die Erklärung, daß es hier noch anderer Faktoren bedürfe, als seiner Macht und seines Erbarmens, eines Faktors, welchen Er, der Bedürftige, gänzlich übersehe — seiner eigenen richtigen Herzensbestimmtss heit. Jn dem Texte nach der gewöhnlichen Lesart: rö sc Seit-V errors-III» erscheint: die Macht der Antwort Jesu abgeschwächtz streichen wir auf Grund der zuver- lässigeren Handfchriften das nie-ersann, so ist der Sinn dieser: ,,Du sprichst von der Macht, von meiner Macht — du vergifsest der Macht, welche du hast und deren Anwendung die unerläßliche Bedingung zum Er- folge ist.« Der HErr hatte in der Scene vor seinen Augen aller Orten Glaubensmangel, Glaubensschwäche wahrgenommen, und vom Berge der Verklärung her- niedersteigend, mußte er diesen Mangel mit erhöhtem Uumuth empfinden; vermittelst ihres Glaubens wollte er ja die Welt retten, zum Glauben die Menschen be- stimmen. Und so heißt er den Harrenden nicht nach dem Maße der Macht und nach der Tiefe des Mitge- fühls bei dem Meister fragen, sondern den prüfenden Blick auf den Grad seines eigenen Glaubens werfen: nur dem Glaubenden geschieht nach seinem Wunsche, ihm aber ist auch alles möglich. Stellen wir eine lehr- reiche Vergleichung an! Genau so, wie der HErr hier zu dem bittenden Vater spricht, redet er unmittelbar darauf (Matth. 17, 20) auch zu den Jüngern: »so ihr Glauben habt, wird euch nichts unmöglich sein«; allein der Sinn ist in beiden Fällen nicht der völlig gleiche. Zu jenem hatte er gesagt: durch den Glauben kannst du alles erlangen, nichts wird dir unerreichbar sein; diesen dagegen entbietet er die Versicherungt durch den Glauben könnet ihr alles ausrichten, nichts wird euch zu schwierig sein. Dort heißt es: mit der Glan- benshand kannst du alles ergreifen, auch das fern liegende Gut vom Himmel herniederziehem hier aber: eure Glaubenshand vermag alle feindlichen Mächte zu be- siegen, alle Gewalten zu untertreten. Dort der har- rende, betende Glaube und fein Sieg; hier der han- delnde, wirkende Glaube und sein Erfolg. Wir dringen noch weiter. Das hat in beiden Fällen gleiche Wahr- heit: dem Glaubenden ist nichts unmöglich; hat aber in beiden Fällen auch die gegensätzliche Seite: nur dem Glaubenden ist es möglich, eine gleiche Wahrheit? Und wenn nicht: in welchem von beiden eine absolute, und in welchem nur eine relative? Die Antwort ist diese: auch der schwächere Glaube reicht zum Nehmen aus, denn er hat es nur mit dem barmherzigen HErrn zu thun; ein stärkerer dagegen gehört zum Wirken, denn da steht er den Mächten der Finsterniß, die sich behaupten wollen, gegenüber. Die Entgegnung des HErrn brachte die Empfindung des Vaters in den Pro- zeß der gewalttgsten Bewegung; der Erfolg war Ja ganz eigentlich» in seine Hand gelegt, jetzt war er selbst siir denselben verantwortlich. Und er flihlt diese Last sehr bestimmt; zwar auf das ,,alsbald« wollen wir kein allzu hohes Gewicht legen, es bezeichnet bei Markns oft nur den einfachen Fortgang , ohne gerade auf Hast und Eile zu deuten, aber das »schrie« bezeugt mehr als die laute Erwiederung, es verbürgt den vorhandenen tiefen Affekt: »Was an mir ist, ich will gern alle Be- dingungen erfüllen; was du verlangst, ich werde es thun. Du begehrft Glauben: nun ich glaube, will glauben; und genügt dir mein Glaube nicht, so hilf selbst meinem Unglauben aufs« Wir von unserm Standpunkte mögen nun ein Wohlgefallen an diesem Bekenntniß empfinden, aber es ist mehr als zweifelhaft, ob es dem HErrn zur Befriedigung gediehen sei; diese gewaltsame Steigerung des Gefühls, diese künstliche Echausfirung, erklärt und motivirt durch die gestellte Bedingung — wie tief steht sie unter dem ,,großen« Glauben des cananäischen Wei- bes und dem ,,solchen« Glauben des Hauptmann-Z von Kapernauml Aber ein Glaubenskeim war offenbar vor- handen, und der, welcher das zerstoßene Rohr nicht zer- bricht, verachtet denselben nicht. Vielleicht daß er unter anderen Umständen das Zwiegespräch noch würde fort- gesetzt haben, indeß hier war dazu kein Raum; der HErr schritt sofort zur Heilung, weil er durch das sich sam- melnde Volk zur Verzichtleistung auf ein ferneres seel- sorgerisches Vorgehen sich genöthigt sah. (Steinmeher.) Der Mann hatte geredet, als liege es blos an Jefu Macht oder Unmacht,« ob seinem Sohne geholfen würde, und hatte feinen Zweifel dabei nicht zurückgehaltem Jesus sagt umgekehrt, das Können anbelangend, wenn du sprichst: ,,kannst du was«, so haftet diese Bedingung vielmehr an dir — alles ist möglich dem, der da laubet. Der Vater versteht auch Jesu Antwort: ich sahe zwar Glauben, sagt er, aber ich fühle, wie wenig er genügt, um, was hier noth thut, zu leisten; erbarme dich trotzdem meiner, hilf mir, ob ich gleich meinen Glauben selbst nur als Unglauben bezeichnen muß. Der Gedanke des Mannes ist nicht, wie man oft erklärt, daß der HErr erst seinen Glauben stärken solle (Luk· 17, 5), damit er nachher dadurch Hilfe erlangen könnte, son- dern daß er auch jetzt, in diesem vergleichsweise so be- zeichneten Stande des Unglaubens, dennoch ihm helfen möchtez daß der Glaube dadurch wachsen werde, ist die selbstverständliche Frucht und Folge. (v. Burgen) Auch das geängstete Vaterherz kann zum Glauben führen, wie das geängstete Mutterherz bei der Kananiterin (P.Lange.) Schwierig ist hier noch der Umstand, daß es scheint, als helfe der Glaube des Vaters dem Sohne (vgl. Matth. 8, 5 fs.; 15, 22 ff.); es liegt da sehr nahe, an ein sol- ches Befchlossensein der Nachkommen in den Eltern zu denken, wie es in Hebu 7, 5 ausgesprochen ist und auch in Röm. 5, 12 ff. der ganzen Darstellung vom Ver- hältniß Adams und Christi zur Menschheit »zum Grunde liegt. (Olshausen.) Es besteht gewiß zwcschen Eltern und Kindern eine tiefe, innige Verwandtschaft und Zusammenstimmung, wie es auch bei der Kinder- taufe zwischen Pathen, den geistlichen Eltern, und dem Kinde vorausgesetzt ist. Gar wichtig ist gerade diese Stelle für das Wesen des Glaubens. Jesus lehrt nichts; es handelt sich gar nicht um Mittheilung und Annahme einer Wahrheit aus dem Gebiete der Erkenntniß, sondern nur um die innere Stimmung und Empfänglichkeit fitr das Göttliche, mit Gott in der innigsten Gemeinschaft zu sein. Es gilt also nicht so sehr das Bewußtsein einer Wahrheit, als das Dasein einer Wirklichkeit, einer Der HErr Jesus heilt einen von einem sprachlosen und tauben Geiste besessenen Knaben. wirklichen »Gemeinschaft mit Gott; und diese ist nicht blos wichtig für den, der darin steht, sondern für alle fegensr»eich, die ihm angehören, um so segensreichen je näher jene ihm stehen, darum dringt auch« Jesus so auf den Glauben des Vaters, daß er so sich und seinem Knaben am besten helfen werde· (Braune.) 25. Da nun Jesus sahe, daß das Volk [wohl in Folge des immer heftiger werdenden Tobens des besessenen Knabens] zulief, bedräuete er [die Sache bald» zu Ende zu bringen] den nnsaudern Geist und» sprach zu ihm: Du sprachloser nnd tauber Geist, Ich [der Meister, nachdem du jenen meinen Jüngern nicht hast gehorchen wollen V. 18] gebiete dir, daß du von ihm ausfahrest niid fahrest hinfort nicht Weder] in ihn. » 26. Da schrie er [der unsaubere Geist] und riß ihn [den Knaben] sehr und fuhr [denn unter solchem letzten WUthaiZsbrUchJ aus. Und er [der Knabe] ward, als ware er todt, daß auch viele sagten: Er ist todt. » » 27. Jesus» aber ergriff ihn bei der Hand und richtete ihn auf, und er stund auf. Christus ist in unsrer Geschichte einem Feldherrn zu vergleichen, der eine fast verlorene Schlacht seiner Beer- schaar wieder herstellt. (P. Lange.) Er redet den ösen Geist ausfithrlich an, setzt ein »Ich gebiete dir« dem ohnmächtig gewesenen Gebot der Sänger, das den Teufel so frechgemacht hat, entgegen und fügt zur völligsten Sicherheit fiir Vater und Sohn und alle Hörer den hier einzig vorkommenden Befehl hinzu, daß er ausgefahren sei für immer, nicht wieder in ihn fahren dürfe; jetzt muß der Taube hören, was ihm geboten ist, jetzt weicht der Arge mit einer letzten Wuth. (Stier.) 28. Und da er daheim [in das Haus, wo er in dortiger Gegend zur Herberge war] kam, fragten ihn feine Jnnger besonders sohne daß sie jetzt noch von Volkshaufen oder sonst einem Zeugen umgeben gewesen wären]: Warum konnten wir [unsrerseits] ihn nicht austreiben? [lag es an besonderen Um- ständen oder ist dies eine Art von Besessenen, über die du uns in Kap. s, 15 noch keine Macht ge- geben?] » 29. Und er sprach: Diese Art svoiiTeuselnj kann mit nichte ausfahren, denn durch Beten und Fasten ses reicht da ein gewöhnliches Maß des Glaubens nicht aus, sondern es gehört die vollste Glaubensenergie dazu, die nur durch die innigste Einignng mit Gott und die entschiedenste Lostren- nung von der Welt gewonnen wird]. Die Kraft des» Glaubens fußt auf der Allmacht Gottes, die den Glaubenden ihre Dienste nicht versagt, nur daß er kein Tasten und Probiren oder Versuchen sein darf, sondern eine unzweifelhafte Gewißheit des Begehrens, wie sie nur möglich ist bei voller Sicherheit des Berufs und Auftrags, in dem wir handeln, und der auf Gottes Wort gegründeten Zuversicht des Geistes. Nicht jedem und nicht überall steht dieses Maß nnd diese Selbstgewißheit der Zuversicht zu Gebote, sondern sie ist eine Gnadengabe und wird verliehen, wenn und wem der HErr will (1. Cor. 12, 9 f.); nicht erlangt aber wird der entsprechend hohe Grad von Glaubensenergie » und Entschlossenheitz wie die Bewältigung jener Art 517 böser Geister ihn erheischt, ohne ein Zurückziehen des Gemüths aus der erschlassenden und an den Kräften zehrenden Zersplitterung unter den mannigfachen Ein- drticken dieser Welt. Wie Petrus auf dem Meere un- verwandten Geistes an des HErrn Wort sich halten mußte trotz Wind und Wellen, welche ihn umbraufiem so muß die Seele durch Fasten und Beten sich geschickt machen, alles zu stellen unter das Wort des HErrn und unter die Kraft seiner Macht und Gnade; dann ist sie auch wirklich allen Anstößen til-erlegen, fehlt hingegen der Seele diese Sammlung, so ist sie in Gefahr, ihnen zu erliegen, wie es den Jüngern diesmal ergangen war, während sie früher wohl schon Teufel aus-getrieben hatten. (v. Burgen) 30. Und sie gingen von dannen saus der Gegend von Cäsarea Philippi] hinweg und wan- delten durch Galiläam sGaliläa entlang auf dem in Matth 17, 22 u. 24 angegebenen Wege], Und er [hielt sich nirgends auf dem Wege länger auf und vermied dann auch bei feiner Ankunft in Kapernaum alles Aufsehen, denn er] wollte nicht, daß es jemand wissen sollte sdaß er wieder da wäre, sondern wollte die noch übrige Zeit bis zum Anfbruch aus Galiläa mit den Jüngern allein verkehren] : 31. Er lehrete aber seine Junge: [nun immer und immer wieder auf das in Kuh. 8, 31 be- gonnene Thema znrücktommend] nnd sprach zu ihnen: Des Menschen Sohn wird uberantwortet werden in der Menschen Hunde, nnd sie werden ihn tödten; und wenn er getodtet ist, so wird er am dritten Tage auferstehen. 32. Sie aber vernahmen das Wort nicht [indem sie absichtlich mit ihrem Verständniß daran vorbeigingenL und furchteten sich, ihn zu fragen sum nicht solchen Gedanken Raum geben zu müssen, mit denen ihre eignen Ansichteu und Wünsche sich nicht würden vertragen haben]. Das Wort von seinem gewaltsamen Tode widersprach ihren Erwartungen so, daß sie es sich nicht denken woll- ten und konnten; daher baten sie auch nicht um näheren Aufschluß. Die Stelle ist ein chrifilichipshcholo isches Beispiel, das uns zeigt, wie schwer das Einge en m eine Anschauung wird, welcher die bisherige Anschauung und Willensrichtung widerstreby wie schwer die Welt mit ihrer Christenthumsanschauung und die Christen selbst mit ihrer Weltanschauung zu einem hingebenden Einblick in das Geheimniß des Kreuzes kommen. (P. Lange) X. d. 33—50· (§. 67.) Mit ilehergehnng der Ge- sehichte von der Tempelsteuer, die aus heideuchrislliche Gemeinden lieinen näheren Bezug hatte (Matth. 17, 24 Zaum) herithtet unser Evangelist nn- noih Einiges» ans den letzten Verhandlungen, die Jesus mit seinen Jüngern in Galiläa gehalten hat; auch hier tritt Petrus zurück, wie das so häufig und absiehtlich im vorliegenden Enaugelko der Fall ist. (dgl. Matttu II, 1—20; Eule. I, 46—50 u. 17, 1 n. 2.) 33. Und er kam gen Kapernaum Und da er daheim [in des Petrus Hause, bei dem er dort wohnte] war, fragte et sie: Was handeltet ihr 518 Evangelium Marci I, 34,——50. mit einander lschonJ aus dem Wege [hierher V.30 und bringet setzt die Sache aufs Neue in Anre- gung Matth I8, 1 Anm.]? 34. Sie aber schwiegen sder Antwort, die sie hätten geben müssen, wenn sie hätten wollen Rede stehen, sich schämend]; denn sie hatten mit einan- der auf dem Wege gehandelt, welcher der Größeste Wille. 35. Und er setzte sich [wie ein die Frage entscheidender Richter], Und rief die Zwölfe [damit sein Wort, das er jetzt zu ihnen reden wollte, ihnen ja nicht als ein blos beiläufig oder gelegent- lich gesprochenes erscheine, sondern nach seiner gan- zen Wichtigkeit recht fühlbar werde], und sprach zu ihnen: So Jemand will der Erste sein, der soll der Letzte sein vor allen, und aller Knecht sanders wird er seinen Wunsch nicht erfiillt sehen; darnach mag er sich einrichtens 36. Und er nahm ein Kindlein sdas vielleicht zur Familie des Petrus gehörte], Und stellte es mitten unter sie, und herzete dasselbe [indem er es in seine Arme sch»loß], und sprach zu ihnen: 37. Wer ein solches Kindlein in meinen! Namen [so daß ihn sein persönliches Verhältniß zu mir dazu treibt und bewegt] aufnimmt, der nimmt mich auf; und wer mich aufnimmt, der nimmt nicht [sowohl] mich auf, sondern [vielmehr Matth 10, 201 den, der mich gesandt hat. So ganz weiß Jesus sich als persönlichen Willens- ausdruck Gottes, daß, was man ihm thut, unmittelbar Gott gethan wird; und wiederum so umfassend rst seine und Gottes Liebe zur Menschheitz daß auch des kleinsten Gliedes Sache feine und Gottes eigene Sache ist. Statt also zu sra en, wer der Größte sei und wer mehr oder weniger ge te, als sie felbst, sollen sie fragen, wem sie am meisten dienen können, wer am bedürftigsten sei; denn je geringer und bedürftiger einer ist, desto mehr tritt in ihm der absolut Größte, Jesus und Gott selbst, als dienftfordernd ihnen entgegen. (Klostermann.) Soll das: »so jemand will der Erste sein, der soll der Letzte sein vor allen und aller Knecht,« soviel heißen als: wer vor»Bcgierde, der Erste zu sein, brennt (wie Gregor der Große sich servus servorum, Knecht der Knechte nannte, um der Erste zu werden)? Hätte aber solche Demuth wohl irgend einen Werth? Unmöglich kann der HErr sagen wollen, das Kleinwerden sei ein Mittel zum Großwerdem sein Wort will vielmehr den Weg weisen, auf dem man im Reiche Gottes groß wird, ohne es werden zu wollen, und dieser Weg ist die Selbstverleug- klang. Weil der HErr vom Himmel in Knechtsgestalt einherging, muß auch seine Kirche diese Gestalt haben. (Brieger.) 38. Johannes aber swährend der HErr noch also redete, durch das »in meinem Namen« auf eine Angelegenheit gebracht, die in Zusammenhang mit dem, was jetzt verhandelt wurde, zu stehen schien] antwortete ihm, und sprach: Meister, wir sahen einen, der trieb Teufel in deinem Namen smittelst Aussprechung desselben] aus, welcher uns nicht nachfolgetz und wir verboten es ihm, leben] darum, daß er uns nicht nachsolget kund wir also das Recht ihm nicht zugestehen konnten, sich deines Namens zu bedienen]. 39. Jesus aber sprach: Ihr sollt ,es ihm nicht verbieten. Denn es ist niemand, der eine That thue in meinem Namen [so daß, wie der Entschluß dazu schon aus einem gewissen Maße des Glaubens an mich hervorgegangen, so nun auch die Erfahrung von der Kraft meines Namens ihm sofort in die Hände kommt], und möge bald ssich aus die Seite der Feindeschlagendj übel von mir reden [seine eigene That wird ihm das un- inöglich machen 1. Cor. 12, 3]. 40. sHier gilt vielmehr in Vergleich— mit dem in Matth 12, 30 ausgesprochenen Wort der umgekehrte Grundsatztj Wer« nicht wider uns ist, der ist für uns. 41. Wer aber euch trclnket mit einem Becher Wasser in meinem Namen, darum, daß ihr Christo angehören wahtlich, ich sage euch, es wird ihm nicht unvergolten bleiben [Matth. 10, 42]. Den Johannes veranlaßte das Wort Jesu, daß man die Kleinen aufnehmen solle in seinem Namen, zu dieser Eröffnung; es entstand etwa die Frage bei ihm, wie weit man denn darin gehen müsse, das Vorhandensein seines Namens auch in Andern außer seinen Jüngern vorauszusetzen, und so wurde es ihm ein Herzens-be,- dijrfniß, den HErrn über einen Fall entscheiden zu lassen, wo er mit seinen Mitgenossen die äußerste Strenge der Voraussetzung hatte walten lassen, nämlich die Annahme, wer nicht öffentlich dem HErrn sich anschließe und nach- folge, habe auch kein Anrecht auf feinen Namen. Jesus nun giebt den Jüngern zu erwägen, daß die ausströ- mende Kraftwirkung in seinem Namen nicht größer sein kann als die innerliche Anerkennung desselben, daß es also verderblich ist, die zarten, scheuen Anfänge einer solchen Anerkennung durch voreilige Anforderungen zu zerstören; und damit sie ihm in diesem heiligen Gebiet zarter Anfänge nur ja kein Hälmchen knicken, so kehrt er seine Königsparolex »wer nicht für mich ist, der ist wider mich«, für sie in die Jiingerparole um: »wer nichtiwider uns ist, der ist ftir uns« So sollen sie in allen Menfchem die sich nicht gegen sie ausgesprochen haben, Förderer ihrer Sache sehen, weil nicht nur alle Anfänge, sondern auch alle Vorbereitungen des Glau- bens, auch die kleinsten, mitheilig gehalten werden sollen als Bestandtheile der Gottessaat Christi; »aber auch aus dem Grunde noch, weil diejeni en, welche Gegner der Jünger Jesu sind, es tiberall hold, genug kund geben. Und noch einmal schärft er ihnen das ein mit dem Wort: wer euch auch nur mit einem Becher Wassers tränkt aus dem Grunde, weil ihr Christi Jünger seid, wahrlich, ich sage euch, der wird seinen Lohn nicht verlieren; die Achtung und Liebe, welche euch auch im geringsten Maße von den Menschen in der Welt um Christi willen oder in seinem Namen selbst in äußeren Liebesbeweifen zu Theil wird, beweist, daß sie in irgend einem geistigen Zusammenhang mit ihm stehen, der unter seinem Segen sich vermehrt. (P. Lange) Johannes mit seiner Eröffnung stellt die Frage, wie weit denn die Bestimmung »in meinem Namen« reiche, wie weit die Jitnger sich durch Kenntniß und Gebrauch des Namens Jesu verbunden achten sollen, einen Menschen als einen folchen anzuerkennen, in welchem sie Jefum vor sich haben; der HErr aber stellt im Anschluß an den vor- liegenden Fall die Regel auf, daß man darauf sehen Der Größeste im Himmelreich Vom Gebrauch des Naniens Jefu Vom Aergeruißgebeu. 519 müsse, ob die Werke, die ei1i auf den Namen Jefu sich Berufender verrichtet, dem Wesen dieses Namens ent- sprechen. »Jn diesem Falle ist bei ihm ein inneres Ver- hältniß, eine wirkliche Aufgefchloffenheit für Jesum vor- handen und sein Gebrauch des Namens Jesu mehr als eine bloße-Redeformel, die bei gleichgiltigen Herzen eben so leicht, wie sie angenommen wird, auch mit der ent- gegengefetzten vertauscht werden kann; während dagegen die Gleichheit des äußeren Lebens, welches die Jiinger Jesu als solche führen, kein absolut zuverlässiges Ent- scheidungsmittel ist, und eben deshalb sollen sie die Grenzen dieser Gleichheit der· Lebeiisform nicht für einerlei achten mit den Grenzen des Jesu zugehörigen Gebiets Das letztere ist so weit, daß sie auch da, wo ihnen nur kein unmittelbarer, feindlicher Gegensatz ent- gegentritt,. schon eine Zugehörigkeit und Zugewendetheit zu Jesuund zu ihnen voraussehen dürfen; demnach können sie an den: geringsten Dienste des Entgegenkom- tnens, an dem äußerlichen Höflichkeitsakte, den man ihnenszauf den Titel hin leistet, daß sie Diener Christi sind, abnehmen, daß man für sie ist, ein solcher Dienst ift als ein so entscheidendes Zeichen der Empfäng- lichkeit für Jesum anzusehen, daß ihm ein unverlierbarer Lohn kann zugesagt werden. (Klostermanii.) Der Sache Jesu können auch folche dienen, die noch nicht mit voller Eutsihiedenheit zu ihm stehen (Apostg- 5, 34 ff.), und das istahnen nicht zu wehren noch zu hindern; anders ist es, wo es sich um die persöuliche Entscheidung um« die persönliche Herzensstellung Jefu gegenüber handelt, da gilt nur: Matth.12,30, und in dieser Richtung müssen auch die, welchen das Wort gilt: »wer nicht wider uns ist, der ist für aus«, noch einen Schritt weiter thun, wenn sie nicht endlich doch sich selbst ge- fährden und schließlich den Gegnern ugesellet werden wollen (Matth. 7, 23). Doch ist es illig und ange- messen, ihnen dazu Raum zu lassen. (v. Burgen) Die Fäden, die wir bei Andern finden zu Christus hin, sollen wir auffuchen; der Glaube entsteht in einem Menschen nicht mit Einem Schlag vollständig, er hat seine vorbereitenden Zwischeiistitckh die geachtet und be- achtet werden müssen. Es giebt eine innerliche, wenn noch so sszchwache Hinneiguug zum Erlöser, ohne äußer- lcche völlige Gemeinschaft. (Braune.) 42. Und sum jetzt auf meine oben unter- brochene Rede V. 37 zurückzukommen und auch den gegentheiligen S»atz dazu auszusprechen:] wer der Kleinen einen argert, die an mieh glauben, dem ware es besser, deß ihm ein Muhlstein an seinen Halsgehangt wurde, und er in das Meer geworfen wurde sals daß er so frei umhergeht und Andere ärgert] 43. So dich aber sdamit du auch dir selber nicht zu einem ·Aergerniß werdestJ deine Hand argen» so haue sie ab. Es ist dir besser, daß du ein Kruppel zum Leben eingehest, denn daß du zwo Hande habest, und fahrest [nachdem die eine von ihnen dich in’s Verderben gestürzt hat] in die Hölle, in das ewige Feuer; « 44. Da [wie es in Jes 66 ,«24 heißt] ihr fnämlich der Verdammten] Wurm nicht stirbt, Und ihr Feuer nicht verloscht. 45. Aergert dich dein Fuß, so haue ihn ab. Es ist dir besser, daß du» lahm zum Leben ein- ziehest, denn daß du zwo Fuße habest, und werdest in die Holle geworfen, in das ewige Feuer; .46. »Da ihr Wurm nicht stirbt, und ihr Feuer nicht verloscht. 47. Aergert dich dein Auge, so wirs es von dir. Es ist dir besser, daß du einciugig in das Reich Gottes gehest, denn daß du zwei Augen habest, und werdest in das hblliskhe Feuer geworfen; 48. Da ihr Wurm nicht stirbt, und ihr Feuer nicht verlöscht. Wie man sich davor hüten soll, Andere am Glauben irre zu machen, als vor der Zerstörung des Höchsten, was eine Menschenfeele haben kann, so soll man sich auch davor hüten, selbst vom Glauben abzufallen —- auch nicht dem zu Liebe, was nach natürlicher Ordnun das am ersten Berticksichtigungs- und Erhaltungswert e zu fein scheinb (Kloftermann.) Wer wollte doch an der Hölle und höllischen Verdammniß zweifeln, da Christus die Wahrheit so sehr bestätigt und befestigt hat? (Cramer.) Nach den besten Handschrifteii kommen die Worte: »Da ihr Wurm nicht stirbt und ihr Feuer nicht ver- löscht« nur einmal, nämlich in V. 48 vor; dadurch erhält die Rede eine beachtenswerthe Steigerung, indem das Schwerste, was zu sagen ist, sie zuletzt abfchließt. (v. Burgen) 49. Es muß alles mit Feuer lgenauerx Denn ein jeder wird für-s Feuer] gesalzen werden, nnd alles Opfer wird mit Salz gesalzen swerden vgl. 3. Mof. 2, 13]. 50. Das Salz ist gut; so aber das Salz dumm wird, womit wird man nutzen? Habt Salz bei euch, und habt Frieden untereinander. Jmalten Testament ward alles Opfer gesalzen, und von allem Opfer ward etwas verbrannt mit Feuer; das zeucht Christus hier an und legt es geistlich aus, nämlich daß dnrch’s Evangelium als durch ein Feuer und Salz der alte Mensch gekreuzigt, versehret und wohl gesalzen werde, denn unser Leib ist das rechte Opfer: Röm. 12. (Luther.) Jst in V. 48 offenbar die Warnung"«z"u Ende, welche V. 45 begonnen hat, so kann keine Auslegung des 49 f. Verses richtig sein, welche denselben nur auf irgend einen Vestandtheil jener War- nung bezieht, anstatt auf den einheitlichem der ganzen Schilderung V. 45—48 ku Grunde liegenden Satz, daß der Jünger Jesu bereit ein müsse, in einem Conflikte seines natürlichen Jnterefes mit seinem Glauben auch das Liebste hinzugeben, um sich das Gut des Glaubens zu erhalten. Demnach erwartet man einen Satz mit ,,Denn«, welcher sagt, daß solche Anfechtungen noth- wendig kommen müssen; und ein folcher Satz liegt denn auch wirklich hier vor, wenn man nur nicht Verwirrung in die Rede dadurch bringt, daß man das ,,mit Feuers« in der ersten Hälfte des 49. Verfes als ein unterschei- dendes Merkmal des ersten ,,-gefalzen werden« auffaßt« gegenüber dem zweiten, durch das ,,mit Salz« naher bestimmten, d. i. als ein zweites Würzmittel neben dem Salz, sondern die Rede dahin richtig versteht, daß es. sich um ein Salzen für’s Feuer handelt. Das Opfer ist fürs Feuer bestimmt: durch das läuternde Feuer kommt dasselbe als wohlgefällige Gabe zu Gott, wird für ihn zu einem süßen Geruch; aber damit es»so zu Gott komme, muß es zuvor gesalzen werden, wäre es ungesalzen, wenn es in’s Feuer kommt, so wäre es und sein Verbrennen Gott nicht genehm »und wäre vergeblich. So ist der Mensch, in seinerfleifchliihen Natur befangen, der Gemeinschaft Gottes nicht fähig; es bedarf des Feuers, d. h. der Leiden und Drangfale am Fleisch, da- mit sein Geist für Gott frei werde, und zu diesem Zweck 520 Evangelium Marci 10, 1——12. werden jene von Gott gesendet. Aber nur in dem Falle geht er aus diesem Feuer, wie es bezweckt ist, als gott- wohlgefälliges Opfer hervor, wenn er Salz bei fich hat und bei fich behält. Was das Salz nun bedeute, kann nach dem Zusammenhange nicht zweifelhaft sein , es ist der Glaube in seiner sittlich erneuernden Kraft, derselbe Glaube, der mit Abhanen der Hand, des Fußes und des Auges erhalten werden soll. Hiernach ist der Sinn des 49. Verses dem Zusammenhange gemäß dieser: »Gebt um eures Glaubens willen auch das Liebste preis, behauptet euren Glauben, der euch solche Selbstverleug- nung im Natiirlichen abverlangt; denn nur darum seid ihr mit demselben versehen, weil das Gottesreich fich durch ein Gericht über das Fleisch verwirklicht, weil euer We durch das Feuer der Trübsal geht. Gott- wohlgefä ig könnt ihr aus demselben eben nur dann hervorgehen, wenn ihr den Glauben in dieser Weise be- haltet, daß ihr um seinetwillen das Liebste dahingebt und verleugnet So ift es denn zwar ein gutes Ding um das Salz (V. 50), d. h. es ist ein wirklich werth- volles Gut, den Glauben zu haben, aber nur, wenn man ihn in seiner sittlich erneuernden Kraft dem Fleische gegenüber erhält; läßt man ihn stumpf werden, indem man seinem Fleische lebt wie vorher, ehe man glaubte, so ist es mit dem siegreichen Bestehen der Anfechtnng vorbei, dann läßt man ihn fahren und ärgert sich. Das ist aber ein unersetzlicher Verlust: so gewiß man Salz nicht durch andere Mittel erst wieder salzig machen kann, so gewiß ist es unmöglich, die Gotteskraft des Glaubens durch eigene Mittel zu ersehen« Im nächsten Anschluß an, diesen Gedanken vollendet der Satz der zweiten Vers- hälfte die ganze Ermahnung. Jn fich selbst sollen sie Salz erhalten, scharf sein gegen sich selbst, wie es der dem natürlichen Leben widerstreitende Glaube verlangt, gegen einander aber den Dienst des Friedens trei- ben. Beides, selbstverleugnendes Festhalten am Glauben und selbstverleugnende Liebe gegen die Brüder hatte Jesus in dieser ganzen Mahnrede empfohlen; an die letzte erinnert er hier noch einmal, weil ein aus Selbst- sucht entfprungener Unfriede den Anlaß des Gesprächs gegeben hatte. (Klostermann.) Das Altarfeuer bildet einen Gegensatz zu dem Feuer der Hölle: es ist das Gottesfeuer, in welches der Mensch freiwillig mit fei- nem Opfer hineintritt, um nicht dem Zwang des hölli- schen Feuers zu verfallen; so wir uns selber richten, werden wir nicht gerichtet. Die Opferung soll jedoch nicht hervorgehen aus der Furcht, sondern aus lieben- dem Gehorsam, nicht eine That der unfreien Scheu sein, sondern freiwillig, eine That des Geistes, der Zucht, und das bedeutet das Salz. ·(P. Lange) Was der HErr mit feinen Jüngern weiter verhandelt hat, solange- er noch in Galiläa war, übergeht St. Markus, wir lernen es aber in Matth. 18, 10—35 kennen; darauf folgt dann der Aufbruch aus Galiläa zur Zeit des Laub- hiittenfeftes Das 10. Kapitel. Von der Ehesrheidung kleinen Kindlein, Reichen der Welt, Leiden Christi, Ehrgeiz der Jiinger und dem blinden Isartimäua - I. tu. 1—12. (§. 70 n. 87.) Indem unser Evangelist jetzt die Zeit vom Jiufbruch Jesu aus Galiläa bis zu seinem königlichen Einzug in Jerusalem zur Darstellung bringt, faßt er diesen halbjährigen Zeitraum, der zur ersten Hälfte von dem Aufenthalt in Jerusalem nnd Jud-in während des tlkanbhsittew und Kitchweihsestes ausgefüllt wird und in dessen andere Hälfte die Reise nach Bethanieu zur Kuferweuznng des Eazarus nnd die mehrwöcljentliche Stille in Gpljrem fällt, ebenso in das Gesammtbild eines einfachen Wanderzitges durkh peräa zusammen, wie das der erste Evangelist schon vor ihm gethan; es soll aber Jerusalem nnd Iudäa für seht noch ganz außer Betracht bleiben, darum beschränkt sich die Erzählung auf einige Verfalle ans der Zeit der iiffentlitheu Wirksamkeit im tlkaude jenseit des Jordan, und zwar ist aarh hier der erste die Verhandlung mit dsenslharisäern über die Ghesrheidung (bgl. Rauh. 19, 1——12; Erste. Hi, 14—13.) 1. Und er sJesus mit den Zwölfen] machle [um die Zeit des Laubhüttenfestes zu Anfang des Oktober a. 291 fich auf laus Galiläa, wo er nun seinen Lauf als Prophet vollendet hatte] und kam von dannen lda er auch Jerusalem, wohin er zu- nächst sich gewendet, wieder verlassen hatte, zu An- fang des J. 30] in die Oerter des jüdischen Lan- des, jenseit des Jordan [nach Peräa]. Und das Volk swie in den Geschichten Luk. 13, 22 —— 16, 13., die in diese Zeit fallen, sich zeigt] ging abermal swie vormals in Galiläaj mit Haufen zu ihm [wenn es auch natürlich andere Volksschaaren waren, als dort, die ihm folgten], und wie feine Gewohnheit war, lehrete er sie abermal sin Predigten und Gleichnissen]. Jn dem außerhalb Galiläas, jenseit des Jordan ge- legenen Gebiet, wohin Jesus um die oben angegebene Zeit seinen Aufenthalt verlegte, konnte es nun wieder zu einer öffentlichen Wirksamkeit kommen, wie sie früher, bevor er fich dem Volke entzog, stattgefunden hatte; da- rauf weist das» doppelte ,,abermal« hin. Sogleich wer- den wir aber auch hören, daß nun ebenfalls das Ver- suchen von Seiten der Pharisäer fich erneuerte; dazu war ihnen mit jenem abermaligen öffentlichen Wirken die Gelegenheit gegeben. »Einem Lehrer, der einen großen Anhang hat und gern gehört wird, folgt der Neid auf dem Fuße nach, daß er den Versuchungen nicht entweichen kanns« 2. Und die Pharisäer traten sanft, als er auch wieder vieles Volk um fich hatte und im Lehren begriffen war] zu ihm, und fragten ihn, ob ein Mann fich scheiden möge [ob ihm zu gestatten sei, wie ein Theil der Schriftgelehrten das lehre, aus irgend welcher Ursach sich zu scheiden] Von fei- nem Weibe. Und versuchten ihn damit sindem sie darauf rechneten, er werde die Frage entschieden verneinen und damit auf Seiten des Volks sich Abneigung, auf Seiten des Vierfürsten Herodes aber Nachstellung und vielleicht gar ein baldiges Ende seiner öfsentlichen Wirksamkeit zuziehen Matth 19, 3 Anm.]. Z. Er antwortete aber, und sprach: Was hat euch Moses lin Beziehung auf diesen Punkt] geboten? . 4. i Sie sprachen: Moses hat siin 5. M. 24,1j zugelassen einen Scheidebrief zu schreiben, und Dem, der diese Bedingung erfüllt, gestattet, von seinem Von der Ehescheidung. 521 Weibe, wenn sie nicht Gnade findet vor seinen Augen] sich zu scheiden. 5. Jesus antwortete, und sprach zu ihnen: Um eures Herzens Härtigkeit willen [die ihm gar wohl bewußt war und die er mittels des Gesetzes nicht zu überwinden vermochte] hat er euch solches Gebot geschrieben; 6. Aber von Anfang der Kreatur swie er selber das in l. M. 1, 27 u. L, 24 erzählt] hat sie Gott geschaffen ein Männlein und Fräulein. 7. Darum [so hat Adam, Gottes Schöpfev absicht bei dieser Einrichtung ganz richtig erkennend, auch selber ausgerufen] wird der Mensch seinen Vater und Mutter lassen, und wird seinem Weibe anhangen, 8. Und werden sein die zwei Ein Fleisch. So sind sie nun sMann und Weib, wenn sie ein- mal das Band der Ehe verbindet, nach dieser ur- sprünglichen Gottesordnung] nicht [mehr] zwei, sondern Ein Fleisch. 9. Was denn Gott [durch diese seine Ord- nung] zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht [in Eigenmacht und WiUkiirJ scheiden. Wenn Markus hier die Ordnung des Gesprächs in- sofern anders wiedergieby als sie bei Matthäus vorliegt, daß er Jesum selbst zuerst durch eine Frage den Pha- risäern den Satz entlocken läßt, auf den sie dachten ihren Angrifs griinden zu können, so ist das eine Verfchiedew heit der Darstellung , die den Kern der Sache nicht be- rührt, sondern nur noch klarer herausstellt, als bei Matthäus geschieht, worauf die Pharisäer von Anfang ihren Plan gegründet hatten; ihre Erwartung nämlich war darauf gerichtet, daß Jesus etwas wider die übliche Ehescheidungspraxis sagen werde, und da hofften sie denn ihn in einen Widerspruch mit dem mosaischen Gesetz verwickelt zu sehen, auf welches diese Praxis sich grün- dete. Jhrem Angriffs-Plane, wie sie ihn sich entworfen, entspricht die Fassung des Gesprächs bei Matthäusx erst sollte der HErr sich« gegen die Zulässiäkeit der Eheschei- dung überhaupt erklären, darnach wo ten sie mit ihrem vermeintlichen Bollwerk, mit der Satzung in 5. M. 24, 1 wider ihn anrücken und ihn als einen solchen darstellen, der Mosis Gebot als die eines zu laxen Gesetzgebers anfhebe und die von ihm festgesetzte Ordnung nicht gelten lasse; aber Jesus durchschauete sofort ihren Plan, und um dies bemerklich zu machen, läßtMarkus sie so- gleich mit ihrem Bollwerk hervortreten, indem er sie ver- anlaßt, die mosaische Vorschrift anzuführen, an welche sie mit ihrer Praxis sich hielten. Indem sie denn das thun, bezeichnet derHErr das, was sie eine Znlas sung nennen und damit auf das Gebiet des sittlich Erlaubten versetzen, vielmehr als ein Gebot, aber als das Gebot eines Gesetzgebers der es mit harten, unbeugsamen Herzen zu thun hat, die er nun einmal nicht ändern kann; und so wenig« handelt es sich um die Zulassung der Scheidung bei jener Stelle, daß sie vielmehr das Gebot eines Scheidebriefs enthält, und da wird sie zu einer Anklage wider die, die unter ein solches Gebot gestellt werden müssen, damit die Ordnung der Ehe wenigstens nicht ganz ihrer Eigenmacht und Willklir an- heimfalle Aus einer andern früheren Stelle, wo es Mofe nicht zu thun hat mit dem Volke eines harten, unbeugsamen Nackens, sondern bei der ursprünglichen, von der Sünde noch nicht zerrütteten Menschheit ver- weilt, giebt denn der HErr s eine Entscheidung in der Ehefcheidungsfrage, welche nichts anderes ist als eine Wiederherstellung der ursprünglichen Gottesordnung. Auf diese Entscheidung kam es unserm Evangelisten hauptsächlich an, sie ist ihm die Spitze der ganzen Ver- handlung mit Rücksicht auf die aus der alttestamentL Gesetzesgemeinde ausgeschiedene neutestamentliche Christen- gemeinde; und darum hat er auch der Verhandlung eine Fassung gegeben, bei welcher dieselbe wirklich in diese Spitze ausläush während Matthäus mit seiner Er- zählung sich an den geschichtlichen Verlauf bindet. 10. Und daheim sals er in dem Hause, wo er in jener Gegend herbergte, angekommen war] fragten ihn abermal sdie Sache, die er mit den Pharisäern verhandelt hatte, wieder aufnehmend] seine Junger um dasselbe snämlich die unzulässig- keit der Ehescheidung ob sie denn wirklich eine so unbedingte sei]. s 11. Und er sprach zu ihnen [sein Wort in Matth 5, 31 f. wiederholend]: Wer sich scheidet von seinem Weibe les sei denn, wie sich von selbst verstehn, um des ihatsächlich von ihr schon voll- zogenen Ehebruchs willen Matth 19 , 9] , und freiet eine andere, der bricht die Ehe an ihr san derjenigen, von der er sich geschieden hat]; 12. Und so sich ein Weib scheidet von ihrem Manne, und freiet einen anderen, die bricht ihre Ehe san dem verlassenen Manne]. Der Satz in V. 12 ist im Vergleich mit Matthäus dem Markus eigenthümlichx während der erste Evangelist sein Absehen hauptsächlich aus Jsrael gerichtet hat und da die Bezugnahme auf das Weib entbehren konnte, weil nach jüdischem Brauch und Gesetz der Fall, daß ein Weib den Mann entließe, das Band der Ehe ihrer- seits löste, undenkbar war und nur vom Manne eine solche Lösung ausgehen konnte, kam das Gegentheih daß das Weib sich schied, bei Griechen und Römern oft ge- nug vor (vgl. 1. Cor. 7, 13 — auch das Sichscheiden der Herodias von ihrem Gatten Philippus geschah nach diesem heidnischen Brauch, der in den höheren Ständen in l. Sam. 25, 41 Platz gegriffen hatte, nicht aber nach jüdischem, wenngleich sie äußerlich zum Judenthum sich bekannte), es mußte daher Markus der Bestimmung sei- nes Evangeliums zunächft für römische Christen gemäß den Satz mit aufnehmen. Dagegen hat unser Evangelist weniger Interesse an dem, was St. Matthäus an dem Gespräch über das Ehelosbleiben noch mittheilt; es hat jedenfalls noch einmal seine besondere Bedeutung für Jsrael (Osfenb.14, 4), während die Weglassung gerade bei St. Markus, dem Zögling des Petrus, als ein be- deutsames Zeugniß erscheint gegen die Ueberschätzung des Cölibats in der römischen Kirche (vgl. die Wem. zu Matth. 19, 13). »Der ledige Stand ist nicht heiliger als der Ehesiand, noch weniger kann man die Seligkeit damit verdienen, wie die in den Klöstern ihnen dünken lassen; er ist aber gut, wenn man dabei sich desto besser zu Gottes Wort halten, Gott dienen und die Seligkeit besorgen kann: 1. Cor. 7, 34. (Piscator.) II. v. 13—1e. (§. 94.) riet die vorige neuesten: um) tii die Zeit der ersten Wirksamkeit Iesu iii Verein, als er zu Anfang des I. 30 von Jerusalem kommend zu— nächst in inethabara seine Thätigkeit entfaltete and dann auch andere Städte dra Oftjordaulandes bis nach der Uesideuzftadt Eil-ins hindnrchzog so versetzt un; die nun— 522 Evangelium Marci 10, 13——16. mehr folgende Gesshichte von der Segnnng der sein— der ohne weitere Vermittelung sogleich in die um etwa 7 Wochen spätere Zeit seinen abermaligen Wirkens in der nämlichen Gegend. Iesno ist inzwischen in ssethas nien gewesen nnd hat den. Eazarug auferweckt, hat sich darnach gen Gphrem znrärligezogen nnd hier 40 Tage verborgen gehalten; nun ist er durch Samaria und die - Siidgrenze non Galiläa bis hinüber nach per-in gewan- dert und von deni nördlichen Theil dieser Eandschast wieder hernieder nach Süden gekommen, unmittelbar vor der Stadt Livius aber oder vielleicht niitten in derselben begiebt sich der Vorfall dieseg zweiten Abschnittes der hier vorliegenden Gruppe von abermal fünf Erzählungen. (vgl. Many. II, 13—15; Euch. 18, 15—17.) 13. Und sie sdie Mütter aus Livius] brachten [auf ihren Armen] Kindlein zu ihm, daß er sie smittels Auslegung seiner Hände] anrühretei [und unter Gebet sie segnete]. Die Jnnger aber [in ihrem Unverstand] fuhren die an, die sie trugen. 14. Da es aber Jesus sahe swie die Jünger die Mütter zurückweisen«wollten] ward er unwillig « süber solches ihr unberufenes und thörichtes Ein: schreiten] und sprach zu ihnen: Lasset die Kindlein zn mir kommen [in denen, die sie bringen und für sie handelnL nnd wehret ihnen nicht; denn solcher [gerade, bei denen der einfältig-kindliche und willig- empfangende Sinn noch ungetrübt vorhanden] ist das Reich Gottes-»F«- 15. Wahtlich, ich sage ench: Wer svon euch Erwachsenen] das Reich Gottes nicht empfahet als ein Kindlein [indem er zuvor durch innerliche Um- kehr wieder zu dem rechten Kindessinn gelangt ist], der wird nicht hinein kommens 16. Und er herzte sie [sie in seine Arme schließendL und legte die Hunde auf sie, und seg- nete sie-H- [wie die Mütter in richtiger Erkenntnis; dessen,- was ihren Kindern gut sei, von ihm be- gehrt hatten] » » · «) Ein alter Prediger sagt: die kleinsten trugen sie auf den Armen, die größeren führten sie an der Hand, und sie, die Mütter, gingen selber mit. Weißt du, o Vater, o Mutter, wie auch du dein Kind tragen kaunst zum HErrm wenn es selber noch zu klein ist zum Gehen? bete flir dein Kind; auf den Armen Priester- licher Fiirbitte bringe es vor seinen Gott und Heiland, nicht nur an seinem Tanftag, sondern alle Tage. Das Gebet einer frommen Mutter, eines gottesftirchtigen Vaters für ihr Kind ist wie eine Eugelwache um sein Bettlein, umgiebt es mit einer heilsamen, himmlischen Atmosphäre, in der es fröhlicher wachsen und gedeihen kauuuach Leib und Seele; ja es umschwebt wie ein nnsichtbares, himmlisches Geleite auch das ferne Kind noch auf der Wanderschafh auch den verlorenen Sohn noch auf seinen Jrrwegem und mauche bekiimmerte Eltern, die viel Geld, viel Worte, viel Thränen bisher an ihr Kind gerijckt haben, möcht ich fragen: habt ihr auch schon recht gebetet fltr euer Kind? — Führt aber auch eure Kinder zum HErrn durch Lehre und Ver- mahnung, wenn sie selber gehen können; erzählet ihnen, ihr Mütter, die lieblichen Geschichten vom Heiland, die sie so gerne hören, und lehret sie freundlich ihre ersten Sprlichlein und Gebete; zeiget ihnen, ihr Väter, den Schöpfer in der Natur, lasset sie den Allmächtigem All- weisen und Allgtitigen ahnen im Stern am Himmel und im Blümlein auf dem Felde, nnd weiset nicht be- quem oder hochmitthig ihre oft so kindlich frommen, oft so gruudgescheidten Fragen ab nach dem Grund und Ursprung aller Dinge. Wenn sie eine Llige gesagt, wenn sie etwas Böses gethan haben, dann jaget ihren jungen Herzen eine heilige Fnrcht ein vor dem heiligen, all- wissenden Gott, der in’s Verborgene siehet und vor dem Finsterniß ist wie das Licht; und wenn sie sich fürchten vor dem Grauen der Nacht und vor dem Rollen des Donners, dann lehret sie vertrauen auf den treuen Vater im Himmel, der mit den Fittigen seiner Allmacht die Frommen deckt in Noth und Gefahr. — Aber freilich, wenn du so dein Kind zum HErrn führst, durch Lehre und Vermahnung, so mußt du auch selber mitgeben. Die Mütter im Evangelio schickten nicht ihre Kindlein zu Jesu, sondern sie brachteu sie; so hast auch du deine Schuldigkeit noch nicht gethan, wenn du dein Kind zum HErrn schickst, in die Schule, in die Kirche, in den Kindergottesdieiish in den Konfirmandenunterricht, du mußt auch selber mit dem Beispiel der Gottesfurchh der Liebe zu seinem Wort und Haus ihm vorangehen. So bringst du auch dein ·Kiud noch nicht zum HErrm wenn du ihm noch so oft das Gute predigst, noch so streng das Böse untersagst, du selber aber handelst nicht nach deinen Worten, thust nicht das Gute, das du doch von ihm verlangst, meidest nicht das Böse, das du doch an ihm ftrafftz glaubet’s, liebe Eltern, eure Kinder haben da scharfe Augen und Ohren -— durch Eine Lüge, die du in ihrer Gegenwart dir erlaubst, machst du alle deine Predigten von der Wahrhaftigkeit zu Schandeiy und durch einen christlichen Wandel in Gottes Wegen richtest du mehr aus in ihren Herzen, als durch die rtihrendsten Bitten und die strengsten Strafen, ja die frömmsteu Reden, dadurch man, wenn sie im Uebermaß angebracht werden, die Kinder oft nur zur Heuchelei gewöhnt oder ihnen gar die Frömmigkeit von Kind aus entleidet. (Gerok.) -— Haben wir Recht mit unsrer Auffassung der zeitlichen und örtlichen Verhältnisse, so fteht diese Ge- schichte von den Blättern, die ihre Kindlein zu Iesu bringen, daß er sie anrühre, in einer äußerlichen Ver- wandtschaft mit der von einer andern Mutter, die ihre Tochter in den Dienst des Fürsten der Hölle stellte, der Herodias (Kap. S, 21 ff.): .der Zeit nach liegen beide Geschichten ziemlich ein Jahr auseinander, die Stadt ist aber für beide dieselbe (Livias); es spiegelt in diesem Eontrast sich die verschiedene Erziehungsweise der Kinder ab, je nachdem es stch um ein rein weltliches oder um ein christliches Familienhaus handelt. »Ach wie viele Eltern führen ihre Kinder nicht Christo, sondern dem Teufel zu!« M) Unwille gegen Unwillet der Unwille des Mei- sters gegen den Unwillen der Schiiler, oder auch der Unwille der Kirche, welche nicht nur an den Kinder- fegen, sondern auch an Christi Segen in den Kindern glaubt, gegen den Separatis mu s. Von einem Herzen oder Umarmen des HErrn lesen wir zweimal svgl.Kap. 9, 36): es ward den Kindern zu Theil. Der Men- schensohn unter den Menschenkinderm 1) als der himm- lisch Neue und Urfrische verwandt mit den irdisch Neuen und Urfrischem Z) als der Demuthsreiche mit den Auspruchslosem 3) als der Glaubenssitrft mit den Ver- trauenden 2c. (P. Lange) Alles, was uns zu Menschen macht, Verstand, Vernunft, Gewissen, Wille, alle Fähig- keit des Geistes, ist, schon im kleinsten Kinde da; es ist schon angelegt zu Gottes Bild und wird es nicht erst irgend wann einmal im Leben, so kann auch der Segen der Erlösung ihm schon zugewendet werden, und er kann nicht blos, sondern er soll es. Wollen wir doch nicht weiser sein als Christus, unser HErr, indem wir einwenden wollten: das Kind kann ja den Segen seines Jesus segnet die Kinder. 523 HErrn nicht verstehen, gleich als hinge die Kraft des Segens vom Verstehen desselben ab oder als wirkte eine Arzenei auf meinen kranken Leib nur in dem Maße, als ich die Art und Weise ihrer Wirkung kenne. Wollen wir etwa wähnen, es habe die Segenshand des HErrn auf den Häuptern jener Kindlein umsonst geruht und keine Wirkung hinterlassen? (v. Burger.) Wie aber hier die leibliche Berührung, so ist es nachher die leiblich vollzogene Taufe auf den Namen Iesu, durch welche sich sein Segen den Kindern anfänglich vermittelt, und dar- nach hat der Christ sein Verhalten zu seinen Kindern einzurichtexn Vom Verhältnis; des häuslichen Lebens zum Christenthnni handelt sowohl das vorige Stück, das auf die Ehe sich bezog, als auch dieses, das auf die Kinder sich bezieht; wie dort Verleugnung des willkür- lichen Gelüstens erfordert wird, um die ursprüngliche gottgesetzte Eheordnung wieder zu gewinnen, so findet auch hier eine Forderung statt, welche allein die Demuth des felbftverleugnenden Glaubens erfüllen kann. (Klo- stermann.) Hi) Die Jünger meinten es nicht schlimm mit den Kindern, als sie dieselben und ihre Mütter anfuhren auf dem Wege zu Jesu; denn sie dachten: was haben diese Kleinen von unserm HErrn, den sie ja doch nicht ver- stehen, den wir selber kaum fassen? Sie meinten es gut mit ihrem HErrn und Meister, dem ste diesen Ueber- lauf ersparen wollten; denn sie dachten: er hat genug zu thun mit den Erwachsenen, sollen anch noch die Un- mündigen ihm zur Last fallen? Und doch ward der HErr unwillig iiber sie und sprach: ,,lasset die Kindlein zu mir kommen und mehret ihnen nichts« Den boss haften Verfiihrern, die es mit Fleiß darauf anlegen, eine junge Seele zu verderben, den Keim des Glaubens und der Frömmigkeit in ihr zu zertreten mit losen Spöttereien, sie zur Sünde zu verlocken durch teuflische Schlangenkünste, gilt vor allen andern das furchtbare Wort in Kap. 9, 42. Aber man kann anch ohne es zu wissen und zu wollen sich versündigen an unsterblichen Kinderseelen; man kann ein Kind zurückhalten auf dem Wege zum Heil auch durch Unverstand, durch falsche Er- ziehungsgrundsätzh indem man meint, es ist noch zu früh, um ihm von Gott zu sagen, was soll man’s in die Kirche führen, wo es doch noch wenig begreift? was soll man ihm von Dingen reden, über die selbst die Er- wachsenen nicht in’s Reine kommen? was soll es Sprüche lernen, die es doch noch nicht versteht? während doch eine fromme Kinderseele sagt: wisset ihr nicht, daß ich sein muß in dem, das meines Vaters ist? während doch im Frühjahr der Same in die Erde muß, daß er da ver- borgen keime und wnrzele und später, im Sommer des Lebens, zu Fsrüchten reife. (Gerok.) f) Wer kann auf’s Neue ein Kind werden, wenn er bereits erwachsen ist? Die Frage ist ähnlich der des Nicodemus (Joh. Z, 4): ,,wie kann ein Mensch geboren werden, wenn er alt ists-« aber auch die Antwort ist von dem HErrn schon gegeben: »was bei Menschen un- möglich ist, das ist bei Gott Möglich.« Er kann und will uns helfen allen unnützeu Ballast über Bord werfen, mit dem wir groß thun und uns selbst beschweren, und will statt dessen unsre Seele klein machen, daß ihr die enge Pforte zum Reiche Gottes weit genug ist und der schmale Weg breit genug, der zum Leben führen Laßt uns nur gegen feinen Ruf zur Buße unsre Ohren nicht verfchließen, dann werden wir viele und große Sünden an uns finden und gehäufte Schulden; dann wird von allem, worin wir selbst an uns Gefallen hatten, uns nichts übrig bleiben und unsere ganze selbstgeträumte Schöne, unsre Weisheit, unsre Stärke wird verzehret werden wie Spinngewebh wenn das Feuer daran leckt; denn mit der keinem können wir bestehen im Gerichte Gottes, die Feuerflammen seiner Augen werden es ver- zehren, der Odem seines Mundes es wie Spreu ver- wehen und unsre Sünde uns zur Hölle ziehen. Wohl dem, der jetzt darüber sich die Augen öffnen läßt! der wird, was unser Tert verlangt, ein Kind, um das Reich Gottes aufzunehmen: denn er verliert den Stolz, der davon ausschließt. Ein Kind ist nicht zu spröde, daß es nicht gern sich etwas fchenken ließe; aber die Menschen, die in ihren Augen groß sind, wehren die Gnade Gottes von sich, wollen selbst gerecht sein, wollen sich das Leben zu verdanken haben, wollen nicht demüthig vor ihm niederfallen, um zu bitten: HErr, HErr, erbarme dich! wenn du nicht hilfst, bin ich verloren! —- bis sie die Buße weich gemacht hat. Dann kommen sie, dann ist es ihnen nicht zu viel, zu flehen und zu rufen; dann hört der nichtige Schimmer übel angebrachten Ehrge- fühles auf, sie zu verblenden, dann danken sie es Gott, wenn er in Christo das Abba, lieber Vater-Rasen ihnen noch erlaubt, und achten es für ihre Seligkeit, daß sie als Kinder von ihm nehmen dürfen Vergebung, Friede, Lebenskraft. (v. Burger.) » H) Christus selber ist der eigentlichste Beschützer, Patron und Heilige der Kinder «—- nicht der Erzengel Michael, nicht der heil. Nicolaus, nicht der heil. Martin, obschon unter dem HErrn alle Engel und Heiligen auf- geboten sind zum Schutz der Kinder. (P. Lange) Leib- lich thut das der HErr nicht mehr an unsern Kindern, was hier aus den Tagen seines Fleisches von ihm er- zählt wird; aber geistlich soll’s uns ein Bild sein für seinen Schutz und Segen, dessen auch wir uns getröftett dürfen für die unsern, wenn wir sie ihm im Glauben übergeben. Er herzte ste, d. i. schloß sie in seine Arme und drückte sie an sein Herz: das soll uns ein Bild sein seiner zärtlichen Liebe, von seiner treuen Ob- hut, der wir getrost unsre Kinder übergeben dürfen unter allen Nöthen und Gefahren dieser Welt im Ver- trauen auf sein Wort: ,,niemand soll sie mir aus mei- ner Hand reißen.« Und er legte seine Hände auf sie und segnete sie: das soll uns ein Bild sein von den Geisteskräftem von den Segenseindrückem welche einer jugendlichen Seele zu Theil werden in der Nähe Jesu, im Lichte seines Antlitz-es, unter seinem Handanflegen für’s ganze Leben. Eine gottesfürchtige Jugend wirkt im Segen nach für Zeit und Ewigkeit; wer am Morgen seines Lebens als Kindlein an Jesu Herzen geruhet hat, der weiß auch als Mann in des Tages Last und Hitze, wohin er sich flüchten kann, der hat auch am Abend seines Lebens, wohin er sterbend sein Haupt neigen darf, und was er hienieden im irdischen Kindesstande gelernt und geglaubt hat, das darf er droben im himmlischen Stande der Kinder Gottes schauen und erfahren. (Gerok.) III. txt. 17——31. (§. 94.) War im vorhin behandelten Jlbsrhnitt das dleich Gottes als ein Gut erschienen, das ohne eine Leistung des Menschen sitt) ihm selbst dargiebt, als ein leicht zu gewinuendeg, so tritt es nun in dem hier folgenden Stätte als ein schwer zu erlan- gendeg auf; es ist aber eine merkwürdige Xüguug der göttlichen Vorsehung, daß beide in sachlicher hinsikht so eng zusammengehörige Abschnitte auch in Zeitge- s rhichtlicher Hinsicht so unmittelbar zusammengehörem weshalb wir ne in unsrer Gvangeliewharnconie unter einen und denselben Paragraphen gestellt haben. Co hat seine volle Wahrheit, wag So h. Ztngelus sagt: ,,Chriü, schätze dir die Reif in’ Himmel nicht so weit, der ganze weg dahin ist keines Schrittes breit«; aber eben so richtig verhält es sich mit Er. v. tkogauhz Wort: »der Himmel ist gar weit, is! leichte nicht zu finden; die hölk is: aber nah, ers treffen sie die tltltndeuN hatten wir 524 Evangelium Marei 10, 17——22. eo vorhin mit jungen Kindern zu thun nnd mahnte da der tjGrn »wer das Himmelreieh nicht etnpfähet als ein Kindlein, der wird nicht hineinkommen-·, so giebt nun- mehr die Gesrhichte von den( reichen Jüngling mit ihrem Spruch von dem Kameel und dem dladelöhr die Erklärung dazu, wag ein Kindlein vor Erwachsenen nor— ans hat ·— es hat noth keinen Hörner nnd trägt noch keine kalten. (tlgl. tblatth 19,16—30;Etilt. 18,18—30.) 17. Und da er hinausgegangen war faus der Stadt] anf den Weg sder nach Jericho fiihrete], lief einer [ein noch junger Schulvorsteher, der ein Herzensanliegen hatte und ihn nicht wollte von dannen ziehen lassen, bevor er sich Bescheid geholt hätte] vorne vor, knieete vor ihm, nnd fragte ihn: Gnter Meister, was soll ich ffür ein besonders gutes, außerordentliches Werk] thun, daß ich das ewige Leben ererbeZ 18. Aber Jesus sprach zu ihm: Was heißest gttttttich gut? Niemand ist gut, denn der einige o . l9. [Und was fragst du mich über das Gute?] Du weißt ja die Gebote wohl: Du sollst nicht ehebrechen Du sollst nicht tödten. Du sollst nicht stehlen. Du sollst nicht falsches Zeugniß reden. Du sollst niemand tiiuschen fniemand etwas ent- ziehen oder vorenthalten oon dem, was du ihm schuldig bist 3. Mos. 19, 13; 5. M. 24, 14; Jer. 2«2, 13]. Ehre deinen Vater und Mutter. sHalte nur diese Gebote alle, so thust du das Gute, und du wirst dann auch die Verheißung erlangen, die in dem Gesetz denen gegeben ist, die Gott lieben und seine Gebote halten]. 20. Er antwortete aber, nnd spraoch zn ihm: Meister,- das habe ich alles gehalten von meiner Jugend anf [und doch die rechte Befriedigung und gewisse Anwartschaft auf das ewige Leben noch nicht davongetragen] 21. Und Jesus sahe fmit bedeutnngsvollem Blick] ihn an, und liebte ihn [denn eine gewisse Wahrheit lag allerdings in seinem Selbstzeugniß —- er hatte wirklich die Gebote in dem Maße ge- halten, wie er sie verstund; und zugleich lag in seinem ganzen Wesen eine gewisse Aufrichtigkeit und Offenherzigkeit Da hätte denn Jesus ihm gern weiter geholfen], nnd sprach zu ihm: Eins fehlt dir. Gehe hin, verkaufe eines, was du hast, nnd gieb es den Armen, so wirst du einen Schuh im Himmel haben; und komm, folge mir nach, und nimm das Kreuz sdas in solcher Nachfolge dich betrifft Kap. 8, 341 aus dich. s 22. Er aber ward Unmuths icber der Rede sseine Stimmung trübte oder verdüfterte sich], und ging traurig davon fdaß ihm nicht um einen leich- teren Preis sein Verlangen sollte erfüllt werden]; denn er hatteviele Güter [nnd an denen hing sein Herz, daß er auch nicht um des ewigen Lebens willen sie hergeben wollte] Der Jüngling meint nicht mit dem Volk: ich bin Abrahams Sohn uud also zum Voraus des Himmel- reichs gewiß; er meint nicht mit den Pharisäern: ich habe schon einen Schatz von Tugenden und guten Werken aufgespeichert und brauche nichts weiter »— nein, er will sich’s etwas kosten lassen, er will etwas Ttichtiges thun, um das ewige Leben zu erwerben, er sagt zum HErrm gebiete nur, ich will es thun, fordere nur, ich will es geben, lade nur auf, ich will es tragen! Es kann man- cher grauer Chriftenmensch von ihm lernen; denn es giebt Leute genug, die da meinen: das ewige Leben, das kommt ganz von selber nach diesem Erdenleben, wie der Nachtisch aufs Essen, wie der Sonntag auf den Sams- tag, wie die Sonne am andern Morgen, wenn man sich am Abend schlasen gelegt; und fragt man etwa nach Gründen, nach Rechtsansprüchen für ihre Hoffnung auf das ewige Leben, nun, so fehlts auch daran nicht. Da ist die Vaterliebe Gottes, die uns nicht abspeisen wird mit den flüchtigen Freudenbrosamen dieser Erde; da ist das Verdienst Christi, der uns die Seligkeit erworben hatdurch fein Blut; da ist das Wort Gottes, in dem es 1a steht schwarz auf weiß: »dieser Zeit Leiden find nicht werth der Herrltchkeih die an uns soll offenbar werden«; da find die Leiden dieses Lebens, für die man Erfatz zu fordern hat in der Ewigkeit; da ist die Taufe auf Christum, durch die man ein Erbe des ewigen Lebens geworden ist; und was bei dem allen etwa noch fehlt, das denkt vman auf dem Todtenbett zu ersetzen durch ein bußfertig Gebet und durch einen letzten Genuß des heil. Abendmahl-s. -— Liebe arme Seele, in welch tran- riger Verblendung gehst du einher! wie bitter könntest du dich getäuscht finden an den ernsten Thoren der Ewigkeit, über denen iuFlammenschrift geschrieben steht: ,,ohne Heiligung wird niemand den HErrn sehen«—so bitter getäuscht wie der faule Knecht, der sein Pfund im Schweißtuch vergrub, so» bitter getäuscht wie die thö- richten Jungfrauen, die kem Oel in ihren Lampen hattenjl Hast du denn vergessen das Wort deines Heilandes: ,,es werden nicht alle, dte zu mir sagen: HErr, HErrl in’s Himmelreich kommen, sondern die den Willen thun mei- nes Vaters im Himmels, und die Ermahnung seines Apostels: ,,schaffet, daßfthr selig werdet, mit Furcht und Ztttern«? Nein, wahrlich, mit dem trägen Wunsch selig zu werdennst es nicht gethan, es gehört da u auch der redliche Wille; nein, wahrlich, das ewige Le en ist nicht ein Erbe, das uns im Schlafe zufällt und noch in’s Haus getragen·wtrd, es ist eine Perle, die man suchen und kaufen, ern Kleinod, nach dem man laufen, eine Krone, um die man streiten, eine Ernte, fitr die man Samen streuen muß. Darum, wer in Wahrheit selig werden will, be; dem muß zum herzlichen Wnnsch auch der redlrche Wille kommen, bei dem muß der erste Schrttt der sein, daß er frisch und freudig mit dem Jüngling m; Evangelto sich dem HErrn zur« Verfügung stellt: ,,Me1ster, was soll ich Gutes thun, daß ich das ewige Leben mdsge haben?« (Gerok.) Gewiß verdiente Jesus die Pezetchnunxzsp ,,guter Meister«, denn er war das; aber· m dem Sinne, in welchem sie der Jüngling ihm ertheilt, weist ste der HErr zurück. Derselbe spricht sie aus, als hätte er es hier zu thun mit einem Men- schen, der nun das bereits sei, was auch er werden wolle und was er gewiß zu werden sich zutraut, weil er sich’s’ vorgenommen habe. Daß zwischen ihm und dem Heiligen noch eine Kluft befestigt sei, die sich durch menschltches Thun nicht überbriicken oder ausfüllen lasse, davon hat er keme Ahnung, den wirklichen Stand sei- nes Herzens kennt er nicht; daß gut zu sein die Vor- aussetzung ist und nicht die Folge vom Thun des wahr- haft Guten, daß ehe wir Gutes thun können im eigent- lichen vollen Sinne des Worts, erst der Grund unseres Vom reichen Jüngling. 525 Herzens geheilt sein muß von aller ungöttlichen Lust und Liebe, daß Gott und das Gute zwei Begriffe sind, die einander decken; Gott der Jnbegriff und der Urquell alles Guten ist und gut nur, was aus Gott ist und in Gott ruhet und in Gott sein Ziel hat, das ist ihm noch verborgen. Er braucht das Wort »gut« nach Menschen- weise nnd menschlicher Vorstellung, und ist freigebig da- mit, weil er es zu leicht nimmt; darüber muß er aller- erst in’s Klare kommen und bei sich den Schluß ziehen: nimmt Jesus die Benennung »gut« nicht an, sondern spricht er sie Gott allein zu, und läßt außer diesem niemand dafür gelten, was habe ich von mir zu halten? bin ich nicht über mich in einem schweren Jrrthum? gebricht mir nicht etwas gar Anderes als blos die son- derlichen Leistungen, zu denen ich mich um den Preis des ewigen Lebens gern verftehenivürdeli bin ich selbst gut? oder wenn ich es nicht bin, wie kann Gott dann Gefallen haben an dem, was ich thue? Erkenntniß der Sünde fehlt dem reichen Jüngling, weil «seine Vorstel- lungen von Gottes Gerechtigkeit und Heiligkeit beschränkt und dunkel sind; er ermangelt der Einsicht, daß zum ewigen Leben für Geschöpfe, wie wir stnd, die oberste Bedingung ist, daß wir Vergebung unsrer Sünde haben, unsre erste Frage also nicht die sein darf: was muß ich thun, daß ich das ewige Leben habe? sondern die: wie kann ich Sünder vor Gott Gnade finden? wie kann ich, der ich arg bin von Natur, gut werden, daß ich alsdann gute Werke wirken könne? Die Frage, was zu thun sei, löst sich dann leicht und ganz von selber; denn dem Begnadigten wird solch ein Sinn geschenkt, daß er das Gute nicht blos wissen, sondern auch wollen und vollbringen kann? (v. Burger.) Was ist seltener zu finden auch bei klugen, gefcheidten, scharfblickenden Menschen, als eine gründliche Selbsterkeuntniß? was ist auch bei besseren Seelen, bei angefaßten Herzen ein häufi eres Hinderniß einer entschiedenen Sinnesänderung als die Selbfttäuschung die sieh scheut vor einem ernsten Vlick in das eigene Herz? Niiht von den niedrigen Menschen u11d emeinen Seelen soll jetzt die Rede fein, die im Besitz ihrer Erdengüteiy im Genuß ihrer Erden- freuden, im Getriebe ihrer Erdensorgen gar nie zu der Frage kommen: »was fehlt mir uoch?« als höchstens in dem Sinn: wa·s fehlt mir noch zu meinem irdischen Glück, zu einem recht ansehnlichen Vermögen, zu einem recht behaglichen Dasein, zu einer recht glänzenden Stellung in der Welt? Nein! du hast eine bessere Ader in dir, wie der Jüngling im Text; du fuchst etwas Höheres als diese Welt dir geben kann, du stehest dei- nem Gott nicht fremd und gleichgiltig gegenüber, seine Gebote haben ihre heilige Majestät noch nicht verloren vor deinem Herzen und manchmal stimmst du ein in den Seufzer des Psalmisten: »ach daß mein Leben deine Gebote mit ganzem Ernste hielte!« Du bist nicht un- bekannt mit Jesu und seinem Reich; schoi1 manchmal hat sein Bild dich gerührt, sein Wort dich getroffen, sein Geist dich an eweht, daß du dich angezogen fühltest von dem guten eister und ihm nahe tratest mit der Frage: »was muß ich thun, daß ich das ewige Leben möge haben?« deinem eigenen Herzen und seinen tieferen Bedürfnissen, seinen höheren Regungen und verborgenen Schäden, so daß du nicht mit stolzer Selbstgerechtigkeitz sondern wirk- lich oft mit tiefem Schmerze fragst: was fehlt mir noch zum wahren Frieden, zum rechtschafsenen Wandel in den Wegen des HErrn? Aber warum wird’s trotz alledem nicht Ernst bei dir mit der Nachsolge des HErrn? wenn du nicht ferne bist vom Reiche Gottes, warum bist du nicht hineingekommen bis auf diese Stunde? wenn sechs Riegel gewichen waren an deinem Herzen vor dem hei- ligen Finger dessen, der da spricht: ,,fiehe, ich stehe vor Du bist auch nicht ganz unbekannt mit« der Thür und klopfe an«, was war der siebente Riegel an deiner innersten Herzenskammey der nicht with, vor dem der HErr immer wieder umkehren mußte? Wenn hundertmal schon in deinem eigenen Herzen die Frage laut wurde: »was muß ich thun, daß ich das ewige Leben möge haben?« warum ist doch noch nichts Rechtes, noch nichts Entscheidendes geschehen? was fehlt dir noch zu einem ganzen Christen? Was dir fehlt, was Tau- senden fehlt, es ist dasselbe, was dem Jüngling im Evangelio fehlte: die griindliche Erkenntniß deiner selbst. Wörtlich wagt man freilich nicht gerade das nachzusagem was der Jüngling spricht: »das alles habe ich gehalten von Jugend aus«; vielmehr hat man soviel aus Gottes Wort gelernt, daß man einstimmt in das Bekenntiiiß: »wir find allzumal Sünder 2c.«; aber mit diesem »all- zumal« bricht man dem Bußbekenntniß wieder die Spitze ab. Sind wir allzumal Sünder, so kann ja ich freilich keine Ausnahme machen, so .brauch ich mich aber auch nicht allzusehr darob zu rämens und kann ich nicht be- haupten, daß ich alle Ge ote Gottes vollkommen erfüllt habe, o so bin ich ja doch noch besser als hundert Andere, und findet sich gegen das, was mir noch fehlt, wieder so manches, was ich voraus habe, daß ich mich wieder be- ruhige und tröste und Gott danke, daß ich nicht bin wie dieser und jener. Jft Gott heilig und gerecht, so ist er ja doch·auch gnädig und barmherzig und wird’s so streng nicht nehmen. Sag selbst, m. Fu, haben nicht golche Gedanken, gröber oder feiner, schon hundertmal ein Herz eingenommen und dein Gewissen wieder in Schlaf gesungen, wenn es eben geweckt war, und dich aufgehalten in dem Entschluß einer rechtschaffenen Buße? Das ist der letzte Riegel vor unsers Herzens Thüiy die Selbftgerechtigkeih die da spricht: ich habe ja alles oder doch das Meiste gehalten von meiner Jugend auf; ich habe mir nichts Besonderes vorzuwerfen, mit mir hat’s keine Noth. Das ist’s, was uns fehlt zu rechtschassener Buße: ein ernster Blick in unser eigenes Herz, eine gründliche Erkenntniß unsers natürlichen Verderbensz darum gehen soviel Gnadenstunden ohne nachhaltige Wirkung vorüber, in denen wirnicht ferne waren vom Reiche Gottes, darum fallen soviel Bußthränen zu Boden, die uns ein heilsames Bad der Wiedergeburt hätten werden können, weil der Hochmuth uns blendet, der fein Elend nicht einsieht und im nämlichen Augen- blick, wo er fragt: was fehlt mir noch? doch wieder Recht behalten will gegen Gott und seine Gebote, als ob im Grunde nichts mehr fehlte. -— Jch muß es ein- mal doch erfahren, was ich hier war und hier gethan: o laß miih’s nicht bis dahin sparen, wo Reue nichts mehr helfen kann! Hier niache mich zum Himmel klug und frei vom schnöden Selbstbetru . (Gerok.) Weil der Jüngling meint, er habe die Lie e, welche. das Gesetz erfordert» so überweifet ihn Jesus des« Gegentheils, in- dem er einfach geltend macht, daß die Liebe Gottes und der Brüder eine ausschließliche sei und keine andere Liebe neben sich mehr dulde, daß, wer Gott wahrhaft liebe und in der That nichts sonst suche als das ewige Leben, auch ohne Beschwerde alles, was er habe, Gott zur Verfügung müsse stellen können und keinen Vorbehalt mehr machen dürfe »von irgend etwas, was er davon ausnehme. Als Preis des ewigen Lebens ist alles Hab und Gut der Welt Ia ohnehin viel zu geringe; wer aber· sich geberdet, wie dieser Jüngling thut, als sei er bereituiid geschickt zu jeder, auch der höchsten Leistung, als sei in seiner Gesinnung und in seinem Willen nicht der geringste Mangel, als brauche man ihm nur zu jagen, was er thun·solle, und es werde alsobald von ihm geschehen, dem ist» zu zeigen, daß ihm das Beste noch fehlt, eben die Liebe Gottes über alles, daß seine Bereitwilligkeit zu allem Geforderten bis daher noch ein 526 Evangelium Marci 10, 23—31. bloßer Schein sei und arrfSeIbstbetrUg beruhe. Denn wer wirklich so gesinnt ist, daß Gott fein ganzes Leben erfüllt, daß er keine andere Götter hat neben ihm, son- dern Gott feinen HErrn in der That und Wahrheit über alle Dinge fürchtet, liebt und ihm vertraut, für den hat die Hingabe alles Anderen, was er auf Erden sein nennt, keine Schwierigkeit, sobald sie in dem Wege seiner Pflicht liegt und ihm auferlegt wird von einer Seite, welche dazu Recht und Macht hat. Dies Recht und diese Macht hat Jesus; der Jüngling selbst hat sie ihm zugestanden durch seine Anrede und seine Frage, was kann ihn hindern am Vollzug des ihm gegebenen Rathes als nur die ihm verborgene, und ohne daß er es erkennt und meint, ihn noch beherrschende größere Liebe zu seinem Gut? als eine Anhänglichkeit an seinen zeitlichen Besitz, die ihm bis diese Stunde selbst nicht klar bewußt war, aber gleichwohl genügt, seinen Ruhm: »das habe ich alles gehalten von meiner Jugend auf« zu widerlegen und zu Schanden zu machen? Ja, fein Ruhm wird zu nichte; denn wenn er auch alles gehalten hätte, so hätte doch nicht die lautere bloße Liebe Gottes ihn dazu bestimmt, so hätte er doch nicht allein Gott darin gedient, sondern dabei immer nur das eigene Jn- teresse wahrgenommen, so wäre doch nicht das ewige Leben das einzige Ziel seines Trachtens gewesen, sondern dies Trachten wäre immerhin bedingt gewesen durch den stillschweigenden Vorbehalt, auch des zeitlichen daneben nach eigenem Gefallen zu genießen; ja wenn es auf die Probe ankommt, liegt ihm das zeitliche doch näher und dränget das Verlangen nach dem ewigen zurück. Jn dem reichen Jüngling zeigt sich uns das Bild eines Menfchen, welcher das ewige Leben sucht und doch den Weg dazu nicht findet. (v. Burger.) 23. Und Jesus sindem der Jüngling so da- hin ging B. 22]· sahe Um sich [wie er öfter that, wenn er ein wichtiges, entscheidungsvolles Wort spxechen wollte-Tals« Z, »34], und sprach zu seinen Juiigerrn Wie schwerlich werden die Reichen in das Reich Gottes kommen! 24. Die Jünger aber entsetzten sich über sei- ner Rede [weil nichts ihren noch iiniiverwundenen fleischlichen Erwartungen in Beziehung auf das Reich Gottes mehr zuwider laufen konnte als ein solcher Ausschluß gerade derjenigen Klasse der biir- gerlichen Gefellschaft, von deren Gewicht und För- derung sie sich am meisten versprachens Aber Jesus antwortete wiederum, und sprach zu ihnen: Liebe Kinderxt wie schwer ist es, daß die, so ihr Vertrauen ans Reichthum sehen, in’s Reich Gottes kommen! » P. Es ist leichter, daß ein Kameel dnrch ein Radelohr gehe, denn daß ein Reicher in’s Reich Gottes komme» 26. Sie entsetzten sich aber noch viel mehr, und sprachen unter einander: Wer kann denn selig werden swenn du den Eingang in’s Reich Gottes in so hohem Maße verengst daß eigentlich niemand hindurch kann]? sz27. Jesus aber sahe sie an, und sprach: Bei den Menschen ist es unmöglich [daß überhaupt ein Metjsch- wer er auch sei, selig werd»e], aber·- nicht bei Gott; denn alle Dinge sind uioglich bei Gott«* [Luk. I, 37., und so darf einer nur ihm ohne Widerstand sich hingeben und sein Werk an sich gewähren lassen, so kann felbst ein Reichen der das thut, das ewige Leben ererben]. V) Mit dieser Anrede toill der HErr andeuten, daß er zu solchen rede, die von seinem jetzt folgenden Wort nicht unmittelbar mehr betroffen werden; nichts desto- weniger ist die Schilderung der Schwierigkeit, die er darnach giebt, so stark, daß die Jiinger daraus den Schluß machen, da mehr oder weniger ein jeder zu irgend einem natürlichen Gute die Stellung einnehme, welche die Reicheii zu ihrem Reichthum haben, so müß- ten es doch äußerst Wenige oder fchließlich wohl gar Keine sein, denen das Heil zu Theil werde. Und Jesus billigt diesen Schluß unter der Voraussetzung, daß der Mensch bei der Anstrengung um’s Heil sich selbst über- lassen bleibe; da aber Gott selbst das Heil verwirklicht und den Menschen dazu i1i Beziehung bringt, so ist es von dieser Seite her für jeden, auch für den Reichen möglich, gerettet zu werden. (Klostermann.) THE) Wenn der Erlöser zur Erklärung sagt, die Rei- chen seien die, die ihr Vertrauen auf Reichthum setzen, so kommen auch die Armen, wie sie von sich selber sind, fchwerlich in das Himmelreich; die vertrauen gar zu sehr auf das Geld, das sie doch nicht—habe11, während es Reiche giebt, die gar nicht auf ihren Reichthum trauen, wie Abraham und Joseph von Arimathia. Es ist also nur die Gesinnung, die aus Geld und Gut hält, um die es sich hier handelt, mag der Mensch das haben oder nicht, reich sein oder reich werden wollen (,,nicht so- wohl der ist reich, der viel besitzt, sondern der von vie- lem besessen wird«); nur diese Gesinnung erschwert den Eingang, ja macht ihn unmöglich. Dagegen verlangt der HErr zum Seligwerden die Gesinnung der Selbst- und Weltverlengnung; und die Forderung trifft alle — hart, da auf Geld und Gut das Herz alle Tage, fchon um des lieben Brodes willen, gezogen wird. (Braune.) IN) Was dir unmöglich ist in solchen hohen Sachen, will Gott durch feine Kraft in dir selbst möglich machen; er fordert nichts von dir, von deinem eignen Thun, aus deiner eignen Macht —- du sollst in ihm nur ruhn. —- Er weiß wohl, daß du selbst nichts Gutes kaiinst er- zwingen, du sollst auch nur zu ihm ein leeres Herze bringen, das nichts als Gnade will; so füllet er es an und wirket alles selbst, was man nicht selber kann. (Man spricht: ich wollte wohl mich auch zu Gott be- kehren — V. 4 u. 5.) Das ist der Zug der Kinder, die das Reich Gottes überkommen sollen: die Demuth, klein von sich zu denken, Gottes Gabe willig aufzuneh- men, den Stolz, den Ehrgeiz auszuziehen, der selber vor Gott etwas gelten will und damit ihn nur hindert, daß er etwas aus uns mache; zu diesem Kindessinn müssen wir umkehren (o. Burgen) 28. Da [dem Gespräch eine andere Wendung gebend, indem er gerne gewußt hätte, was es mit dem ,,Schatz im Himmel« für eine Bewandtniß habe, den der HErr dem Jüngling für den Fall in Aussicht gestellt, daß derselbe feiner Aufforderung hätte Folge geben wollen V. 211 sagte Petrus zu ihm: Siehe, wir» sdeine zwölf Jüngers haben alles verlassen, und sind dir nachgefolgt swas hast du nun dafür als Ersatz in deinem Reiche für uns in Bereitschaft?]. 29. Jesus antwortete [abgesehen von dem, was er den Zwölfen in ihrer Stellung zu Jsrael noch besonderes in Aussicht stellte Matth.19, 28., Gefahren des Reichthums Belohnung der Nachfolge Jesu. 527 mit Beziehung auf alle, die in künftigen Zeiten ebenso handeln würden wie siej , und sprach: Wahrlich, ich sage euch; Es ist niemand, so er verlaßt Hans, oder Bruder, oder Schwestern, oder Vater, oder Mutter, oder Weib; oder Kinder, oder Anker, um meinet willen und um des Evangelii willen [Kap· 8, 35], » 30. »Der nicht hundertfaltig empfahe, jetzt in dieser Zeit, Hausen »und Bruder und Schwestern und Mutter und Kinder, und Aecker mit [d. i. mitten unter] Verfolgungen [die ihn noch vollends alles dessen berauben, was er nicht schon von selber oder auch äußerlich, wie zuvor innerlich, verlassen V. 29], und in der zukuiiftigeu Welt das ewige Leben. » 31. Viele aber svon den zum ewigen Leben Berufenen] werden [in Ansehung dessen, was ihnen am Ende zu Theil wird] die Leisten sein, die sihrer Berufung nach] die Ersten. sind, und [um- gekehrt werden Viele in Ansehung dessen, was sie erlangen] die Ersten sein, die [von Seiten ihrer Berufung] die Letzten sind [daher solche, die zuerst berufen sind, sich ja vor aller Ueberhebnng über die Andern hüten mögen, während die zuletzt Berufenen keinen Grund haben, wegen ihrer späten Berufung zu verzagen]. Der vorliegende Theil des weiteren Gesprächs dient nicht sowohl dazu, wie es auf den ersten Blick scheinen könnte, dem Verhalten des reichen Jitnglings gegenüber das der Apostel in ein günstiges Licht zu stellen und um deren Haupt den Kranz des Ruhms zu flechten, als vielmehr dazu, der schweren Forderung der Verlassung aller Güter im Dienste Jesu gegenüber das Gleichgewicht wieder herzustellen durch uäheres Eingehen auf den Jn- halt der mit der Forderung verbundenen Verheißung und deren Ueberschwänglichkeit zum Bewußtsein zu bringen. Wie nun zu Matth 19, 28 bereits angedeutet, tritt hier abermals der Charakter der beiden Evangelien von Markus und Lukas seitens ihrer Bestimmung zu- nächst für die Gläubigen aus den Heiden recht deutlich hervor; sie haben denjenigen Theil der Antwort sein, welcher auf die Apostel im Besouderen sich bezieht und auf die ,,Wiedergeburt« oder die Herstellung des tau- sendjährigen Reiches hinausblickh ohne Weiteres wegge- lassen, weil das tausendjährige Reich tiberhaupt nur eine Erfüllung der für Israel besonders gegebenen Verhei- ßungen und die Verwirklichung vou Zuständen ist, wie die Propheten sie für die Zeit der Heriviederbringung ihres Volks in Aussicht gestellt haben, an dieser Erfül- lung und Verwirklichung aber haben die Gläubigen aus den Heiden keinen unmittelbaren und allseitigen Antheil, denen denn auch das Verständniß der darauf bezüglichen Weissagungen der Kirche seither verschlofsen geblieben und erst jetzt, wo die Vollziehung des Geweissagten mit starken Schritten herannahh sich einigermaßen zu lichten anfängt. Während aber Markus und Lukas das, was für ålliatthäus um Jsraels willen von besonderer Be- deutung war, bei Seite gelassen, hat dagegen Markus das, was Matthäus, und ebenso dann Lukas, nur in feinen Kernpunkten berührt hat, mit aller Genauigkeit berichtet und im Einzelnen angegeben, worauf das hun- dert- oder vielfältig Wiedernehmen des Verlasseuen noch »jetzt in dieser Zeit« sich bezieht und in welchem Sinne es zu verstehen ist. Stellen wir uns übersichtlich zu- sammen, zuerst unter a» was einer um Christi und des Evangelii willen verläßt, und sodann unter b» was er hundertfältig dafür empfahen soll, so ergiebt sich Folgendes: a. Haus Brüder Schwestern Vater Mutter Weib Kinder Aecker b. Häuser Brüder Schwestern — Mütter — Kinder Aecker Hieruach trifft Luther’s Rcindglosse nicht ganz zu: »Wer glaubet, der muß Verfolgung leiden und alles daran setzen; dennoch hat er genu , wo er hiukommt, findet er Vater, Mutter, Brüder, üter, mehr denn er je ver- lassen konnte;« gerade die Väter sind unter b wegge- lassen, ebenso auch die Weiber. Es handelt sich hier offenbar um ein geistliches Wiedernehmem darum sind unter den Personen die Brüder und Schwestern vor- angestellt als das am allgemeinsten hervortretende Ver- waudtschaftsverhältniß, ·alle Mitgenossen und IJiitgenos- sinnen desselben Heiles in Christo umfassend (Apostg. 9, 17;» ·11, 29; Rbm. 14, I0 ff.; 1. Cor. S, f.; Z, 155 Philipp. l, 14; Jak.«2, 15 U. s. w.). Fur »Kinder« dient zur Erklärung die Stellung , die Paulus zu den Corinthern und zu Thimotheus in 1. Cor. 4, 14 ff. nimmt, sowie die des Petrus zu Markus in 1.Petri 5, is; zu »Mutter« vgl. Riim. 16,13, und zu allen Aus- drücken zusammen des HErrn eigenes Wort in V. 24 u. Kein s, 34 f. Gleichwie nun das ,,Weib« außer Betracht bleibt, weil es keine Uebertragung auf das geistliche Gebiet erleidet, so wird das ,,Vater«, obwohl hier eine Uebertragung allerdings zulässig ist (1. Cor. 4, 15), gleichwohl fortgelassen mit Beziehung auf das, was der HCrrin Matth. 23, 9 sagt. Was die Sachen oder Güter betrifft, welche die Personen vorn und hinten einschließen, so denke man bei »Häuser« an die gastlichen Freundes- oder Bruderhäufer (Röni. ,12,, 13; l. Petri 4, 97 Hebn 13, 2), und bei ,,Aecker« an die Güterge- meinschaft unter den ersten Christen (Apostg. 2, 457 Hi, 3·6 f.) und an die Collekten oder Handreichungem womit die Gemeinden sich gegenseitig unterstützten (Apostg. 11, 29 f.; 2. Cor. 8, 1 ff.; 9, 1 ff.), fse es aber auch geistlich von neuen Alrbeitsfeldern im Dienste der Kirche. Wenn hinzugesetzt wird: »Mit Verfolgungen«, so ist· das schwerlich als eine Zuthat zu nehmen, die noch hinzu- kommt (,,Verfolgungen die besten Erwerbungen«: P. Lange), sondern der Ausdruck ist zu erklären, wie oben angegeben worden, und soll damit angedeutet werden, daß die neuen Erwerbungem von denen eben die Rede war, durch Verfolgungen nicht können entrissen werden; sie begleiten einen durch die Verfolgungen hindurch und reichen über dieselben hinaus in alle Zukunft hinein, selbst wenn man nicht mehr in der Welt da ist. Offen- bar, bemerkt Klostermaun sehr richtig, ist die Schilderung des Ersatzes in dieser Welt aus dem Bewußtsein eines solchen gegeben, der in den Segnungem welche ihm aus seinem selbstverleugnenden Bekenntuiß zu Jefu erwachsen waren, das reichlich und überschwäiiglich aufgewogen weiß, was er daran gegeben hat. Bei dem Schlußsatz V. 31 hat St. Markus wieder den allgemeinen giltigen Sinn im Auge, wie er auch in Luk. 13, 30 zu Tage tritt; die besondere Beziehung auf die Apostel und die ihnen Gleichgesiellten der letzten Zeit hat für die H eide n- christen keine unmittelbare, sie selbst betreffende Be- deutung, daher er auch das zur Erläuterung des Spru- ches nach dieser besonderen Seite hin in Matth. 20, 1—-16 hinzutretende Gleichniß von den Arbeitern im Weinberge nicht anftihrt, und dient diese Weglassung zu einem that« sächlichen Beweis, daß wir jenes Gleichniß früher (Matth. 20, 7 u. 15 Anm.) richtig gedeutet haben, gleichwie wiederum die Möglichkeit einer richtigen und 528 Evangelium Marci 10, 32—48. zusammenhangsgemäßen Deutung der so schwierigen Parabel die Richtigkeit unsrer Auffassung der Offenba- rung St. Joh. verblirgt, wie wir sie Inehrfach ange- deutet haben. 1v. u. 32-—45. (§. ge u. 97.) di: bisherige« drei Stücke unsrer Grzähtungsgrupne handelten alle vom Hause, das erste über die Ehe, das zweite über die Kinder nnd das dritte über den weltlicheu Besitz; ans diese dreifache tiehrnnterweisnng des thGrrn mit ihrer gesrhictstlictsen Veranlassung haben die beiden ersten Øoangelisten (denn das Gleichniß in status. 20, 1——16 ist nur eine nähere Erläuterung zn dem Sprnch in Matth 19, 30 nnd gehört wesentlich mit zur Z. Unter— Weisung) bei ihrer Schilderung seiner Wirksamkeit in« Yeriia sich beschränkt, während der dritte Evangelist ge- rade diese Wirksamkeit zum seecnpnntet seiner Darstel- lung gemacht hat. Ietzt führt den htiirrn sein Weg aus peräa über den Jordan nach Jerirlso hinüber; denn es ist nun die seit herbeigetcomniem daß er in Jerusalem zu seinem Leiden und Sterben sich einstellt. Wir fassen da die Eetdensverleüudignng beim Uebergang nach Iericlso nnd die Bitte der Söhne Jsebedäi zu einem Gesammtbilde zusammen. (vgt. mlatth 20 , 17-—28; rat. tu, 31—-34.) 32. Sie waren aber auf dem Wege und gingen hinauf gen Jerusalem skamen im Fortschritt des Weges, den sie in V. 17 zur Stadt Livias hinaus eingeschlagen hatten, an einen Punkt, wo es den Jüngern klar wurde, die Reise gehe jetzt nach Jerusalem hinaufjz nnd Jesus ging vor ihnen [wie ein die Seinen in die Schlacht führender Feldherr, was sie noch mehr in der Ueberzeugung bestärkte, er habe die bestimmte Absicht, es jetzt zum Vollzug kommen zu lassen, was er in Kap. S, 31; 9, 12 u. 31 oorausgesagt], und sie entsehten sich sergrifsen von der Ahnung einer ernsten, schweren Zukunft, der sie jetzt geradezu in die Arme geführt würden, und blieben deshalb der Mehrzahl nach zögernd zurück], folgeten ihm nach und fürchteten sich [nach besserer Lesart: die aber ihm nach- folgeten, die wenigen, die in feiner unmittelbaren Nähe blieben, fürchteten sich, thaten es nur furchtsam nnd voll innerer Bangigkeit) Und Jesus nahm abermal zu sich die Zwötfe kmachte Halt auf dem Wege, um die Znrückgebliebenen erst heran- kommen zu lasseu und so alle Zwölfe wieder bei- sammen zu haben], und sagte ihnen, was ihm widerfahren würde: 33. Siehe, wir geben hinauf gen Jerusalem, und des Menschen Sohn wird überantwortet wer- den den Hohenpriestern und Schriftgelehrten; und sie werden ihn verdammen zum Tode und über- antworten den Heiden. 34. Die werden ihn verspotten und geißeln und verspeien und tödten, und am dritten Tage wird er auferstehen [vgl. das zu Matth 20, 19 Bemerktes ,,Ueber die Auferstehung hinaus sagt er ihnen nichts, weil er von da an sich ihnen neu, bezeugen wird; bis dahin aber sagt er ihnen alles vorher, damit sie im Verlaufe des Leidens ihren Glauben bewahren und nicht an irgend einem Punkte diesseits aus den verzweifelnden Gedanken gerathen, nun sei es mit ihm vorbei« 35. Da [bald hernach, als der HErr in der eben mitgetheilten Rede den Jüngern die Zukunft, der sie jetzt entgegengingen, mitgetheilt hatte] gingen zu ihm Jakobus und Johannes, die Söhne Zebediii sgeführt und befürwortet von ihrer Mutter Salome, die sich jetzt wieder zu Jesu gefunden hatte Matth 20, 20 Anm:], und sprachen: Meister, wir wollen, daß du uns thuest, was wir [jetzt] dich bitten werden. 36. Er sprach zu ihnen kdamit es zu Tage träte, was sie begehrten, obwohl er es schon wußte]: Was wollt ihr, daß ich euch thue? 37. Sie sprachen zu ihm: Gieb uns, daß wir sitzem einer zu deiner Rechtem und einer zu deiner Linken, in deiner Herrlichkeitt swenn du nun dein Reich wirst eingenommen haben]. 38. Jesus aber sprach zu ihnen: Jhr wisset nicht- was ihr bitter« Könnt ihr [in williger Hinnahme aller Bitterkeiten, die euch werden zuge- messen werden] den Kelch trinken, den ich trinke, nnd euch sdurch völlige Versenkung in tiefes Todes- leiden] taufen lasseu mit der Taufe, da ich mitge- tauft werde? 39. Sie sprachen zu ihm swenn auch noch unvermögend, in seinem ganzen Umfange zu er- messen, wessen sie sich dermaßen, doch schon als junge Adler ihre Schwingen regend und als künf- tige Löwen ihren Muth osfenbarend]: Ja, wir können» es wohl. Jesus aber sprach zu ihnen: Zwar ihr werdet den Kelch trinken, den· ich trinke, und getauft werden mit der Taufe, da ich mit ge- tauft werde; f 40. Zu sitzen aber zu meiner Rechten und zu meiner Linken, stehet mir nicht zu, euch zu geben, sondern welchen es bereitet ist«-« soon mei- nem Vater]. V) Die zween Söhne Zebedäi sind Johannes der Evangelist und der große St. Jakob; die waren des HErrn nahe Freunde, darum haben sie bei ihm etwas Sonderliches sein wollen. Nun hatten sie viel und oft von ihm gehört, wie er ein König sei und ein Reich haben würde, welches sie als gute grobe Gesellen von einem weltlicheu Reich verstanden hatten; darum machen sie auch einen guten Anschlag, sind wahrlich kluge Fischer und denken, sie müssen zeitlich dazu thun, ehe Andere kommen nnd nehmen ihnen die Ehre hinweg , denken nun, wie sie Andern zuvor kommen und die Nächsten am Brod werden möchten. Auf daß sie aber mitEhren bestünden, bereden sie die Mutter, die Sache anzutragen, denken, wo wir gleich fehlen, so wird er sagen, die Mutter habe närrisch gehandelt als ein Weib, geräth’s aber, so bestehen wir mit Ehren; er wird’s aber der Mutter nicht wohl können abschlagen, wie es gemeinig- lich geschiehey daß die Weiber leichter etwas erbitten denn die Männer, denn sie könnetsis fein klüglich machen Sie gehen hin, die Mutter und die Söhne, und thun die Bitte: »Laß uns sitzen 2c.« (Luther.) Die Leidensverkündigung und die Bitte der Söhne Zebedäi. 529 M) Ach wie oft gilt das auch von unsern Bitten für uns und die unsrigen! wieviel Thorheit, Eitelkeit, Fleischessinn Inischt sich ein in unsre Wünsche und Ge- etel wie oft ist’s Gift, was wir mit heißem Hände- ringen herausbeten und herausbetteln wollen vom Vater im Himmel! Wie mancher Vater, der dieses oder jenes scheinbare Glück erzwungen und ertrotzt hat filr sein Kind, hat nachher, nachdem er sein Kind nnglücklich sah, mit Schmerzen erkannt: ich wußte nicht, was ich that! Wie manche Mutter, die ihres kranken Lieblings Leben im Gebete Gott gleichsam abgetrotzt, hat nach Jahren mit Seufzen gesprochen: ich wußte nicht, was ich bat, wärst du damals gestorben, du wärst nnschuldig gestor- den, du wärst selig hinüber gegangen; jetzt lebst du, aber du lebst mir zum Leid, dir zur Schmach! »Ihr wisset nicht, was ihr bittet«: ach das gilt ganz beson- ders allen Wünscheu der Eitelkeit, der Hoffahrt, des Ehrgeizes Reichthum, Glanz und Ehre wollt ihr für euch und die Euren; aber vergesfet nicht, je höher der Stand, je tiefer der Fall, je größer die Würde, je schwerer die Bürde, je größer die Habe, je größer die Sorge! (Gerok.)—3"k8) Jhr sorget, wie ihr zu großen Ehren kommt: dasselbige wird sich von ihm selbst machen, der Stuhl ist lang gemacht, darauf ihr sitzen sollet, sehet nur zu, wie ihr dazu kommen möget; ihr werdet aber also dazu kommen, wie ich dazu kommen werde. (Luther.) Die Ertheilung der Ehre, um die sie gebeten hatten, war nicht Sache einer besonderen Gunst, die der Sohn nach seiner Willkür austheilen konnte; sie war auch nicht seines Amts, so lange er noch -im Stande der Er- niedri ung war; sie hing von Gottes heiligem Willen und athschluß ab, der erst am Tage des Gerichts sich erfiillen wird. Dann wird der Sohn Ehre und Herr- lichkeit an die vom Vater dazu Verordneten und Be- reiteten austheilem (Ziethe.) 41. Und da das die Zehn loder die übrigen von den zwölf AposteIUJ höreten, wurden sie un- willig uber Jaeobum und Johannem sdaß sie für sich das Höchste in Christi Reich oorausnehmen wollten]. 42. Aber Jesus lden Ausbruch ihres Un- willens gleich in seinen ersten Anfängen niederzuhalten mit seinem beschwichtigenden Wort] rief ihnen, nnd sprach zu ihnen: Ihr wisset, daß sdie weltlichen Fursten [die nun einmal im Regiment sitzen, ohne weiteren Unterschied, wie sie dazu gekommen] herr- schen süber die ihnen unterworfenen Völker, die dann auch aus äußerer Nothwendigkeit unter ihr Sceptsr sich beugen], und die Machtigen unter ihnen [die Magnaten oder Großen dieser Fürsten] haben Gewalt [die ihnen deren Gunst nach Willkür zu- getheilt hat]. » 43. Aber also soll es unter euch nicht sein fdaß ihr wolltet darum über Andere erhöhet sein, um sie dann eure Herrscher-gemalt fühlen zu lassen]; sondern welcher will groß werden unter euch, der soll euer Diener sein. 44. Und welcher unter euch will der Vor- nehmste werden, der soll aller Knecht sein [Kap. 9, 35]. 45. Denn auch des Menschen Sohn [euer Meister und HErr, nach dessen Bild ihr gestaltet sein müßt] ist nicht kommen, daß er ihm D ä chse l ’s Bibelwerh dienen lasse; sondern daß er diene und [um das im vollsien und reichsten Maße zu thun] gebe sein Leben zur Bezahlung sur viele. Daß die weltlichen Ftirsten herrschen und die Mäch- tigen unter ihnen haben Gewalt, das will ich nicht ein- reißen, denn Gott hat es also geordnet und muß also sein; aber, ihr guten Leute, meinet ihr, daß ich ein eben solch Regiment führen und anrichten will? Dasselbe ist vorhin gestistet und geordnet, darum bin ich nicht hier, sondern ich bin kommen jedermann zu dienen; und in meinem Reich soll es also zugehen: wer ein großer Herr sein will, der soll nur viel, viel dienen, und wer zu großen Ehren kommen will, der soll jedermann-s Knecht sein, so geht es recht. Sollte jemand große Macht und Herrlichkeit haben, so hätte ich’s ja billig vor allen An- dern, der ich Gottes Sohn bin und diesen Befehl mit mir bringe, daß ich die Leute zu dem Reich Gottes weisen soll; aber solchen Befehls und Amts brauche ich nicht dazu, daß ich dadurch herrlich, groß und mächtig werde, ich diene und diene mit meinem Leib und Leben, daß ich dadurch bezahle für aller Welt Sünde. Also ler11et euch in euer Amt schicken; laßt euch den Teufel nicht verführen, als wäre mein Reich ein Weltreich. (Luther.)« Christus ist aller Knecht im Centrum der Kirche, der Papst in der Peripherie der Kirche als unfreier Widerhalt gegen die zu rasche Entwickelung des Reiches Gottes. (P. Lange.) V. o. sie-se. (§. ou) us» de» beide« aliud-u- heilungen, die Jesus zu Zlerirho verrichtete, die eine vor dem Eingange in die Stadt, die andere beim Ins— gange aus derselben, berichtet Statut-teue- dle zweite, bei welcher er denn nicht nur name und tjerlknust deo betreffenden Mannes angiebt, sondern auch die einzelnen Umstände in malerischen Zügen verführt; dagegen ist er tn ezeschreibung der Irrt, wie der tsEkr den Blinden heilt, sehr einfach, indem er des Jlnrühreus seiner Jtugen gar nicht gedenkt nnd desto mehr Gewicht auf das Zeugnis deg Glaubens legt — es ist, als hätte er vor- ansgesehcm daß man in Rom einst umgekehrt eo halten nnd viel mit äußeren Manipulationety desto weniger aber mit dem lebendigen slljerzenoglauben sich zu thun machen würde, nnd hätte nun in Petri Auftrag, gegen solche verrännmg des rekhten Verhältnisses prote- stiren zogen. (Ugl. Many. 2l), 29——34; Eule. 18, « 46. Und sie [nachdem sie bei Qnarantania sich einer Genossenschaft von Festpilgern angeschlossen hatten] kamen gen Jericho [wo denn schon bald am Eingang der Stadt ein Vlinder ihnen entge- gentrat Luk. 18, 35 ff.]. Und da er sder HErrJ aus Jericho ging und seine Jünger und ein groß Volk, da saß [abermals] ein Minder, Bartimcius smit NamenL Timäi Sohnxi am Wege uud bettelte. 47. Und da er [durch Nachfrage bei den Leuten, was der große Aufzug zu bedeuten habe, dessen Geräusch er vernahm] hbrete, daß es Jesus von Nazareth war [der hier wie im königlichen Zuge Vorüber ging], fing er svom Geiste Gottes ergriffen] an zu schreien und zu sagen: Jesu, du Sohn Davids, erbarm dich mein. 48. Und viele bedrciueten ihn, er sollte stille schweigenit [uud den festlichen Zug nicht mit sei- st. T. I. 34 530 Evangelium Marci 10, 49——52. 11, 1——10. nem Geschrei storen]. Er aber schrie viel mehr: Du Sohn Davids, erbarm dich mein. 49. Und Jesus sjetzt öfsentlich vor allem Volk auf den Anruf ,,Sohn Davids« hörend, den er früher absichtlich überhört hatte Matth. 9, 27 ff] stund stille und ließ ihiu rufen. Und sie riefen dem Blinden und sprachen zu ihm: Sei getrost, siehe auf, er ruset bitt» 50. Und er lseine Blindheit in der großen Herzensfreude ganz vergessend]· warf sein [Ober-] Kleid von sich [um beim Laufen nicht davon be- hindert zu sein], stund aus und kam zu Jesu lohne daß ihn jemand geführt hätte]. 51.» Und Jesus antwortete and sprach zu ihm: Was willst du, daß ich dir thuu foll? Der Blinde sprach zu ihm: Rabbuni [Matth. 23, 7 Anm.], daß ich sehend werde. · 52. Jesus aber sprach zu ihm: Gehe hin, dein Glaube hat dir geholfen. Und alsbald ward er sehend, und folgte ihm nach auf dem [weiteren] Wege. if) Bartimäus heißt eigentlich schon ,,Sohn des Timäus«, ist aber dergestalt zum Eigennamen des Bettlers geworden, daß der Zusatzt Timäi Sohn, gleichwohl nicht als Ueberfetzung, sondern als absichtlich veigefiigte nähere Bezeichnung zu betrachten ist. (v.Burger.) Mit dieser geflissentlichen Personenangabe verhält es sich ebenso wie mit der in Kap. 15, 21., daß Simon von Cyrene der Vater des Alexander und Rufus war. (Steinmeyer.) Timäus war wohl ein nachmaliger an- gesehener Christ. (Meyer.) —- «««"«) Ein großer Glaube ist das, daß der Blinde denjenigen als Davids Sohn bezeichnet, von welchem die Leute ihm nur gesagt hatten, es sei Jesus von Nazareth. (Bengel.) Es war natürlich, daß die Umgebung Christi bei dem Gedanken an den Beginn seines Königreichs sich zugleich der conventio- uellen Vorstellung überließ, jetzt gelte Hofsitte, hierar- chifche Ordnung; aber auch natürlich, daß das Erbar- men Iesu für den Elenden diesen Nebel zerftreute. Es zeigt fich hier ein Abbild des Gegensatzes zwischen der hierarchischen und der evangelischen Gemeinde; dort werden die Elenden und Armen bedroht zu schweigen, wenn fie den HErrn unmittelbar anrufen, hier heißt es: sei getrost, stehe auf, er ruft dir. (P. Lange.) Dis) Das Geräusch hat den Blinden aufmerksam ge- uiacht; die vielen Mitläiifer in der Gemeinde können dem Elenden zwar nicht helfen, doch wecken sie seine Er- wartung, er lernt durch sie, daß die Hilfe nahe sei. Hat er auch nichts von dem großen Zuge, so ist do der HErr im uge, und diesen HErrn, den David-Hohn, ruft er um Er armen an; aber sein Glaube muß eine Prü- fung bestehen. Die Mitliiufeu weit entfernt, ihm zu helfen, versuchen sogar, ihn einzuschlichterm sie wollen nicht haben, daß der Bettler etwas Apartes begehre, er soll den König im Siegeszug nicht hindern, es soll kein briinstigeres Heilsverlangen geben als dasjenige der großen Menge. Läßt sich der Glaube durch diesen Un- willen däuipfen? der rechte Glaube nimmermehr, ihn schwellt der Widerstand, er fvird vom Menschenansehn frei, er ruft um so lauter zum HErrn um Erbarmen, und nachher fallen ihm auch die Leute zu, daß sie es inne werden, was stir ein andrer Helfer der HErr ist, als alle Menschen. Denn obwohl aus dem Zuge nach Jerusalem und ohne sein großes Ziel aus den Augen zu verlieren, ist es ihm doch nicht zu gering, um des einzelnen Elenden willen stille zu halten. tRiggenbachh f) Ein königlicher Zug war es, dessen Geräusch selbst des Blinden Aufmerksamkeit merkte; und er, der Blinde, der ihn nicht sah, vielleicht weil er ihn nicht sah , rief ihn, während das Volk, das ihn sah, blos den Mann von Nazareth erblickte, lediglich auf das hin, was er gehört hatte, wie einen König an und begrüßte ihn als Sohn Davids; wenn er trotz vielseitiger Verweise bei seinem Rufen beharrte, so bewährte er damit sein Ver- trauen, daß Jesus barmherziger sein werde und seinen Ruf anders verstehen als die, welche in feinem Gefolge waren und ihm mehreren. Deshalb bleibt Jesus stehen, und des Blinden Vertrauen wird gerechtfertigt, wenn eben die ihn der Erhörung seines Rufes versichern müssen, die ihn davon als vergeblich hatten abbringen wollen. Die Freude, die sich in seiner Eile zu erkennen gab, biirgte schon im Voraus dafür, daß sein Rufen einen Größeres erwartenden Glauben an Jesum vor- aussetzte als die Bitte um ein gewöhnliches Almosen; nur deshalb fragt ja Jesus, damit zu Tage komme, in welchem Maße jener von ihm Erbarmen erwartete, und indem er dann thut, was der Blinde in dem Glauben, daß Jesus der verheißene König sei, begehrt hatte, gab Jesus diesem Glauben ein ausreichendes Zeugniß Es ist dann bezeichnend, daß der Blinde das wiedergewoni nene Vermögen, selbstständig gehen zu können, zu nichts Anderem verwendet als dazu, Jesn auf seinem Wege zu folgen, obgleich der Anblick, den er nun gewahrte, dem- jenigen vielleicht Widerspruch, den er erwartet hatte. (Kloftermann.) Markus übergeht die hierauf folgende Geschichte des Zachäus (§. 99); es lag in dem Grundgedanken des Lukas-Evangeliums, daß die Begnadigung des reichen Zöllners nicht fehlen durfte, wogegen Matthäus und Markus zu sehr darauf bedacht sind, den einheitlichen großen Festzug zu schildern, als daß sie auch außer der Blindenheilung noch diesen Zwischenfall mittheilen und bei ihm verweilen könnten. Matthäus mochte auch aus Bescheidenheit die wiederholten Begnadiguns gen der Zöllner nicht hervorheben wollen; Markus vermied vielleicht eine neue Erinnerung an die Gehässig- keiten der· Juden gegen das römische Wesen den römi- schen Christen gegenüber. (P. Lange.) Das 11. Kapitel. Von Christi Einzug, Verflachung des Reigen: Wams, Reinigung des Tempels. I. n. 1——1i. (§. 101.) um die aiuykiaichkeit des königlichen Zuges vou Iericho bis Jerusalem zu wahren, in deren Interesse schon vorhin die Einsicht! bei Zachöug bei Seite gelassen ist, wird dann aukh weiter, ebenso wie bei jltlatthäug , die Ginliehr in ibethaiiirn und die Sal- bung durch Maria einstweilen übkrgangrm bis später Man. 14 , 3 fs.) sitt) Gelegenheit findet zur Uachholnng Die slindenheilang in Jerirho und dieser Zug nach Jerusalem gehören denn auch in der That sachliclj zusammen: ,,dort beliennt siih Jesus zu dem dlameu des Davidg[ohnø, mit welrhem ein Blinde: im Glauben ihn öffentlich begrüßt, obwohl er nirht siehet, hier giebtIesug selbst der Menge Anlaß, ihn öffeutlich alg den König des nerheißenen Reiches anzuliändigem mit seinem Ein— Zuge in den Tempel aber erklärt er, daß sein Kommen vor allem Bedeutung habe für das verhält-riß Jgracls Christi festlicher Einzug in Jerusalem. 531 zu seinem Gotte, dessen Jtnudrncti der Tempel war· Bat. Jlcztth El, 1——11; Ente. 19, 28—44; Sah. IS, I. Und da sie sauf ihrem Zuge drei Tage später] nahe zu Jerusalem kamen, gen Vethphage und Bethanien an den Oelberg [bis wohin sich das Weichbild der heil. Stadt erstreckte], sandte et [indem schon in Bethaniem wo er 2 Tage ver- weilt hatte, Viel Volks aus Jerusalem sich bei ihm eingefunden Joh. l2, 9 ff. und jetzt, bei der An- kunft vor Bethphage, immer mehr Schaaren sich hinzugeselltem zur Erfüllung einer prophetischen Jsksssssuvg Mattkx 21, 4 f.] seiner Jänger z een, 2. Und sprach zu ihnen: Gehet hin in den Flecken, der vor euch liegt [gen Vethpha"ge], und alsbald, wenn ihr hineintommh werdet ihr finden ein Fiillen angebunden, auf welchem nie kein Mensch gesessen ist [als wäre es schon zum Dienst für mich bereit gestellt]. Ldset es ab, Und fühtet es [sammt der bei ihr befindlichen alten Eselin] her; 3. Und so jemand zu euch sagen wird: Wa- rum thut ihr das? so sprechen Der HErr bedarf sein. So wird er’s bald hersenden [und euch bei euerm Werk sogar behilflich sein]. 4. Sie gingen hin und fanden das Fitllen sanf welches am meisten es ankam] gebunden an der That, draußen auf dem Wegscheid sgenauerx dem Umgang, nämlich um den Hof eines Hauses oder um den Complex mehrerer Häuser, also s. v. a. Wegestrich, DorfstraßeL nnd löseten es abutt Z. Und etliche, die da stunden, sprachen zu ihnen: Was machet ihr, daß ihr das Füllen ab- ldset? [vgl. zu Matth 21, 5 Anm.] . s. Sie sagten aber zu ihnen, wie ihnen Jesus geboten hatte; nnd die ließen-s zu. 7. Und sie führeten das Füllen zu Jesu und legten ihre Kleider drauf, und er sehte sich draufttt 8. Viele aber breiteten ihre Kleider auf den Weg. Etliche hieben Maien von den Bäumen und streneten sie auf den Weg. 9. Und die vorne vergingen, und die hernach solgeten, schrieen und sprachen: Hosianna, gelobet sei, der da kommt in dem Namen des HErrm 10. Gelobet sei das Reich unsers Vaters David, das da kommt in dem Namen des HErrmt Ho- sianna iu der Höhe! V) Auffällig ist, daß nach den Worten: »Und da sie nahe zu Jerusalem kamen«, fortgefahren wird: ,,gen Bethphage und Bethanien an den Oelberg«, was doch nicht in demselben Sinne verstanden werden kann wie das vorhergehende ,,nahe zu Jerufalem«; vielmehr ist aus dem ,,nahe kamen« ein einfaches »kamen« zu »gen Bethphage und Bethanien an den Oelberg« zu ergänzen (und kamen gen Bethphage 2c.) und dieses als nähere Angabe der Stelle zu fassen , bei welcher ange- kommen sie nun Jerusalem nahe waren; daß dabei Bethanien mit genannt wird, obgleich es eigentlich sich nur um Bethphage handelt, erklärt sich aus der Be— deutung, die dieser Ort in seinen letzten Lebenstagen stir- Jefum hatte »(dort hatte er sein Unterkommen in dieser Zeit und von dort bereitete er feinen Einzug in Jeru- salem vor V. 11 f.; Kap. 14, 3 ff.), und wenn nun weiter, von Jerusalem aus gerechnet, Bethphage zuerst genannt wird, so soll damit gewiß der Flecken bezeichnet werden, in welchen Jesus seine Jiinger entsendet. Sie sollen ihm dort sein Reitthier verschaffen, ein Füllen, auf dem noch niemand gesessen, das für diese unge- wöhnliche Aufgabe aufgespart wäre; aber ohne Mühe des Suchens , ohne Feilschen und Bitten, sondern wie die Boten eines in voller Freiheit Gebietendew dem niemand sich widersetzt. — i« ) Markus und Lukas lassen die Erwähnung der alten Efelin gänzlich bei Seite; da sie ftir Heidenchriften schrieben, nahmen sie keine wei- tere Beziehung auf die prophetifche Weifsagung des Sacharjcu die flir Jsrael sich erfüllte, ohne diese Be- zu nahme aber wäre die Erwähnung noch eines zweiten T ieres verwirrend gewesen, man hätte wohl für das- jenige Reitthiey welches der HErr benutzte, die alte Eselin angesehen und das Ftillen als nebenher laufend betrachtet, während es gerade auf letzteres ankam als ein solches, auf welches noch nie kein Menfch gesessen. TM) Die Erzählung bewegt sich hier in ebentnäßigem Rhythmus; indem V· 4—-7 uns das Ankommen der Boten, die Verhandlung an Ort und Stelle, die Rück« kehr und die Besteigung des Thieres beschreiben, wird jedes einzelne von diesen 3Stücken in je 3 Redegliedern vorgeführtx I. V. 4. Sie gingen hin, und fanden das Füllen angebunden an der Thüre, draußen auf dem Wegscheid und ldseten es ab· II.V.5u.6. Und etliche, die da stunden, sprachen zu ihnen: was macht ihr, das- ihr das Füllen ablösetit Sie sagten aber zu ihnen, wie ihnen Jesus ge« boten hatte; und sie ließen’s zu. III. V. 's. Und sie führten das Fällen zu Jesu, und legten ihre Kleider daraus, und er setzte sich darauf. Dem entsprechend wird in V. 8——10 das Thun des Volkes abermals in einem dreigliederigen Gange er- zählt, und dann der preisende Lobgesang ebenfalls in drei parallelen Gliedern wiedergegeben. V. 8. Viele aber breiteten ihre Kleider auf den Weg. Etliche hieben Maien von den Bäumen und streneten sie auf den Weg. V.9u.10. Und die vorne vorgingen und die hernach folgten, schrieen und sprachem Hosianna, gelobt sei, der da kommt in dem Namen des HEIruL Gelobt sei das Reich unsers Vaters David, das da kommt in dem Namen des HErrni Hosianna in der Höhe! Nach den Auseinaitderfetzungen über die hebr. Poesie zu Z. Sam. 1, 27 ist also hier alles dichterisch gehalten; es ist eine feierliche, bewegte Stunde, wo die Rede nicht in gewöhnlichem Erzählun ssthl einherfchreitez sondern auf Flügeln der Andacht ü er die gemeine Alltäglichkeit sich er e t — - -s-) Der Zuruf bezieht stch hier nichtg blos, wie bei Matthäus, auf die Person Jesu, sondern auch auf das von ihm erwartete, von ihm zu errichtende Reich; auch in Luk. 19, 38 wird Jesus ausdrücklich als König gepriesen. Markus und Lukas konnten ohne Bedenken 348 532 diese Bezugnahme auf das Königreich Christi mit auf« nehmen, nachdem die Heidenwelt schon in Pontius Pi- latus (Joh. 18, 33 ff.) zu erkennen gegeben, daß sie das ,,ein König der Juden« richtig verstanden und nicht an ein Reich von dieser Welt dachten; dagegen mußte Matthäus bei der zu nichte gemachten Hoffnung Jsraels auf eine politische Verwirklichung der dem David ge- gebenen Verheißung eines beständigen Königreich-s seines Hauses die dahin gemeinte Beziehung des Zurufs strei- chen, um Herzen und Gedanken ausschließlich auf das Wort Christi: ,,Jch bin dazu geboren und in die Welt gekommen, daß ich die Wahrheit zeu en soll« hinzu- richten. Wenn dann außerdem bei Lutzas die Rede des Volks noch anders lautet, als bei Markus, und so unter den drei Evangelisten eine große Mannigfaltigkeit in der Wiedergabe zu Tage tritt, so erklärt sich das voll- kommen aus der Mannigfaltigkeit der Rufe selber, die aus der Menge sich vernehmen ließen und bald so, bald so lauten; die Evangeliften sind eben keine Protokolistety die Wort für Wort wiedergeben, sondern ihre Mitthei- lang so gestalten, wie der Geist es ihnen eingiebt. 11. Und der HErr ging ein zu Jerusalem, und in den Tempel. Und er befahe alles ssein Wirken für den andern Tag damit vorbereitend], Und am Abend [der jetzt schon herbeigekommen und ihm keine Zeit zum Wirken und Lehren mehr übrig ließ] ging er hinaus gen Bethanien mit den Zwblfen [mit diesen allein , also von der Menge sich wieder trennend]. Es scheint, als habe St. Markus ausdrücklich es betonen wollen, daß der HErr nicht an diesem Tage schon zur Tempelreinigung und zu weiterer Wirksamkeit in Wort und That gekommen sei, wie man wohl er- warten könnte; und allerdings wird die Auffassung, daß er sofort nach dem Einzug in den Tempel aus diesem die Verkäufer und Käufer hinausgetrieben und durch Wunderthaten sich verherrlicht habe, durch die Darstel- lung in Matth. 21, 12 ff. nahe gelegt. Das Evangelium des Malthäus war also ohne Zweifel schon vorhanden und bedurfte nun zwar nicht einer Correktur seiner Dar - stellung, denn diese ist nicht falsch, sondern nur in ge- drängter Kürze zufammenfafsend auch für diejenige Zeit, in welcher das erste Evangelium geschrieben worden, mit Hilfe der mündlichen Erläuterung noch selbst ver- ständlichz wohl aber bedurfte es für jene Darstellung einer Abwehr falscher Auffassungen, wie sie von selber da entstehen mußten, wo das lebendige Wort derer, die vom Anfang alles selbst gesehen und Diener des Worts gewesen sind, nun für immer in der Kirche ver- ftummtr. Gelegenheit zu erbaulichen Auseinanders etzungen des Inhalts unsrer Geschichte bietet fich später n hinreichendem Maße, da dieselbe uns noch zweimal zur Betrachtung vorliegen wird; wir beschriinken uns also jetzt auf diese sachlichen Bemerkungen. II. P.12—19. (§.102.) Montag Morgen nach dem palmsonntage begiebt sith Jesus; aufs diene von Entha- nien nath Jerusalem; unterwegs hungert ihn, und da er von Weitem einen Feigenbaum erblickt, de: bereits voll im Laube steht, gebt er hinzu, ob er nicht auch Frucht an ihm nahe, deren er gern genießen Meiste, aber findet nichts: als Blätter; da, in dem Gedanken an denjenigen Feigenbaum der aus geistlichen! Gebiet ihm, wie m diesen Tagen sieh so klar heran-stellen wird, bei aller tBlätterfälle, die Jfrutht versagt, verflncht er dessen Sinnbild, »den jetzt uoe ihm befindlichen wirklichen Feigenbaum nun esse von dir niemand lieiiie Frucht Evangelium Marci 11, . 1 1 — 19. ewiglith In Jerusalem angekommen, begiebt er sofort sich in den Tempel nnd vollzieht die Reinigung desselben, die er schon am Tage zuvor sieh vorgenommen. (vgl. Mund. St, 12——17; sah. 19, 45—48.) 12. Und des andern Tages, da sie sdes Mor- gens Many. 21, 18] von Bethanien gingen sum wieder zur Stadt zu gelangen], hungerte ihn [da er ungessen von Bethanieu aufgebrochen war]. 13. Und sahe lam Wege den Oelberg herab] einen Feigenbanm von ferne, der Blätter hatte; da trat er hinzu, ob er [demgemäß, weil eben der Baum schon Blätter hatte und sich dadurch vor allen andern, die fonst noch am Wege stnnden, auszeichnetej etwas darauf fände. Und da er hinzu kam, fand er nichts, denn nur Blätter, denn es war noch nicht Zeit, daß Feigen fein sollten swelche Zeit erst im Juni eintritt]. Zu andern Feigenbiiumeit wiirde der HErr also auch gar nicht mit der Erwartung, Frtichte zu finden, herangetreten sein; da aber gerade dieser Baum so rei- chen Blätterwuchs zeigte, hätte ihm bei der eigenthiims lichen Natur des Feigenbanms auch die Frucht nicht fehlen sollen, der HErr stand ihm also als einem ge- genüber, der zu ungewöhnlicher Zeit viel versproche und doch nichts gehalten. - 14. Und Jesus antwortete [dem Baum auf seine Einladung, die in dem reichen Blätterschmuck lag: »komm her zu mir, bei mir findest du Fruchh während alle Bäume ringsher noch keine tragen,« welche Rede aber gleichwohl sich als Lüge erwiesen heitres, und sprach zu ihm: Nun esse von dir nie- mand keine Frucht ewiglich [V. 23 Anm.]. Und seine Jiinger hörten das sobgleich er sein Wort in einiger Entfernung von ihnen geredet hatte; sie konnten daher auch am andern Morgen ihre Ver- wunderung aussprechen, als sie das Wort verwirk- licht sahen V. 20 ff.]. 15. Und sie kamen gen Jerusalem. Und Jesus ging in den Tempel, fing an, nnd trieb aus die Verkciufer und Kciufer in dem Tempel; und die Tische der Wechsley und die Stühle der Tauben- Krämer stieß er um; its. Und ließ nicht zu, daß jemand etwas durch den Tempel trüge. 17. Und er lehren, und sprach zu ihnen: Stehet nicht geschrieben [Jes. 56, 7]: Mein Haus foll heißen ein Bethaus allen Völkern? Ihr aber habt eine Mbrdergrnbe lwie es in Jen 7, 11 heißt] daraus gemacht. 18. Und es kam vor die Schciftgelehrten und Hohenpriestem und sie trachteten, wie sie ihn um- brcichten Sie fürchteten sich aber vor ihm, denn alles Volk verwunderte sich seiner Lehre« 19. Und des Abends ging er hinaus vor die Stadt. V) Man hat den Begrlindungssatzx »denn es war noch nicht Zeit, daß Feigen sein sollten,« für einen Selbstwiderspruch des Erzählers ausgegeben, der den- selben Baum wider Willen entfchnldige, den« er anklagen Verfluchung des Feigenbaums müßte; aber Markus will in völlig verftändlicher und richtiger Weise nichts anderes damit, als den Contrast hervorheben, daß der Baum wie jeder gewöhnliche Feigenbaum um diese Zeit keine Früchte hatte, ob- wohl er doch durch seine ungewöhnliche Belaubt- heit den Schein verbreitete, als sei er von der Regel der Jahreszeit ausgenommen, indem er früher, als alle Feigenb äume sonst, Frucht böte. Dieser täuschende Schein giebt Jesu Anlaß zu der Verflachung, die, wie der Evangelist durch die Notiz, daß die Jüuger dies gehört haben, bemerklich macht, ihre Bedeutung für die Jünger hatte, also sich beziehen mußte auf die Geschichte, in der ste standen. Jesus nämlich ist in die Hauptstadt seines Volkes gekommen, um bei diesem die Aufnahme zu finden, die ihm als dem Verheißenen gebührt; dieses Volk ist ja allen Völkern voran und es verbreitet selbst den Schein um sich, als ob es im Glauben an die Ver- heißung sehnlich den Verheißenen erwarte, um ihn zu empfangen, während alle übrigen Völker weder von der Verheißung wissen noch zum Empfange des Verheißenen bereit sind. »Jn der Erwartung , bei seinem Volke zu- nächst sicherlich willige Aufnahme zu finden, ist Jesus zu diesem gekommen; aber so berechtigt die Hoffnung nach dem eigenen Gebahren des Volkes war, so ent- schieden wird sie getäuschh Jsrael ist eben so blind gegen sein Heil wie die übrigen Völker, und wird deshalb zur Strafe unter den übrigen Völkern als ein seiner Lebens- kraft entkleidetes zu stehen kommen, das man verachtet und von dem man nichts mehr erwartet. (Klostermann.) Der HErr empfand Hunger, als er des Weges zog; in dem Bedürfniß nach Speise schaut er umher, und sein Auge erblickt in der Ferne Einen Feigenbaum (vgl. Matth.21, 19), welcher in der Unterscheidung von allen andern —- auf dem Wege von Bethanien nach Jeru- salem standen wohl viele, Bethphage (d. i. Feigenhausenl hat ja von ihnen seinen Namen gehabt — bereits Blät- ter hatte. Das war in dieser Jahreszeit eine ganz un- gewöhnliche Erscheinung; da aber die Früchte der Fei- gen stch früher entwickeln als die Blätter, da die Blät- ter sich mit dem beginneuden Reisen der Früchte erst entfalten, so durfte Jesus an dem belaubten Baume auch Fritchte erwarten, vorzeitige Früchte im Verhält- niß zu den übrigen Bäumen. Er sucht daher darnach, allein der Baum hat die Erwartung, die er erweckt, ge- täuscht; und weil er nichts anderes als Blätter hat, so bricht der HErr in die richtenden Worte aus. Er war gestern in die Stadt Jerusalem eingezogen, er hatte den Tempel besucht, und nachdem er alles besehen, kehrte er in der Abeudstunde nach Bethanien zurück; am heutigen Morgen, als er Stadt und Tempel abermals besuchen will, thut er das vorliegende Zeichen, dasselbe steht also in der Mitte zwischen dem prüfenden Blick, der alles durchmusterh und der Tempelreinigung die für heute bevorsteht, und schon dadurch wird die Beziehung aus die letzten Kämpfe mit den Leitern der jüdischen Theo- kratie (und auf das Schicksal derer, die sich von ihnen leiten lassen) sehr wahrscheinlich. Dazu veranlaßte nicht nur die Shmbolik des alten Teft., in einem Feigen- baum das Bild Jsraels zu sehen, sondern kraft einer selbsteigenen früheren Gleichnißrede (Luk. 13, 6 ss.) war der HErr auch ganz in der Lage, gerade jetzt diese An- schauuug zu vollziehen. Jsrael nun war dazu gesetzt, daß es Frucht bringe; und zwar bestand dieselbe nicht in Werken der Gerechti keit, sondern in dem Glauben an den erschienenen esstas. Die sichtbaren Blätter ließen eben dies e Frucht erwarten; denn die unleugbare Pietät gegen Gesetz und Propheten, die Pünktlichkeit und Peinlichkeitz mit welcher Opfer und Eerimonien voll- zogen wurden, schien den fröhlichenEmpfang dessen in sichere Aussicht zu stellen, auf welchen dies alles zielte Reinigung des Tempels. 533 und wies. Gleichwohl blieb dieselbe aus, die Nation verwarf den Bundesengeh welcher zu seinem Tempel kam; der blättervolle Baum erwies sich dem prüfenden Auge als leer an Frucht. Der HErr zürut: die Sei- nen (Joh. 1, U) haben ihren HErrn nicht aufgenom- men, so sollen sie aufhören, das Volk des Eigenthums und der Verheißung zu sein; sie haben ihr Pfund nicht in Treue verwendet, so wird es ihnen entzogen; der Baum soll zwar stehen bleiben an dem Wege, aber ver- dorrt, mit dem Merkmal der geschehenen Verwerfung, unberührt von dem Strome des neuen Lebens, der fort- an die Welt durchgehen wird, ein Wahrzeichen des gött- lichen Ernstes gegen die Verächter der Gnade. Daher wird denn auch niemand mehr auf den Gedanken kom- men, auf diesem sichtlich abgestorbenen Baume eine Frucht zu suchen, keinenfalls wird irgend jemand sie von ihm empfangen. So jemand Wahrheit, Trost« Friede, Kraft, oder was es sonst sei, begehrt: vor Js- rael wird er als vor einem dürren, abgelebten Baume gleichgiltig vorübergehen. (Steinmeyer.) Hiernach ist es denn auch klar, an wen wir in Offenb. 6, 13 bei dem Feigenbaum zu denken haben, der seine Feigen abwirft, wenn er vom großen Winde bewegt wird; es liegt wesentlich derselbe Gedanke, den hier der verdorrte Feigenbaum ausdrückt, dort in dem »die Sterne des Himmels fielen auf die Erde,« dagegen ist Jsraels Schicksal, das von jeher so verachtet und mit Füßen getreten worden, in den abgeworfenen uud am Wege liegenden Feigen versinnbildlicht, wie wir später sehen werden. «) Siehe, es ist ein Mann, der heißt Zemahz denn unter ihm wird es wachsen, und er wird bauen des HErrn Tempel. Ja, den Tempel des HErrn wird Er bauen, und wird den Schmuck tragen: diese Schrift (Sach. 6, 12 f.) war jetzt vor Jerusalems Augen erftillt. Der Mann — sein Name war emah, vor dem fleisch- lichen Auge war er ein kleiner proß, aus Galiläcks vom Geiste nicht befruchteten Boden; aber Himmel und Erde waren bewegt (Hagg. Z, 7) , als aus der Jung- frau Schooß das Kindlein hervorging, das nun zum Manne gesproßt und gewachsen war. Gott hatte ihn gesandt, den Alleingebornen, von dem vor 33 Jahren der Engel dem Zacharias am Räucheraltar die erste Kunde-gebracht und den Simeon begrüßt hatte als das Licht zur Aufdeckung der Heiden und als die Herrlichkeit des Volkes Jsrael; jetzt zog er ein in seinen Tempel, der HErr, der Mann, in dem die Fülle der Gottheit leiblich einwohnte und der das Haus zu bauen hatte, worin Gott mit Menschen versöhnt und Menschen zu ihrem Gott zurückgebracht werden sollten. Und in wel- chem Zustande trifft er das Haus, darüber er Herr war, wovon er als zwölsjähriger Knabe bereits gesagt: ,,muß ich nicht sein in dem, das meines Vaters ist?« Er sieht nichts als das Getümmel von Kaufenden und Verkaufenden und das Geldgeschäft der Wechsler; von allen Enden der Welt strömen Juden und Judengenossen zu dem heiligen Fest hinzu, und anstatt diesen Unsterb- lichen Seelen den Namen des Unbekannten zu verkünden, auf daß ein jedes Herz sich seiner Noth " entlade und sein Gebet emporsende zu dem, der hört (1. Kön. 8, 38 f.), sind es nichts als Kramläden und Wechslertische, welche die Herzunahenden empfangen. O das Haus, ein Bethaus genannt allen Völkern, es war von hab- süchtigen Priestern zu einer- Grube gemacht, die Seelen zu morden! Er, der glüht für die Ehre seines Vaters und dem der Jammer der Jrregeleiteten zu Herzen geht, bindet die Ruthe der Geißel, womit er fein Hei- ligthum setzt; und nachdem die Wechslertische umgestoßen und die Kaufftühle beseitigt und Ruhe im Tempel ge- schafst ist, daß niemand irgend ein Gefäß durchtragen 534 durfte, beginnt sie selbst, die ewige Weisheit, ihren Tisch zuzubereiten und das Wort der Seligkeit zu verkünden. Die Evangelisten begnügen sich mit der kurzen Nath- richt, daß Jesus gelehrt, das Evan elium gepredigt habe und daß Blinde und Lahme zu i m kamen und von ihm geheilt wurden; den Jnhalt seiner Gespräche und Reden können wir aus den früheren Kapiteln der Evan- gelien errathen , was Jesus nun etliche Jahre in allen Schulen gelehrt hatte, das drängte er ohne Zweifel in diesen letzten Reden im Tempel zu Jerusalem noch ein- mal zusammen iJoh. 18, 20). Die Hohenpriester aber und Schriftgelehrten sahen mit wachsendem und ver- bifsenem Grimm die wunderbare Macht dieses Ein- dringlings: er kommt in den Tempel und schaltet darin als unumschränkter Gebieter, er öffnet seinen Mund zur Belehrung und alles Volk hängt an seinen Lippen, die Kinder rufen Hosianna dem Sohne Davids und die Lahmen gehen und die Blinden sehen. Sollen sie sich denn ihre ganzeMacht entwinden lassen von diesem ver- haßten Nazareney sie, die Herrscher über das Volk in Jerusalem, die bis dahin angebeteten Heiligen, die Götter der Synagoge und des Tempels? Er muß zu Grunde gerichtet werden, dieser Jesus, das steht bei ihnen fest; aber wie ist es anzufangen, da das tolle Volk durch ihn hingerissen ist? (Wichelhaus.) III. v. est-es. (§. 103.) Jan morgen v» deines: Tages, des lehten im Stachel, führt der weg von se— thauien nach Jerusalem an demselben Feigenbaum vor— bei, den der xtjGrr Tags vorher verflucht hatte, nnd der umherslhaueude slletrus gewahrt zuerst, das?- er bis in die Wurzel verdorret is. Jils er Jesum darauf aufmerksam macht, hätt dieser eine Rede von der Wuudermacht des Glaubens, als wollte er sagen: »Ich« nicht mich an, als hätte ict) solkhes gethan in einer Kraft, die ich eigen- thiimtich uud ausschließlich besitze, sondern habt auch ihr Glauben an Gott, d. i· gehet allezeit in Gottes wegen, wie ikh darinnen gehe, verschafft eukh das zuuersictstliche Bewußtsein, daß ihr Gottes seid und Gott euer ist, und redet und handelt nur immerdar aus Gott uud in Gott; dauu mögen sich auch Berge entgegen-setzen, sie werden auf euer Wort sich vor euch davouheben und iu’s Meer werfen müssen, und alles wird aus euer Gebet euch zu Theil werden, was ihr als ein wirklich Gmufangenes erkannt habt. Doch verwekhselt nimmer die Sache Gottes mit der Sache eines Menschen, der no) selbst zu rächen ikusl hat; nur wenn ihr nichts wider irgend jemand im ijerzen habt, alles iu Gottes Hand stellt und lediglich auf dem Strom seiner sündenvergebenden Gnade treiben werdet ihr Freudigkeit haben im Gebet und But-sagen können, was ihr bittet«. (d1gl. Many. A, —- )« 20. Und am Morgen sdesDienstagsq gingen sie san derselben Stelle, an der gestern das in V. 13 f. Erzählte stattgefunden hatte] vorüber, und sahen den Feigenbanm, daß er verdorret war» [von der Krone an] bis auf die Wurzel [genauer: von der Wurzel an bis in die Krone] 21. Und Petrus gedachte dran swas der HErr mit« dem Baume verhandeltL und fprach zu ihm: Rabbd siehe, der Feigenbaum, den du verslucht hast, ist verdorret [und also dein Wort sehr schnell und vollständig erfüllts 22. Jesus antwortete, und sprach zu ihm: Habt Glauben an Gott [seid bei dem, was ihr redet uud thut, euch dessen unzweifelhaft gewiß» Evangelium Marci 11, 20—29. daß ihr es redet als Gottes Wort nnd treibet als Gottes Werk, so steht euch auch ganz dieselbe Wun- dermacht zur Seite Matth· 21, 21j. 23. Wahrlich, ich sage euch, wer zu diesem Berge [der hier vor euch liegt] spräche; Hohe dich, und tvirf dich ins Meer, und zweifelte nicht iu seinem Herzen, sondern glaubte, daß es geschehen wurde, was er sagt [indem Gottes Geist Zeugniß giebt seinem Geist, es sei also Gottes Rath und Wille, der durch ihn vollbracht werden soll]; so wird es ihm geschehen, was er sagtt sseiaWort wird piinktlich und auf der Stelle erfüllt werden] 24. Datum [weil der Weg, um euern Willen mit dem göttlichen zu einen und Gottes Willeu ganz und vollkommen zu dem euern zu machen, kein anderer als das Gebet isiJ sage ich enchx Alles, was ihr bittet in eurem Gebet, glaubet nur, daß ihrs empfahen werdet sindem das andauernd und in der rechten Weise fortgesetzte Gebet selbst euch solche freudige Zuversicht ins Herz gelegt hat], so wird es euch werden. 25. Und wenn-ihr stehet und betet, so ver- gebet, wo ihr etwas wider jemand habt, auf daß auch euer Vater im Himmel szu dem ihr ja in rechtem Kindes-Verhältnis; stehen müsset, wenn er überhaupt euch hören soll] euch vergebe eure Fehler [und nicht um derselben willen eure Bitte euch gleich von Haus aus müsse versagen] 26. Wenn ihr aber [um hiermit eine Erinne- rung an das schon in der Bergpredigt gefprochene Wort Matth. 6, 15 zu verbinden] nicht vergeben werdet, so wird euch euer Vater, der im Himmel ist, eure Fehler sebenfallsj iticht vergeben« DE) Markus zeigt auch hier wieder, daß er nicht zu- nächst für Juden sein Evangelium berechnet hat, indem er die erste Hälfte der dem Glauben an Gott gegebenen Verheißung wegläßtz denn diese bezieht sich eben speziell auf Israel; sie lautet bei Matthäus, der ein Jnteresse dafür hat, also: »So ihr Glauben habt und nicht zweifelt, werdet ihr (nicht allein) solches mit dem Fei- genbaum (griech. re«- 7779 nun-IF, d. i. das des Feigen- baums) thun,« und haben wir früher, bei der Erklä- rung des Evangelistem den Wortlaut einstweilen nach demjenigen Sinne erläutert, den die gewöhnliche Aus- legung ihm beilegt und wie der abgebrochene Satz bei Markus sie an die Hand giebt, die strengere Fassung jedoch schon in der Bemerkung aus der Tübinger Bibel vorläufig angedeutet. Einen rechten Sinn ergiebt ja das eigentlich auch gar nicht, was nach der gewöhnlichen Auslegung bei des Matthäus Worten herauskommt: ,,auch ihr werdet, gleich mir, dasselbe an einem Feigen- baum thun«; denn diese That des HErrn war eine ganz außerordentliche, ungewöhnliche, prophetisch-shm- bolifche und nicht zu wiederholende, und nicht irgend welcher Feigenbaum ist es, um den es sich· handelt, son- dern ein einzelner, flir sich allein dastehender (Matth. 21, 19), der seinem ganzen Wesen nach eine Abnormität ist (Marl.11,—13), und an ihm bleibt das Wort haften, weshalb es auch mit] dem bestimmten Artikel bezeichnet ist (,,das des Feigenbaums«). Hiernach ergiebt steh als die richtige Bedeutung der Worte vielmehr diese: ,,ihr werdet dasselbe mit dem Feigenbaum thun, was ich mit Von der Macht des Glaubens. ihm gethan, nur mit dem Unterschied, daß ich es sym- bolisch gethan, während ihr es in der Wirklichkeit vollziehen werdet an demjenigen Volk, dessen Symbol der Baum ist, nämlich das Verdorrenmachen.« Offen- bar bezieht sich das auf die Predigt der Apostel, mit der sie fort und fort den Juden das Heil angeboten haben; indem diese nun aber das Wort ihrer Predigt ver- warsen und die Apostel den Staub von ihren Füßen schtittelkn sich von ihnen abwenden und sie dem Gericht überlassen mußten (Apostg. 13, St; 18, 6), machten sie denselben Feigenbanni in geistlicher Wirklichkeit verdorren, den der HErr in prophetischer Symbolik verflucht hatte. Sie wendeten sich andrerseits mit ihrer Predigt nun zu den Heiden; aber solange der Tempel mit seinem Got- tesdienst noch bestand und Israel noch seine Stellung als Gottes Bundesvolk einnahm, stand dieser ihrer wei- teren Wirksamkeit wie ein gewaltiger Berg im Wege, daß um der Juden und ihrer Ansprüche willen selbst die Apostel zertrennet (Gal. 2, 11 ss·) und die Gläu- bigen in Pauliner und Petriner (1. Cor. B, ? sf.) ge- theilt wurden. Jetzt, wo Markus in Rom sein Evan- gelium schreibt, ist nun auch, nachdem es zur vollen Einigkeit im Geist bereits gekommen, wie wir später sehen werden, auch die Zeit unmittelbar bevorstehend, daß der Berg sich hinweg heben und in’s Meer stür- zen muß, und aus diese Beseitigung im Wege stehender Hindernisse für die Ausbreitung des Reiches Gottes unter den eiden kommt es unserm Evangelisten mehr an als dara f, wie es mit dem am Wege stehen- den blättervollen, aber frtichteleeren Baum fernerhin be- stellt sein wird. Wohl aber hat St. Marias, wenn er gleich hier den Ausspruch des HErrn verallgemeinert und von der Beziehung aus Israel abgelöst hat, dennoch späterhin sein Jnteresse nicht verleugnet an dem letzten, schließlichen Schicksal desjenigen Volks, dem er selber angehörte: in Kap. 13, 28 redet er ebenfalls von dem Feigenbaum und läßt Jesum ganz ebenso, wie das in Matth. 24, 32 geschieht, sein Wiederfaftigwerden nach langer Winterdürre verktindigem damit ist denn das ,,ewiglich« in dem Fluchwort des 14. Verses: ,,nun esse von dir niemand keine Frucht ewiglich« auf den- jenigen Begriss beschränkt, da es nur die ganze Zeit- dauer bis zu dem ihr gesetzten Ende bedeutet, während welcher nie eine Aenderung eintreten soll (nicht aber ist eine Zeitdauer ohne alles Ende gemeint, in welchem Sinne das Wort wohl sonst oft genug in der heil. Schristvorkommtlt 2. Mos 21, Z; 29, I; Pred. l, 4. Mk) An die Regel, daß man alles von Gott Erbetene als wirklich von Gott empfangen im Glauben wissen (1. Kötn 17, 21 Anm. Z) und in diesem Sinne— Glauben an Gott (V. 22) haben muß, um es darnach auch zu nehmen, schließt sich eine nothwendige Vorbedingung zum Gebet, die nämlich, daß man Vergebung seiner Sünde vor Gott habe, um als sein Kind und mit ihm geeint beten zu können; nun aber ist folche Vergebung nicht zu erlangen ohne Erfüllung dessen, wozu uns die fünfte Bitte des heil. Vaterunsers verpflichtet, daß wir dem Nächsten seine Schuld gegen uns erlassen haben und also von keinerlei Rachsucht bei dem, was man sich von Gott erbittet, im Herzen bewegt werde. Diese Er- mahnung ist hier, wo aus der Erfüllung eines Flnch- wortes die Macht des Gebetswortes ohne jegliche Einschränkung gefolgert wird, gewiß an rechter Stelle, um allem Wahn vorzubeugen, als könne die dem Glau- ben verliehene Macht über Andere je im Dienste der Gehässigkeit und des Fanatismus gebraucht werden; es hat wiederum siir Rom seine besondere Bedeutung, daß gerade hier Markus so ausführlich ist und jeglichem åzliißbzauch der Verheißung des HErrn vorzubeugen sich emtt t. 535 IV. o.27—aap.12,44. (§.103—1o8.) Im akmpkt angeliommem hat der thokrr an diesem Tage viel Kampf wider die, die ihm sein Herr-Sein im Hause Gottes streitig marhen wollen, aber er ,,herrschet unter seinen Feinden« nnd behauptet das Feld als srhlagfertiger Sieger. Zuerst treten Abgeordnete des ihohenrathg an ihn heran " und fragen ihn nach seiner Vollmacht zu dem, was er gestern im Tempel vorgenommen; er läßt sie selber auf die Antwort damit Verzicht leisten, daß sie auf seine »Gegenfrage, woher die Taufe Iohanniz ob vom Himmel oder von Menschen, nicht Rede heben wollen (V. 27——33). von den mancherlet weiteren DiHpntationen, die hierauf folgen, erwähnt St. Mariens nur diejenigen, deren Er— gebntß ein bedeutsamer Ausspruch Jesn gewesen, welcher für heideuchristliche lceser von besonderem Interesse sein mußte: das Gleichniß von den bösen Weiugärtnern Man. is, 1—12), die Verhandlung über die verpflich- tnng zum Zinggeben an den Kaiser (V. 13—l7), über die Auferstehung der Todten (V. 18—27) und iiber das vornehmste Gebot (V. Eli-ZU, sowie die von Sesu an die Widersacher gerichtete Frage, wie mit ihrem sahe, der Messiag sei Davids Sohn, der andere sieh reime, da ihn David seinen thGrrn nennt (V. 35—37)? hiermit hat der sljØrr allem Fragen und Disputiren ein Ende gemacht, sein ttehrstuhl wird nun zum leikhlstuhh von welchem ane er das wehe ruft über die Pharisäer und Sthriftgelehrten und alles Voll: vor ihrem Thau und Treiben warnt; unser Evangelist begnügt steh mit einem ganz kurzen Auszug ans der Rede (V. 38——40), aber schon dieser Auszug reicht hin, dem tbeser den Eindruck; zu erwecken, wie sehr die Menge dau Vorrecht Iesu vor ihren bisherigen geistlichen Wettern muß anerkannt haben, daß fle ein so siarleee Wort über diese ruhig von ihm hinnahm Zuletzt (V. 41-——44) folgt noch die Geschirhte vonsdem Scherflein der Wittwe. (lbgl. Matlh A, 23 ——23, 39; Knie. M, 1 — St, 4.) 27. Und sie kamen snachdem sie den Oelberg hinter sich gelassen und den Kidron überschritten hatten] abermal gen Jerusalem. Und da er in den Tempel ging [richtiger: in dem Tempel umherwandelte als Herr in seinem Hauses, das er gestern wieder sich gereinigt V. 15 fs.], kamen zu ihm die Hohenpriestee und Schriftgelehrteiu nnd die Aelteftelt [in feierlicher Weise und -in ihrer Würde als oberste geistliche Landesbehördeh 28. Und sprachen zu ihm: Aus was für Macht thust du das swas du am gestrigen Tage hier vorgenommen V. 15 f.]? llnd wer hat dir die Macht gegeben, daß du solches thust? sHast du eine Vollmacht dazu, oder vielmehr, da du ja dich geberdest, als hättest du eine folche in unbe- schränkter Fiille, wer hat sie denn dir gegeben? wir wissen» nichts davon, daß je eine dir von denen, die sie doch allein zu ertheilen hätten, wäre verliehen worden] 29. Jesus aber antwortete, und sprach zu ihnen: Jch will cuch auch ein Wort sin Bezie- hung auf einen Punkt, dessen Erledigung vor allen Dingen geschehen muß] fragen; antlvottel mir, so will ich cuch sagen, aus was für Macht ich das thue [denn meine Antwort muß so oder so ans- fallen, je nachdem die eure wird ausgesallen sein].« 536 Evangelium Marci 11, 30—33. IT, 1——23. 30. Die Taufe Johannis, war sie vom Himmel, oder von Menschen? Antwortet mir. 31. Und sie gedachten bei sich selbst und sprachen: Sagen wir, sie war vom Himmel, so wird er sagen: Warum habt ihr denn ihm nicht geglaubt sdaß ihr euch hättet ebenfalls von ihm taufen lassen Luk. 7, 30]? 32. Sagen wir aber, sie war von Menschen, so fiirchten wir uns vor dem Volk [genauer: Aber sollen wir sagen: von Menschen?— sie fürchteten jedoch, um dazu sich zu entschließem so gern sie auch also geantwortet hätten, das Volk] Denn sie sdie Leute] hielten alle, daß Johannes ein rechter Propbet wiire kund hätten gewiß nicht gelitten, wenn die Hohenpriefier und Schriftgelehrten und Aeltesten ihm seine Ehre hätten nehmen wollen].j 33. Und sie antworteten und sprachen zu Jesux Wir wissen es nicht. Und Jesus antwor- tete und sprach zu» ihnen: So sage ich euch auch nicht, aus was sur Macht ich« solches thue sdenn nun fehlt es mir an aller Grundlage zu einer passenden Antwort für euch]. Die Gegenfrage Jesu beruht aus der Voraussetzung, daß die Obrigkeit, wenn sie Johannes gegenüber ihren Beruf gewissenhaft erfüllt hätte, zu einer solchen Frage an Jesum gar nicht mehr hätte kommen können; und wie er in Kuh. 9,12 gesagt hat, daß die Erfüllung der Weissagung in Johannes und in ihm selbst parallel sei, so sagt er mit seiner Frage der Obrigkeit, daß sie nur in demselben Maße seine Vollmacht anzuerkennen fähig und zu prüfen berechtigt sei, als sie den göttlichen Ur- sprung der Wirksamkeit des Johannes, die sich in seiner Taufe ausdrtjckte, anerkannt habe. Hat sie sich gegen diesen deutlichen Anfang des Gottesreichs gleichgiltig verhalten, so hat sie kein Recht mehr, von dem Fort- gange seiner Verwirklichung zu erwarten, daß er sich vor ihr legitimire; denn sie will tiberhaiipt nichts mit ihm zu thun haben. Indem Jesus ihnen die Antwort weigert und gleichwohl das von ihnen beanstandete Recht darnach ebraucht, ist entschieden, daß das Reich Gottes durch isn sich in einer Weise verwirklichen und anbieten wird, bei der. die Beglaubigung der geistlichen Behörde Jsraels ihm nicht zur Seite steht, und wer seiner theilhaftig werden will, durch den unmittelbaren Eindruck desselben auf sein Gewissen schon frei geworden sein muß von der Gebundenheit an jene geistliche Auctoritäh (Klostermann.) Das 12. Kapitel. Vom Weinberge, «3iu8grosoljeii, Auferstehung, iuornetjmsiem gebot, dem Rkessikk den Schrift: gelehrten und der armen Wittwe. l. Und er sing an zu ihnen sder äußeren Form nach zu dem Volk, dem inneren Gehalt nach aber eigentlich zu ihnen,.den Hohenpriestern und Schriftgelehrten und Aeltesten Kap. U, 271 durch Gleichuisse [welehe ihm gestatieten , viel be- stimmter seine Meinung auszudrücken , als es bei den»Ri’icksichten, die er zu nehmen hatte, in eigent- licher Redemöglich gewesen wäre] zu reden lin- dem er zuriächst in dem Gleichniß von den zween Söhnen ihr Verhalten als Privatpersonen dem der Zöllner nnd Sünder gegeniiberstellte dann aber in dem hierauf folgenden Gleichniß sie in ihrem amtlichen Verhalten als Oberste des Volks characteristrte]: Ein Mensch pflanzte einen Wein- berg, und führte einen Zaun darum, und grub eine Kelter, nnd baiite einen Thurm, nnd that ihn aus den Weingartneriy und zog über Land. 2. Und sandte einen Knecht, da die Zeit kam, zu den Weingärtnerm daß er von den Weingart- nern nähme von der Frucht des Weinberges Uoviel er sich selbst vorbehalten nach Abzug desjenigen Theils, der den Weingärtnern als Lohn verbleiben sollte]. . 3. Sie nahmen ihn aber, und stciupten ihn, und ließen ihn leer von sich. 4. Abermal sandte er zu ihneii einen andern Knecht; demselben zerwarfen sie den Kopf mit Steinen lind ließen ihn geschmcihet sin solcher Weise des ihm angethanen Schimpfes und Hoh- ness von sich [zu ihrem Herrn, dem dieser Hohn eigentlich galt]. Z. Abermal sandte er einen andern; denselben tödteten sie, nnd viel andere ssandte er heruach noch, die sie ebenfalls mißhandeltenL etliche stäupten sie, etliche tödteten sie. s. Da hatte er noch eiiien eiiiigen Sohn, der war ihm lieb; den sandte er zum letzten auch zu ihnen nnd sprach: Sie werden sich vor meinem Sohn scheuen. 7. Aber dieselben Weingcirtiiec sprachen unter einander: Dies ist der Erbe; kommt, laßt uns ihn tödten, so wird das Erbe unser sein. 8. Und sie nahmen ihn und tödteten ihn, uiid warfen ihn [den Leichnam] heraus vor den Wein: berg [Matth. 21, 39 Anm.]. . 9. Was wird nuu der Herr des Weinbergs thun? Ei: wird kommen [so wiederholte Jesus noch einmal langsam und bedächtig ihre Antwort, welche die Hohenpriester nnd Schriftgelehrten und Aeltesten ihm auf diese seine Frage gaben Vtatth 21,·41 Anm.] und die Weingiirtner umbringcn, undden Weinberg Andern geben. 10. Habt ihr auch nicht gelesen diese Schrift [Ps. 118, 22 «f.]: Der Stein, den die Vauleiite verworfen haben, der ist zum Eckstein worden; 11. Von dem HErrn ist das geschehen, und es ist wunderbarlich vor unsern Augen? 12. Und sie trachteten darnach, wie sie ihn griffen, und fürchteten sich doch vor dem Volk [das sogleich auf der Stelle zu thun, wie sie gern gethan hätten]; denn sie vernahmen, daß er auf Gleichiiiß von den bösen Weingärtnerir VomZinsgroschen und von Auferstehung der Todten. 537 sie dieses Gleichniß geredet hatte, und sie ließen ihn und gingen davon. Von den drei Gleichnisfen, welche Christus nach Matthäus (21, 28 —32; 33—46; 22, 1—14) an feine Abfertigung der Cominission des Synedriuiiks ankntipfte, um ihnen zu zeigen, was er von ihnen erwarte und wie sie als Mörder des Messias dem Gerichte verfallen würden und das Messiasreich verlieren, theilt uns Markus nur das mittlere mit —- es ist eben das Gleichniß, daß sie im Zusammenhang mit den Prophe- tenverfolgern als die Mörder des Messias erfcheinen läßt; dabei deutet er jedoch in V. 1 selbst an, daß Jesus mehrere Gleichniffe den Widersachern vorgetragen habe, und berichtet nun das von den bösen Weingärt- nern theilweise kürzer als Matthäus und wiederum länger als Lukas, gleichwohl ist er in der Steigerung der Sendungen des Weinbergsbesitzers genauer als Matthäus Nach ihn-i wird der erste Knecht auf den Riicken geschlagen und leer heimgeschickh der zweite am Kopf zerschlagen und beschimpft und also ent- würdig: heimgeschickh der dritte getödtet; dieses dreifache Geschick theilen dann viele Andre, hierauf er- folgt die Sendung des Sohnes, von dem bemerkt wird, daß der Herr des Weinbergs nur Einen hatte; Mat- thäns hat eine zwiefache Sendung von Knechteu, erst in kleinerer, dann in größerer Anzahl; und ihr Geschick ist: geschlagen — getödtet — gesteiniget werden. Lukas hat nur eine gesteigerte Mißhandlung von drei nach einan- der abgesandten Knechten. Der wesentliche Grundge- danke ist überall der gleiche: verschiedene Sendungen, gesteigerte Mißhandlung und folglich gesteigerte Ver- stockung und Empörungx dann der Gegensatz der gesendetin Knechte und des gesendeten Sohnes, der edel- müthigen Hoffnung des Herrn auf fromme Scheu und Reue und des ruchlosen Anschlags der Weingärtner auf das Erbe. — Wie die gnadenreiche Großmuth Gottes mit dem sich verstockenden Unglauben der Menschen ringt bis zur höchsten letzten Entscheidung! Der HErr im Himmel nimmt lieber den Schein der Thorheit an in der Sendung feines Sohnes, als daß er nicht seine Gnade bis zur äußersten Erscheinung offenbaren sollte; der letzte Auknüpfungspuiikt für die Gnade Gottes ist die fromme Scheu im Menschen, der letzte Rest des Glaubens« im Unglauben aber die Erkenntnißx »das ist der Erbe«, und das, was ihn endlich verdammlicb macht, der Entfchliißt ,,kommt, laßt uns ihn tödten!«' (P. Lange.) 13. Und sie sandten lnachdem er noch das Gleichniß von der königlichen Hochzeit vorgetragen Matth. 22- 1——14] zu ihm etliche von den Pha- risäern und Herodis Dienern, daß sie ihn fingen in Worten szu einem öffentlichen Aussprache drän- geten, der ihn zu Falle bringen miißte]. »14. Und sie kamen und sprachen zu ihm: Meister, wir wissen, daß du wahrhaftig bist und fragest nach niemand; denn du achtest nicht das Ansehen der Menschen, sondern du lehrest den Weg Gottes recht. Ists recht, daßmau dem Kaiser Zins gebe oder nicht? sollen wir Demgemäß, je nachdem es deiner Meinung nach recht ist oder nicht] ihn geben, oder nicht·geben? 15. Er aber merkete ihre Heuchelei swie sie sich stellten, als ob sie ans Gewisfensnoth ihn fra- geten und durch seine Erklärung zu einer gewissen Ueberzeugung kommen wollten, und suchten doch damit etwas gar Anderes], und sprach zu ihnen: Was versuchet ihr mich? bringet mir einen Groschen [Denar, womit der Zins entrichtet wird], daß ich ihn sehe. 16. Und sie brachten ihm. Da sprach er: Weß ist das Bild und die Ueberschrift? Sie sprachen zu ihm: Des Kaisers. 17. Da antwortete Jesus und sprach zu ihnen: So gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist. Und sie verwun- derten sich fein [daß er in so geschickter Weise ihrem Fangnetz entgangen war]. Die Fragestellung kommt aus einer falschen Auffas- sung des Verhältnisses Jsraels zu Gott einerseits und zum Kaiser andrerfeits Der Kaiser verlangt von den Jsraeliteii mit dem Steuergelde nichts anderes, als was ihnen erst aus ihrer Beziehung zum römischen Staate erwachsen ist, etwas so Aeußerliches, daß dadurch dem göttlichen Berufe Jsraels weder etwas zuwächst noch entzogen wird; Gott aber fordert vom Jsraeliten nicht eine Münze, um denselben als feinen Unterthanen an- zuerkennen, er fordert die innerliche Selbfthingabe. Es ist eine Herabsetzung Gottes , daß man ihn dem römi- fchen Kaiser so gegentlber- und gleichstellt, als ob man ihm etwas entzöge, wenn man dem Kaiser etwas leistet, wozu diesem der von Gott geleitete Gang der Völker- geschichte das Recht der Forderung gegeben hat; denn dann meint man auch, daß Gottes Forderung mit eben solchem erfüllt werden könne, was man auch dem Kaiser leistet. Und diese verkehrte Sinnesart straft das Wort Jesu, daß man, statt die innerliche Selbsthingabe an Gott als die rechte Weise des Dienstes , den man ihm schuldet, vor allem und immer zu vollbringen, meint, man könne ihm mit irgend einer äußerlichen Leistung dienen, wobei doch in Wahrheit der Menfch nur sich selbst dient. (Klostermann.) 18. Da traten die Sadduccier zu ihm, die da halten, es sei keine Auferstehung; die fragten ihn nnd sprachem 19. Meister, Moses hat uns [in dem Gesetz von der Schwagerehe 5. Mos 25, 5 ff] ge- schrieben: Wenn jemands Bruder stirbt und laßt ein Weib und läßt keine Kinder, so soll sein Bru- der desselbigeii Weib nehmen und seinem Bruder Samen erwecken. » 20. Nun sind sieben Bruder sbei uns, in dem Kreise unsrer Erfahrung und Beobachtung] gewesen. Der erste nahm eiu Weib; der starb iiud ließ keinen Samen. 21, Und der andere nahm sie und starb, »und ließ aiich nicht Samen. Der dritte desselbigen gleichen [nahm sie und starb auch ohne Kinder) 22. Und nahmen [also] sie alle sieben und ließen nicht Samen [so daß kein einziger von ihnen ein ausschließliches Recht auf sie durch die den Zweck der Ehe verwirklichende Kinderzeugung er- laiigt hätte, sondern sie alle nur den allgemeinen Anspruch an ihren Vesitz in ganz gleichem Maße hatten]. Zuletzt nach allen starb das Weib auch. 23. Nun iu der sallgemeineiq Auferstehung, wenn sie [auch diese sieben Brüder sammt dem 538 Evangelium Marci 12, 24—-44. Weibe] aufersteheii, wessen Weib wird sie-sein unter ihnen? denn sieben haben sie [wie gesagt, alle in ein und derselben Weise, ohne daß sich einer von dem andern durch ein Vorrecht unterschiede] zum Weibe gehabt. 24. Da antwortete Jesus und sprach zu ihnen: Jsks nicht swieeure ganze Rede deutlich zu erkennen giebt] also? Ihr irret, darum, daß ihr nichts wisset von der Schrift, noch von der Kraft Gottes [eben dieser von euch selbst angeführte Fall ist ein Beweis dafür, daß ihr mit eurer, die Schristaussagen und die die Verwirklichung desselben verbürgende Macht Gottes nicht beachtenden Leug- nung der Auferstehung auf falscher Fährte seid]. 25. Wenn sie von den Todten anferstehen werden, so werden sie nicht freien, noch sich freien lassen, sondern sie sind wie die Engel im Himmel. 26. Aber von den Todten, daß sie anfer- stehen werden, habt ihr nicht gelesen im Buch Mosis, bei dem Busch [2. Sam. 1, 18 Anm.1], wie Gott zn ihm sagte. und sprach [2 Mos Z, 6]: Jch bin der Gott Abrahams nnd der Gott Jsaaks und der Gott Jakobs? 27. Gott aber ist nicht der Todten, sondern der Lebendigen Gott. Darum irret ihr sehr. Der HErr giebt den Sadducäern nicht, wie die Pharisäer das thaten, spitzfindigen Bescheid, sondern er straft die Spötter, daß sie die Schrift nicht kennen, daß sie von dem lebendigen Gott nichts wissen, deraus der- selben spricht, und ebensowenig von Gottes Schöpferkrasy welche Leben aus dem Tode weckt. Von dem Leben der Auserstehung aber, welches die Sadducäer leugnen, lehrt er, daß es keine Fortsetzung des Fleischeslebens sei, sondern ein Leben der Verklärung durch die Kraft des Gottes Abraharns Jsaaks und Jakobs; denn sie leben ihm alle. Warum habt ihr aus dieser Bezeichnung nicht die Auferstehung der Todten heraus-gelesen? Freilich, wenn es keine Wahrheit wäre, daß Gott sich selber also genannt, wenn ihn nur Menschenmeinung so bezeichnet hätte, so würde es nicht mehr bedeuten als den Gott, den zu ihrer Zeit die Väter verehrten; wenn es aber Gott selber ist, der lange nach jenen Vätern des Glaubens fich immer noch den Gott derselben nennt, so können die Väter nicht todt und abgethan fein, denn Gott der Lebendige nennt fich nicht nach Todten, Ver- westen, mit denen es aus ist. (Riggenbach.) 28. Und es trat zu ihm der Schriftgelehrien einer, der ihnen [Jesu und den Sadducäernj zu- gehbret hatte, wie sie sich unt einander befragtenz und sahe, daß er ihnen fein geantwortet hatte [da- her er hoffte, er werde auch auf seine Frage eine trefsende Antwort erhalten) nnd fragte ihn: Wel- ches ist das vornehmste Gebot vor allen sals das ihnen allen voransteht und über alle htnausgeht]? 29. Jesus aber antwortete ihm: Das vor- nehmste Gebot vor allen Geboten ist das saus 5. Mos e, 4 f.]: Hort, Israel, der HErn unser Gott, ist ein einiger Gott; · 30. Und du sollst Gott, deinen HGrru, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemiithe, und von allen deinen Kräften. Das ist das vornehmste Gebot. 31. Und das andere kaus 3. Mos. 19, 181 ist ihm gleich: Du sollst» deinen Nächsten lieben als dich selbst. Es ist kein ander größer Gebot, denn diese [beiden in ihrer Verbindung mit einander zu Einem]. 32. Und der Schriftgelehrte sprach zu ihm: Meister, du hast wahrlich recht krichtig und zu- trefsendj geredet, denn es ist Ein Gott, und ist kein anderer außer ihm. 33. Und denselben lieben von ganzem Herzen, von ganzem Gemiithe, von ganzer Seele, und von allen Kräften, nnd lieben seinen Nächsten als sich selbst, das ist [wie schon die Propheten angedeutet haben I. Sam. 15, Te; Hof. 6, 6; Pf. 51,18 ff.] mehr, denn Brandopfer und alle-Opfer [mehr als äußerer Gottesdienst, der sich in Gaben und ritu- ellen Beobachtungen vollzieht]. 34. Da aber Jesus sahe, daß er vernünftig smit richtigem Verstand und offenherzigem Sinn] antwortete, sprach er zu ihm: Du bist nicht [wie die Andern, die durch meine Lehre sich nur desto mehr erbittern lassen] ferne von dem Reich Gottes [sondern kannst, wenn du auf dem ange- fangenen Wege weiter gehst, noch zur vollen Er- kenntniß der Wahrheit hindurchdringens Und es durfte [ihn schon ietzt, geschweige, als er in V. 35 ——37 die Pharisäer und Schriftgelehrten vollends in die Enge getrieben] ihn niemand weiter fragen [Matth. 22, 46]. Das Gebot der Liebe ist ein kurz Gebot und lang Gebot, ein einig Gebot und viel Gebot, es ist kein Ge- bot und alle Gebot; kurz und einig ist es an ihm selbst und des Verstands halben bald gefasset, aber lang und viel nach der Uebung, denn es begreift und meistert alle Gebote, und ist gar kein Gebot, so man die Werke an- siehet, denn es hat kein eigen sonder Werk mit Namen, aber es ist alle Gebot, darum daß aller Gebote Werk seine Werke sind und sein sollen. Also hebt der Liebe Gebot alle Gebote auf, und richtet doch alle Gebote auf: das alles darum, daß wir wissen und lernen sollen kein Gebot, kein Werk weiter halten noch achten, denn sofern die Liebe das fordert. (Luther.) An dem Gebot der Liebe Gottes und des Nächsten hängt freilich alles, und doch hat es Gott um unsers verderbten Zustandes willen nicht bei diesen Geboten allein lassen können, son- dern es hat uns unsre Gefangenschaft unter die Sünde durch so viele (einzelne explicirte) Gebote müssen offen- bar und etnpfindlich gemacht werden; erst wenn das Amt darin feiu Amt an uns gethan hat, können wir durch die Gnade Christi in dies Gesetz des Geistes ein- geleitet werden. (Rieger.) Das Wort an die Pharisäer (V. 17) und das an die Sadducäer (V. 24 fs.) war stir jeden Christen bedeutungsvoll, besonders aber für beid- nische; am tneisten Gewicht hat aber Markus gelegt auf jene durch die Behörde veranlaßte Rede Feste, in welcher er von dem Bau eines neuen religiösen Gemeinwesens redet, neben welchem das israelitische fein Recht ver- lieren würde (V. 9 fs.), sodann auf den durch den Schristgelehrten veranlaßten Ausspruch (V. 29 fs.), wo- Vom vornehmsten Gebot und vom Messias. Das Scherflein der Wittwe. 539 rin Jesus es als Wesen des wahren Gottesdienstes be- zeichnet, Einen Gott zu haben und diesen mit unge- theilter Hingebung zu lieben, um seinetwillen aber auch die Mitmenschen wie sich selbst, und auf den bestätigem den Ausspruch eines rechten und verständigen Gesetzes- lehrers (V. 32 ff.), der das von Jesu bezeichnete Ver- halten höher ftellt als den ganzen israelitischen Tempel- dient-l. Gerade in der Fasstrng des Markus mußte dieser Schluß der Wechselredeu unmittelbare Bedeutung haben für folche Christen, die sich von den vielen falschen Göttern zu dem Einen gewandt hatten und von einem Gvttesdienste äußerer Bräuche und Gaben zu dem auf beständiger und völliger persönlicher Hingabe beruhenden Dienste der Liebe. (Klostermanu.) Der Satz am Schluß von B. 34: »Und es durfte ihn niemand weiter fragen« gehört nicht mehr zur vorigen Geschichte, sondern leitet die neue in V. 35-—37 ein, und hat den Sinn: während niemand mehr den Muth hatte, ihn zu fragen und durch Fragen in die Enge zu treiben , unternahm er es, aus seinem Lehr- vortrage heraus seinerseits eine Frage auszuwerfen, die sie in die Enge trieb, indem er damit einen Lehrsatz der Schriftgelehrten als halbe Wahrheit hinstellte , und fie nichts darauf zu erwiedern hatten. So stimmt in der Hauptfache Markus mit Matthäus überein, nur daß beide Evangelisten von verschiedenem Gesichtspunkte aus erzählen, wie sie auch eine verschiedene Form für ihre Erzählung wählen (vgl. zu» V· 37). 35. Und Jesus antwortete snun seinerseits den Gegnern mit einer Frage eutgegenkommends nnd sprach, da er lehrte im Tempel: Wie sagen die Schriftgelehrten sworan sie allerdings Recht haben], Christus sei Davids Sohn? 36. Er aber, David, spricht durch den hei- lige« Geist tPs 110, 1]: Der HErr hat gesagt zu meinem HErrn: Setze dich zu meiner Rechten, gisß daß ich lege deine Feinde zum Schemel deiner u e. 37. Da heißt ihn ja David seinen Herrn; woher ist er denn sein Sohn? sEs muß also jene Wahrheit noch nicht die ganze volle Wahrheit sein, die aber die Schriftgelehrten nicht erkennen] Und viel Volks hörte ihn gerne sdaß er so trefflich die Schrift handhabte, ohne jedoch tiefer von seiner Lehre sich erfassen zu lasfen]. Wie in der christlicheu Gemeinde eine Gottes- und Nächstenliebe als Wesen des Gottesdienstes vorhanden ist, die der Schriftgelehrte dort im Voraus als die reehte Erfiillung des Gesetzes anerkannt hatte, so ist auch in ihrem Glauben, daß der gekreuzigte Davidssohn Jesus von Nazareth zur Herrlichkeit des göttlichen Thrones erhöhet ist, die Lösung des Räthsels vorhanden, das die unverstandene Weisfagung den Schriftgelehrten Jsraels darbot. (Klostermann.) Die große Gegensrage, welche Jesus nach allen versucherischen Fragen seiner Feinde an die Pharisäer richtete, hat Matthäus in ihrer vollen historischen Bedeutung als die entscheidende Schlußfrage an die versammelten Pharisäer hervorge- hoben, sie hat daher auch die Form einer Verhandlung oder rabbinischeu Disputatiom Markus hat diese Form mehr abgestreift und läßt so den geistigen Triumph des HErrn stärker hervortreten, mit dem ,,antwortete« deu- tet er jedoch an, daß diese Frage die eigenttiche Ant- wort auf die vorherigen Versncherfragen enthält, mithin auch auf die lehre. (P. Lange.) 38. Und et lehrete fie [in einein längeren Vortrage, den er nun folgen ließ nnd dabei haupt- sächlich an die zunächst stehenden Jünger sich wen: dete], nnd sprach zu ihnen: Sehet ench vor vor den Schriftgelehrten, die in langen Kleidern gehen, und lasseu sich gerne auf dem Markt grasen, 3»9. Und sitzen gerne oben an in den Schulen, Und Uber Tische im Abendmahl [wenn eine Abend- mahlzeit gehalten wird Matth 23, Z. 5——7]; 40. Sie fressen der Wittwen Häuser, nnd wenden langes Gebet vor sMatth 23, 14]. Dieselben werden desto mehr Verdamtnniß em- psahen Nur die Judenchristem fttr welche Matthäus schrieb, konnten zunächst und damals berufen sein, das phari- fäische Judenthum in dem ganzen Nachtsttick seiner Ver- sunkenheit anzuschauen, für junge Heidenchristen war die große Straspredigt theilweise unverständlich, theil- weise eine zu starke Speise; daher wird bei Markus nur in der Kürze das Bild der Schriftgelehrten mitgetheilt in den drei Grundzügen des Ehrgeizes, der Habsucht und der heuchlerischen Scheinsrömmigkeit, und ist die Rede hier zusammengezogen aus dem einleitenden War- nnngswort des HErrn über die Pharisäer nnd dem ersten Wehe über sie, dazu die bei Matth. allmälig her- vortretende Anrede überall umgewandelt in die Schil- derung dritter Personen. Mit Markus stimmt dann Lukas fast wörtlich. (P. Lange.) 41. Und Jesus setzte sich [im Vorhof der Weiber: B auf dem Grundriß S. 361 gegen dem Gviteskasten sdemselben gegenüber], tmd schaueth wie das Volk Geld [in Kupfermünze] einlegte in den Gotteskasten Und viele Reiche legten viel ein. 42. Und es kam eine arme Wittwe, und legte zwei Scherflein szwei kleine griechifche Münz- stitcke s. Z« Pf.] ein; die machen [beide zusammen in römischer Münze] einen Heller sQuadrans oder 74 Aß = 172 Pfg. .2. Mos. 30, 13 Anm.]. 43. Und er rief seine Jitnger zu sich, und sprach zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch: Diese arme Wittwe hat [in Hinsicht auf den innern Werth der Gabe] mehr in den Gottestasten gelegt, denn alle, die eingelegt haben. 44. Denn sie haben alle von ihrem Uebrigen eingelegt; diese aber hat von ihrer Armuth, alles, was sie hat, ihre ganze Nahrung, eingelegt [vgl. zu Matth. 23, 39]. Aus dem Bilde der Schriftgelehrten, wie es Jesus in V. 38—40 gezeichnet, und aus dem Thun der Wittwe, auf dessen Werth er hier sie aufmerksam macht, sollen die Jiinger als Häupter einer neuen gottesdienstlichen Gemeinde entnehmen, daß in demselben Maße, als sie aus ihrer Pflege der Frömmigkeit ein Mittel der Ehre und des Gewinnes würden werden lassen, jene ihnen zur Ursache des Gerichts würde werden müssen, und wiederum, daß ihr Gottesdienft und ihre Frömmigkeit in demselben Maße wahrhaftige Erbauung des Hauses Gottes ist, als fie in der verborgenen Hingabe des ganzen Menschen an Gott besteht. Jesus sagt, daß jene Wittwe mehr als alle andern Geber in den Gotteslasten geworfen habe, gewiß in dem bedeutungsvollen Sinne, 540 daß dem Herrn des Tempels mit ihrer Gabe sozusagen objektiv mehr gedient sei, als mit den Gaben der Andern zusammen; es lag zwar, wenn jene Gaben dem Weiter- bau des Tempels dienen sollten, für das natürliche Auge keinerlei Werth in dieser Gabe gegenüber den an- dern, aber für den Zweck Gottes, der den Tempel ver- sinnbildet, eine Menschheit zu gewinnen, die ihm in voller Liebeshingabe sich selbst darbringe, ist nicht das von Werth, wenn einer neben andern Dingen auch Gottes eingedenk ist, sondern wenn ein Mensch sich selbst ihm ganz darbringt. Und das ist hier der Fall; denn während die Andern nur von dem gegeben haben, was ihnen nicht für den eigenen Gebrauch darauf ging , hat die Wittwe aus einem Zustande heraus, in dem ihr Vermögen immer hinter dem Bedürfnisse zurückblieb, alles, was sie hatte, obgleich die Zweiheit der Münz- stlicke eine Theilung so nahe legte, also ihr ganzes Lebens- gut hergegebetn (Klostermann.) Das 13. Kapitel. Von Zerstörung der Stadt Jerusalem und Ende der Welt. V. v. 1——37. (§. 109.) mit uevekgehuug des i« Ich. 12,«20 ff. berichteten vorfalleek welcher in eben dem Jlugenbliut sich zntrug, wo Jesus den Tempel verlassen wollte, zeigt der zweite Gvangelist gleith dem ersten uns den halten sogleich in seinem Weggehen selber, wie er von seiner Sänger einem auf die Großartiglieit des saure aufmerksam gemacht und ihm dadurch die Ver— anlassnug zn der Rede gegeben wird,« die er hernach, ans dem Qelbcrge dem Tempel gegenüber flhend, über die Zerstörung Jerusalems nnd die Ereignisse der letzten Zeit hält. (d1gl.Matth. 24,1— 25, its; Eule. El, 5—-38.) I. Und da er aus dem Tempel ging, sprach zu ihm [mit Rückbeziehung auf das, was er vor- hin, bei der Rede V. 38 ff» zum Schluß zu den Juden gesagt Matth 23, 38] seiner Jünger einerti Meister, siehe, welche swas für große und gewal- tigeJ Steine und welch ein sgroßartig und herrlich geschmückter] Bau ist das? [wäre es also nicht Schade, wenn auch dies herrliche Tempelgebäude mit untergehen solltest] Z. Und Jesus antwortete, und sprach zu ihm: Siehest du wohl alle diesen großen Bau [und kommen dir- dabei Gedanken in den Sinn, was für ein schweres und augenfälliges Gottesgericht das sein müsse, wenn derselbe zu Grunde gehen sollte]? Nicht ein Stein [so· kann ich dir bestätigen] wird auf dem andern bleiben, der nicht zerbrochen werde [und so wird allerdings ein schreckliches Gottes: gericht eintreten] « » Zu. Und da er s[hernach, als er die Stadt ver- lassen hatte, um wieder hinüber nach Vethanien zu gehen] auf dem Oelberge saß gegen dem Tempel sdemselben gerade gegenüber, wo er ihn dann, mit dem Gesicht gegen Abend gewendet, unmittelbar vor sich hatte] fragten ihn besonders sweil er jetzt Evangelium Marci 13, 1-—32. mit ihnen und den übrigen Jüngern allein war und keine Rücksicht mehr auf das umstehende Volk zu nehmen hatte] Petrus und Jakobus, und Jo- hannes undsAndreasxtt 4. Sage uns, wann wird das alles swas du von der Zerstörung Jerusalems und des Tempels geredet hast] geschehen? Und was wird das Zei- chen sein, wann sdie Zeit nun herbeigekommem zu welcher] das alles soll vollendet werden? «) Es ist das vielleicht Andreas gewesen, der so die Veranlassung gegeben, daß er in V. 3 mit unter die Vertrauten kam. (P. Lange) IV) Dieselben beiden Brüderpaare, die den Anfang der galiläischen Prophetenthätigkeit Jesu erlebt haben (Kap. l, 16——20 u. 29), sind auch die nächsten Em- pfänger der sein Wirken in Jerusalem beschließenden Weissagung gewesen; doch sind ihre Nanien wie in Kap. Z, 1 ——-18 so geordnet, daß die drei voran Und zusammen stehen, die nach Kap. 5, 37 n. 9, 2 ein engeres persönliches Verhältniß zu Jesu hatten. (Klostermann.) 5. Jesus antwortete ihnen, und sing an zu Hasen: Sehet zu, daß euch nicht jemand ver- U re. is. Denn es werden viele kommen unter mei- nem Namen smeinen Namen zum Grunde ihres Anerkennung fordernden Auftretens nehmend] und Jch bin Christus; und werden viele ver- führen. 7. Wenn ihr aber»hören werdet von Kriegen und Kriegsgeschrei, so furchtet euch nicht, denn es muß also geschehen. Aber das Ende tst noch nicht da. 8. Es wird sich ein Voll über das andere empören, und ein Königreich über das andere. Und werden geschehen Erdbeben hiu und wieder, und wird sein theure Zeit und Schrecken. Das ist der Noth Anfang sMatth 24, 4—8]. 9. Jhr aber sehet euch vor sdaß ihr in dem- jenigen Leiden, welches euch selbst betrifft, wohl be- stehet]. Denn sie [die nngläubigen Juden] werden [zuvor, bevor es zum Gericht über sie koxnmtj euch überantworten vor die Rathhciuser und Schalen, und ihr müßt gestciupt werden, und vor Fürsten nnd Könige müßt ihr geführet werden, um meinet- . willen, zu einem Zeugniß über sie sMatth 10, 17 f.; 24, 9]. la. Und das Evangelium muß zuvor sehe das Ende V. 7 wirklich kommt] geprediget werden unter alle Völker [Matth. 24,14]. 11. Wenn sie euch nun führen und über- antworten werden, so sorget nicht, was ihr reden follt, und bedenket euch nicht zuvor, sondern was euch zu derselbigen Stunde gegeben wird, das redet. Denn ihr seid’s nicht, die da reden, sondern der heilige Geist. 12. Es wird aber [nicht allein euch das widerfahren, daß meinen Zeugen und Bekennern Von der Zerstörung Jerusalems und dem Ende der Welt. 541 der Untergang bereitet wird von denen, die ihnen die natürlich Nächsten sind und von denen sie nur Gutes sich sollten zu versehen haben, sondern noch vielen Andern außer euch und nach euch: es wird] überantworten ein Bruder den andern zum Tode, und der Vater den Sohn, und die Kinder werden sieht empören wider die Eltern und werden sie helfen V ZU. 13. Und werdet gehasset sein von jedermann, um meines Namens willen. Wer aber beharret bis an das Ende, der wird selig [Matth. 10, 18 —22; 24, 10—13]. Markus schildert die Chrisienverfolgungen ausführ- licher als Piatthäus indem er mit Lukas eine Zeich- nung derselben giebt, die sich bei Matthäus schon in der Apostelinstruction findet. Für die römischen Christen waren diese Worte sehr wichtig zu einer Zeit, wo das Märtyrtum des Paulus und des Petrus in Rom statt- fand. (P. Lange) Der Glaube giebt uns so viel Väter, Brüder, Schwestern, als Christen sind (Kap. 10, 29 f.); der Unglaube verwandelt die, so uns die Natur gegeben hat, in unsre Feinde, Verräther, Henker. (Quesnel.) Niemand kann sicherer aus den Beistand des heil. Geistes rechnen, als die Bekenner des Namens Jesn zur Zeit ihrer äußersten Bedrängniß. (v. Gerlach.) 14. Wenn ihr aber sehen werdet den Greuel der Verwüstung, von dem der Propbet Daniel [9, 27; 11, 31 u. 12, n] gesagt hat, daß er stehet, da er nicht soll san heiliger Stätte, die er denn mit seinem Dasein entweihet und dem Gericht der Verwüstung entgegenfiihrt] — wer es licset, der vernehme es swas bei dem Propheten damit gemeint ist, denn es ist nun die Erfüllung seiner Weissagung gekommen]——, alsdann wer in Jndäa ist, der fliehe auf die Berge; 15. Und wer auf dem Dache ist, der steige nicht hernieder in’s Haus und komme nicht drein, etwas zu holen aus seinem Hause; 16. Und wer auf dem Felde ist, der wende sich nicht um, seine Kleider zu holen. 17. Wehe aber den Schwangern und Säugern zu der Zeit. 18. Bittet aber, daß eure Flucht nicht geschehe im Winter. 19. Denn in diesen Tagen werden solche Trüb- sale sein, als sie nie gewesen sind bisher, vom Au- fang der Creaturecy die Gott geschaffen hat, und als auch nicht werden wird. 20. Und so der HErr diese Tage nicht ver- kürzt hätte, würde kein Mensch selig; aber um der Auserwählten willen, die er auserwählet hat, hat er diese Tage verkürzt [Matth. 24, 15——22]. Es ist tvahrfchein!ich, daß nicht Jesus von dem Greuel der Verwüstung so gesprochen: ,,stehet, da er nicht soll,« sondern daß Markus diesen Ausdruck ge- wählt hat, um seine Leser nicht zu verwirren, denen hier der Tempel als eine noch immer allerseits anzu- erkennende heil. Stätte« bezeichnet würde, nachdem er diese Bedeutung damals fchon völlig verloren hatte und nur noch mit Riicksrcht auf seine frühere Bestimmung ein Heiligthum war, das jetzt aber auch äußerlich ent- weihet und entwtirdigt wurde; ebenso ließ Markus bei der Erwähnung der Flucht aus Jerusalem den Zusatz, weg: ,,oder am Sabbath«, weil er für römische Christen weniger faßlich und dort der Sonntag wohl bereits der Tag des HErrn war. 21.. Wenn nun jemand zu der Zeit wird zu euch sagen: Siehe, hie ist Christus, siehe, da ist er; so glaubet nicht. 22. Denn es werden sich erheben falsche Christi und falsche Propheten, die Zeichen und Wunder thun, daß sie auch« die Auserwählten verführen, so es möglich wäre. 23. Ihr aber sehet euch vor. Siehe, ich habe euch alles zuvor gesagt sMatth 24, 23——25]. Wie hat man sich zu fiirchten alle Zeit, daß man nicht einen falschen Christus annehme! (Goßner.) Mit einem ,,Sehet zu« begann dieser Abschnitt der Rede Jesn (V. 5), und mit einem ,,Sehet euch vor« schließt er hier (V. 23); nur vorausfetzungsweise sind hier und da wirkliche Weissagungen gegeben, die Hauptsache ist Warnung, Verheißung und Ermahnung, um die Jünger das rechte Verhalten gegenüber den Ereignifsen der Zu- kunft zu lchren. (Klostermann.l 24. Aber zu der Zeit fvon welcher im ganz besonderen Sinne das in V. 22 Gesagte gemeint ist 2, Thess. 2, 3-—12], nach dieser Trübsal fund zwar lange nach der, welche Jerusalems Zerstörung und Jsraels Verwersung zur Folge hat] , werden Sonne Und Mond sim geistlichen Sinne Matth 24, 29 Anm.] ihren Schein verlieren [genauer: wird die Sonne sich verfinstern und der Mond seinen Schein nicht geben]. 25. Und die Sterne werden vom Himmel fallen [wörtlich: und die Sterne des Himmels werden herabfallend sein], und die Kräfte der Himmel swörtlichx die Kräfte, die im Him- mel sind] werdeu sich bewegen. 26. Und dann werden sie sehen des Mensche-r Sohn kommen in den Wolken, mit großer Kraft und Herrlichkeit. 27. Und dann wird» er seine Engel senden und wird versammeln seine Auserwählten von den vier Winden, von dem Ende der Erde bis zum Ende der Himmel sMatth 24, 29——31]. 28. An dem Feigeubaum lernet ein Gleichniß Wenn jeht seine Zweige saftig werden und Blätter gewinnen; so wisset ihr, daß der Somm nahe ist. s 29. Also auch, wenn ihr sehet, daß solches geschehn, so wisset, daß es nahe vor der Thur ist. · 30. Wahrlich, ich sage euch, diesGeschlecht wird nicht vergehen, bis daß dies alles geschehe 31. Himmel und Erde werden ver- gehen; meine Worte aber werdens nicht vergehen. v 32. Von dem Tage aber und der Stunde weiß niemand, auch die Engel nicht im Himmel, .habe]: 542 Evangelium Marci II, 33—37. 14, 1. 2. anch der Sohn nicht, sondern allein der Vater [Matth. 24, 32——36]. 33. Sehet zu, wachet nnd betet, denn lwie eben gesagt] ihr wisset nicht, wann es sflir das, was da geschehen soll V. 29 f.] Zeit ist [Matth. 24 42 34. Gleich als ein Mensch, der über Land zog, und ließ sein Haus lfür eine unbestimmte Zeit ohne seine unmittelbare Gegenwart] und gab seinen Knechien sfiir die Zeit seiner Abwesenheit] Macht süber das Hanswesem je nachdem sie derselben zur Ausrichtung ihrer eigenthiimlichezi Aufgaben be- durften, und trug ihnen auch aus, was sie ver- richten sollten], einem jeglichen sein Werk, und ge- bot dem Thilthüteh et sollte [die ganze Nacht hin- durch auf bleiben nnd] lvachen sworaus denn auch die übrigen alle merken konnten, daß« seine Rück: lehr zu ganz unbestimmter Stunde der Nacht er- folgen würde]. 35. So lvachci nun [ihr, meine Jünger, auch die ganze Nacht hindurchjz denn ihr wisset nicht, wann der Herr des Hauses [der euch zu Thür- hütern bestellt hat] kommt, ob er kommt am Abend, oder zn Mitternacht, oder um den Hahnensihreh oder des Morgens, 36. Auf daß er nicht schnell komme und finde euch schlafend. » 37. Was ich aber ench sden ThürhüternJ sage, das sage ich allen [meinen Knechten, denen ich Macht und einem jeglichen sein Werk gegeben ; Wachet sgleichwie auch jener Mensch im Gleichniß das dem Thürhliter gegebene Gebot für alle feine Knechte meinete]. Der erste Theil dieses Abschnittes (V. 24—27) stimmt im Ganzen mit den oben angegebenen Versen bei Matthäus überein, doch sind einige Abänderungen zu erkennen, die es deutlich merken lassen, daß, während bei Matth. die Beziehung auf Israel nicht außer Acht gelassen wird, diese bei Markus gänzlich zuritcktritt und ChristkWeissagungsrede ohne Weiteres »die eigentliche letzte Zeit, die der Herrschaft des persönlichen Antichrists in’s Auge faßt. Zuerst nämlich ist in V. 24 das »Wald« weggefallen, welches auch wirklich keine Stelle mehr hat, wenn nicht mit« Jsraels Verwerfung erst dessen Wieder- herstellung in Betracht gezogen wird, ehe der Wieder- kunft des Menschensohnes Erwähnung geschiehts ferner ist der Fall der Sterne vom Himmel (V. 25) in einer Weise ausgedrückt, welche nicht blos, wie bei Matthäus, auf einen vorübergehenden Zustand der Kirche, sondern auf deren gänzliche Vernichtung deutet, und demgemäß die Erscheinung des Menschensohnes·(V.26) »so gestaltet, daß die Weissagung sofort über die Erscheiuung zum Gericht über den Antichrish welche bei Matth. gemeint ist, hinausgreift auf die Erscheinung zum Weltgericht, wie sie in Offb. 20, Il ff. vorliegt, weshalb auch weder von einem Zeichen des Menschensohnes am Himmel, noch von einem Heulen aller Geschlechter auf Erden die Rede ist; endlich lautet in V. 27 der Ausdruck über die Sammlung der Auserwählten nicht mehr so, daß bei den Auserwählten gemäß der Verheißung in 5. Mos. 30, 4 an die von Israel zu denken wäre, sondern ist viel weitgreifender gefaßt, daß man hier des sszu richten die Lebendigen und die Todten« sich erinnern muß und der Sache nach dasselbe vor sich siehet, was in Matth- 25, 32 f. vorgeführt wird. Hiernach ist auch der zweite Theil des Abschnitts (V. 28 —- 32) anders ge- meint, als die Parallele bei Matthäus, und miissen wir die dort verworfene Auffassung der Ausleger hier für die richtige erkennen; der Feigenbaum ist nun nicht mehr geistlich von Israel zn verstehen, sonderu zu einem loßen Gleichniß genommen. Was der HErr damit sagen will, ist das: ,,Vom eigenbaum könnet ihr ler- nen, wie man von einem estimmten Punkte aus das Eintreten der-Vollendung berechnen kann; wenn es an — ihm soweit gekommen, daß schon der Zweig weich wird und die Blätter hervortreibt, dann ist gewiß , daß kein Jahreszeitenwechsel mehr bis zum Sommer eintritt, der nahe Sommer selbst hat unsichtbar jene Wirkung her- vorgebracht. So könnet ihr denn auch gewiß überzeugt sein, daß, wenn die in V. 24 f. geweissagten Ereignisse sich wahrnehmen lassen, hinfort keine neue Entwickelungs- periode mehr eintritt bis zum Kommen des Menschen-—- sohnes; derselbe ist vielmehr nun vor der Thür der sichtbaren Welt, und eben weil er im Begriff ist in sie einzutreten, darum ist es zu jenen Ereignisfen gekommen« Jn etwas anderer Form wird der nämliche Gedanke mit den Worten ausgedrückt: ,,dies Geschlecht wird nicht vergehen, bis daß dies alles geschehe.« Wenn einmal es mit der Entwickelung des Reiches Gottes so weit ge- kommen, wie vorher gesagt worden, soll das dann be- stehende Geschlecht nicht durch ein neues abgelöst werden; wenn es auch an sich selber untergehn wie denn die Herrschast des Antichrists in der That die Kirche mit allen ihren Gliedern vernichtet, so. wird doch-nicht erst noch ein neues Zeitalter nochnials folgen, wie das bis- her der Fall gewesen, sondern ohne weitere Kirchenent- wickelung wird »sich die Vollendung aller Dinge mit dem Sturz jener Herrschaft unmittelbar berühren. Wie sehr Markus bei seiner Wiedergabe der Worte Jesu deren im Hintergrnnd stehende Beziehung auf die eigentliche Endzeit absichtlich in den Vordergrund gestellt hat, um aller Bezugnahme auf den Anfang der letzten Zeit mit Jsraels Bekehrung und Wiederaufrichtung seines Reiches sich zu entledigen, geht recht deutlich daraus hervor, daß er nach den Worten des 31. u. 32. »Verses, die ebenso- gut auf das eigentliche Ende wie auf den Anfang dieses Endes gemeint sind, die Rede Chrißi bedeutend abktjrzt und zu ihrem Schlusse eilt. Für diesen Schluß ist ihm die Mahnung (V. 33) von Wichtigkeitx ,,Sehet zu, wachet und betet, denn ihr wisset nicht, wann es Zeit ist«; er stellt sie nicht in das Licht dessen, was in Matth. 24, 37—41 vorausgeht, weil er das für seinen Leser nicht brauchen kann, vielmehr nimmt er sein ,,Sehet zu«, das uns schon zweimal im ersten Theil unsers Abschnittes (V. 5 u. 23 — im Griechischen stehet beide Mal: Pläne-s) begegnete, wieder auf und wendet zuletzt (V. 37) die Mahnung: -,,Wachet« auf alle an, daß sie nicht blos denen, die in einem geiftlichen Amte stehen, sondern den Christen insgemein gilt, erläutert aber die ganz besonders den Aposteln nnd ihren Nach- folgern obliegende Verpflichtung zur Wachsamkeit durch das zwischeneintretende Gleichniß (V. 34 — 36). Das Gleichniß hat eine gewisse Aehnlichkeit mit dem in Matth. 24, 45—-51., indem es ebenfalls an die Knechte im Haufe Gottes sich richtet und von ihnen Treue sor- dertz nun ist dort die Treue in Wahrnehmung der Amtspflicht gegen das Gesinde an’s Herz gelegt und dem gegenüber die Untreue der selbftsüchtigem gewissen- losen Hierarchen mit schwerster Strafe bedrohet, hier dagegen die Treue im Warten auf die Rückkehr des Hausherrn empfohlen und so das Gleichniß dem- jenigen näher gerückt, welches wir in Luk. 12, 35—38 Beschluß des HohenratheQ Jesum zu tödten. 543 lesen. Was die Gedankenverbindung in welcher dasselbe mit der vorhergehenden Mahnung auftritt, betrifft, so ist es eigentlich diese: ,,es geht euch somit, wie es den Knechten eines Hausherrn geht, wenn er beim Fortgehen seineWiederkunft zwar in Aussicht gestellt, aber den Zeitpunkt derselben so ungewiß gelassen hat, daß der Thürhüter angewiesen worden ist, wach zu bleiben« statt nun aber auch die Sätze logisch so zu verbinden, daß er die Knechte zum Subjekt machte, denen die Jtjnger ver-- glichen werden, hat Markns den Hausherrn als Haupt- sigur in den Vordergrund gestellt, um zu sagen, was dieser zu erwarten das Recht habe. Nachdem er dann das Verhältniß desselben zu seinen Knechten, welches die Voraussetzung ihres Wartens auf sein Kommen bildet, beschrieben, hätte freilichfolgen sollen: ,,wie da die Knexhteuich bereit halten müssen, zu jeder Stunde dex»g1iach·t, auf welche seine Rückkunft angesetzt ist, vor ihn treten zu können, so auch ihr,« tritt mit Beibehal- tnng der bildlichen Ausdrücke sofort die Anwendung ein. Mittelbar liegt im Gleichniß allerdings auch eine Auf- forderung zu gewissenhafter Benutzung der Zeit für die aufgetragene Arbeit; es kommt aber dem Evangelisten nur auf die Ermahnung zur Wachfamkeit an, welche für die Nacht neben der Arbeit am Tage ihrePflicht ist, und da hat diese auf jede einzelne von den vier »ver- schiedenen Partieen, in welche die Nacht bei den Römern eingetheilt wurde (2. Mos. 12, 2 Anm.), sich zu er- strecken. Nach Ablauf einer solchen Nachtwache von 3 Stunden fand ein Wechselder ausgestellten Wachtposten statt; deshalb wird Petrus in Apostg 1·2, 4 vier Vier- theilen Kriegsknechten, d. i. 4 X 4 Mann zur Bewa- chung übergeben, indem während jeder Nachtwache er vier Mann bei sich hatte, die Ablösung aber 4 mal nach je 3 Stunden geschah. Der ,,Abend« ist die Zeit von 6—9 Uhr, die ,,Mitternacht« die von 9—1·2, dein-Hah- nenschrei« die von 12 —- 3 und der ,,Morgen« die von 3—6 Uhr. Für Rom ist gerade dasjenige Gleichniß, welches Biarkus an Stelle des bei Matthäus befindlichen und auf das Mitherrschen in Christi Reich, also auf das Millennium Bezug nehmenden beigebracht hat, abermals, wie so Vieles in feinem Evangelio, von besonderer Be- deutung: Petrus soll nach Markus ,,nicht sowohl Thürhüter des Himmels sein, als Thürhiiter der Kirche auf Erden und sie wach erhalten für den Tag des Gerichts« Hat aber unser Evangelist, wie schon oben angedeutet wurde, gegen das Ende hin die Rede Christi so in’s Kurze»gesaßt, wie es nöthig war, wenn die Bezugnahmen auf Israel und das nur dieses Volk angehende tausendjährige Reich außer Betracht bleiben sollten, so ist das nicht menschliche Willkür eines Schrift- ftellers, sondern ein Erzeugnis; desselben Geistes Gottes, aus welchem der HErr selbst geredet hat, sozusagen ein besonderer, für die Heidenchristenberechneter Abdruck der Rede; und so sehen wir denn auch für die Zeit der Heiden (»Luk. 21, 24) in der christlichen Kirche eine solche Ausbildung der Glaubenslehre über die letzten Dinge, in welcher auf Jsraels Bekehrung u. s. w. so gut wie gar keine Rücksicht genommen, sondern mit dem Sturz des Dlntichrists und seines Reichs sogleich das Weltende und Weltgericht verbunden ist. Es hat das seine evangelische Berechtigung so lange, als eben die Zeit der Heiden noch dauert, die Kirche kann sich da auch ohne jene eschatologischen Lehrstücke erbauen; indem aber diese Zeit jetzt zu Ende geht, muß der einzelne Gläu- bige das Fehlende dem Zusammenhange seines Glau- benslebens einfügen. Jn der theilweise noch unvollen- deten Ausgestaltung der christlichen Glaubenslehre im lutherischen Bekenntniß, namentlich was die letzteu Dinge betrifft, liegt unsrer Meinung nach der Grund, warum der HErr der Kirche so wenig seine Hand zu einer Wies- dereinsetzung dieses Bekenntnisses in sein früheres Recht bietet —- er hat eine Neugestaltung vor, da er selber ein Neues zu schassen gedenkt durch das, was in sRönn il, 23 geweissagt wird, Luther aber gänzlich verkannt hat. Das 14. Kapitel. Christi— 5albung, Einsetznng des heiligen Abends-ruhig, Ilianips im Hatten, rgefängnisz Isekenntniß oor Kaiphais Petri Sündenfacc I. V. 1—11. (§. 110. 100 u. 1i1.) Die siebente und letzte Gruppe, wenn wir sie zu 2 »( 5 Erzählungen gleich— wie die fünfte bestimmen, umfaßt beides, sowohl das Leiden und Sterben, als auch die Auferstehung uud tjimmelsahrt Jesu stimmt; davon hat eg denn die erste Erzählung mit dem Besiyluß der tjoheuraihey Iesum zu tödten, nnd mit dem Anerbieten des Judao zmn uerrath zu thun, zwischeneiu aber tritt die Gesrhikhte von der Salbung Iesu zu sethautem welche zu jenem vornehmen des Verräther-o tu bestimmter Beziehung sltght (vgi. Matth M, 1"—16; Eule. W, 1—-6; Sah. i 1. Und nach zween Tagen svon dem Zeitpunkt an gerechnet, wo Jesus alle die vorhin mitgetheilten Reden vollendet und mit nochmaliger Weissagung seines Leidens beim Aufbruch vom Oelberg Matth. 26, 2 sein Lehramt beschlossen hatte] « war Ostern und die svom Abend des 14. bis zum Abend des 21. Nisan reichenden] Tage der süßen Probe. Und die Hohenpriester und Sehriftgelehrten sdie Mit: glieder des Hohenraths indem sie noch am Abend des Dienstags oder des 12. Nisan im Pallast des Hohenprtesters Kaiphas sich versammelteu] suchten, wie sie ihn mit List griffeu und tödteten sauf irgend eine Weise vom Leben zum Tode brächten]. 2. Sie sprachen aber [kamen, wenngleich sie noch nicht wußten, wie sie ihr Vorhaben zur Aus: führung bringen sollten, wenigstens in dem Be- skhlusse überein]: Ja nicht auf das Fest, daß nicht cm Aufruhr im Volk werde. Es ist eine wunderbare, uns allen wohl bekannte und doch niemals ausgeschöpste Geschichte, die Geschichte des Leidens und Sterbens Christi, eine Geschichte, deren erhabene Einfalt nicht verfehlt, auch des noch ferne Stehenden Herz, wenn es nur nicht gar verhärtet ist, zu rühren und mit Ehrfurcht zu erfüllen; es ahnt, daß in dieser edelsten Menschlichkeit etwas mehr als Mensch« liches enthalten, daß in der tiefsten Niedrigkeit die gött- liche Herrlichkeit verborgen und zngleich geoffenbaret sei. Die Wundermacht des HErrn tritt in diesen Tagen seiner Hingebung fast ganz in den Hintergruudx um so heller leuchtet das Wunder seiner erlösenden Liebe, die Wunderherrlichkeit seiner Person. An’s Kreuz erhöht, wie er selber sagte, zieht er alle zu sich heran: wer stch ziehen läßt, lernt in das Wort einftinimen, daß sein Tod das Leben der Welt sei. (Riggenbach.) Nach vielen, allmälig zur offenen Verkündigung wenigstens für die Jtinger sich steigernden Andeutungen des ihm bevor- stehenden Leidens und Sterbens, wie sie in Joh 2, 19; s, 14 beginnen und zuletzt dreimal im offensten Aus- 544 Evangelium Marei 14, 3——11. druck gegeben sind, verktindigt der HErr nochmals zwei Tage vor dem wirklichen (steschehen, was geschehen soll; jedoch berichtet nur Matthäus dies Wort seines Mundes, indem er dabei von vorhergegangener Vollendung aller seiner Reden sprichh Ehe die Juden sprechen: Ja nicht auf das Fest! hat der HErr schon verktindigh daß es· auf’s Fest geschehen soll und muß; durch diese ruhig erhobene Versicherung kommt er dem ihm wohlbewußten Rath seiner Feinde zuvor und entgegen. Wie in der Geschichte der Menschheit überhaupt, die nach Versöh- nung und Vereinigung des Menschen mit Gott ringt, zugleich stets Gottes- und Menschenrath wider einander· gehen, so hier im erfiillenden Centrum dieser Geschichte, bei dem Tode des Gottmenschen zum Leben der Welt. Ein anderer, von der Hölle her angeregter Menschen- rath in dem zu Bethanien erbitterten Judas (V. 10) muß es herbeiführen, daß, was geschehen soll, geschieht nach Jesu Wort wider des Hohenrathes Befchlußz und derselbe Judas muß anhören, was Jesus sagt, damit ihm das Urtheil, daß er auch als Satans Werkzeug doch nur der Aussiihrer göttlichen Rathschlusses werden und bleiben müsse, schon hier im Voraus gesprochen sei. (Stier.) 3. Und da er lFreitags den 31. März a. 30 n. Chr] zu Bethanieii war in»Simons, des [ehe- mals von ihm get-eilten] Aussatzigem Hause [wo- hin er an jenem Tage auf seiner Reise nach Je- rusalem gekommen, um bei der ihm befreundeten Familie den Sabbath über zu verweilen] und saß sdort mit seinen Jüngern und LazarUsJ zu Tische; da kam ein Weib [Maria, des Lazarus SchwesterL die hatte ein Glas [Alabasterfläschchen] mit unge- fcilschtem und köstlichem Nardenwasser cdas sehr kostbar und bisher sorgfältig aufbewahrt worden war], und sie zerbrach das Glas, und goß es auf sein Haupt [und darnach auch auf seine Füße] 4. Da waren etliche lzuerst Judas Jscharioth, der aber auch einige von den übrigen Jüngern durch seine gleißnerische Rede mit fortriß], die wurden unwillig, und sprachen: Was soll doch dieser Unrath [diese VerschwendungTs 5. Man könnte das Wasser mehr denn um drei hundert Groschen sDenare a 772 Gr. = 75 Tun. 2. Mos so, 13 Drum] verkauft haben, und dasselbe [den Erlös] den Armen geben [statt daß es hier in so luxuriöser Weise vergeudet wird] Und mnrreten über sie [in falschem Eifer]. 6. Jesus aber lweniger den Judas berück- sichtigend, dessen Schalkheit er völlig durchschauete, als auf die gute Meinung der Andern eingehend] sprach: Laßt sie mit Frieden! Was bekümmert ihr sie sbeschweret ihr Gewissen mit ungerechtem Vorwurf]? Sie hat ein [wenn auch ihr selber seiner eigentlichen Bedeutung nach unbewußt] gut Werk an mir gethan. 7. Jhr habt allezeit Arme bei.euch, und wenn ihr wollt, köunet ihr ihnen Gutes thun; mich aber habt ihr nicht alle Zeit [darum nennt es nicht unnütze Verschwendung, wenn die Salbe an mich gewendet worden ist] 84 Sie hat gethan, was sie konnte [in ihre That hineingelegt alles, was sie hatte und ver- mochte, und»- nun sage ich euch, es liegt in dieser That mehr, als ihr verstehet]; sie ist zuvor kom- men, mecnen Leichnam [d. i. Leib Weist» 9, 15 Anna] zu salben zn meinem Begrabniß 9. Wahrlich, ich sage euch: Wo dies Evan- gelium geprediget wird in aller Welt, da wird man auch das sagen zu ihrem Gedaehtnih das sie Ietzt gethan hat lsie ist durch ihre Liebesthat mit meiner Paisioiy dem Heilsgrunde für alle Welt, so eng verbunden, daß von dieser nicht kann gepre- digeszt werden, ohne zugleich ihrer zu gedenken] l Das Weib that mehr in jenem Augenblicke, als das- blos menschliche und natürliche Gefühl des Herzens zu deuten vermag; sie that mehr, als ihr selbst im Augen- blick klar und bewußt war; sie wurde vom heil. Geiste getrieben etwas zu thun, wovon der HErr selbst sagt: ,,wo dies Evangelium gepredigt wird in aller Welt, da wird man auch das sagen, das sie jetzt gethan hat« sie mußte in dieser äußeren Salbung vorbilden etwas Großes und Gewichtiges, ja das Größte und Gewich- tigste, das im Geist und in der Wahrheit geschehen nnd das der Geist der Wahrheit nun bald in aller Welt verkijndigen und verklären sollte. Wie das Glas- mit Nardentvasser von ihr zerbrochen ward, so sollte der Leib mit der Salbung von Oben, der Leib des HErriy über dessen Haupt sie das Glas zerbrach, gebrochen werden; und wie das köstliche Nardenwasseiy nachdem das Glas zerbrochen, sich über den Leib des HErrn Jesu ergoß, so sollte die Fülle der Gottheit, die Salbung des Geistes von Oben, die in diesem Leibe wohnte, sich nun über den Leib ergießen, welcher ist die Gemeine. Und wie das Glas zerbrochen ward, so sollte von nun an an allen Gliedern des Leibes Christi, an allen Seelen, die zu seiner Gemeine gehören, der Sündenleib des alten Menschen kraft des gebrochenen Leibes Christi zer- brochen werden, das Werk des Teufels sollte an ihnen zerstört werden, das vergossene Blut des Hauptes sollte fie reinigen und heiligen von allen Sünden und Ge- brechen, und aus der Salbung des Geistes sollte ein neuer Mensch geboren werden. Und dies Zerbrechen des alten Siindenleibes und dieses Geborenwerden zu einem neuen Leben sollte fortan in der Christengemeine mit jedem neugebornen Gliede im Wasserbad der Taufe geschehen, also daß die durch den gebrochenen Leib und das vergossene Blut Jesu erlöste Gemeine nun nicht mehr im alten Wesen des Buchftabens sondern im neuen Wesen des Geistes dienen könnte; ja seitdem der heil. Geist solches Verkündigt und verklärt hat, seitdem wissen wir, worin das neue Wesen des Geistes, die Anbetung Gottes im Geist und in der Wahr- heit besteht. Zerbrochen werden und ans- fließenz das sind die beiden Stiicke des neuen Wesens im Geist. Thue noch so viel Gutes, gieb all deine Habe den Armen, laß deinen Leib brennen, fasie und bete und singe noch so viel —— läßt du das alte, siindliche, eigenwillige Wesen nicht zerbrechen, hältst du über irgend etwas, das aus deinem eigenen Willen, aus deiner alten Natur kommt, so ist all dein Gutes- thun nichts als ein Dienst im alten Wesen des Buch- stabens, es taugt nichts vor Gott; und wenn du mit Menschen- und Engelzuiigen redetest und wttßteft alle Geheimnisse und hättest einen Glauben, daß du Berge versetzen könntest, du behieltest aber etwas davon als dein Eigenes an, du bespiegelteft dich darin, du gefielst dir darin, du suchtest damit deine Ehre, dn ließest nicht Die Salbung Jesn zu Bethanien. Anerbieten des Judas, Jesum zu verrathen. 545 alles, was dir gegeben, wieder ausfließen auf das Haupt, von dem es dir gegeben ward, so dienst du im alten Wesen des Bnchstabens und nicht im neuen Wesen des Geistes, so betest du nicht an im Geist und in der Wahr- heit. Zerbrochen werden und ausfließen, das ist der Dienst im neuen Wesen des Geistes, das ist die Anbetung Gottes im Geist und in der Wahrheit, das ist es, wenn Paulus sagt: ,,ich ermahne euch durch die Barmherzigkeit Gottes, daß ihr eure Leiber begebet zu einem lebendigen, heiligen, Gott wohlgefälligen Opfer, welches sei euer vernünftiger Gottesdienst·« Wie aber die Jiingey von Judas dem Verräther dazu angestachelt, die That des Weibes beurtheilten, ebenso steht der Welt- sinn von heute dem neuen Wesen des Geistes und dem Herzensumgang mit dem HErrn gegenüber, ebenso weg- werfend urtheilt er über das geistliche Zerbrochenwerden und Aus-fließen. Entweder er versteht die Sache gar nicht, er vernimmt nichts davon, es fehlen ihm die ge- weckten geistlichen Sinne, die Liebe Jesu Christi hat das Herz noch nicht berührt, und dann heißt es: was soll diese Ueberspannung, diese übertriebene Frömmigkeit? was soll das Beten und Kirchengehen? man kann die Zeit besser benutzen, zum Arbeiten, zum Gutesthum damit kann man seinen Gott auch verehren und seinen Heiland besser lieben. Oder man will von dem neuen Wesen des Geistes nichts vernehmen, man will die Liebe Christi nicht an sein Herz kommen lassen, wie Judas der Verräther, man steckt im geheimen Sünden- dienst, man hat die Sünde lieb und geht mit Werken der Finsternis; um; dann wird einem alles, was zur Ehre Jesii geschieht, unerträglich, es entsteht in dem Herzen eine Feindschaft gegen Jesum, die Anbetung des- selben, der Herzeiisumgang mit ihm, das Bekennen sei- nes Namens wird einem ekelhaft und man verachtet, verspottet und haßt diejenigen, die mit ihrem Herzen und Leben dem HErrn Iesu dienen. Lassen wir uns aber durch solchen Weltsinn nicht irre machen, sondern halten wir uns beständig daran, wie der HErr, der lebendige Gott und Heiland, wie Er die Sache anfiehet! (Huhn.) Der Liebe, welche Maria für Jesum äußert, setzt Judas die werkthätige Liebe gegen Arme entgegen: wie ungerecht! was hat zu allen Zeiten den Eifer des Wohlthuns mehr entflammet als Liebe zu dem HErrn? Die Christen vergaßen es nicht, daß er die Hungri en gespeiset und die Kranken geheilt, daß er im Ge en mehr Seligkeit als im Nehmen gefunden, ja daß er selbst sich feines unermeßlichen Reichthums entäußert hatte, um ein Armer unter den Armen zu fein: wo sie nun einen Armen sahen, da sahen sie in ihm den HErrn Jesum selbst; verwaisete Kinder wurden erzogen, kraft- lose Greise wurden verpflegt, in die Hütten des Elends drang das Mitleid und brachte Bekleidung für die Nackten, Speise für die Hungrigen, Arzenei für die Kranken. Die Wohlthätigkeit ward eine Lieblingstugend der Christen: wäre sie es geworden, wenn sie den HErrn nicht geliebt hätten? Wenn» sie auch jetzt, und zwar in einem bedeutenden Umfange ausgeübt wird, wenn sie leibliche und geistige Bedürfnisse, nahe und entfernte berücksichtigt, wenn sie das Wort Gottes ver- breitet, wenn sie Boten des Heils über das Weltmeer sendet: aus welchem Antriebe, zu wessen Ehre geschieht es? aus Liebe zum HErrn, zu seiner Ehre! (Theremin.) Wie Jesus vordem die Maria gegen Mariha, seine Jünger gegen die Pharisäer, die Hosianna rufenden Kinder gegen den Hohenrath, die Sünderin gegen Simon u. s. w. geschützt hat unter dem Recht und der Gerech- tigkeit des Himmels, so beweist er es vornehmlich hier, daß er der Ausleger des Gesetzes, der rechte Mann ist, durch den Gott den Erdkreis in Gerechtigkeit zu» richten beschlossen hat (Jes.11, 4 ss.; 42, 3); er hält dem ver- D ä ch f e l« s Bibelwerb urtheilteii Weibe einen Schild vor, von dem der tödt- liche Pfeil unmittelbar in das Herz des Schützen zu- riickfährt —- gute Werke hat dieser verlangt, so wird denn ein gutes, lbbliches Werk ihm entgegengehaltem was in Beziehung sieht zu dem böseften, verruchteften lWerke, was dieser in Kurzem beginnen wird. (Wichel- )aus.) 10. Und Judas Jscharioth einer von den 3ivolsen, ging hin zu den Hohenpriesteru daß er ihn verriethe. ·· 11. Da sie das beteten, wurden sie froh, nnd verhiesien ihm das Geld zu geben. Und er smii ihnen, die da suchten V. I, nun zu gleichem Streben verbunden] fuchte [von dem an Gelegen- heit], wie er ihn fuglich verriethe Jm Verhältniß zu der Einleitung V. 1 u. 2 hatte die Geschichte in V. 3 —»9 zunächft nur die Bedeutung eines Contrastes, indem Jesus hier so sicher von seinem Tode und feinem Begräbniß als einem unmittelbar be- vorstehenden Ereigniß redet, während die oberste Be- hörde, durch die er zum Tode kommen soll, dort noch nicht weiß, wie sie den Mordanschlag am besten an- stellen soll und ob er ihr gelingen wird; an sich selber aber ist jene Geschichte noch nicht die Thatsache , die in V. 1 f. angekiindigt worden, diese findet sich erst in V. 10 u. 11. Aus dem Kreise der Zwiilfe selbst reicht Judas den Feinden die Hand, Jesu Auslieferung ver- . sprechend; indem der Evangelist in V. 11 ausdrücklich die Wirkung seines Anerbietens beschreibt, macht er selbst daraus aufmerksam, wie die Feinde Jesii hiermit eben das gefunden haben, wonach sie V. 1 zufolge jetzt suchten. Nun muß aber V. 10 auch eng an die Er- zählung V. 3—.9 angeschlossen werden: wie V. 4 n·. 5 die nächste Folge der That des Weibes in V. 3 beschrieb, so erzählt V. 10 u. 11 die Ausführung eines Beschliisses, der aus Anlaß des Wortes Jefu in V. 6—9 gefaßt worden ist. (Klostermann.) Es ist nicht nur ganz ge- meiner schmutziger Geiz, worin das Verderben des Judas seine Wurzel hatte; wir dürfen annehmen, daß seine Weltliebe auch einen großartigeren Maßstab kannte, daß er sogar im Reiche des HErrn Jesu des Fleisches Herrlichkeit zu gewinnen hoffte. Auch bei den andern Jüngern war etwas vom Sauerteig dieser Gesinnung vorhanden, bei ihm aber widerstrebte das Herz am hartnäckigsten der Läuterung durch den Geist des HErrrU darum ward ihm der Heilige Gottes immer unerträg- licher, und es brauchte am Ende nur das geringe Wort jener Rtige bei der Salbung, so ward· ihm der gelmde Tadel, dieses Oel der Sanftmuth Christi, zum Oel in« das Feuer seines Hasses, daß er hinging zu· den Hohen- priestern, zum Verrath sich zu erbieten. Ein Verräther aus dem Kreise der Zwölfez wie mußte· diese unver- hoffte Entdeckung« den Frevelmuth »der Priesteuspornenl Diese unerwartete Gelegenheit hieß alle sonstige Rück- sicht (V. Z) fchweigen und trieb sie rascher vorzugehem als es ursprünglich ihre Absicht war. Jetzt oder nie, so erkannten alle; und nur das Eine ward ausbedungen, daß Judas zur Verhaftung ohne Aufsehen behilflich wäre, und er selber gab wohl Hoffnung, an der Staite des einsamen Gebets, in der Stille der Nacht, sollte das Werk gelingen, wobei er wohl mit der Aussicht ßch schmeichelte, sich durch die That in die Gunst der·Prie- ster zu empfehlen und Ehre und Ansehen zu gewinnen. O der thörichtemRechnung ohne den HErrn, Ia wider den HErrnt (Riggenbach.) 11. v. 12—25. (§. 112 u. un) Ju- mizikm von-im- tag der Leidens-weihe der Tag des indischen passa R. T. I, 35 546 Evangelium Marci 14, 12-—25. hrrbeigeliommen, läßt Jesus durch zween seiner Sänger die Vorbereitungen in Jerusalem treffen, daß er dies Mal Ostern mit den Zwölsen daselbst halte; und als nun die bestimmte Zeit am Abend dazu da in, findet er In) mit ihnen in dem Saale dessen, der ihm Herberge bewilligt hat, ein, die heilige Feier zu halten. Der Evangelist besrhästigt sieh aber weniger mit der eigent- lichen passaseiey vielmehr geht er sogleikh zur Gut— demnug des tilerräthers nnd dann zur Einsehung des heil. Jibendmahlo über. (vgl.Mutlh.26,17—29; kalt. W, 7—«38; Sah. 13, 1—38.) « 12. Und am ersten Tage der süßen Brode, da man das Osterlamni opferte [schlachtete, also Donnerstag den Ist. Nisan], sprachen seine Jünget [des Morgens in Bethaniem wo er mit ihnen weilte] zu ihm: Wo willst du, daß wir hingeben und bereiten, daß du das Osterlauim essests 13. Und er sandte seiner Jiiiiger zween,sund sprach zu ihnen: Gehet hin in die Stadt, und es wird euch [gleich beim Eintritt in dieselbe] ein Mensch begegnen, der trägt einen Krug mit Wasser; folget ihm nach. s 14. Und [in dem Hause] wo et eingeheh da sprechet zu dem Hauswirth [dem Herrn, dem das Haus gehört]: Der Meister [dem wir angehören und den ja auch du kennst1 läßt dir sagen: Wo ist das Gasthaus soder Ouartler], darinnen ich das Osterlamm esse mit meinen Jüngern? 15. Und er wird euch einen großen Saal zeigen, der gepflastert smit Polsterlagern um den Tisch herum belegt] Und szur Abhaltung der Mahlzeit schon] bereitet ist; daselbst richtet sur uns zu. » 16. Und die Jitnger sPetrus und Johannes Luk. 22, 8] gingen aus kvon Bethanien], und kamen in die Stadt, und fanden es, wie er ihnen gesagt hatte [fowohl was die Vegegnung beim Eintritt V. 13, als das Verhalten des Mannes bei Ausrichtung ihrer Botschaft V. 14 f. betrifst], und bereiteten das Osterlamm sbis zu der be- stimmten Zeit am Nachmittag] War unter Jefu Freunden ein heimlicher Feind, nun, unter feinen Feinden war auch manch heimlicher Freund. (Braune.) Aus dem tiefsten Stande der Er- niedrigung Jesu leuchten die hellsten Strahlen der gött- lichen Allwifsenheit und seiner Macht über die Herzen hervor« (Tüb.Bib.) Jn lebendigem rhythmischen Fort- schritt wird V. 16 die Bewährung des Wortes Jefu be- richtet. (Klostermann.) 17. Am Abend aber sgegen 6 Uhr] kam er mit den Zwölfen [denn auch die beiden Jiinger B. 13 waren nach Bereitung des Osterlamms wieder zu ihm zurückgekehrts 18. Und als sie zu Tische saßen und aßen, sprach Jesus [indem er die Passamahlzeit jetzt, gegen 9 Uhr, zu Ende bringen und seine Sacra- mentsstiftung vornehmen wollte]: Wahrlich, ich sage ench: Einer unter euch, der mit mir isset, wird mich verrathen. 19. Und sie wurden traurig, und sagten zu ihm, einer nach dem andern: Bin ichs? Und der andere: Bin ichs? 20. Er antwortete und sprach zu ihnen sfür jetzt es noch unbestimmt lassend, welchen von ihnen er meine, und nur das hervorhebend, daß einer ans dem Kreise seiner geistlichen Familie sein Ver: räther fein werde]: Einer ans den zwölfen, der mit mir in »die Schüssel tauchet [so eben die Mahl- zeit mit mir gehalten hat]. 21. Zwar des Menschen Sohn gehet hin, wie von ihm geschrieben stehet snach göttlichem Rath- fchluß, der in der Schrift zuvor bezeugt ist und nun auch sich erfüllen MUßJZ Wehe aber dem Menschen, durch welkhen des Menschen Sohn ver- rathen wirdl Es ware demselben Menschen besser, daß er nie geboren ware. Erbauliche Beichtftundz in die wir hier blickenl da ruht das Brod auf dem Abendmahlstifchh dort ist der Kelch des neuen Testameuts schon ein efchenkt, hier wogen Sündenbewußtsein und Bußgesü le durch der Jünger Herzen und lehren uns, wie man sich bereiten müsse zum Genuß des heil. Abendmahls Ja, zittre nur wie jene Jesusfreundz meine Seele, wenn du die Hand nach seinem Leibe und Blute ausstreckstr du weißt ja, wer unwürdig isset und trinket, der isfet und trinket ihm selber das Gericht. Wenn du vor groben Aus- brüchen deiner Sünden auch bewahrt bliebst, bedenke, aus dem Herzen kommen arge Gedanken, Mord, Ehe- brnch, Hurerei. Dieberei. falsches Zeugniß, Lästerung nnd andere Stücke, die den Menschen verunreinigeru seufze wie der Zöllnen »Gott sei mir Sünder gnädig l« und bete wie David: - »Wer kann merken, wie oft er fehle? HEriz verzeihe mir die verborgenen Fehlen« Und wo fein Wort irgend eine Sünde straft, da blicke niemals um dich her, sondern in dich selbst hinein; da denke niemals an diesen und jenen, sondern an dich allein und frage stets nur: ,,HErr, bin ich’s P« (Appuhn·) Die Jünger mißtrauen dem eigenen Herzen, sie wissen, zu welchen argen Dingen es unter Umständen fähig ist; und sie thun als rechte Jünger des HErrn, die bei sich selber den Anfang der Prüfung machen, auf daß sie dann von feinem Brod essen und aus seinem Kelch trinken, ihm aber trauen sie mehr als sich selbst, und nicht in eigenen Versicherungen der Treue, nur in seiner Freifprechung und feinem Gnadenbeiftand suchen sie Trost. Die Antwort des HErrm daß es einer sei, der noch jetzt mit ihm die Hand in die Schüfsel getaucht habe, lautet bestimmt und ist doch noch keine perfönliche Bezeichnung, welchen der Tischgenossen er meine; daß aber Gottes Rath die Schuld des Frevlers nicht auf- hebe, spricht er mit einem herzdurchdringenden Wehe aus. Der arge Mensch darf das Wort nicht an sich reißen, dessen sich der Fromme getröstet, daß es also fein müsse; ihm gilt das Wort, das ihn zur Buße ruft, und wenn er sich verstockt hat, der unauslöfchliche Wehe- ruf. (Riggenbach.) 22. Und indem sie aßen seinige Zeit nach dem vorhin Erzähltem als der Verräther noch be- stimmter bezeichnet und aus dem Kreise der Zwölfe entlassen, der HErr aber, von der furchtbaren Ge- genwart dieses Menschen befreit, voll hoher Freude in einen Preis seines bevorstehenden Sieges aus- Entdeckung des Verräthers Einsetzung des heil. Abendmahls 547 gebrochen war, wie das in Joh.13,23»—32 aus- führlich zu lesen] nahm Jesus das Brod, dankete und brach’s, nnd gab es ihnen und sprach: Neh- met, esset; das ist mein Leib. 23. Und nahm den Kelch nnd dankte, und gab ihnen den [nnd sprach: Trinket alle daraus]; und sie tranken alle daraus. 24. Und er sprach zu ihnen sindem er ihnen den Kelch reichte V. 23]: »Das ift mein Blut des neuen Testaments, das sur viele Vergossen wird szur Vergebung der Sünden]. 25. Wahrlich [so fuhr er dann, als sie alle getrunken, fort], ich sage »euch, daß ich hinfort nicht trinken werde vom Gewachs des Weinstocka bis aus den Tag, da ich es neu trinke, in dem Reich Gottes [vgl. die Erklärung zu Matth. 26, 26 — 29]. In V. 18—21 u. V. 22 —-25 begegnen uns zwei zufammengehörige Stücke, welche sich beide gleicherweise durch ,,als (iiidem) sie aßen« einleiten, so zwar, daß bei dem ersten ein voraufgeschicktes ,,zu Tische saßen« von der Ankunft Jesu zu dem Mahle überleitet; der erste Vorgang setzt voraus, daß (noch) gegessen wird und der zweite, daß das Essen dem Ende nahe ist. Das Be- deutsame des ersten Stückes besteht darin, daß Jesus, wie er in V. 3 —- 9 seinen ehrlofen Tod vorhergesagt hat, während seine Feinde noch nach einem Plane such- ten und iiber dessen Gelingen unsicher waren (V. 1 f.), so hier seinen Jüngern und dem Verräther selbst vor- hersagt, daß einer aus ihrer Mitte ihn verrathen und diesem sein Verrath gelingen werde, während die Jün- ger einen folchen Gedanken nicht fassen können, der Ver- räther aber selber noch unsicher ist über das Gelingen seines Vorhabens (V. 11) und statt schon Hand ange- legt zu haben, noch wie einer der Ihrigen unter den Zwölfen sitzt. Das zweite Stück, das Vermächtniß des » Abendmahls , wird ebenfalls an das Essen angeknüpft; durch das ,,dankete« giebt der Erzähler zu erkennen, daß Jesus mit den Bestandtheilen der früheren Mahl- zeit eine neue veranstalteh die er darbietet und an der er selbst nicht theilnimmt. Hatte der Glaube der Jllu- ger bisher eine Stittze an der leiblichen Gemeinschaft mit Jesu, die sich in ihrer Tischgemeinschaft mit ihm noch eben in ihrer höchsten Spitze ezeigt hatte, so müssen sie derselben von jetzt an entbeFrem und doch gehen sie einer neuen Tischgemeinfchaft mit ihm nach V. 25 entgegen, wo der fetndliche Gegensatz des Glau- bens und des natürlichen Wollens durch die Verklärung der Natur zur seligen Einheit aufgehoben fein wird; aber ist er auch nicht bei ihnen in der Zwischenzeitz um mit ihnen zu essen, so sollen sie doch wissen, daß er selbst ihnen in der Zwischenzeit einen Tisch bereit stellt, der ein Erfatz der verlernen und ein Unterpfand der zukünftigen Tischgemeinschafh ihnen in der Gestalt eines leiblichen Genusses für ihren Glauben diejeni e Kräfti- gung gewährt, welche ihm nöthig ist, um während der leiblichen Trennung von ihrem HErrn in dem Kampfe gegen das Fleisch siegreich zu bleiben und in ungetrüb- ter Frifche Stand zu halten bis zur Wiedervereinigung mit Jesu in feines Vaters Reiche. (Klosterrnann.) Welch wunderbares lebendiges Denkmal, daß sich immer vom Neuen wieder verjüngt! welch einfache sprechende Handlung von unerschöpflicher Bedeutung, die uns wie die Taufe zu verstehen giebt, daß nicht ftir unsern Geist allein, sondern auch für unsre Leiblichkeih daß überhaupt für den ganzen Menschen Jesus der Heiland und Lebens- fürst sei! Jst es nicht ein Jammer und ein Triumph des Seelenfeindes, daß das Mahl der Versöhnung und des Friedens zum Zankapfel des bittersten Streites wurde? Wir können und wollen uns in denselben nicht verlieren; mit Glaubensverlangen kommen und nehmen, das muß dem Verftändniß allezeit vorangehen. Nur soviel sei hier angedeutet: das Brod, das der HErr in die Hand nimmt und bricht, ist nicht selber der Leib des HErrm dennoch wenn er nnerwartet spricht: »das ist mein Leib«, so will er mit Absicht die Ehrfurcht vor dem Geheimniß welken: ,,nehmet und esset nicht nur das Brod, trinket nicht nur den Wein des Kelchs; was ich euch nehmen und genießen heiße, das ist mein Leib nnd das Blut des neuen Bandes. Mein Leib und Blut, im Tode getrennt, sind das reihte Opfer für Viele, die glauben, zur Vergebung der Sünden« Das Opfer aber wird auch Speise und Trank; nicht wie der Menfch von irdischer Nahrung genießt, die er in seinen Leib verwandelt, sondern der Verklärten Ordnung ge- mäß, so daß ein jeder, der den Mund des Glaubens öffnet, in die Aehnlichkeit des verllärten Leibes Christi soll verwandelt werden. Das wird uns verbürgt durch die Handlung, die wir im Gehorsam des Glaubens be- gehen. ,,Solches thut zu meinem Gedächtniß«: das meint nicht nur Andenken an eine längst vergangene Gefchichte, sondern wie es im alten Bunde heißt, daß der HErr an einem Ort, wo er seine helfende Niacht erwiesen, ein Gedächtniß seines Namens gestiftet, der doch allzeit gegenwärtig ist, oder wie die Opfer darge- bracht wurden, das Gedächtniß unsrer Sünden aufzu- frifchen (Hebr. 10, 3), die doch leider auch nicht nur fern und längst vergangen sind, so sollen wir kraft des Erinnerungszeichens uns in die lebendige, erlösnngs- kräftige Gegenwart des unsichtbaren und dennoch gegenwärtigen HErrn versenken; »bis daß er kommt«, so weist das heil. Abendmahl auf die Zeit der herrlichen Vollendung hinaus, wo ein höheres Genießen eintreten wird in der Herrlichkeit der neuen Creatun Es ist uns zwischen feinem Abschied und seiner Zukunft der immer« währende Ersatz , die stetige Verbürgung seiner Gegen- wart; es mahnt uns stets vom Neuen thatsächlich, daß unsre Glaubenshoffnung nicht darauf verzichten darf, in Christo den ganzen Heiland zu ergreifen für unser ganzes Wesen nach Geist, Seele und Leib. (Riggenbach.) Markus hebt in V. 23 recht geflissentlich hervor, daß sie alle der Reihe nach aus dem Kelch tranken, und läßt darauf in V. 24 den HErrn zu diesem Akt die deutenden Worte sprechen — auch hier, wie o oft, wird das in Rom geschriebene Petrinische Evangeltum wie zu einem göttlichen Zeugniß gegen falsche Lehre und ver- kehrte Sahung in der römischen Kirche. III. d. 26——52. (§. 115 n. 116.) llach sefchlaß des Vasfamahls nnd der damit verbundenen Abendmahl-i- fliftung hat der Heller, wie wir ans dem Co. St. Loh. wissen, mit den Jüngern noch viel geredet und zuletzt sein hohepriesterlictieg Gebet gesprochen; wenn er darin anrh sagt (Joh.17,19): »ich heilige mich selbst für as§ so folgt dieser Jltit nun unmittelbar in dem Gebet-i- tiamufe zu Gethsemank in welchem er die Ueber- nahme der Sünden der Welt (suscepti0) vollzog, um sie darnach in seinem seiden nnd Sterben anchbehnfo Wegschasfnng durch Sühne zu tragen (gestat10 oder ouerosa portatjox Unser: Abschnitt umfaßt auch die dem Gebetgleampf vorangehende Warnung an Petri-o nnd die ihm nachfolgende Geschicht: der Gefangen- nehmung (vgl. Rauh. As, 30—50; kalt. DE, 39—53; Sah. IF, t———11.) 3516 548 Evangelium Marci 14, 26——42. 26. Und da sie den Lobgesang [mit Pf. 115 ——118] gesprochen fund darauf noch längere Zeit sich mit einander unterredetj hatten, gingen fie [über den Kidron hinüber und] hinaus an den Oelberg 27. Und Jesus sprach zu ihnen: Jhr werdet euch in dieser Nacht alle an mir argern; denn es stehet [Sach. 13, 71 geschrieben: Ich werde den Hirten schlagen, und die Schafe werden sich zer- streuen. 28. Aber nachdem ich auserstehe kwerde auf- ersjanden sein], will ich vor euch hingeben in Ga- liiaa [ench »und alle Glieder meiner Heerde dort wieder um mich zu sammeln]. » sit. Pexrus aber sagte zu ihm: Und wenn sYe sich» alle argkrten fwie du sagest], so wolltedoch »Ich mich nicht argern. 30. Und Jesus lihm die heute schon einmal gemachte Ankiindigung noch bestimmter wieder- holend Luk. 22 ,»31 Joh.·13, 37 f·.] sprach zu ihm: Wahrlich, ich sage dir, heute in dieser Nacht, ehe denn der Hahn zweimal krahet, wirst du mich dreimal verleugnen. 31. Er aber redete noch weiter [und machte seines Geredes viel]: Ja, wenn ich auch mit dir sterben· mußte» wollte ich dich nicht verleugnen. Desselbigen gleichen sagten sie alle kdaß es so weit mit ihnen nicht kommen werde, bis zum Verlassen und , Verleugnen]. » Die Jiiuger behielten das letzte Wort, und Jesus mußte schweigen; er sah, daß sie mit Worten sich nicht bedenken ließen, sondern daß sie nur durch die That zu belehren wären —- wer nicht hören will, muß fühlen. So muß der HErr denn« leider auch uns oft, und nur zu oft fiihlen lassen, weil wir eben nicht hören wollen; statt bei den Warnungem die der HErr durch seinen Geist, durch sein Wort und seine Freundesstimme uns zuruft, kleiner, demiithiger, vorsichtiger, mißtrauifcher gegen uns selbst zu werden, machen wir uns nur um desto größer und fangen nun erst, da Andere geringer von uns denken, recht an etwas von uns zu halten. Da heißt es denn: ,,wie kann man so etwas von mir denken? wie kann man mir so etwas Arges zutrauen? ich meine es redlich mit meinem Christenthum.« Und dabei merkt man nicht, daß man schon im Sieb des Satans ist, man merkt nicht, wie er einen schon mit Blindheit geschlagen hat; gestern bekannte man noch das Grundverderben seines Herzens, und heute, da man vor der speciellen Sünde und vor dem Fall gewarnt wird, da ist man ein Tugendheld, da sieht man lauter Reines und Lauteres an sich, da ärgert man sich , daß Andere einen für unrein halten. Und auch das Wort Gottes und die Predigt, die einem ganz deutlich zeigen: so bist du, und so wird’s kommen — auf jeden Andern bezieht man es, nur nicht auf sich selbst: kurz, man muß das letzte Wort behalten, bis, ja bis man gefallen, tief ge- fallen ist und nun nicht weiß, was man machen soll. tHUhUJ 32. Und sie kamen zu dem Hofe, mit »Namen Gethsemane Und er. sprach zu seinen Jungfern: Sgtzelk euch hie, bis ich snach jener Stelle] hingehe un etc. 33. Und nahm zu sich Petruim und Jakobum und Johannem [vgl. dieiBem. zu Luk. 22, 46], nnd fing an zu zittern nnd zu zagen Zusammen: fahrend und erschaudernd, als ob etwas Eutsetzliches jetzt iiber ihn käme]. « 34. Und fprach zu ihnen: Meine Seele ist betrübt bis an den Tod; enthaltet euch hie shal- tet hier ench auf Apostg 1, 13], und machet. 35. Und ging ein wenig fiirbaß, fiel auf die Erde, und betete, daß, so es inbglich wäre, die Stunde lwelche jetzt über ihn kommen solle] vor- nber ginge. 36. Und sprach: Abba, mein Vater, es ist dir alles möglich [Kap. 10, 27], iiberhebe mich dieses Kelchsz doch nicht was ich will, sondern was du willst. 37. Und kam shierauf zu den dreien V. 33], und fand sie schlafend. Und sprach zu Petro kais dem am meisten Gefährdeten V. 30]: Simon, schliifest du? Bermbchteft du nicht Eine Stunde zu wachen? 38. Wachet und betet, daß ihr nicht in Ber- snchung fallet. Der« Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach [Matth. 26, 41]. 39. Und ging wieder hin, nnd betete, nnd sprach dieselben Worte. 40. Und kam wieder, nnd fand sie abermal schlafend [nnd vermochte nicht, sie ordentlich zu er- munterxqz denn ihre Augen. waren voll Schlafs, , und wußten nicht, was sie ihm antworteten fals er mit ihnen zu reden verfuchte, daher er» sie nicht abermals, wie vorhin V. 38, ermahnen konnte]. 41. Und er kam zum drittenmal, und sprach zu ihnen: Ach wollt ihr nun schlafen und ruhen? Es ist genug siänger kann ich euch »in euerm schlaftrunkenen Zustande nicht belassen], die Stunde ist kommen [die nun mit Gewalt statt meiner ench weckt]. Siehe, drs Menschen Sohn wird übernat- wortet in der Sunder Hunde; . 42. »Steh·et auf, lasset uns gehen; siehe, der mich verrath, ist nahe. Während also Jesus zitternd im Staube lag»und schon anfing die Schmerzen zu fühlen, die zur Erlosung der Seinen nothwendig waren, konnte er von seinen Jüngern kein Zeichen der Liebe und Theilnahme er- halten, sondern fand bei ihnen nichts als Kälte nnd Gleichgiltigkeih da sehen wir das Verhalten der Menschen gegen den HErrn und ihr dreifaches Unrecht: I) der HErr hat ftir uns gebiißt und wir sind unbußfertig, L) der HErr wachet für uns und wir schlafen, 3) der HErr liebt uns und wir lieben-ihn nicht. —- I. Man sieht, daß furchtbare Schreckety die Jesus bisher von sich entfernt gehalten, nun plötzlich von ihm selber gleichsam die Erlaubniß bekommen, ihn zu» bestimmen, daß er sich ihnen hingiebt, daß er selbst aber fast davon überwältigt wird; und was waren das für Schrecken? waren es etwa die des Todes? Ja wohl, die des Todes; nur denke man stch dabei keine gemeine Todesfurchh denn von dieser wird man doch Warnung an Petrus. wohl den Sohn Gottes freisprechen, welcher keiner mit der Sünde verborgenen Regung unterworfen sein konnte. Es waren Schrecken des geistigen, ewigen Todes —- nicht des Todes, den er erst sterben sollte, sondern des Todes , den er schon angefangen hatte zu sterben; denn Er,·der Stellvertreter der Sünder, Er, welcher alle, die an ihn glauben, von den ewigen Strafen befreien wollte, er mußte, um die Gerechtigkeit seines Vaters zu befrie- digen, selbst diese Strafen erdulden, er mußte die Bitter- keit des geistigen Todes schmecken, um uns seiner Ge- walt zu entziehen. Was-er empfinden will, das. kann er auch empfinden; er kann durch seine Allwissenheit die Folgen der Sünde scheuen, er kann durch seine Liebe sich an die Stelle ihrer unglijcklichen Opfer versehen· Er sieht also, wie die Sünde, von Einem Punkte aus- gehend, sich über die ganze Erde verbreitet und sich fortpflanzt durch alle Geschlechter; mannigfaltige Leiden und der Tod, der unter großen Schmerzen Leib und Seele trennt, sind in ihrem Gefolge. Die menschliche Natur hat keine Mittel, sie zu unterdrücken, und selbst das Mittel, das Er durch die Erlösung darbieten will, wird nicht von allen angenommen werden. Reiche zer- fallen in Staub und verschwinden von der Oberfläche der Erde, weil die Sünde ihre Grundfesten untergraben hat; die heiligsten Bande zwischen Ehegatten, zwischen Eltern und Kindern lösen sich auf, und diejenigen, welche berufen waren, sich gegenseitig zu beglückten, schaffen einander Schmerzen, wie kein Feind und Gegner sie bereiten könnte. Das Innere des Menschen, das ein Tempel Gottes sein sollte, wird bewohnt von den Mächten der Finsterniß; der Friede ist daraus entslohen, und in den Tiefen seines Wesens regt sich ein immer nagender Wurm. Die Angst, welche die rechten Mittel zu ihrer Heilung verschmäht, stürzt sich in den Strudel der weltlichen Lüfte, worin sie sich furchtbar steigert; sie treibt zu Sünden, und da auch diese nicht beruhigen, stürzt sie sich in Verbrechen, auf welche Verzweiflung und Verdammniß folgt. Nun öffnet sich dem Blicke des HErrn das, was unserm Auge verschlossen ist und was sich nur zum Theil unsrer schauervollen Ahnung enthüllt — der Aufenthalt der Verdammten: er sieht die Seelen, welche zum Mitgenuß göttlicher Freuden im Himmel berufen waren, von Gott getrennt» und zwar für immer; gequält und gepeinigt, und zwar ohne Auf- hören. Er, der selbst ewig ist, faßt den uns entschlü- pfenden Gedanken einer ewigen Qual und hält ihn fest; aber er erträgt ihn kaum, er sinkt in den Staub, das Blut wird durch die Angst seiner Seele aus der Stirn hervorgetriebeii nnd fällt auf die Erde, der Kelch, den er schon trinkt, ist zu bitter, er fleht, daß er von ihm genommen werde. Wo sind die Jünger indeß? umgeben sie ihn, sind sie Zeugen seines Kampfes, ahnen sie, daß auch ihre Sünden zu denen gehören, die ihm diese Schmerzen verursachen? werden sie mit hineingezogen in seine Angst, liegen sie neben ihm im Staube, trocknen sie mit liebender Hand den blutigen Schweiß von seiner Stirn? Nein, sie wissen von nichts, kümmern sich um nichts; in ihrer ungestörten Ruhe sind ihnen die Augen zugefallen,·und als Jesus sie aussucht, um sich zur Er- tragung seiner Angst durch den Anblick derer zu stärken, fiir welche er sie erduldet, da findet er sie fchlafend. Auch die mehresten Christen scheinen mit einem Erlöser, der um ihretwillen eine tödtliche Angst erduldet hätte, nicht in der mindesten Beziehung zu stehen. Daß zu Gethsemane, daß auf Golgatha etwas Großes, etwas Schauervolles um ihretwillen vollbracht worden sei, daß sie ohne dies große Werk der Schmerzen ewig verloren gewesen wären, das wissen sie nicht; oder wenn sie es wissen, so denken sie nicht daran; oder wenn sie daran denken, so meinen sie, daß sie durch einen einzigen Gebetskampf in Gethsemane 549 leichten Schmerz der Buße alle Bedingungen ihres Heils erfüllt haben. —- IL Es genügt dem HErrn nicht, die Strafen, welche die Seinigen verdienten, zu übernehmen, er will sie auch vor Sünden bewahren; denn jede Sünde, auch wenn sie vergeben wird, ist doch ein unaussprechliches Unglück, weil sie eine Beleidigung Gottes ist und ein Hinderniß für die Fortschritte seines Reichs Jesus weiß, daß die Macht der Finsterniß nicht nur ihn an das Kreuz bringen, sondern auch für seine Jünger die größten Anfechtungen herbeiführen wird; er hatte sie schon in den früheren Unterredungen gewarnt," und jetzt, wo der entfcheidende Augenblick mehr und mehr herannaht, ist er nicht so ganz ver- sunken in seine Schmerzen, wie tief er auch darein versunken fein mochte, daß er darüber die Sorge für die Seinigen vergessen könnte. Wie eine Mutter sich von ihrem Krankenlager aufrafft und ihrer Schmerzen nicht achtet, um eine Gefahr von ihren Kindern abzu- wenden, so rafft er sich auf von der Erde, so entreißt er sich auf einen Augenblick seinen tödtlichen Schmerzenz er will sehen, wie die so hart bedroheten, so oft ge- warnten Jlinger sich verhalten, und — findet ste schla- fend; sie liegen am Rande eines Abgrundes und —— sie schlafen; die Gefahr schwebt über ihrem Haupte, aber sie merken nichts davon, denn irdische Müdigkeit hat die Augen ihres Geistes und ihres Leibes zngedrückn Wir wissen, daß kein Pilger in den Schrecknissen der Einöde und der Wüste mit größeren Gefahren zu käm- pfen hat, als wir Menschen in dem Laufe unsrer irdi- schen·Pilgerfahrt;· wir wissen, daß jeder Zustand, daß Hoheit und Niedrigkeit, Reichthum und Armuth, Glück und Leiden mit eigenthiimlichen Anfechtungen verbunden ist, daß gerade dann, wenn wir äußerlich Ruhe haben, sich die schrecklichsten Stürme in unserm Innern zu er- heben pflegen. Das alles wissen wir aus eigener trau- riger Erfahrung, wir wissen es auch durch das Wort« des HErrm ,,wachet und betet, daß ihr nicht in An- fechtung fallen« durch diese mächtige Weckftimme, die durch alle Zeiten hindurchtönt und die wir nicht heute zum ersten Mal vernommen haben; wir wissen, daß wir nur durch Wachen und Beten gerettet werden kön- nen; wir wissen, oder wir sollten es wissen, daß nur ver recht wacht, der mit Christo wacht, daß nur dann, wenn wir uns Christum Vergegenwärtigen, und vor- nehmlich wenn wir auf die Qualen blicken, die er ftir uns erduldet hat, die Augen unsers Geistes eigentlich offen stehen, daß Christus in seinem Todeskampfe und an seinem Kreuze die erhabenste Anschauung ist, zu welcher wir uns erheben können, nnd daß wir uns hie- nieden eigentlich nur während einer solchen Anschauung in einem vollkommen sicheren Zustande befinden. Und nun frage ich: wachet ihr auf diese Weise? habt ihr euch oft in diesem wachenden Zustande befunden? wie lange vermögt ihr in demselben auszuhalten? Irre ich nicht, so werden Manche antworten: dieser Zustand ist uns gänzlich unbekannt und wir haben noch niemals versucht, uns zur Anschauung Christi und.zum Gefühl seiner Gegenwart zu erheben. Noch niemals? nun so sage ich euch, daß ihr noch niemals gemacht, sondern euer ganzes Leben hindurch geschlafen und wahrscheinlich während dieses Schlafes öfter und schwerer, als ihr es wisset oder eingeftehen wollt, gesündigt habt. Andere werden sprechem wir wissen wohl, was dieses Wachen sei, wir haben davon gehört und gelesen, wir erkennen es für einen vollkommenen Zustand, wir streben. uns darein zu versehen; es gelingt, wir fchauen den HErrn, uns ergreift ein Mitgefühl seiner Schmerzen, eine tiefe Trauer, sie ihm verursacht zu haben, ein Verlangen, ihn hinfort nicht mehr zu beleidigen, durch« seine Gnade gegen alle Versuchungen gestärkt zu werden. Wir bitten 550 ihn darum; dann plötzlich —— wir wissen nicht, wie es uge t —- fühlen wir einen Druck, eine Schwere, eine Müdigkeit, die Inbrunst erkaltet, die Schwingen der Gedanken sind gelähmt, sie sinken hernieder, sie ver- wirren sich, gerade wie es beim körperlichen Einschlafen Hleeschiehh und die Augen des Geistes schließen sich zu. u ir könnt also keine Stunde mit dem HErrn wa en. —- Keine Stunde! würden sie antworten, wenn sie aufrichtig sein wollten: keine Stunde; kaum einige Minuten lang können wir es, dann müssen wir schon unsre Sinne auf anderen Gegenständen ausruzen lassen! — III. Hat es jemals ein liebesvolles r- tragen fremder Mängel und Schwachheiten gegeben, so ist es das, welches Jesus in seinem ganzen Umfange mit den Jüngern Bewies; sindjemals Worte gesprochen worden, in welchen das ganze Herz sich in Liebe aus- athmete, so sind es diejenigen, welche Jesus vor sei- nem Scheiden an die Jünger richtete (Joh. 14 sf.). In diesen Reden, und in so manchen früheren, hatte er ihnen deutlich Verkündigt, was ihm bevorstand: er sollte der Gewalt seiner Feinde hingegeben werden nnd durch ihre Hände sterben. Er hat bereits das letzte Mahl mit ihnen gehalten, und sie wissen, daß es das letzte ist; er hat sich ein Gedächtniß gestistet, er hat sie ermahnt, sein u gedenken, so dringend, so ernst, wie nur ein S eidender dazu ermahnen kann. Auch jetzt, ist niclgt in dem Dunkel dieser Nacht, in dieser Einsamkeit es Oelbergs, in diesem Trauern und Zagen, das ihn befällt, etwas Schauervolles, das oße bevorstehende Schmerzen ahnen läßt? sollten Z: nicht stets nach ihm blicken? sollte nicht ihr Ohr inlauschen in das Dunkel, ob es nicht etwa die Tritte erannahender Feinde vernähme? sollte nicht das eben ihres Herzens, die Anspannung ihres Geistes allen Schlaf von ihren Augen verfcheuchen? Das alles geziemte ich, und das alles hätte auch stattge- funden, wenn ie ihn geliebt hätten; aber sie schlasen, und dies ist ein Zeichen, wie sehr —- i spreche es mit Beben aus, das niederschlagende ort —— wie sehr es ihnen gleichgiltig ist· Er selber empfindet es wohl, und es schmerzt ihm tief; denn da er um dritten Mal kommt und sie zum dritten Mal schlahend findet, da sind feine Worte mehr als eine Ermahnung, mehr als ein Vorwurf: sie sind ein Jammergeschrei der göttlichen Liebe, welche sich darüber beklagt, daß sie so ar nicht erwiedert wird. Jn der That, es ist gleich hehr zum Erstaunen, daß der HErr uns so un- beschreiblich liebt, und daß wir ihn so wenig lieben. Was Liebe erweckt, das ist Schönheit, geistige Schön- heit: und wo war diese bei den Menschen zu finden? diejenige, die er ursprünglich von Gott empfangen hatte, war, veranstaltet durch die Sünde, und das göttliche Ebenbild, das sonst an ihm glänzte, war für »die Augen. des Ewigen selbt unkenntlich geworden; er lag da, zerquetsrht unter den Rädern des Wagens, auf welchen: der Fürst dieser Welt triumphirend über die Erde einherzog, schwimmend in seinem Blute, be- deckt mit Geschwiiren wie ein Lazarus, den Durst, der ihn quält, aus unreinen Brunnen löschend, okne Kenntniß. feines Elends, vollkommen mit demsel en zufrieden, im Geheimen verbündet mit seinem Todfeinde und mit Widerwillen erfüllt gegen Gott, seinen Schö- pser und Heiland. Auf diesen Gegenstand des Ekels und des« Abscheus senken si vom Himmel hernieder die Au en des HErrn; er it ffiir ihn der Gegenstand einer iebe , die sich in einer Errettung noch größer und herrlicher zeigt, als sie sich gezeiggg hatte in der Erschaffung von Himmel und Erde. as ist für ihn der» Thron, wo er zur Rechten seines Vaters saß? was sind für ihn die Lobgesänge der Engel, die Evangelium Marci 14, 43—53. ign umtönen? was sind für ihn die ewig grünen äume und die krystallenen Fluthen des Paradieses? er verläßt feine Herrlichkeit, um das Elend der Men- schen, die Sünde ausgenommen, zu theilen, um hier zu durften, zu bluten, zu sterben; er bekleidet ich mit ihrer Schmach, um sie mit feiner Herrlichkeits mücken zu können. So steht er vor uns, immer schön, herr- lich, rührend, sei’s daß wir ihn auf dem Throne des Himmels, sei’s daß wir ihn in feinem Wandel auf Erden, sei’s daß wir ihn am Kreuze schauen (denn auch aus seiner Niedri keit, auch aus seiner leidenden Jammergestalt strahlt Feine Schönheit, und hier viel- leicht am allerdeutlichsten hervor); so zeigt er sich uns liebenswürdig durch das, was er ist, und durch das, was er für uns gethan hat, ja als der einzig und allein Liebenswiirdigez und wir? — lieben ihn nicht! Laßt uns dies große Geseimniß unsrer Schmach, und damit unsre ganze Sünd aftigkeit und Verderbtheit be- kennen! denn wie tief müssen die nicht gesunken sein, die nichts empfinden für die wahre göttliche Schönheit, die nicht im Stande sind, eine unendliche Liebe mit dem geringsten Gefühl zu erwiedern! Wir lieben zwar alles, und je schlechter, je nichtswürdiger etwas ist, um so mehr vielleicht lieben wir es , um so mehr sind wir bis zur Schwärmerei dafür be· eistert; aber Jesus — wie Wenige unter uns hat er wohl be- geiftert? Wir tragen zwar in uns die Bilder mancher andern Gegenstände, die uns Geist und Gemüth er- füllen, die alle Gedanken, alle Empfindungen an sich reißen und fesseln; aber das Bild Jesu — wer trägt das in sich, wer ist damit beschäftigt? Wir reden zwar von manchen Dingen, und von einigen vielleicht nicht ohne Wärme und ohne Feuer, es fehlt uns dann auch nicht an Worten, um das, was wir fühlen, in andre Herzen überzutragen; aber sobald wir von Jesu reden — o Elend, o Schmach! — dann schlägt keine Flamme in unserm Innern auf, dann bieten sich keine Worte der Zunge dar, dann bleiben wir kalt und lassen auch die kalt, zu denen wir reden. (Theremin.) 43. Und alsobald, da er noch redete, kam herzu Judas, der Zwölfen einer, und eine große Sehaar mit ihm, mit Schwertern und mit Stan- gen, von den Hohenpriesterm und Schriftgelehrten und Aeltesten lvon denen auch einige in Person sich eingefunden hatten]. 44. Und der Verräther hatte ihnen lzuvor schon, als er sie zu sich genommen, in besonderer Verabredung] ein Zeichen gegeben und gesagt: Welchen ich küssen werde, der ist es [auf den es im Unterschied von denen, die bei ihm sind, an- kommt]; den greifet, nnd fuhret ihn gewiß kdaß er euch nicht entwisches 45. Und da er kam, trat er bald kam hier einiges, was zuvor sich ereignete Joh. 18, 4——9., zu übergehen] zu ihm, nnd sprach zu ihm sin großer Aufregung und wie wenn er ihn jetzt ganz Isonders ehren wollte]: Rubin, Rabbiz nnd küßte n. » its. Die aber legten ihre Hände an ihn, nnd griffen ihn. 47. Einer aber von denen, die dabei stunden [denn außer den Jüngern waren noch Andere beim Herannahen der Schaar V. 43 herzugeeilh wenig- Der Verrath und die Gefangennehmung Jesu. Flucht der Jünger. 551 stens der Jüngling in V. 51 f.1- zog sein Schwert ans, iind schlag des Hohenpriesters Knecht, und hieb ihm ein Ohr. ab. 48. Und Jesus [nachdem er den Schaden auf der Stelle wieder gut gemacht und alles wei- tere Dreinschlagen entschieden verboten hatte Luk. 22, 51; Matth. 26, 52——54; Joh. 18, 11] antwortete, und sprach zu ihnen: Jhr seid ans- gegangen als zu einem Mörder, mit Schwertern und mit Stangen, znich zu sahen; 49. Jch bin taglich bei euch im Tempel ge- wesen, nnd habe gelehret, und ihr habt mich nicht gegriffen [weil eure Stunde, da euch das zuge- lassen werden sollte, noch nicht gekommen war]. Aber sjetzt ist euch Macht über mich gegeben, und dieser Macht unterwerfe ich mich freiwilligL auf daß die Schrift erfiillet werde. 50. Und die Jiinger verließen ihn [in diesem Augenblick, wie er ihnen zuvor gesagt V. 27] alle, nnd flohen. 51. Und es war ein Jüngling, der shatte sich von seinem nächtlichen Lager in der Nähe des Gartens in Folge des Getümmels an der Stätte der Gefangennehmung eingefunden und] folgte ihm nach, der war [eben weil er so von seinem Lager in aller Eile aufgesprungen war, wie er zum Schlafen sich niedergelegt] mit Leinwand bekleidet anf der bloßen Haut; nnd die Jünglinge swelche unter der Schaar V. 43 sich befanden] griffen ihn fals wollten sie auch ihn mit abführen, doch mehr aus Mnthwillem als in wirklicher Absicht]. 52. Er aber [in der vermeintlichen Gefahr alles daransetzend, sein Leben zu erhalten] ließ die Leinwand fahren, und slohe bloß soder nackend] von l Mit. . h Die Darstellung des Vor-Sangs der Gefangen- nehmung Jesu ist ei unserm vangelisten sehr kurz: plötzlich steht Judas da vor dem Eingange des Gartens mit der Schaar, die er zu sich genommen, wie eine gespensterhafte Erscheinung;·und nun geht alles so Schlag auf Schlag, daß zwischen JeLu und dem Ver- räther nichts verhandelt wird und we er des Verweises an den, der das Schwert zog, noch der Heilung des abgehauenen Ohrs Erwähnung geschieht. Wir merken hier deutlich einen Berichterstatter, der jetzt dasjenige Stück aus seiner eigenen Lebensgeschichte erzählt, durch welches er in die evangelische Gefchichte unmittelbar verflochten ist, nachdem er bisher in keiner näheren Be- ziehun dazu gestanden; er macht zuerst 43—46) den At der Ge angennehmung sel er ra ch ab, als wäre alles in Einem Zuge verlaufen, olt dann (V. 47—49) den Zwifchenakt des Schwerts lags kurz nach, aber auch nur o obenhin als ein verschwinden- des Moment ihn berührend, daß da egen die wider- standslose Ergebung Jesu, wie sie in 46 angedeutet wird, in igrem bedeutsamen Contrast zu der in V. 43—45 ervorgehobenen Besorgtheit der Häscher und ihres Führers, sich des Gefangenen mit allen Mitteln menschlicher Macht und Klugheit zu versicherm dem Bewußtsein des Lesers sich nicht wieder entziehn und die Berechtigung der Klage des HErrn, daß man ihn wie einen Verbrecher behandle, dessen böses Ge- wissen ihn treiben müsse, den Händen der obrigkeit- lichen Gewalt sich mit List oder Gewalt zu entziehen, während doch sein bisheriges öffentliches Lehren im e - FFIFFZVDFTDZZTFJXT ikikeiskiieiis Frei« diichdikäif watruizi edr glelicläwohl siclhchiviä eiråVerbrlcighklerk ergreifen un in en ä t, nämi ie nterw« ·g eit unter das Wort der Schrift, verstanden werden konnte. Indem jetzt von der Flucht der Jünger geredet wird (V. 50), reihet sich diejenige Erzählung an, mit Rück- sicht auf welche schon der 47. Vers so eigenthümlich gefaßt war, daßf Baker siehet, ers komm? dems Er ähler hier weniger au e us an em ont un er ban- gelium angehört, als auf die Dabeiftehendeih unter denen ein Jüngling sich befand, und zwar speciell auf diesen Jüngling selber» Hiernach ist es nicht eine bloße Vermuthung sondern im Wesen· der Sgche begründet, wenn man angenommen hat, dieser Jüngling sei kein anderer als Markus selber, nach dem unser Gvan elium r« Nssmsnskksktixkssrxksstdkgs »Es» sen-»eing- ie man , i . . gelassene Hauswirth sei des Markus Vater gewesen, von dem Saale des Passamahles aus habe Markus den HErrn und»die Jünger bei dem Gange »na»ch Gassen; erskschsreesskgrsrse eeenaJua mi er a a « einwand auf der bloßen Haut weist vielmehr dcirauf hin, daß der Jüngling schon im Schlaf gel·e en, als das Geräusch der herangiehendewHäscher si erhob, von seinem Lager rasch mweggeeilt ist, um zu sehen, was vor ehe, und daß das Haus seiner Eltern in der unnrittel arenNähe von Gethsemane fis befunden haben muß. sWir åverden darauf den S lfilixßbemexkiin en zu un erm vangelio zurü ommens "r xetz a en wir es mit einer Erinnerung an» das« u Mach. II, 2 Bemerkte bewenden, daß ein jeder· er Evangelisten irgFidckiäie mit seknems eigenenßLeben Indus Fs ver o en gewe en ein mu um einen eru a Augen- und Kreuzer; e J. Joh.· l» 1 fs.) auch erfüllen zu können-» . it Rechjt at» Wh1tefield· die Handlung ges »Juniglings als Bild einer unreifen Nachsolge ezei ne. IV. r. 53—72. (§. 117 u. un) nun) dem nah-prie- llerliihen Palast abgeführt muß Jesus zuerst bei han- iiao ein vorläufiger« iderhdr aushalten, das dem greifen Feinde zur Jingenmeide dienen und die Zeit ausfüllen soll, bis der hoheeath sikh versammelt hat, auch dazu bestimmt ist, wo möglich dnekh verfängliche Fragen uber seine Lehre nnd seinen Anhang ein Wort ihm abzulecken, das man zur Ztiiklage wider ihn gebrauchen könnte; iu- dessen, gleichwie schon Matthäurg übergeht auch Mariens diese Vorbereitung und kommt sogleich zu dem derhor vor dem eigentlichen hohenvrieiier kais-has, der, nachdem man sieh lange vergeblich beuiuht hat, ein auch nur äußerlich der Ueclilgform entsprechendes Zeugnis zu Stande zu bringen, der Sakhe endlich eine Windung zu geben weiß, daß man Iesum zu einem Goiteslasierer stempeln nnd darauf hin zum Tode oerurtheileu kann. während dieser Verhandlung begiebt sich die drei- nialige iilerlengnnng des Petrus. (Vgl. Mann. Es, 57———75; nah. W, sit-öd; Seh. 18, 12—27.) 53. Und sie führten Jesiim zn dem· Hohen- priester [Kaiphas], dahin sm der Zeit bis gegen 2 Uhr Morgens, während inzwischen Hannas mit dem Gefangenen sich beschäftigte Joh. 18, is. 19 ——24] zusammen kommen waren alle Hohes-tiefrer, und Aeltesten, und Schriftgelehrte sdie sämmt- 552 Evangelium Marci 14, 54-—71. lichen Mitglieder des Hohenraths mit Ausnahme des Joseph von Arimathia und des Nikodemus denen man nicht trauete]. sit. Petrus aber folgte ihm nach von ferne, bis» hinein in des Hoheiipriesters Palast fzu wel- chem ihm Johannes den Zugang verschafste]; und er war da, und saß bei den Knechten und wärmte sich bei dem Licht. 55. Aber die Hohenpriester und der ganze Rath [bei der nun beginnenden geistlichen Gerichts- verhandlung] suchten Zeugnis wider— Jesunu ans daßt sie ihn zum Tode brächten; und fanden ni s 56. Viele gaben falsches Zeugnis wider ihn, aber ihr Zeugnis stimmte nicht überein fdaß auch nurzwei Zeugen, wieviel mindestens erforderlich waren nach dem Gesetz, zusammenznbringen ge- wesen wären]. 57. Und etliche stunden snach dem Verhör der Andern, die man aufgestellt hatte] auf, und gaben falsches Zeugnis wider ihn, und sprachen: 58. Wir haben gehört, daß er sagte: Ich will den Tempel, der mit Händen gemacht ist, ab- brechen, und in dreien Tagen einen andern bauen, der nicht mit Händen gemacht sei [was denn, wenn die Worte so gelautet und so gemeint ge- wesen wären, wie sie hier vorgebracht und ausge- deutet wurden, zur Anklage auf Lästerung des Heiligthums benutzt werden sollte Apostg 6, 13]. so. Aber ihr Zeugnis stimmte noch nicht überein sindem der eine so, der andere anders die Worte wiederzugeben versnchte; denn Zeugen wur- den- nicht in Gegenwart von einander verh—ört, da- her sich nicht einer nach dem andern mit seiner Aussage einrichten konnte]. « 6»0. Und der Hohepriester stund auf unter sie, und« fragte Jesnm und sprach: Aiitwortest du— nichts zu dem, das diese wider dich zeugen? , til. Er aber schwieg stille, und antwortete nichts. Da [in heilloser Besonnenhe"it, mit einer Eingebung, doch nicht von oben] fragte ihn der Hoh iester abermal, und sprach zu ihm: Bist du ristus, der Sohn des Hochgelobten [dem niemand feine. Ehre antasten und sich in ein Ver- hältniß zu ihm stellen soll, das ihm nicht zu- kommt]? 62. Jesus aber sprach: Jch biu’s. Und ihr werdet sehen des Menschen Sohn sitzen zur rechten Hand der Kraft, und kommen mit des Himmels Wolken. its. Da. zerriß der Hohepricster [wie in hei- ligem Unwillen und voll Entsetzen-s vor dem vor- geblichen FreveLwortJ seinen Rock, und sprach: Was. bedürfen wir weiter Zeugen? 64. Ihr habt gehört die Gotteslästerung [die er mit seinem Bekenntniß begangen]; was dünket euch [in Beziehung auf dieses Bekenntniß , haltet ihr’s nicht alle für eine GotteslästerungR Sie aber [so viel ihrer gegenwärtig waren] verdammten ihnsalle [V.«53] daß er des Todes schuldig ware. Die dem HErrn Jesum seine Gottessohnfchaft streitig machen, verfluchen ihn ebenfalls (l. Tor. 12, 3). Vgl. zu Kap. 15, 15. » 65. Da singen an etliche ihn zu verspeien nnd zu verdecken sein Augesichh und mit Fausten zu schlagen, »und zu ihnizu sagen: Weissage uns. gäb giefjldnechte schlugen ihm in’s Angesicht [Jef. , . . So ist also dem werthen Heilande in der letzten Nacht feines Lebens kein Schlaf in seine Augen ge- kommen, sondern wie der Hohepriester des A. T. die nächste Nackjt vor dem großen Versöhnungstage schlaf- los zuzubringen pflegte (3. Mose 16, 29 ff.), so hat auch der wahre Hohepriester des neuen Teftaments m der Nacht, die dem Tage vorherging an welchem die Sünde des ganzen menfchlichen Geschlechts versöhnt werden sollte, keinen Schlaf in seine Augen kommen lassen, amit auch hierin das Gegenbild und das Vorbild desto vollkommener übereinstimmen möchte; hierdurch aber Rat unser Heiland zugleich die fchlaflosen Nächte seiner "nder eheiligt, wenn sie entweder in den Schmerzen der Bu e oder in mancherlei innerlichen Anfechtungen oder äußerlichen Leiden und Trübsalen mit Assaph (PE3. 77, 5) ausrufen müssen: »Meine Augen hältst du, da sie wachen.« Wohlan, können wir« auf unserm Lager ni tschlafen, so lasset uns an diese schlaflose Nacht un eres Heilandes gedenken, an die Nacht, in welcher er verrathen, gebunden, zum Tode verurtheilt und auf das Erbärmlichste mißhandelt worden ist! (Rambach.) Der hohe Rath hat das Signal zur Ver-« fpottung gegeben, die Männer, deren Bewachung Jesus für den übrigen Theil der Nacht vertraut, folgen nach; die noch vor Kurzem sie beengende Furcht haben sie gjnzljch abgestreift, die tiefste Sicherheit, die äußerste· erachtung ist an deren Stelle getreten. Was ihrem Spotte an der Feinheit des Witzes abgeht, das bringt er durch Rohheit und Uebermuth ein; höhnende Ver- beugungen wechseln mit befchimpfenden Schlägen und der fchnödesten Verspeiung Aber das Schlimmste ist noch zurück: als Christus muß er ja prophezeien können, er muß errathen können, was im Finstern verborgen, so wird denn sein Angesicht mit einem Tuche verdeckt, und nun tritt einer um den andern an ihn heran und es regnen auf ihn O rfeigen, Backenstreiche, Schläge mit der geballten Fau t, der Refrain aber vom stets erneuten Spiele ist der läfternde Chorgefan : ,,weissage, Christe, wer ist es, der dich schlug?« (Ro hack.) Das Amt, in welchem. der Sohn Gottes besonders feine Weisheit, wie in dem königlichen seine Macht und in dem hohenpriesterligjeen seine Liebe offenbart, das muß hier ein Spiel der arren werden und sich im Palaste des Hohenpriefters verhöhnen lassen, gleichwie im Palast des eidnifchen Landpflegers vornehmlich die königliche Wür e Jesu Christi verspottet worden ist. Weil Propheten nicht nur künftige Dinge zu weissagen, son- dern zuweilen auch gegenwärtige verborgene Dinge zu offenbaren pflegten Z. Kön. 6, 12), so verlangen sie, daß der HErr eine robe seiner prophetischen Wissen- schaft ablegen und unter dem Tuche, welches sie ihm vor die Augen gehangen, denjenigen entdecken folle, der ihn» unter em Hausen gefchlageu Ach, denkt Herbei-eine gläubige Seele, ich erinnere mich bei diesem rauerspiel meiner fündlichen Unart: was ist gewöhn- licher, als daß der Schöpfer von uns Menschen als Jesus vor Kaiphas Falsche Zeugen. Petri Verleugnung. 553 ein blinder Mann behandelt wird? Wir thörichten Creaturen bilden uns ein, daß wir unsere Sünden schon so künstlich verbergen und so heimlich treiben wollten, daß er gleichsain als einer, der eine Binde vor den Augen habe, nicht wissen sollte, wer ihn ge- schlagen, wie Judas von dieser schrecklichen Blindheit des menschlichen Herzens kurz vorher eine Probe ab- gelegt, da er den H rrn Jesum, als er von seinem Verräther redete, fragen durfte: ,,HErr, bin ich’s?« über welche Verwegenheit der Geist Gottes das Wehe ausruft in Jefz 59, 15 f. Wie oft geschieht es, daß dieMenschen einen Scherz mit prophetischen Sachen treiben, welche zumal in diesen zweifelsüchtigen Zeiten von leichtsinnigen Gemüthern vielfältig verspottet und zu einem Gegenstand des Gelächters gemacht werden, da man do? fonft eine unbändige Neigung zu allerlei verbotenen ünsten, die auf eine Entdeckung künfti- ger Dinge zielen, blicken läßt. Man ist leichtgläubig gegen Wahrsager und falsche Propheten und läßt sich gerne mit allerlei Blendwerk äffen, und ist hingegen so sehr ungläubig gegen die Weissagungen der wahren Propheten, die doch das Siegel ihrer Göttlichkeit in so vielen deutlichen Erfüllungen aufzuweisen haben. Alle diese Ausbrüche des menschlichen Verderbens haben dem Sohne Gottes diese Art des Leidens zu- gezogen, da er unter einem lauten Hohngelächter als einWahrsager undBetrüger geschlagen wird. (Rambach.) Es liegt tief in dem Charakter des Unedlen und Ge- meinen gegründet, gerade das Bessere, das Edlere durch angedichtete Blößen zu sich herab in den Staub zu ziehen, sittliche Hoheit anzuzweifeln und zu ver- unglimpfen, weltliche Größen erst zu beneiden und darnach, wenn sie gefallen, mit Koth zu bewerfem dies der schmutzige, sumspfigte Boden, aus dem unzählige persönliche Sathrety beißende Glossen, Bonmots, Spott- gedichtg Pasquille fort und fort wie Jrrlichter aus em Boden auftauchen. Noch scheußlicher aber und wahrhaft satanisch erscheint die Spottlust dann, wenn sie geradezu an das Heilige sich wagt; da wird oft ein Schriststelley der sich dazu hergeben kann, weit über das Maß seiner natürlichen Begabung hinaus von den Jnspirationen des Geistes der Verneinung begeiåterh gegen das Heilige, an das er nicht glaubt, als pötter zu Felde zu ziehen und es mit kaum be- merkbarer feiner Wendung des Griffels zur Caricatur zu verzerrtem Wer kann es berechnen, welcher unsäg- licher chaden den Herzen und welcher Abbruch dem Reiche Gottes mit solchen Erzeugnissen des Spottgeistes je und je gethan? Ach es ist für tausend Menschen die Sache des Evangeliums schon eine aufgegebene und verlorene Sache, wenn einmal der Bann des Lächerlichen darauf gelegt! Aber wohlan, du vom Spottgeist der Welt verwundetes und verirrtes Herz, richte deinen Blick auf die Stelle, worauf dich die Ge- schichte unsers Textes verweist: siehe, hier steht vor dem Forum dieses Geistes nicht blos ein Dogma des Evangeliums, nicht blos die Wahrheit eines einzelnen Lehrsatzes der heil. Schrift, sondern die lebendige Wahrheit, die Gesammtwahrheit derselben; nicht blos ein Jünger und Bekenner, sondern der Meister selber, Christus in dem Spottgerichth der Heilige unter dem Bann des.Lächerlichen —- siehe dann zu, ob er darüber aufhört, der Heilige in Israel zu sein? Den Pfeilen, womit die falsche Weisheit die theuersten Wahrheiten des Evangeliums, als ob’s nur Gedichte wären, zu durchlö ern meint, ist nun die Spitze abgebrochen, sei-t- dem si der Köcher derselben gegen die persönliche , Wahrheit, Christum selbst entleert hat: wer kann noch irre werden an dem Ge chick, welches dem Evangelio und seinen Bekennern in der Welt begegnet, wer kann sich noch ansechten lassen von der Staubwolke des armseligen Spottes, womit die Blinden den Glanz der Sonne zu verlöschen meinen, oder wer darüber aus der seligen Fassung sich verriicken lassen, zum Unmuthe, um Scheu- und Kleinlautwerdem zum Zorn und zur Erbitterun , nachdem Christus liebend und leidend sein verdecktes ngesicht den Spöttern dargeboten? Seine Augen brennen nicht wie Feuerflanimen durch die Decke hindurch in der Spötter Herz, kein Donner des Gerichts geht aus seinem Munde: Eine Regung des Zornes nur in seinem Herzen, und die Spötter würden mit gelähmter Hand, wie vom Schlage getroffen, zurücktaumelnx aber in seinem Herzen ist nichts als Lieben und Leiden, wie ein Lamm steht er da, das vor seinen Scheerern verstummt. Und auch der Him- mel schweigt zu der Verhöhnung dessen, den alle Engel anbeten sollen; kein Feuer fällt aus der Höhe, wie auf die Eliasspötter (2. Kön. I, 9 ff.), kein Abgrund der Tiefe thut sich wie vor der Rotte Korah auf (4. Mof 16, 31ff.). Erdwiirmer dürfen den König des Himmels hänselty Sünder mit dem Richter Jsraels blinde Kuh spielen, ohne daß ihnen etwas Arges wider- fährt. (Roffhack.) 66. Und Petrus war swährend dieser Vor- gänge im Verhörsaalj danieden im Palast [in dem tiefer als jener Saal gelegenen Hofe des Palastess da tam des Hohenpricsters Mägde eine [hin zu dem Kohlenfeuey wo er bei den Knechten saß« und sich wärmete V. 54]. 67. Und da sie sahe Petrmn sieh warmen, schauete sie ihn an, und sprach: Und di: warest auch» kwie jener, der dir hier Einlaß verschccsft hat Joh. 18, 15 f.] mit dem Jesa von Nazareth. 68. Er leugnet-re aber, nnd sprach: Ich kenne ihn nicht, weiß auch nicht, was. da sagtest. Und er ging hinaus in den lnaih der Straße führ-enden] Vorhof sum sich davon zu machen]; nnd-der Hahn krcihete sals er so dahin ging, denn es war jetzt 2 Uhr Morgens Matilyx M, 70 Anm.]. 69. Und die Magd ssdte an dem inneren Portal des Vorhofs stationirt war, asn welches er zunächst gelangte Matt-h. M, 72 Anna] sahe ihn, und hnb abermal an [in solcher Weise, wie jene erste V. 66 f., von der sie ihre Kunde hatte] zu sagen denen, die dabei stunden: Dieser ist deren einer. 70. Und er leugnete abermal kund ging jetzt, seinen Borsatz V. 68 aufgebend, wieder zurück zu dem Kohlenfeuers Und nach einer kleinen Weile snämlich noch in der Zeit zwischen 2 ———3 Uhr, doch nun schon gegen Ende dieser Zeit, nicht mehr am Anfang wie vorher] sprachen abermal zu Pia-o, die dabei sum ihn herum] stunden sdoch Andere, als die in V. 69, vielmehr dieselben, in deren Gegenwart das in V. 67 u. 68 Erzählte sich zu: getragen]: Wahrlich, du bist deren einer kwie die Magd vorhin behauptet hat]; denn du bist ein Galiliicy nnd deine Sprache. lautet gleich also; H. Er aber Ida feine-bloße Verneinung um so weniger fruchtete, als man jetzt die Geschichte 554 Evangelium Marci 14, 72. 15, 1—9. in V.47 zum Zengniß gegen ihn vorbrachte] fing an sich zu verstnchen nnd zu schwören: Ich kenne den Menschen nicht, von dem ihr saget. 72. Und der Hahn krähete zum andern Mal. Da [indem gerade jetzt der zum Tode verurtheilte Jesus nach dem Hofe gebracht wurde und dieser mit seinem erinnernden Blick ihn traU gedachte Petrus an das Wort, das Jesus zu ihm sagte [V. 30]: Ehe der Hahn zweimal krcihet, wirst du mich dreimal verleugnen. Und er szum Vorhof hinausstiirzend] hab an zu weinen [so daß diese Thränen tiefer Reue gleichsam einsielen in den Laut des ihn weckenden Hahnes und den Hahn- schrei ablösten mit heftigem Schlnchzen]. Weil Petrus sich höher als die Andern alle erheben wollte (V. 29), fällt er auch tiefer als sie, und seine Natur reißt ihn hinunter in den tiefsten Sturz. Es ist die fleischliche Tapferkeit, kraft deren er dort im Garten das Schwert von Eisen führt, wie seine ver- meintlichen Nachfolger die Zwangswerkzeuge der Jn- quisition, es ist jener irdische Muth, der Schlag um Schlag giebt und in solchem Kampf auch das eigene Leben daran wa t, der es aber nicht zu ahnen ver- mag, wie viel Höher die Tapferkeit ist, welche den Muth hat, das nre t völlig nur zu leiden, nicht zu thun; es ist dieser F eischeseiferz der ihm die bittere Frucht der Verleugnung Christi trägt uud ihn in den jähen Sturz hinunterreißh durch welchen sein Stehen auf eigener Kraft aus’s Gründlichste mußte erschüttert werden. Der vornehmste Bekenner ein Verleugner ge- worden! wie nahe ist er dem Verräther gekommen! was hat wohl dem Herzen des Heilandes weher ge- than? und worin liegt der Unterschied, daß Petrus doch kein Judas wurde? Nicht beste t ein Unterschied in ihrer Sünde an sich selber, denn leisch ist Fleisch und daß ein Petrus also zu fallen vermo te, ist wahr- lich nicht mit bequemer Entschuldigung lei t zu nehmen; aber in der Art, wie die beiden zur Reue erwachen, giebt sich der tiefinnerliche Unterschied zwischen ihnen u erkennen. Darin, daß Petrus noch ein Auge hat für jenen Blick des HErrn, um in sich u schlagen, hinauszugehen und bitterlich zu weinen, udas aber nur noch den scheuen Schrecken vor dem Heiligen Gottes, vor welchem er fliehet anstatt zu ihm zu fliehen: darin zeigt sich uns bei jenem die göttliche Traurigkeit, welche jene Reue wirket, die niemand ge- reuet, bei diesem die Traurigkeit der Welt, wel e nichts anderes wirket als den Tod. (Riggenba .) Petrus hat seine S uld nicht verkleinert; denn .von ihm erfahren wir urch Markus den Umstand, daß auch der erste Hahnenschrei ihn noch nicht zur Be- sinnung brachte, sondern erst der zweite. Se r zu be- achten ist, daß er mit dem Gange seiner ekehrung als der erste große, leuchtende Typus der wahren Heilsordnung dasteht, während Judas in seiner Reue den entgegengese ten Weg eirischlug und erst die menschliche Satis aktion bei den Feinden, mit denen er sich vers nldet hatte, leisten wollte, aber ohne auf diesem ege zu Christo zu kommen; wir dürfen aber auch die thpi che Bedeutung in der Veranlas ung des Falles, den etrus that, nicht übersehen —- eine ge- ringe Thürhüterin war es, die den ersten Jünger, dem die Schlüssel des Himmelreichs zugesagt waren, ur Verleugnung brachte. Mägde schreckten -ihn und ein Fall wurde immer s werer, ·e län er er sich unter den Knechten am Kohl euer aufhieltx Fa kann auch eine kirchliche Gemeinschaft durch falsche Popularitäh durch unfreies Verhalten gegen die unfreien Fanatismen im Volke, durch Vermengung mit der Menge in ihrer ungöttlichen Richtung sich den Fall bereiten. (P. Lange.) Das 15. Kapitel. Christi Leiden nor Plain, Krönung, Ziirenzigung Tod und Begräbnis. V. o. 1— ei. (§. 119 u. 190.) Gegen morgen heim: die Hobenpriefler nochmals Rath, und sind nun bei dieser oollsländigereu nnd förnilicheren Sihnng aurh Joseph non Jtrimathia nnd Uieodemirs gegenwärtig, um gegen den definitiven sesrhlnß zu iirotestieeik bis he dann später, nam dem Tode Dein, sieh auch von ihren Standesge- nossen trennen nnd auf die Seite der Sänger des Ge- iirenztgten überireten (Matth. N, 61 Jlnms Gar zu gern hätten die blntgierigen Richter von dem Gesange— neu noch weiteres erntest, was ihnen zur Grundlage für den prorrß bei dem Eandusieger dienen könnte, sie benommen aber nur das Gleiche wie bei der vorigen Sitzung zu hören und müssen nun, als sie Sesum zu Pilatus führen, es aus’s Gerathewohl ankommen lassen; es gelingt ihnen denn auch mit Hilfe der Marhte der Finsternis, denen seht freie tljand gelassen ist, die sie— ttätignng des Todesurtheils vor dem röniischen Richthaus herbeizuführen, und dieses liommt durch eine merkwür- dige Ilterliettung von Umständen nun) naih römischem Brauch, in Form der Kreuzignng eines Aufruhr-ers, zur vollnrekliung obgleim Jesus vom Eandnsieger selber aus- drörlilich für unschuldig erlilärt worden ist. (ltlgl.sklatth. N, t——32; Eule. M, als— 23, 32;Soh.18, W— 19, 17.) I. Und bald am Morgen snach 3 Uhr früh] hielten die Hohenpriester einen Rath mit den Aeltesten nnd Schr1stgelehrten, dazu der ganze Ratt) [der jetzt vollzählig sein mußte, wenn das Urtheil giltig sein sollte], nnd banden Jesum Mach- dem sie das Todesurtheil über ihn nochmals ge- fällt],» und fuhrten ihn hin kuach dem Richthauss und aberantworteien ihn Pilato [damit dieser das Urtheil bestätiges Sowie die Geburt Jesn unter der Macht des römischen Reiches stand (Lnk. 2, 1), so steht nun auch sein Tod unter derselben Macht; dabei ist für ihn die Aufgabe, daß er den widergöttlichen Willen, den die Gewalt der Welt an ihm ausübt, als göttlichen Willen erkennt und festhält. Bei seiner Geburt ist die Ein eit des Willens der Weltmacht und des göttichen Wi ens ohne sein Zuthun zu Stande gekommen, das kaiserliche Gebot, dem Maria mit dem Kinde unter- stellt wurde, bewirkte, daß Jesus in der Stadt Davids eboren und dadurch sofort nach der Weissagung als ohn Davids aufgewiesen wurde. Bei dem Leiden und Sterben kann der widergöttliche Wille in der Welt nur dadurch Organ des göttlichen Willens wer- den, daß Jesus als der Anfänger und Vollender des Glaubens in der Erfahrung des widergöttlichen Wil- lens den göttlichen Willen unwandelbar festhält. Diese Aufgabe trat sofort für ihn ein, als er in der Morgen- frühe von dem Synedrium dem römischen Procurator überantwortet wurde; dies war die Fortsetzuug nnd Vollendung des Verrathes, den Judas an ihn; began- gen. Judas hatte ihn durch die Schnödigkeit seiner Jesus vor dem römischen Landpsleger Pvniius Pilatus. 555 Untreue aus dem sicheren Schutze seiner häuslichen Umgebung in die Hände seiner ihm feindlich gesinnten Volksgenossen übergeben; und wie Judas seinen HErrn und Meister verrathen, so verrathen die Obersten der Juden ihren göttlichen König und stoßen ihn aus dem Hause Jsraels, indem sie ihn in die Hände der höch- sten heidnischen Gewalt überantworten. Diese Gewalt ist die röm1sche, welche nach der biblischen Anschauung das vierte und letzte in der Reihe der großen Welt- reiche ist; es wird von Daniel, dem Seher der Welt- geschicke, als das schlimmste und schrecklichste geschildert und ihm ein eiserner Charakter beigelegt. An der Spitze dieses Reichs steht der Kaiser von Rom und dessen Stellvertreter in Jerusalem ist Pontius Pilatus; mit der Ueberlieferung an den römischen Statthalter geht Jesus aus dem Bereiche Jsraels in das Bereich des Weltreiches, welches Jsrael gegenüber als das thierische Wesen und jetzt in seinem vierten Stadium als das zermalmende Eisen dargestellt wird ——— von selbst versteht sich, daß Jesus diesen Uebergang deutlich er- kennt und innerlich iihlt, wie er es bald auch leiblich erfahren und fühlen wird. (Baumgarten.) 2. Und Pilatus fragte ihn [mit Beziehung auf die Anklage, welche die Hohenpriesten nachdem der Versuch, den Landpfleger zu einer sofortigen Bestätigung ihres Urtheils zu veranlassem fehlge- schlagen war, wider Jesum vorbrachten Luk. 23, 2]: Bist du ein König der» Juden? Er antwortete aber, und sprach zu ihm [um die ausführliche Verhandlung, von welcher Johannes Ohrenzeuge gewesen und die er in Kap. 18, 33—38 seines Evangeliums berichtet, hier in eine kurze Summa zusammen zu fassen]: Du sagst es. Z. Und die Hohenpriester [als der Landpsleger aus dem Richthaus wieder heroortrat und ihnen erklärte: »Ich sinde keine Ursach an diesem Menschen» Las. 23, 4] beschnldigten ihn hart kihre Anklage aufrecht zu erhalten]. 4. Pilatus aber fragte ihn abermal, und sprach: Autwortest »du nichts? Siehe, wie hart fie dich detklagen [so vertheidige dich doch da- gegen]. Z. Jesus aber antwortete nichts mehr [nach- dem er mit dem Bekenntniß in V. 2 seiner Sache genug gethan], also, daß sich auch Pilatus ver- wunderte [und einen tiefen Eindruck von der wahrhaft königlichen Haltung dieses Angeklagten empfing, der mit Schweigen viel eindringlicher für seine Unschuld zeugte, als Andere mit vielem Reden]. St. Markus erzählt Bier sehr kurz und erwähnt nach dem Vorgange des atthäus nichts von der jetzt erfolgten Absendung Jesu vor das Tribunal des Herodes (Luk. 23, 5—16); wie es dazu kam und welche Folgen für Pilatus sie mit sich brachte, darüber vgl. die Bemerkung zu Matth. 27, 14. Die nunmehr sie? anschließende Zusammenstellung mit Barabbas un deren schließligks Ergebnis; ist in der Hauptsache eben- falls wie bei atthäus erzählt, jedo noch summa- rischer als dort, indem der Traum er Gattin des xilatus und das Händewaschen desselbengsowie die elbstverfluchung der Juden hinwegfälly es s eint dem Evangelisten darauf anzukommem mehr den ath Gottes, der sich an Jesu VolIzJJY hervortreten zu lassen, als die schwere Schuld der enschen, beide des römi- schen Richters und der jüdischen Verkläger. Unter keinem andern Titel, als weil er sich für den Christ seines Volkes erklärt hatte, ist Jesus auch von Seiten der röm is ch en Obrigkeit dem Tode überliefert worden: auf diesen Punkt soll sich die ganze Aufmerksamkeit der Leser hinrichten. Daß darin keine Staatsgefähr- lichkeit lag, das wurde gleich im vorhin beschriebenen ersten Akt des Verhörs dem Landpsleger aus der ganzen Erscheinung des HErrn, der von vornherein sich kurz und bündig, in der ganzen Furchtlosigkeit eines guten Gewissens, zu jenem Titel bekannte und dann durch völliges Schweigen den ruhigen Entschluß zu Tage legte, alles über sich ergehen zu lassen, was darum über ihn verhängt werden würde, so unzweifel- haft gewiß, daß er alle Lust verlor, dem Hohenrathe durch Bestätigung ihres Urtheils zu willfahren, und nur die österliche Gewohnheit der Freigebung eines Gefangenen verwickelte ihn in eine Lage, aus welcher er sich nicht anders zu helfen wußte als damit, daß er dem Volke seinen Willen that, indem er einerseits einen wirklich staats efährlichen Verbrecher von der verdienten Kreu esstraxfe freiließ und andrerseits Jesum als dessen Ste vertreter annahm. Aber eben hierin liegt für die Zeit, in welcher das Evangelium ge- schrieben wurde, die Wahrheit vorbedeutet, daß nicht die Anhänger und Bekenner Jesu C risti von Nazareth die für Rom’s Oberherrschaft gefä rlichen Leute sind, sondern vielmehr ihre Feinde und Verlästerey die un- läubig ebliebenen Juden. ,,Jesus, ein Wohlthäter seines olkes, von der römischen Obrigkeit bisher übersehen, ver ieß, indem er sich als den Christ be- zeugte, seinem olk den sicheren, ruhigen Weg zu dem Ziele der Freiheit, die ihm verlåeißen war, und so wenig droht dem sich ihm Anschlie enden von römischer Seite her Gefahr, daß die eigene Obrigkeit ihn erst als gesährlich bei den Römern anklagen muß und dann doch noch keinen· Glauben findet; Barabbas dagegen repräsentirt diejenige Richtung des nationalen Strebens, welche, von Gott verlassen, die Gewalt der Römer herausfordert und deren Ergebniß die Zer- störung Jerusalems und das politische Verderben des ganzen Volkes sein wird. Jndem nun das Volk von beiden den Barabbas wählte, bekundete es einen Sinn, dem der gottgewiefsene Weg zur Erfüllung seiner Hoffnung zuwider it und welcher dem eigenliebigen Wege gewaltsamer Empörung beipflichtet.« 6. Er pflegte aber ihnen [dem Volk der Juden, in Anbequemung an eine nationale Sitte] aus das Ostersest einen Gefangenen los zu geben, welchen sie begehrten. 7. Es war aber [dazumal] einer, genannt Varabbas in seinem PerwahrsamL gefangen mit den Anfrutirerischen die im Aufruhr einen Mord begangen hatten [und welche nun abgethan werden sollten]- 8. Und das Vol! ging [gerade setzt, wo er nicht wußte, wie er sich gegen das Andrängen der Hohenpriester und Aeltesten wider Jesum helfen sollte] hinauf lnach dem Richthaus auf dem TempelbergeL und bat, daß er than, wie er hegte. 9. Pilatus aber [indem er Jesum neben jenem Barabbas zur Wahl stellte und dabei es 556 Evangelium Marci 15, 10.-IS· dem Volke nahe legte, für wen sie sich in ihrem eigenen Jnteresse enscheiden müßten] antwortete ihnen: Wollt ihr, daß ich euch den König der Juden Iosgebe? sdenn dafür erkennt ihr ja selber diesen Jesum.] 10. Denn er wußte, daß ihn die Hohenpriesier aus Neid uberantwortet hatten fund rechneie nun bei den! Volk auf das natürliche Rechts- und Nationalgefiihls 11. Aber die Hohenpriester reizten das Volk, daß er ihnen viel lieber sstatt dieses Jesu von Nazareth] den Barabbas los gäbe. 12. Pilatus aber sals nun der Augenblick zur wirklichen Wahlenischeidung gekommen war, während sein voriges Wort V. 9 nur zur For- mulirung der Wahlfrage dienen sollte] antwortete wiederum sals die Menge sich für Barabbas ent- schied], und sprach zu ihnen: Was wollt ihr denn, daß ich thue dem, den ihr sihuldiget, er sei ein König der Juden? . 13. Sie schrieen abermal swie sie das mit— telbar schon damit gethan, daß sie Jesum an Stelle des Barabbas dem Landpfleger zur Gerichts- vollstreckung überlassen hatten]: Kreuzige ihn sals einen Aufriihrers 14. Pilatus aber sprach zu ihnen: Was hat er Uebels gethan? Aber sie schrieen noch viel mehr: Kreuzige ihn lohne sich weiter auf Gründe einzu- lassen]. 15. Pilatus aber gedachte kwenigstens vor- IäUsigJ dem Volk genug zu thun [da alle seine weiteren Bersuche, sie zur Besinnung zu bringen, nichts» versingen], nnd gab ihnen Barabbas los, und uberanttvortetx ihnen Jesuui, daß er gegeißelt und gekkeuztget wurde [hofsend, er werde zuletzt das Aeußerste doch noch abwenden können]. Wird Christus ni t heute wieder von Unzähligen seines Volkes verwor en, gerade so wie dort in dem gräulichen Jerusalem? Geradeso? fragt ihr befremdet und meiner, es finde keine solche Wahl mehr statt? Und doch, Gel., merket nur: hier ist Christus, das Licht und Leben eurer Seele, euer Friede mit Gott, euer Trost in Noth und Tod, die offene Thür zum ewigen Himmelreich; und da ist Barabbas, die Sünde, der Aufruhr egen Gott und seine Ordnung, der Mörder alles walsyren Lebensglückes, der Mörder der Seelen und ihres ewigen Heils. Wen wollet ihr, wen wühlet ihr? ist’s nicht so, daß viele Tausende Barabbam wählen? Und was thun mit Christo? ruft keiner mehr: hinweg mit ihm, laß ihn kreuzigen!? Ach, ob die Lippe schweigt, ihr Herz hat diese Stimme; denn sie sind ihm im Grunde feind, wie die Juden, und wahrlich, wahrli , stünden sie in jenem Haufen, von jenen Hohenprietern und Aeltesten gereizt, sie schrieen laut mit: laß ihn kreuzigenl Kreuzigen sie ihn doch täglich noch mit ihrem Unglauben und ihren muthwilligen Uebertretungenz lasset uns nur die Ur- fachen jener Verwerfung wahrnehmen und uns über- zeugen, wie häufig und mächtig sie auch unter uns vorhanden sind. Jene überantworteten Jesum aus Neid, sie gönnten ihm die Ehre nicht ii ber ihnen, die Ehre als Gottessohn; und diese Ehre gönnen ihm viele unsrer Zeitgenossen auch nicht, er soll ein Mensch sein wie sie. Jene grollten ihm aus gereizter Eitel- keit, weil er ihre Sünden gestraft, weil er sie Heuchley Kinder des Lügenvaters, eine verkehrte und ehe- brecherische Art gescholten zu ihrer Umkehr und Besserung; und das erbittert so viele heute noch, daß sein Wort sie zu armen Sündern macht, daß er ihre i en tiefen Schäden aufdeckt, wiewohl er sie mildiglich hei will. Jene verwerfen ihn aus fleischlichem Sinne, weil er kein Himmelreich stiften wollte, wo sie in guter Weltweise prangen, pressen und schwelgen könnten, und der über die Welt sich erhebende himmlische Sinn, den er von seinen Reichsgenossen begehrt, der, ja der ist auch Unzähligen dieses Geschlechts ärgerlich und lächer- lich. (Redenbacher.) Den grauenvollen Tausch, den das ungläubige Israel macht, indem es statt Jesus, den Sohn Gottes, Jesus Barabbas erwählt, auch ihr treffet diesen Taufch, die ihr statt Jesus, den Sohn Gottes und der Menscheiy Jesus das Menschen- kind erwählet; ihr habt l statt eines heiligen und unbefleckten Lammes einen revler und Verbrecher er- wählt, Z) statt eines Erlösers, der um eurer Sünde willen starb, einen Thurm, der um seiner Sünde willen an’s Kreuz geschlagen, Z) statt eines Für- sprechers beim Vater, ein Kind der Verdammniß. Jhr schaudert — auch derjenige unter euch schaudert, wel- cher in Jesu bis ietzt nur das, zwar dem allgemeinen Loos e der sündigen, schwachen Menschheit unterworfenen, aber doch edle und hohe Menschenkind verehrt hat, denn in seine Seele ist keine Ahnung solcher Folgerung gekommen; aber laßt ihn uns ganz durchdenkety m. Fr., diesen Gedanken! I. Der Apostel spricht an einer Stelle von Vergehungem deren Namen nicht einmal genannt werden soll in christlichen Gemeinden; wohl möchte auch der christliche Geistliche es schweigen in heil. Versammlung, daß unter denen selbst, welche die christliche Kirche an ihren Brüsten genä rt, auf- gestanden sind, welche den eingeborenen ohn des Vaters» ais ein Opfer schwiirmerischer Seil-st- täuschung bezeichnet haben. Doch wer mag den Namen schweigen, wo die grauenvolle Sache vorhanden ist? wer mag es schweigen in eurer Versammlung, ihr künftigen Diener des Worts, die ihr berufen seid, die Ehre des Sohnes Gottes zu vertheidigen vor aller Welt? Ferne ist es von mir, über jedweden, den der schreckenvolle Wahn gefangen hält, das Wehe auszurufen: es giebt eine Gewalt des Zeitgeites, die, wenngleich nicht ohne eigene Verschuldung, och mit schwer zu widerstehendem Eindringen den Einzelnen zugleich mit den Geschlechtern ergreift; aber aufdecken laß mich dir, christl. Gem., welchen grauenvollen Tausch sie getroffen haben, die also selbst das Opfer eines frevelnden Zeitgeistes geworden sind. Also einen unschuldigen Schwärmer hört ihr, wenn der eingeborne Sohn vom Vater ruft: »wer mi siehet, siehet den Vater?« Also einen unschuldigen chwär- mer hört ihr, wenn der eingeborne Sohn des Vaters ruft: ,,m-ir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Crden?« Also einen unschuldigewSchwärmer hort ihr, wenn der Hohepriester sprichtx ,,·1 beschwore dich bei dem lebendigen Gotte, ob du seiet Christus, der Sohn Gottes« und Jesus antwortet: »Du sagest es, von nun an wird es geschehen, daß ihr sehen werdet des Menschen Sohn sitzend zur Rechten der Kraft und kommen in den Wolken des Himmels ?« Einen unschuldigen Schwiirmer hört ihr, und keine Ahnung käme in eure Seele, bis zn welchem Grade des Hochmuths und der Verblendresng der Mensch kommen muß, der so schwärmen kann? Wie? das Der Hoherath sammt dem Volke verlangen die Kreuzigung Jesu. Menschenkind, welches einst wie du und ich wird stehen müssen vor dem Throne der Majestät, es hätte, ohne zu freveln, dem Könige aller Könige den Scepter aus der Hand reißen und auf seinen Thron sich fetzen können? der, welcher so gut wie du und ich unter der Decke seiner Brust Gehetmnisse der Finsterniß barg, die er auch dem Auge des Freundes hätte entziehen mögen, er hätte, ohne zu freveln, rufen können: »wer mich siehet, der siehet den Vater?« Der, welcher wie du und ich seine Hände aufheben mußte alle Tage und beten: ,,Vater unser, vergieb uns unsere Schuld!« er hätte, ohne zu freveln, sagen mögen: ,,ich thue allewege den Willen meines Vaters?« der, welcher wie du und ich vor dem letzten Stündlein bangen mußte, dieweil auch er den Stachel des Todes fühlte, welcher die Sünde ist, er hätte, ohne zu sreveln, rufen können: ,,wahrlich, ich sage euch, wer an mich glaubt, der wird nimmermehr sterben?« O ihr, die ihr statt Jesus, den Sohn Gottes und der Menschen, den der Glaube der christlichen Kirche, in dem ihr groß ge- worden seid, euch darbietet, das Menschenkind er- swählet, einen verblendeten Frevler, einen Verbrecher an der heil. Majestät Gottes habt ihr erwählt. —- II. Jst aber der, welcher vor dem Hohenpriefter mit dem Schwure bei dem lebendigen Gotte bekräftigt, daß er sei Christus, der Sohn Gottes, ein schwaches, sündi es Menschenkind, gleichwie du und ich —— wer zerrei t nicht mit dem Hohenpriester das Gewand und spricht:",,er hat Gott gelästert, er ist des Todes schul- di P« Jst damals ein Menschenkind im Truge einer hochmiithigen Selbstverblendung an’s Kreuz geschlagen worden —— chr. Gemeinde, so mußt du ein neues Lied anstimmen. Du haft bisher gesungen: »wer hat dich so geschlagen, mein Heil, und dich mit Plagen so übel zugericht?« und mit lautem Klageschrei deines Herzens hast du geantwortet: ,,ich, ich und meine Sünden, die sich wie Körnlein finden des Sandes an dem Meer.« Nun mußt du ein neues Lied fingen —- gräßlich zu sagen! ———: ,,du, du und deine Thorheit, die gegen Gottes Wahrheit sich hat vergangen schwer« — Staub vom Staube, du Kind der Erde! Bist du nichts Anderes gewesen, als deine schwachen fiindigen Brüder, wie Yt deine Thorheit es gewagt, im Hochmuth der elbstverblendung in die Welt hineinzurufent ,,ihr seid von unten her, ich aber bin von oben her !« Du, der du selbst deine Hände hättest betend aufheben sollen, daß der verheißene Erlöser ans Zion komme, auch dich deiner eigenen Schuld zu entbinden, wie hast du’s wagen können, di hinzustellen als den, der Jsrael erlösen sollte! Grä lich zu sagen!.——: »Du, du und deine Sünden, die sich wie Körnlein finden des Sandes an dem Meer, die haben dir erreget das Elend, das dich schläget und das betrübte Marterheer!« O ihr Männer des Glaubens und der Thränen, die ihr von Stephanus an, der den Himmel offen sah, nach dem Zeichen des Kreuzes aufgeblickt habt als zu einem Stern, dem nur die Strahlen abgenommen sind, vor deren verklärtem Blick das Kreuz aus Golgatha, worauf das heilige und unschuldige Lamm Gottes blutet, ein Thron der Majestät wurde, es ist vor eurem Blick in ein Blutgerüst verwandelt, wo der Wahn eines hochmüthigen Schwärmers seine Schuld abbüßet Das war sein Gericht auf Erden, und was wird fein Gericht im Himmel sein? — 11l. ,,Jch, der HErr, das ist mein Name, spricht der Gott Jsraels bei dem Propheten, ich gebe meine Ehre keinem Andern« Wie nun, wenn der, welcher von sich selbst bezeugt: »der Vater richtet niemand, sondern hat alles Gericht dem Sohn übergeben, auf daß sie alle den Sohn ehren, wie sie den Vater ehren,« Geißelung nnd Verspottung 557 und von welchem sein Apostel in gleicher Verblendung, wie ihr meinet, zeuget: ,,darum hat ihn auch Gott erhöhet und hat ihm einen Namen gegeben 2c.«, wenn er selbst erscheinen wird vor dem Throne des Gottes, der feine Ehre keinem Andern giebt —- könnet ihr sie ahnen, die Strafe, welche der Gott, der seine Ehre keinem Andern giebt, verhängen wird über den Wurm aus Staub und Asche, welcher der Majestät des Königs aller Könige nach der Krone griff, wenn er wird Rechenschaft ablegen sollen von dem Ehrenraube, daß Millionen Kniee seit 18 Jahrh. in Leid und Noth und Tod vor seinem Namen sich gebeugt haben, wie vor dem Namen des Vaters! Und wenn sie sich denn alle um ihn her versammeln werden, die Blutzeu en, die um seines Namens willen ihr Leben in den od ge- geben und von Stephanus an in seine Hände ihre Seele befohlen, und werden ihn anklagen, daß er — sie betrogen habe! Er hatte einen von seinen 12 Jüngern das verlorene Kind genannt, das Kind der Verdammniß —- wehe, wehe dir, du verlorenes Men- schenkind, der du, falls du nichts Anderes warst als deine Brüder, der höchsten Majestät nach der Krone gegriffen, wenn das fürchterliche Wort, das du über , deinen Jünger ausriesest: ,,es wäre ihm besser, daß er niemals geboren wäre«, wenn — schrecklich zu sagen — es über deinem eigenen Haupte erschallen wird! — Doch, Gemeinde, du erträgst es nicht, den Gedanken weiter zu verfolgen; Schauer durchrieselt euer Gebein. O Kreuz, über dem der Himmel schwarz wird, unter dem die Erde erbebt — nein , du trägst nicht einen Frevler! Wenn in dem schauervollen Dunkel, das über dem Kreuz sich zusammenzieht, alles Volk, von Schauer ergriffen, an die Brust fchlägt und von dannen eilt, und auf dem leer gewordenen Platze selbst der Heide ansruftx »diese-z ist wahrlich Gottes Sohn ge- wesen«, so beugt der gläubige Christ seine Kniee und hebt betend feine Hände empor: O Haupt voll Blut und Wunden, voll Schmerz und voller Hohn, nein! du bist doch nicht das Haupt eines Frevlers, du bist ein heiliges Haupt, auf dem keine eigene Schuld ge- lastet, sondern die Schuld der sündigen Welt. (Tholuck.) 16. Die Kriegsknechte aber [die des Land- pflegers nur vorläusige schon für die letzte Ent- scheidung nahmen], fuhrten ihn [nachdem sie noch angesichts der Menge die Geißelnng an ihm voll- zogen hattenJ hinein in das Richthann und riefen zusammen die ganze Schaar kihren Muthwillen mit dem Verurtheilten zu treiben]. 17. Und zogen ihm lzn einem König ihn verkleidend, dem jetzt sein Hnldignngstag gekommen sei] einen Purpur a·n,·und flochten eine dornene Krone, und setzten sie ihn; ans; » · 18. Und fingen cznnhn zu grasen: Gegrnßet seist du, der Juden Komg. 19. Und schlugen ihn: saus der Verspottung in Mißhandlung umspringend] das Haupt mit dem Rohr, und verspeieten ihn, nnd fielen [darnach, von der Mißhandlung wieder zur Berspottnng zurückkehrend] auf die Kniee, nnd beteten ihn an. Christus mit derDornenkrone — wir haben hier zunächst ein Bild der Schmach und des Jam- mers. Es ist der HErr, der eingeborne, menschge- wordene Sohn Gottes, welcher auf Gabbatha steht: aber wie? Eine Krone ruht auf seinem Haupte, doch nicht von fchimmerndem Gold und Juweh sondern 558 Evangelium Marci 15, 20—-—32. von dem dunkeln Gewiichs, das der um der mensch- lichen Sünde willen versluchte Acker trägt; ein Purpur- mantel umhüllt ihn, aber alt und zerrissen, der nicht mehr schmückt, der nur höhnend an die königliche Herr- lichkeit erinnert; ein Scepter ist in seine Hand gelegt, aber nichrvon Elfenbein und Perlen, »ein gemeiner Rohrstab ist’s,· hart genug, ihn damit zu schlagen. Um 1 n her reiht sich eine Schaar, nicht von Edlen, nicht romme, gewärtige Diener, sondern ein Haufe muthwilliger Spötter; sie werfen sich vor ihm nieder, nicht mit heiliger Ehrfurcht vor dem Abbild göttlicher Majestäh ondern mit schändlichem Gelächter; sie rufen ihm zu: ,,fei gegrüßet«, und wünfchen ihm nicht Frieden und Freude, sondern Angst und Qual; sie streuen ihm nicht Palmen, sie werfen ihm nicht Blumen zu, sie werfen ihm Speichel in’s Angesicht; sie tragen ihn nicht auf ihren Händen, sie geben ihm damit Backen- streiche. Welch ein Bild der Schmach, unser lieber HErr, welch ein Bild des Jammers! Er war uns u gut mit unsrer Natur umgeben; er fühlte die ränkungen der Untreue, des Undanks, der Verachtung uud Verwerfung in seiner reinen Seele; er fühlte alle Schmerzen des Leibes, jeden Schlag der grausamen Geißeln, die scharfen Dornen in seinem matten Haupt, welche tief eindringen mußten, da er auch mit dem Rohr auf’s Haupt geschlagen wurde. So konnte es nicht fehlen, daß sich ein Ausdruck tiefen Leidens in seiner ganzen Gestalt und namentlich m seinem An- åesicht zeigte, an dem die Perlen seines köstlichen lutes herabrannen. So führte ihn Pilatus hernach heraus« zu den Juden und sprach: ,,Sehet, welch ein Mensch!« Pilatus, der kalte Zweifler, der entschiedene Weltmann, fühlt eine menschliche Rührung und will eine solche auch in den Herzen der Juden erwecken: sehet da, diee Gestalt voll Schmach und Jammer! uns uldig un so mitgenommen! Jch bin ein ver- wor ener Heide, wie ihr Juden meint, und er dauert mich; und ihr, die ihr mit euren frommen Gefühlen und Gesinnungen so hoch thut, wollt ihr denn kein Mitleid mit ihm haben, der dazu eures Geschlechts ist? Pilatus macht hier noch einen Versuch, die Juden Hlegen Jesum besser zu stimmen, allein umsonst; der nblick des Mißhandelten und Gemarterten vermehrt ihre Wuth, und sie schreien: kreuziåq kreuzigel Für- wahr, er hatte keine Gestalt ’noch chöne; wir sahen ihn, aber da war keine Gestalt, die uns gefallen hätte kJes 53, 2). Und doch —- Christus mit der Dornen- rone, er steht auch vor uns als ein Bild wahrer Größe und Schönheit. So unwerth und elend eine Gestalt ist, so kann doch ein Adel, eine Anmuth und Lieblichkeit herausblickein ,,Kreuzgestalt den äußern Sinnen und lichte Herrlichkeit von innen«, die aber durchbricht; und wo me r, wo herrlicher, als bei unserm Dorngekrönten? r steht auf Gabbatha in tiefster Erniedrigung, mit Schmach und Jammer ordentlich überschiittet; aber was leuchtet doch aus seiner Geberde, aus seinem anzen Wesen wie Him- melsschein? Zuerst seine Unks;chuld, sein reines, un- beflecktes Bewußtsein; es ist, als ob Pilati Zeuguiß mit hellen Buchstaben aus dem Purpur geschrieben stände: ,,ich finde keine Schuld an ihm — und es sticht seinen Verfolgern in die Augen hinein, daß sie eben immer verbissener und wahnwitziger werden: ,,ich finde keine Schuld an ihm.« Und wenn wir in das schuldlose Angesicht unter dem Dornenkranz blicken, es ist bleich und blutig, aber so s anft und mild. Da fährt kein Zornstrahl aus dem Auge, die Frevler und Mörder zu verzehren; da drängt sich kein Fluch über seine Lippen, die Donner des Himmels auf sie herabzurufen; denn sein treues Herz hat diese und alle sShündez in seksnen Fridedånsrashchaufgenoäiimegi kmd wün tni tsme r, as a ie i, wenn es aers Rathschluß erfüllt ist, den sie unwissend mit ihrer Bos- heit vollbringen helfen, daß sie sich alle bekehren möch- ten zu seiner versöhnenden Diebe, aus daß er sie alle söligd mcjzcheIZ Könige. Blitzes hin dauf dseineMzHgiernäe an, ie ät en orta, en er u wie hineinlegte, sie wirft ihn nicht unwillig und entrüstet weg; er fügt sich in«den Willen ihres Spottes, er hält seinen Rücken dar denen, die ihn schlagen, und seine Wangen denen, die ihn rausen, sein Angesicht verbirgt er nicht vor Schmach und Speichel. Alles Ztst bhei ihgn iGslassenheit, geiligef Scäille ån hGotges at un ü run « unter em re en o n er Heiden, unter dem Zihöhten Mordgeschrei der Juden, unter den brennenden Schmerzen an Rücken und Haupt hört man keine Wehkla e, gewa rt- man kein Zeichen, keine Spur der Unzusrie enheit ü er sein hartes Geschick. Alle s eine Schmach und Schmerzen, s eine Wunden und Striemen faßt er zusammen in den Gedanken, in das Gebet, womit er sie als ein Opfer an feines Vaters Thron niederlegt: »Mein Vater, was mir be- Bieden ist, was ich tragen soll zur Erlösung der elt, das trage ich gerne«. Aber es enthüllt sich uns auch noch etwas Anderes —- diese Gestalt im Dornen- ganzserkeniBt dalrgi noch eiäiz Bslilzdseiner hSigimlcksschen iir e. reii ein or i in ma von dem, was er jetzt in Herrlichkeit ist; aber blickt ihn an aus Gabbatha, weilet in diesem Anblick mit eurer seclznendkeltu glaiåbenzihen Seeåle Zb nichkt allmälig Kciijlles i ver ärt, o ni taus er ornen rone eine one von strahlenden Sternen wird? O wie gar unbe- reiflich sind Gottes Gerichte und unerforfchlich seine ege! Dort sprach Kaiphas ohne Verstand das wahre, gewichtige Wort: ,,es ist besser, daß ein Mensch sterbe für das Volk, denn daß das ganze Volk ver- derbe;« hier eben ihm blindeHeiden zum Spott Purpur, Krone und cepter und deuten damit seine Herrscher- geBvalt atsylldieder has) aus, himtlnlischefiti Throne; ein- ne men o , enn ott at i n ge etzt zu einer istechcäen tåm Himmel, Fbekl alle Fürstenthünkey Gewalt, a t, err at un a es, was genann mag wer- den nicht allxkin in dieser Welt, sondern auch in der zukünftigen. Ja, wir wissen es und jauchzen ihm, er ist Regent in höchster Majestiit, Ehre und Selig eit. äliie hdortldfiz Doänenkrgna so frisht nunH dietKrone es immi en önigt ums au einem aup e; wie dort ein alter Purpurmantel, so sind jetzt die Himmel sein Kleid und der ewig frische Purpur der Morgen- Kthesissz sesinelsi Kleides dSargnx wieddogz kin elsender ohrta , o iegt jetzt as cepter er et in einer Rechten, es gehet aus von Zion und herrschet unter seinen Feinden und Freunden; wie dort verspottende Kriegsknechth so knieen jetzt die himmlischen Heer- schaaren an seinem Stuhl und viel tausendmaltausend Gläubige liegen tiefanbetend zu seinem ·Fußschem»el; ibind es koxtåmt d? Zeit, IX) in des; Namån Jeski sich, eugen mu en a e erer n1ee, ie im imme un aus Erden u»nd unter der Erde sind, und alle Zungen be ennen mussen, daß Jesus Christus derHErr sei, zicihr Ehlilxe ckGotses deks äåatesxsil fEs naht dike Zeit — a vie ei tit ie a erü t. — wo ev ommt, in den Wolken des Himmels nnd sitzt auf dem Stu l der Herrlichkeih die ganze Welt zu richten; da wPrd es heißen: se et, welch ein Mensch! Das ist die Weise eines Men then, der Gott der HErr ist!« O Gott- tåienschfdcäl ktkoir an dgch gåglcxkiibå hassen! weiådegi die inen ro o en; o u re i er önig, a wir dich verkannt und verspottet haben! werden die Andern jammern und heulen. (Redenbacher.) Simon der Kreuzträgen Jesu Krenzigung und abermalige Verspottung 559 20. Und da sie ihn verspottet hatten kund er nach einem weiteren fruchtlosen Versuch des Land- pflegers zu seiner Rettung zuletzt feierlich und nn- widerruflich zur Kreuzigung überantwortet worden war], zogen sie ihm den Purpur aus»nnd zogen ihm seine eigenen Kleider an, und fuhrten ihn aus [nach der Schädelstätte draußen vor den Thoren der Stadt] daß sie ihn kreuzigtenz 21. Und zwangen einen, der vornher ging, mit Namen Simon von Khrene, der vom Felde kam, der ein Vater war sder in der Gemeinde be- kannten beiden Brüder] Alexandri und Ruffi, daß er ihm [weil er zu schwach war, das Krkuz selber vollends hinaus zu tragen] das Kreuz trage. Rusus ist ohne Zweifel der in Röm. 16, 13 vor- kommende römische Christ; sein Bruder Alexander ist nrfürlich nicht einerlei mit dem ephe inischen Schmidt A exander, dem wüt enden Christus-sein (Apostg.19,33; 1.Tim. 1, 20), son ern muß ebenfalls ein römischer Christ gewesen sein« Daß Paulus auch die Frau oder Wittwe des Simon persönlich gekannt hat, geht aus der schonerwähnten Stelle: Röm. 16, 13 hervor, wo er sie ehrenvoll als seine (des Rufus) und meine (Kap.10,30)Mutter«bezeichnet. (Ebraed.) Simon hat das Kreuz nicht umsonst getragen, mit dem Kreuze Christi ist der Segen in sein Haus eingekehrt: an seinen Kindern hat er seine Freude erlebt, es sind aus ihnen Männer geworden, deren Namen jeder Christ mit Achtung nennt. Denn das Kreuz bringt zwar seine Nägel, aber auch seine goldnen Früchte mit; ge- segnet ist der Mann, der es trägt, gesegnet ist auch sein Haus, es wird ihm vergolten an seinen eigenen Kindern, und die kurze Zeit der Schmach wird ihm vergolten mit ewiger Herrlichkeih (Münkel.) VI. Ob. 22—32. (§.121.) Gleichmie Malthiins Und Mariens nichts von den Thränen Jesn bei seinem Ginznge in Jerusalem Gute. 19, 41 is) berichtet haben, so Tiber— gehen sie nun auch das damit verwandle wart an die ihn ans dem Richlmege begleitenden und belelagenden Weiber (tl3nle. W, 27 ss.); ebenso ist die Darstellung der Vorgänge oon der Jlnleuust auf Golgatlsa bin zur Mit— taggstunde bis ans leleinere Gigenthnmlichlkeitem wodurch der eine non dem andern net) unterscheidet, bei den beiden ersten Evangelisten nach Umfang nnd Zusammenstellung fast ganz dieselbe, so daß auch bei Mariens die zwei miigelirettzigten Schächer ohne weiteren Unterschied in die Kategorie der Eästerer gestellt werden. (ltgl. Raub. 27, 33—44; Eule. W, 33—43; Joh.19, 18—27.) 22. Und sie brachten ihn [nach einem Marsche von etwa einer halben Stunde] an die Stätte Golgathcu das ist verdolmetschet, Schiidelstcitte 23. Und sie gaben ihm sum ihn zu betänben, wie das mit den znr Kreuzigung Vernrtheilten zu geschehen pflegte] Mhrrhen im Wein zu trinken; Und er nahm? [da er beim Kosten des Getränks wohl merkte, wozu es bestimmt sei] nicht zu sich [da er nicht in Betäubung, sondern mit vollem Bewußtsein leiden und sterben wollte]. 24. Und da sie ihn gekreuziget hatten, theilten sie [nach dem Recht, das ihnen als Bollstreckern des Todesnrtheils an ihm zustand] seine Kleider, nnd warfen [theilweis, da unter diesen Kleidungek stücken sich auch eins befand, das sie nicht zer- trennen wollten] das Loos darum, welcher was überkäme 25. Und es war um die dritte Stunde, sVormittags 9 Uhr] da sie ihn kreuzigten. 26. Und es war oben uber ihn [auf einer Tafel zu seinen Häuptern] geschrieben, was man ihm Skhuld gab [als todeswürdiges VerbrecheUJ nämlich [in lateinischer Sprachex rex Jndaeorum, d. i] ein König der Juden. i » 27. Und sie lteuzigten mit ihm zween Mor- der [die im Aufruhr einen Mord begangen hatten], einen zu seiner Rechten, nnd einen zur Linken. 28. Da ward die Schrift eefüllet, die»da sagt lJes 53, 12]: Er ist unter die Uebelthater gerechnet. » » » 29.» Und die vornher gingen, lasterten ihn, nnd schnttelten ihre Haupte» und sprachen: Pfui dich sim Grundtext: Vahl Ausruf des ironischen Staunensf wie fein zerbrichst du den Tempel, und banest ihn in dreien Tagen [wie du dich ver- messen hast, da es mit dem Zerbrochenwerden viel- mehr über dich gekommen ist]. 30. Hilf dir nun selber [wie du vormals Andern geholfen] und steig herab vom Kreuz. 31. Fdessclben gleichen die Hohenpriester ver- spotteten ihn unter einander, sammt den Schrift- gelehrten, und sprachen ljene Låsterung des, gemei- nen Pöbels V. 30 begierig anfgreifend]: Er hat Andern geholfen, nnd kann sich selber nicht helfen. 32. Jst er Christus, und König in Israel [wie die Ueberschrift des Landpflegers besagt]«, so steige er nun vom Kreuz, daß wir sehen, und glauben. Und die mit» ihm gelrenziget waren [V. 28], schmäheten ihn auch fwenigstens was den einen unter ihnen betrifft] Während vorhin der Blick des Evangelisten auf die Soldaten gerichtet war, die Jesum in ihrer Mitte hatten, ist derselbe jetzt auf den gekreuzi ten und öffentlich zur Schau gestellten Jesus gehe tet, und zwar wie er sich ausnahm zwischen der dritten und sechsten Stunde. (Klostermann.) Wir sind mit unserm Abschnitt bis zu jener stillen äeiligen Höhe gelangt, wo Gott der Dreieinige den T ron der Offenbarung seiner Liebe aufgeschlagen hat; offen und frei steht dieses Heili thum mitten in der Welt, kein Vorhan , kein Vorho hält die Ungeweihten und Profanen a , aber die inwohnende Strenge ist wie ein Cherub mit flammendem Schwert und nichts Unreines darf sich nahen. Doch für die aufrichtigen Gemüther und ge- raden Seelen liegt hier eine Anziehungskraft von un- vergleichlicher Feinheit und Stärke; nirgends lieber weilen sie als in diesem schmucklosen Heiligthum, hier finden sie Balsam für die tiefen Wunden, sriedli e, ungestörte Rast nach schwerer Arbeit und großer r- Löst-sung, hier schmecken sie die Kräfte der zukiin tigen elt, daß sie mit neuem Muth und festem chritt ihrem hohen Ziel rastlos entgegenstreben können. Sei uns denn gegrüßt, du heiliges Kreuz, dafür die anze Welt verhiillter, aber ür das Geistesnuge der läu- 560 Evangelium Marci 15, 33——41. bigen aufgedeckter Thron des ewigen Sieges und der himmlischen Kraft, auf dem sich niedergelassen der Anfänger und Vollendet unsers Glaubens, um uns alle nach sich zu ziehen; sei uns gesegnet, du theures Kreuz, du einfachstes, verständlichstes und lebendigstes Gotteszeichem festlich und begreiflich dem menschlichen Bewußtsein, wenn es erwacht und wenn es erlischt, dem forschenden Auge, welches einfältig ist, eine un- ergründliche Himmels-tiefe mit Milchstraßen von »Ge- dankensternen, den Selbstweisen aber und Selbstge- rechten eine unleidliche und ewig quälende Thorheitl (Baumgarten.) Es ist ein Spott über Jefum gekom- men, wider den sich Himmel und Erde hätten aufleh- nen sollen: er wird ja mit der Wahrheit verspottet, er ist ja Gottes Sohn, der König Jsraels, der Heilige, der Geliebte Gottes, nach dem ihn lüstet — warum dürfen diese Unholde sein giftig spotten, ohne daß Himmel und Erden und Gott selbst vom Himmel den Gehorsam preisen und rühmen, der einzig und ohne- leichen ist? Antwort: es sind Opfer-, es sind Ver- Jöhnungsleidem zu denen muß er, zu denen müssen seine Himmel schweigen. Doch laß ihn schweigen; schweig auch du, schau in das, Angesicht voll Noth und Schmerz ·— es wird nun all emach die Noth auf’s Höchste steigen, dann wird si ’s wenden. Hohn ist Schwachheih Schwachheit wandelt den an, tvelcher mit Hohn und Spott und Schimpfworten seine Sache vertheidign Schweigen können, dulden können, beten und vergeben können, das ist Stärke; Sanftmuth sieget, Demuth überwindet. Was sie auch sagen, die Ab- scheulichem die Schrift am Kreuz und der Schwur Christi bleiben stehen: der Hohn verstummt, die Wahr- heit bleibt. So ist’s gegangen, so geht’s noch. Er wird nicht vom Kreuze steigen, aber er wird dennoch als Gottes Sohn und König erwiesen werden; er wird her-abgenommen und begraben werden und glorreich neiget-stehen, und St. Paulus wird von ihm predigen, da er als Gottes Sohn erwiesen ist durch die Auf- erste ung und seit der Auferstehung. Seit jenem Tage des pottes ist Christus Jesus König worden; seine Ueberschrift weht von— unsern Fahnen, sein Königsname versiegt nicht von unsern Lippen, die Jahrhunderte und alle Lande und alle Himmel sind seiner Ehren voll. Seine Schmach Ist die höchste Ehre, sein Kreuz das Zeichen der Ehre, des Sieges und Heiles geworden: vor dem Kreu und der Dornenkrone stimmt man Zhmnen an. r hat einen Namen über alle Namen, icht ist sein Kleid, und sein Weg ist zur berühmten Regel aller Heiligen geworden, und alle stimmen ein in den Reine: ,,hier durch Spott und Hohn, dort die Ehrenkronfl (Löhe.) VII.- o. 33-—41. (§. Irr) ebenso, wie vorne: die Vorgänge während der ersten drei hcreuzeesiundety er- zählt St. Mariens auch hier die während der drei an- dern bis zu Jesu verscheideu fast gleichlantend mit Matthäun nur daß er des Erbebeng der Erde and des Sithauftbunø der Gräber mit seinen Folgen für den Auferstehung-lag nicht gedeutet; das zweite Evangelium fand eben einen bestimmten, auch schriftlich für die Kirche ausgeprägt« Erzähtungotypug vor, der gerade bei der Ereuzeggeschtchte Ich auf einige besonders; wichtige sandte beschränkt: und sie tu großartiger Einfachheit kutschte, und dieses Vorbild wollte Petrus, der Führer des Matten, nicht verlassen wissen, außer wo ein ein— zeluek pnnlct seine lteser weniger berührte. (bgt..statth. N, 45—-56; Eule. 23, 44——49; Sah. 19, 28——37.) 33. Uud nach der sechsten Stunde svon Mittags 12 Uhr ab] ward eine Finsternis til-er das ganze Land, bis um die neunte Stunde [Nach- mittags 3 Uhr]. 34. Undum die neunte Stunde rief Jesus laut, und sprach lmit Pf. 22, 2]: Eli, Eli [ge- nauerx Blei, Eloj], lame- asabthani lnach andrer Lesarn sabachthanqis Das ist verdolmetfcheh Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich ver- lassen? 35. Und etliche, die dabei stunden, da sie das hörten, sprachen sie sdie Anfangsworte des Aus: gtfs absichtlich verdrehend]: Siehe, et ruft dem has. 36. Da lief einer [indem Jesus eben jetzt auch über Durst klagte Joh. 19, 28]- und füllte einen Schwamm mit Essig, und steckte ihn aus ein Rohr, und tränkte ihn, und sprach ssein Mitleiden vor deu rohen Kameraden hinter einen rohen Spaß oerbergend]: Halt, laß sehen, ob Elias komme nnd ihn herab nehme sogl Matth 27, 49 An m. . 37. Aber Jesus schrie sinkt jenem siebenten Wort: Joh.-19, so] laut, und verschied. 38. Und der Vorhang im Tempel zerriß kin dem Augenblick seines Verscheidensj in zwei Stücke, von oben an bis unten aus kdes Erbebens der Erde und des Sich-öffnend der Gräber Matth. 27, 52 f. nicht weiter zu gedenken]. 39. Der Hauptmann aber, der dabei stund, gegen ihm über, und sahe, daß er mit solchem Geschrei verschied, sprach er: Wahrlich, dieser Mensch ist swie er von stch bezeugt hat] Gottes Sohn gewesen. 40. Und es waren auch Weiber da sbei dem Kreuze], die von ferne solches scharrten, unter welchen war Maria Magdalena, und Maria, des kleinen sjüngerenj Jakobt und Des] Joses Mutter, Und Satome [die Mutter des älteren Jakobus und des Johannes-H; 41. Die ihm auch nachgcfolgh da er tu Ga- tilcia war, und gedient hatten, und viele Andere, die mit ihm hinaus gen Jerusalem gegangen waren [z. B. auch Hanncy des Chusa Eheweib Luk. 8, 3; 24, 10 . Um it) Uhr des Morgens wird Jesus an das Kreuz geschlagen, und von 12—3 Uhr verfinstert sich die Sonne und das ganze Land wird 3 Stunden in Dunkel ge- hüllt. Hier ereignet sich, was ein lebhaftes Gefühl eines großen Schmerzes oder Unwillens so oft als eine innere Nothwendigkeit empfindet; bei einer leb- haften Aufregung über eine schreiende Disharmonie in der Menschenwelt nämlich wundern wir, ja entsetzen wir uns über die Theilnahmlosigkeit der Natur, wir können und mögen es schwer begreifen, daß die Ord- nung der Natur ihren festen, ruhigen Gang fortgeht, während in der Menschenwelt, dem eigentlichen Mittel- punkt, um den die ganze Naturordnung kreist, alles aus den Fugen reißt. Hier nun findet dieses Gefühl seine volle Befriedigung: die Natur selber giebt diesem nächtlichen Sinnen der Menschenwelt durch Verfinste- Jesu Kreuzestod, Zerreißen des Tempelvorhangs und Bekenntniß des heidnischen Hauptmanns rung des mittäglichen Sonnenlichtes das richtige Colorit. (Baumg"arten.) Wunderbar! Da Christus geboren wurde in der heiligen Nacht, da wurde die Nacht erhellt durch die Klarheit des HErrn; da Chri- stus stirbt am Tage, da wird der Tag verfinstert über das ganze Land. Christus hat selbst gesagt, was er ist: as Licht der Welt; dieses Naturzeichen deutet darauf hin. Als das Licht der Welt ausging im Reiche der Gnade, da begleitete dasselbe ein Licht in der Natur; nun da das himmlische Licht der Welt ausge- stoßen wird, kann auch das kreatürliche Weltenlicht nicht scheinen; da man das Licht der Gnade Gottes in Christo zu verlöschen trachtet, da darf auch die Sonne ihr Angesicht nicht enthüllen. Die Sonne verliert ihren Schein, aber — blos bis zu der neunten Stunde, blos bis zu der Zeit, da Christus verscheidet; sein Tod war die Grenzscheide, wo die Finsterniß wieder in das Licht verwandelt wurde. Da die Finsternis; siegte, ward sie vernichtet: Christi Tod war es, der sie überwand. (Brückner.) Finsternis; legt sich über das heilige Land, denn unsre Sonne wird am Kreuz verfinstert; während die Nacht am Mittag eintritt, treffen die Pfeile, die am Mittag fliegen, die Seele des Erlösers desto grausamer, das Leiden des HErrn kommt in- dieser Finsternis; auf seine Höhe. Hier ist es nicht, wie in der Nacht vorher, da er in Gethsemane Blut schwitztm in Gethsemane stand der HErr in lebendiger Wechselwirkung mit seinem Vater, hier aber wird seine Verlassenheit und seine einsame Arbeit viel stärker. Vielleicht legte sich während der Finsterniß der Spott und Hohn, vielleicht schauerte doch auch den Feinden die Haut und das innerste Mark, vielleicht war es ganz still in der Finsterniß um das Kreuz her; aber diese Stille war nicht erquicklicher als das Geräusch, im Gegentheil, das Grauen einer Nacht kam über den HErrn am Mittag, wie sie nie einmal zur natürlichen Zeit über die Erde ekommen war. (Löhe.) Drei Stunden arbeitet seine eele schweigendx dann bricht er in das Wort aus: ,,Eli, Eli, lama asabthanjW Welch ein Wort aus diesem Munde! Wir vermögen nicht hinanzureichem es ist ein Wort aus dem 22.Psalm, aber nicht als meinte er nur, was in dem Psalm hin- tennach folgt, jene Worte von Hilfe und Heil, in dem Klaggeschrei vielmehr findet er sein Herz. Wir erken- nen mit Bewegung des Herzens, wie tief er durch die Qual seines heil. Leibes, die er noch nie erfahren hatte, wie tief er durch Bangigkeit der Seele im Grund seines Wesens angefochten war; er hat kein Gefühl von der Gemeinschast des Vaters mehr, er ist aller Erfahrung seiner Hilfe beraubt, er spürt, wie schrecklich das Sterben ist. Ohne dieses sein Wort könnten wir nicht ahnen, daß solches bei ihm möglich sei, daß er zum Trost aller Verzagten in die tiefste Trostlosigkeit der Menschen hinabzusteigen vermochte. So war Gott in Christo und versöhnte die Welt mit ihm selber; es ist das Höchste von Selbstentäußerung und sreiwilliger Erniedrigung, was uns hier vor die Seele tritt; eben darin vollendet die Liebe das Werk der völligen Hingebung, das Werk der Versöhnung und Erlösung. (Rigåenbach.) Es kann Zeiten im inneren Leben eines hristen geben, wo er selbst da- von etwas erfährt, Stunden, wo er sich der Gnade seines Gottes nicht getrösten kann, wo ihm das Gefühl seiner Nähe verschwindet, wo ihm zu Muthe ist, als wäre er auf immer ausgethan vor seinem Angesicht. Solche Erfahrungen gehören Zu den schwerften, die es giebt, unsre Väter haben sie ie hohen Anfechtungen genannt und viel von ihnen zu reden gewußt; aber auch das sind für den Gläubiger! nur heilsame Prü- fungen, die Gnadensonne ist da nicht untergegangem Dächse l ’s Bibelwert sie hat ihre Strahlen nur ein wenig hinter den Wolken verborgen, damit der -Mensch unterdessen lerne, wie gar nichts er selber ist und wie sein Heil alleine bei dem HErrn steht — hat er das gelernt, so muß ihm bald das Licht wieder ausgehen und Freude dem from- men Herzen. So aber ist’s bei Christo nicht: seine Verlassenheit ist mehr als eine solche Ansechtung, wie sie den Frommen widerfuhr; sie war eine Gottver- lassenheit im vollsten Sinne des Worts. Der Vater hat ihm wirklich seine Nähe und Hilfe für eine Zeit- lang entzogen, nicht blos die Empfindung seiner Liebe und seines Trostes; er hat das Angesicht seiner Gnade von ihm abgekehrt und ihn in die Schrecknisse des Gerichts dahingegeben Sein Wort ist das Angst- geschrei einer Seele, über welche Gottes Gerichte her- eingebrochen sind, es ist die Klage eines Mannes, der den Zorn des Höchsten, der den Fluch der Sünde trägt; aus dieser Tiefe heraus quillt das ,,Eli, Eli, lama asabthani?« unsers Textes. Und so trete ich. denn hin und frage in meinem und in euerem Namen: treuer Heiland, warum hast du in deinem Leiden dies geheimnißvolle Wort geredet? warum hat di dein Gott am Kreuze verlassen, der du doch ge orsam warest bis zum Tode, ja bis zum Tode am Kreuze? Und seine Antwort lautet: Gehe hin und sage mei- nen Brüdern und Schwestern auf Erden: ,,ihr habt mir Arbeit ge1nacht in euren Sünden, und Mühe ge- macht in eurer Missethat;« ich gabe an eurer Stelle das Gericht erduldet; damit die chuld eures Abfalls von Gott getilgt würde, damit mein Vater sein An- gesichtauf ewig in Gnaden zu euch kehre, darum bin ich eine Weile von ihm verlassen worden. Und so bringe ich euch. denn diese Antwort meines Heilandes — euch zuerst, den Sündern, d. h. eu allen, denn Sünder sind wir allez und was das hei e, sieht man am besten aus dem Gericht, das der Vater am Sohne vollzogen, an dem Opfer, das unsre Erlösung ekostet hat. Sind nun solche unter uns , die das er ennen, Seelen, die die Last der Sünde fühlen und um der- selben willen si vor Gottes Zorn und Gericht fürch- ten, siehe, hier it der Trost: ,,er hat uns erlöset von dem Fluche des Gefesges da er ward ein Fluch für uns; er trug unsre rankheit und lud auf sich unsre Schmerzen, die Strafe lag auf ihm, damit wir Friede hätten, und durch seine Wunden sind wir gkheiletM Jch bringe ihn euch, die ihr in Noth und nfech- tung gehet und vielleicht aus der Tie e großer Leiden seufzet: ,,wie lange willst du mein sogar vergessen, wie lange verbirgst du dein Antlitz vor meinem Schreien!« Seitdem unser Heiland am Kreuze ver- lassen worden ist, wird keiner mehr verlassen, der durch ihn seine Zuflucht zum Vater nimmt, keiner unerhört hinweggewiesem der im Glauben auf seine Hilfe traut. Klopfe du nur getrost an diese Thüre an — und wenn’s au lange währt, vom Morgen bis zum Abende, un wenn’s auch den Anschein gewinnt, als habe Gott dein vergessen, ich sage dir, du wirt es doch noch erfahren, was der HErr in seinem orte gesagt hat: ,,kann auch ein Weib ihres Kindleins ver- essen, daß sie sich nicht erbarme über den Sohn ihres Leibes? und ob sie desselben vergäße, will ich och dein nicht vergessen« Und was du sonst noch bedarfst zum Lauf und Kampf des Lebens, Kraft des Glau- bens, Geduld und Stärke, Beständigkeit und Treue, er wird dir alles geben, sobald du es im Namen seines Sohnes von ihm bittest. Das ist die Frucht des Lei- dens Jefu Christi, das das Geheimniß der Erlösung. Es giebt nur Eine Klasse von Menschen, die keinen Theil daran haben, die hier und dort von Gott ge- schieden bleiben; das sind die, die an den Heiland N. T. I. 36 561 562 Evangelium Marci 15, 42——47. weder glauben noch ihn lieben. (Thomasius.) Nach einer dreistündigen Finsterniß, welche das Schauspiel des Leidens Christi verhüllte, und dem Gebetsrufe Jesu, in welcheni er mit dem Worte des Psalmisten seine Todesnoth vor Gott brachte und dessen Miß- verständnis; einem mitleidigen Soldaten den Vorwand eines rohen Scherzes an die Hand gab, um ihm unter demselben eine letzte Erquickung zu reichen, verscheidet Jesus mit lautem kräftigem Rufe wie einer, den nicht der Tod bezwungen hat, sondern der in der Kraft seiner Freiheit stirbt. Wenn dann im Momente sei- nes Todes der Vorhang zwischem dem Allerheiligsten und Heiligen im Tempel zerriß, so bedeutet das, daß Jesus durch seinen Tod dasjenige Verhältniß zwischen Gott und Mensch , dessen entsprechendes Denkmal die Einrichtung des Tempels war, zu Ende gebracht hat. Und wenn ein Heide von dem Gestorbenen das freilich in seiner anzen Tragweite von ihm selbst nicht ver- ftandene ekenntniß ablegt, dieser Mensch sei Gottes Sohn, so ist das ein bedeutsames Vorzeichen davon, daß nicht blos seine Kreuzigung nicht, wie V. 32, Londern auch nicht einmal sein Sterben ein Hinderniß afür sein werde, daß man ihn als den anerkennen werde, wofür er sich ausge eben, ja, daß diese Weise seines Sterbens und die irkung, die er durch diese Leistung erzielt, noch zum Beweggrunde des Glaubens an ihn werden sollte. Und daß ein Heide in seinem Tode den Jesum bereitwillig als Gottessohn bekennt, den die Obrigkeit Jsraels, als er sich selbst während seinesiLebens eidlich dafür erklärte, des Todes chul- dig fand, muß ein besonderes Jnteresse haben für Glieder einer Gemeinde, die, zum großen Theil aus Heiden bestehend, dem Volke Jsrael gegenüber darin ihr Gemeinsames hat, daß sie Jesum den Christ als Gottessohn bekennt (Kap. I, 1). Was die zum Kreise der Jünger Gehörigen betrifft, die dem Leser bis jetzt o wenig bekannt sind, daß erst über ihre Person und ihre Beziehung zu Jesu Aufschluß gegeben werden muß, so werden sie in V. .40 noch dem Hauptmann als Augenzeugen zur Seite gestellt; hernach aber, im folgenden Abschnitt, treten sie nicht blos als Zeugen, sondern als an der Handlung Betheiligte auf. Markus nennt zuerst unter ihnen drei, die er dann von den übrigen, welche sieh Jefu auf dem Wege nach Jeru- salem angeschlossen, als solche unterscheidet, die auch damals schon, als er noch in Galiläa wandernd und lehrend umherzog, seine ständigen Begleiterinnen ge- wesen seien und ihm die zur leiblichen Pflege nöthigen weiblichen Dienste geleistet haben: jetzt warten sie auf die Abnahme Jesu vom Kreuz; deshalb erregt der in V. 42 ff. berichtete Vorgang ihr lebhastes Jnteresse, indem sie durch denselben früher und sicherer, als sie erwarteten, zum Ziele zu kommen hoffen dürfen, wel- ches kein anderes ist als die beste Besorgung der Leiche für’s Begräbniß VIII. n. 42—47. (§. 123.) sum Schluß de: ankn- freitagsgeschirhte erzählt St. sharing, wir es durch Ver— mittelnng des Joseph von Arimathia, der den heiligen Leichnam sich von! römischen Eaiidpslrger erbot, noch mit aller Eile zu einer ehrrnvollen Beisehniig au diesem Tage kam, an eine Ginlialsainiriing alter lkonnte wegen des anlirechendcu Salslsaths niiht iuehr gedacht werden; indem nun von den in v. 40 genannten drei Frauen nur der beiden Marien gedacht wird als solcher, dir sich die Stätte besonnen, wo rr hingelegt wird, ohne jetzt schon wie Salonie lllortiehruug zu einer uachträglikljen Ginbalsanciriing zu treffen, sind sie wie eine Erinnerung an Maria von13ethantrn, die schon zuvor genommen ist, den Leichnam zn soll-en zu seinem Begräbnis (Kap.14,3), zu einer andern Salbung wird es auch nicht mehr koni- men. (vgl. Motiv. N, 57—61; Ente. Es, 50-— sit; Sah. 19, 33—42.) 42. Und am Abend, -dieweil es der Riisttag sFreitag Many. 27, 64 Anm.] war, welcher ist der Vokfabbath [und also nur die wenigen Stun- den von 3 —- 6 Uhr Nachmittags Zeit gewährte, um noch etwas vorzunehmen, während-dann 24 Stunden der» strengsten fabbathlichen Stille folgten], 43. Kam Joseph von Arimathia, ein ehrbarer Rathsherr, welcher auch auf das Reich Gottes wartete; der wagte es, und ging hinein zu Pilato, und bat um den Leichnam Jcsu 44. Pilatus aber verwitnderte sich, daß er schon todt war; und rief den Hauptmann, und fragte ihn, ob er längst gestorben leiste? , 45. Und als er es erknndet von dem Haupt- mann, gab er Joseph den Leichnam Diberließ ihm denselben als ein Geschenk, während habfüchtige Lsandpsleger sich sonst eine solche Erlaubniß thenere bezahlen ließen) 46. Und er kaufte eine Leinwand, und nahm ihn ab, und wickelte ihn in die Leinwand,- nnd legte ihn in ein Grab, das war in einen Fels ge- hauen, und walzte einen Stein vor des Grabes Thier. 47. Aber Maria Magdalena, nnd Maria Joses’ schaneten zu, wo er hingelegt ward lSalome V. 40 hatte dagegen wohl schon mit ihrem Sohne, als dieser die Mutter des HErrn unter seine Fürsorge nahm Joh. II, 26 f» das Kreuz verlassen]. Das Werkzeug, dessen sich die Vorsehung Gottes zur Kreuzabnahme und Grablegung Christi bediente, war von dem Propheten Jesaia (53, 9) längst vorher bezeichnet; zwar heißt es dort in unsrer deutschen Bibel: ,,er ist begraben wie die Gottlosen, und ge- storben wie ein Reicher«, besser aber übersetzt man den Grundtext also: ,,man hat zwar sein (des Messias) Grab bei den Gottlosen bestellt (ihni ein schimpfliches Grab an einem unehrlichen Orte mitten unter den Uebelthätern zugeda t), aber er ist in seinem Tode bei dem Reichen er unden worden» Dieser Reiche nun war Joseph von Arimathia sammt Nicodemus, der sich hernach noch zu ihm gesellte. Da Jesusnoch lebte und von allem Volk bewundert und hochgeachtet wurde, war er ein heimlicher Jünger desselben aus Furcht vor den Juden; nun aber Jesus todt war und seine Sache zu unterliegen schien, verschwand die Furcht und er erklärte sich ösfentlich als einen Jünger und Liebhaber des Gekreuzigten So ward sein Glaube der Sieg, der über Welt- und Menschenfurcht triumphirte Markus aber setzt noch hinzu, er habe auf das Reich Gottes gewartet; es muß also sein Gemüth zienilich gereinigt gewesen sein von den da- maligen jüdischen Vorurtheilen, nach welchen man ein weltlich Reich des Messias erwartete, daher er sich auch an dem Leiden und Tode Christi nicht ärgerte, wie diejenigen thaten, die allerlei irdische Träume von seinem Königreich hatten. (Rambach.) Es gehörte zu dem, was Joseph that, ungewöhnlicher Glaubensmuth, den keiner von den Angehörigen und näheren Jüngern Joseph von Arimathia bestattet den von Pilato ihm überlassenen Leichnam Jesu. 563 des HErrn bewies, der aber gerade jetzt durch Gottes Gnade bei Joseph zu einer solchen Höhe ge teigert war. Joseph war früher nur ein heimlicher Jünger des HErrn gewesen und wagte es nicht, mit seinem Glauben und seiner wahren Herzensüberzeu ung her- vorzutreten, da die Juden den Beschluß gesagt hatten, daß, so jemand Jesum als den Christ, den Messias und Heiland der Welt bekennen -würde, er in den Bann gethan werden sollte; als Mitglied des Hohen- raths, als Mann von Ansehen und Reichthum egte er viele Bedenken und fand viele Hindernisse. en- schenfurcht ist ja das Band, das so Viele an die Welt fesselt, und der Bann, sioelcher von Christo abhält, daß sie ihn nicht als »ihren·HErrn und Heiland mit Wort und That bekennen; Manche haben durch ihre äußere bürgerliche Stellung, durch ihren hohen Rang, durch die Verbindungen, in denen sie stehen, und durch die Pflichten, die ihnen auferlegt sind, mit großen Hinder- nissen und Schwierigkeiten u kämpfen, wenn sie ihren Glauben offen und frei be ennen wollen, wovon An- dere in andern Verhältnissen des Lebens nichts wissen, ja nicht einmal etwas ahnen. Je niedriger man steht, je ärmer man ist, je weniger Bande uns mit dieser Welt verbinden, desto leichter ist es, ein wahrer Christ und o ener Bekenner des HErrn zu sein — je öher, desto chwerer. Fragen wir aber, was das Sen körn- lein des Glaubens in dem Herzen Josephs sobald zu soT hoher Kraft, zu so hoher Auszeichnung hat aus- wachsen lassen, so müssen wir antworten: nichts als das Kreuz Christi. Viel hatte sein Glaube aus den Reden, den Thaten, aus den Wundern Christi em- pfangen, aber der Tod, das Kreuz Christi vollendete denselben in kur er Zeit; dort am Kreuze aus Golgatha ward der KampF in seinem Jnneren gekämpft. Welt- liche Klugheit sagte ihm: du wirst dir selbst schaden, deiner ösfentlichen Wirksamkeit Abbruch thun; kannst ihm,. da er todt if, au nichts mehr nützen, wenn du dich offen zu Jeu be ennst. Aber er bespricht sich nicht lange mit Fleisch und Blut, sondern gestärkt durch alles, was er am Kreuze gesehen, gehört, ge- fühlt, gelernt hatte, achtet er nicht der S mach, die auf ihn fallen würde, wenn er durch die Grab- legung Christi in seinem eigenen Grabe offen erklärte, daß er Jesum, welchen Israel verworfen, als den Heiligen Gottes, Unschuldigen und Gerechten ehre, so daß dieser Glaube Joseph’s alle anderen Glaubens- äußerungen weit übertrifft; denn er glaubt an ihn im Lichte der göttlichen Verheißung, die Jünger des HErrn und Viele aus Jsrael glaubten an ihn wegen der Wahr eit seines Worts und der Heiligkeit seines Lebens. er Schächer am Kreuz glaubt an ihn als den König und HErrn des Gnadenreichs auch nozj in seinem Leiden, der Hauptmann unter dem Kreuz ehrte ihn als den Sohn Gottes bei seinem Sterben; Joseph von Arimathia ehrte ihn und glaubte an ihn, da alles aus zu sein schien, da alle seine Jünger entfloheii, zerstreut waren und ihren HErrn als einen Todten verlassen und verleugnet hatten, auch dadurch, daß er sich den heiligen Leichnam von Pilatus zur ehrlichen Bestattung in seinem eigenen Grabe erbat. Er ging in der That glaubensstark und muthig zu ihm hin- aus außer dem Lager und trug seine Sch1nach; Pi- latus aber, der Jesum für gerecht hielt, der mehr als einmal versucht hatte, ihn zu befreien, und nur durch die drohende Forderung der Priester, durch das Ge- tümmel des Volkes dazu gezwungen ward, daß er Jesum zur Kreuzigung überantwortete, wollte nun, vielleicht um an dem Hohenrath und den Priestern unter den Juden eine kleine Ra e auszuüben, zeigen, daß er noch Macht besitze, un befahl, daß des Joseph von Arimathia Bitte geschehe , damit der, welchen Pilatus für einen Gerechten er annt hatte, auch das ehrliche Begräbnißoeines Gerechten erlange, und so sollte dies vor ganz Jsraelein lautes Zeugnis; von der Unschuld Jesu Christi sein, indem Pilatus såikis zuiäkksåchxåiälå ZF2HTUTFYLEIB2EELT2FEZHLFLIII Ei; wiirdå (Kuutze.) Joseph thut den erstes: Schkitx um Jesu Begräbnisses willen, Nieodemus folgt nach« Jener gskgxxdrikzksssiulilxtas: Fig, dgaesrzsdssissgkk Welt gekreuzigt; Golgatha gab ihm den rechten Aus- schluß über· die Worte Christi in jener» denkwürdigen Nachtt ,,wie Moses eine Schlange erhohet hat, also muß des Menschen Sohn erhochet werden , der schuch- terne Pharisäer stellt alle Ru sichten der Klugheit auf die Seite, laßt das Licht seines Glaubens nicht unter dem Schesfel stehen, sondern hell brennen, und Gott koar inZseiner Zöchwaehheit mächeig Ckåristust wilrd in einer eit me r ver eugnet, a s gera e Je : ernet hier, was in entscheidenden Zeiten unsre heili e Pflicht ist, an treue »Bekenner uns anzuschließen hr seht, Nicodemus laßt den Joseph nicht allein stehen; beide Männer wußten zwar, daß sie den wüthenden Haufen ihrer Collegen durch ihre Glaubenst at reizten und das fVerfdahreFn des, Hoöijeikraths vorst erin Llhäolke vier- war en, ie re es e reuzigten an i nen a er höher als a es, kurz, Nicodemus mußte sich dem Joseph anschließen. Darin liegt für Viele in unsern Gemeinden eine ernste Lehre: sie gehen und stehen lieber allein, sie suhlen sich von mancäen Sonderbar- keiten schriftgläubiger Christen abgesto en; sie meinen, daß man der Welt gegenüber eine freiere Stellung behaupten und der Sache des HErrn dienen konne, ohne in die Reihen seiner Streiter einzutreten. Be- denket, es ist eine Verirrung, bei äußeren Bestrebun en sich von Andern abzuschließen, wenn es aber dem e- kenntnciZ kisilhdist es lSiindetz dwerHäon nern ri i i ei et ver eugne en rrn e t. Ihr Gläubigen mdit euiirn Privatansichten und Lieb- lingstheorien, sagt euch von den Bekennern der Kir- ri i e e n i e. XZUYFMELL Mk» III-i eäkkmåkn TLTIWTTELKLTTTLIS (Jaspis.) Zwischen dem Ort der Fegräbniß und dem Orte derlsnipsängniß Jesu» findet eine an enehme Aehnlichkeit statt; enn wie·in diesem, namli in deni Leibe der Jungfrau, noch nie ein Mensch gelegen, also sollte auch in dem Grabe, das den Erstgeborenen von den Todten in sich schloß, vorher noch kein Mensch gelegen haben. Es war aber auch dieser Umstand nicht von ohngefähr,»daß der Ort, an welchem Jesus aiif’s Aeußerste beschimpft worden, und der Ort, wel- cher der erste Schauplatz seiner Vergerrlichung sein sollte, so nahe an einander stoßen mu ten; es ist dszas eine Sache, die nochsehr oft in der Nachsolge Christi geschieht, daß namlich Ehre und Schande, Schande und Ehre gar naChe Nachbarn sind; darum nur getrost in die e? iäeach hristi hcihneingtegantxzee d— wer wei , wie vie ritte wir no en ern in von un rer Verklärungl (Rambach.) »Wie öde, wie ausgestorben mag den Freunden Jesu die Welt » ernach vorgekom- men sein, als sie vom Vegräbni heimkamen am Abend! Wer einmal heimgekommen ist vom Begräb- nifß kfeinesdLiebsten igss iZde Trauerhacilki, der hat eåwas er a ren avon« a er ier war ni nur ein aus verödet, sondern die ganze Menschheit verwaist, die ganze Welt ein Trauerhaus·· Jetzt mochte die Sonne immerhin untergehen, war in· die Sonne der Seelen uiitergegangem ietzt moehten dxe Sterne ausgehen, sie konnten keinen Trost bringen in die traurigen Herzen, III· 564 denn der Stern aus Jakob, der Stern des Heils war erloschen. Da sieh, o Seele, am Begräbnißabend dei- nes Heilandes, sieh, was die Welt wäre ohne Jesum: die Erde ohne Freuden und der Himmel ohne Stern, das Leben ohne Trost und das Sterben ohne Hoffnung, die Menschheit ohne Haupt ——— und du und ich, und wir alle, ohne Heiland und Erretterl (Gerok.) Das Its. Kapitel. Von Christi Auferstehung und ssjimmelfahrt IX. V. 1—8. (§. 124.) Von den Vorgängen am Grabe selber, non welkhen die Auferstehung des tJErrn begleitet war, berichtet unser Evangelium uns nichts, sondern läßt fogleirhsdie Frauen, welche Abends zuvor nach Beendi- gung des Sabbaths sich mit den zu nochmaliger Salbung der heiligen tteiche erforderlichen Salben und Specereien versorgt haben, in der Frsihe des Qstermorgetts hinaus— nitgeru nach dem Grabe. Eru auf dem Wege kommt ihnen der Gedanke, daß sie ja keine Helfer mit sich ge- nommen haben, um sich den Stein non des Grabes Thftr abwälzen nnd den Zugang zu demselben öffnen zu lassen; doch indem sie daran denken, sind sie der Gruft schon ziemlikh nahe genommen und bemerken dann, indem sie nach ihr hinüberbliuitn daß der Stein schon abgewätzt ist. Jlls sie jetzt am Ziele ankommen nnd in die Höhle eintreten, erfcheint ihnen ein Jüngling in weißen Klei- dern, ein Engel des Himmels als gute Botschaft brin- gend zur Diensten, und Verkündigt ihnen Christi Zitter- sichuug mit dem Aufträge, die Kunde davon den Inn— gern und besonders nun) dem Petrus zu hinterbtiugenz doch sie sind, als sie das Grab verlassen, noch zu tief erschüttert und betroffen, als daß sie jeht schon ihren Auftrag auszurichten— nermEkhten. (d1gl. status. W, 1——ti; Eule. 24, 1—11.) Evangelium am heil. Quer-Fest) Wie die Epiphanienzeit Christum in feinem pro- phetischen, die Fastenzett 1n seinem» ho epr1e- sterlrchen Amte darstellt, so offenbart ihn die Oster- zeit als den König die Epiphanienzeit ist eine Zeit der Lehre, die Fastenzeit eine Zeit der Buße, die] 40 Tage von Ostern bis Himmelsahrt sind eine Zeit seli er Freude über die königliche Herrlichkeit des Auferstandenen Noch wandelt zwar der HErr in die er Zeit auf Erden, aber mit verklärtem Leibe; er kehrt nicht alsbald in den Himmel zurück, weil er sich den Seinen als der Auferstandene offenbaren will; er erfcheint auch noch nicht in unverhüllter Majestät vor ihnen, weil ihre blöden irdischen Augen das nicht er- tragen hätten. Sein Wesen in dieser« Zeit ist lauter Gnade, Liebe und Herablassung, die verhüllten Strahlen seiner königlichen Herrlichkeit und Glorie erfüllen schon seine Kirche mit Freude und Jubel: wie wird es erst ein, wenn wir ihn in seinem vollen Glanze sehen, dazu er empor estiegen ist in der Himmelfahrt! (D1effenba .) us den ersten Blick scheint es zu be- klagen, da wir nicht die ursprüngliche Lektion der Osterviligie Matth. 28,1——10 auf den ersten Ostertag herübergenommen haben, sondern die Perikope selber haben bestehen lassen, die für diesen Tag mit dem vorliegenden Abschnitt bestimmt war. Jener Oster- bericht des Matt äus hat bedeutende Vorzüge vor der Erzählung des arkus; Matthäus berichtet ausführ- licher, voller, dramatifcher. Das Erdbeben ist das große Präludium dieses Tags, welcher die Welt aus Evangelium Marci 16, 1——4. den Angeln und den HErrn auf den Stuhl der Ma- jestät hebt; die Feinde Jesu Christi, die Hüter des heil. Grabes, welche triumphirend dastanden, liegen, von Gottes Hand niedergeschmetterh wie todt auf dem Boden; die Weiber erscheiuen, Sorge und Liebe in ihrem Herzen; die Traurigen tröstet, die Ungläubigen richtet zur Hoffnung des Lebens der Osterengel auf (der HErr selbst tritt seinen davoneilenden Freundinnen mit seinem herrlichen Ostergruß »Seid gegrüßet« ent- gegen. Dieser Gruß bildet das Finale, welches seit- dem bis an das Ende der Welt durch die Luft zittert). Wie arm ist dagegen unser Perikopex nichts von Erd- beben, nichts von den» Wächtern (nichts"von den Er- scheinungen dessen, der da todt war und nun lebet als der Lebendige von Ewigkeit zu Ewigkeiyl Doch unsere Perikope, das sollen und wollen wir nicht vergessen, ist nur ein Glied einer Kette, ein Stück eines Organismus; fassen wir sie unter diesem Ge- sichtspunkte auf, so werden wir es der Kirche nur Dank wissen, daß sie den ersten Ostertag nicht mit jener Matthäusperikope, sondern mit dieser Markus- lektion ausgestattet hat. Jener Matthäusbericht ist für eine Predigt zu reich, zu überschwänglichz sie er- schöpft alles und würde die Perikope des 2. Oftertages sehr schädigen. Was Matthäus in seinem Berichte zusammendrängt, das legt sich —- ich smeine natürlich nicht den Buchstabem sondern den Geist — in diesen beiden Festperikopen jetzt auseinander. (Nebe.) Mit unserer Geschichte stehen wir freilich erst in der Früh- stunde des großen Ostertages, das große Ereigniß ist schon geschehen, davon hören wir klare Kunde; aber das Osterlicht hat noch nicht Zeit gehabt, seine ganze Fülle und Helle zu entfalten. So können wir denn aus dieser Erzählung noch nicht die ganze Oster- weisheit schöpfen; gleichwohl ziehen doch schon Licht- streifen sich durch diese Geschichte hindurch, welche uns die Kraft der Auferstehung Jesu andeuten, Licht- streifen, welche die weiterforschende Seele zu der Helle der vollen Erkenntnis; hinweisen. (Müller.) Auf dreierlei weist uns unser Osterevan elium: l) auf einen abgewälzten Stein vor dem rabe, Z) auf einen himmlischen Engel in dem Grabe und Z) auf eine selige Zukunft jenseit des Grabes. (Fr. Arndt.) 1. Und da der Sabbath lsvährend dessen sie sich stille verhalten hatten nach dem Gesetz, mit Abends 6 Uhr] vergangen war, kauften [die drei Weiber, deren in Kap. 15, 40 f. gedacht wurde- nämlich] Maria Magdalena und Maria [die Mutter] Jakobi ldes jüngeren und feines nicht ebenfalls zu dem Kreise der Jünger gehöri- gen Bruders JoseSJ und Salvme [die Mutter Jakobi des älteren und des Johannes] Specerei sallerlei gewürzhafte Kräuter, wie sie, mit Salben vermischt, zum Einbalsamiren der Leichen verwen- det zu werden pflegten] auf daß sie lbald it! der ersten Frühe des folgenden Tages hinaus zum Grabe] kämen Und falbeten ihn [da seine Leiche am Freitag Nachmittag in großer Eile hatte be- stattet werden müssen und nur wenig zu ihrer Eiubalsamirung hatte gefchehen können Joh. 19, 39]. Das eigentliche Einbalsamiren der Leichen, wie wir es zu 1. Mof. 50, 2 beschrieben haben, war eine egyptische Sitte und kommt außer bei Joseph und Jakob in der heil. Schrift sonst nicht vor; wohl aber wurden bei den Juden die Leichen in der Art zuge- Die Frauen gehen am Sonntag zu nochmaliger Salbung Jesu nach dessen Grabe. richtet, wie zu T. Sam. 3, 31 angegeben ist. Eigent- lich nun war das mit Jesu Leichnam der Hauptsache nach schon geschehen, aber doch in solcher Eile, daß es jenen Frauen nur als bloßes No-th-, noch nicht als eigentliches Liebeswerk erschien; und so· wollten sie eine nochmalige Salbung vornehmen, zumal sie von dem Anblick dessen, an dem ihre ganze Seele hing, sich noch nicht für immer trennen mochten, sondern ihn noch einmal unter Augen haben und ihre Hin- gebung ihm beweisen wollten. Hätten also Joseph und Nieodemus auch alles in der schönsten Weise ordentlich besorgt, sie wären doch noch mit ihren Salben gekommen. ,,Giebt sich denn eine wahre Liebe damit zufrieden, daß ein Andereran dem Geliebten gethan hat, was dieser als ein Opfer der Liebe mit Recht von ihr fordern kann? will nicht jeder, der da liebt, dem Geliebten seine Liebe beweisen?« Wenn in Luk. 23, 56 das Speeerei- und Salben-Bereiten der Weiber unmittelbar mit ihrer Rückkehr vom verbunden wird, so ist es doch nicht etwa dahin zu verstehen, als hätten sie es noch am Eharfreitag selber vorgenommen; vielmehr wird durch den Satz »den Sabbath Über waren sie stille nach dem Gefetz« ein Zeitunterschied gesetzt, so das; jenes Bereiten erst dann geschah, als, wie wir hier bei Markus lesen, der Sabbath vergangen war. Drei Frauen nun sind es, die das Liebeswerk sich vorgenommen und darauf noch am Sonnabend von 6 Uhr Abends an sich vorbereitet haben; sie gehen dann auch am Sonntag in der ersten Morgenfrühe hinaus zum Grabe, doch nicht alle mit einander zu gleicher Zeit, sondern Maria Magdalena eilt den übrigen voran und kommt zuerst an Ort und Stelle an, läuft jedoch, da sie schon aus der Ferne bemerkt, daß der Grabstein hinweggewälzt ist, ohne Weiteres nach der Stadt zuriick, um den Petrus und Johannes herbeizurufen(Matth. 28, 8 Anm.). Gewiß nicht ohne Bedeutung steht in Jol). 20, 2 ein zwei- maliges ,,zu«: ,,da läuft sie und kommt zu Simon Petro und zu dem andern Jünger, welchen Jesus lieb hatte«; beide befanden sich also in verschiedenen Wohnungen, Johannes da, wohin er die Mutter des HErrn zu sich genommen hatte (Joh. 19, 27), Petrus dagegen höchst wahrscheinlich in dem Hause der Maria, der Mutter des Markus, wohin er seit dem Verlassen des hohenpriesterlichen Palastes in Kap. 14, 72 sich gesluchtet hatte. Die Gemeinschaft mit Johannes hat er nach sein er Verleugnung Christi wohl eher gemieden, als aufge- sucht; gerade derjenige Jünger, der ihm Einlaß in des Hohenpriefters Palast verschasfte (Joh. 18, 15 f.) nnd der dann treuer Stand gehalten hatte als er,- erinnerte ihn am schmerzlichsten an seine Untreue und drückte schon mit seinem bloßen Anblick den Stachel der Selbstverurtheilung immer tiefer in seine Brust, es war ihm noch eher ein Ort zum Aushalten da, wo der Jüngling bei seiner Mutter weilte, der in einer gewissen Wahlverwandtschaft mit ihm stand —— feurig nnd rasch entschlofsen, aber auch wandelbar und leicht gefället (Kap. 14, 51 f.). Wir werden in den Schlusz- emerkungen u unserm Evangelisten darauf zurück« kommen, wie as enge Verhältnis; zwischen diesem und dem Petrus sich wohl schon in der Zeit vom Leiden bis zur Auferstehung Christi gebildet hat. Wenn nun nach dem oben Bemerkten es eigentlich nur die beiden sind, die mit einander zum Grabe gehen, Maria Jakobi und Salonie, so kommt doch noch eine dritte Frau in Johanna hinzu, die von Lukas (·24, 10) namhaft gemacht wird; St. Markus unterläßt es nur, die Erfahrung, die Maria Magdalena für sich insonder- Peit gemacht hat, nach ihren näheren Umständen aus- ührlich mitzutheilew es genügt ihm, dieselbe V. 9—-11 565 im Allgemeinen anzudeuten, und betritt er da ganz den Weg, den s on Matthäus (28, 9 u. 10) einge- schlagen, ja, au noch Lukas (24, 1——12) hält diese Weise einer« generalisirenden Darstellung ein, wenn- gleich bei ihm das Speeielle theilweis schon anfängt hindurchzuleuchtem Die Erzählungen der Evangelisten von dem, was unmittelbar auf die Auferstehung ge- folgt ist, lauten verschieden, aber diese Verschiedenheiten sind keine Widersprüchqswelche die Erzählungen elbst, wie Eini e gewähnt haben, zweifelhaft machen könnten; wir müs en uns hier an der Betrachtung der Haupt- züge genügen lassen und haben in den ersten Stunden nach der Auferstehung des Gekreuzigten im Kreise der Seinen eine ganz ungewöhnliche Aufregung im Aeußeren und Jnneren uns zu denken, welche eine Raschheit der Uebergänge in räumlicher und geisti er Hinsicht bedingt, die beim ruhigen Verlauf menschlirser Dinge allerdings undenkbar ist. (Baumgarten.) Die Verknüpfung der verschiedenen Verichte kann nun aber auch nicht anders gelingen, als wenn wir die Einzel- züge derselben mit einer gewissen Freiheit behandeln. (Riggenbach.) 2. Und sie sdie drei Frauen, bei denen wir aber von Maria Magdalena absehen und an ihre Stelle die Johanna setzen, das Eheweib des Ehusa in Galiläa Lin. 8, 3] kamen zum Grabe sin die Nähe desselben, als sie jetzt zum Thore der Stadt heraustraten] an einem Sabbather [richtiger: am ersten Tage nach dem Sabbath oder: am ersten Tage der Woche, d. i. am Sonn- tag Joh 2(), 11 sehr frühe, da die Sonne ausging lzwischen 5 und 6 Uhr]. 3. Und sie seist jetzt auf das Hindernis; zur Ausführung ihres Vorhabens sich besinnend, das sie mit ihren schwachen Frauenkräften gar nicht zu bewältigen im Stande waren] sprachen Unter einander: Wer »walzet uns den Stein von des Grabes Thus? lund ahneteu dabei noch nicht einmal, daß selbst Männerhände ihnen nichts hätten helfen können, da der Stein versiegelt und das Grab von Hütern umstellt worden war Matth. 27, 66]. 4. Und sie [bei den Gedanken an den Stein fast unwillkürlich auch ihre Augen nach demselben richtend] sahen dahin swo das Grab noch in einiger Entfernung gelegen war] nnd wurden lzu ihrer großen Verwunderung] gewahr, daß der Stein [schon] abgetvalzet war sdasz sie aber in dieser Wahrnehmung sich nicht täuschtem war ihnen gewißlz denn er [der Stein] war sehr groß [man konnte also schon aus der Ferne genau unterscheiden, wie es sich mit ihm verhielt, ob er vor oder neben dem Grabe lag]. Als die Frauen, dem Drange ihres Herzens fol- gend, zu der traurigen Pflicht, ihrem Meister die letzte Ehre zu erweisen, sich aufmachten, s lief »noch Jerusalem; sie gehen durch die Straßen der chwe1gen- den Stadt, über der noch Finsterniß ruht, und wan- deln der Grabhöhle zu — da geht die Sonne auf. Die Weissagung vom dritten Tage und von dem, was an im geschehen sollte, haben sie dagegen, ihr Glau e daran ist unter egangen in großer ranrig- keit; die Sonne geht an, aber sie ahnen noch nicht, 566 Evangelium Marci 16, 5—7. daß es nun hell werden soll auch in ihrem Inneren. (Easpari.) Als ächte Frauen dachten sie an weiter nichts, als ihrem HErrn und seinem Leichnam ein Kleines zu erweisen, nach der wehmiithig-süßen Be- schäftigung mit seinen Ueberresten verlangte sie; was sie in Sorge und Kümmerniß versetzte, war nur der Grabstein ——- das wußten sie nicht, daß außer der Schwere des Steins noch etwas den Eingang ver- sch oß, niir etwas Leichtes zwar, aber dennoch etwas, was hindernder im Wege Band als der Stein selber, nämlich das Siegel des andpflegers. Ueber dem herzlichen Begehren, noch einmal ins erblaßte Ange- sicht zu schauen, die heiligen Glieder mit armen Stell- vertretern ihrer Liebe und Ehrerbietung, mit Salben und Specereien zu umhüllen, hatten sie anfangs die Schwierigkeit ihres Unternehmens nicht bedacht, und da sie ihnen auf dem Wege soweit ins Gedächtniß zurückkam, als sie ihnen bekannt war, und sie deshalb getrost hätten wieder umkehren können und dürfen, war dennoch ihr Zug zum Grabe so groß und so ungern gaben sie ihr Vornehmen auf, daß sie zugingen und bis zum Grabe kamen. (Löhe.) Oft verbirgt uns Gott im Anfang die Schwierigkeiten unseres Berufs, unseres Christenthnms, manches guten Werks ihm zu Liebe; treten sie uns aber ins Bewußtsein, dann sollen wir uns nicht abschrecken lassen, sondern im Vertrauen auf ihn unsern Weg fortsetzen. (G. Lang.) Jn bangen Sorgen sind die wanderndeii Frauen bis Sinn Garten Josephs gekommen, sie schlagen ihre ugen auf, um zu ehen und zu überlegen, was mit dem Steine anzufangen sei; und siehe, sie haben sich umsonst gesorgt, der HErr hat das unausgesprochene Seufzen ihrer Herzen gnädig erhört, e e es vor ihm laut wurde. Das ist ja die freuudliche Pzuvorkommenheit des Herrn aller Herren, daß er durch seine Fürsorge alle unsere Sorgen zu nichte machtx getrost dürfen wir alle Sorge auf den HErrn werfen, denn er sorgt nicht blos für uns, er hat, wenn wir recht scharf reden wollen, schon ehe wir for ten, alles wohl be- sorgt. Unser Sorgen kommt a ezeit zu spät; seine väterliche Fürsorge hat alles schon vorausgesehen und versehen· (Nebe.) »Wer wälzet uns den Stein von des Grabes Thür?« Dieses Wort der drei beküm- merten Jüngerinuen, gesprochen in der nächtlichen Stille, in der Einsamkeit und Oede des Grabes, in der Dämmrung vor dem Anbruch des Ostermorgens, ist·zu einem Symbol aller Her ensseufzer der Mensch- heit nach der Offenbarung der userftehuug geworden. (P. Lange. Wer wälzet uns den Stein 1) aus unserem ege? Z) von unserem Herzen? Z) von un erem Grabe? 1. Der Weg, der durch’s Erden- leben führt, ist rauh und voller Leidenssteine, wir müssen durch viel Trübsal ins Reich Gottes gehen und jeder Tag hat seine eigene Plage; aber zuweilen legen sich Steine in»unsern Weg, mächtig und groß, daß wir kaum daruber hinwegkommen können, Hindernisse, Versuchungem Triibsale Der aber, welcher alle diese Steine aus dem Wege räumt, uns Muth giebt, die Hindernisse, Kraft, die Versuchungen, Ergebung die Trubsale zu überwinden, ist Christus der HErr. Wahlen wir ihn zum Lebensbegleiter, so kann kein Stein, kein Fels uns aufhalten im Christenlauß uns hindern» das Ziel zu»erreichen. (Florey.) Kein Kreuz und Trubsal ist so tief, mein Heiland thut darin ein’ Griff, fuhrt niich hinaus mit seiner Hand: wer mich will halten, wird zu Schand. (Frühm.orgens, da die Sonn ausgeht— V. 13). —— II. Die Angst um die Seligkeit, der· Zweifel an der Sündenvergebun , die Fizrchh noch in der Schuld vor Gott zu stehen, ist die großte Last, die das Herz bedrücken kann. Die Welt mag freilich mancherlei Sorgensteine, auch andere wirklich schwere, auf ihrem Herzen tragen, ja unter den Sorgen der Nahrung, des Reichthums, des Wohl- lebens mag ihr jener Stein leicht dünken, so leicht, daß sie mit ihm spielend und spottend über die Erde hintanzt und Schuld auf Schuld, Sünde auf Sünde auf den Tag des Zorns sich häuft; aber das geht doch nur so lange, als das Gaukelspiel der trügenden Lust die Sinne verwirrt. Wenn der Taumel dem nüchter- nen Blick gewichen, wenn vor der Seele die nackte Wirklichkeit aufgeblitzt ist, die Wirklichkeit der unglück- lichen Welt und des menschlichen Wesens, der Feuer- schein der Ewigkeit und die Kürze des Zeitlebens, der Fluch der Sünde und die göttliche Gerichtsordnung, des Gewissens Anklage und Gottes Ungnade: ach, dann legt sich ein Druck auf das Herz, dem gewiß kein anderer an grauenhafter Schwere gleicht, und es geht ein Seufzen und Stöhnen durch die Nacht der armen Seele hin, das Engeln und Menschen durchs Mark gehet. Und dieser Druck müßte auf uns allen noch liegen und liegen bleiben, wenn der Stein auf Jesu Grab geblieben wäre und der Heilige Gottes hätte die Verwesung sehen müssen; ja, er würde eben da am meisten empfunden, wo man die heißeste Sehn- sucht nach der Erlösung hätte. Wir möchten auch noch so brünstig am Kreuze C risti hinaufblicken, es griffe keine Hand herunter, die ast abzunehmen; wir möch- ten noch so gläubig auf das Blut Jesu uns stützen wollen, es wäre keine Vürgschaft da, daß es etwas gilt vor dem heil. Gott. Wäre Christus nicht aufer- standen, so wäre unsere Predigt vergeblich, unser Glaube eitel, so wären wir noch in unsern Sünden; aber wie ist das nun so anders, seit der Stein weg- gewälzt ist vom Grab und Christus auferstanden von den Todten! Nun fällt ja ein leuchtender Strahl nicht nur auf die ganze Menschwerdung Gottes überhaupt, auf Christi Leben, Wandeln, Wirken, Lehren, sondern ganz besonders auf seine Charfreitagsarbeit, auf seinen Leidens- und Sterbenskampf, auf das vergofsene Blut des HErrn Durch die Auferweckung Christi von den Todten bezeuget Gott, daß dessen Blut vor ihm gilt und ewiglich gilt als ein Opfer für die Sünde, daß es besser redet denn Abels Blut, daß es rein macht von aller Sünde und uns reiniget bis in’s Gewissen hinein (Hebr. 12, 24; 9, 14). Jst Christus um unserer Sünden willen dahingegeben, so ist er um unserer Rechtfertigung willen wieder auferwecket; der Schlange ist der-Kopf zertreten, der Stachel des Todes ist stumpf, der Fürst dieser Welt gerichtet. Wir können also Vergebung haben, der alte schwere Bann ist ge- löst, der schwerste Sorgenstein ist von unseren Herzen abgewälzt (Müller.) —- lll. Die Frage der Frauen, welche durch die Morgendämmerung hindurchtönt, findet ihren Wiederhall in der ganzen Welt; die Gottes- creatur, welche dem Dienste der Eitelkeit anheimge- fallen ist durch die Sünde, zagt und schaudert vor i dem Tode, dem Könige der Schrecken, und sehnt sich und seufzt nach einem Schimmer des ewigen Lichts, nach einem Schatten der Unsterblichkeit; der Ruf des Apostels (Röm. 7, 24): ,,Jch elender Mensch, wer wird mich erlösen von dem Leibe dieses Todes P« ist der Schmerzensschrei und Angstruf, welcher aus der ganzen Menschheit hervortönt. Sie hat durch sich selbst den Stein von des Grabes Thür hinwegwälzen wollen; die Mysterien haben es versucht im geheim- nißvollen Dunkel, die Philosop en aben an dem hellen Tage den stolzen Bau se ter eweise für die Unsterblichkeit der menschlichen Seele aufrichteu wollen ——- was haben diese Bemühungen gefruchtet? Der Stein ist nicht hinweggewälzt worden, er ist unbeweg- Dei« Engel Verkündigt den Frauen, daß Jesus auferstanden. 567 lich liegen geblieben; die Kinder dieser Welt sind end- lich voii den vergeblichen Versuchen abgestande1i und halten es lieber mit dem lebenslustigen weltseligen Dichter (H01-at-. Oel. I., 9, 13 ff.). Kein Symbol kann den Stein von des Grabes Thür bewegen, kein Schluß ihn bannen: wenn Gottes Hand nicht dareingreift, so bleibt er liegen in Ewigkeit. (Nebe.) »Nun aber ist Christus auferstanden von den Todten und der Erftling worden unter denen, die da fchlafen«, fchreibt der heilige Apostel (1. Cor. 15, 20); das Bild ist hergenommen von einer Ernte, von der die ersten abgemähten Garben dem HErrn dargebracht wurden. Siehe, lieber Christ, so fchläft eine große, große Aus- saat edler Samenkörner im Schooße der Erde, die Leiber aller der Millionen Menschen, die von Adam an ihre Augen im Tode schlossen und im Grabe ruhen; dazu gehören auch deine Ur-Väter und Mütter, viel- leicht schon deine Kinder, dein Weib oder dein E egatte, dein Bruder oder Schwester oder Freund. un ist Er, der menfchgewordene Gottesfohn, der sich auch schlafen gelegt hatte in das Felsengrab, er ist am ersten Oftermorgen aufgewacht und sein Leben hat die Felsengruft gesprengt, und die Hüter sind geflohen, und er ist als die erste Garbe der neuen Lebens-Ernte eingebracht worden in die hinimlischen Scheuern. — Er, der Erftling aller derer, denen der Tod nur ein Schlaf war. Und nun ist auch aller Andern Tod nur ein Schlummer geworden, und ihm nach erwachen die Andern, auch deine Väter und Mütter, und dann du selber, wenn die Stunde kommt. (Müllensiefen.) O heilige, frohe Lehre, die von der Auferstehung der Todten! Was ist diese Erde? ein großes Gräberfeld, wo Leiche an Leiche ruht, wo von Abel und Adam an Tausende und wieder Tausende, und auch die Frömmsten und Heiligstem hinabgefunken sind. Es ist überaus wehmüthig, diese große Hinfälligkeit des Menschengefchlechts wahrzunehmen; aber es kommt ein Morgenroth, das die längsten Schläfer weckt, es kommt ein Frühling, wo die nahende Sonne der Gerechtigkeit bis in die tiefsten Gräber dringtund Leben verbreitet, es kommt ein Jubel der Auferstehung und des ewigen Lebens. O was wird das fein! Lieb- licher jüngster Tag, wie heiß ich dich willkommen! Großer Tag, wie will ich dich segnen, wo mein armer, elender, vergänglicher Leib unvergänglich und errlich, von allen Sünden geläutert, von allen chmerzen erlöst, aus feinem Grabe gehen foll, wo ich niich dann mit Leib und Seele freuen foll im An- schaun des lebendigen Gottes, wo ich mit allen Kin- dern Gottes genießen soll die Seligkeit der Vollendung. (Redenbacher.) 5. Und sie gingen sals sic nun bei der Felsengruft angekommen waren] hinein in das lniclst wage» sondern senkrecht angelegte] Grab und sahen einen Jüngling sdemi als solchen stellte sich der Engel des HErrn, mit dem sie es hier zu thun hatten Matth. 28, 2 n. 5, dar] nr rechten Hand [Matth. 28. s] sitzen, der hatte ein lang weiß Kleid an sworaus sie denn auch liald merkten, daß sie einen Boten aus der, himmlischen Welt vor sich hätten]; uud sie entsetzten sich [wie ja immer den sündigen Men- schen hinieden zunächst Schrecken und Entsetzen befällt, wenn auf einmal ein Himmelsbewohner ihm unmittelbar gegenübersteht Luk. 1, 12 Anm.]. 6. Er aber sprach zu ihnen: Gntfetzet euch nicht ssondern tretet getrost näher Luk.1, 13. 30; Z, 10; Mattlx 28, 6]: ihr suchet Jesum von Nazareth« den Gekreuzigteii [gleich als müsse er noch unter den Todten weilen Luk. 24, 5]; er ist auferstanden und ist nicht smehrj hie kda nun heut schou der dritte Tag ist seit feinem Tode Kap. 10, 34]. Siehe da die Stätte, da sie ihn [bei feiner Vestattung 15, 461 hiulegten [nur die Leinen und das Schiveißtuch sind noch da Joh 20, 6 f., von ihm selber sedoch nehmet ihr nichts mehr wahr]. 7. Gehet aber snachdem ihr so gewürdigt worden seid, die erste Kunde von seiner Aufer- stehung zu empfangen] und sagt? seinen Jün- gern und [unter ihnen namentlich auch] Petri) [damit dieser nicht meine, er solle nicht mehr zu dem heiligen Kreise gehören], daß er [um seineHeerde, nachdem sie zerstreut worden, wieder zu sammeln] vor cuch hingehen wird in Galiläamz da werdet ihr ihn [in Gemeinschaft mit denen, die seine Erweisungem daß er lebt, zuvor noch hier in Jerusalem erfahren werden, alle auf einmal] sehen, wie er euch [in dem Worte, das er bei seinem Leidensgange Kap. M, 27 f. zu den Elfen geredet] gesagt hat. Als die Engel Christi Geburt ankündigten, predig- ten sie in den Lüften, aber als der HErr auferstanden war, wird ihnen Jofephs neues Grab, darin allein der HErr gelegen war, ziir Kirche; die Aufedge ung hat sie also der Erde näher·ge«bracht, als die e urt- und das leere Grab Christi ist ihnen ein ·Ort »von völligerer Bedeutung als der Stall und die Krippe von Betdlehem Was die Felsenhöhle von Bethlehem nur weis agte, das hat die Grabeshöhle in Erfullung gebrachtz dort ist begonnen, was hier vollendet ist; dort ist die Verbindung Himmels und der Erde ein- geleitet, hier ist sie völlig zu Stande·gel·1racht. Dort ist» geboren, der da siegen sollte; hier ist der ewige Sieger vom Tode erstanden und in feiner Auxerstehung ist fein Sieg vollkommen-» Um der Au erstehung willen kommen denn auch die Engel hierher, nicht um des Begräbnisses willen; denn das Begrabniß ist keine Ehre der Menschheit, wohl aber die Auferstehung· Die Gräber überhaupt sind heilig, nicht weil in ignen Staub der Verwesung liegt, sondern weil aus i nen die Leiber der Ewigkeit kommen sollen; nicht so fecdr das Andenken der Vollendeten ist es, was sie schmu» t, sondern die Aussicht und große Hoffnung der Ewi - keit macht sie so fchön und so wurdig, »daß Engel n ihnen verweilen mögen. (Löhe.) Mit klopfenden Herzen gelzen die Weiber jin das Grabgewolbe zur Seite des elsens hinein, xedoch im Grabe sich» uni- sehen, den lieben Todten suchen und falben, wie ske gewollt, das können sie dies Mal nicht« dies sind die Tage, wo das Unerwartete Schlag auf Schlag kommt, als wollte Gott seine größten Werke,·welche die Welt nicht faßt, in dem engen Raumeweniger Tage unter- bringen. Sie sehen einen Jüngling zur rechten Hand sitzen, der hatte ein langes weißes Kleid an, und sie entsetzten sich; der Jüngling· ist» ein Engel des HErrn und sein langes weißes Kleid ist das Gewand seiner himmlischen Heiligkeit, welche das Grab »Mit hellen: Scheine füllte, heller als die Osterfonne, die eben xetzt vom Oelberge her ausging. Betroffen stehen die 568 Evangelium Marci 16, 8. 9. schüchternen Weiber da, starr und sprachlos sehen sie den Engel an; er aber bricht das Schweigen und spricht zu ihnen: ,,Entsetzet euch nicht u. s. w.« Gel., führt einen Menschen, welcher dem Hun ertode nahe ist, in einen Palast und zeiget ihm alle gerrlichkeitem aber zeiget ihm auch den reichbesetzten Tisch, wovon er essen und satt werden soll: wird er nicht alle Herr- lichkeiten übersehen und nur nach der Speise verlan- zenii Wenn hier im Grabgewölbe statt des einen ngels tausend gewesen wären und alle im Lichte des Himmels mit den Wundern Gottes, es wäre doch nichts gewesen gegen die paar Worte: ,,er ist auf- erstanden«; sie machen, daß man alles Andere nur im Vorüberfliegen sieht und hört, dies aber hört man, als wenn "man selbst aus dem Tode zum Leben gebracht, ja als wenn die ganze Welt aus demselben Grabe Christi hervorgegangen wäre. Das Wort, so kurz, so estimmt, so gewiß bezeugt, ist wie der Blitz, der da fährt vom Aufgang bis zum Niedergang und leuchtet über alles, was unter dem Himmel ist; man könnte es hören wie ein leises Flüstern und es wäre doch, als wenn aller Himmel Himmel ein lautes Freuden- und Siegesgeschrei zum Lobe des großen Gottes anstimmen» Die armen betrübten Weiber also, wie werden sie sich vor Freuden nicht zu lassen gewußt haben, als sie das hörten! Jst es nicht, als wenn sie sich in ihrem Wege versehen hätten und an die Pforten des Himmels statt an die Pforten des Grabes gekommen wären? Noch fehlte ihnen freilich Eins, ohne welches sie und alle Christen nicht ganz froh werden oder bleiben können, wenn sie auch noch einen freudereicheren Prediger haben als diesen Engel; sie mußten Christum selber haben, denn ohne ihn schmeckt keine Freude recht, aber mit ihm ist auch das klare Wasser süßer Wein. Jndeß, daran sollte es auch nicht fehlen: ,,Gehet hin, sagt der Engel, hier im Grabe suchet man Christum nicht mehr; in Galiläa wird er vor euch hingeben, da werdet ihr ihm noch einmal in alter Weise nachfolgen und ihn sehen, wie er euch gesagt hat« Nichts von allem soll euch fehlen, und euer Verlust soll eu reichlich ersetzt wer- den: sind die Weiber nun zufrie en, können sie mehr wünschen, als sie erlangen, und sind ihre Wünsche je soweit gegangen? (Münkel.) 8. Und sie [wenn auch auf der einen Seite durch die empfangene Kunde mit großer Freude erfüllt Maith. 28, 8 nnd vor Begierde ent- brannt, die Kunde weiter zu tragen, wie ihnen befohlen war] gingen [doch, mehr als aus diesem, aus einem andern Grunde] schnell heraus saus der Felsenhöhle] und flohen [wie von einer Schrekkensstättej von dem Grabe, denn es war fie Zittern und Entsetzen ankommen; und sagten [als»sie in der Stadt ankamen, fürs Erste] niemand nichts sdaß sie alsbald wären hinge- gangen zu den Eisen und hätten ihren Austrag ausgeriehteh vielmehr bliehen sie noch eine Weile still für «sich], denn sie furchteten sich sbis dann durch die Botschaft der Maria Magdalena die Freude die Uebermacht über die Furcht erhielt Joh. ·20,»18; Luk. 24, 9 u. 22]. Wir wissen schon, wie es mit diesem Zittern und Entsetzen sich verhält: nicht dem Grausen einer Zer- görungsmacht galt es, sondern der Macht einer neuen ebenswelt, welche sie erfaßte. (Müller.) Es wird nach dem Tode und Grabe auch so sein: unser Erst- gefühl — Bangigkeit beim Anblick der neuen Welt, die sich aufthut; aber die Bangigkeit wird bald der größten Freude weichen und zuletzt in lauter Loben und Dankes» Preisen nnd Anbeten übergehen. (Fr. Arndt.) —- Durch des Wort der Engel wurden die Jüngerinnen daran erinnert, daß Jesus selbst seine Auferstehung voraus Verkündigt hatte (Luk. 24, 1—10); sie gedachten nun an seine Worte, und im Glauben an seine Auferstehung singen-sie wieder vom Grabe und verkündiqten herna J alles den Elfen und den Andern allen. So schieden sie reich getröstet, hoch erfreut und voll der innigsten Hoffnung von der Gruft ihres lieben HErrn und Meisters nnd von den Boten, wel e ihnen die reiche Osterkunde gebracht hatten; die eligen Boten aber kehrten zurück in ihre himm- lischen Wohnungen mit unaussprechlicher Freude, denn sie hatten die Kummerthränen dieser Heiligen in Freu- denthränen verwandelt. Wollen wir auch so getrost und hosfnungsfroh von den Gräbern unserer Lieben umkehren lernen, m. Br., wiinschen wir auch so am dunkeln Ufer der tiefen Todesfluth, dicht am Rande des schauerlichen Schattenthals, die heitern Blumen der Freude und der Hoffnung zu brecheniD Lasset uns in der Kraft Christi der Sünde sterben, lasset uns im Han en und Halten an ihm, im Trauen und Bauen auf eine Gnade die Eitel eit unseres Sinnes tief be- graben, lasset uns durch Gebet und Arbeit im Geiste ringen mit unserm fleifchlichen Schauer vor dem Tode und der Verwesung und das Wort fassen, daß unser Leben in der Hand des Auferstandenen ruht; dann liegen die Gräber der Kinder Gottes vor uns aus- gebreitet als Kammern des Friedens, in deren Nähe wir uns stärken können für den Glaubenskampf im irdischen Leben, wir sehen unser Morgenroth in dem tiefen Abendroth dieser Welt, das über den Grüften hängt, und wir kehren von den Oertern der Ver- wesung wie von heimlichen Gesundbrunnen, welche nur der Glaube entdecken kann, in unser Berufslebeu für die Ewigkeit zurück. Wenn die Kinder des Un- glaubens nur mit dem trostlosen Gefühl, daß alles eitel ist, von den Gräbern umkehren, so sind wir dort erinnert worden an die Worte des« HErrn von unsrer Zukunft und von dem zukünftigen, neuen Leben in der Herrlichkeit, und wir haben helle Liebesaugen ge- wonnen für die weißen Blüthenbäume seiner Ver- heißungen im Wundergarten der heil. Schrift· Es wird immer mehr unser Trost, daß er die Auferstehung und das Leben ist, und wir fühlen die Sicherheit, welche er mit diesen Worten unserm Leben gegeben hat; wir gewinnen feste Hosfnungszeichen und Ge- sichtspunkte in der jenseitigen Welt; unsre schwachen Wanderzelte stehen hinieden wankend, knarrend und krachend im Sturme, aber viele Wohnungen sind für uns in des Vaters Haufe, in welchem uns die Stätte bereitet ist; wir gehen dahin und weinen und säen edlen Samen, aber jenseit wird Gott alle Thränen abwischen von unsern Augen und uns einführen in die Freudenerntez wir laufen noch in der Bahn des heil. Kampfes wider das Verderben und ringen nach dem Ziele der Vollkommenheit, aber in der Höhe winkt uns der HErr mit einer Ehrenkrone, womit er uns krönen will in Gnaden; hier in der Fremde pil- gern wir, aber wir eilen nach der ewi en Gottesftadt drüben, nach der königlichen Ruhe un Sicherhfeit in ihren Mauern. Mit solchen Aussichten der Ho nung kehren wir von den Grüften heim, wenn unser Leben ein Heimåang ist zum Vater durch Jesum Christum· Und die eligen droben, die uns oft nahe gewesen sind in unserm Seufzen und Weinen, freuen sich jeder Stärkung, jedes Dienstes, den sie uns im Auftrage Der Auferstandene erscheint der Maria Magdalena 569 des HErrn erweisen konnten zur Förderung unserer Seligkeit, und warten auf unser Kommen. Welch eine Schaar von gekrönten Helden nimmt an unserm Kampfe, welch eine Schaar von weißgekleideten Er- lösten nimmt an unserm Gang durch viele Trübsale segnenden Antheill Wie die Sterne des Himmels ohne Zahl auf uns herabscheinen, so ist der Unsichtbare Himmel unseres HErrn voll leuchtender Augen, die uns mit dem Gruß der Liebe zusehen und entgegen- sehen auf unserm Pil erwege. Haben wir hier wenig Genossen in der Bu e und Selbstverleugnung, wir stehen ja in der Gemeinschaft der Heiligen; eine Schaar, die niemand zählen kann, muntert uns auf, getreu zu beharren bis an’s Ende. Aber der HErr selbst ist unser Fürsprecher, unsere Gerechtigkeit und unsere Auferstehung. Unter feinen Augen gelagert, mit seinem Frieden ge egnet feiern wir Ostern. So lasset uns denn fortan stern feiern soviel wir können im Glauben, aufstehen vom Schlaf der Sünde, auf- stehen vom Straucheln des Kle1nglaubens, aufstehen vom Gram, bis wir droben stehen und knieen vor dem HErrnl (P. Lange) Nach dem Inhalt des vorliegenden Abschnitts sollte man erwarten, in dem nun folgenden zweiten Abschnitt der Auferstehungsgeschichte von O enbarun- en des Auferstandenen u lesen, wodur er den Seinen in überzeugender eise sich lebendig erzeigte, namentlich aber auch, wie er seiner eigenen Verheißung in Kap. 14, 28 und der Weisung des Engels in V. 7 gemäß in Galiläa den Verkehr mit ihnen wieder auf- genommen habe; statt dessen aber folgt in V. 9——20 ein ganz kurzer, fra mentarischer Bericht von Er- scheinungen noch am stertage selber, die aber nicht im Stande waren, die Jünger zum Glauben an die Auferstehung JeLu zu bewegen, und so sehr bleibt der Evangelist bei iesetn Thema haften, daß er von Galiläa gän lich schweigt und Jerusalem ausschließlich im Au e be ält, von der ersten Erscheinung im Kreise der Ele geht er so ohne alle Vermittlung zu den übrigen Erscheinungen, die in ähnlicher Weise erfolg- ten, über, daß sie wie eine einzige sich darstellen, und bringt so ehr ohne alle Rücksicht auf die Verschieden- heit der eit selbst die Himmelfahrt damit in Ver- bindung, daß es fast den Anschein gewinnen könnte, als habe der HErr noch am Abend des ersten Oster- tages von dem Saale aus, darin er den Jüngern hinter verschlossenen Thüren sich offenbarete, vor ihren Augen gen Himmel sich erhoben. Dieser befremdliche Jnhalt nebst der, mehr dem Charakter einesAuszugs oder Vruchstückes alssdem eines vollständigen Berichts entsprechenden Sprache hat denn schon frühzeitig Zwei- fel an der Aechtheit des Abschnitts erweckt; bereits Eusebius, Bischof von Cäsarea («s 340 n. Chr.), läßt ihn bei Seite, ebenso wird er in alten Erklärungen und Uebersetzungen übergangen und fehlt auch in be- deutenden Handschriften Jndessen ist er doch auch andererseits wieder durch zuverlässige Zeugen, nament- lich durch Jrenäus im L. Jahrh., hinlängIich als ächt be laubigt, und dürften die Sachen wohl so liegen, da er ursprünglich überall vorhanden gewesen, man ihn aber beanstanden zu müssen glaubte und sich seiner als unbequem zu entledigen suchte Was nun aber den befremdlichen Inhalt und die von dem übrigen Evangelio verschiedene Sprache und Dar- stellungsweise betrifft, so liegt die Vermuthung nahe, der Evangelist wollte sein Werk allerdings der Anlage in V. 1-—8 entsprechend mit einer vollständigen Dar- legung der Auferstehungsgeschichte zu Ende bringen, er wurde aber durch äußere Ereignisse verhindert und vielmehr dazu gedrängt, in einigen kurz hingeworfenen, zusammenfassenden Zügen den Schluß ras fertig zu stellen, um» der römischen Gemeinde ni t ein un- vollendetes Ganze zu übergeben; und wenn nun, wie sich weiter vermuthen läßt, der Ausbruch der Neronischen Verfolgung (Ende Juli 64 n. Chr) welche auch dem Petrus den Tod brachte, die Veranlassung zu diesem kurzen Abbrechen oder schnellem Zusammen- stellen war, so hätten wir die Abfassung des Evangelii in das eben genannte Jahr 64 zu verlegen, was gutes; aus manchen andern Umständen sehr wa rscheinli ist. Trotz seines summarischen und fast a zu bündi- gen Eharacters ist aber der Abschnitt einestheils ganz dem Anfange des Markus - Evangelii entsprechend, anderntheils für die evangelische Geschichte von hohem Werth. Was den letzteren Punkt betrifft, so finden wir hier manche Momente, die den übrigen Evangelien zur Ergänzung dienen und ihr Verständniß erleichtern; und was den ersteren Punkt anlangt, so versetzt uns der letzte Vers wieder auf den nämlichen Standpunkt, von dem aus der Evangelist seine Schrift in Kap.1, I ff. begonnen hat, ferner entspricht die kurze, zusammen- fassende, fast anschauungslose Berichterstattun über Christi letzte Rede an seine Jünger ganz der rt, wie in Kap. I, 9——13 von der Taufe und Versuchung Christi gehandelt wurde, und selbst der Ausdruck: ,,prediget das Evangelium aller Ereatur« steht in offenbarer Wechselbeziehung zu dem: ,,Jesus war bei den Thieren«. So erweist sich die Stelle in jeder Be- ziehung als ächt, wozu denn noch kommt, daß schwer- lich ein anderer als ein mit apostolischer Autorität bekleideter Mann gewa t haben würde, über die Jünger sich so stark auszudrü en, wie in V. 14 geschieht. X. v. 9—20. (§. 124. 125. 129 n. 130.) Zum Schluß des Eoangelii werden die verschiedenen Erscheinungen des Jlnfersiaudenem dadurch er siaz den Jlposieln nach seinem Leiden lebendig erzeigte, sich unter ihnen 40 Tage lang sehen ließ nnd mit ihnen bis zu dem Augen— blim der tjimmelfahrt vom Reiche Gottes redete, in einem einzigen Abschnitt lcurz zusammengestellt. Der Abschnitt-zeigt uns, welchen Unglaulsen auf Seiten seiner Sänger der aufersiandene Christus erst zn überwinden hatte, ehe er sie oou der Wirklichkeit seiner Anfer- itehnng überzeugen konnte, wie er aber darnach, als sie unn auch desto fester im Glauben an ihn gegründet waren, mit der ganzen hohen Ausgabe ihres Jtpostelbernfes sie bettanete uud wie sie dann ihrerseits in seiner iiiachtoolllionimenheit und unter seinem Betstunde, seit er in der hincmelsahrt sich zur Rechten Gottes gesetzt, dieser Ausgabe nachgeliommen (vgl. Maul. W, 9 f.16 sf.; link. 24, 10—53; Sah. W, 11——21, 15; Eli-eng. I, 4—11.) s. Jesus aber, da er [von den Todten] auf- erstanden war [und zwar, wie aus dem vorigen Abschnitt hervorgeht] frühe am ersten Tage der Sabbather san: ersten Tage, nachdem der Sabbath vergangen war, d. i. am Sonntag, den 9. April des J. 30 n. Chr.], erschien er [wie in Joh. 20, 1 1 ff. ausführlicher gemeldet wird] am ersten der Maria Magdalench von welcher er [oordem, als er noch in Galiläa wirksam war] sieben Teufel ausgetrieben hatte [Luk. 8, 2., vie darum auch dem Ueberwinder des Teufels und der Hölle an seinem großen Siegesmorgeii besonders nahe stund, 570 und besonders geeignet sich erwies, ihn zuerst wiederzusehen und seine Auferstehung den Jüngern zu verkündigens 10. Und sie ging hin swie der Auferstandene ausdrücklich ihr befohlen Joh.20, 1·7; Matth.28, 10] und verkündigie es denen, die mit ihm gewesen waren fden elf Apostelns die da Leid trugen nnd weineten fund sprach zu ihnen: Jch habe den HErrn gesehen und solches hat er zu mir gesagt Joh. 20, 18J. 11. Und dieselbigen, da sie höreten, daß er lebete und wäre ihr erschienen, glaubten sie nicht ssondern ihre Worte däuchten sie eben, als wären es Mährlein Luk. 24, 11]. 12. Darnach, da zween aus ihnen saus dem Kreise derer, die in engsier Beziehung zu den Aposteln stunden Apostg 1, 21; Röm. 16, 7 und ebensalls zu denen gehörten, die da Leid trugen und weineten, jetzc aber nicht glaubeten] wandelten sunterwegs oder aus dem Marsche sich befanden]- offenbarte er sich unter einer andern Gestalt sin einer Erscheinungsform bei welcher er nicht er selbst es zu sein schien, der mit ihnen redete, son- dern ein Anderer], da sie aufs Feld soder über Land, nämlich nach Emmausj gingen [Luk. 24, 13 ff.] 13. Und dieselbigen [nachdem er trotz dieser andern Gestalt sich ihnen zu erkennen gegeben und also den Schleier geliistet hatte, der ihre Augen hielt, daß» sie ihn nicht rannten] gingen auch hin und verkundigten das swas auf dem Wege ge- schehen und wie er von ihnen erkannt worden wäre an dem, da er das Brod brach] den andern smit denen sie vorhin beisammen gewesen, bis sie von ihnen ausgegangen waren über Feld]; denen glaubten sie kdiese andern, jedoch] auch nicht snngeachtet gerade bei ihnen alles, was ihre Seele etwa hätte aufhalten können, schon beseitigt und die Nothweudigkeit der Auferstehung ihnen genug- sam aus der Schrift bewiesen wars. Dies fcheint ein Widerfpruch gegen Luk. "2·4, 34 zu sein, wonach die Apotel den emmauntischen Jüngern, noch ehe diese ihren ericht erstattet, mit der Freuden- kunde entgegenkommen: »Der HErr ist wahrhafti auferstanden und Simoni erfchienen«. sDemgemäg waren die Jünger allerdings über den Zustand lethar- gifcher, fchlaffüchtiger Trauer schon emporgehoben und in den einer mehr oder minder gewissen Erwartung versetzt; während bis zu der, dem Simon Petrus zu Theil gewordenen Erscheinung des Auferstandenen ihre Herzensversafsung noch die war, daß die Worte der Maria Magdalena sie däuchten eben als wären es Mährlein, und die Kunde der übrigen Weiberj die frühe beim Grabe gewesen und dort ein Gesichte der Engel gesehen hatten, sie erschreckte (Luk. 24, 11. 2·2), war von da an dem Glauben allerdings eine Stätte bereitet, in die derselbe einziehen konnte. Aber der HErr war berechtigt, bei der Erscheinun . am Oster- abend (Luk. 24, 36 ff.; Ins. 20, 19 ffJ mehr bei ihnen zu finden, als die blo e Erwartung, mehr als die bloße Vorbereitung zum Glauben. Er hatte da vor, Evangelium Marci 16, 10—14. 1) sie in das Erbe förmlich einzusehen, das er ihnen in der Nacht vor seinem Leiden verfprochen (Joh, 14, 27): »den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch«; 2) sie, nachdem er seine eigene Mission voll- bracht, in die ihre einzusehen und das hohe Apostel- amt, von dessen überfchwänglicher Klarheit in Z. Eor. 3 die Rede ist, in ihre Hände zu iiberantwortem daß sie das nun auch wirklich seien, worauf es seine Gnade von Anfang an mit ihnen abgesehen; 3) sie zur Stufe dieses Amtes, das den Geist giebet (2. Eor. Z, 8), die Macht, auf Erden die Sünden zu vergeben (Matth. 9, 6), in sich trägt und den Frieden in ein Haus bringt oder von demselben zurückhält (Matth. 10, 12 ff.), auch zu erheben durch eine thatsächliche Geiftesmit- theilung. Dieser erhabenen Abficht des HErrn gegen- über war die entfprechende, wahrhaft würdige Ge- müthsverfassung auf Seiten der Jiinger nur die, wenn der Glaube bei ihnen nicht blos vorbereitet, sondern schon vorhanden gewesen wäre, wenn sie ihm nicht blos mit mehr oder minder gewisser Erwartung ,ent- gegengefehen, sondern ihre Lenden umgürtet nnd ihre Lichter brennend gehabt und geglichen hätten den Menschen, die auf ihren Herrn warten (Luk. 1·2, 35 f.); es hätte das der Fall sein können, nachdem er ihnen Botschaft durch Engel vom Himmel gesendet, nachdem er der Maria Magdalena, dem Simon Petrus und jetzt auch den emmauntifchen Jüngern perfönlich er- schienen war, gleichwohl aber find sie noch nicht soweit, daß, wenn er nun kommt und anklopft, sie ihm bald aufthun. Wir sehen ja in Luk. 24, 36 ff. u· Joh. 20, 19 ff., als er nun mitten unter sie tritt und fprichtt ,,Friede sei mit euch!«, also nach den obigen Andeutungen damit beginnt, sie in das ver- fprochene Erbe einzusehen, da sind sie nicht fähig, ihr Erbe auch sofort in Befitz zu nehmen; sie erfchrecken und fürchten sich und meinen, sie sähen einen Geist, der HErr muß den irrigen Wahn erst aus ihrem Herzen nehmen, sie durch finnenfällige Mittel von feinem Dasein überzeugen und dann noch einmal von vorn anfangen: ,,Friede sei mit euch!« um nun erst fein Werk an ihnen zu vollbringen Von diesen Gesichts- punkten aus hat unser Evangelist alle die Geschichten, auf die er in V. 9—13 Beziehung nimmt, so kurz ge- faßt; es kommt ihm gar nicht auf die Geschichten als solche an, es ist ihm nur darum zu thun, das was er in V. 14 sagen will, vorzubereiten; als nun zuletzt, am Höhepunkt der ganzen Oftergefchichtg der Aufer- ftandene sich den Elfen offenbaren will, um so- zu sagen sie zu installiren, nachdem sie längst schon ordinirt und seitdem in der besten Weise auf diese Stunde vorbereitet find, da muß er erst sie schelten und eine Scheidewand zwischen ihm und ihnen aus» ihrem, Herzen hinwegnehmen. Und wenn nun gleich ein: »der HErr ist wahrhaftig auferstandenltt bereits an- fängt in ihrem Kreise zu erklingen, so kommt dies mit vollen Aceorden doch nur erst aus dem Herzen des Simon Petrus und findet feinen vollen Wiederhall nur erst in dem Herzen der beiden Wanderer nach Emmaus; darum fchweigt auch St. Markus über dieses Wort, denn er ist der Dolmetfcher des Petrus, der nicht mehr daran denkt, daß er Jesum lieber habe als die andern Jijnger,-und überdies —- dieses ,,wahrhaftig der HErr ist auferstanden!« sinkt gar tief in der Wagschale, weil der Kreis der Elfe auch einen zählt, der ist nicht bei ihnen. Nicht zufällig blos und nur dem Leibe nach ist er nicht bei ihnen, sondern absichtlich; er ist zum Separatiften gewor- den, feinem Glauben ist der Stab entsunken, feine Hoffnung hat ihren Halt verloren, er ist nahe daran zu sagen: es ist nicht wahr, der HErr ist nicht , war ihr nichts für Der HErr erscheint den beiden EmmauOJüngern und zitleszt allen elf Jüngern. 571 auferstanden! —— von diesem Zweisler werden wir zu Joh. 20, 24 ff. eingehender zu handeln haben. Evangelium am Fest der himmelsahit Christi) Man sollte erwarten, daß auf diesen Tag ein Text aus den Evan elien gelegt sei, welcher uns die Himmelfagrt des H rrn am eingehendsten berichtet: der Schlu des Evangeliums Lucä würde diesen Er- wartungen entsprechen. Es ist aber vielmehr der vielfach angesochtene-Schluß des Markusevangeliums ersehen worden; denn dieser stellt die immelfahrt in die Beleuchtung, in welcher die alte Fiirche fort und fort diese wunderbare Begebenheit anschaute. Erst allmälig hat jene Kirche den vierzigsten Tag nach der glorreichen Auferstehung des HErrn von den Todten als den Tag, an welchem der Auserstandene zu feinen: Vater» eimging, gottesdienstlich ausge- zeichnetz die ganze eit zwischen Ostern und Pfingsten war ihr eine hohe Festzeit, die Himmelfahrt des HErrn sich, sie war nur die Brücke zwischen Ostern und Pfingsten, nur ein nothwendiges Mittelglied in dieser Festfolge Unsere Perikope wird nun dieser Auffassung vollstündig gerecht: sie knüpft in ihren ersten Versen an das Osterfest an und reicht mit ihren letzten Versen bis zu dem Tage der Pfingsten, und noch darüber hinaus. (Nebe.) Jndem das Evangelium die ganze Zeit der 40 Tage zwischen Ostern und Himmelfahrt in Eins zusammenfaßh bringt es die Himmelfahrt in den rechten Zusammenhang mit der Aufer tehung. (Münkel.) Die Gewißheit, daß Jesus hristus, unser Heiland, in der Herrlichkeit des Vaters lebt —- sie zeigt uns l) die Würde und Bestimmung des menschlichen Ge- schlechts; sie verbürgt uns Z) den Trost der Vergebung für unsere täglichen Sünden; auf ihr beruht 3 die Lebensgemeinschaft mit dem Erlöser und 4) die raft der Sakramente, welche diese Lebensgemeinschaft stär- ken und den Menschen dem Ziele seiner Bestimmung entgegenführen (Thomasius.) 14. Zuletzt snach den beiden, in V. 9 u. 12 gemeldeten Erscheinungen Jesu, des Auferstandenens da die Elfeshinter verschlossenen Thüren] zu Tische saßen [Luk. 24, 33-—43; Joh. 20, 19—23], offen. barete er sich [dem Kreise der Apostel selber, indem er noch am Abend des Ostersonntags auf einmal niitien unter sie eintrat und sprach: Friede sei mit euchlj Und schalt fbei dieser und der acht Tage darauf erfolgten, ganz ähnlichen Offenbarung in Joh. 20, 24 sf., nur erst in glimpflichen schonender Weise, bei der letzten Versammlung in Jerusalem aber, ehe er sie hinausfiihrte bis gen Bethanien Luk.24, 44 ff; Apostg J, 4 ss.; 1. Cor. 15, 7., mit schärferm, vorwurfsvolleren Worten] ihren Unglaubeii fwodurch sie es unmöglich gemacht, seine Liebesabsichh wie sie zu B. 13 angegeben worden, sogleich an ihnen zu erflillen, so daß sein Friede zuerst keine Stätte bei ihnen fand Luk. 10, 5 f.] und ihres» erzens Hartigkeit«[Kap. 8, 17·j, daß sie m t geglaubet hatten denen, die ihn gesehen hatten von den Todten aufer- standen; »Man muß die zwei Stücke, so hier aufs Kürzeste zusammengezogen sind, nämlich, daß der HErr (in V. 14) die Jünger straft um ihren Unglauben, und daß »er ihnen (in V. 15 ff.) Befehl thut, wasszsie predigen sollen, nach»den» andern Evangelisten theilen und unterscheiden«: in diesen Worten hat s on Luther den richtigen Weg eingeschlagen, um die telle so zu verstehen, wie sieverstanden sein will, und sie nicht so aufzufassen, wie manche neuere Ausleger thun, als ob sie sehr verschiedene Elemente mit einander ver- mengte. Aber nun ist das Theilen und Unterscheiden der zwei Stücke nach den andern Evan elisten keine leichte Sache, weil kein einziger alle Erscheinungen des Auferstandenen vollständig erzählt und namentlich auch bei Matthäus (28, 5—10) und Lukas (24, 36—49) ein Ineinanderfließen mehrerer Erscheinungen in eine einzige oder vielmehr ein ,,Zusammenziehen aufs Kiirzeste««·stattfindet. Wir bemerken, daß es schon nicht ganz richtig ist, wenn Luther weiter schreibtt »daß er die Junger straft, das ist nicht lange nach seiner Auferstehung geschehcn,» namlrch vom l. Otertage bis an den 8· Tag, da sie ihn»alle gesehen («5oh. 20, 19—-—29), aller- dings hat da sein Strafen angefangen; er mußte nach dem Friedensgruß mit dem er in ihre Mitte eintrat, erst den Schrecken, womit sein Erscheinen sie erfüllt hatte, von ihren Herzen wegnehmen, mußte, weil sie meineten, sie sähen einen Geist, ihnen seine Hände und Füße zeigen, ja, weil sie noch nicht Baub- ten, sie dadurch überzeugen, daß er von i rer peise nahm und vor ihnen aß. Jnsofern hat arkus ein Recht,»das Schelten, von dem er redet, gleich an jene Erscheinung am Osterabend anszzuknupfen; aber daß er weiter greift, daß er mit dieser Erscheinung noch eine zweite und dritte, die unter ä nlichen Verhältnissen und an demselben Orte stattgefun en, zu einer Einheit zusammenfaßt, das deutet schon» der Ausdruck: er ,,·schalt ihren Unglauhen 2·c.« an. Dieser Ausdruck ist an sich sch»on zu stark sur die freundliche, zur Schwachheit der Jun er sjich fherablassende Weise, wie Jesus ihnen in Luk. 34, 8 . begegnet, man muß da die Geschichte mit Thomas in Joh. 20, 24 ff. hinzunehmen, um ihn einigermaßen zu rechtfertigen, und hat ihn doch auch so noch »nicht gerechtfertigt, denn auch gegen den Thomas verfahrt der Err als der, dem eine gelehrte Zunge egeben ist, da er wisse mit den Müden zu rechter eit zu reden (Jes. 50, 4). Ueberdies gehört zu dem Schelten, wenn es» auf das Thema hinaus- lauft: ,,O ihr Thoren und trages Herzens zu glauben« ein Auslegen aller Schriften, die von ihm gesagt waren, wie wir aus Luk. 24, 27 lernen; und darauf hat sich der Auferstandene weder am l. Ostertage noch am 8. Tage darnach eingelassen, wohl aber hat er es gethan bei der Er cheinung, die in Luk. 24, 44 ff. unmittelbar der Htmmelfahrt vorhergeht, und das ist diejenige Erscheinung, die nach der dem Jakobus zu Theil gewordenen vorsiel (i. Eor. 15, 7). Dem Jakobus ers chien der Auferstandene, wie zu Matth 28, 20 auseinandergesetzt worden, zum Abschluß seiner Offen- barungen in Galiläa und gab ihm da die Weisung, die Jünger sollten schon jetzt, noch ehe die Zeit zur Festreise nach Jerusalem herbeigekommen, Galiläa wieder verlassen und m Jerusalem in ihrem gewöhn- liZen Lokal (vermuthlich im Saale des Nicodemus) si versammeln; es hindert nun nichts anzunehmen, daß sie bereits am Sonntag vor Himmelfahrt des Abends dort wieder beisammen waren, und daß der HErr sie nun da ebenso wieder besuchte,»wie ji und 5 Wochen zuvor und eben diese Gleichniaßigkeit der 3 Sonntagsbesuche (am 9. und 16. April und 14. Mai) gab nun den beiden Evangelisten Markus und Lukas das Recht, ihren Bericht von dem ersten Besuche mit dem vom dritten ohne äußere Hervorhebuiig des Zeit- 572 Evangelium Marci 16, 15——18. unterschiedes ineinandersließen zu lassen. Dagegen ist innerlich der Zeitunterschied deutlich genu markirt; denn in Luk 24, 44 ff. merken wir wohl, da der HErr nun einen Abschluß macht mit seinen Ofsenbarungen wäh- rend der 40 Tage, und der vorliegende Vers in seinemZu- sammenhange mitdem folgenden ist gar nichtzu verstehen, wenn wir beider Offenbarung amOstertage wollten stehen bleiben und nicht sogleich die vom Sonntag Rogate mit hinzunehmen. Bei dieser letzteren Offenbarung war es denn ganz an rechter Stelle, daß die Jünger nun recht eigentlich es cholten wurden wegen ihres Un- glaubens und isrer Herzenshärtigkeih gleichwie Eltern mit ihren Kindern in der Zeit der Jugend nicht hart rechten wegen ihrer Thorheiten, wohl aber im reiferen Alter sie ihnen nachträglich zum Bewußtsein bringen, weil sie nun erst auf rechtes Verständniß,« wie groß diese Thorheiten und welche Zeugnisse von Herzens- härtigkeit sie in der That gewesen«, bei ihnen rechnen önnen, während früher es galt, zu tragen und zu schonen, zurechtzubringen und das glimmende Docht nicht auszulöschem es war dies Schelten der Jünger jetzt um so mehr an der Zeit, als sie nun bald den Beruf antreten sollten, den Jesus ihnen vertraut hatte und von dessen Aufgabe er hernach noch einmal reden wollte (V. 15 ff.). ,,Er hatte ihnen seine Glaubens- zeugen zugesandt (V. 10 f.· u. V. 12 f.), sie aber hatten ihnen das Zeugniß nicht abgenommen; er läßt aber seine Zeugen nicht verachten und verwerfen, wer sie unehrt, der unehrt ihn, denn je mehr seiner Zeugen lud, desto mehr sind sie blos die Kanäle, durch welche ein Wort ausgeht und seine Herrlichkeit ausstrahlt.« Er straft also seine auserwählten Zeugen, denn ihnen kann er am wenigsten etwas schenken, das Gericht muß ja allezeit anfangen an dem Hause Gottes (1. Petri 4, 17); wenn daher —- dies die Frucht, die aus ihrer eigenen so schwierigen Entwickelung zum Glauben für sie folgen soll — die Jün er in ihrem Berufe die Erfahrung machen werden, da man ihrem Zeugniß nicht glaubt, ja mit Herzenshärtigkeit sich gegen ihr Wort verschließt, so werden sie nicht un- muthig und verdrossen werden, sie werden vielmehr Geduld haben und daran gedenken, daß sie vordem selber nicht anders sich verhalten haben gegen die Zeugen, die der HErr ihnen zugesandt hatte. So stimmt V. 14 trefflich mit V. 15 zusammen; aber auch mit Luk. 24, 44——48, mit welcher Rede der HErr ohne Zweifel die Verhandlung eröffnete, um darnach das Schelten folgen zu lassen. Das Wort in Luk. 24, 49 gehört unsers Erachtens nicht mehr der Abend- versammlung am Sonntag Rogate an, sondern schon dem Morgen des Himmelfahrtstages selber. 15. Und set] sprach zu ihnen suachdem er schon früher, bei seiner Erscheinung ans dem Berge in Galiläa, die heil. Taufe zum Bundes- zeichen des neuen Testaments an Stelle der alt- testamentlichen Beschneidung verordnet hatte Mattln 28, 16 ff.].« Gehet hin in alle Welt [wie ich euch befohlen habe] und prediget das Evangelium aller Ereaturt [die unter dem Himmel ist Col. 1, 23., Heiden und Juden ohne Unterschied] 16. Wer da [indem er das hiermit euch aufgetragene Wort göttlicher Predigt von euch em- pfängt und dasselbe aufnimmt, nicht als Menschen Wort, sondern als Gottes Wort l. Thess. L, 13] glaubet [an mich Joh.17,20; Apostg 16,31] Und getaufet sdurch die Tanfe aus dem Be- reiche der bloßen Creatur in mein Reich aufge- nommen] mird, der wird [so er anders blei- bet im Glauben gegründet und fest und unbeweg- lich von der Hoffnung des Evangelii Col. 1, 23] selig werden; wer aber nicht glaubet [indem er entweder gleich anfangs gegen euer Wort sich verschließt, oder trotz der empfangenen Taufe sich doch nicht für mich entscheidet, oder aber vom Glauben, nachdem er ihm gehorsam gewor- den, wieder abtritt 1. Tim. 4, 1], der wird verdammet werden-H· [als der fürder kein Opfer mehr hat für die Sünde und in seinen Sünden sterben muß Hebr 10, 26 f.; Joh. 8, 24]. i) Das sind Worte der Majestät, welche billig eine Majestät heißt, daß er diesen armen Bettlern befiehlt, auszugehen und diese neue Predigt zu verkündåsem nicht einer Stadt oder Land , sondern in alle elt, Fiirstenthum und Königreich. Dies ist ja ein so star- ker, gewaltiger Befehl, daß desgleichen kein Gebot in der Welt ausgegangen ist, denn eines jeden Königs oder Kaisers Gebot geht nicht weiter als über sein Land und Leute; aber dieser Befehl geht über alle Könige, Fürsten, Land und Leute, Große und Kleine, Junge und Alte, Gelehrte, Weise, Heilige. (Luther.) Jn alle Welt gehen, das ist ein weiter Gang, zumal sich die Jünger ihre Aufgabe schwerlich durch die Aus- legung verringert haben werden, welche heut zu Tage gäng und gebe ist; sie werden schwerlich aus den Worten »in alle Welt« ein ,,möglichst weit in die Welt« gemacht, sie werden wohl nicht geglaubt haben, daß der HErr seinen letzten Befehl durch eine sprichwört- lich iibertreibende Redensart verhüllt und undeutlich gemacht habe —— sie werden die Worte verstanden haben, wie sie lauteten. Das war denn freilich ein gewaltiger Auftrag, auch wenn man gar nicht an die dreifache Erweiterung desselben in Matth. 28, 19 s. denkt; überdies erwarteten die Jünger die Zukunft des HErrn in Bälde und konnten seinen Befehl nicht anders als so nehmen, daß er bis zur Stunde seiner nahen Wiederkunft jedenfalls erfüllt sein sollte. Welch ein Sporn wird ihr Herz empfangen haben, so oft sie bedachten, daß für die kurze Frist ihnen und denen, die durch ihr Wort gläubig geworden waren, ein so weites Arbeitsfeld, eine so große Arbeit aufgethan und angewiesen war! Und doch war der Befehl, selbst wenn man ihn in der Vollständigkeit nimmt, wie ihn Matthäus erzählt, ganz gemäß jenem Worte Christi (Joh.15, 26 f.): »Der heilige Geist wird zeugen, und ihr werdet auch zeugen.« Er legte nicht auf menschliche Schultern, was sie nicht.zu tragen vermochten, was nur der heil. Geist durch sie wirken konnte; blos eine menschliche Thätigkeit legte ihnen der HErr auf — nicht bekehren, nicht befriedigen, nicht heiligen, nicht vollenden sollten sie, sondern nur predigen, taufen, lehren. Das sollten sie und konnten sie, das sollen und können nach ihnen auch wir; pre- digen sollen wir den Apofteln nach und predigen lassen, wenn wir selbst nicht Prediger sind; das u bemerk- stelligen, soll uns weder Fleiß noch Opfer fehlen. (Löhe.) Jede wahre lebenskräftige Heilspredigt ist Ztgleich eine Predigt des Evangeliums, die auf die efreiung aller Ereatur vom Dienst der Eitelkeit (Röm. 8, 19 ff.) hinzielt, eine Kraft der Wiedergeburt, welche die große Herwiederbringung (A-postg. s, 20 f.; Der HEir betrauet feine Jünger mit der hohen Aufgabe ihres Apostelberufes 573 2. Petri 3, is) vermitteln soll, die mit dem Weltende selbst zur Erschemung konimr (P. Lange.) H) Der HErr läßt sein Evangelium predigen aller Ereatur als Evangelium, als Heilsbotschafy aber die Creatur nimmt diesem Evangelio gegenüber eine ver- schiedene Stellung ein, da die heilsame Gnade die Creatur als Ereatiir achtet und nicht mit unwider- stehlicher Gewalt auf sie einwirkt. Eine zwiefache Stellung aber kann die Ereatur nur einnehmen; es gilt ein Entweder — Oder, ein Drittes giebt es nicht. Entweder entfcheidet sich dieselbe für oder gegen das Evangelium, eine Unentschiedenheit wie ein Hinaus- schieben jeder Entscheidung ist nicht möglich: »wer nicht mit mir ist, der ist wider inich«, spricht der HErr und erklärt damit, daß jedes Sichnich tentscheiden im Grunde ein Sichentscheiden wider ihn ist. Da Chri- stus als der menschsgjzewordene Gottes ohn eine eentrale Stellung in dieser elt einnimmt, und da andrerseits alles, was in dieser Welt ist, nur Ereatur, nicht in sich urständendes und ruhendes Leben, sondern eines Haltes, eines Einflusses bedürftiges Leben ist, so heißt es nun von jedem Menschen entweder ,,er wird selig« oder ,,er wird verdammt werden« Jn dem Umstande, daß das Seligwerden dem Verdammtwerden vorgiågellt wird, ist nochmals ein sicheres Zeichen, daß der ille Gottes, der Zweck des Evangeliums in erster Linie die Seligkeit des Nienschen ist. (Nebe·) Man sollte ja denken, an Jhn, der für uns starb und auf- erstand, der zu unserm Heile gen Himmel fuhr, müsse die ganze Welt mit rößter Lust glauben; man sollte denken, da wir alle ünder sind, würden wir die an- gebotene Hilfe und den eröffneten Weg, zu entfliehen alle dem, das im Worte Verdammniß zusammengefaßt ist, mit größtem Dank und behendester Eile ergreifen. Kann man denn die Welt häßlicher schildern als mit dem Worte Un’glaube, und die Hölle abscheulicher als mit dem Worte Verdammniß? (Löhe.) 17. Die Zeichen aber, die da ksowohl durch sie als wunderbare Thaten, wie an ihnen als übernatürliche Ereignisse geschehend] folgen werden denen, die da glauben knicht blos euch, meinen unmittelbaren Aposielm nach der Macht, die ich euch schon früher gegeben Kap. S, 7 u. 13., sondern auch denen, die durch euer Wort an mich gläubig werden Joh..17, 20 und nach euch eine ähnliche Stellung, wie ihr, in der Kirche einnehmen, und dazu dienen, auch ihr Zeugniß als Gottes Wort zu bekräftigen iind ihm Nachdruck und Erfolg zu verschaffen], sind die [vgl. Apostg B, 8; l. Cor. 12, 28]: In mei- nem Namen werden sie [von den Besessenen] Teufel austreiben [Apostg. s, 165 19, 12j, mit neuen Zungen reden [Apostg. D, 4; 10, 46; 19, s; J. Cor. te, 10], l8. Schlangen [die an sie fahren, mit ihrem Giftftachel sie zu verwunden] vertreiben findem sie dieselben ergreifen nnd von sich schleu- dern Apostg 28, 3 ff.], Und so sie etwas Tödt- liches ldas die Nachstellungen der Menschen ihnen beizubringen versuchen werden] trinken, wird?- ihnen nicbt schaden kdaß sie auch wirklich daran sterben müßten Las. 10, 19]; auf die Kranken fzu deren Heilung sie berufen werden] werden sie die Hunde legen, so wird? besser mit ihnen werden ldaß sie alsbald zu völliger Gesundheit genesen Apostg 28, 8; Jak. 5, 14 f.]. Die Beschränkung dieser Verheißung auf die Leh- rer, insbesondere auf die Apostel und die 70 Jünger ist salsch; die ausgeführten Zeichen fanden sich ja wirklich bei den Gläubigen als solchen, nicht blos bei den Lehrern (s.. 1. Eor. 12). Uebrigens ist auch nicht die Meinung, daß jedes dieser Zeichen bei jedem vorkommen werde, sondern bei dem einen dieses, bei dem andern jenes. (Meyer.) Als der Prophet Elias gen Himmel fuhr, ließ er seinem Nach- folger Elisa seinen Mantel zurück, durch welchen dieser Wunder that; aber was ist der Mantel Eliä gegen die nachgelassenen Kräfte und Verheißungen Jesu, durch welche alle Hindernisse, die von Teufeln, Men- schen, Thieren, Pflanzen stammen, we geräumt und herbeigebracht werden, Sicherheit und esundheit des Leibes nicht allein, sondern auch Seligkeit der Seelen! Denn es werden von dem HErrn alle die zeitlichen Gaben, welche unser Text benennet, doch nur ver- heißen zum Fortgang seines Reichs, zur Hinderung und Minderung der Verdammniß und zur Mehrung der Seligkeit; es muß alles dem heil. Amte dienen, das er seinen Boten auftrug, nämlich die verlorenen Schafe herbeizubringen aus allen Ereaturen und seine heil. Kirche zu sammeln. Der Satan und seine Engel widerstreben der Heiligung des Mensgeiy ihre Bos- heit de nt sich bis zur Besitzung und esessenheit aus; da ver eißt nun der HErr eine Hilfe, diese Hindernisse sollen vekschwinden ,,Jn meinem Namen werden sie Teufel austreiben«, spricht er von den Seinen und verheißt also nichts anderes, als daß die Hölle vor seinem Namen zittern und ihre Glieder vor demselben aus Burg und Haus entfliehen sollen. Die Menschen- zunge ist so, wie sie ist, zu schwach,·mancherleiSprachen zu reden; es geht mit dem natürlichen Sprachenlernen zu lan sam für die brennende Liebe des heil. Geistes, es muß schneller und gewaltiger über die Welt er- gehen das Wort der Wahrheit, welches die vom Teufel befreite Welt selig machen soll. Deshalb spricht der HErr: ,,sie werden mit neuen Zungen reden,« sie werden mit Zungen und in Sprachen reden, die ihnen neu sein werden, weil sie dieselben nie gelernt; sie werden vermöge dessen schneller von Volk zu Volk wandern, des HErrn .Predigtbefehl vollziehen und seine Verheißung der Seligkeit hinausführen können. Und nicht blos die Hindernisse des Teufels sollen überwältigt, nicht blos die himmlische Förderung der Sprachengaben soll verliehen werden: es giebt Uebel in der Natur, welche, wie sie aus der Sünde stammen, auch nicht anders angesehen werden können, denn als Hindernisse des Reichs, dessen letztes Ende und letzte Absicht eine Erlösung von aller Sünde und von allem Uebel ist. Darum müssen auch sie weichen vor den Inächtigen Boten des Evangeliums; es soll am An- fang des Reiches Gottes schon die Herrlichkeit des Endes kund werden, im Anfang soll sich das Ende spiegeln. Die Gläubigen der ersten Tage, und welche ihnen gleich sein werden in der Folgezeit, sollen ,,Schlangen vertreiben«, auf daß des Weibessamens Sieg über allen Schlangensamen kund werde, und selbst wenn sie »etwas Giftiqes trinken«, soll es ihnen nicht schaden. Weder der Thiere noch der Menschen Bos- heit, noch des Schierlings und andrer Kräuter Gift soll also den segensrei en Flug des Evangeliums über die Erde hin au halten; vielmehr soll alles Uebel weichen, wenn Gottes Boten- kommen, und auch die leiblich Kranken unter den Händen der Friedens- 574 Evangelium Marci is, 19. 20. boten genesen, auf daß auch ihre Seelen während der Gnadenfrist noch genesen können und zum ewigen Leben kommen, ehe sie sterben. (Löhe.) Die elben Kräfte, welche durch den jugendlichen Leib der irche strömten, ruhen und walten in ihr bis an’s Ende. Zlu ustinus.) Etliche fahren hinzu und legen diese eicgen geistlich aus; aber sie leiden solche Auslegung nicht, denn damit macht man uns die Schrist wankend und unbeständig Etliche sagen, daß, wiewohl diese Zeichen nicht jedermann hat und thut, so sind sie doch der ganzen Gemeinde, dem anzen Haufen der Chri- stenheit gegeben, daß der ie Teufel austreibe, der andere die Kranken gesund mache, und fortan« da- rum sagen sie, daß solche Zeichen seien eine Offenba- rung des Geistes, daß wo die Zeichen sind, sei auch die christliche Kirche, und wiederum. Aber diese Worte wollen nicht gehen auf die Gemeinde, sondern auf jeglichen insonderheit, daß die Meinung sei: wenn ein Christenmensch ist, der den Glauben hat, der soll Ge- walt haben, diee nachfol enden Zeichen (und nicht diese allein) zut un, und ollen ihm olgen, wie Chri- stus in Joh. 14, 12 (Matth. ro, 8; s. 91, 13) sagt, denn ein Christenmensch hat lei e Gewalt mit Christo, ist eine Gemeinde und sgitzt mit ihm in ge- sammtem Sehen. Wenn ich gläubig bin, so kann ich’s thun; denn der Glaube giebt mir so viel, daß mir nichts unmöglich ist, wenn es vonnöthen ist. Denn Christus hat nicht also geredet, daß sie immer so müs en ergehen und solches thun, sondern daß sie es Macht haben und können thun; die Jünger haben fie auch ni t allewege geübt, sondern allein das Wort Gottes zu ezeugen und durch die Wunderzeichen das- selbe zu bestätigen, wie denn in dem Text hier steht (V. 2 ). Sintemal aber das Evangelium nun aus- gebreitet ist, ist es nicht vonnöthen Zeichen zu t un, wie zu der Apostel Zeiten; wenn— es aber die oth erfordern würde und sie das Evangelium ängsten und drängen wollten, so müßten wir wahrlich dran und müßten auch Zeichen thun, ehe wir das Evangelium uns ließen schmähen und unterdrücken« (Luther.) Jst die Kirche der Leib des HErrn, sind die wahrhaft Gläubigen lebendige Glieder an diesem Leibe, so wird der Leib der Kirclze auch ersüllt sein müssen mit den Kräften, welche em Leibe des HErrn in den Tagen seines Fleisches entquollen, so werden die Glieder dieses mit den Kräften der zukünftigen Welt begna- digten Leibes auch solcher Zeichen mächtig sein; es ist aber damit natürlich nicht gesagt, daß allenthalben und allezeit olche Zeichen von ihnen geschehen müssen, die Geister ind vielmehr den Propheten unterthan, d. h. die Geisteskrast, welche in den Gläubigen ist, wirkt aus ihnen nicht nach dem Gesetz der Naturnoth- wendigkeit, sondern nach dem Gefetz der Freihzeit. Jesus hat auch nicht an jedem Ort und Fu jeder eit Wunderwerke vollbracht, sondern nur seine Stunde gekommen, und nur da,-wo ein Wunder am Platze war; er hat aber diese Gotteskraft fort Rdbfkrt als eine ruhende Kraft in fich getragen. e e. ann, wenn , 19. Und der HGrr, nachdem er kauch an dem Morgen desjenigen Tages, wo er sie von ihrem Versammlungsort in Jerusalem aus hinaus- führte bis gen Bethanien Luk. 24, so] mit ihnen geredet fund da noch Zeit und Ort des Anfangs ihrer Thätigkeit ihnen bestimint Luk. -24, 493 Apostg l, 4—8 bezeichnet] hatte, ward er [von einer Wolke, die ihn vor ihren Augen wegnahm, zusehendsj aufgehoben gen Himmel, und fitzet [nun m Folge dieser Aufnahme Ephes. I, TO] zur rechten Hand Gottes [Kap. 14, 62]. 20. »Sie aber [seinem Befehle V. 15 ge- horsamj gingen [hernachmals, als die Verheißung von der Ausgießuiig des heil. Geistes über sie er- füllt und die Kirche zuerst im heil. Lande Aposig 1, 8»gegrundet war] aus [von Jerusalem] und predigten an allen Orten sbisssie mit ihrer Predigt zuletzt auch nach Rom, dem Ende der Erde zu ihrer Zeit, vordrangen], und der HErr kPhilsz 2, u] wirkte mit· ihnen kdaß ihre Predigt auch von Erfolg begleitet war] Und be: kraftigte das Wort fdas sie verkündigten] durch mitfolgende Zeichen [der Art, wie er sie in V. 17 f. vorausgesagi hatte] Die Erde im Lichte der Himmelfahrt Christi; in diesem Lichte se en wir sie geweihet 1) zum Lande des Glaubens, 2 zur Stätte der Pre- digt des Evangelii, 3) zum Vorhofe des Himmels und 4) zum Schauplatz der himmlischen Thätigkeit C risti. (Otto.) Himmel und Erde im Lichte der im- melfakzrk 1. der Himmel I) hoch über dieser Welt, aufgethan für diese Welt, Z) fich herabsenkend auf diese Welt; Il. die Erde I) eine Schule des Glaubens, Z) eine Stätte der Verheißung, Tempel der« Ehre Gottes. (Nebe.) Wiesich die Herrlichkeit des aufgesahrenen Erlösers in der Welt siegreich beweiset: 1) in derZurüstung und Aussendung seiner Boten, 2) in der Sammlung und Beseligun seiner Glieder, Z) in der kräftigen Leitung» und ewahrung seiner Kirche (v. Burger.) Wie Jesus durch seine Himmelsahrt alles das, was vorhin verschlofsen war, aufge- schlossen hat: 1) das menschliche Herz für en Glauben, Z) den ganzen Erdboden sür’s Evangelium, Z) den »Himmel zum Eingang für alle, die an ihn glauben. (Burk.) Die Vermächtnisse des er- höheten HErrns an die Seinen mit i rem hohen Ernst und mit ihrem süßen Tro t: ei: hinterläßt ihnen l) ein strenges Scheltwort, aber auch einen liebreichen Segen; L) einen schweren Aus- trag, aberauch eine herrliche Ausriistung; s) einen rauhen Pil-gerweg, aber auch ein seliges Wall- fahrtszieL (Gerok.) Schlußbemerkung-In zum Evangelium Si. «,tlllarci. Bei der Geschichte von der Gefangennehmung Jesu lernten wir in Kap. 14, 51 u. 52 einen Jüngling kennen, mit dessen gelegentlicher Erwähnung« unser Evangelist sein früheres Verhältnis; zum HErrm solange derselbe noch auf Erden wandelte, charakterisirt hat« Mit seinem hebräischen Namen hieß er Johannes; den römischen Beinamen Markus, den er» daneben führte, hat er vielleicht erst bei seinem Eintritt in den Dienst der Apostel angenommen, und wird er nun bald blos Johannes (Apostg. Z) ein . Christi Himmelsahrt —- Schlußbemerkungen zum Evangelium Marci. 575 is, 5 u. l3), bald blos Markus (Apostg. 15, 39; Col. 4,.10;«2. Tim. 4, 11; Philem 24), bald Johannes Markus (Apostg. 12, 12 u. 25; 15, 37) genannt. Als seine« Mutter wird Maria er- wähnt, zur Zeit der Hinrichtung des älteren Jakobus eine zu Jerusalem wohnhafte, in der Gemeinde hochangesehene Chrisiin (Apostg. 12, 12); ihr Haus lag verniuthlich im Kidronthale, etwa da, wo gegen- wärtig die Kirche der heil. Jungfrau steht (s. Karte V1I), Ealsv unmittelbar am Garten Gethsemane, woraus sich der oben erwähnte Vorgang leicht erklärt, aber auch der andere; daß Petrus bei seiner Er- rettung aus dem Kerker sich hierher wandte, um von da aus sich dann weiter in Sicherheit zu bringen. Petrus ist ohne Zweifel auch es gewesen, der den Markus aus einem bloßen Anhänger Jesu zu einem wirklichen Christen und Gliede der Gemeinde gemacht hat (1. Petri 5, 15); die Annahme liegt nahe, daß dieser Apostel schon nach seiner Verleugnung Christi sich nach jenem Hause im Kidronthale geflüchtet (vgl. zu Kap. 16, 1), dort die Zeit bis zur Auferstehung zugebracht und daselbst auch die Erscheinung des Auferstandenen (Luk. 24, 34-; l. Cor. 15, b) gehabt hat, so daß seine Erfahrungen der Maria und ihrem Sohne mit zu gute gekommen sind. Nachdem er .14 Jahre lang der Gemeinde zu Jeru- salem als Glied angehört, wurde Johannes Markus durch feinen Vetter Barnabas im J. 44 n. Chr. mit der Gemeinde zu Antiochien in Shrien in Verbindung gebrachtTApostgZ 12, 25); von da an be- gleitete er dann den Barnabas und Paulus auf der ersten Piissionsreise (vom J. 46——48) und hatte hier gewiß die Bestimmung, die Lehrvorträge der beiden, von denen keiner die- åvangelischen Thatsachen aus eigener. Wahrnehmung kannte, durch evangelische Erzählungen zu erhärten und zu befestigen, wozu er sich als Schüler des Petrus, dessen unmittelbare Mittheilungen er treu wiederzugeben im Stande war, sehr wohl eignete (Eph. 4, 11). Hieraus erklärt sich« warum des Markus in Apostg. 13 nicht gleich bei der Aussendung und Abreise gedacht wird, sondern erst da, wo vom Anfange der Lehrwirksamkeit in den jüdischen Schulen die Rede ist; als es aber nach der Wirksamkeit auf Cypern und zu Perge von den Küstenstrichen weiter hineingehen sollte in das Jnnere, nach den Bergländern Kleinasiens, ward 9Jiarkus, wie es scheint, zaghaft, wandte wieder um und kehrte zu seiner Mutter nach Jerusalem zurück (Apostg. is, 5 u. 13). Hier findet ihn Barnabas noch vor, als dieser im J. 50 mit Paulus auf das Llposielconeil reist, und nimmt ihn von dort zum zweiten Mal mit stch nach Antiochien (Apostg. 15, 2 u. 30); als es nun aber im folgenden Jahre zu einer zweiten sJJiissionsreise kommt, werden um seinetwillen Barnabas und Paulus mit« einander uneinig, denn jener will ihn auch auf dieser Reise als Gehilfen mitnehmen, während dieser ihn nicht dazu haben mag, und so vereinigt sich Paulus mit Silas, um die beabsichtigte Reise auszuführen, Barnabas dagegen schifft mit Markus nach Cypern hinüber (Apostg. 15, Z? fs.). Beide sind von da an auf lange Zeit für die Heidenmission so gut wie nicht mehr vorhanden, und finden deshalb auch keine Erwähnung mehr in der Apostelgefchichte; wenn Paulus in l. Cor. I, 6 noch einmal des Barnabas als seines Collegen gedenkt, so thut er es unter Bezug- nahme auf die ursprüngliche gemeinschaftliche Vokation (Apostg. is, 2), ohne damit etwa sagen zu e wollen, daß der Genannte auch jetzt noch seines eigentlichen Beruses als Heidenapostel in Gemeinschast mit ihm wahrnehme, vielmehr hat Barnabas nach jener Entzweiung sich entschieden auf die Seite des Petrus geschlagen und die Förderung der SJJiisston unter den Judeir zu seiner Lebensaufgabe erwählt. Als Paulus nach Beschluß feiner zweiten Misstonsreise etliche Zeit in Antiochien sich aufhält (Apostg. 18, 22 f.), findet der« in Gal. 2, 11 ff. erwähnte Vorfall mitiPetrus statt, und Barnabas betheiligt fiel) da ganz an demfVerhalten desjletzterenz hat nun Paulus gleich denPetrus von feinem Unrecht überführt, so siegten doch die Gegner des -Heidenapostels, die engherzigenJudaisten in Jerusalem, die sich zu einer förmlichen Partei des Jakobus organistrt und auch den Petrus und Barnabas mit ihren. Grundsätzen angesteckt hatten, dergestalh daß fortan Paulus einen« schweren Stand und harten Kampf auch in seinen eigenen Gemeinden; auszuhalten hatte in» Folge der Jrrlehre,· wie sie zuerst im Brief an die Galater uns entgegentritt und« sogar bis zu einer Leugnrtng seiner aposiolischen Würde sich zuspitzte Jn jenem J. 54 kn- Chn hat wohl Petrus von Antiochien aus weiter nach Osten den Juden im per- sifchen Reiche sich zugewendet und schließlich seinen Sitz in Babylon am Euphrat genommen; Bar- nabas hat ihm da den Markus zum Gehilfen mitgegeben, er selbst aber ist zuerst in Antiochien geblieben, bis ihn· dann nach der Gefangenschaft des Paulus im J. 58 die Entfernung desselben von den Ge- meinden zu Derbe, Lystra, Jconium und Antiochia in« Pisidien, an deren Gründung er wesentlichen Aniheil gehabt, auf den Gedanken brachte», unter— diesen Gemeinden sich ein Arbeitsfeld zu suchen, und« er nun von da aus feine Wirksamkeit weiter in Kleinasten auszudehnen versuchte, namentlich auch auf die Gemeinden zu Colossä, Laodicea und Hierapolis Paulus konnte ihm. einesBerechtigung hierzu nicht zugestehen und ließ seinen Gemeinden die Weisung zugehen, ihn nicht aufzunehmen, wodurch natürlich die Spannung aufs— Höchste stieg; es«-ka-m aber auch bald die Wendung, als der Apostel von Cäsarea aus nach Rom übergeführt wurde zur Verantwortung vor dem Kaiser. Vermuthlich ist es Silvanus gewesen, der dem Petrus über das Schicksal des gefangen nach Rom abgeführten Paulus näheren Be- 576 Evangelium Lucä l, 1-—4. richt nach Babylon überbrachte (1. Petri 5, 12); und da Petrus das Ende dieser Gefangenschaft (nicht die Befreiung, wie man gewöhnlich annimmt, sondern die schließliche Hinrichtung) wohl voraussah, so bot« er alles auf, eine Versöhnung zwischen seiner Partei und dem zum Blutzeugen berufenen Mitapostel zu Stande zu bringen, ehe derselbe aus der Welt ginge. Er vermochte also vor allen Dingen den Markus, sich dem« Gefangenen, der so sehr apostolischer Gehilfen bedurfte, Um auch von seiner Haft aus noch thätig in feinen Gemeinden zu sein, wieder zu Diensten anzubieten; Paulus nahm das Anerbieten an und ertheilte dem Timotheus in Ephesus den Auftrag, wenn er zu ihm käme, den Markus mitzu- bringen, denn er sei ,,ihm nützlich zum Dienst« (2. Tim. 4, 11). Mittels des Markus hatte aber Petrus auch den Barnabas zu einer Aussöhnung mit dem, dem er früher so nahe gestanden, veranlaßt; als dann der erstere in Rom ankam und auch dort die Sache der Ausgleichung betrieb , fand Paulus sich bewogen, in dem bald darauf abgesendeten Briefe an die Colosser (4, 10) die früher in Beziehung auf Barnabas gegebene Weisung, ihn nicht aufzunehmen, wieder zuriickzunehmen und so den wiederher- gestellten Friedensbnnd zu bestegeln So etwa entwickelten sich die Sachen im Laufe noch des ersten Jahres der römischen Gefangenschaft des Apostels (61 n. Chr.): auch in Philem. 24 sehen wir den Markus wieder als Gehilfen bei ihm. Für die weitere Entwickelung in den nächften drei Jahren, wie da auch Petrus nach Rom kam und neben Paulus daselbst für die Ausbreitung des Evangelii thätig war, der Procesz des letzteren sich zum Schlimmen wendete und seineHinrichtung zur Folge hatte, Markus aber nun wieder ganz im Dienste des ersteren stand, bis- derselbe in der Neronischen Verfolgung seinen Tod fand, behalten wir uns, um hier nicht zu ausführlich zu werden, die genauere Darlegung aus den Schluß der Apostelgeschichte vor; hier genügt diese Andeutung, um jetzt dasjenige beizubringen, was Pnpias über die Entstehung des Evangeliums St. Marei berichtet. Papias nämlich, Bischof von Hiera- polis in Kleinphrygien um die Mitte des 2. Jahrh., hat in 5 Büchern eine ,,Auslegung der Aussprüche des HErrn« geschrieben, die freilich bis auf einige Bruchstücke verloren gegangen isi; waswir aber davon noch haben, zeigt, daß das Werk überhaupt eine Darsiellung der geschichtlichen Wirksamkeit Christi und seiner Verkiindigung war, das ans der mündlichen Ueberlieferung der Urapostel schöpfen und noch alles zufammenfafsen sollte, tvas aus den apostolischen Kreisen an Mittheiluitgen über die Erlebnisse und Erinnerungen sich auffinden ließ und dazu dienen konnte, die früheren schriftlichen Arifzeichnungeti zu ergänzen, zu veranschaulichen und zu erklären. Für diesen Zweck forfchte er theils bei denen, die zu den Aposteln oder, wie er sie nennt, Aeltesten in näherem Verhältniß gestanden, um deren Aussagen zu er- fahren, theils trat er in unmittelbaren Verkehr mit 2 Jüngern des HErrn, dem Aristion (wobei man vielleicht an Lukas — sägt-Jesus»- = lucens —- zu denken hat) und dem Presbyter (Aeltesten = Apostel) Johannes; was er nun da in früher Jugend über die Entstehung des Evangeliums Marci erfuhr, ist dies: «Markus, als Hermeneut (Dolmetscher oder Concipietry des Petrus, schrieb Christi Aussprüche und Thaten , welcher immer er sich erinnerte, genau nieder, doch nicht der Reihe nach, denn er war weder Zuhörer noch Begleiter des HErrn.« Eine nähere Auseinandersetzung ist erst bei Besprechung des Aufenthalts des Petrus und Markus zu Rom, wo letzterer unzweifelhaft unter Leitung des ersteren, der damit die Zusage in 2. Petri I, 15 ff. erfüllte, bis zum Ausbruch der Neronischen Verfolgung Ende Juli 64 n. Chr. (vgl. Anm. zu Kap. 16, 8) sein Evangelium verfaßt hat, möglich; nur gegen zweierlei tnüssen wir uns schon hier verwahren, einerseits gegen die Ansicht derer, welche unser Evangelium für keine vollständige, nach einem bestimmten Plan geordnete Zusammen- stellung der Thaten des HErrn ansehen, sondern nur für eine kunstlose Aneinanderreihung von Bild an Bild, und andrerseits gegen die gegentheilige Meinung, welche dem Markus-Evangelio in Betrefs der geschichtlichen Reihenfolge der Begebenheiten den Vorzug vor den übrigen Evangeliety namentlich auch vor dem des Matthäus zuerkennen will, und glauben wir nach beiden Seiten hin den richtigen Sach- verhalt durch unsre bisherige Auslegung klar-gelegt zu haben , bis später dann auch das Verhältniß des dritten Evangelisten zu dem geschichtlichen Stoff, den er bearbeitete, sich herausstellen wird. Markus hat, wie Riggenbach gut bemerkt, die Erzählungen, die wir bei den Andern kürzer finden, häufig mit lebendigen Einzclziigen bereichern außerdem uns eine Anzahl besonders treffender Einzelworte des HErrn bewahrt. Er fügt den hebräischen Worten die Uebersetzung bei, aber zuerst giebt er sie hebräischx wir. sollen mit dabei sein, sollen es mit eigenen Ohren hören, wie das Machtwort ursprünglich gelautet habe; umgekehrt bedient er »sich häusiger als die Andern mitten in der griechischen Erzählung lateinischer Namen und Titel. So thut der Dolmetscher des Apostels in Rom, er verbindet Sorgfalt im Kleinen mit schlichter Größe im Ganzen; ans dem Munde des Apostels der That zeichnet er den Römern, jenem Volke der That, den Sohn Gottes in der Macht seiner Thaten. -—-——«-.--« sFx.—-—gs- -- — «— Vorwort des Evangelisten iiber die Veranlassung zur Abfassung seines Evangeliums. 577 Evangelium St. Fucci. Was Lukas der Kirche geworden ist als Evangelist und namentlich auch in seinen Schriften, dem dritten Evangelium und den Geschichten der Apostel, das ist er ihr freilich vor allen Dingen geworden durch die Gnade Gottes in Christo und durch die Gabe des heil. Geistes, allein,.was das menschliche Mittel betrifft, ganz besonders durch den Umgang mit seinem Lehrer Paulus und durch die Theilnahme an der großen eigenthiinilicheii Glaubensanschauung desselben; seine Schriften sind ganz in dem Geiste und in der Anschauungsweise des Paulus-abgefaßt. Wahrscheinlich entstand namentlich seine Dar- stellung der evangelischen Geschichte unter denAugen desselben, wie in ähnlicher Weise der Evangelist Markus seine Evangelienschrift unter den Augen des Petrus angelegt; und hat der Apostel auch nicht gerade das Evangelium des Lukas selber gemeint, wenn er sich auf sein Evangelium berief (Röm. S, 16; 2. Tun. 2, 7), so meinte er doch sicher eine Gestaltung der evangelischen Botschaft, wiesie schließlich ihren geschichtlichen Abdruck in dem Evangelium nach Lukas gefunden hat. St. Lukas ist der paulinische Evangelist der Kirche Das I. Kapitel. Iohannis tgeburt und Kindheit. In v. 1—4 schiebt der Evangelist seinem Werke ein Vorwort voraus, darin er siry gegen den, an welchen zunächst sein Evangelium gerichtet ist, iiber Veranlassung nnd August, Grundlage nnd Jlbfolge desselben näher aus— spricht. »Ja seiner chlichten Einfachheit, Besryeidenheit and Kürze ist es das nsler einer Vorrede zu einer ge- schicyilicyen Schrist«; für uns Leser aber ist cg eine Vor— erinnerung an die tkiirsorge Gottes für die Auszeichnung der Geschichte Jesu, nnd zwar durch redliche, sichere und zuverlässige Männer. 1. Sintemal sursprünglich hat Luther: Seht- mal, d. i. seit oder nachdem nun einmal] sichs viele unterwunden haben zu stellen die Rede [sich einen fchriftlichen Bericht zusamme1izustellen] von den Geschichten so unter uns [Christen, zuerst in dem Leben unsers HErrn und Heilandes Jesu Christi selber und dann in der Stiftung und Ausbreitung seiner Kirche Apostg. 1, 1 ff.] et- gangen [genauer: nach Maßgabe des göttlichen Rathschlusses zur Vollendung gekommen «-Matth. 19, 2 Amen] sind; « 2. Wie uns das snamentlich was die Be- gebenheiten aus dem Leben Jesu Christi; betrifft] gegeben [in mtindlicher Erzählung mitgetheilts haben, die es von Anfang lvon seinem UUd seines Vorläusers Johannes öffentlichem Auftreten an Joh. 15, 27; Apostg. 1, 2l- f.; Mark. 1, 1 ff.] selbst gesehen nnd fals die berufenen Verkündiger des Evangelii Kap. g, 2; 10, i] Diener des Worts gewesen sind, . 3. Habe ich’s auch [in die Klasse jener ,,Viele« V. 1 eintretend] für gut angesehen, nachdem ich alles Von Anbeginn sso daß ich über den eigent- lichen Anfang V. 2 noch weiter bis auf Jesu und Johannis Empfängniß und Geburt zurückging] erkundet habe, daß ichs zu dir, mein guter [ge- nauer: sehr geehrter Apostg. 23, 26; 24, Z; D ä ch s e l ’s Bibelwerk (P. Lange·) 26, 25] Theophilus, mit Fleiß swie ich’s auch also erkundet] ordentlich schriebe, 4. Aus daß du gewissen Grund erfahrest sdich überzengest von der unwandelbaren Gewiß- heit und unanfechtbaren Zuverlässigkeit] der Lehre svom Heilande und seinem Erlösungswerk], in welcher du unterrichtet bist [vgl. die Schlußbem zu unserm Evangelio]. Das Wort ,,sich’s unierwunden haben« ist sehr glücklich,gewählt, um die Größe und Schwierigkeit der Aufgabe, welche die ,,Viele« zur Hand genommen hatten, hervorzuheben; in des Lukas Augen war es beinahe ein Wagstück, zur Beschreibungs dieser Ge- schichte die Feder zu ergreifen. Nun ist es wohl nicht seine Absicht, einen eigentlichen Tadel gegen seine Vor- gänger auszusprechen, er stellt sich vielmehr mit ihnen in V. 3 in Eine Linie; von der andern Seite aber fällt es von selbst ins Auge, daß er selber sich nicht hätte zum Schreiben gedrungen gefühlt, wenn ihre Arbeit nach seinem Dafürhalten schon vollkommen befriedigend gewesen wäre. (v.Oosterzee.) Jn der Um- gebung des Theophilus, dessen Aufenthaltsort wir uns, wie sich hernach ergeben wird, in Unteritalien zu denken haben, hatten eine Anzahl von Christen sich von dem, was die ersten Verlündiger des Evangeliums von Jesu Christo erzählt hatten, fragmentarische Auf- zeichnungen aus der Erinnerung gemacht. Darin b das Bedürfniß eines fchriftlichen Ersatzes für die jetzt mangelnde Predigt derer, die alles »von Anfang selbst gesehen und Diener des Worts gewesen waren«, ich zu erkennen, und als Versuche zur Befriedigung eines ganz berechtigten Bedtirfnisses waren jene Auf- zeichnungen keineswegs zu tadeln; indem jedoch ein jeder das niederschrieb, dessen er sich gerade noch erinnerte, und so lauter fragmentarische, ordnungslose und nichtimmer zuverlässige Darstellungen entstanden, waren dieselben ungenügend. Da deutet denn Lukas an, inwiefern er im Stande sei, dem Bedürfniß besser zu entsprechenz denn wenn er auch nicht von Anfang ein Augenzeuge des Lebens Jesu gewesen, so hat er doch die Geschichte Jesu, die Geschichte des neutestament- lichen Heils, vollständig von ihrem Anfang an sorg- fältig erforscht, und so kann er den fragmentarischen und unzuverlässigen Aufzeichnungen ein zuverlässiges und geordnetes, in sich zusammenhängendes Ganze gegeniiberstellein Sehr natürlich warf man hernach jene Auszeichnungen weg, als durch des Lukas Schrift N. T. I· 37 578 Evangelium Lucä I, 4 Anm- dem Bedürsniß weit vollständiger abgehol en war; und so sind sie gänzlich verloren gegangen. ( brard.) Die Erkundigungen des Verfassers haben sich besonders auf drei Punkte erstreckt: 1) Er hat sich vor allem bemüht, auf den Anfang der Begebenheiten zurückzu- gehen, auf den Ausgangspunkt der christlichen Sache, welche er beschreiben wolltez er vergleicht sich mit einem Wanderer, welcher die Quelle des Stroms zu entdecken sucht, den er hernach in seinem ganzen Lauf verfolgen will. Das that die apoftolische Ueberlieferung nicht, sowie sie in der Kirche in Umlauf war; einzig von dem Gedanken der Verkündigung des Heils beherrscht, fing sie mit dem Auftreten des Täufers und der Taufe Jefu an. Jn dieser Gestalt finden wir sie dar estellt in dem Ev. Marci und zusammengefaßt in der redigt des Petrus vor Cornelius, sowie in der des Paulus zu Antiochia in Pisidien (Apostg. 10, 37 ss.; 13, 23 ff.). Der Verfasser spielt hier aus die in den zwei ersten Kapiteln seines Evangeliums enthaltenen Berichte an. Z) Nachdem er so auf die Anfänge der evangelischen Geschichte zurückgegangen ist, hat er sich bemüht, den ganzen Verlauf derselben so vollständig als möglich wieder zu geben; die apostolische Ue erlieferung dagegen war wohl von sehr fragmentarifchem Charakter, da die Apostel jedes- Mal nicht die ganze Menge der Be- gebenheiten erzählten, sondern diejenigen, welche den besonderen Umständen, unter welchen sie predigten, am meisten angemessen waren. Diese durch die Um- stände bedingten Erzählungen konnten wohl eine ziem- lich feste Gestalt angenommen haben, aber bedeutende Lücken mußten bei dieser Art der Verkündigung ent- Mit dem ,,alles« spielt Lukas wohl auf jenen- stehen. Theil seines Evangeliums an (9, 51—— 18, 14), in welchem zu der Tradition, wie wir sie in den zwei ersten Synoptikern gefaßt finden, eine zum Theil neue— Reihe von Thatsachen und Reden und der Bericht über eine wichtige Predigtreise hinzugefügt wird, welche bis dahin wahrscheinlich in der ösfentlichen Verkündi- gung ubergangen worden war. — »3) Er hat sich be- müht, der evangelischen Geschichte die Genauigkeit und Veksstiksikesiisi skikxpskkälchsii III» JBTTZFFVZBZ na uri e , « i i Mund zu Mund gegangen ist. Es ist ja bekannt, wie bei solchen Erzählungen die Spitzen abgestumpft, die Bausteine versetzt werden:· es bedarf einer sorg- fältigen, gewissenhaften Arbeit, um die· Thatsachen an ihre Stelle zuruckzuversetzem um ihnen ihre vollständige Gestalt, ihre scharfen Kanten· wiederzugeben —- das thut denn· dies Evangelium (im Unterfchied von den Vielen, die sich’s unterwunden låaben zu stellen die Rede von den Geschichten 2c.), un darauf bezieht sich das ,,ordentlich»« Schreiben (G»odet.) AiispchLukas hat sur geborne Heidenchrtsten geschrieben, gleichwie Markus, aber seine Schrift zeigt uns den Forfcher nnd Geschicht- schreiber »auf einer »weite»ren Stufe der· Entwickelung Nicht Missionsvortrage für Heiden, »die zum ersten Mal die Botschaft horen, sondern eine grundlichere und vollstäudigere Darstellung giebt er uns, durch welche Theophilus und die ihm Gleichstehenden »eine Ergänzung und Bestatigung des genossenen Unterrichts empfangen· sollen; und so leitet er auch bereits den Leser zu einer Vergleichung des alten Bundes mit dem neuen an. Seine Erzählung· fängt an im Tempel· Izu Jerusalem, die Apostelgeschichte führt uns schlie - lich in die Welthaupistadt Rom, in, welcher der Apostel, von den verstockten Juden verschmäht, dass Reich Gottes predigte und von dem HErr Jesn lehrte mit aller Freudigkeit unverbotem dies die Gegensätze, die Pole sozusagen, zwischen denen sich seine Erzählung bewegt. Er beginnt damit, uns en Priester vorzu- führen, welcher im Heiligthum des alten Bandes die Engelsbotschaft empfängt, die an das Wort Maleachi’s,s des letzten Propheten, anknüpst und ihm den» Sohn verheißt, der, vor dem König über das HausJakobs den Wegbahnen sollte;» s·o it Jesus auch bei Lukas der Davidsohn, der Konig Jsraels, und der neue Bund hat seine Wurzeln im alten. Aber zum Schluß weist der Auferstandene aus Mose und den Propheten nach, daß er durch Leiden in die Herrlichkeit eingehen mußte und daß die Predigt der Buße und Vergebung der Sünden in seinem Namen von Jerusalem zu allen Völkern ausgehen müsse; und eben dies schildert sodann die Apostelgeschichte, wie der erhöhete Heiland seine Apostel anwies und durch die That dazu führte, daß sie von Jerusalem aus über Samarien zu den Heiden die frohe Botschaft trugen, welche die Juden von sich stießen. Auch bei Matthäus ist dies das Resultat, aber eben das Resultat, nachde1n der König Herodes, die Pharisäer undSchrift elehrten, die Priester und Obersten durch ihren heillokfeu Einfluß den großen Theil des Volks zur bösen Entscheidung gebracht haben: bei Lukas steht dieses Verderbniß des anzen Volks weit mehr von Anbe inn fest; auf Sie Züge der Ge- schichte, welche diesge Widersetzlichkeit der Juden über- haupt offenbaren, richtet er besonders sein Augenmerk Bei ihm wird alles Volk vom Täufer als Ottern- gezüchte gestraft, nicht nur die Pharisäer und Sadducäer (8, 7); es sind etliche aus dem Volk, welche Lukas nicht als Schriftgele rte und Pharisäer ausdrücklich bezeichnet, die den Errn mit der Forderung von Wunderzeichen versuchen (11, 16)· Und schon Simeon, nachdem er den Heiland als das Licht der Heiden ge- priesen und freilich auch als den Preis des Volkes Jsrael, knupft doch sofort die Weissagung daran, daß er gesetzt sei zu einem Fall und Auferstehen Vieler in Jsrael und zu einem Zeichen, dem widersprochen wird; und. so widerfährt es dem HErrn bei seinem ersten Auftreten in Galiläa, daß er sogleich den Leuten feiner Vaterstadt sagen muß, wenn sie das Heil von sich weisen,—so werden, wie ehedem die Wittwe zu Sarepta und wie Naeman der Syrer, auch jetzt wieder die heidnischen Fremdlinge froh darüber sein. Das feind- liche Ergrim1nen, das er hier in Nazareth tragen mußte, war gleich von Anbeginn ini Kleinen ein Vor- spiel der Judenfeindschaft, welche den HErrn verwarf, so daß ihr Abfall der Heiden Reichthum wurde. Auch in der Bergpredigh wie sie Lukas etwas später gestellt hat, wird eine andere Seite als bei Matthäus hervor- gehoben; nichts-von den Worten lesen wir hier, worin der HErr seine Stellung gezeichnet hat zu Mose und dem Gesetz des alten Bundes, dagegen zeichnet uns Lukas die zahlreichen Widerfacher, über welche der HErr bereits den ernsten Weheruf ergehen läßt, und hat darum als die Hauptfache nur jene Ermahnungen an die Jünger behalten, daß sie mitten unter dieser Feindschast beten sollten für die Feinde und barmherzig seinwie der Vater barmherzig ist. Ganz besonders im zweiten Abschnitt des Evangeliums, nachdem der HErr sein Angesicht dem Leiden in Jerusalem zuge- wendet hat (9, 51sf.), wird uns der Gegensatz vor Augen gestellt zwischen denen, welche dem HErrn an- hangen, von welchen er ganze Entschiedenheit verlangt, und den Widersachern, die nicht wollen als Verlorene begnadigt werden und nicht erkennen wollen, was zu ihrem Frieden dient. Jsrael ist das Volk, das egen seinen König protestirt: »wir wollen nicht, daß ieser über uns »herrsche« (19, 14); und nach diesem seinem Trotze wird es auch dahin gegeben. Das s ließt aber nicht aus, daß Lukas sich an das Verhei ungswort Jesu, der über Jerusalem weinte, von Herzen hält, an Das Evang· Lucä der Erweis des Rechtes der Heiden zum Eintritt in das Messias-Reich. 579 die Weissagung nämlich, daß die Zertretung Jerusalems nur währen solle, bis die Zeiten der Heiden erfüllt seien (21, 24); wie auch sein Meister Paulus, der Apostel der Heiden, das Vertrauen festhält und das Geheimnis; offenbart, daß, nachdem die Fülle der Hei- den eingegangen, auch dem Volke der Wahl die Gnade noch unverloren sei (Röm. 11, 25 ff.). Einstweilen aber geht es wie nach jener Missionspredigt des Paulus (Apostg. 13, 45 u. 48): während die Juden wider- sprachen und lästerten, wurden die Heiden froh; und so achtet der Heidenevangelist von Anfang an auf alles, was uns Jesum als den Erlöser zeigt nicht für das ganze Jsrael und nicht einzig für Israel, sondern als den.Heiland aller Welt, der, obwohl in der Niedrigkeit des Stalles und unter der Botmäßigkeit des Kaisers der römischen Welt geboren, dennoch der rechte König aller Welt ist, von dem auch das Ge- schlechtsverzeichniß, wie es ni t von Abraham herab- geleitet, sondern auf Adam un auf Gott selber zurück- geführt wird, kundgeben soll, daß er der ganzen Menschheit angehöre. Es ist der Heiland, der die Siinderin annimmt; der alles Verlorene sucht, das Schaf, den Groschen, den Sohn; der den stolzen Juden mit dem Beispiel des Sainariters beschämt und sich des einen Fremdlings freut, welcher nicht wie die neun Juden zu danken vergißt; der dem hochmüthigem Pharisäergebet die Zerknirschung des Zöllners vorzieht und der selbst in dem Hause des Oberzöllners ein- kehrt; der das Ohr des feindlichen Knechtes heilt und den gefallenen Petrus anblickt; der am Kreuz für die Feinde betet und den Schächer begnadi t; dessen Ab- schied priesterliches Segnen ist (24, 50 .). Alle diese Züge hat uns Lukas allein berichtet: zeigen sie uns, wie ihm sein Meister Paulus den Sinn Zeschärft hat, um gerade diese Erweisungen der freien nade Christi gegen die Sünder allzumal aufzufassen und wieder- zugeben, so erscheint es besonders auch in der Er- zählung von der Einsetzung des heil. Abendmahls, wie sich Lukas, von Matthäus und Markus abweichend, an die Darstellung anschließh die wir in des Paulus erstem Corintherbrief (Kap. 11) lesen. Als Schüler des . Heideiigkojtels also schildert uns Lukas »in seinen Schriften, wie aus dem Mutterschoofz des alten Bundes die Erlösung für alle Welt geboren und von Jsrael auf die Heiden übergegangen sei. .(Riggenbach.) Jst das erste Evangelium (Matthäiis) der Erweis des Rechtes Jesu zur messianischen Herrskaft über Jsrael,iso ist das dritte Evangelium (1uk.) der Erweis des Rechtes der Heiden zum Eintritt in das Messias-Reich. (Godet.) Hat die urspriing- liche Evangeliengestaltungihre Entstehungsursache in dem Zweck, das Bild des lehrenden, Wunder thuenden und leidenden Jesus Hörern und Lesern in einer Weise vor Augen zu stellen, welche geeignet wäre, Glauben an ihn zu erwecken, so bildete sich damit von selbst auch jene Eintheilung des Evangeliums in eine gali- läische und jerusalemische Hälfte; nicht eine zusammen- hängende chronologisch sich entwickelnde Gesamint- geschichte des Lebens Jesu wollte man geben, sondern nur die zwei großen Bilder des thätigen und leidenden Christus in Je einem Eyclus von galiläischen und jerusalemischen Thatsachen aufstellen, und diese Grund- theilung findet sich dann auch in dem Evangelio des Lukas. Man hat gemeint, die eschatologischen Reden dieses Evan· eliums (19, 43 f.; 21, 20—24) setzten die Zerstörung Jerusalems voraus, da sie weit deutlicher von derselben redet, als die beiden früheren Evangelien; aber diese bestimmten Aussprüche von der Umwallung und Zerstöruiåg der heiLiStadt durch die Zeiden er- klären sich vo ständig, wenn wir die letzten ahre vor der Zerstörung Jerusalems ansetzen. Jndem das Ge- witter sich zusammenzog, mußten die darauf bezüglichen Weissagungen Jesu dem Evangelisten auch in ihrer bestimniteren Fassung zum Bewußtsein kommen; da- gegen verbietet die dem Evangelio als weiter Theil folgende Apostelgeschichte, jenes hinter as Jahr 70 n. Chr. zu verlegen. Jst die Absicht der letzteren Schrift, den Gang des Evangeliums von Jerusalem nach Rom, von den Juden zu den Heiden zu schildern, so muß es unbegreiflich erscheinen, wenn der Verfasser auch nicht mit Einem Wort auf die Thatsache der Zer- störung Jerusalems hingewiesen haben sollte; ist doch diese Thatsache zu der andern, daß das Evangelium unter den Heiden und in Rom Aufnahme findet, die negative Ergänzung, denn wie Gott im Evangelio den Heiden sich zuwendet, so zeigt er seine Abwendung von Jsrael, welche das Evan elium verworfen hat, durch die Zerstörung der heil. tadt. So werden wir denn in der sonst befremdlichen Bemerkung: Apostg. 8, 26., welche sagt, daß die Stadt Gaza wüste sei, eine Andeutung der Abfassungszeit sehen müssen; diese Anzeige hat nur Sinn, wenn die Thatsache der Ver- wüstung noch ganz neu war. »Nun wird aber nach Josephus (b. Jud. I1. 18, I) Gaza im Beginn des Krieges zerstört. Die Zerstörung Jerusalems ist dann wie eine göttli e Bestätigung der Darstellung des Lukanischen Wer s bald nach seiner Verbreitung ein- getreten. (Grau.) Man hat gemeint (in neuerer Zeit besonders Wieseler), Lukas verknüpfe grundsätzlich und durchgehends die einzelnen Erzählungen in ronolo- gis ch er Aufeinanderfolge mit einander, un hat des- halb sein Evangelium zur Richtschnur für die Ehronologie des Lebens Jesu machen wollen« indessen besagt der Ausdruck des Grundtextes, den »uther niit,,or entlich« übersetzt (iiai9egssg) nichts weiter als ,,zusammen- singend« (Ap»ostg.»3, 24; 11, 4; 18, 23; 21, 1), der vangelist will einen zusammenhängenden Bericht geben, in welchem er nichts übergeht, was für das Verständniß des Ganzen nach Plan und Anlage seines Werks von Wichtigkeit ist. (Lichtenstein.) Das Wort bildet lediglich den Gegensatz des zusammenhängenden, geordneten Ganzen zu den fragmentarischen Aufzeich- nungen der Vielen. Jn welchem Lande wir den Theophilus sammt den übrigen Lesern, für welche Lukas seine Schriften bestimmt hatte, zu suchen haben, ergiebt sich aus der Wahrnehmung, daß er palästi- nensische (Kap. 1, 26; 4, 31; 8, 26; 23, 51; 24, 13), kretensische (Apo»stg». 27, 8 u. 12), athenäische (Apostg. 17, 21), kleinasiatische (Apostg. 13, 13; 14, s) und macedonische cåApostg US, 2) Orte (selbst größere), Sitten und igenthümlichkeiten einer Erklärung für bedürftig hält, dagegen in Sicilien und Jtalien (namentlich Unteritalien und Mittelitalien bis Rom) alle Orte, (Apostg. 28), xa selbst kleine Localitäten (V. 15) als bekannt voraussetzt Jn Unteritalien haben wir also den Leser des Buches zu suchen. (Ebrard.) I. v. 5——25. (§. 5.) Seinem versprechen in it· 3 ge- mäß, und als in einer Zeit schreibend, wo man unter den Glänbigen bereits das Bedärfniß fühlte, außer der— jeuigen evangelischen Verständigung, iuelkhe die ursprüng- liche Predigtiveise der Apostel darbot, die, wie bekannt, mit der Thätigkeit des Täufers und der Taufe Jesu anhat, ankh die erfien Anfänge der neuteftamentlicheii Heilsgefchiihte Izu besilzeik beginnt St. Lukas fein Evangelium mit der Verkündigung der Geburt Iohauiiis, des Täufers, des ilorlänfers Christi· Ein gottesfürchtiger Priester mit ilameu Zaehariaiy in einer Stadt Indäiks init feinem Weibe Gtisabeih, die ebenfalls 377 580 Evangelium Lucä 1, 5——10· aus priesterlictjem Geschlecht stammt, in iiinderloser Ehe lebend, geht zu einer Zeit, wo seine Priester-Klasse wieder am Dienst ist, hinauf nach Jerusalem, und fällt ihm nun mittels des Looses für einen Tag das Amt zu, das dtäucheropser im heiligen während des stlorgengottekp dienstes darzubringen. Hier erscheint ihm der Engel Gabriel und liiindigt ihm an, wie sein Weib ihm einen Sohn geliiirea werde, dem er den dianien Johannes bei- legen sollte; als tiasiräer lebend nnd von der Gnaden— wirlisamlieit des heil. Geistes von Mutterleibe an in Dienst genommen, werde derselbe viele von den Kindern Israel zu dem HØrrm ihren! Gott, bekehren und vor dem nun bald erscheinenden jiiessias oorausgeheit im Geist und Kraft des Elias. Zarharias srhcnlgt dein Entgel- wort keinen reihten Glauben und wird, weil er ein Zeiihen begehrt, seiner Sprache beraubt bis dahin, wo beides, Geburt nnd Uamengebung des Kindes, geschehen wird; als er dann nach ioollendung der Dienstzeit nach Hause zurüknl:ehrt, wird Ølisabeth nicht gar lange darnach wirklich schwanger, verbirgt sich aber vor der Welt, bis· der tjcirr selber das Geheimnis ihres veränderten Ju- siandes linnd werden läßt. Z. Zu der Zeit Herodis sdes Großen, Schluß- bem. zum 1. Maccabäerb. Nr. 11], des Königs Judän fund des ganzen übrigen jüdischeu Landes, reg. von 37 bis 4 v. Chr.], war ein Priester von der Ordnung Abia sder achten von den 24 Klassen, in welche die Priester seit Davids Zeiten eingetheilt waren 1. Ehr. 25, 10], mit Namen Zacharias [hebr.Sacharja, d. i. der HErr gedenkt V. 72 sf.], und sein» Weib swars von den Tiichtern Aarons [gleichfalls aus priesterlichem Geschlecht — »die Abstammung aus priesterlichem Geschlecht gilt bei den Juden ebensoviel, als bei anderen Nationen der Adel«: Josephus], welche sden- selben Namen führend, wie einst Aarons Weib 2. Mos. 6, 23] hieß Elifabeth fzu deutsch: die bei Gott schwört, sich treu zu ihm bekennt s. Mos. 6, 13; 10, 20]. » 6. Sie waren aber alle beide fgleichwie aus edlem Geschlecht entsprossen und bedeutungsvolle Namen tragend, so auch nach ihrer inneren Ge- sinnung] fromm vor Gott fals die mit Ernst es sich angelegen sein ließen, nach seinem heiligen Willen zu leben] Und gingen fauch demgemäß] in allen Geboten und Satznngen des HErrn swie das Sitten- und Eeremonialgesetz sie enthält] nntadelig [so daß sie das Böse meideten wie Hiob 1, l. 8., doch nun auch desto» mehr ihre Erlösungsbedürftigkeit erkannten Rom. 3, 20 und auf den verheißenen Heiland warteten V. 68 ff.]. 7. Und sie hatten [den frommen Stamm- eltern ihres Volks, dem Abraham und der Sarah gleich 1. Mos. 15, 2 f.] kein Kind; denn Elifabeth war [schou ihrer anfänglichen Natur nach Richt 13, 2; 1. Sam. 1, o] unfruchtbar, und waren [überdem] beide fzu der Zeit, in welche die nach»- folgende Geschichte fällt V. s] wohl betaget sdie Aussicht auf Ehesegen war ihnen also nöch von einer andern Seite her auf natürlichem Wege für immer verschlosfen I. Mos. 18, 11 f.]. » »Wenn Gott den Leib eines Weibes verschließh thut er’s, um ihr hernach denselben desto wunderbarer zu öffnen und es offenbar werden zu lassen, das Kind, das sie nun doch noch gebieret, sei nicht die Frucht natiirlichen Umgangs, sondern ein göttliches Geschenk. Die Eltern insbesondere sollten auf diese Weise lernen, ihren Sohn von friihester Kindheit mit heiliger Scheu und innig theilnehmender Aufmerksamkeit zu behandeln, wodurch denn ein für seine Erziehung zum Propheten nothwendiges Gehege sich . um das Kind bildete-« —- Beachte übrigens, wie die evangelifche Ueberlieferung allmälig ihre Anfänge hinaufrüekt: vom Auftreten des Täufers (Mark. 1, 1 ff.) auf die genesis (den Ursprung) Jesu (Matth. 1, 18 ff.), und nun bis zur Empfäuguiß feines Vorläufers (d. Oosterzee.) Von Zacharias läßt sich sonst nichts jagen, als daß er, wie aus 4. Mos. 8, 25 f. zu schl1eßen, noch mcht über 50 Jahr alt war; gleiches Alter mochte anch die Elifabeth haben, und auf dieses kommt es hier hauptfächlich an. Jn Beziehung auf diese erfahren wir aus V. 36, daß sie mit Maria, der Mutter Jesu, verwandtzwar; entweder also stammte ihre Mutter aus Davidischem Geschlecht, während ihr Vater ein Priester gewesen, oder aber, was wahrfcheinlicher ist (V. 28 Anm.), die Mutter der Jungfrau Maria» während deren Vater Eli ein Nachkomme Davids war, gehörte zu den Töchtern Aarons. Welchesder Wohnort der beiden war, läßt sich mit iemlicher Sicherheit erniitteln Die Tradition bezei net das heutige Ain Kärim, IX, ällteilen westlich von Jerusalem (s. das Kärtcheu zu 1.Sam. 9, 5 und die Anm. dazu) als diesen Ort; dort befindet sich eins der schönsten und größten Klöster jener Gegend, dessen Convent- gebäude im Norden und Osten von kahlen Bergen überragt, im Süden und Westen aber von einem Dorfe umgeben ist; innerhalb der Klostermauern ist die Kirche über der Stelle erbaut, wo das Elternhaus des Täufers gestanden haben soll, und zeigt man seine Geburtsftätte unterhalb des Hauptaltars Sechshundert Schritt vom Kloster liegen die Ruinen einer andern Kirche, angeblich da erbaut, wo ein zweites Haus des Zacharias, das Haus vom Felde genannt, gestanden habe und Maria und Elifabeth sich einander begrüßten (V. 40 ff.). Indessen kann uns diese Tradition weniger berühren, als die Angabe in V. 39: «zU der Stadt Juda«. Es ließe sich der Ausdruck ,,Stadt Juba« wohl für den Namen der Stadt selbst nehmen, indem es wirklich einen Ort Kirbet ei Jehud (d. i. Stadt Juda) im Wadh Bittir (1 Stunde südwestlich von dein vorhin-genannten Ain Käriny giebt, und würde nun die Tradition, welche mit den Gedenkstätten aus des Täufers Kindheit und Jugend nach Westen und Süd- Westen von Jerusalem weist, auf gutem Grunde be- ru en. Allein die jenem Ausdruck vorausgehende An- gabe »auf das Gebirge (Juda)« weist uns vielmehr nach Süden von Jerusalem, in die Gegend von Hebron Wenn nun da eine Lesart an Stelle von ,,Stadt Juba« die Worte bietet ,,Stadt Juta (oder Jutta)« und damit das etwa 2 Stunden südlich von Hebron ge- legene, ins Ins. 15, 55 erwähnte Städtchen dieses Namens als die Heimath des Zacharias bezeichneh so war dasselbe allerdings eine Priefterstadt (Jos. 21, 16); der Ort liegt aber schon tief in diejenige Gegend hinein, welche feit derbabylonischen Gefangenschaft von den Jdumäertf in Besitz genommen war (1.Maec. 4, 15 Anm.), und ist deshalb fchwerlich die wahre Heimathsstätte der Eltern des Täufers. Es dürften Der Priester Zacharias das Räucheropfer im Tempel darbringend 581 also wohl die Rabbinen Recht behalten, welche als solche·die auf dem Gebirge Judagelegene Priesterstadt Hebron (Jos. 21, 11; 2. Sam. Z, 1 Anm.) namhaft machen. Warum aber hat denn St. Lukas sich so unbestimmt ausgedrückt und den Namen nicht gleich selber angeführt? Schwerlich, wie manche Ausleger behaupten, weil er diesen Namen nicht kannte; er be- zeugt ja, daß er alles mit Fleiß erkundet habe, und konnte in seiner, den Begebenheiten so nahe stehenden Zeit den Namen leicht erfahren, wenn er ihn wirklich nicht gewußt hätte. Jm Gegentheil fcheint der. Aus- druck in dem Sinne gewählt, wie in Apostg 8, 5: ,,Stadt Samaria«; gleichwie St. Lukas dort voraus- setzen konnte, daß seine Leser an keine andere, als an die Hauptstadt dieses Landes (Samaria) denken würden, so setzt er das Gleiche auch hier voraus, und die Hauptstadt im Gebirge Juda war eben Hebron. 8. Und es begab sich snach unsrer Rechnung im J. 6 v. Chr. Matth. 9, 34 Anm.], da er [in der Woche vom 17——23. April zum ersten Mal in diesem Jahre 1. Chron. 25, 10 Anm.] Priester- amis sbeim Tempel zu Jerusalem Matth. 4, 7 Arm] pflegete vor Gott, zur Zeit seiner Ordnungs« 9. Nach Gewohnheit des Priesterthums [ver- möge deren die verschiedenen Amtsverrichtungen unter den Gliedern der gerade an der Reihe be- findlichen Priesterklasse durch’s Loos vertheilt wurden], und san dem einen Tage jener-Woche in Folge Verloosung Sprüchw· 16, 331 an ihm war, daß er rauchern idas Räucherwerk « beim Morgengottesdienst Z. Mos. 30, 7 f. darbringen] follteisp swas zu den ehrenvollsten und heiligsten Geschäften des priesterlichen Amts gehörte d. M. 33, «10 f.]; ging er lzur Ansrichtung dieser Inne- tion] in den Tempel des HErrn [in das Heilige, in welchem der Räucheraltar vor dem Vorhange des Allerheiligsten stund 2. M. 30, 1—6]. 10. Und die ganze Menge des Volks lsoviel ihrer zum Gottesdienst sich eingefunden hatten] war-draußen [im Vorhoj des Volks] und betete unter der Stunde des Rauchernsttt [4- Mvs 283 8 Anm.]. s) Moses, unser Meister, vertheilte die Priester in 8 Ordnungen, und so bestanden sie bis auf Samuel den Propheten, der mit König David 24 Ordnungen herstellte; über jede Ordnung war ein Haupt gesetzt, und sie gingen, jede Ordnung eine Woche, zum Dienste nach Jerusalem hinauf. So wechselten sie"von·Sab- bath zu Sabbath; die eine Ordnung trat ab, die an- dere kam an ihre Stelle, bis die Reihenfolge um war und dann sich wieder olte. (Maimonides.) Jndem bei dem levitischen Gottes ienst viel zu thun war, auch der Priester an jeglichem Tage nicht wenige waren, damit auch hierin alles ordentlich und ehrlich zuginge und niemand den andern hinderte, sondern ein jeder wüßte, was ihm an seinem Tage zu thun gebührete, so war die Anordnung gemacht, daß alle Morgen unter den Priestern des betr. Ta es elooset wurde, wer dies oder das thun sollte. Jm almud werden vier Loose angeführt: das erste, wer den Brandopferaltar zu reinigen hatte; das zweite sonderte 13 Priester aus, wer das Lamm schlachten, wer das Blut sprengen, wer den Räuchaltar reinigen, wer die Lampen zurichten sollte u. s. w.; das dritte Loos ging auf’s Räuchern, zuwelchem Loos allezeit neue Priester herzutraten, die zuvor noch nicht geräuchert hatten, da keinPriester sein Lebenlang mehr als einmal das Rüuchwerk dar- bringen sollte. Das vierte Loos endlich entschied, wer die von andern Priestern (5——13 beim 2. Loose) bis an den Ausgang des Altars gebrachten Theile des Lammes vo ends auf den Altar hinauf bringen sollte. (Lundius.) . H) Es ist ein zarter Zug der Consequenz des theokratischen Geistes, daß sich im Heiligthum des Tempels der Juden zuerst das unsichtbar webende Ereigniß der Menschwerdung Gottes ankündigte, daß zuerst die Priesterschaft Jsraels in einem ihrer ge- weihtesten Organe Und bei einer heil. Function hin- eingezogen wurde in das keimende große Geheimniß; einem ergraueten Priester war .es beschieden, zuerst wieder das prophetische Evangelium von dem kommen- den Messias zu verkündigem nachdem der prophetische Geist lange geschwiegen hatte, und ein Priestersohn war dazu bestimmt, die lange Reihe der messianischen Propheten als der unmittelbare Vorläufer Christi zu beschließen. Zwar schien um diese Zeit der Tempel fast ganz oeeupirt zu sein von todtem, scheinheiligem Priesterwesenz aber der Geist der Offenbarung wußte das gesunde Organ an dem kranken Körper aufzu- finden. Freilich war die göttliche Mittheilung, welche Zacharias im Tempel empfing, wie ein Geflüster des reinen Geistes der Offenbarung, welcher das falsche Gehör der in dumpfen Fauatismiis versunkenen Priester- schaft schaute; wie ein verschwiegenes Gut mußte er dieselbe verstummend in seine Einsamkeit hineintragen, um sie vor der Profanation seiner ordinirten Standes- genossen zu sichern. Aber -die Theokratie konnte doch nicht umhin, den Tempel, die Stunde des Gebets, den wahren Priester zu ehren, da sie im Begriff war, dem shmbolischen Heiligthum gegenüber das wesentliche und ewige zu bilden. kP. Lange.) IN) Wir tragen kein Bedenken, als denjenigen Tag der betr. Woche, um den es sich hier handelt, den letzten (23. April) oder den Sonnabend zu bezeichnen, indem ja von einer ganzen Menge des Volks die Rede ist, die am Gottesdienste Theil nahm, was an ge- wöhnlichen Tagen wohl nicht der Fall war; und da tritt uns nun er 92. Psalm als Tagespsalm entgegen, der beim Morgengottesdienst durch die levitischen Sän· er zur Ausführung kam. Gewiß ist der Psalm schon fei- nem Jnhalte nach so tresflich, wie kaum ein anderer, geeignet, gleichsam das Glockengeläut zu dem neuen Anfang der Dinge, der drinnen im Tempel sich voll- zieht, zu bilden; wir machen insbesondere auf die nahe- liegenden Beziehungen zwischen den Eingangsworten unsrer Geschichtex ,,Zu der Zeit Herodis, des» Königs» Judäa« mit V. 8 ff. in jenem Psalm aufmerksam: »die Gottlosen grünen wie das Gras, und die Uebel- thäter blühen alle, bis sie vertilgt werden immer und ewiglich« &c» gleichwie auch V. 11: »aber mein Horn wird erhöhet werden wie eines Einhorns« gut zu- sammenstimmt mit des Zacharias nachherigem Lob- gesang (Luk. 1, 69): »der HErr hat uns auf· erichtet ein Horn des Heils in dem Hause seines— ieners David«, ebenso ist Zacharias selbst ein thatsächlicher Belag zu V. 14 ff.: »die gepslanzt sind in dem Hause des HErrn, werden in den Vorhöfen unsers Gottes grünen u. s. w.« Aber auch rücksichtlich seines Ursprungs ist gerade dieser Psalm von hoher Bedeutung: wie trostlos war die Zeit des frommen Königs Josia, wie vergebens sein Bemühen, sein Geschlecht und sein Volk zu retten von dem drohenden Untergange (2.Kön.23, 27 Anm.)! Aber doch« hat er mit seinem Glauben sein Haus nicht auf Sand gebauet; es bereitet sich 582 Evangelium Lucä 1, 11—20. nunmehr, nach etwa 618 Jahren, die Verwirklichung dessen vor, was sein Trost und seine Hoffnung für die Zukunft gewesen. 11. Es erschien ihm aber [nicht in einem bloßen Gesicht, sondern wirklich und leibhaftig] der Engel des HErrn sGabrieli V. 19; Dan. s, 16; 9, 211 und stund zur rechten Hand am Räuch- altar [d. i. auf der Südseite 1.Mos. 13, 9 Anm., also da, wo der güldene Leuchter sich befand 2. M. 40, 22 ff.; denn zu diesem stund er als einer von den sieben Geistern Gottes Ossb. I, 4; 4, 5; Sach. 4, 10 in näherer Beziehung und gab sich nun durch den Standort, den er dem Zacha- rias gegenüber einnahm, demselben zugleich in seiner Herkunft zu erkennen V. 19]. 12. Und als Zacharias ihn sahe, erschrak er [Richt.6,22;13, S. 20 ff.; Dan.10,7f.; Luk. 2, g; Mark. 16, 5], und es» kam ihn eine Furcht an« swas da werden würde]. 13. Aber der Engel sprach zu ihm: Fürchte dich nicht [Kap. 2-, 10; Matth. 28, b; Offenb. 1, 17; Dan. 10, 19J, Zakharia [du hast vielmehr Ursache dich zu sreuen]; denn dein Gebetsps [so- wohl das, das du vormals um Ehesegen, als auch das, das du jetzt mit deinem Räuchern im Namen des Volks gethan und mit letzterem um die Zukunft des Erlösers gebeten] ist erhöret, und dein Weib Elisabeth wird [zur Erfüllung der ersteren Bitte] dir einen Sohn gebären, deß Namen sollst du szum Zeichen, daß nun die Zeit da ist, da Gottes ganze Huld sich seinem Volke zur Er- füllung der messianischen Weissagung zuwendet] Johannes [d· i. Gotthold 2. Kön. 23, 30 Anm., vgl. 1. Chron· 3, 15; 2. Chr. 17, 15; 23, l; 28, 12; Z. Kön. 25, 23; Jer. 40, 8 ff.; Reh. 12, 131 heißen. . 14. Und du wirst deß sin Folge der Geburt dieses» Sohnes] Freude nnd Wonne haben, und viele werden sich snicht blos in nachbarlicher Theilnahme V. 58, sondern mehr noch um der Erkenntniß des Heils willen, dazu er ihnen ver- htlft V· 77] seiner Geburt freuens 15. Denn er wird groß sein vor dem HErrn snach des HErrn Urtheile und mit seinem Maße gemessen Kap. 7, 28]; Wein und stark [aus Obst, Palmenfrüchten u. s. w. bereitetes hitziges] Getråuk wird er lals einer, der durch sein ganzes Leben ein Verlobter Gottes sein wird 4. Mos. 6, 1 ff.; R1cht. 13, b; 1. Saite. 1, 12] nicht trinken, nnd er wird noch im Mutterleibe [wörtlich: noch von Mutterleibe her, wo er allbereits unter gött- liehen Einfluß getreten ist V. 41] ersüllet werden mit dem heiligen GeistH [der ihn in seine Er- ziehung und Leitung nimmt und mit den nöthigen Gaben zur Ausrichtung seines Amtes ausstattet]. 16. Und er wird [in seinem nachmaligen Amte-leben] der Kinder von Israel viel swenn auch im Vergleich zu der großen Masse derer, die sich verstocken, nur einige wenige] zu Gott, ihrem HErrn, bekehren [daß sie im Glauben das ihnen angebotene Heil annehmen]- 17. Und er [selbst, was sein Amt und Ve- ruf betrifft] wird vor ihm sdem HErrn, der in dem kommenden Mesfias unter seinem Volke er- scheint Tit. 2, 13., in Erfüllung dessen, was in Mal. 3, 1;.4, 5 f. geweissagt] hergehen im Geist und Kraft [des] Elias, zu bekehren die Herzen der Väter sder gläubigen Vorfahren dieses gegen- wärtigen Geschlechts] zu den Kindern sdaß sie dieselben wirklich für ihre Nachkommen ansehen können], und die Ungläubigen sjetziger Zeit, die es fast verlernt haben, nach dem verheißenen Hei- lande mit rechtem Verlangen sich auszustrecken] zn der Klugheit der Gerechten [Kap. 10, 24], znznrichten dem HErrn ein bereit Volks-H [das willig und geschickt ist, bei seiner Erscheinung ihn aufzunehmen Jes. 40, 3 ff.]. . V) Sehr absichtsvoll ist Gabriel gesandt; denn er hatte dem Propheten Daniel (9, 24 sf.) die Zeit des Mesfias angekündigt, seinejetzige Erscheinung war also ein Zeichen des Ablaufs der alten Periode. (Heubner.) IV) »Auf der einen Seite spricht sich in dieser Furcht beim unmittelbaren Anschauen von Erscheinungen aus der unsichtbaren Welt das Gefühl der Sündhaftigkeit aus, ohne Sünde würde der Mensch in dem Göttlichen sein Verwandtes sehen und statt der Furcht nur die Empfindung des Entzückens haben; auf der andern Seite aber drückt sich in dieser Furcht auch die Em- pfänglichkeit für die Auffassung dieses Gegensatzes zwischen dem Reinen und Unheiligen aus, und hierin hat sie ihre edle Seite. Deshalb heißt diese Furcht Gottes nie etwas Tadelnswerthes, sondern aller Weisheit Anfang und Ende (Ps. 111, 10; Jes. 11, 2). Diese Furcht Gottes, die mit der Liebe besteht (Ofsb. I, 17), ist daher nicht u verwechseln mit der Furcht, welche der Geist der nechtschaft wirkt; letztere ist Furcht Vor Gott, welche durchaus tadelnswerth ist, jene könnte man Furcht vor sich selbst oder für Gott nennen. (Olshausen.) »Es) Wie nach V. 7 überhaupt nicht anzunehmen ist, daß der fromme Priester jetzt noch um Kinder gebeten habe, so kann er am wenigsten beim Räu ern in seiner amtlichen Thätigkeit eine solche Privat ache zum Gegenstand seines Gebets gemacht haben; auf das eben bei der priesterlichen Räucherung Von ihm gethane Gebet aber, indessen Gemeins aft auch das draußen versammelte Volk stand, mu das ,,dein Gebet« bezogen werden. Dieses amtliche Gebet betraf das höchste Anliegen des garZen Jsrael, nämlich die messianische Errettung des olks (Ps. 14, 7), das ,,dein Reich komme«. (Meyer.) Dies Gebet, sa t der Engel, sei erhöret; denn fchon sei die Ankunt des Mesfias vor der Thür, u dessen Vorläufer derjenige bestimmt sei, der dem åacharias als Sohn geboren werden würde. (Grotius.) T) Das ist soviel gesagt, daß diese Geburt den Menschen einen sondern Nutzen bringen werde; denn er meldet von zweierlei Freude. Die eine ist der Eltern; denn es ist eine natürliche Freude gemessen, daß sie in ihrem Alter sollen einen Sohn lfa en, sonderlich aber wird sich die unfruchtbare Eli abeth gefreut haben, die so lange Zeit den Fluclzund die, Der Engel Gabriel Verkündigt dem Zacharias die Geburt eines Sohnes. 583 Schmach hat tragen müssen, daß sie unfruchtbar ge- wesen, und deshalben andere Weiber hat müssen fliehen wie eine Eule die Vögel. Das ist eine Freude, die Vater und Mutter über diesem Kinde» gehabt haben; aber die andere Freude ist noch größer, daß auch Andere sich dieses Kindes freuen ollen — nicht seiner Geburt halber allein, sondern seines Amts halben, daß Gott nun so einen tröstlichen Prediger hat austreten lassen, der mit seinem Finger aus den Sohn Gottes zeigen und Vergebung der Sünden durch ihn verheißen soll allen, die ihn annehmen und an ihn glauben· O wie selige Ohren, will der Engel sagen, werden diese sein, welche die Stimme hören werden: ,,Siehe, das Lamm Gottes, welchcs der Welt Sünde trägt!« Wie selige Augen werden es sein, die den seligen Finger sehen werden, damit er auf das Opfer deuten wird, das für der Welt Sünde soll ge- opfert werden! (Luther.) » H) Wer ist groß vor dem HErrn? I) Der das, was er ist, nicht aus sich, aus eignem Antrieb, Ehr- geiz, fleischlichem Kraftgefühh sondern aus dem Triebe des heil. Geistes, im Drange der göttlichen Kraft ist — kurz, nicht der, der sich selbst, sondern den Gott groß macht; Z) der, welcher einen göttlichen Beruf Rat, also ein Werkzeug Gottes ist, viele Seelen zu ekehren, Gottes Reich auszubreitem für den Himmel zu arbeiten; 3) der, welcher in diesem Beruf bewährt wird, indem er um desselben willen gern alles über sich nimmt, was Gott über ihn verhängt: Entbehrungen, Leiden, Kämpfe. Darnach ist der Unterschied zwischen wahrer und eingebildeter Größe zu bestimmen. (Heubner.) — Jm Nasiräaterscheint der strenge Gesetzescharakter concentrirt, und die en auszuprägen war eben Johan- nes, gleichsam als chlußstein des A. Test., berufen; es ist daher diese Form der Frömmigkeit deshalb, weil sie eine himmlische Erscheinung dem Johannes als Vorzug beilegt, noch nicht etwa die höchste, viel- mehr umgekehrt wird sie deshalb ihm zur Pflicht ge- macht, weil eben sie zu seiner ganzen Berufung und Bestimmung paßt. Die Weisheit Gottes erfaßt jede Persönlichkeit in ihrer Jndividualität (Eigenthümlichkeit) und ihren Umgebungew und fordert weder von jedem no giebt sie jedem alles. (Olshausen.) —— Wenn Jo annes schon im Mutterleibe heiligen Geistes voll werden soll, so ist offenbar vorausgesetzh daß die Leibesfrucht nicht allein Seele, sondern auch Geist hat; denn eben der menschliche Geist ist ja das Or an zur Aufnahme des göttlichen. Auch sonst ver egt die Schrift geheime Vorgänge, die vor allem den Geist betheiligen, in das Leben im Mutterleibe zurück, ins- besondere Aussonderung und Heiligung zu hohem Berufe (Jes. 49, 1. 5; Jerem. 1, 5; Gal. 1, 15), und sowohl gläubige Gottesliebe (Ps. 22, 10 f.; 71, B) als sich elbst verkehrende Abkehr von Gott (Ps. 58, 4; Jes. 48, 8) werden wenigstens ohne Grenze in die Zeit der Kindheit zurückdatirh um von I. Mos. 25, 22; Hof. 12, 4; Luk. 1, 41 zu schweigen. (Delitzsch.) ist) Es ist eine merkwürdige Probe der göttlichen Weisheit, daß Johannes als der zweite Elias ange- kündigt wird. Dieser Name ist die erste Andeutung seiner Aufgabe, seines Streits, seines Schicksals: wie Elias sollte er austreten als Reformator einer äußerst verdorbenen Nation« wie Elias sollte er austreten egen die falschen Götter seines Jahrhunderts; wie Elias sollte auch ihm Verwerfung, Verfolgung und redliche Anerkennung zu Theil werden. Die Aehnlich- leit des Johannes mit Elias fällt sogleich in’s Auge, wenn wir nicht allein auf die Kleidung und Lebens- weise, sondern auch auf den Geist und Character des Vu predigers achten. Die Verschiedenheit, welche be- sonders darin besteht, daß der zweite Elias keine Wunder gethan, erklärt sich aus dem Eigenthümlichen seines Verhältnisses zum Messias. Wo dieser erscheint als Prophet mächtig in Worten und Werken, konnte sein Wegbereiter keine Zeichen thun, oder die Auf- merksamkeit wäre getheilt und eine Ver leichung her- vorgelockt worden, die nothwendig zum achtheil eines der beiden ausfallen mußte. Wer sich ärgert, daß um das Haupt des größten der alttestamentlichen Propheten kein Nimbus von Wunderkraft glänzt, findet die Ant- wort in Joh. 10, 41. (v. Oosterzee.) Die Väter sind die frommen Alten, die vor Gott wandelten und auf den Heiland harreten; von ihnen waren die Kinder, das Geschlecht zu Johannis Zeit, abgefallen und hatten die Klugheit der Gerechten mit Unglauben vertauscht. Jetzt sollen die Herzen der Kinder wieder werden wie die Herzen der Väter; in Gott, dem HErrn, sollen Väter und Kinder geeinigt sich wieder finden (Jes. 1, 26). Die Klugheit, der Sinn der Gerechten ging auf den verheißenen Erlöser hin, denn nur in ihm hatten sie Gerechtigkeitx dieser Sinn sollte durch die Bußpredigt und Heilsankündigung des Johannes in dem abtrünnigem ungläubigen Volke wiederum erweckt werden; dadurch ward dem HErrn zugerichtet ein bereit Volk. Das Bundesvolk sollte in dieser Advents- zeit noch einmal den Zug des Vaters zum Sohne, der dur das ganze A. Test. geht, mächtig spüren, und die erzen sollten dem Heilande grünen in Lob und Preis, wie vor Zeiten das Herz Davids — »der Mann, der ihm so wohl gefiel, wenn er ihm sang auf Saitenspiel« (Besser.) 18. Und Zachakias fder dieser Votfchaft, trotzdem daß sie an heiliger Stätte und in hei- liger Stunde aus dem Munde eines himmlischen Predigers ihm Verkündigt ward, nicht auf’s Wort hin glauben mochte, sondern noch ein äußeres, sichtbares Zeichen als Unterpfand für die gewisse Erfüllung dessen, was ihm hier zugesagt ward, begehrte] sprach zu dem Engel: Wobei san was für einem Merkmale oder Zeichen 1. Mos. 15), 8] soll ich das ldaß mir noch ein Sohn geboren werden wird V.«13] erkennen? denn ich bin alt [daß ich, nachdem meine Hoffnung auf Kindersegen in so vielen Jahren nicht in Erfüllung gegangen, mir nun auch keine mehr mache], und mein Weib ift betagt* lso daß von ihrer Seite es sogar un- möglich scheint, daß dein Wort sich bewahrheite 1. Mos.»17, 17; 18, 12]. 19. Der Engel antwortete und sprach zu ihm: Jch bin Gabriel [d. i. Mann Gottes-L der vor Gott stehet« [1. Kön 17, 1], und bin sin dieser meiner Eigenschaft als Diener des allerhöchsten Gottes] gesandt, mit dir zu reden, daß ich dir folches [was ich vorhin V. 13 ff. gesagt habe] verkündigte fund da solltest du meine Erscheinung selber schon für ein hinlängliches Unterpfand der Gewißheit des Verkündigten auf- und annehmen]. 20. Und stehe Ida du gleichwohl noch ein besonderes Zeichen verlangst, so soll es dir gegeben werden], du wirst fdurch Gottes wunderbare Wirkung von diesem Augenblick an] verftummen Und nicht [auch wenn du gern wolltest] reden 584 Evangelium Lueä I, 21——27. können bis auf den Ta , da dies swas dir so unmöglich vorkommt] ge chehen wird [als eine fertige, nun zur vollen Wirklichkeit gewordene Thatsache vorliegt und mit aller Macht zum Lobe und Preise Gottes drängt V. 63 fs.], darum saber wird bis dahin das Sprachvermögen dir genom- men], daß dn meinen Worten nicht geglaubet hast, welche swie du bei einem gläubigen Herzen dir von selbst hättest sagen können, auch ohne daß es erst eines Merkzeichens an deinem Leibe zur Bürgschaft dafür bedurft hätte] sollen erfullet wer- den zu ihrer ZenOW V) Jn solchen Momenten, wo dem Gottergebenen die lang ersehnte Gewährung eines großen Gutes, dessen Versagung er längst verschmerzt zu haben glaubt, plötzlich ganz nahe gerückt wird, da äußert sich leicht die ganze Reizbarkeit seiner Seele in einer schnellen Reaction; der Friede der Entsagung ist ihm nun so theuer geworden, er fühlt sich so sicher, frei und stolz in der Weltarmuth, die er als sein Lebens- geschick aus Gottes Hand angenommen hat, und möchte nicht gern wieder in die alten Kämpfe zurückgeworfeit werden. Dazu kommt, daß in der Regel noch ein Rest von bitterer Erinnerung unvertilgt im Grunde seiner Seele liegt. Er wähnte sich einst durch die Vorsehung gekränkhaber er mußte im Drange seiner Gottergebenheit dieses Gefühl bekämpfen, verdammen, ertödten; jetzt aber unter der überraschenden Verkün- digung lodert die gedämpfte Flamme jenes Unmuths noch einmal wieder auf. So bildet sich aus verschie- denen Empfindungen ein starker Affekt, eine krampf- hafte Zuckung des Gemüths, welche die Verheißung von sich zu stoßen scheint. So machte Abraham Ve- merkungem als ihm Jsaak verheißen wurde; Moses schien nicht mehr freudig bereit zu sein, das höchste Jdeal seiner Jugend zu verwirklichen, Israel zu er- lösen; eine ähnliche Enipfindung äußert Zacharias Er hatte freilich Ursach zu fragen: wie soll das zu- gehen? denn ich bin alt und hochbetagt ist mein Weib; allein er verlangt keinen Aufschluß, sondern ein neues Zeichenx wobei soll ich dies erkennen? die Erscheinung scheint ihm kein genügendes Zeichen zu sein. (P. Lange.) di) Allent alben, wo des Engels Gabriel er- wähnt wird ( an. 8, 16; 9, 21; Luk. 1, 19. 26), fin- den wir ihn als Verkündiger göttlicher Rathschliisse und zwar nur höchst wichtiger-Rathschlüsse, die sich« entweder auf den Niessias oder auf den Antimessias (Antiochus Epiphanes) beziehen. Außer Gabriel wird in der heil. Schrift nur noch ein Engel mit Namen genannt, Michael, und zwar ebenfalls zuerst bei Daniel (10, 13. 21; 12, 1), dann im neuen Testament (Judä V. 9 u. Offb.12,7). Es ist natürlich, daß wir in den Schriften, die davon ihren Namen haben, daß in ihnen der Vorhang vor der unsichtbaren Welt weg- gezogen ist, die reiifihsten Aufschlüsse über die Engel finden, wie in der O enb. Johannis, so bei Daniel, dem alttestamentlichen Apokalyptiker (Dan. I, 7; 7, 1 Anm.); bedentsam aber ist, daß Daniel für seinen Gabriel wie für seinen Michael neutestamentliche Be- stätigung erhält, ja daß Gabriel insbesondere, wie er schon in Dank) die Erscheinung des Messias weissagt, in die Thatsache aller Thatsachen, die Geburt Christi verflochten ist. Michael erscheint überall als der Hiiter und Vorkämpfer des Volks und der Sache Gottes egenüber den gottwidrigen Geistesmächten, mithin ebenso als Vollstrecken wie Gabriel als Verkündiger der göttlichen Rathschlüsse Wenn die Engel überhaupt die kreatürlichen Werkzeuge der Wirksamkeit und der Offenbarung Gottes in der Welt sind, und die Offen- barung als That- und Wortoffenbarung (Wunder und Weissagungkin die Erscheinung tritt, so haben wir mithin in jenen beiden, allein mit Namen genannten Engeln die Hauptrepräsentanten des Geschäfts der Engel: Michael ist der Mann der That, Gabriel der des Worts. (Auberlen.) . s IN) ,,Verstumnien und nicht reden können« ist kein reiner Pleonasmus (Wortiiberfluß): das erste bezeichnet die Thatsache, das zweite den Grund. de Wette) Mit seiner Zunge hat sich Zacharias im Heiligthum versündigt, an seiner Zunge wird er gestraft; und weil er dem Worte Gottes aus des Engels Munde nicht die Ehre gegeben, so wird ihm selbst das Wort von der Zunge genommen. (Münkel.) Er, der keine Zunge hatte zum Danke gegen Gott, sollte sie nun auch nicht haben zum Reden vor Menschem er, der kein O gehabt für die Ankündigung des Messias, sollte nun auch. keine Sprache haben. (Ebrard.) Die Bedenken wegen der Härte dieser Maßregel, wobei man die Un- gestraftheit Anderen wie Abraham’s und Sarah’s ver- glichen hat, sind, die Sache geschichtlich betrachtet, weder durch die Annahme größerer Verschuldung, welche der Allwissende gekannt habe, noch durch Be- rufung auf das geringere Alter des Zacharias u. dgl. zu erledigen, sondern an den Rath Gottes (Röm. 11, 33 f.) zu verweisen, dessen verschiedene Maßnahmen sich dem menschlichen Urtheile zwar nicht enthüllen, jedenfalls aber die Erwägung gestatten, daß je näher der Anbruch der Messiaszeit ist, desto unverletzlicher auch die Forderung des Glaubens an die Verheißung (und diese war hier durch einen Engel und einem Priester gegeben) hervortreten müsse. (Meyer.) Da die Stimme des Predigers (Jes. 40, 3 ff.) angekündigt wird, verstummt das Priesterthum des alten Testam.; es verstummt der levitische Segen (4. Mos. 6, 22 ff.), da der Same kommt, in welchem alle Völker gesegnet werden. 21.. Und das Volk sdraußen im Vorhof V. 10] wartete snach vollendetem GebetsaktJ auf Zacharias sdaß er, wie das von demjenigen Priester, der das Räuchern zu besorgen hatte, zu geschehen pflegte, den Segen 4. Mos. 28, 8 Anm. sprechen sollte] und verwunderte sich, daß er so lange im Tempel verzog sdenn die Priester vermieden es, länger im Heiligen zn verweilen, als zur Ausrichtung ihrer Geschäfte durchaus nothwendig war, hier aber hatte die Verhandlung mit dem Engel einige Zeit mehr in Anspruch genommen]. 22. Und da er [jetzt] herausging sund thun wollte, worauf das Volk noch wartete], konnte er nicht mit ihnen reden ssondern die Stimme ver- sagte ihm zur Segensertheilung ihre Dienste] Und sie merkten svon dieser s einer Sprachlosigkeit sogleich auf die richtige Ursache schließend], daß er ein Gesichte gesehen seine Gottes- oder Engelerschei- nung gehabt] hatte im Tempel. Und er [seiner- seits] winkte ihnen sgab durch Geberdensprache ihnen dasselbe zu verstehen, was sie bereits ver- mutheten], und blieb stumm [so daß nicht nur gegenwärtig ein anderer Priester für ihn eintreten mußte, sondern auch für längere Zeit er zur F« Der ein Zeichen begehrende Zacharias wird seiner Sprache beraubt. 085 Ausrichtung seines Priesteramtes nicht mehr fähig war]. » 23. Und es begab sich, da [nach unsrer Rech- nung schon mit dem Abend dieses Tages] die Zeit feines Amtes ans war findem da die Woche, für welche die Ordnung Abia an der Reihe gewesen, zu Ende ging], ging er heim snach Hebron] in fein Hans lwo er etwa am 24. April Abends ankam]. 24. Und nach. den Tagen snach kirchlicher Annahme, die den Geburtstag Johannis des Täufers am 24. Juni feiert, Ende des Monats September Matth. 2, 2 Anm·] ward fein Weib Elisabeth schwanger und verbarg sich shielt sich ein- gezogen, indem sie nicht einmal mit ihrem ge- wöhnlichen Umgange verkehrte] fünf Monden so daß während dieser ganzen Zeit niemand von ihrem Zustand etwas erfuhr, dieser vielmehr zu- erst der Maria durch außerordentliche Offenbarung an einem viele Meilen davon entfernt liegenden Orte bekannt wurde V. 36], und sprach [ward zu dieser Zurückhaltung durch die Erwägung ihres frommen, gottergebenen Sinnes bestimmt]: 25. Also sdaß ich schwanger worden bin] hat mir der HErr gethan in den Tagen, da er mich angesehen sin Gnaden über mich beschlossen] hat, daß er meine Schmach unter den Menschen sdie Schmach, welche ich seither wegen meiner Unfruchtbarkeit unter den Menschen zu tragen hatte] von mir nähme fund weil denn diese meine Schwangerschaft ein Gnadeuwerk Gottes ist., würde es mir schlecht anstehen, wollte ich die Kunde da- von selber hinaustragen unter die Leute und prahlend mich vor ihnen zeigen — der HErr wird wohl wissen, wenn er das, was ich geheim zu halteu habe, vor der Welt soll offenbar wer- den lassen und die bis dahin nur erst heimlich von mir genommene Schmach auch öffentlich mir abnehmen] Gott hatte sie angesehen und sie gesegnet, das er- kannte die glückliche Elisabeth wohl; darum; so sehr sie auch erfreut war, ihrer Schmach entledigt zu sein, so war sie doch am emsigsten bemüht, ihren HErrn zu loben in der Stille, und breitete die ihr widerfahrene Gnade nicht voreilig aus: welche weit höhere Gnade ihrer noch wartete und zu wem sie von der Frucht igzees Leibes zuerst reden sollte, alnete sie noch nicht. ( esser.) Alle weltliche Schmach olleu wir geduldig ertra en und warten, bis Gott sie abnimmt; auch die Rechtfertigung unsrer Ehre vor den Menschen soll von Gott kommen. (Heubner.) II— b. 26——38. (§. 6.) Sechs Monate nach Enipfäugniß des Johannes soll es iiiin aurh zu der Guivsängniß Des— jeiiigen kommen, dem er den Weg bereiten sollte; denn ist einmal der Morgenstern am tljimiuel zu scheu, so muß auch die Sonne bald ihren Aufgang halten. »Ein an- deres Bild, noch herrlicher als das vorige, enlrollt der Gvangelist vor uns, wenn er uns nach Nazareth in Galiläci zu der Verlobten Joseph-s, der Jungfrau Maria führt, die wir iins, wie den Joseph selbst, als aus Davids Geschlecht entsprossen zu denken haben, unbeschadet der Seitennerwandtlchast init der Jlaronstoctster Glisalietln Zu ihr liomnit der Enge! mit jenem Gruß, den ihm seit- her Gaiisende nachgesprocheii haben nnd auch in irre— gehender Andacht uaihgebcletz nnd wie ihre ideuiulh über seinen Griiß erschrickt, verheißt er ihr die Gnade von Gott, daß sie einen Sohn gebären nnd Ilcsnui heißen solle, des Hditssten Sohn uiid Davids Sohn, der iiber Jakob König sein nnd ewiglich herrschen werde. Wenn nun anch Maria die Gngelsbotsclfaft mit der Frage erwidern wie das tzngehen solle, so ist das doch von ferne nicht wie bei dachcirias ein Zeiehenfordern ans lileiugläubigem Zweifel, sondern es ist die nothwendige Entgegnung, du— rin ihre ttieuschheit um Aufschluß bittetz und wie sie denselben empfangen nnd ohne es« zu fordern, noch dazu ein Zeichen erhalten, nämlich die Meldung von dein, was der Elisabeth widerfahren, da beugt sie sieh von Herzen ihrem hGrrn als seine Magd. Ida ist weiter kein Sträuben eitler 3iererei, wodurch die Jbeninth ßch ver— derbt, sondern in völliger Hingebnug des Glaubens, nur wollend, was der HGrr will, stellt sie uns die reinste, vollendetste Empfänglichkeit fiir das heil von oben darf· Evangelium am Tage der Verliüiidigung Maria: V. 26—38».) Dieser Tag, nach dem Datum des Weihnachtsfeftes 9 Monate rückwärts auf den 25. März verlegt und zuerst im 7. Jahrh n. Ehr. ermahnt, war ursprunglich der Tag der Flei chwerdung des Sohnes Gottes (m- carnationis) oder der Empfängniß Christi (conceptionjs) und bezeichnete in vielen Ländern, selbst noch im Mittel- alter, den Anfang des Kirchenjahrs, bis die immer mehr überhand ne mende Verherrlichung der Maria haupt- sächlich das coment der Verkündigung an diese (an- nuncjati0nis) oder des e11gelischen Grusses (o2a7-ao»o5, xocgcrcogoiy in’s Auge faßte. Jn der evangelischen Kirche hat selbst die reformirte Schweiz dem Tage eine gewisse Anerkennung nicht versagen mögen, ist aber der Gegenwart fast ganz ab anden gekommen. ,,Es ist ein eigenes Zusammentre en, daß das Fest der Ver- kündigung Mariä mitten in die Fasten hinein fällt. Wir sind in den Fasten mit dem Ende des Lebens Christi beschäftigh und unsre Augen richten sich nach Golgatha, auf sein Kreuz, auf sein Grab; da müssen wir am Tage der Verkündigung die Augen wieder heinter uns werfen auf den Anfang seines Lebens, nach azareth. Indessen Anfang und Ende des Lebens, Einpfängniß und Tod, sind einander nicht so fremd, als es auf den ersten Blick scheint. Anfang und Ende des Lebens sind wie der verschlossene Keim und seine ausgewickelte Frucht; das Ende des Lebens wird uns erst deutlich, wichtig und herrlich, wenn wir sehen, wer der ist, der für uns leidet und stirbt, welch eine Person den Tod für uns geschmeckt hat und welchen unendlichen Werth die Leiden durch diese Person em- pfangen.« 26. Und im sechsten Mond snachdem Glis-I- beth ihren Sohn empfangen, d. i. am 25. März des folgenden J. 5 v. Chr.] ward der Engel Gabriel IV. 15J»Anni·-] gesandt von Gott m eine Stadt m Galilam die heißt Nazareth [Matth. 2, 23 Anm.], 27. Zu einer Jungfrau saus Davidischem Geschlecht Kap. 3 , 23 ff.], die vertrauet sals Braut verlobts war einem Manne, mit Namen 586 Evangelium Lucä 1, 28——33. Joseph, fder ebenfalls] vom Hause David fwar Many. 1, 2 ff. 20]; und die Jungfrau hieß Maria [2.Mos. 15, 20 Anm. 1.]. Während Johannes als Sohn der Verheißung aus einer frommen, aber lange Zeit hindurg unfruchtbaren Ehe, ähulich wie Jsaak, Simson und amuel, unter Mitwirkung der zeugenden Thatigkeit des Mannes ge- gtåretechltjveztdennsoljläßtrietrt åläiesskas daseitrchweiålkie en ei ei , ei en einer g er a en Jungfrau vom heil. Geist empfangen wird und dann von ihr geboren werden soll. (Friedlieb.) Die Geburt des Täufers geschah wie die Jsaaks vermöge einer höheren Einwirkung, doch wurde dabeidie naturlicheQrdnung nicht geradezu durchbrochem hingegen die Geburt Jesu it ihrem Wesen nach ein schopferischer Akt und» dem intritt des ersten Menschen in» die Welt zur Seite zu stellen. Jndem nun Gott·in Jesu eine neue Mensch- heit schafft, bewahrt er gleichwohl sorgfaltig das Band, durch welches der Anfänger derselben mit der alten Menschheit im Zusammenhang» stehen soll. Wie er bei der ersten Schopsung den Leib des Menschen nicht nach allen Theilen geradezu geschaffen, sondern ihn aus dem Staub der Erde gebildet hat, welche schon uvor da war und deren Herr Adam werden sollte, so hat er bei dem Eintritt des zweiten Adam in die Welt seinen Leib nicht eigentlich geschaffen, sondern aus dem Schooß einer menschlichen Mutter gezogen, so daß die organische Verbindung zwischen dem Haupt der neuen Menschheit und der natürlichen Nienschheit erhalten bleibt, welche letztere durch ihn aus die Höhe seiner vollkommenen Gestglt gebracht werden» soll. » (G·odet.) Maria, die edle Jungfrau aus Davids koniglichem Geschlecht, arm und gering zwar vor der Welt, aber köstlich und auserwahlt vor dem HErrn, reich· an kindlicher Demuth, zarter Jnnigkeit und glaubiger Hingebung, war das Weib, das auserkoren war, die Mutter des Heilandes zu werden. Jn ihr entfaltet sich die zarteste und edelste Blüthe der Weiblichkeit in ihr verwirklicht sich die höchste Bestimmung des Weibes; darum ist auch in ihr das ganze Geschlecht gesegnet. Sie ist als Mutter des zweiten Adam, mit dem die neue Entwickelung des Menschengeschle tes begann, das Gegenbild des ersten Weibes, eine utter aller Lebendigen (1. Mos Z, 20) im höheren Sinne. Schon in der langewReihe ihrer Bor ahren hat der HErr Er, se« sssissssxmgkxi Er. sksispis raam,ieaung ai; a ei,in deren Mutterschooße Gott selbst menschliche Natur und Gestalt annehmen könnte» war das Ziel Jenerlangen Reihe von Zeugungem die, obwohl mit verwickelt in den allgemeinen Fluch der menschlichen Sündhasti keit (Ps. 51, 7·), dennoch, getragen »von» der Segens rast des öttlichen Rathschlusses wie eine goldene Kette von lied zu Glied die ganze vorchristliche Entwicke- lung durchziehr Maria .war das vletzte Glied dieser Kette, in welchem die blos menschliche Zeugung auf- hörte und der unmittelbar göttlichen, die ganze alt- testamentliche Entwickelung abschließenden Zeugung Flut; igiachtxes (s;urtz.) sEs wTixlteeivie dheiligsiechZtunZeö a a, a ierun erza ir,ge a, i Stunde, die der Jungfrau den Sohn, der Welt einen Heiland, der Erdbe neue? Lebens deigMenschtheit Eden So n Gottes e en o te — ie tun e er m- psäihigniß Christi, die Stunde der Herabkunft des Wortes Gottes, des Logos (Joh. 1, 1 ff) aus die Erde, in’s Fleischl Zum Lesen dieser Geschichte gehört eind rseOineytgeilixlkernster FinnQge iknuß )mit Zlencgetung un emu ge e en wer en. eu ner. i mi Unrecht ist der heutige Tag, der zugleich Empsängniß- tag Christi ist, die ,,Wurzel der Zeiten«« genannt worden; denn alle unsre seligen Zeiten und Ewigkeiten wurzeln in ihm. Es ist ein Tag, der Gewisses weiß, Tiefes bedenkt, aber schweigsam und stille ist, bis der Weihnachtstag Lied und Zunge mächtig löst und das Wunder Gottes in weite Kreise bringt. (Löhe.) 28. Und der Engel kam zu ihr hinein [in ihr Gemach, da sie zu Hause bei den Ihrigen wohnte und sich nach Gewohnheit der Jungfrauen 2. Macc. 3, 19 eingezogen hielt] Und sprach sbeszi seinem Eintritt]: Gegtüßet seiest du [latein.: AveL Holdselige [d. i. in Gottes Huld Selige, großer Gnaden von Gott Gewürdigte]; der HErr ist mit dir sindem er dich zum Werkzeug bei Ausführung seiner Rathschlüsse ausersehen Richt S, l2] , du Gebenedeiete [Gesegnete und zugleich HochgelobteJ unter den Weibern. Das im Grundtext« stehende Wort edles-sti- = IF) hat eine doppelte Bedeutung, je nachdemes vom Ver- hältniss des Höheren zum Niederen oder umgekehrt des- Niederen zum Höheren gebraucht wird: in der ersten Beziehung bedeutet es segnen, in der andern loben, preisen, das ein Gesegnetwordensein voraussetzt (Ols- hausen.) Jm Protevangelium Jakobi, einem apokry- phischen Buche aus dem Z. und Z. Jahrh. n. Chr., erscheint Maria als einziges Kind ihrer lange kinder- los gewesenen Eltern Joachini (Jojakim) und Anna; seit ihrem Zten Lebensjahre wäre sie dem elterlichen Willen gemäß im Tempel erzogen, seit dem 12ten als Tempeljungfrau durch’s Loos dem Joseph zur Obhut anvertraut, im 15ten aber Mutter des Heilandes ge- worden. Da nach unsrer Rechnung Jesus am Schluß des J. 5 v. Chr. geboren ist, so würden 15 Jahre rückwärts uns auf das J. 20 v. Ehr. führen, egen dessen Ende Herodes d. Gr. den mbau des ern- babel’schen Tempels begann (Schlußbeni. zum I. Macca- bäerb. Nr. 11, d); den Geburtsta der Maria hat die kirchliche Legende auf den 8. eptember be timmt. Wir können, wenn wir über Dinge, für die wir kein biblisches Zeugnis; haben, sondern nur an den heils- geschichtlichen Pragmatismus uns halten können (Joh. 2, 19 ff.), durchaus etwas wissen wollen, Jahr und Datum der Geburt wohl gelten lassen; ebenso hat die Angabe wohl eine gewisse Berechtigung, daß die Mutter der Maria aus priesterlichem Geschlecht entstammte, während die übrigen Bestandtheile der Sa e durchaus, gegen die Schrift sind (nach Kap. 3, 2 Ghieß der Vater der Maria Eli) und aus demselben eist ent- sprungen, der hernach weiter ausgeklügelt hat, wie das dreijährige Kind in den Tempel eingeführt wurde (daher dasFest Mariä Opferung am-21. November) hier über die 15 Stufen, welche um Heiligthum hin- aufführten, mit Leichti keit hinansstiekf (daher der Name mehrerer Kirchen im ittelalter: aria ad gradusx und nun öfter von Engeln gespeist ward. Es ist be- kannt, wie der Name des in der katholischeiiKirche so beliebten Gebets Ave Maria. auf dem Engelwortx »Gegrüßet seiest du« beruht! Der Erste, der dieses Gebetes erwähnt und für seine Aufnahme sich ver- wendet, ist Petrus Damiani in der 2ten Hälfte des 11. Jahrh.; doch begnügte man sich bis zum Anfang des 16. Jahrh init den Worten: Ave Maria, gkatia plans-i, Dominus teoum, benedieta tu. in mu1ieribus, was nur eine Wiederholung der Engelworte und noch kein sörmliches Gebet war und um so bestimmter sich mehr noch als eine Lobpreisung Christi charaeterisirte, Gabriel Verkündigt in Nazareth der Jungfrau Maria, daß sie den Messias gebären werde. 587 als PapstUrbanllLnach V. 42 inzufügtet et benedictus fruetus ventris tut, Jesus O rjstus. Amen. Zuerst im J. 1508 kamen dann die Worte hinzu, welche den Gruß zu einer wirklichen Anrufung der Maria um- gestalteten: Sancta Maria, Dei genitriig org« pro nobis peeeatoribus (heilige Maria, du Gottesgebärerin, bitte für uns Sünder), wozu die Franciskaner noch den Zusatz machten: nune et in hora mortis (jetzt und in der Stunde des Todes) Einem katholis en Reichs- fürsten, welcher den Protestanten vorwar , sie gäben der Maria nicht die gebührende Ehre, wenn sie das Ave Maria nicht sprächen, antwortete der Nassauis e Hofprediger Hellmundz »Wir thun das nicht, weil ie es nicht hört und es auch nicht geboten ist; sobald mir aberdie Gnade zu Theil werden wird, die heil. Jungfrau Maria im Himmel zu sehen, werde ich kein Bedenken tragen zu sagen: Ave Max-Izu« 29. Da sie aber ihn sder auf einmal bei verschlossener Thür mitten eingetreten war Joh. 20, 19 u. 26] sahe sund sich in der V. 28 an- gegebenen Weise angesprochen hörte], erschrak sie swie über seiner Erscheinung an sich, so noch ins- besondere] über seiner Rede sderen Sinn und Be- deutung sie wohl ahnete, aber eben das ersüllte ihre Seele mit einem Schauer der andern Welt, daß sie nichts zu erwiedern wagte und nichts zu erwiedern wußte], und gedachte [überlegte still bei sich]: Welch ein Gruß ist das [von so erhabener und tiefer Bedeutung Mark. 13, l? und wie kommt es, daß derselbe gerade mir zu Theil wird, die ich in so geringem Stande vor der Welt lebe und auch in geistlicher Hinsicht ein so armes und schwaches Wesen bin]? Die Gesegnete unter den Weibern: 1) so arm und doch so reich, 2) so erschreckt und doch so nachdenkend, Z) so jungfräulich stolz und doch so weib- lich folgsam, 4) so zweifelnd ert und doch so gläubig hernachl (v. Oosterzee.) 30. Und der Engel sprach zu ihr: Fürchte dich nicht, Maria, [vor meiner Erscheinung, und laß meinen Gruß, da ich dich die Holdselige oder Begnadigte genannt habe, nicht befremden; denn] du hast [auch ohne das zu suchen, dazu du bist ausersehen worden] Gnade bei Gott fundeu [Jes. 65, 1; Ioh. 15, 16; 1. Eor. 1, 27 f.]. 31. Siehe, du wirst [in Ersüllung der Weissagung: Jes.7, 14] schwanger werden im Leibe und einen Sohn gebären, deß Namen sollst du sda essich hier zunächst um die Mutter, noch nicht, wie in Matth. 1, 21., um den Pflege- vater handelt] Jesus heißen. 32. Der wird [wenn man nun seine Be- stimmung verstehen und sein heiliges Wesen er- kennen wird, bei denen, die an ihn glauben] groß und ein Sohn des Höchsten genannt werden [Jes..9, 6 H, und Gott der HErr wird ihm den Stuhl seines Vaters David [in Erfüllung der diesem gegebenen Verheißung: 2. Sam. 7, 12 ff.] geben, 33. Und er wird [in Erfüllung noch an- derer prophetischer Weissagungen: Jer. 23, 5; 30, 9; 33, 15; Hei 34, 23 f.; 37, 24z Dein. 2, 44; 7, 13 f.] ein König sein iiber das Haus Jakob ewiåliclx und seines König- reiehs wird kein nde sein. Bei längerer Dauer wäre der Maria Verwirrung unfehlbar in Furcht ausgeartet; diesem peinlichen Ge- müthszustand (1. Joh. 4, 18) kommt der Engel zuvor mit seinem ,,Fürchte dich nicht«, und nimmt dann mit dem »du hast Gnade bei Gott fanden« den Gedanken, der in dem ,,Holdselige«, d. i. zum Gegenstand gött- licher uld oder Gnade Gemachte (V. 28), liegt, wie- der an. (Godet.) Maria war durch Gottes Wahl das Weib, deren Same der Schlange den Kopf zer- treten sollte, und die Jungfrau, von der Jesajas weissagt; und was Gott mit i r beschlossen, war im Himmel kund, ehe sie selbst wu te, was ihr geschehen sollte. Auch bei allen Weibern in Jsrael war groß und hochgebenedeiet, ohne daß man sie kannte, das Loos Marien; denn alle Frauen in Jsrael hungerten und diirsteten nach der hohen Ehre, die Mutter des Messias zu werden, alle erkannten diese Mutterschaft für den höchsten Ruhm. (Löhe.) Der Auftra in Betreff der Namengebung wird hernach dem Joseph wiederholt; das Zusammentreffen des einen Auftrags mit dem andern hat die Kraft eines den Glauben stärkenden Zeichens, für Joseph sowohl wie für Maria. (v. Burger.) Welch eine Perlenschnur der wichtigsten Weissagungen aus dem alten Testament ist doch die Ankündigun des Engels! Moses, David, Jesaias haben die orte dazu hergegeben; in ihnen ist der Geist aller Propheten zusammengefaßu und es ist ein unvergleichlich großer Blick, den diese Ankiindigung eröffnet. Wohl hat es auch sonst Menfchen gegeben, die den Namen Jesus oder Josua geführt haben; aber keinen, der das auch war, was er hieß, nämlich ein Seligmachey der sein Volk selig machte von seinen Sünden. Wohl hat es auch sonst Menfchen gegeben, die man groß nannte« aber keinen in dem vollen Sinne des Wortes wie Christus, der da groß war in seiner Gottheit, groß in seiner Menschheit, groß in seinen Wundern, in seiner Lehre, seinem Wandel, groß in seinen Wohlthaten — wie unsre Noth groß ist, so ist auch seine Hilfe über alle Maßen groß, und wir können mit ihm groß thun vor Engeln und Men- schen in alle Ewigkeit. Es hat au sonst wohl Menfchen gegeben, die man um ihrer esinnung und Handlungsweise willen Kinder des Höchsten nennen durfte; aber keinen, der seiner Natur und seinem Wesen nach zugleich der Sohn des Allerhöchsten, der ewige Sohn des ewigen Vaters, der Abglanz seiner Herrli keit und das Ebenbild seines Wesens war und dessen erdienst darum so wichtig ist, weil ein einziger Blutstropfen von ihm der ganzen Welt Sünde über- wiegt. Auch Könige hat es zu allen Zeiten gegeben, Könige auf dem Stuhle Davids und über das Haus Jsrael; aber keine Könige ewiglich, deren Königreich kein Ende gewesen wäre, keine Könige über das Reich der Natur und der Gnade hienieden und über das Reich der Herrlichkeit jenseits, keine Könige der Wahr- eit und Herzöge der Seligkeit, keine Fürsten des riedens und des Lebens, keine guten Hirten der ganzen Mensch5heit, wie Jesus Ehrigtus es war. (Fr. Arndt.) Das it eine seltsame Grö e, die da anfängt mit einem Stalle und die da endigt an einem Kreuze, und die in der Zwischenzeit mit Leiden, Schmach und Trübsal beladen wird! Seltsam mag sie dir scheinen, 588 Evangelium Lucä l, 34. 35. o Welt, die du nach eigenen Begriffen dir eine Größe zugerichtet hast; aber es ist dennoch die wahre, wie denn Jesus Christus, der Sohn Gottes, der von dem Engel groß genannt wird, auch als Mensch in seiner Erscheinung hienieden nichts anderes kann gewesen sein als groß. Die Welt hat alles so verkehrt, daß wir, um die Dinge in ihre wahre Stellung zu bringen, sie noch einmal umkehren müssen: die Welt nennet groß das, was sich selber erhebt, das, was mit äußer- licher Ehre geschmückt ist, das, was in der Blüthe und Frische des Lebens prangt; nicht dieß aber nennen wir groß, sondern das Gegentheil, das heißt 1) die Deniuth, Z) die Schmach, Z) den Tod. — Gott ist roß, weil er sich åedemüthigt hat. Du auf deinem Thron über den olkeii und über allen Himmeln Er- abener, bist du es nicht noch mehr, wenn du dich tief erab zu uns Nienschen niedersenkst in den Staub? ann warst du größer, Sohn Gottes, damals als der Vater durch dich Himmel und Erde und alles, was darinnen ist, erschuf? oder damals, als du dich und deine Gottheit mit einer erschaffenen Menschemiatur verbandest? Die höchste Größe ist die, welche das Herz am mächtigsten rührt; auf dem Thron deiner Allmacht, unter dem Wolken, die Jahrtausende, die Geschlechter und die Schickungen hinwegziehen, kann ich dich nur denken, und mein Auge bleibt trocken; aber denke ich dich von diesem Throne »in den Stall von Bethlehem herabgestiegen, so muß ich weinen, uiid also bist du hier größer als dort, denn du übest eine größere Ge- walt über mich aus. Demüthige, erniedrige dich, o Mensch! dann bist du ganz nahe, ganz nahe bei Gott, und folglich groß. ;- Groß ist nicht der Apostel, der begeistert einer begeisterten und entzückten Versammlung Christum predigt, sondern der ig groß, der, wenn er den HErrn Verkündigt, aus den äusern gestoßen, mit Steinen geworfen und, was 1ioch weher thut als dies, verlacht wird, und der ruhig weiter geht und dasselbe versucht an einem andern Ort. So gebühret es denen zu denken, welchen ein Herr und Meister mit der Dornenkrone, dem Purpurmantel und dem Rohrstab vorangeht, verspottet, geschmähet und gegeißelt; diese müssen in der Verachtung Ehre suchen und sich freuen, wenn sie durch unverdiente Schmach Christo ähnlich werden. Anders zu denken, Ehre, nichts als Ehre, und Lob, nichts als Lob zu verlangen, das geziemt nur der Welt, der ein anderer Führer vorangeht, nämlich der Satan, der sich in seinem stolzen Fluge so weit von Gott verirrt hat, daß er sich nie zurück- finden kann. Warum denn, mein lieber Bruder, warum weicheii sie noch nicht von dir die Schmerzen eines für Ehre und Kränkung zu empfänglichen Gemiiths? warum sind diese unter allen für dich am schwersten zu tragen? Mir dies? —- sprichst du —- habe ich dies verdient? Laß uns nicht untersuchen, was ein jeder unter uns verdient hätte; ich glaube, es würde fchlecht u1n uns stehen, wenn wir nach Verdienst, im strengen Sinne des Worts, behandelt würden. Siehe doch lieber auf Christum, bedenke, was Er verdiente und was ihm « glier auf Erden zu Theil ward; welch ein Recht, welche nsprüche hast du, daß es dir besser gehe als ihm, und daß man dir Ehre zolle, während er Schmach leiden mußte? Nieder mit dir insden Staub! nieder mit dir zur Erde, du Erde und Asche! lerne dich beugen unter die Schmach, die sich auf dich häuft, oder vielmehr lerne, daß die Schmach,» die dich dem ver- schmähten Jesus äxnlich macht, die wahre Größeastl — Durch Christi od ist der Tod überhaupt geheiligt und verherrlicht; durchlaust alle Jahrhunderte, beur- theilt alles, was sich auf der Erde, seitdem sie steht, zu- getragen hat-nichts Größeres werdet ihr finden, als den Tod Jesu Christi. Hoherpriesteu mit deinem Sterben bist du hinter den Vorhang getreten, hast das Angesicht deines Vaters gesehen — nicht mehr ein zürnendes, sondern ein gnädi es Angesicht; dein Opfer ist angenommen und die elt ist erlöset. Hieran denket, m. B., weiin ihr einen Sterbenden sehet, und von dem Kreuze Christi wird ein verklärendes Licht auf ihn fallen. Was da ringet, ist nicht der Tod und das Leben, das vernichtet werden soll, sondern es ist das höhere Leben und das geringere, von welchem jenes sich frei machen will; die Frucht von allem, was der Sterbende ausgesäet, von Christi Todesangst, blutigem Schweiß und heiligem Sterben, die soll, nun bald von ihm ei1igeerntet werden; für den Augenblick, der nun bald kommen wird, wo Leib und Seele sich trennen, hat er in seinem Leben und in seinem Tode gearbeitet — o wie groß muß nicht dieser Augenblick sein! Mit diesen Schmerzen, die durch i re Größe sich selbst zerstören, haben nun bald alle rüfungen ein Ende; Glaube, Hoffnung und Liebe, und ihre oft so schwere, schwere Uebung werden nun bald gekrönt. Ha, siehe, er Schlag ist gesehen, der Athem ist aus- geblieben, der Leib ist ohne Regung zuriickge unken; und die Seele? — jetzt, jetzt ist sie hinter den Vor- hang getreten, jetzt öffnet sie die Augen dem Lichte einer höhern Welt, jetzt sieht sie das An esicht ihres Er- lösers, jetzt wird sie begnadigt, jetzt küßt sie in namen- loser Seligkeit seine Füße, jetzt erkennt sie die voran- egangenen Eltern, Geschwister, Freunde. O dieser ugenblick ist groß! Aber ist auch das groß, was uns-hier sichtbar vor Au en liegt? hat nicht der Tod seinen gewaltigen Fuß an? die theure Hülle der theuren Seele gesetzt, hat er sie nicht niedexgetreten in den Staub, will er sie nicht herabdrücken unter die Erde und dann unablässig an ihr arbeiten, bis nach dein Ausdruck eines älteren Kirchenlehrers das, was man jetzt Leiche nennt, ein Etwas ohne Namen wird, an welchem auch der Ausdruck, womit man es nennen könnte, gestorben ist? thut nicht das Grab seinen tiefen, schaurigen Schlund auf, die letzten Ueberreste zu em- pfangen? Doch siehe, das Grab ist, seit Christus im Grabe gelegen, kein fürchterlicher Aufenthalt mehr, sondern eine Stätte des Friedens und der Ruhe. Schlafe dort sanft, müder Gefährte der Seele, du, der du mit ihr gekämpft, gearbeitet und gelitten hast — sie bedarf nicht der Ruhe, lebenskräftig ist sie chon zu neuer Thäti keit übergegangen, aber dir ist uhe vonnöthen. Siehe, über dich hin geht Licht und Dunkel, Sommer und Winter, Regen und Schnee; über dich hin gehen die Menschen mit ihren Sorgen und Leiden, mit ihren Schmerzen an Körper und Seele: du schläfst sicher in der Allmacht Hand, die dich, wie eine Mutter ihr schlafendes Kind, bewacht; Engel sind um dich her gestellt, dich zu hüten; und wenn die letzte Posaune ertönt und du mit der Seele, der du einst gehörtest, in neuer Verklärung verbunden wirst, o welch ein großer Tag wird dasseinl Was also rühmft du dich, o Leben? was prahlst du mit der Frische der Jugend und mit den blühenden Farben der Gesundheit? Schöne, liebliche Erscheinungen sind das; aber ihnen fehlt die geistige Größe. Größer als Jugend ist Alter«; würdiger als braune Locken sind graue Haare, weil sie verkündigen, daß der Pilger einen größeren Theil des Weges, der ihn von dem hohen Ziele trennte, zurückgelegt hat. Größer als Gesundheit ist Krankheit, weil die Herrlichkeit der Seele,»die in Demuth und Ergebung besteht, deutlicher durch die hinwelkende Hülle hervorblickt. Größer als das Leben ist der Tod, weil Schauen größer ist als Glauben. (Theremin.) Maria erhält auf ihre Frage von dem Engel Auffchluß über den wunderbaren Vorgang. 589 34. Da sprach Maria zu dem Engel: Wie soll das zugehen? sintemal ich sals noch dem Jungfrauenstande angehörig] von keinem Manne weiß [und also von einem Schwangerwerdenauf gewöhnlichem Wege hier nicht die Rede sein kann]. 35. Der Engel antwortete, und sprach zu ihr: Der heilige Geist wird über dich kommen [,,dasjenige Theil deines Wesens, das zur Er- zeugung eines wahren Menschen dient, in dir in Bewegung bringen, vonaller natürlichen Unrei- nigkeit absondern und heiligen«], und die Kraft des Höchsten wird dich iiberschatten [,,der Sohn Gottes wird sich mit dem, was der heil. Geist in dir dazu geheiliget, vereinigen und menschliche Natur von dir annehmen«]; darum auch das Heilige, das [in deinem Leibe gezeugt] von dir geboren [werden] wird, wird Gottes Sohn genannt Werden swie ich schon in V. 32 sagte) Die Frage der Maria drückt keinen Zweifel des Un laubens aus, wie die des Zacharias in V. 18, son ern ist durch die Natur der ihr gemachten Eröff- nung selbst geboten, wobei allerdings nicht das ,,Wie?« zu betonen ist, als wollte sie über den Hergang der sSache unterrichtet werden; wohl aber kann und muß sie die Lösung des Räthsels, das in der Verheißung des Engels einerseits und ihrem jungfräulichen Stande andrerseits liegt, begehren (denn von einem vorherigen Eintreten in den Stand der Ehe hat der Engel nichts esagt, sondern von einem Schwangerwerden als sgolchq wie sie jetzt noch ist, nur erst die Verlobte eines Mannes, geredet). Es wird ihr auch die Lösung des Räthsels sofort gewährt; und da wird denn mit den Worten: »der heil. Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich iiberschatten« die schöpferische Kraft und Wirkung bezeichnet, durch welche das Kind Maricks im Unterschied von allen als Fleisch vom Fleisch geborenen Menschenkindern sein menschliches Dasein erhalten sollte; der göttliche Ursprung des Menschen Jesus wird damit bezeugt und menschliche Wirkung davon ausgeschlossen. (v. Burgen) Der Augenblick der Empfängniß, mit wun- derbarem Zartgefühl nicht näher angegeben, muß wohl mit dem Wort der Maria in V. 38 und mit dem Weg- gehen des Engels zusammenfallend gedacht werden. (v. Oosterzee.) Maria wird Mutter ohne Zuthun eines Mannes; weder regt bei ihr, wie es sonst mit- telst der Beugung geschieht, ein Mann den im Weibe schon vorhan eneu Keim eines neuen Menschenlebens an, noch befruchtet er diesen Keim und bringt ihn zur individuellen Entwickelung, sondern der heil. Geist kommt über sie und regt auf außerordentlichem Wege den neuen Menschenkeim an, indem er dabei jeglichen Zutritt unheiliger Re ungen und Elemente abhält, und die Kraft des Hö sten überschattet sie, d. i. der Vater senkt sein ewiges Wort, das nun Fleisch werden soll, herein in ihren Mutterschooß, und der Sohn ver- bindet fich mit dem, was von ihrem Fleisch «enom»me«n ist, und verbindet sich mit dem vom heil. Geist erregten und geheiligten Keim eines neuen Pienschenlebens zur Einheit seiner gottmenschlichen Person. Es handelte sich bei der Menschwerdung des Sohnes Gottes nicht um die Hervorbringung einer schlechthin neuen, sondern um die« Entstehung einer geschichtlichen Person, welche km organischen Zusammenhange mit uns stehend dem Lebensbaume des Geschlechts ange- hört, dessen Glieder wir sind; deshalb «wird das menschliche Substrat dafür nicht unmittelbar von Gott geschaffen, denn es wäre dann ein der menfchlichen Natur, wie sie vor dem Fall in Adam war, gleiches, eine Menschenweise in ihrer ursprüuglichen Giite und Gesundheit gewesen, sondern es wird von dem Weibe genommen und begreift nun den ganzen kreatiirlichen Wesensbestand des Menschen in sich, wieer inFolge des Sündenfalles geworden, herabgekommen von seiner ursprünglichen Höhe, der Macht des Todes verfallen, den Einflüssen des Argen ausgesetzt und vielem Elend unterworfen, oder mit andern Worten das, was die Schrift ,,Fleisch« nennt. Aber die erbliche Sündhaf- tigkeit, welche in Folge des Falles allen Gliedern des menfchlichen Geschlechts gleich von der Empfängniß an an»haftet, wird von diesem Substrat durch Wirkung des heil. Geistes fern gehalten; denn wenn auch mit dem schwachen und herabgekommenen, so doch nicht mit dem sündigen Wesen kann der heil. Gott eine persön- liche Einheit eingehen und nur die ursprünglich reine und unbesleckte Menschennatur kann er zum Mittel seiner Selbftbethäti ung gebrauchen Nachdem denn der heil. Geist aus er Substanz der alten adamitischen Men ·chheit durch übernatürliche, reinigende Einwirkung auf sie das geeignete Menschensubstrat hergestellt hat, eignet der Sohn Gottes nach dem Willen des Vaters sich dasselbe an und durchdringt es mit seiner Gottheit, was freilich ohne eine Selbstentäußerung seiner eits nicht möglich wäre, deren Umfang und Bedeutung uns immer ein undurchdrin liches Räthfel bleiben wird. Es find hiernach zwei Zjiomente bei der Menschwer- dungChristi zu unterscheiden, wie auch sein Wort an Pilatus (Joh. 18, 37) ihrer zwei enthält: ,,ich bin dazu geboren und (dazu) in die Welt gekom- men, daß ich die Wahrheit zeugen soll-« Johannes unterscheidet auch sonst genau, wo es sich um Zweierlei handelt, durch Wiederholung des betreffenden Worts (vgl. Joh. 19, 2); es ist also die Wiederholung des ,,dazu«, die freilich unsre deutsche Bibel nicht. mitauss drückt, bedeutsam: das erste Moment bezeichnet die passive, das andere die aktive Seite; jenes entspricht dem ,,empsangen vom heil. Geiste«, dessen weitere Folge es ist, dieses hat das ,,ich verlasse die Welt und gehe zum Vater« («5oh. 16, 28) seiner Kehrseite und vollziegt sich in der Ueberschattung der Maria durch die rast des Höchsten, wobei Phil. 2, 7 in Vetracht kommt. Jm scharfen Gegensatz zu den Re- formirten lehrt nun die lutherische Kirche, daß ebenso wie bei einem lebendigen Menschen die Seele nicht· existirt außer dem Leibe, auch das Wort, das im An- fange bei Gott« war, von da an, wo es Fleisch ge- worden, nicht außer diesem Fleische existirte, während jene darauf beharreten, daß es auch außerhalb der Menschheit Jesu sein unwandelbares Sein behauptet und nach wie vor eine überweltliche Lebensbethätigung als die zweite Person in der Gottheit entfaltet habe, indem es nur das Princip des Lebens Jesu und der Entwickelung seines Selbstbewußtfeins geworden sei. Lut er hat frühzeitig die Gefahr, welche in einer sol en Beeinträchtigung der Lehre von der gottmensch- lichen Person Christi lag, erkannt: nach dem Mar- burger Gespräch trat der Streit wider den Romanis- mus zurück und die Abwehr des Zwinglianismus in den Vordergrund; fein Warnungsruf vor der alloeosis (,,wenn etwas von der Gottheit Christi gesagt wird, das doch der Menschheit zuftehet, oder wiederum, als Luk. 24, 26: mußte auch Christus solches leiden und also zu seiner Herrlichkeit eingehen?«), von der er sagt: ,,sie richtet zuletzt einen solchen Christum an, 590 Evangelium Lucä 1, 36——40. nach dem ich nicht gern wollte ein Christ s ein, nämlich daß Christus hinfort nicht mehr sei noch thue mit seinem Leiden und Leben, denn ein ander schlechter Heiliger«, ist denn auch in den 8. Artikel des Concordienbuchs übergegangen. Auch bei Chemnitz, dem sonst so niil- den und sanften Manne, findet sich aus seiner letzten Lebenszeit ein sehr einfchneidendes Zeugniß dagegen; diese Meinung werde zuletzt ,,eine muhamedanische Gottlosigkeit« herbeiführen und ganz Deutschland den traurigsten Untergang bringen (Offenb. 11, 7»——14).-— Jn der Antwort des Engels ist der Parallelismus zu bemerken, welcher bei den Hebräerniminer ein ge- hobenes Gefühl ausdrückt und das Charakteristis e despoetischen Stils ist; indem der Engel sich bewu t ist, daß er an das heiligste Geheimnis; erantritt, wird seine Rede zum Lied. Die Ausdrü e: »Über dich kommen — überschatten« scheinen an die Wolke zu erinnern, welche in der Wüste das Lager der Jsraeliten bedeckte und überschattete; wie hier, so bezeichnet der Evangelit auch in Kap. 9», Zkx die Annäherung fder geheimni vollen Wolke mit»,,uberschatt«en«. Jn dieser zweiten Schdpfung nun wiederholt sich das Wunder der ersten in höherer Potenz; bei dieser waren zwei Elemente zusammengetrosfem ein aus der Erde ge- bildeter Leib und der gottliche Odem (1. Mos. 2, 7), diesen beiden Elementen entsprechen hier der aus dem Leib der Maria entnommene Keim und der heil. Geist, der ihn befruchtet. Die vollständige Reinheit dieser Geburt ergiebt sich einerseits aus der positiven Heilig- keit des göttlichen Princips, welches die wirkende Ur- sache ist, andrerseits »aus dem Nichtvorhandensein irgend einer unreinen Regung bei der Person, welche unter dem Einfluß eines solchen Princips Mutter wird. (Godet.) Nicht als Vater oder Stellvertreter des Er- eugers soll der heil. Geist über sie kommen; dieser usdruck wird nie von der geschlechtlichen Beiwohnung gebraucht, sondern nur von der Herablassung des heil. Geistes auf den Menschen (Apostg.1,8); ebensowenig wird in diesem Sinne der Ausdruck ,,überschatten« ebraucht, was auch nur von der Wolke vorkommt 2.Mos. 20, 35; Luk. 9, 34). · Auch wird nirgends »in der heil. Schrift der heil. Geist als Vater Jesu risti oder Christus als Sohn des heil. Geistes bezei net; in C risto ist vielmehr der HErr-Gott, der schon in den agen der Vorzeit ausgezogen ist vor seinem Volke her (Micha 5, 1), Mensch geboren. Wer schon existirt kann nicht erst erzeugt werden; der ewige Sohn Gottes vertaufchte die Existenzform der Ueberzeitlichkeit mit der der Jnnerzeitlichkeih und indem er so die Be- schaffenheit einer, sich innerhalb der Zeitlichkeit ent- wickelnden Menschenseele annahm, ging er ein in den Schooß der reinen Jungfrau, um sich mit dem Keim eines werdenden Menschenleibes zu umkleiden. Ihm den hierzu nöthigen Stoff heiligend zuzub«ere»ite1i, ni t aber den schon seienden zu erzeugen, war die Aufga e des heil. Geistes. (Ebrard.) Gott hat Adam geschaffen nicht blos ohne Zut un eines Mannes, sondern auch ohne Zuthun einer rau; er hat Eva geschaffen mit Zuthun eines Mannes und ohne Zuthun einer Frau; nun schasst er Jesum ohne Zuthun eines Mannes mit Zuthun einer Frau. (Munkel.) Die wunderbare Zeugung ist die natürliche, »wenn auch keineswegs ein- zige Ursache, warum derjenige, welcher keinen mensch- lichen Vater hatte, den Namen ,,Sohn Gottes( em- pfangen mußte. (v. Oosterzee.)» Wenn auch Christus, formell nicht von der Ewigkeit, sondern von seiner geschichtlichen Erscheinung aus betrachteh den Namen ,,Sohn Gottes( empfän»t, so wird damit sachlich ganz und gar nicht das irchlize Dogma umgestoßen, daß Christus nicht ein Sohn ottes von der Maria ist, sondern der Sohn Gottes von Ewigkeit, welcher zum Sohn der Maria wurde durch Empfängniß und Geburt· (Ebrard.) Yjearia konnte die Bezeichnung in keinem andern Sinne verstehen, als in dem: ein menschliches Wesen, welches zum unmittelbaren Urheber seines Daseins Gott selbst hat; es ist nicht die Jdee der Präexistenz (des vorweltlichen Daseins), aber es ist mehr als der Messiasbegriss, der sich nur auf das Amt bezieht. (Godet.) Vgl. Matth. 14, 33. 36. Und siehe [um dir auch unerbeten ein Zeichen und-Unterpfand für die gewisse Erfüllung dessen, was ich dir von einem Schwangerwerden noch im jungfräulichen Stande so eben gesagt habe, zu geben], Elisabeth, deine GefreUndte[Ver- wandte], ist auch [in Erfüllung des ihrem Manne ebenfalls durch mich verkündigten Worts V. 13ff.] schwanger mit einem Sohn in ihrem Alter [was zwar nicht dieselbe, doch eine ganz ähnliche Sach- lage wie bei dir in sich schließtJes.7, 16 Anm.]; nnd Dieselbe] gehet jetzt [bereits] im sechsten Monden [so daß ihr Zustand nun schon sichtbar geworden und sie deutlich für schwanger erkannt werden kann, fie], die im Geschrei ist, daß sie unfruchtbar sei sweil das für eine ausgemachte Sache bei ihr galt]. 37. [Und wie in ihrem, so wird auch in deinem Falle selbst wider den Lauf der Natur geschehen, was der HErr nun einmal beschlossen hat] Denn bei Gott kfiir weiche» die Natur- gesetze keine Ketten sind, die ihn etwa bänden, sondern Fäden, die er in seiner— Hand hat und verkürzen oder verlängern kann, je nachdem er will] ist kein; Ding unmöglich [1. Mos. 18, 14; Pf. 135, 5 s.; «Jer. 32, 17 u. 27; Such. 8, 6]. Maria hatte kein Zeichen begehrt; sie erhält es aber gleichwohl in der Mittheilung des Engels über das, was mit Elisabeth geschehen war. Für Maria ist das zugleich ein Wink, wo sie die nächste Zeit zu- ubringenhabq um die Stütze und den Anhalt zu ·nden, den ihr Joseph noch nicht gewähren konnte. (v. Burger.) Wie hier der Maria das Geschick der Elisabeth von oben kund gethan wird, so auch (vgl. V. 41) der Elisabeth wieder das der Maria; solche Führungen waren nothwendig unter so außerordent- lichen Umständen. (Olshausen.) 38. Maria aber [in einfältigem, rückhaltlosem Glauben an Gottes Willen sich hingebend] sptach: Siehe, ich bin des HErrn Magd lganz zu dem Dienst bereit, dazu er mich ausersehen]; mir ge- schehe, wie du gesagt haft. Und der Enge! [nach- dem er solches Jawort zu dem Antrage, den er ihr hatte machen sollen, aus ihrem Mund em- pfangen] schied von ihr [indem sich in diesem Augenblick nun wirklich vollzog, wovon in V. 35 die Rede war]. Ohne Zweifel hätte die Kraft des heil. Geistes über die Jungfrau kommen und sie zum Weibe ma en können, ohne daß Gott ihr vorher einige Kunde a- von ge eben oder seinen Engel zu ihr gesandt hätte: er scha t Adam, ohne ihn zu fragen, und bildet Eva aus Adam, ohne daß er es weiß; aber diese Geburt aufmerksam und nun Maria in ihrem Herzensdrange eilt nach Hebron zu der Priesterfrau Elifabeth. 591 des Sohnes Gottes ist eine werthe, eine unverdiente, eine seligmachende Gabe Gottes an die Menschen, die er niemand aufdringt. Wer sie haben will, der muß seinen Willen dazu hergeben, wenigstens geziemte es sich nicht, daß die, welche zu der höchsten hre er- wählt werden sollte, ohne ihr Wissen und Wollen aus- erwählt wurde; soll sich Gott mit ihr verbinden, so muß sie auch ihr Jawort dazu geben. Das konnte sie nun freilich nicht so lange ausschieben, bis sie sich mit Augen überzeugt hatte, wie es um die Elisabet stand; indessen, das gegebene Zeichen machte sie do haben solche auserwählte Seelen wie sie ein feines Gefühl, das Göttliche und Ungött- liche zu unterscheiden und zu wissen, was von Gott kommt, ein Gefühl, das in dem fleißigen Umgange mit Gott und seinem Wort und in der täglichenHeili- gung des Herzens geweckt, gesgärftund sicher gemacht wird. (Münkel.) Die kindliche rgebung in des HErrn Willen war für Maria nichts Leichtesx sie hatte viel dabei zu überwinden, die Rücksicht auf das mögliche, ja unansbleibliäye Gerede der Menschen, die Rücksicht auf ihre eigene hre und Tugend, aber alles überwand sie mit ihrem festen, unbedingten Glauben. (Fr. Arndt.) An ihrer Antwort hing gewissermaßen das Heil der Welt; es liegt in ihr die außerordentlichste Glaubens- tlat, zu welcher je ein Weib sich hergegeben hat. aria geht darauf ein, was einer Jungfrau theurer ist, als das Leben zum Opfer zu brin en. So wird sie die israeliti che Heldin im höch ten Sinne, die ideale Tochter« ion, der vollkommenste Typus der menschlichen Empfänglichkeit für das göttliche Wirken irgend welcher Art. Hier sehen wir, welche köstlichen Früchte die langjährige Arbeit des Geistes Gottes im alten Bunde bei den ächten Jsraeliten getragen hatte. (Godet.) Maria hat das Weib wieder zu hren ge- bracht: der Unglaube Evä hat uns zu Sünde und Tod, der Glaube Mariä zum Erlöser von Sünde und Tod verholfen. (Besser.) »Der Engel schied von ihr«: der Diener geht, weil der Herr kommt; er kommt aber, daß er den neuen Bund schließe, indem er sich mit der menschlichen Natur aus Maria verbindet und aus Gott und Mensch Eine Person macht. (Münkel.) III. V. 39—56. (§. 7.) ,,Sofort wird uns hierauf jene Kegegnnug der beiden Mütter vor-geführt, bei welcher der Geist über Elisabelh konimt und diese einen verek- liitsen Fortschritt der Erkenntniß macht. Sie hatte bis jeht von jtacharias durch dessen schriftlixlie Jdlittheitnng nur das Eine gewußt, welches Sohnes sie selber sollte gewürdigt werden, dessen nämlich, der des iklessias vor— liiufer und Wegbereiter sein werde; daß die Zukunft des Messias nahe set, war ihr damit kund gethan, wie nahe aber und wessen Sohn er sein werde, das ging ihr in dem Jlugenblirk auf, als sie die Maria sah und hätte. Ila kam der Geist über ße und ihr Kind, wie ße zu— sammen noih Ein ungetrenutes Erben führten, und des Kindes Regung deutete sie nicht nur wie eine sttiitier deutet, sondern als eine vom Geist erleuchtete Mutter. Der Maria war diese ttegrüßung eine hohe Bestätigung ihres Glaubens; sie ließ ihre Seele ausströmen in einem Lobgesang, der uns an das ttoblied jener Hanna des alten lliuudes und an so iuauches andere psalmwort er— innert und uns erkennen läßt, wie ihre Seele lebt und heiniisch if( in dem prophetischea Wort, das für ße Bibel und Gesangbnrh zugleich ist. Und doch ist es auch wie- der ein Eobgesang, der keineswegs blos als eine Wie— derholung des alten erscheint, sondern rerht als der eigene Psalm der Maria, hcrvorgewaihsea ans dem früheren Gotte-wert, wie von jeher ein prophet das Wort des andern aufnahm und weiter bildete, hervor- gewachseu aber vor allem aus ihrer eigenen Seele, die in jenen Worten kund gab, wie ihr zu zmnthe war· Uur preisen und erheben kann sie Gott den halten, der auch ihr Heiland ist, von Eruud der Seele, nnd muß zum Voraus die Empfindung der Mutter aussprechen, der ein solcher Sohn gesihenkt wird; aber so wenig verweilt sie bei dem Gedanken an sich selber, daß sofort auch ihr die Barmherzigkeit zuvorderst tritt, die Gott an sei- nem tkuiecljt Israel gethan hat. Ja niit heiliger Her— zenserhebuug im itlorgesühl des Reiches, welches der tlJErr aufrichtet, blickt fle auf das Walten seiner heiligen Gerechtigkeit, dadurch aller Frevel, unter welchem die Frommen leiden, werde abgethan und die szegnadignng der dliedrigerm wie ße es an ßth selbst erfahren, zur Vollendung geführt werden. Sie ist eben wie alle, die aus das Reich hoffen, ferne von der falschen Verzicht— leisiuug auf jenen Jlnspruch des Glaubens, daß noch ein- mal die ganze Erde des tljErrn werde und seines Ge- salbten. In soliher Stimmung stund die heil. Mutter in jener wichtigen Zeit, da es der stetigen wunderbaren Einwirkung des Geistes bedurfte, um alten Einfluß, den Fleisch und Blut auf die zskrneht ihres lteibes haben konnte, fern zu hatten« (Euangel"iuni am Tage Maria« heimsuchung: V. 39—56.) Das Fest, nur der abendländischen Kirche eigen (geseiert am 2. Juli), gilt dem Andenken des Besuchs der Maria bei Elisabeth und wird zuerst in dem Fest- katalog des Conciliums von Maus in Frankreich 1247 erwähnt. Nachdem die Franeiscaner es auf ihrem Generalkapitel zu Pisa 1263 als Ordensfest aufgenom- men hatten, erhob es Urban VL zum allgemeinen Fest der Christenheit, um die durch das Schisma zerspaltene Kirche (Elisabeth und Maria sollten wohl» als Vor- bilder der Einigkeit für beide Parteien dienen) unter den Schutz der heil. Jungfrau zu stellen. Durch das Eoneil zu Basel wurde es im J. 1441 feierlich saue- tionirt. (Steitz.) Es ist eine eigene Weisheit der Kirche, daß sie die Feier der Heimsuchung Mariens, d. i. des Besuchs der Maria bei Elifabet , nicht auf die Zeit gleich nach dem Fest der Verkün igung, son- dern auf diese hohe, festtagslose Sommer eit verlegt. Eine süße Feier, die wie Thau und Balsam auf die Seelen träuftl Eine wahre Labung in der Hitze! ein Blick auf’s Gebirg, wo Gottes Lüfte wehen! ein Blick nach Canaan, der Sehnsucht weckt und uns ermuntert, dem Einfluß des Elements und der Arbeit nicht zu erliegen, sondern die müden Kniee, die lassen Hände zu stärken! (Löhe.) Die Heimsnchung der Maria: 1) Maria wird vom heil. Geiste erhoben; Z) sie erhebt den HErrn durch den heil. Geist. (Mi’inkel.) Doch ist’s grundverkehrt, wenn der heil. Geist ihr Bräutigam genannt wird. 39. Maria aber stund [machte sich] auf tu den Tagen sin welche uns die vorhergehende Ge- schichte versetzt hat, wohl alsbald, nachdem der Engel mit ihr geredet, vgl. V. 3·6], und ging auf das Gebirge [Juda] eudelich seilend oder als solche, die bald an’s Ziel kommen möchte], zu der Stadt Jnda sHebron Jos. 21, 11]. 40. Und kam sals sie den Weg von etwa 20 Meilen nun zurückgelegt] in das Haus [des Priesters V. H] satt-aria, und grußte Elisabeth sder ja ihr Besuch galt]. Als Maria wieder allein war, hat sie wohl vor Wonne und Furcht gezittert und viel gebetet; mit keinem Andern als mit dem HErrn redete sie von 592 Evangelium Lucä l, 41—45. dem, was ihr widerfahren war; schweigend und dul- dend legte sie ihr zagendes Herz in den Schooß der göttlichen Verheißung und erfuhr gewiß reichlich, was ihr der Engel gesagt hatte: »der HErr ist mit dir-« Herzlich sehnte sie sich nun nach Elisabeth, der sich zu vertrauen sie vom HErrn Erlaubniß hatte. (Besser.) Seit der Botschaft des Engels war Elisabeth für sie, was eine Mutter für die Tochter in dem entscheidend- sten Zeitpunkte des Lebens ist. (Godet.) Nach jüd. Sitte war Jungfrauen und Verlobten das allein Reisen nicht erlaubt, wenigstens nicht gebräuchlich; aber Maria kann diese Reise mit Zustimmung Josephs unternommen haben, vielleicht zum Theil in Gesellschaft Anderen Daß sie» noch vor derselben ihrem Bräuti- gam die Engelerscheinung ausdrücklich mitgetheilt habe, ist nicht zu glauben; hier war durchaus iiichts zu be- kennen, sondern lediglich zu erwarten, daß Gott, der sie zur höchsten Ehre bestimmt hatte, auch ihre Un- schuld vor den Augen Jhxephs und der Welt zu seiner Zeit beschützen würde. infältig überläßt es Maria dem HErrn, daß er Joseph erleuchte, wie» er sie er- leuchtet hat; sie reist also auch nicht zu Elisabeth, mit ihr zu überlegen oder ihrem Bräutigam auszuweichem sondern allein um die ihr von dem Engel angewiesene Glaubensstärkung zu empfangen. (v. Oosterzee.) — Endelich bedeutet: 1) was am Ende kommt (endlich), Z) was nach dem Ende strebt, d. h. eifrig, rüstig, emsig, Spr. 22, 29· (Jütt1ng.) Der Sinn des Wortes ist: was zu Ende kommt und was zu Ende bringt, nicht blos das Schnelle,· wie es in Spr. 21, 5 dem Jachen entgegengesetzt ist, sondern weil Ende auch Grund und Zweck bedeutet (,,zu dem Ende«), mit dem Begriffe des Gründlicheiy Tüchtigem Brauchbaren, weshalb Luther früher (1542) an unsrer Stelle nicht ,,mit Eile«, sondern ,,mit Zuchteii« übersetzt hatte. (Pischon.) Ob es vier Tagereisen weit und darüber ist bis zum ersehnten Ziele, ob. nach derVolkssitte für eine Jungfrau eine solche Reise schicklich vwar oder nicht: der schwere Herzensdrang beflügelt die Schritte der Maria und überwindet alle Bedenken. Glückselige Berge und Thäler, über welche sie endelich einher- schritt, die Jungfrau aller Jungfrauen, äußerlich so arm uud nur mit geringer Habe zur Pothdurft ver- sehen, und innerlich so unaussprechlich reich, schon den Segen der Menschheit in sich tragend, den Preis der Welt! An vielen wichtigen Orten führte ihr Weg vorbei, zum Beispiel an Gol atha, wo sie später den Sohn ihrer Liebe sollte am reuze sterben sehen, an Bethlehem, wo sie des Heilands glückseligeMutter werden sollte. Jmmer näher kommt sie dem Ziel ihrer Wanderung, immer lauter wird die Frage in ihrem Herzen: wird Elisabeth me? wirklich Ohr und Herz für dich haben? wird sie di verstehen und von dei- ner Unschuld sich überzeugen lassen? wirdsie Glauben schenken der Himmelsbotschaft und der »Himmelsthat? Endlich ist sie in Hebron, der alten Priesterstadt, und tritt ein durch die niedrige Pforte —- in die Wohnung des Herbstes der jugendliche Frühling, zu dem altern- den Ehepaar die reine Jungfrau,»zur Mutter des Vorläufers die Mutter des Messias (Fr. ·Arndt.) Bei dem ersten Blick» den sie auf Elisabet wirft, er- kennt sie die Wahrheit des ihr von dem »ngel· ge« e- benen Zeichens, und mit diesem Anblick wird ihr ie ihr selbst angekündigte Botscfhaft zur vollen, ergreifen- den Wirklichkeiy es bedar oft nur der ·eringsten sichtbaren Thatsache, um das Göttliche, we ches noch im Zustand der Jdee war, in uns vollends zu einem eigentlich Leibhaftigeu und Lebensvollen zu machen. Enden) ,,Maria grüßte Elisabeth« ——1etzt.war’s an lisabeth, zu gedenken: ,,welch ein Gruß ist das?« denn es ist kein gewöhnlicher Gruß gewesen, wie si die Welt griißt· Jn dem Gruße der Heiligen it immer eine Gabe, von Gott erbeten, beschlossen, die der Gegrüßte empfängt, hat er Lust dazu. Maria grüßte Elisabeth, und die Kraft des heil. Geistes strömte mit dem Gruß über auf Mutter und Kind. (Besser.) 41. Und es begab sich, als Elisabeth den Gruß Maria hörete, hüpfte das Kind sindem das in V. 15 von ihm Gesagte sich jetzt erfüllete] in ihrem Leibe* sin Freuden der Frucht im Leibe der Maria entgegenjauchzend]. Und Elifabeth ward sfofort bei diesem Hüpfen] des heil. Geistes boll [der erleuchte1id und heiligend auf sie ein- wirkte, während er das bei dem noch unge- borenen Kinde nur in charismatischer Weise thun konnte], 42. Und rief laut und sprach: Gebenedeiet bist du unter den Weibern [V. 28], und gebene- deiet ist svor allem] die Frucht deines Leibes sum deretwillen erst du die Gebenedeiete unter den Weibern heißest]. 43. Und lwenn ich jetzt von dir auf mich hersehe, muß ich im Bewußtsein meiner Niedrig- keit dir gegenüber fragen:] woher kommt mir das ssolches Glück und solche Ehre], daß die Mutter meines HErrn sdes Messias, der auch mein Hei- land und Seligmacher ist] zu mir kommt lmich heimzusuchen] ? " · 44. [Daß es nämlich dieser, der Messias, ist, den du noch ungeboren unter dem Herzen trägst, dafür habe ich ein sicheres Unterpfand :] Siehe, da ich die Stimme deines Grußes hörete sdieselbe mir in die Ohren drang], hüpfte mit Freuden das Kind in meinem Leibe sihm schon jetzt entgegenjauchzend, dem es künftig den Weg be- reiten soll V. 17]. 45. Und o selig bist du, die du fbeim Em- pfang der dir gewordenen Botschaft besser als ein Anderer dich verhalten, indem du] geglåubet hast; denn es wird [nachdem es bereits angefangen hat sich zu vollziehen, auch] vollendet werden, was dir ldurch den Engel] gesagt ist vom HErrnXt V) Der Gruß Mariä, die Bewegung des Kindes im Mutterschooß und die Entzückung Elisabeths sind drei Momente, die so gleichzeitig als möglich gedacht werden müssen. (v. Oosterzee.) Die Wirkung des Grußes aus dem Munde Maria’s war eine außer- ordentliche: das Kind unter dem Herzen Elisabeths hüpfte, und Elisabeth ward voll heil. Geistes, so daß sie die Bedeutung dieses Hüpfens sofort verstand. Der Vorgang ist wunderbarer Art, und darf dieses Charakters nicht eiitkleidet werden durch die Annahme, als habe die Gemüthsbewegung der Mutter auf das Kind in ihrem, Schooße eingewirkt; die Ordnung ist nach dem Berigt des Evangelisten vielmehr die um- gekehrte, die ewegung des Kindes wirkte auf die Mutter und der heil. Geist gab ihr den Schlüssel des Verständnisses derselben. (v. Burger.) Das noch nicht eborene Kind empfindet die gnädige Gegenwart des gErrm dem es dienen sollte, angehaucht durch den Elisabeth preist die ankommende Maria selig. 593 eil. Geist aus dem Gruß Mariä, und freuet sich; ·lisabeth freuet »sich mit dem hüpfenden Kinde zugleich, sie ward des heil» Geistes voll und nach dem Engel die erste Predigerszin des Evangeliums. (Besser.) Die Bewegung des Kindes im» Mutterleibe —- an sich, nach vollendetem 6. Monat, ein gewöhnliches, innerhalb des Paturgesetzes fallendes Vorkommniß —- wird hier m diesem Falle von der Mutter, welche in diesem Augenblick zu prophetischem Schauen erhoben wird, als ein vom heil. Geist bewirktes bedeutungsvolles Zeichen erkannt und aufgefaßt; aber eben nur eine charismatische Machtwirkung (welche einen Menschen auch ohne sein eigenes Wis en und Wollen zu einem Werkzeug der Einwirkung auf Andere macht: 4. Mos. 2’2——24; 31, IS; I. Sam. 10, 10; 19, 24; Richt.·3, 10 ss.; 13,1— 16, 31; 1. Cur. 13, 13 14, 21 f.) auf das unbewußte Schlummerleben des Embryo, nicht ein Bewußtseindes letzteren und eine erleuchtende Wirkung des heil. Geistes auf dies Bewußtsein, wird dabei voraus esetztspSchon im Mutterleibe sollte nach V.15 das ind ein »Werkzeug, der charismatischen Machtwirkung des heil. Geistes sein und als solches, noch vor seinem Erwachen zum Bewußtsein, Zeugnis; sur Christum ·geben;· das geht hier in Erfüllung — das embrhonische Kind hat Zeugniß gegeben, aber eben auf diejenige Art, wie ein embryonis es Kind Zeugniß zu geben vermag, nicht etwa durch ortund Rede, sondern durch diejenige Lebensäußerung, die dem unbewußten Embryo die natürliche ist, durch eine Bewe un im Mutterleibe. (Ebrard.) Alles, was in das ebiet des Erhabenen gehört, entspringt aus einer tieferen Quelle als aus dem Verständniß Das Hupsen des Kindes, in welchem ein Vorspiel seines ganzen Lebens l·ie t (Joh. Z, 29), ehört zu den un- ergrundlichen Tieen des Instinkt- «ebens. Elisabeth sieht darin» ein Zeichen für die Wahrheit, welche sie beim Anblick der Maria geahnt hat) Die unerwartete Ankunft der Jungfrau in dem für sie selbst so wich- tigen Zeitpunkte, die von ihr sofort geahnte Verbin- dung zwischen der ihr zu Theil gewordenen wunder- baren Gnadenerwei ung und dieser überraschenden ?lnkunft, die bewegte Stimme und die gehobene, e- Peiligte Stimmung der Maria, welche ihr wie die r- cheinung eines himmlischen Wesens vorkam, der Zu- sammenhang zwischen dem Kind in ihrem eigenen L»eibe und der Erscheinung dessen, dem es als Vor- lauvfer dienen sollte, welcher sich ihren Gedanken so- gleich aufdrän te »—- das sind die natürlichen Umstände, durch welche ie in die rechte Gemüthsstimmung ver- setzt· wurde, um der Erleuchtung des Geistes theil- hastsiqg zu werden. (Godet.) ) Wunderbar! kaum hat Maria den Gruß aus- ejprochem da weiß auch gleich Elisabeth durch die uhrung des HErrn, woran sie ist und mit wem sie zu thun hat; nicht nur kommt über sie selber ein prophetischer Geist, der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft deutlich erkennt, sondern auch das noch nicht eborene Kind wird unbewußt von prophetischem onnegefühl er rissen und hüpft unter ihrem hüpfen- den Herzen. lisabeth kann der merkwürdigen Be- sucherin keinen gewöhnlichen Gruß zusenden, kann kein alltägliches Gespräch über Befinden und Wetter und Tagesereigtiisse mit ihr beginnen; sie fühlt es, Maria bedürfe einen anderen, höheren Gruß; ihre eigene gottinnige Stimmung, der Jubel ihres eigenen Herzens verlangt einen er abeneren S wung. Jm Geiste Bot! das größte under der elt erblickend, dessen erkzeug Maria sein sollte, bricht sie in die Worte aus: ,,Gebe·nedeiet bist du unter den Weibern, und gebenedeiet ist die Frucht deines Leibes! Und woher kommt mir das, daß die Mutter meines HErrn zu mir kommtl« Welch ein Bekenntniß! Elisabeth be- nahm sich hier gegen Maria, wie sich später ihr Sohn Johannes gegen Christum benahm, als dieser zu ihm an den Jordan trat, von ihm die Taufe zu empfangen; sie achtet sich nicht würdig, von der Mutter des Mes- sias besucht zu werden, umgekehrt, meint sie, wäre die rechte Ordnung gewesen. (Fr. Arndt.) Höchst merk- würdig ist das »die Mutter meines HErrn«: man mag sich wenden, wie man will, es kann nie passend erscheinen, ein noch nicht geborenes Kind »HErr« zu nennen, als bei der Voraussetzung, daß Elisabeth in der Erleuchtung des heil. Geistes« gleich den alten Propheten die göttliche Natur des Meffias, als dessen Mutter sie die Maria begrüßte, erkannte. (Olshausen.) Die Mutter des HErrn ist Maria fchon, denn die Empfängniß ist bereits geschehen; aus Elisabeth’s Munde erlangte sie dafür das erste Zeugniß Mei- nes HErrn, sagt Elisabet , indem sie gläubig ihren Antheil an dem Segen, des en Trägerin Maria ist, in Anspruch nimmt. (v.Vurger.) Elisabeths Worte sind für Maria Worte, die einer noch viel weiteren Reise werth gewesen wären; hätte sie ein Engel geredet, sie hätten ihr nicht lieber, vielleicht kaum so lieb sein önnen es ist das alles, was sie zu hören verlangt. Meinet ihr, weil sie als die Krone der Weiber aus- gerufen und selig gepriesen wird, oder weil sich Elisa- beth hoch geehrt fühlt durch diesen ihren Besuch? Es ist die Frage, wieviel Acht sie auf diese Dinge hat; Ein Gedanke bewegt sie nur, der aller ihrer Gedanken Anfang und Ende ist. Sie soll die Mutter des HErrn sein, und ist die gerin ste unter seinen Mägden; das größte Wunder foll gesschehew und sie, die Niedrigste, ist dazu aus-erkoren: um das zu glauben, bedarf sie mehr als einer Botschaft des Engels; bei soviel An- fechtun bedarf sie inimer neuer Glaubensstärkungeih damit ie in dem augefangenen Glauben fortgehe. Als sie nun die Schwelle des priesterlichen Hauses betritt, da inag sie wiederum bedacht haben, wie sie ihre Sache anbringen und gläubige Ohren dafür finden wollte, da nicht einmal ihr Verlobter Joseph dafür Ohren hatte; doch in ihrer kindlichen, demüthigen Einfalt wird sie das dem Gott befohlen haben, der auch das Unmög- liche möglich zu machen weiß. Und siehe, er hat schon gesorgt: Maria hat noch mit niemand sprechen können, und schon ist Elisabeth von allem unterrichtet. Elisa- beth nennt sie die Gebenedeiete unter den Weibern und die Mutter des HErrn, und predigt laut vor ihren Ohren, was noch als ein tiefes Geheimnißin ihrem Herzen verschlofsen war. Woher kann das Elisabeth wissen, wenn es ihr nicht durch den heil. Geist geoffenbaret war? So klar stimmen jetzt zwei Zeugnisse über dieselbe Sache zusammen, das Zeugniß des Engels vom Himmel und das Zeugnis; der Elisa- beth auf Erden. Hätte man der Maria nun auch sagen wollen, daß die Erscheinung des Engels eine Täuschung sei, so war doch noch das Zeugnis; der Elisabeth da, das nicht täuschte. So stärkt Gott die Seinigen im Glauben, daß er ihnen gewisse Zeuånisse giebt; er verbindet das Unsichtbare mit dem icht- baren, das Himmlische mit dem Jrdischen, er verbindet seinen Geist und seine Gnade mit dem hörbaren äußerlichen Wort und den sichtbaren Sacramenten und läßt beides mit einander uns Zeugniß geben, damit wir wissen, daß wir nicht in den Lüften fahren und den gespenstischen Schatten nachjagen. (Münkel.) Die Maria ihres Glaubens wegen selig preisend, denkt Elisabeth ohne Zweifel mit Wehmuth an den Zustand des Zacharias, dessen Unglaube mit Stummsein ge- schlagen war, während im Gegentheil die gläubige 594 Evangelium Lucä 1, 46—56. Maria mit einem frohen Gruß. in ihre Wohnung ein- getreten ist· (v. Oosterzee.) 46. Und Maria sdie Elisabeth im Werk des Preisens ablösendJ sprachix Meine Seele erhebet [2. Mos. l5, Z; 34, 2 den HErrn, »47. Und mein Geist freuet sich Gottes, meines Heilandes [Hab. Z, 18]. 48. Denn er hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen« ldaß er sie ende und wende 1I3, 5 ff.]., Siehe, von nun an werden xizibichxzlig preisen alle Kindeskind [1. Mos. 49. Denn er hat große Dinge an mir gethan [Ps. 126, 2 f.], der da mächtig ist, und deß Name heilig ist. · 50. Und seine Barmherzigkeit währet immer für und für, bei denen, die ihn furchteniir [2. Mos. 2o, e; 34, i; f.; Pf. 103, 17 f.]. 51. Er übet Gewalt mit seinem Arm sJesi 51, 9], und zerstreuet, die hoffärtig find m ihre]s Herzens Sinn [-2. Sam. 22, Zu; Pf· 89, 11 . 52. Er stößet die Gewaltigen vom Stuhl [Ps.147, 6], und erhebet die Niedrigen sHiob b, 11; B. Sam. S, 21 f.]. 53. Die Hungrigen füllet er mit Gütern lPss 107, 9], und läßt die Reichen leer-s— [1. Sam. 2, 3—8; Pf. 113, 7—9; Jst, 11]. 54. Er denke: der Barmherzigkeit [Jer. T«- 205 Pf— 98, 3], und hilft seinem Diener [oder Knecht Jes 41, 8 u. 42, 1 Anm.] Israel auf [Jes. so, 18], 55. Wie er geredet hat unsern Vätern, Abraham und seinem Samen sdaß er den- selben Barmherzigkeit erzeigen wolle] ewiglich [1. Mos. 17, 7]. »· s) Maria kann es nicht länger anhören, daß man sie lobt; sie ergreist»die Gelegenheit, ihr Herz zu Gott zu schwingen und ihn um seiner Gnade und Gaben willen zu loben. Ein Lob entzündet das andere; kaum hatte Elisabeth aufgehört im Lobe Gottes, so fängt Maria schon wieder damit an und ergießt alle« ihre Empfindungen in jenen weltbekannten Lobgesang, der nun folgt und vom ersten Anfangs-Wort in latei- nischer Sprache das Magnifieat genannt wird; dasselbe wurde von den alten Christen alle Abende, wenn sie Zusammenkanien zum Gebet, gesungen. (Fr. Arndt,) Luther hat eine uniibertresfliche Auslegung dieses Lob- Fespmges Damals» lkdvch noch nicht frei von einer alsehen Anrufung Mariens, denn er ruft in der Vor- rede ihre Hilfe zum Werke der Auslegung an: 1521) fUk den Prinzen Johann Friedrich geschriebeiy darin auch das Wort vorkommt: ,,Gottes Natur ist, daß er aus nichts etwas machet; darum, wer noch nichts ist, aus dem kann no etwas werden» Wie erhielt sich dieses Gebet? da »es bei Erzählungen über die Er- fahrungen der Maria mit in aller Vollständigkeit sollte erzahlt worden sein, könnte Einem unwahrscheinlich dünken; ebenso wissen wir nicht, ob Maria noch ge- lebt hat, als Lukas in Jerusalem war, aber sie könnte doch z. B. dem Johannes alles mitgetheilt haben, auch ihre Gebete. Heubner.) Elisabeth erscheint bei ihrer Antwort auf aria’s Gruß ganz in der mäch- tigen, strömenden Begeisterung, welcher wir an den Propheten des alten Teftaments begegnen; etwas von der Art ihres Sohnes, den sie unter dem Herzen trug und der voll Freuden und lebensvoll im Mutterleibe hJieipfte, als Maria grüßte, ist an ihr zu spüren, etwas ächtiges, was bei dem Alter ihres Leibes desto jugendlichen aber auch desto ungewohnter auffiill«t. Anderer Art sehen wir die jugen liche Gottesma d, die heil. Jungfrau. Auch an ihr erscheint ni ts Weichliches und Weibisches, im Gegentheil sind alle ihre Worte lauter Zeugnisse einer in Einfalt starken, hohen, großen Seele; dennoch aber ist alles so weib- lich-milde, jungsräulich, ruhig, klar und stille, daß man an die Worte: »Gott, man lobt dich in der Stille zu Zion« erinnert werden könnte. Jn ihr steht das neue Testament dem alten gegenüber, die Ruhe und Klar- heit des seligsten Besitzes gegenüber dem Dran e und dem siegenden Verlangen der Heiligen, die nach angem Harren.endlich mit vollen Se eln der Erfüllung aller Verheißun entgegenziehen. ( öhe.) Eine ä tköni - liche Majestiit herrscht in diesem Liede: zuert spri t Maria ihre augenblicklichen Eindrücke aus, V. 46——48a; dann geht sie aus die göttliche That zurück, durch welche dieselben hervorgerufen sind, V. 48b——50; dann schaut sie die daraus sich entwickelnden geschichtlichen Folgen, V. 51——53; endlich preit sie das göttliche Thun als moralisch-nothwendige rfüllung der alten, von Gott seinem Volke gegebenen Verheißungen, V. 54. (Godet.) Die Kunst, den HErrn zu preisen; dazu gehört 1) ein helles Auge, um die Thaten Gottes u ermessen, 2) ein frö liches Herz, um ichsi rer zu freuen, 3) eine gelöste unge, um dieser Freu e auch das rechte Wort zu geben. (Palmer.) IV) Die Seele ist das Verinittelnde zwischen Geist und Leib, welches die Eindrücke von außen und innen empfängt und hier durch den Mund ausspricht, was» im Geiste vorgegan en ist. (Meyer.) Der Geist ist das höchste, edelste heil des Menschen, damit er ge- schickt ist, unbegreifliche, umsichtige, ewige Dinge zu fassen, und ist kürzlich das Haus, da der Glaube und Gottes Wort innen wohnt. (Luther.) Die Zusam- menstellung von Geist und Seele bezeichnet das ganze innere Wesen; höhere und niedere Geisteskräste waren freudig erregt. (Olshausen.) Meint die Jung- frau unter Gott, den Heiland und Erretter, den, der in der Verbindung mit der Gottheit unter ihrem Herzen einem großen Tag entgegenwuchs? oder ist »Gott der Heiland« ohne Beziehung auf Ihn? Wenn Er ihr Heiland und Erretter ist, wovon heilt und errettet er sie? do? nicht von Armuth und zeitlichem Elend, das ihr ebenslang blieb und unter dem Kreuz sich so schrecklich mehrte? Die Gottesmutter kennt die Ver- lorenheit der Seelen, das Sündenelend; davon weiß sie einen Heiland. Gott ist ihr Heiland worden durch Menschwerdung; es gebt ja keinen Heiland, als den Menschgewordenen iese, keine andere Erkenntniß iemt der Gottesmutterx wie Elisabeth die Leibesfrucht ariens ihren HErrn nennt, so nennt Maria selbst sie »Gott, ihren Heiland«. (Löhe.) Maria erblickte nichts als ihre eigene Niedrigkeit; das war das tiefste Gefü l, das sie von sich selbst hatte. Niedrig und vera tet war ihr Stand, niedrig und arm ihre äußere Lage, niedri und sündhaft ihr Herz, niedrig und un- fähig, vor ott zu bestehen und etwas zu gelten, ihr ganzes Leben. Andere hätten sich vielleicht urch das, Lobgesang der Maria. 595 was sich mit Maria begeben hatte, zu Regungen der Eitelkeit und Hofsart hinreißen lassen, hätten vielleicht bei sich gedacht: wenn der Engel Gottes, wenn Elisa- beth, die Keinem schmeichelh mich so grüßt und nennt, so muß doch wohl etwas Ausgezeichnetes auch an mir sein. Aber nein! sie weiß von keinem Vorzuge, kei- nem Verdienst, sie weiß nur von ihrer Unwürdigkeit und Niedrigkeit; aber davon weiß sie allerdings, daß Gott trotz dieser ihrer Niedrigkeit sie gnädig angesehen und ihr ein Glück und eine Auszeichnung bereitet hat, die alles übersteigt, was sie je hätte ahnen und hoffen können. (Fr. Arndt.) —- »Es-«) Jetzhnach den begeisterten Worten der Elisabeth, konnte der Maria kein Zweifel mehr hinsichtlich ihres messianischen Mutterstandes bleiben; von jetzt an also mußte sie der Gegenstand der all emeinen Glücklichpreisung sein, von welcher eben lisabeth selbst den Anfang gemacht hatte. (Meyer.) Hier sieht man wohl, wie sie an des Engels Worten haftet, ihr Sohn werde ein ewiger König sein; darauf ründet sie die fröhliche Aussicht, in dieses Königs Reich; ewig selig gepriesen zu werden von denen, die gleich ihr im Anblick einer Gnad’ Leben und Seligkeit haben würden. (Bes er.) Selig werden die Kindeskinder nicht durch diese Seligpreisung, selig werden sie dadurch, daß sie, wie Maria, Gottes Wort hören und bewahren; aber eine Weissagung ist es dennoch, daß Maria soll selig gepriesen werden, wie- wohl aus Mariä eigenem Runde. (Löhe.) Maria führt das Ereigniß, das sie preist, auf Gott als Ur- heber zurück und rühmt die drei sich darin offenba- renden göttlichen Eigenschaften: 1) zuerst die Macht, denn es handelt sich hierbei um eine Kraftwirkun , in welcher sichtbarer als in irgend einer seit der Er chaf- sung des Menschen die schöpferifche Kraft Gottes sich offenbart: 2) aber diese Allmacht hat durchaus nicht den Charakter einer blos physischen Gewalt, sie steht im Dienste der Heiligkeit. Maria hat si bei dieser wunderbaren Wirkung in unmittelbarer erührung mit der absoluten Heiligkeit gefühlt; sie hat begriffen, daß diese Vollkommenheit mehr als irgend eine andere das eigentliche Wesen Gottes ausmacht, und dieses Wesen Gottes kann von den Geschöpsen nun auch immer besser gefaßt, immer mehr in ihrem Geist von den verdunkelnden Nebeln befreit werden; 3) die gött- liche Barmherzigkeit hat Maria schon in V. 48 aus persönlicher Erfahrung erühmt; jetzt macht sie eine ganz allgemeine Anwen ung davon. Durch »die ihn sürchten« bezeichnet sie vor allem die vor ihr Stehen- den, Zacharias und Elisabeth; sodann alle Glieder des Volks, welche diesen Grundzug israelitischer Frömmig- keit besitzen und das wahre Israel bilden. (Godet.) s) Seit der Sohn Gottes sich erniedrigt hat und ein geringer Mensch in der Knechtsgestalt geworden ist, hat sich alles in der Welt wunderbar verkehrt; « das sieht und erlebt Maria an sich selbst, sie selbst das lebendigste Beispiel von dem, was fsie sagt. Es sind viele Königs- und Fürstentöchter au Erden, und in Israel sind viele vornehme und reiche Frauen; dennoch hat sich Gott eine niedrige Magd ausg·esucht, daß sie soll selig gepriesen werden von allen Ge- schlechtern für und für, und der HErr Jesus, der selbst niedrig geworden ist und in den geringen Stand ein- getreten, hält sich nur zu Seinesgleichen. (Münkel.) ohin Maria mit ihren Worten zielt, ist aus dem alten Testament zu entnehmen, wo so oft das gläubige Volk Gottes mit dem Namen der Elenden, der Armen, der von tyrannischer Uebermacht Unterdrückten bezeichnet- « wird; eben diesen Unterdrückten gilt das Heil des« Messias, und ihre Dränger werden zu Gesunden, der HErr erhebt sein zerschlagenes Volk und macht dem Uebermuth seiner Unterdrücker ein Ende. (v. Burger.) Maria hätte keine Davidstochter sein müssen, wenn sie bei diesen Worten nicht an Herodes, aber auch keine gläubige Jsraelitin, wenn sie allein an ihn gedacht hätte. (v. Oosterzee.) Jn wellenförmiger Bewegung gehen die Gedanken in den drei Versen von Gleichem zu Gleichem über; das Gefühl wird da nicht so hin- und hergestoßen, wie es der Fall sein würde, wenn die drei Gegensätze in regelmäßigem Parallelismus der Glieder·(·2. Sam. 1, 27 Anm.) auf einander folgten. (Godet.) — H) Daß Maria nicht an die Menschheit, sondern an Israel denkt in ihrem Lobge- sang, entspricht dem alttestamentlichen Standpunkt, auf dem sie naturgemäß und heilsgeschichtlich noch steht; erst von Israel aus und durch Jsrael gelangt das Heil auch zu den andern Völkern. (v. Burger.) Wenn die vor ergehenden Verse die zukünftigen Entwickelungen des me sianischen Heils enthüllten, so führen nun diese auf seine Grundlagen in der fernsten Vergangenheit zurück. (Godet.) Nachdem denn jetzt ein Heiland ge- kommen nnd das Weib, von welchem der Saame kommen soll, gefunden ist und von ihrer Heimsuchung redet, ist Beweis und Anfang einer ewigen Barmher- zigkeit gegeben. (Löhe.) 56. Und Maria blieb bei ihr sder Elisabeth, nach dieser ersten Begegnungs bei drei Monden sbis die Zeit der Niederkunft derselben nun her- beigekommen war, ohne diese selber noch abzu- warten, während jener drei Monden aber sprachen die beiden Frauen die großen Dinge, die sie er- lebten, weitläufig durch und wurde da der Maria, indem ihr Elisabeth auch erzählte, was ihrem Manne im Tempel begegnet, deren Rede in V. 4t—45 erst recht bedeutsam]; darnach kehrte sie wiederum heim sgen Nazareth, und folgte da die Geschichte, die wir in Matth. 1, 18 ff. gelesen haben]. IV. o. 57—80. (§. 9.) in: di: Casal-eit- tkomiut ich: die Stunde, da sie gebären sollte, und dlachbarn und « Gesrenndte freuen steh mit ihr, als das: Kind nun da ist. Der achte Tag darnach ist dem Gesetz und dem Herkom- men gemäß der Tag der Beschneidung nnd dlarnengebutigz bei Gelegenheit der letzteren bekommt Zacharias seine Sprache wieder und sofort wendet er sie an zu einem Eobgesangg worin er voll prophetischer Begeisterung in erster tcitiie Gott wegen des niesslanisclselt lheiles preist nnd erst in zweiter Linie an sein Kind denkt, die Ku- wesendrn aber werden von jener Flucht ergriffen, die bei jedem Eingreifen der unsichtbaren Welt in die sicht- bare für den Menschen darum stattfinden weil der Saite-ernannt, den er in der gewohnten Ordnung der Sichtbarkeit zn suchen gewohnt ist, ihm aus einmal ver· rüctit worden. Hernach spricht man in Folge des sich verbreiteaden Gerüchts von den wunderbaren Erctgnissen in des alten Priesters Haus: ans dem ganzen jödisajen Gebirge und fragt sitt) unter einander, was wohl ans dem Kindlein werden solle, dessen Eintritt in die Welt von» so anßerordentlichen Gotte-thaten begleitet gewesen. lieber— seine weitere Entwickelung bis zur Zeit des öffent- lichen heroortretens vor das voll: giebt der Evangelist einen nur kurzen, doch für das Verständnis der späteren Mittheilnngen über Charakter, Bedeutung und wirksam— nett des Johannes hinreichender- Bericht. Ist· 596 Evangelium Lucä 1, 57—66. Evangelium am Tage St. Johanna» der Täufers: V. 57—-80.) c» Tsfährend dabs Weihiäzachzsfäst die fErfülluizg tdkr Her Jung rau gege enen er ei ung eiert, iee as Johannisfest der christlichen Gemeinde die Geburts- geschichte des Sohnes der Elisabeth zum Gegenstand andächtiger Betrachtung dar; wie nämlich die Geburt des Heilandes (gefeiert in der Nacht vom 24.—25. De- zember) ein halbes Jahr nach der seines Vorläufers Johannes ge chgz so hat auch die Kirche einen gleichen Zeitraum vor eihnachten (24. Juni) angenommen, und an den Anfang desselben das Andenken desjenigen gestellt, welchen der HErr als den Größten unter den von Weibern Geborenen auszeichnet (Frantz.) Es kam der lutherischen Kirche hier namentlich darauf an, daß an diesem Tage der Lobgesan Zachariä -derfGe- me1nde ausgelegt werde, welcher Iobgesang in litur- gischer Bearbeitung den Namen des Benedictiis (Ge- lobet) führt und von welchem die lutherische Kirche einen sehr weiten litur ischen Gebrauch gemacht hat. Um dieses Zweckes wi en erklären denn auch eine «Reihe von Kirchenordnungem daß sie den Tag nicht sowohl für einen Tag des Johannes, als vielmehr auch für -ein Fest Christi schätzen. (Kliefoth.) Das Johannisfest ist nächst dem Weihnachtsfest das einzige kirchlich gefeierte Geburtsfest, wegen der hohen evan- elischen Bedeutung der Johanneischen Geburt als olcher, sinnig auf den 24. Juni, wo die Tage ab- nehmen (Joh. Z, 30), verlegt, während das Weih- nachtsfest in die Zeit fällt, wo die Tage wieder zu- nehmen. (Guericke.) Mit der Sonnenwende hängen die Johannisfeuer zusammen oder die Feuer, welche nach einer uralten, fast in allen Ländern Europa’s nachweisbarem zum Theil noch bestehenden Volkssitte am Abend oder Vorabend des Gedächtnißtages Jo- hannis des Täufers unter freiem Himmel, auf Hügeln und Bergen oder auch in Straßen und auf Märkten unter mancherlei begleitenden Bräuchen angezündet werden; man schrieb dem Feuer allerlei heilsame Wirkungen und Segenskräfte zu, Bewahrung vor Krankheiten, Heilung von allerlei Uebeln, z. B. der Epilepsie (Johannisübel), Fruchtbarkeit, Schutz wider Brandund Gewitter u. s. w., und sind diese Gebräuche unzweifelhaft heidnischen Ursprungs, Reste eines ur- alten, bei allen Völkern arischen Stammes verbrei- teten Licht-, Feuer- und Sonnenkultus. (Wagenmann.) Johannes hat von zweierlei Feuer gepredigt, von dem Feuer des heil. Geistes und von dem höllischen Feuer; um diese zwei Feuer bekiimmere dich. Laß dich das Feuer des heil. Geistes zu allen Tugenden anbrennen, damit du dem höllischen Feuer entrinnen mögesr (Herberger.) o7. Und Elifabeth kam lbald nach dem Weg- gang der Maria] ihre Zeit, daß sie gebären sollte; und sie gebar fnach unsrer Rechnung am 24. Juni des J. 5 v. Chr] einen Sohn swie der Engel Gabriel damals dem Zacharias Verkündigt hatte V. 13]. » 58. fund ihre Nachbarn und Gefreundte horeten [indem ihnen Nachricht von der Geburt des Kindes gegeben wurde], daß der HErr große Barmherzigkeit [durch das Geschenk eines Sohnes noch m ihrem» Alter] an ihr gethan hatte, und freuten sich mit ihr lwodurch auch das Engelswort in V. l4 sich zu erfüllen anfing]. Diese Verse geben sozusagen ein liebliches israe- litisches Genre-Gemälde; man sieht die Nachbarn und Verwandten 1iach einander ankommen, letztere zuerst, weil sie in der Nähe wohnen. Die glückliche Mutter bildet den Mittelpunkt der S·eene; einer um den an- dern tritt zu ihr heran. (Godet.) Wer schon eine Mutter gesehen hat, wie sie ihr Neugebornes in den Armen hält mit stiller Wonne, wie aller Schmer ver- essen ist, weil es nun da ist, wie sie es anbli t mit ugen strahlend von Stolz und Freude und herzin- niger Liebe, ja wer selber schon das kostbarste Geschenk der Erde, womit die ewige Liebe uns erfreuen kann, ein Kindlein hat in den Armen gewiegt, der kann sich gewiß die würdige Mutter Elisabeth vorstellen in ihrer Freude mit dem Kindlein in den Armen, kann si die Wonne und Seligkeit denken, mit der sie da- fa , als nun ihre Armuth zum Reichthum, ihre Schmach zur Ehre, ihre Sehnsucht zur Befriedigung, i re Hoffnung zur Erfüllung, ihr Schmerz zur Freude, i r Lebensherbst wieder zum Frühling geworden war durch dies Herbströsleim das ihr so spät noch auf- blühte. (Gerok.) Groß war die der Elisabeth wider- fahrene Barmherzigkeit Gottes in den Augen der Nachbarn, weil sie ihrem Lebensalter nach auf Kinder- fegen nicht mehr hatte hoffen dürfen und nun doch noch mit einem Sohn beschenkt ward; der übrige Jn- s halt der Engelsverkündigung an Zacharias war den Nachbarn nicht bekannt. (v. Burger.) Die alten Wunderzeiten schienen in Israel nach langer Entbeh- rung wiederkehren zu wollen; nach dunkler Nacht leuchtete im Kreise dieser Priestersaniilie der erste Schimmer eines Morgenroths, welches den Aufgang der Sonne anzukündigen bestimmt war. (Frantz.) 59. Und es begab sich am achten Tage lwie das Gesetz vorschrieb: 1. Mos. 17, 1«2; 3. M. 12, 3], kamen sie ldie zur Beiwohnung der heil. Handlung geladenen Nachbarn und- Gefreundtej zu beschneiden das Kind [welche Handlung in der Regel vom Hausvater verrichtet wurde]; « und hießen ihn fden Knaben, indem sie dem Herkom- men gemäß ihre Betheiligung durch die Namen- gebung 1. Mos. 25, 25 f. bekunden wollten und meinten, ein Kind, das als einziger Sohn das Geschlecht fortpflanzen werde, könne selbstver- ständlich nur nach des Vaters Namen genannt werden] nach seinem Vater, Zacharias [Tob.1,9]. 60. Aber feine Mutter [der Zacharias durch schriftliche Mittheilung längst schon auch das« ge- offenbart hatte, was ihm der Engel in V. 13 befohlen] antwortete und sprach: Mit nichten sist das, was ihr deutet, in diesem Falle auch nach Gottes Meinung das Richtige], sondern er foll Johannes heißen-« 61. Und sie fdas für einen sonderbaren Einsall der Mutter haltend, auf den sie um so weniger eingehen mochten, als sie gar keinen Er- klärungsgrund für diesen andern Namen sich denken konnten] sprachen zu ihr: Jst doch niemand in deiner Freundschaft, der also heiße« [wie in aller Welt kommst du da auf den fremden Namen?]. 62. Und sie san den appellirend, von dem sie glaubten, er werde gewiß sein Gewicht zu Geburt und Namengebung Johannis des Täufers, des Vorläufers Christi· 597 Gunsten ihres vermeintlich besseren Vorschlags in die Wagfchale werfen, und ihm in derselben Weise die Frage zur Entscheidung vorlegend, in welcher allein er bei seiner Stummheit im Stande war, sie zu beantworten] winkten seinem»Va»ter, wie er ihn wollte heißen lassen [doch gewiss nicht anders als: ,,Zacharias«]. - 63. Und er sweil er darauf kein einfaches Ja zur Antwort zu geben hatte, wie man er- wartete, sondern einen bestimmten andern Namen an die Stelle setzen mußte] forderte ein Tiiflein, schrieb und sprachHJ sdriickte seine Entscheidung in diesen Worten, die er niederschrieb, aus]: Er heißt swie das schon feststeht und gar nicht weiter in Frage kommen darf] Johannes. Und sie ber- wunderten sichialless [dieser so bestimmt und kate- gorisch gefaßten Entscheidung, die sie auf dem Täflein lasen, da sie wohl erkannten, daß da- hinter ein ansdriicklicher Gottesbesehl verborgen liegen müsse] 64. Und alsobald sda er nunmehr durch sei- nen Gehorsam gegen Gottes Wort zur völligen Erfüllung des in V. 13 ihm Gesagten mitgewirkt und damit seinen vorigen Unglauben V. 18 wie- der gut gemacht hatte] tvard sein Mund und seine Zunge ausgethan ldaß jener nicht mehr stumm und diese nicht ferner sprachlos sein durfte], und redete [wieder] nnd szwar war das erste Ge- schäft, dazu er die von ihren Banden los ge- wordene Zunge gebrauchte, dies, daß er] lobte Gott-H [in dem vom heil. Geist ihm eingegebenen Liede V. 68—79]. r) Der Name Zacharias ist ein guter Name, er heißt: »der HErr denkt an uns«; kein Name schickt sich besser für die Umstände, denn Gott hat des Ehe- paars geda t und seine Gebete erhört Dennoch ist die Mutter lisabeth nicht dieser Meinung; sie ist von ihrem Manne schon anders unterrichtet, der ihr auf einem Täfelchen.geschrieben hatte, was im Tempel geschehen war, und daß der Knabe sollte Johannes eißen. Zacharias ist ein guter Name, aber der Name Johannes ist noch besser; Johannes ist soviel als Gotthold oder Gott ist gnädig und will seine Huld erweisen. Den Namen hat Gott selbst ausgesucht; wer den Namen nennen hört, der soll wissen, daß Gott gnädig sein will, und der Name soll ausgehen wie eine Predigt in’s ganze Land, daß die Gnadenzeit herbeigekommen ist, wo Gott die Missethat seines Volkes tilgen und sein Erbtheil erquicken will. , VI) Mit Johannes sollte nicht die Familie des Zacharias sortgesetzt werden, sondern es sollte ein Neues anfangen; auch sollte Johannes offenbar wer- den als ein Mann von Gott gesandt, der seine Gaben und Berufung nicht aus seinem Vaterhause und aus seiner Freundschafh sondern von Gott hatte. Als ihm daher Gott den Namen beile te, da fragte er nicht, ob der Name auch in seiner erwandtschaft zu finden wäre, sondern er wählte ihn eben darum, weil er nicht darin zu finden war. Ungewöhnlich ist das Kind, eben so ungewöhnlich soll auch sein Name sein; so ungewöhnlich ist der Name, der sonst im Volke ge- bråuchlich genug war, daß ihn keiner der großen Männer und Propheten des alten Bundes führt, er ist aufgespart für Johannes, damit er durch ihn erst zu Ehren käme und ein hoher Name würde. (Mtinkel.) Mk) Der Ausdruck: ,,schrieb und sprach« ist nicht so zu verstehen, als sei ihm zur Namennennung schon die Sprache wiedergegeben worden; er ist dem griech. und hebr. Sprachgebrauch gemäß zu erklären: ,,er schrieb in folgenden Worten«, so daß das ,,sprach« nur die Angabe des Inhalts von dem einleitet, was er schrieb; erst in V. 64 wird berichtet, wie ihm auch die Sprache wiederkam, denn nun erst, da auch der Name festgesetzt war, war der in V. 20 eingetretene Zeitpunkt eingetreten. (v. Burger.) f) Der Ausdruck: »Johannes ist sein Name« hat etwas Geheimnißvolles und enthält die Berufung auf eine höhere Entscheidung: dies —- nicht wie die Aus- leger meist meinen, die Uebereinstimmung zwischen Vater und Mutter, die gar nichts Verwunderliches enthält —- setzt die Anwesenden in Verwunderung; alle erinnern sich dabei an die der Geburt des Kindes vor- angegangenen auffälligen Begebenheiten. (Godet.) H) Jetzt, da seine Seele ganz von den Banden des Unglaubens befreit ist, wird auch seine Zunge von den Banden des Stummseins gelöst; nnd den Beweis, daß er auch der Seele nach genesen ist, giebt er so- gleich darin, daß sein erstes Wort keine Fra e, son- dern eine Lobpreisung ist. (v. Oosterzee.) ie das Metall in dem Augenblick, da ihm ein Ausgang er- öffnet wird, aus dem Schmelztiegel ausströmt, so floß diese Rede, die sich in dem Herzen des Priesters während der Zeit seines Stillschweigens allmälig ge- bildet hatte, feierlich von seinen Lippen in dem Au en- blick, da ihm die Sprache wiedergeschenkt war. ier begnügt sich Lukas, vorerst nur dem Lobgesang seine Stelle anzuweisen, um die Erzählung ni t zu unter- brechen; den Lobgesang selbst bringt er er t am Schluß der Erzählung, da derselbe einen von dem Augenblick, in welchem er ausgesprochen wurde, unabhängigen Werth hat. (Godet.) 65. Und es kam svon dem Haufe des Zacharias aus, wo so wunderbare Ereignisse bei der Beschneidung des Kindes sich zutrugen] eine Furcht svon dem tiefen Eindruck, daß hier überall Gottes eigenes, unmittelbares Werk vorliege, her- vorgerufen Apostg H, 11] über alle Nachbarnz nnd diese Geschichte ward alle ruchbar sviel be- sprochen, nicht blos zu Hebron, sondern auch] aus dem ganzen jüdischen Gebirge szu dessen Landschast die Stadt gehörte V. 39]. 66. Und alle, die es höreten, nahmen es zu Herzen sindem sie es zum Gegenstande tieserer Erwägung macht"en] und sprachen [einer zu dem andern]: Was meinest du, will.[demnach- da sp Außerordentliches schon vor und nach der Geburt und bei der Beschneidung sich zugetragen] aus dem Kindlein werden? smit Recht aber frugen sich die Leute also, und wurden auch nachher, beim Heran- wachsen des Kindes, in besonderer Aufmerksamkeit auf dasselbe erhalten] Denn die Hand des HErrn [in besonderer Einwirkung des heil. Geistes auf das Herz des Knaben] war mit ihm sdaß er frühe schon einen ernsten, frommen Sinn an den Tag legte V. 15 u. 80]. 598 Evangelium Lueä I, 67—-—80. Vor Johannes her geht die Botschaft, daß Gott große Dinge mit ihm vorhat, und wo man von seinem Namen redet, da erzählt man alle die Geschichten, die geschehen sind; es kommt eine heilsame Furcht über alle, die zur Buße leitet, und man bedenkt die Zeit der Heimsuchung welche vor der Thür ist. Man wird aufmerksam auf Johannes und hat Acht auf sein Leben, um zu erfahren, was Gott durch ihn thun wolle; ihm ist der Weg bereitet zum Herzen des Volkes, damit er dem HErrn den Weg bereiten könnte. Wir haben gleich in dieser ersten Geschichte den Mann von Gott, der zwar nie selbst ein Wunder gethan hat, der aber mit einem Wunder in die Welt eingeführt ist und als» ein Wunder vor den Augen seines Volks ge- wandelt hat. (Münkel.) 67. Und sein Vater Zacharias sals ihm Zunge und Mund wieder aufgethan wurde, wie in V. 64 erzählt worden] ward des heiligen Geistes voll Und sprach [da er nun redete, um Gott zu loben]: Das Weissagen bezeichnet hier die prophetischa vom Geiste angeregte und getragene Offenbarungsrede überhaupt, welche das eigentliche Weissagen mit ein- schließt, vgl. 1. Tor. 12, 10. (Meher.) Jn dem Lob- gesang des Zacharias bemerken wir denselben Gang wie in der Rede der Elisabeth (V. 42—45). Zuerst bricht das theokratische Gefühl hervor: Zacharias spricht seinen Dank aus für den Anbruch der messianischen Zeiten, V. 68—75; dann tritt das väterliche Gefühl in einer Art Paranthese hervor: der Vater drückt seine Freude aus über die seinem Sohne bei diesem herr- lichen Werk angewiesene ehrenvolle Thätigkeih V. 76 n. 77; endlich strömt noch einmal die Danksagung für das Kommen des Messias und sein Heilswerk über seine Lippen und macht den Schluß des Liedes, V. 78 u. 79. (Godet.) Er sieht der Propheten Wort in Erfüllung gehen, sieht die Errettung nahen von allen Feinden, welche Jsrael hassen; er hegt eine Hoffnung — der Ausdruck ist sehr unzureichend, wenn man sie eine halbpoliiische nennt, aber allerdings hofft er von der gründlichen inneren Erneuerung einen Segen auch für den äußeren Stand des Volkes. Er denkt sich’s in einer Gestalt, wie es nur damals noch möglich war, da noch nicht die Unbußfertigkeit der großen Masse den Segen von sich gestoßen hatte. (Riggenbach.) 68. Gelobet sei der HErr, der Gott Israel [Ps· 41, 14; 106, 48], denn er hat snach der langen offenbarungslosen Zeit von 400 Jahren Neh. 13, 31 Anm. nun wieder] besuchet und [da durch Gründung des messianischen Heils in vollkommen befriedigender Weise] erlöset sein Volk [indem, was aus dem gepflanzten Keim sich schließlich entwickeln wird, schon so gut ist, als wäre es da]. 69. Und hat [weil der, der da kommen soll Matth. 11, 3., allbereits in jungfräulichem Leibe seiner Mutter empfangen ist V. 42 f.] uns aufgerichtet ein Horn des Heils [d. i. ein starkes, unuberwindliches sieghaftesHeil Pf. 18,·3; 92, 1l] m dem Hause seines Dieners David-«« saus welchem ja die Mutter entsprossen ist Katz. Z, 23——31; Pf. 132, 17]. 70. Alls er vor Zeiten geredet hat sein solches Horn uns aufrichten zu wollen] durch den Mund seiner heilt en Propheten [die er von Anfang der Welt her sich erweckt hat Apostg. Z, 18. 21 u. 24]: 71. Das; er uns svermöge desselben] errette von unsern Feinden sden uns unterdrückenden heidnischen Römern] und von der Hand aller, die uns hassen [z. B. dieses Herodes]. 72. Und [wiederum mittelst dieser Errettung] die sihnen in Aussicht gestellte und auch sehnlichst von ihnen erwartete Kap. 10, 241 Barmherzig- keit erzeigete unsern Vätern-«« [die ja, nachdem sie bisher in der andern Welt sich doch noch in einer gedrückten Stimmung befunden haben, nun auch können vollendet werden Hebr. 11, 39 f.; Matth. 27, 52f.], und gedächte swie in Be- treff der Väter, so auch in Betreff der Kinder V. 17] an seinen heiligen Bund sden er mit Jsrael nufgerichtet und darin ewiges Heil ihm zugesagt hatt, 73. Und an den Eid, den er [in 1. Mos. 22, 16-—18] geschworen hat unserm Vater Abraham [bei welchem Eid er dann in der allerverbindlichsten Weise Hebr. 6, 13 ff. ver- sprochenj uns [das Glück] zu geben, 7 Daß wir, erlöset aus der Hand unserer Feinde [unter deren Obmacht kein freies, frisches, fröhliches Gottesleben uns möglich war], ihm dieneten ohne surchttkk unser Leben- lang, 75. In Heiligkeit [da man von allem Bösen sich unbefleckt behält] und Gerechtigkeit [da man allem Guten nachtrachtet Eph. 4, 24], die ihm gefallig ist. « » . » Zacharias spricht von Dingen, die nicht mehr zu« künftig, sondern schon vorhanden sind; er bekennet und bezeugt es heut, daß der Sohn Davids, das Horn des Heils, der alle Elenden beschützen und alle Feinde zerstoßen soll, in das Fleisch gekommen. Denn drei Monate lang, bis zur Geburt Johannis, war die gebenedeiete Mutter in seinem Hause gewesen; da hat er auch mit angehört, was Maria erzählte von dem Besuche des Engels Gabriel und von der göttlichen Botschafh und das alles wurde ihm fest bestätigt durch das, was er im Tempel gesehen und gehört und was nun so eben geschehen war. (Münkel.) Jn seinen Worten drückt sich sehr bestimmt aus, daß er die Maria als Abkömmling des Hauses David ansah. (Godet.) — «) Es ist eine Barmherzigkeit, die auch rückwärts greift und den Vätern hilft, und zwar hilft sie ihnen zu Leben und Seligkeit; als daher Christus kam, auf den sie ihre Hoffnung gesetzt hatten, da wur- den sie froh Joh. 8, 56. (Besser.) — Mk) Es ist die Furcht vor Feinden gemeint, die es Jsrael zu mancher - Zeit unmöglich machten, Jehova mit Freuden zu dienen. (v. Oosterzee.) Welche Störungen hatten die Maeedonier, besonders Antiochus Epiphanes, und die Römer den Juden in Ausübun ihres Gottesdienstes verursacht. (de Wette) —- 1-) er Zweck ist die voll- kommene Gottesverehrung die politische Befreiung nur das Mittel dazu; die vollkommene Gottesverehrung bedarf äußerer Sicherheit. Bald herrscht der Messiasz da kommt kein Antiochus mehr, um das Heiligthum Lobgesang des feiner Sprache wieder mächtigen Zacharias 599 zu entweihen, kein Pompejus, um Gewalt gegen dasselbe gebrauchen. Hier ist das Jdeal des Heils, wie es im alten Testament geschildert ist und wie es auch des Zacharias Sohn, der Vorläufer, auf efaszt hat, in seiner Reinheit dargestellt; dasselbe besteht in· einer, auf dem Grund einer nationalen Bekehrun sich er- hebenden mächtigen Theokratie Eben von ieser An- fchauung aus konnte der Täufer sich in den Gang der Dinge während des Lehramts Jesu nicht recht finden. Zur Zeit des Exils schaute der priesterliche Prophet Hesekiel (40—48) die vollendete Theokratie unter dem Bild eines Tempels von vollkommenen Raumverhalk niffen; hier fchaut der prophetische Priester Zacharias dasselbe Ideal unter dem Bilde eines ununterbrvchen vollkommenen Eultus So paßt der heilige Geist die Form seiner Ossenbarungen den gewöhnlichen Beschäf- tigungen seiner Werkzeuge an. (Godet.) « 76. Und »du Kindlein-«· [auch von dir habe ich Großes zu sagen: du] wirst ein Propbet des Höchsten heißen sMatth n, 9; 21, 46; Joh. 10, 41]; du wirst vor demHErrn her- gehen, daß du seinen Weg bereitest [V. 17; Jst— 40- Z]- 77. Und Erkenntnis; des Heils gebeft seinem Volk, die da ist in [die vor allen Dingen sich richtet auf] Vergebung ihrer Sün- den [Jer. 31, 34]; » » 78. Durch die] herzliche Barmherzigkeit unsers Gottes« [wird ihnen dieselbe zuTheil werden, und zwar durch dieselbe Barmherzigkeit]- durch welche [überhaupt ausschließlich und»allein] uns besucht hat der Aufgang aus der HoheW [indem nun der Messias sich einstellt Mal. ·4, 2], 79. Auf das; er erfcheine denen, die da sitzen in Finsternis; [der Entfremdung von Gott und der damit verbundenen geistlichen Blindheit] und Schatten des Todes sdenn solch Finsternis geht der Verdammniß vorher, wie bei einein Sterbenden die Verdunkelung des Gesichts ein Vorspiel des Todes ist Jes. 9, l; 60- U, UND richte unsere süße auf den Weg des Friedens [der Versöhnung mit Gott, vonwelchem Wege das Volk soweit abgeirrt ist PS, 6; 59, 8 f.]. «) Eigentlich soll Johannes in diesem Lvbgesange als Prophet bezeugt werden, man erwartet daher, daß derselbe allein oder doch zum großen Theil von Johannes handle: das ist aber gar nicht der·Fall, Ia sotvenig ist es der Fall, daß geradezu Christus die Haupt- sache, Anfang und Ende der Weissagung Ist« UUV Mlk ein Paar Worten wird Johannes iiieingeschpbem VVU dem es dann gleich wieder zu» hristo weiter geht. (Münkel.) — H) Das sollten die Leute erkennen, daß in der Vergebung ihrer Sünden, in jener Abwaschung von der in Hes. 36, 25 die Rede, das Heil ihnen kommen müsse, daß diese der Anfang ihrer Rettung sei, und zwar, was sich eng anschließt: ,,durch die herzliche Barmherzigkeit unsers Gottes-«, vonwelcher diese Vergebung der Sünden ein Ausfluß It, wie jedes weitere sich daran anschließende Gut. »(v. urger.) Ein fleischlieher leidenschaftlicher Patriotismus hatte sich des Volks und seiner Oberen bemiichtigt und das Ideal einer rein politischen Befreiung sich an dle Stelle einer geistlichen Erlösung gesetzt; darum mußte dem Erlöser eine andere göttlich beglaubigte Per- sönlichkeit vorhergehem welche dem Volke zum Bewußt- sein rief, daß das Verderben nicht in der Unterwersung unter die Römer bestehe, sondern in der göttlichen Verdammniß, und folglich das Heil nicht in einer zeit- lichen Befreiung, sondern ·in der Vergebung der Sün- den. Dem Volk den Begriff eines in der Sünden- Vergebung bestehenden Heils wieder beizubringen, hieß also in der That Dem den Weg bereiten, welcher dieses Heil bringen sollte. (Godet.) .- m Merkwürdig wie sehr die letzte «messianische Weissagung des alten Testaments und die allerletzte vor der Geburt Jesu Christi mit einander übereinstimmen. (v. Oosterzee.) 80. Und das Kindlein svon dem schon in V. 66 gesagt wurde, daß die Handdes HErrn mit ihm war] wuchs Und ward stark im Geist [unter der Pflege und Leitung seiner gottesfürchtigen und frommen Eltern, besonders aber zeigte sich dies sein Starkwerden im Geist durch Entwickelung der Macht des Willens über das Fleisch und die leib- lichen Begierden und Bedürfnisse] und [so] war, sdenn Johannes, mit aller Strenge und Weltent- sagung schon in seiner Jugend sich auf feinen künftigen Beruf einrichtend] in der Wüste [in den unbewohnten Gegenden bei Hebron], bis daß er [nach Gottes Willen, der auch zur rechten Zeit und Stunde ihm geoffenbaret ward Kap. 3, 1 f.] sollte hervortreten vor das Volk Israel. Das L. Kapitel. Christi igeburt Beschneidung, Darstellung, Unterredung im Tempel. V. v. 1-20. (§. in) wahre-ji vci Johann» da» a:- eigniß der Geburt nur link; mitgetheilt wird und so tu den Hintergrund tritt gegen die ausfähttittj mitgetbeilten Begebenheiten am Tage der Beschneidung des Kindes, tritt dagegen bei Jesii die Geschichte feiner Geburt gleich von vornherein so statt: tu den Vordergrund, daß her— nach die Erwähnung der Beschneidung mit wenigen Worten abgethan wird und diese selber sogleich durch ein weit inhaltvollereg Segel-Mk, die Darstellung deg Kindes iin Tempel abgetösl wird. Was uns nun hier vou der Geburt der« Chrislliiiideo erzählt wird, begreift drei Stärke in sich: I) diezeitgeschichtticheu und die örtliihsäiiherlichen Umstände, unter denen die Geburt erfolgt W. 1——7); S) die Feier dieser Geburt von Seiten der himmlischen heersthaatew naihdein zuvor auf Erden eine kleine nnd geringe Schnur von zleiisehentiiiidcrn mit dein großen Ereigniß bekannt gkinatht und zu nähere: Grliiindung desselben aufgefordert worden ili (v.8—14); Z) die Umb- feier von Seiten der also Begnadigtem indem sie die Geschichte sehen, die ihnen der Hart hat tiuud gethan, und das Wort ausbreiten, das ihnen von dem Kinde gesagt ward W. 15—20). tEvangeliuin am Christtageh Wenn in der altorientalischen Kirche, wie in der Vorbemerkung zu Matth.2,1 ff. gesagt, das am 6. Januar gefeierte Ephianiasfest zugleich die Stelle ges C ristfestes vertrat, so lag darin nicht blos iii etre des Namens, sondern auch des Datums ein« 600 Evangelium Lucä 2, 1—5. tiefer Sinn. Fest der Erscheinung oder Offenba- rung war ja in der That auch das Christfest (vgl. Tit. 2, 11; s, 4 u. I. Tim. Z, 16); ist aber der erste Mens am S. Tage des ersten Weltxahres von Gott gescha en, warum sollte man nicht auf den Gedanken kommen, auch des zweiten Adam Geburtstag am S. Tage eines jeden neuen Jahres nach römischer Rechnung zu begehen, da er ja unter römis em Scepter das Licht der Welt erblickt hat? Jnde sen, wie von der abendländischen Kirche besonders die dogmatische Richtun ausgin , durch welche die Lehre von einem, allen enschen seit der Geburt ankleben- den Verderben und einer notwendigen Umbildung und Heiligung derselben zur efreiung von diesem Verderben entwickelt wurde, und wie im Zusammen- hange damit in der abendländischen Kirche zuerst die Kindertause sich allgemeiner verbreitete, so ging auch von der abendländischen Kirche das Fest aus, welches sich auf die Heiligung der inenschlichen Natur von ihren ersten Keimen an durch die Theilnahme an einem göttlichen Leben bezog, das eigentlich sogenannte Christfest oder das. heil. Weihnachtsfest; als ein mit ganz allemeiner Theilnahme, und zwar am 25. De ember gecseiertes Fest erscheint es bereits unter dem Biszchof Liberius um die Mitte des 4. Ja rh. Wie aber, so fragt man sich, kam die römische irche ge- rade auf dieses Datum des 25. Dezember? Vielfach H? die Meinung verfochten worden, die Feier des — eihnachtsfestes an diesem Tage sei darum in Rom beliebt worden, weil man einem dort auf denselben Tag fallenden sehr ausgelassenen heidnischen Feste ein Gegen ewicht zu geben beabsichtigtez die Voraussetzung einer sgolchen Absicht streitet aber mit dem Geiste der alten Kirche, auch stand der römischen Kirche das Datum der Geburt Christi schon fest, noch ehe man an die Feier feines Geburtstages dachte. Ueberdies ist« es gar sehr fraglich, ob in jenem römischen Kalender des 4. Jahrh., auf den man obige Meinung gründet, die zu dem· 25. Dezember ·sich findende» Beischrist: Natalis 1nv1ct1, richtig.: solis ergänzt, wie man das thut und nicht vielmehr Constantjni dafür zu setzen sei, da der 25. Dezember in der That für Kaiser Constantin ein entscheidender Tagin Betreff seiner Regierungsgewalt gewesen ist. Ohne Zweifel hat man für die Festsetzun der Geburt C risti gerade auf den 25. vDezember au die Weissagung in Hagg Z, 11 ff. zuruckzugehent dort ist zu dreien Malen (V. 11. 19 u. 21) besonders Gewicht gele t auf den 24. Tag des 9«. Monats; nach der engen eziehung aber, in wel- chem das prophetische Wort von der Grundsteinlegung des Tempels zu dem Leibe Christi als, des geistigen Tempels steht (Joh. 2, 21), lag es der Kirche nur allgunahh hlier eine Weissagung des Geburtsta es des H rrn zu "nden, wie denn auch, wie oben s on be- merkt, aller Wahrscheinlichkeit nach das Jahr, in wel- chem Herodes d. Gr. die Restauration des Serubabel- Ren· Tempels begann, das Geburtsjuhr der Jungfrau aria ist. Man rechnete also sur Christi Geburt die Nacht vom 24. bis 25. Ta e des 9. Monats des jüd. Kirchenjahres, des Kislev 2. Mos. 12, 2 Anm.), und gewann so zugleich eine Beziehung auf das Fest des neuen Altars, das im J. 165 v. Chr. unter Judas Maccabäus vom 25. Kislev an 8 Tage lang gefeiert wurde (1. Macc. 4, 52 ff.), indem der Tag der Be- schneidung Christiam 8. Tage nach der Geburt ndch ebenfalls zum Weihnachtsfeste ehortz Auch eine»1ud. Tradition besagt, daß der Messias im Monat Kislev eboren werden solle; und wenn nun gleich dieser onat nicht seinem ganzen Umfange nach sich mit unserm Dezember deckt, so ist das doch kein Grund, gegen die herkömmliche Rechnung weitere Einwen- dungen zu machen, vielmehr hat schon die altmorgenss ländische Kirche ihre zwölf heiligen Nächte vom 25. Dezember bis 6. Januar gehabt und also eigentlich in derselben Weise gerechnet. 1. Es begab sich aber zu der Zeit snicht lange, nachdem Johannes seinen Eltern ge- boren war Kap. 1, 57 ff., noch. im J. 5v.Chr.], daß ein Gebot vom [römischen] Kaiser Au- gustus [unter dessen Oberherrschast damals auch das jüdische Land mit seinem König Herodes d. Gr. stund Many. Z, 1] ausging, daß alle Welt sderganze von Rom abhängige Erdkreisj gefchåtzt [ausgeschrieben, d. h. behufs künftiger Steuer- regulirung in ein Kataster eingetragen] würde. 2. Und diese Scbatzung war die aller- erste swelche überhaupt in Palästina, und zwar von einer fremden Macht gehalten worden ist, zum deutlichen Zeichen, daß nunmehr die Zeit eingetreten sei, von der die Weissagung in I. Mos. 49, 10 redet], und geschah swas ihre wirkliche Vo llzieh un g durch eigentlicheSteuererhebung be- trifft, etwa 11 Jahr später, nämlich].zu der Zeit, da Cyrenius Landpfleger in Syrien [und das Hauptland von Palästina, Judäa, nunmehr zur unmittelbaren römischen Provinz geworden] war [Apostg. 5, 37., während esjetzt sich nur noch um die ersten Vorbereitungen dazu, um Eintragung in die Verzeichnisse des Personen- und Vermögensstandes handelte]. 3. Und jedermann ging sweil die Schatzung bei dieser ihrer ersten Anlage noch nicht in römi- scher Weise nach Maßgabe des Wohnsitzes und Gerichtsstandes, sondern den einheimischen Ver- hältnissen entsprechend im Anschluß an die jüdische Stammes- und Familien-Eintheilung vorgenommen wurde], daß er sich [an dem Ort] schåtzetfließe swohin er der Herkunst seines Geschlechts nach gehörte] ein jeglicher in seine Stadt. 4. Da niachte sich auf auch sso ist zu lesen, und nicht, wie gewöhnlich geschiehet: ,,auch aus«] Joseph aus Galiläa [der nördlichen Landschaft Palästinas Matth. 4, 25], aus der Stadt Nazareth lwoselbst er seinen Wohnsitz hatte Kap. I, 26f.], in das jiidische Land snach Judäa, der südlichen Landschaft, s. Karte V.], ur Stadt Davids, die da heißt Bethlehem E. Sam. 16, 1 fs.; 17, 12; Ruth 4, 18 ff.], darum daß er ssowohl fiir seine Person Matth. I, 1 sf., wie in seiner Eigenschaft als Gatte der Maria Kap. 3, 23 ff.] von dem Hause und Geschlechte Davids war, 5. Auf daß er sich schätzen ließe mit Maria, feinem vertrauten [verlobten, d. i. zwar schon heimgeholten, aber noch nicht erkannten Matth. I, 24 u. 251 Weibe swelche als eine Nachkommin Davids Kap. 1, 32 u. 69 ja eben- Wanderung Josephs mit Maria nach Bethlehem 601 falls in die Register eingeschrieben werden mußte, jedoch das durch den Ehemann hätte können be- wirken lassen und also freiwillig mitzogL die war sdurch Empfängniß vom heil. Geiste Kap. I, 35; Matth 1, To] schwanger sund fühlte gerade uni des Kindes willen, das sie unter ihrem Herzen trug und das dem Joseph nicht angehörte, sich veranlaßt; die Reise mitziimachen; denn eben dies Kind war der Träger aller dem Davidischen Hause geschenkten Verheißungen Kap. 1, 32 f.; Micha H, 1]. Nach menschlicher Ansicht der Dinge ist der Befehl des Kaisers Augustus der Grund, daß die Mutter des Heilandes nach Bethlehem kommt; aber tiefer ange- sehen ist es Maria und der Sohn ihres Leibes, um dessentwillen dieser Befehl, ja diese ganze Schatzung geschieht Der Kaiser Augustus, welcher der halben, oder wie der Römer in seinem Stolze sagte, der ganzen damaligen Welt gebot, ist hier selbst nur das Werkzeug eines höheren Willens, ein Stab in der Hand des HErrnz er thut, was er muß, indem er meint, seine eigenen Gedanken zu vollbringem Sein ganzes weites Reich muß sich in Bewegung sehen, von Rom bis nach Shrien hin müssen seine Diener und Gewaltigen Hand anlegen, um diesem kleinen, fast unscheinbaren Ereigniß zu dienen; denn dieses kleine Ereigniß ist das größte von allen, das Ziel, nach dem die Geschichte des römischen Volks wie die Geschichte aller Völker sich hinbewegt, der Mittelpunkt, zu welchem von Anfang an Gott die Wege der Niensch- heit lenkt. (Thomasius.) Es war Gott dem Vater darum zu thun, seinen Sohn, den König aus dem Hause Davids, sogleich bei der Geburt mit dem Pur- purmantel zu bekleiden. Das ist aber nicht ein Pur- purmantel, den Menschenhände gewirkt haben· der wäre zu schlecht für ihn gewesen, den mochte Kaiser Augustus tragen. Das ist vielmehr ein Purpurmanteh welchen der Geist Gottes durch die Hand der Pro- pheten gewirkt hat: es sind die Weissagungen von Christo, die wie ein ungenähetes Gewand aus Einem Stück mit den goldenen Fäden der Verheißung durch- wirkt waren· Nur Einer konnte diesen Mantel tragen, Jesus aus dem Hause Davids, denn nur in ihm wur- den die Weissagungen erfüllt; der römische Kaiser aber mußte selbst die Hand dazu hergeben, ihm den Mantel anzulegen. (Münkel. Das Wort des rundtextes, welches Luther durch ,,schätzen« wiedergegeben hat, bedeutet zunächstx auf- schreiben, in Listen eintragen, und ist, da es sich bei diesen Listen um Ermittelung der Steuer- und Wehr- kraft des Reiches und seiner einzelnen Theile handelt, s. v. a. katastriren, in das Steuer- und Grundbuch eintragen. Auf eine solche, unter Kaiser Augustus vorgeiiommene Katastrirung des römischen Erdkreises deuten denn auch wirklich mehrere Stellen bei den weltlichen Schriftstellern hin; insonderheit berichtet Suetonius, wie dieser Kaiser dem Senat eine statistische Uebersicht über das ganze Reich übergeben habe, wie viele Soldaten überall bei den Fahnen stünden, wie viel Geld im Staatsschatze sei u. s. w., und Tacitus erzählt, daß nach dem Tode des Kaisers eine, von seiner eigenen Hand aufgesetzte Schrift über den Stand der Militairkraft, des öffentli en Vermögens, der Ein- künfte &c. vorgelesen worden ei. Geht schon hieraus das große Interesse des Augustus, das er an einer genauen und in’s Einzelne gehenden Statitik nahm, mit ziveifelloser Gewißheit hervor, so bedar es keiner eigenen Beweisstelle dafür, daß er an einem be»- stimmten Terminesz eine gleechzeitige Katastri- rung des ganzen Reichs ·auf einmal vorgenommen habe und daß dieser Termin zusammenfalle mit der Zeit, in welcher Christus geboren ward; es· scheint vielmehr eine allmälige Schatzung der einzelnen Reichsgebiete von ihm veranstaltet· worden zu sein, und die nun auf Palästina sich beziehende traf durch Gottes Leitung in eben jene Zeit, in welcher bereits alle Anzeichen vorhanden waren, daß ietzt die EVfUk lung der göttlichen Verheißung in Israel geschehen müsse. Nicht nur· war das Seepter nunmehr von Jnda entwendet, indem eine fremde Macht uber das Volk Gottes und seinen, streng genommen auch nicht mehr einheimischenfFürsten gebot, sondern es war auch der Jnhaber dieser Macht, der Kaiser Augustus, sowohl von Seiten seines Namens (Augustus bedeutet ,,Mehrer«, nämlich des Reichs), als hinsichtlich des Umfangs seines Reichsgebiets (von einem Ende der damals bekannten Welt bis zum andern) und des Eharacters seiner Regierung («k3eit des Friedens nach langen blutigen Kriegen) gewissermaßen ein Abbild desjenigen Königs, der den Juden geschenkt werden sollte (Jes. 9, 7 Anni.). »Und blicken wir auf»Dan. Z, 33 s. u. 44 f., so war ja in -dem»·Koloß desfromischen Weltreichs, wie es aus dem chaldaisehem persischen und griechischen sich entwickelt hatte, das große und schreck- liche Bild, das Nebucadnezar einst im» Traume sah, jetzt fertig bis zu den Schenkeln undvFußen herunter, und der tein, der es an seine Fuße jchlagen und zermalmen sollte, konnte nun herabgerissen werden ohne Hände. Hiernach würdaunserText vollstandig klar und ohne alle Schwierigkeiten»se1n, wenn wir in V. 1 f. blos die Worte vor- uns hatten: »Es begab sich aber zu der Zeit . . .. diese Schatzung war die allererste«; indem es aber noch heißt; »und geschah zu der Zeit, da Eyrenius Landpfleger in Syrien war , entsteht auf einmal eine große Unklarheit und Ver- wirrung, weil Eyrenius (mit seinem lateinischen Namen: Quiriuuch erst iin J. 6 n. Chr. Landpfleger von Shrien geworden ist (Matth. 2, 29 Anm.), diese Zeit jedoch unmöglich von Lukas gemeint sein kann, denn da war Herodes d. Gr. schon seit langer als 10 Jahren nicht mehr am Leben und selbst sein NachfVI EV M Judäa, Archelaus, hatte in diesem JaIhre den hron eingebüßt, so daß dessen Land zu der rovinz Syrien geschlagen wurde. Unter Chrenius ist dann allerdings eine Schatzung gehalten worden — es ist die, deren St. Lukas in Apostg 5, 37 gedenkt uiid von welcher Josephus (Ant. XVlIL 1. 2) berichtet Nun hat man zwar nachgewiesem daß Eyrenius schon in der Zeit, wo Quintilius Varus (derselbe, der hernach im J. 9 n. Chr. die schwere Niederlage im Teutoburger Walde durch den Cheruskerfürsten Herniann erlitt) Land- pfleger oder Statthalter in Syrien war (von ·6—«1 v. Chr.), als außerordentlicherGesandter des Kaisers, mit besonderer Vollmacht bekleidet, in Syrien thatig gewesen ist, und hat deshalb die Worte des Evange- listen so deuten wollen, als sollte damit gesagt werden: »Und diese Schatzung war die allererste» (von den beiden, die im Jüdischen Lande zur Ausfuhrung ge- kommen· sind), und geschah zu der Zeit, da Eyrenius (das erste Mal, etwa uni das J. 4 v. Ehr) Land- pfleger in Syrien war« Allein 1) war Eyrenius da- mals noch nicht ei, entlicher Statthalter, sondern nur kaiserlicher EommiHariuA und 2) hatte Lukas, wenn er so die erste Schatzung unter Cyrenius von »der zweiten unter demselben Manne hätte unterscheiden wollen, doch unmöglich das »zum-ersten Mal« aus- lassen können. Andere Ausleger, indem sie ebenfalls 602 Evangelium Lucä 2, 6 u. 7. von der Voraussetzung ausgin en, daß der Evangelist mit den Worten: »Und diese Schatzung war die allererste« dieselbe von jener, in Apostg. 5, 37 er- wähnten als einer zweiten unterscheiden wolle, haben gemeint, den folgenden Satz so verstehen zu dürfen: »und geschah einige Jahre früher als die andere, welche in Aussü rung kam, zu der Zeit, da Cyrenius Landpfleger in yrien war« Auf den ersten Blick scheint es denn auch gan zulässig, den Wortlaut des Grundtextes in dieser Weise zu verdeutschen (vgl. in Joh. I, 53 »gut«-w§ am) »» = er war eher denn ich): »und diese Schcxung geschah eher denn Ehre- nius Landpfleger m hrien war;« bei genauerer Er- wägung Jedoch müssen wir solche Auffassung für ent- schieden falsch erklären und zum Wortlaut unsrer deutschenBibel zurückkehren. Es fällt nämlich dem Evangelisten gar nicht ein, die Schatzung von welcher er hier redet, als eine erste in Gegensatz zu stellen zu einer zweiten, auf welche er in der Apostelgeschichte verweist; vielmehr erfcheinen ihm beide als eine ein- zige. Jetzt, im J. 5 v. Ehr» fing sie an fich vor- zubereiten, der Befehl war dazu gegeben und mit der Einschreibung in die Listen wurde auch schon vor- gegangen; i11 Voll ug kam sie aber erst hernach unter der Statthalterschaft des Quirinus (vgl. für die Richtigkeit einer solchen Deutung des Wortes ,,geschah« die ähnliche Unterscheidung zwischen Weissagung oder Vorbereitung und Erfüllung in Apostg. 11, 28). Der Sinn, den der Evangelist mit seiner Bemerkung im Hinblick auf Apostg. 5, 37: »die Tage der Schatzung« verbindet,- ist nun ohne Zweifel dieser: Jetzt zum ersten Mal wurde Gottes Volk mit dem heil. Lande einer weltlichen Schatzung durch einen fremden Macht- haber unterworfen, um es zinsbar zu machen und ganz und gar in Eine Klasse mit den übrigen Welt- völkern zu stellen· Am Anfang dieses Zeitraums (a. 5 v. Chr.) war freilich noch ein ewisser äußerer Schein, als habe Gottes Volk noch elbstständigkeit genug, weil es seinen eigenen Fürsten hatte, der nicht unter die unmittelbaren Unterthanen des römischen Volkes zählte, und weil die Aufschreibung geschah nach der Richtschnur der eigenen Volks-Verfassung; aber am Ende des Zeitraums (a. 6 n. Chr) war auch dieser Schein gefallen, der einheimische Fürst (Archelaus) in’s Exil geschickt, das» Land zu Syrien geschlagen und die anfängliche Ansschreibung nach jüdischer Form zu einer förmlichen Schatzung in römischer Weise geworden. An diesem Ende fühlte man auch, was die ganze Sache zu bedeuten habe; daher der Ausstand des Judas aus Galiläa, welchem dem Gedanken nach ein gewisses Recht zu Grunde lag, nur daß die menschlich- eigenmächtige Durchführung des Gedankens das Recht in schweres Unrecht verkehrte. Daher hatte der HErr im Himmel selber gleich am Anfang des Zeitraums seine Maßnahmen getroffen, daß alsbald mit dem ersten Schritt, den die Weltmacht that, sein Volk an sich zu reißen und ganz als ein ihr zugehöriges Glied zu behandeln, Derjenige in die Welt eintrat, der dieses Volkes rechtmäßiger König war und berufen, die zer- fallene Hütte Davids wieder auszurichten(Amos 9,11). Hätte Jsrael auf Gottes Werk wollen merken, so hätte es sich nicht mit der Frage zu befassen brauchen: ,,ist es recht, daß man dem Kaiser Zins gebe oder nicht?« sondern seinen Zins ruhig und ohne Widerspruch ge- geben, und im Vertrauen auf die weitere Führung des HErrn das Ende abgemattet; aber das ist das Schlimme, daß man soweni Sinn« hat, auf Gottes Hand, welche die Fäden der eschichte, zwar heimlich und unsichtbar, doch genau dem Worte der Weissa ung gemäß webt, zu merken und sich wie von seiner Füh- rung verlassen fühlt, während er doch wirklich führt — ein Fehler, der auch zu dieser unsrer gegenwärtigen Zeit fast durchgehends begangen wird, aher man in dem hereinbrechenden A enddunkel tappet wie die Blinden und nicht re t weiß, was man denken und vornehmen, hoffen o er fürchten soll, während das Wort der Weissagung doch so bestimmt und genau die Stunde nachweist, die es an der Uhr im Hause Gottes ist. Wo er, so könnte wohl au der kliigelnde kurz- sichtige enschenverstand fragen, ollte man’s im Lande Jsrael damals wissen, daß die verfallene Hütte Davids jetzt wieder aufgerichtet werde und der verheißene Heiland und Erlöser schon auf dem Wege sei zu er- scheinen? Nun, daß man’s wissen konnte, wenn man nur wollte, das zeigt uns hernach (V.25 ff.) Simeon’s und Hanncks Exempel; und eben die Schatzung , der auch das Kind, nachdem es kaum den Mutterschooß verlassen, unterworfen ward, dient zu einem gar ge- eigneten Mittel, auf ihn aufmerksam zu machen. Die jüdischen Gewalthaber hatten längst schon öffentliche Geschlechtsregister angelegt; Josephus, wie er in seiner Lebensbeschreibung erzählt, hat daraus sein eigenes Geschlechtsregister entlehnt, hier, bei der Schatzung aber dienten sie zur Eontrole über die Richtigkeit der Angaben, die ein jeder iibet das Haus oder Geschlechh dem er angehöre, vor der Obrigkeit machte. Da wurde denn auch in zuverlässiger Weise bekannt, wie es mit den Nachkommen des Hauses und Geschlechtes David stehe, und leidet es wohl keinen Zweifel, daß kaum jemand so rein Davidischen Geblüts sich erwies, als Joseph und Maria. Wenn man nur über der äußeren Niedrigkeit und zeitlichen Armuth derselben ihren hohen Adel nicht hätte übersehen wollen, würde man bald gesehen haben, daß das Kind, welches Maria geboren, der verheißene Davidssohn sei; und zu dieser ersten Spur, in der Zeit der tiefsten Knechtschast des— Volkes Gottes den neu erschienenen Heiland und Erlöser wahrzunehmen, kamen ja dann viele bestätigende Zeichen und Botschasten hinzu (V. 17 ff. 25 ff.), so« daß man gar nicht hätte in Unkenntniß und Zweifel sein können, wenn es Einem wirklich um Gottes Gnadenhilfe und das Heil der Seele zu thun gewesen wäre. »Wer da hat, dem wird gegeben, daß er die Fülle habe; wer aber nicht hat, von dem wird auch genommen, das er hat«: dies Wort sollte auch hier sich bewahrheiten. Hiernach stimmen wir P. Lange bei, wenn er behauptet, daß die Maria mehr noch als der Umstand, unter ihren Verhältnissen nicht auf längere Zeit ohne den ihr zum Pfleger und Schirmer verordneten Joseph allein in Nazareth weilen zu« müssen, der Drang ihres Herzens zum Mitreisen nach Bethlehem bewogen hat: ,,ihxg..»See»I»e sehnte sich nach Bethlehemx diese Stadt war seit Kurzem das Ziel iLhrer 1rdischen»Wünsche, und schon jetzt mochte das erlangen in ihr zur Reife kommen, in der Folge in Bethlehem zu wohnen. (Matth. Z, 22).« Ein nach- denkender Geist, wie der ihrige, bemerkt dazu v. Oosterzek konnte recht wohl einsehen, daß das Edit des Kaisers Augustus ein Mittel in der Hand der Vorsehung war, um die Weissagung in Micha 5,1 in Beziehung auf die Geburtsstadt des Messias in buchstäblicher Weise zu erfüllen. is. Und als sie [nach einer Reise von mehr als 20 Meilen, worüber sie länger als eine Woche zubrachten] daselbst waren, kam sin der Nacht vom 24—25. Dezember des J. 5 v. Chr» vgl. Anm I zu Matth. 2, 1],die Zeit, daß sie gebaren sollte. Christi Geburt in einem Stalle zu Bethlehem. 603 7. Und sie sdie ohne Sünde empfangen hatte Pf. 51, 7] gebar lauch ohne die dem Weibe auferlegten Geburtsnöthe l. Mos. Z, 16] ihren ersten [Matth. 1, 251 Sohn [der, um auch seiner msenschlichen Natur nach das zu sein, was er nach seiner göttlichen Natur war Joh· Z, 16., zugleich ihr ein geborener geblieben ist], und wickelte ihn smit eigener Hand, da ihr keine Wehemutter oder sonst eine erfahrene weibliche Person hilfreich zur Seite-stund] in Windeln, und legte ihn in eine Krippe [des Stalles, darin sie Wohnung genommen]; denn sie hatten sonst [dieses ,,sonst« ist von Luther nach Maßgabe seiner Auffassung des Sachverhältnisses in den Text eingetragen und bleibt besser weg] keinen Raum in der Her- berge lfür sie war keine Stätte in einer ordent- lichen menschlichen Wohnung bei einem Gast- freunde, weshalb sie eben in einem Stalle Quartier genommen hatten]. Populäre Auslegungen der Weihnachts-Geschichte machen in der Regel den Ausdruck »Herberge« zu einem Wirthshause nach Art der unsrigen. Jn Beth- lehem bestand auch ein folches Wirthshaus, schreibt Nebe, der Ort war aber so überschwemmt mit Gästen, daß es schwer hielt, ein Unterkommen zu finden; für Geld nun ist viel möglich, und wenn Joseph tüchtig hätte zahlen können, so hätte sich wohl für die Maria ein Winkelchen gefunden, allein es fehlte eben an dem Geld. Dieselbe Auffassung scheint Luther gehabt zu haben: »fie haben jedermann müssen räumen, bis daß sie in einen Stall gewiesen worden, indeß mancher böse Mensch im Gasthof obenan gesessen«; und Bengel macht die feine Bemerkung: ,,auch heute ist für Chri- . stum selten ein Platz in den Gasthäusern.« Nun aber sind eigentliche Gasthäusey deren Jnhaber die Beher- bergung der Fremden als Erwerb betreiben, dem ganzen Alterthume fremd; man hatte da (vgl. die Dem. zu Richt 18, 22) nur Karavansereien von grö- ßerem oder kleinerem Umfang, es ließe sich also höchstens an eine· folche denken und die Sache etwa so vorstellen, wie es öfter vorkommt, daß bei einem gro en Zusammensluß von Reisenden diexenigem welche später kommen, nur noch in dem Raum für die Pferde, Esel und Maulesel ein Unterkommen finden. Jndessen weist schon das Wort im Grundtext nicht auf eine folche öfsentliche Herberge Gamasus-stos- Kap.10,34), sondern auf eine Privatherberge Enteilt-»o- Kap.22, 11) hin; und abgesehen davon, daß öffentliche Her- bergen es nur in Wüsten und unbewohnten Gegenden ab, ist eine derartige Karavanferei schlechterdings ein Ort für eine» Geburt — solche profane Stätte hätte Joseph gewiß nicht auf esucht. Wir sind also durchaus genöthigt, an das Efsrivathaus eines Gast- freundes zu denken, und da könnte man sich nun die Sache etwa so vorstellen, wie wir in einer Predigt lesen: ,,Nur der dürftigste Rest von Gastfreundschaft wurde den Beiden in Bethlehem zu Theil, etwa wie man heutzutage auf dem Lande herumstreichenden , Bettlern einen Stall oder eine Scheuer znm Nachtlager anweist. So hinuntergedrängt wurde der König der Ehren von seinen Knechten, von seinen Brüdern auf der Lagerstätte dieses Lebens, daß nur noch unter den Thieren ein Pläkchen für ihn übrig blieb; er mußte si gleichsam au der Fußbank aller Andern nieder- lasen, aus der Grube vernunftloser Thiere mußte die Sonne versinsterter Geister hervorbrechen; er fand kaum eine Stelle zum Stehen, da er als Arzt vom Himmel unter uns trat, um uns vom tödtlichen Ver- derben zu erretten. Und so hat es sich immer wie- derholt bei feinem geistlichen Kommen in die Welt und in die Herzen bis auf den heutigen Tag. Fast 3 Jahrhunderte hindurch fanden seine Bekenner keinen andern Raum in der ganzen gebildeten Welt der Römer und Griechen, als in elenden Hütten und Höhlen, und oft genug mußten sie in die Wüsten fliehen zu den Thieren, um Sicherheit zu finden für ihre Gebete und Lobgesänge vor der Wuih ihrer Ver- folgerx aber noch stärker und betrübender muß es uns ergreifen, wenn wir sehen, wie der HErr auch unter uns aus manchen Häuserm aus manchen Herzen ver- drängt wird, so daß er nur hin und wieder noch, wie zuletzt nach langem ver eblichen Suchen und nur äu- ßerst nothdürftig eine erberge findet. Wie Pianche weisen ihn vorüber an der verschlossenen Thür izres gäuslichen Lebens, am verriegelten Eingang ires erzens, und mögen ihn in seinem Wort und Geiste, mit seinem Friedensgruß nicht aufnehmen! Wo liegt die Bibel in manchem Hause? Verdrängt an den schlechtesten Ort, an die unterfte Stelle von eitlen Büchern oder von Nichtigkeiten der Kleidung und des Hausgeräths Wo findet das Gebet seine Stelle bei Manchen, die ihren Taufbund selber schon im Glaubens- bekenntniß übernommen haben? Auf dem Lager im Halbschlas auf einem schmalen Saume zwiBen Schlas und Wachen am Morgen und Abend. ann wird der Name des HErrn bekannt von manchen Familien- Vätern? Dann vielleicht, wenn eine Feuersbrunst ihr Haus in Asche gelegt hat und etwa auch nur ein Stall für ihre Herberge übrig bleibt, oder in den bittersten Augenblicken eines Trauerfalls, von dem sie betroffen wer en, in solchen Trübsalsstunden, wo auch die Steine anfangen könnten zu schreien. Was denken Manche von ihrer Bekehrung zu Gott, von ihrer Wiedergeburt zum neuen Leben? Dann einst wollen sie sich von Herzen zum HErrn wenden und der Eitel- keit und dem Siindendienst absagen, dann vielleicht, und wenn es denn anders nicht sein follte, dann, wenn ihr Leben nur noch wie ein trübes Nachtlicht glimmt und zittert in der brechenden Hütte ihres er- storbenen Leibes« Indessen, so trefflich diee Aus- führungen an und für sich selber sind, o können wir doch mit der vorausgehenden Auffassung des Sach- verhältnisses nicht wo l einverstanden sein; es ist doch kaum zu glauben, da Joseph seinerseits bei einem Gaftsreund sollte Ausnahme begehrt haben, dessen Haus er schon mit andern Gästen angesiillt sah, und daß wiederum der Gastfreund, wenn es wirklich ge- Wehen wäre, so wenig Rücksicht aus den Zustand der aria sollte genommen und ihr den Stall angewiesen haben, statt sonstwie ein Unterkommen möglich zu maslgen Wenn nun neben dieser auch noch eine andere Au assung vorgetragen wird, daß« nämlich der Gast- sreund, zu dem die heil. Familie ihre Zuflucht nahm, einer von den armen und erin en Leuten war, die nichts als eine Hütte von er rt Derer zur Her- bergehabe bieten können, wo die Grenze zwischen Stall und Stube, zwischen der Wohnung für das Vieh und der für die Menschen nicht scharf gezogen ist, und daß unter solchen Umständen für die kreisende Maria nichts anderes übrig blieb, als zu ihrer Niederkunft aus der Stube in« den Stall wie in eine Kammer sich zurückzuziehen, so will auch das uns nicht so zufrie- denstellen, daß wir diese Ansicht als die unbedingt richtige empfehlen könnten; denn die Worte des Evan- gelisten besagen ausdrücklich: ,,es war für sie kein 604 Evangelium Lucä L, 8«—14. Raum oder keine Stätte in der Herberge«, und damit soll offenbar der Stall mit seiner Krippe als ein be- sond erer Ort von der Herberge unterschieden werden. Esbleibt uns also nichts übrig, als den Ausdruck: »die» Herberge« im eollektiven Sinne zu nehmen als Yezeichnung aller Privathäuser überhaupt, in denen Joseph nach der gewohnlichen Ordnung der Dinge mit seinem Weibe »ein Unterkommen hätte suchen kön- neu; dort» war fur sie unter ihren besonderen Um- standen keine Stätte, weil man an und für sich schon schicklicher Weise die Gastfreundschaft nicht in Anspruch nimmt, wenn eine Entbindung so nahe bevorsteht, uberdies aber ein jeder Gastfreund von Gästen, die er zu beherbergen hatte, schon heimgesucht war. Joseph traf in Folge der Art und Weise, wie er mit seinem hochschwangeren Weibe hatte reisen müssen (1. Mos. as, 13 f.), als Nachzügler in Bethlehem ein; er ver- fiehtete da»von selber aufeine Wohnung unter Men- CHOR, er fühlte, daß für ihn kein Ort war da, wo er wohl sonst » eine Herberge würde gefunden haben und wo ihm spater unter veränderten Umständen wirklich eine solche zu Theil ward (Matth,2,11), und sah sich vielmehr nach einer Stätte um, wie er für sein Weib sie brauchte, abgesondert von dem Gewühl der Meu- schen und der großen Menge in Bethlehem Eine solche Statte hatte aber Gottes Vorsehung schon für ihn zurecht gemaehtx eine Höhle, die für gewöhnlich wahrend »der·Winterszeit zum Viehstalle diente, in außergewohnlicher Weise aber in diesem Jahr leer stand, indem» das Vieh auf freiem Felde draußen weidete und ubernachtete Dahin ging die hl. Familie, und so sehr betrachtet der Evangelist diesen Ort als die naturgemaßa »nun einmal ihr zukommende und anch schon zugerustete also gewissermaßen selbstver- standliche Statte, daß er sie uns ohne Weiteres in derselben« zeigt: »·sie legte ihn in eine Krippe«, und erst nachiraglich eine Erklärung giebt: ,,es war kein Ort für sie in der Herberge« Was nun diese Stätte. selber»k)etrifft, so ist einerseits Izu bemerken, daß in Palasrina, welches schon von atur ein Land der Höhlen ist, wie wenig andere Länder der Erde, der Mensch seit alter Zeit die Zahl dieser Grotten noch vermehrt oder ihren natürlichen Umfang noch erweitert hat, so daß an vielen Orten man noch jetzt die Häuser so an den Fels gebaut sieht, daß die Höhlen desselben theils zu Kammern, theils zu Viehställen dienen kön- nen; die kirchliche Tradition hat also schwerlich fehl- ge ge oren ward, in einer solchen Felsengrotte Bethlehems ge ucht hat, wobei i r die Stelle Jes.33,16 mag vor- geschwebt haben. ndrerseits aber, während für e- wöhnlich die Heerden nur in der Zeit vom März gis Anfang November im Freien sich aufhielten, mag im Geburtsjahre Christi eine besonders milde und freund- liche Witterung zu Weihnachten eingetreten sein; öfters, wenn anch nicht immer, gehört» noch jetzt in Palästina diese Zeit zu den lie lichsten des ganzen Jahres, besonders in der Gegend bei Bethlehem (1.Sam. J, 5 Anm.), und wer will in Abrede stellen, daß der Vater im Himmel, da nun sein Sohn als ein Mensch auf Erden geboren werden sollte, dafür aber um so weniger ein Ort war in der Herberge, als e- rade diese Geburt ein Mysterium bleiben mußte Für die Augen des Fleisches, ihm eine Stätte frei machtez in den Ställen, indem er eine Witterung eintreten ließ, die zum Austreiben des Viehes einlud? Viel- leicht nun war jene Höhle, in der Josep und Maria ein Unterkommen suchten und fanden, ieselbe, aus welcher die Hirten auf dem Felde, von denen wir hernach hören, kurz vorher ihre Heerden herausgeführt hatten; ohne ihr Wissen und Willen wurden sie so die Gast- freunde der heil. Familie, und als sie hernach unter einander sprachen: »Lasset uns nun gehen gen Beth- lehem und die Geschichte sehen, die da geschehen ists, ahneten sie nicht, daß bei ihnen selber der HErr sei- nen Fil Christ einbescheert hatte. An welche Stelle von ethlehem nun die Tradition die Gebiirtsstätte Christi verlegt, haben wir bereits zu Ruth 1, 22 aus- einandergesetzy indem wir hier die dort versprochene Abbildung von der Krhpta der dasigen Kirche geben: griffen, wenn sie anch den Stall, in welchem Christus f Die Gesurtsstätke Christi. Des Engels Verkündigung an die Hirten und der Lobgesang der himmlischen Heerschaaren. 605 verweisen wir den Leser auf die Nische zur Rechten; dort soll die Krippe gestanden haben, in welche Maria ihr Kind legte, während die Nische zur Linken die Ge- burtsstätte bezeichnet, nur darf man wegen Matth.2,11 ggingen in das Haus«) dahin nicht zugleich die cene von der Anbetung der Weisen aus dem Morgen- lande verlegen, wie die Tradition thut. Als hernach, bald nach der Geburt des Kindes, Joseph seinen eige- nen Namen und den seines Weibes und ihres Neuge- borenen in die Schatzungslisten eintragen ließ, hätte der argwöhnische König Herodes leicht dahinter kom- men können, daß derjenige, vor dessen Erscheinung er sich fürchtete (Schlußbem. zum I. Maccabäerb Nr. 11, d), nun wirklich da sei, er hätte nur ein besseres Ver- ständniß der Schrift und ihrer Weissagun en haben dürfen und nicht so sehr die Armuth und Ziiedrigkeit des Hauses und Geschlechtes Davids ansehen sollenz allein eben diese Armuth und Niedrigkeit hielt ihm die Augen zu, daß er nicht heraus witterte, was in diesen Tagen geschehen war, und seine Unkenntniß der Schrift (Matth.2, 3 sf.) machte ihn vollendsblind für Dinge, deren Kenntniß ihm unmittelbar in die Hände kam. Und so ist es oft in der Geschichte des Reiches Gottes: ihr Unglaube und ihre Unkenntniß in geistlichen Dingen, ihre Verachtung Gottes und seiner Wege macht die Augen der Widersacher Christi blind und ihre Hände und Füße lahm, daß sie nicht zur rechten Zeit ein- greifen können, um des HErrn Werk zu hintertreiben oder zu vernichten; dies kommt immer erst zu ihrer wirklichen Kenntniß, wenn es schon zu spät ist. « 8. Und es waren Hirten in derselbigen Gegend [etwa 30Minuten füdöstlich von der Stadt, f. die Abbildung— des ,,Thales der Hirten« zu Ruth1,22] auf dem Felde bei den Hiirden [Jes. 13, 20 sich aufhaltend], die hüteten des Nachts san mehreren Stellen auf Wachtposten stehend] ihrer Heerde lund zählten nach ihrer inneren Herzensrichtung zu den Frommen, die auf den Trost Jsraels warteten« V. 25]. S. Und siehe, des HErrn Engel lwohl der- selbe, Gabriel, von dem in Kap. 1, 11 u. 26 die Rede war] trat sin der nämlichen Stunde, wo nun das Kind zur Welt geboren war V. 7, plötzlich und unerwartet, ohne daß sie hätten be- merken können, wie und auf welchem Wege er herangekommen Kap. 24, 4; Apostg. 12, 7] zu ihnen, und die Klarheit des HErrn lder himm- lische Lichtglanz, welcher den Engel bei seinem Er- scheinen umfloß, jedoch nicht eine Ausstrahlung seiner eigenen Herrlichkeit, sondern eine Mitgabe dessen war, der ihn gesandt hatte Pf. 104, L; 2.Mos. 16, 10; 40, 34; 3. M. 9, 23; 4. M. 14,10; 16, m; 1. Kön 8,11] leuchtete um sie, nnd sie sals sie so auf einmal in die Gemeinschast der himmlischen Welt sich versetzt sahen und gedachten, was für Leute und vo»n welch’ sündigem Geschlecht sie wären Jes S, d] furchteten sich sehr« [Kap. l, 12; I. Mos 16, 13 f.; 2. M. 3,6;19,16; Richt 13, 2 f.; Dan. 8, 17 f.; 10, 8fs.]. 10. Und der Engselfprathzuihnent Fürch- tet euch nicht sals sollte jetzt ein Gericht zum Ver- derben über euch ergehen Kap. 1, 30]; siehe kim Gegentheil], ich verkiindige euch große Freude, die allem Volk sin Israel Matth. 1,21«; 2, 21 widerfahren wird [ihr aber sollt zuerst darum wissen und zuerst davon zeugenyj V. 16 u. 17]; . 11. Denn euch ist heute sin dieser Nacht, da eben der neue Tag den vorangehenden abgelöst hat] der Heiland loder Retter] ge- boren, welcher sseinem Amte nach] ist Christus, fund feinem Wesen nach] der HEriy fund zwar geboren da, wo es der Weissagung gemäß geschehen sollte, zu Bethlehem- Ephrata Micha S, 1] , in der Stadt Davids-W« [V. 4]. 12. Und das habt swenn ihr nun hingehen werdet gen Bethlehem, die Geschichte zu sehen, die da geschehen ist] zum Zeichen Izu einem Merk- male, daran ihr den neugeborenen Heiland aus allen etwa sonst noch geborenen Knaben vielmehr herausfinden sollt, statt euch an seiner armseligen und geringen Gestalt znärgern] : Ihr werdet finden das Kind swie jedes andere, das kürzlich erst zur Welt gekommen] in Windeln gewiekelh Und [dabei doch schlechter gebettet, wie jedes andere, nämlich] in einer Krippe liegen-s« ] 13. Und alsbald war da bei dem Engel sgesellete sich ihm zu, um nicht nur dem Kinde in der Krippe dort ein Wiegenlied anzuftimmem sondern auch das von ihm zu bringende Heil als für die ganze Menschheit bestimmt und erfolgreich für alle irdischen Zustände und Verhältnisse zu, verkünden] die Menge der himmlischen Heer- i schauten, die lobten Gott », sbei dieser zweiten Schöpfung, die er nun in Angriff genommen, gleich- wie sie vormals ihm jauchzeten, als er die Erde gründete Hiob 38, 7] und sprathenx 14. Ehre sei Gott in der Höhe snach anderer Auslegung: Preis in der Höhe, d. i. bei denen, die im Himmel wohnen und ge- lüstet haben zu schauen, was nun zu erfüllen sich angefangen 1. Petri 1, 12; Ephes. Z, 10., sei Gott], und Friede anf Erden snach derselben Wortfolge: und auf Erden Friede], und den Menschen lgenauert in den Men- schen, in ihren Herzen, aber nach Matth. 3, 17 wohl richtiger: an den Menschen Ephef 1,5. 9] ein Wohlgefallen. V) Sie befanden sich an demselben Ort, wo David einst seines Vaters Heerden weidete (1. Sam. 16, 11; 17, 15. 34f.), hatten aber von ihm nicht nur den Hirtenstab, nich nur dieselbe Trift, sondern auch jenes Herz überkommem wie P. Gerhard in dem Liede: Wir singen dir, Jmmanuel &c. V. 4 f. es beschreibt: Vor andern hat dein hoch begehrt der Hirt und König deiner Heerd, der Mann, der dir so wohl gefiel, wenn er dir sang auf Saitenspiel: »Ach daß der HErr aus Zion käm und unsre Bande von uns nähml A daß die Hilfe bräch herein! so würde Jakob fröhlich ein.« (Ps. 14, 7.) ,,Doch dürfen wir uns den inneren Stand dieser Hirten auch nicht zu sehr in’s Schöne malen. 606 Evangelium Lucä 2, 14 Anin Ob sie solche gottinnige, ini geistlichen Leben sehr esörderte Seelen gewesen, wie Simeon und Hannm atharias und Elisabet , und vor ·allem wie jene jungfräuliche Davidsto ter, an der sich eben jetzt das Prophetenzeichen Jesaiä erfüllt (Matth. 1,««20 ss.), steht sehr-dahin; wenigstens in dieser Nacht sind es keine geistlichen Dinge, die ihre Augen wachend alten, nicht die Sehnsucht ist es nach dem Tag des H« rrn, nicht der Jacobskampf um den neuen Z) amen, sondern ein- ach nurdie Sorge um die Heerde, die ihrer Hut be- hlen. Der Druck der Zeit, einer so gottarmen Zeit, wo seit so lange her kein Prophet mehr ausgestanden und unter Herodis Herrschaft das wahre Jsraeliten- thum nun ganz zur Neige zu gehen scheint, wird eben auch. auf ihnen gelastet haben. Wenn nichtalles trügt, so sind sie unter diesem Druchfehr geistlich arme, heilsverlegene Leute geworden, die blos noch« an die Verheißung, daß Gott ein Neues schasfeii will, sich klammern können, ohne doch auch nur mit einem Ge- danken daran zu denken, es könnte die Erfüllung der- selben so nahe sein. (Rofshack.) Diese Hirten waren Leute, denen große Herren keine Anzeige machen, wenn ihnen ein Sohn geboren wird, fragt man doch nichts darnach, ob sie selber geboren sind ;· um so erfreulicher ist’s, daß Gott ein Augenmerk auf sie hat und bei der Geburt seines Sohnes zuerst an die denkt, welche dem Stande nach seinem Sohne am nächsten und Seines- gleichen sind. (Münkel.) Jm Grundtext steht für ,,Heiland« ein Wort, welches einen Erretter, Befreier bezeichnet; es kann da die Errettung vom Druck der äußeren Feinde, von Krankheit, Schmerzen und leib- lichem Elend gemeint sein (1. Sam. 11, 13; Z. Mos. 14, 13; Richt. 15, 18), und heißt im A. T. Gott öfter ein Heiland, wenn er in dieser Hinsicht mächtig un wunderbar geholfen hat (1. Sam. 14, 39; 2. S. 22, Z; Pf. 17, 7). Vornehmlich aber geht das Wort auf die Erlösung von der Sünde »und allem·Uebel, das in ihrem Gefolge ist, und bezeichnet zugleich die Ver- setzung in den Genuß des diesem Uebel gerade ent- gegengesetzten Guten, der Gemeinschaft mit Gott und der ewigen Seligkeit. Es heißt da Gott als der Ur- heber dieses Heils der Heiland»(Kap. 1, 47; 1. Tim. l, I; 2, Z; Osfb. 7, 10); besonders aber kommt »der Titel demjenigen zu, durch den Gottdas Heil bewirkt, unserm HErrn Jesu Christo (Rom. 3, 24»; 1. Eor 1, 30)· Das althochd. heilan hat auch zunachst die Be- deutung ,,erretten«, und ist denn diese Bedeutung oft genug die vorwiegende, die Luther in seiner Bibel- übersetzung mit »Heiland« verbindet (Richt.· Z, 9; Z. Kön. 13, H; Jes. 63, 8; Zeph Z, l7);» meist aber tritt dagegen die positive Seite des Be risfs, die Ver- setzung in einen gesunden, glücklichen, eligen Zustand hervor, wie er besonders mit dem Worte ,,Heil« sich verbindet. » its) Seit durch Adam die Sünde in die Welt ge- kommen, ist auch die Furcht vor Gott hereingekommen; wo immer ein sündiges Adamskind Gottes heilige Gegenwart spürt, da ergreift Zittern und Beben seine Seele, denn in des HErrn Klarheit sieht er seine Flecken heller und wird sein Schade ihm offenbaren (Criiger.) Nun will freilich so mancher von einer Ur- sache zur Furcht vor Gott nichts wissen und dünkt sich darüber erhaben. »Was für ein Verbrechen, fragt er, habe ich denn begangen, was für eine schwere Sünde habe ich denn auf mich geladen, welchen Menschen habe ich denn in’s Unglück gebracht, daß ich in Aeng- sten stehen und vor irgend einem Strafgericht mich fürchten sollte, das früher oder später über mich her- einbrechen könnte? Die Sünden, von denen die Welt nicht viel Aufhebens macht, seine Unkeuschheih seine Unmäßigkeih seine Hoffarth, seinen Eigenwillem Ei en- nah, Unverträglichkeiy Lieblosigkeit, sein -Flu en, Lügen, Lästern und seine unziemlichen Scherze, die eigenen Begierden und Gelüste seines Herzens, welche nur darum nicht herausbrecheiy weil ihnen durch das bürgerliche Gesetz ein Riegel vorges oben ist, die schlagt er nicht hoch an; die Trübsal un Angst, damit nach Gottes Gefetz das alles heimgesucht wird, sieht er nicht, er wüßte nicht, welche Strafe ihn treffen sollte. (Caspari.) Aber was ist denn das Mittel, wodurch ihr euch in dieser selbstgemachten Gewissens- ruhe gegen alles, was dieselbe anfechten könnte, zu behaupten suchts ihr Menschenkinder? Kein anderes als dies: ihr suchet Gott zu entfliehen und vermeidet es geflissentlich, von der Klarheit des HErrn umleuchtet zu werden. ,,Es giebt ein Buch, das ihr, ob ihr gleich mit erheuchelter Ehrfurcht davon sprecht, doch niemals in die Hand nehmt, wahrend ihr in gewissen andern Büchern so gut ewandert seid — natürlich! aus jenem Buche spricht Gott, aus diesem der Geist der Welt, und diesen suchet ihr ja, während ihr vor Gott fliehet Jn jenem Buche giebt es eine Lehre, die euch unter allen besonders verhaßt ist, die, daß der Mensch Jesus auch wahrer Gott ist, gelobet in Ewigkeit, Amen! Warum haßt ihr sie denn so sehr, diese tröstliche Lehre «— natürlichl durch sie wird ja die unsichtbare Gottheit euch auf einmal nahe gebracht und dicht vor Augen gestellt, und vor Gott, das wissen wir ja, bebt ihr immer zurück. Häuser giebt es, wo immer von Gott und von Christo geredet wird, und diese Häuser haben eherne Zungen, womit sie die Menschen einluden, sich in ihren Räumen zu versam- meln: warum klingen euch denn die Glocken so schaiirig, als wenn sie euch Unheil verkündeten? woher kommt es, daß ihr euch so selten in ein Gotteshaus verirrt? Es ist ja Gottes Hans: eure Antwort liegt schvn im Nanien Warum habt ihr seit Jahren jenen Ort mit dem Kreuz und mit den Lichtern vermieden? Das hohe Sacrament wird dort verwaltet, bei welchem, obgleich euer Mund es leugnet, euer Herz die Gegen- wart des HErrn ahnt; und wo der H rr ist, da möget ihr nicht sein. (Theremin.) Dis) Für solche, spricht der Engel, bin ickä nicht ein Prediger, die ihren Trost auf- Gold und er Welt Freude und Lust setzen und sind sonst ohne Furchtund Schrecken, wissen und fühlen noch nichts davon, was Schrecken vor Gottes Zorn und Furcht der Höllen ist; sondern euch armen Hirten und Euresgleichen predige ich, die da arme trostlose Gewissen sind und in solcher Noth Hilfe suchen, da niemand auf Erden mit Geld und Gut noch anderer Weltsreude helfen könnte, daß sie gegen Gott zufrieden nnd fröhlich würden. Ja, euch bin ich gesandt, daß i euch große Freude soll verkündigem Der Engel wo te gern eine solche Pre- digt machen, die da haftete; darum sagt er nicht: ich verkündige euch ein groß, seltsam, wunderbarlich Werk oder Geschichte, davon sie als arme, geringe Leute noch nicht wissen konnten, ob sie sich deß annehmen oder freuen sollten, sondern ich verkündige und bringe euch eitelFreude, und nicht schlechte, sondern große Freude, nicht von großem Reichthum, Gewalt, Frei- heit und ruhigem oder sanftem Leben aus Erden, son- dern von einer neuen tröstlichen Geburt. Das, spricht er, soll eure Freude sein. Wenn wir alle Freude der Welt hätten, was wäre es? Frau Unlust! Denn wenn wir das Ende aller Freude betrachten, so ist’s mit einem Ende versiegelt, nämlich mit Unlust. Das ist das Siegel an der weltlichen Freude, wie Salomo spricht (Sprüchw. 14, 13); dies aber soll eine unend- liche, ewige, unermeßliche Freude sein, die alle Höhe, Von der Furcht der Hirten und der Freudenbotschaft des Engels. 607 Größe und alles Zeitliche und Ver ängliche überwöge, und nicht höher denn mit dein orte ,,groß« kann genannt werden. (Luther.) Obgleich der Engel blos die Hirten anredet, deutet er doch an, daß es weiter greife, was er ihnen als Heilsbotschaft ankündigt; nicht Lkillen sie dieselbe für sich selbst allein, sondern auch ndere sollen sie hören. (Calvin.) s· Es ist, als ob der Engel schon die Menge der himmlischen Heerschaaren herankommen sieht, er faßt ich daher kurz; wie das Herz der guten Hirten in Sprüngen eht, so geht sympathisirend auch die Bot- Lchaft des ngels in Sprüngen. Mit einem mahnen- en Schlußwort braucht er seine Weihnachtspredigt nicht zu endigen: die Herzen der Hörer sind entbrannt von der Klarheit des HErrn, sie brennen vor Begier, den Heiland, den Christus, den HErrn zu sehen. Der Engel könnte sie laufen las en; aber er ist ein vor- sichtiger Prediger — ein nstoß, ein Aergerniß liegt sehr nahe. Da sagt er es den Hirten nun nicht blos vorher, in welcher Verfassung sie das Kind finden werden, sondern er erhebt das, was dem natiirlichen Menschen so ärgerlich ist, zu einem Merkmal, daran sie den HErrn erkennen sollten. (Nebe.) Wollen wir nicht annehmen, daß die Hirten sogleich in Bet lehem bei allen nur möglichen Krippen in aller Eile erum- gehört haben, ob hier vielleicht auch ein Kind geboren (V. 15 f.), dann müssen wir wohl glauben, daß in den Worten: ,,ihr werdet finden ein in Windeln gewickeltes (kürzlich erst geborenes) Kind, lie end in einer Krippe«, ihre eigene wohl bekannte, wo l nicht weit entfernte Krippe angedeutet wird. (v. Oosterzee.) ff) Auf eine »gute Predigt gehört ein fröhlicher Gesang; gleichwie nun die Predigt eine göttliche Meisterpredigt ist, also ist dieses auch ein schöner, neuer, göttlicher Meistergesang darauf , dergleichen man vor in der Welt nie gehört hat. Es ist aber ein Gesang von 3 Gesetzen (Sätzen oder Ab chnitten); dreierlei ordnen sie in diesem Gesang: die hre, den Frieden, das Wohlgefallen oder guten Willen, und eben die Ehre Gott, den Frieden der Erde, das ohlgefallen den Menschen. Der gute Wille oder Wohlgefallen niöchte verstanden werden von dem gött- lichen guten Willen und Wohlgefallen, den er hat über die Menschen durch Christum; aber wir wollen es lassen bleiben bei dem guten Willen, den die Men- schen aus dieser Geburt haben. Es heißt aber hier nicht der gute Wille, der da gute Werke wirkt, sondern das Wohlgefallen und friedliche Herz, das sich alles gefallen läßt, was ihm widerfährt, es sei ut oder öse; denn die Engel sehen wohl, daß der weilte Theil mit diesem Kindlein Jesu nicht dran will und die, so an Christum wahrhaftig glauben und Frieden haben, verfolgt (Joh. 16,, 33), darum wünschen sie alleii Gläubigen ein solch Her , daß sie mögen Lust hkaben in Unlust (Röm. 5, 3). Also-lehren uns die hl. ngel in ihrem Gesang von dem rechten Gottesdiensh daß wir Gottes Gnade an diesem Kindlein, seinem Sohn, unserm HErrn und Heiland, erkennen, ihm dafür danken und loben; darnach auch unter einander fried- lich leben, und letzlich in Geduld alles Unglück über- winden und dieses Kindleins halben fröhlich und guter Dinge sollen sein. Also ist dieser fröhliche, tröstliche Gesang fein kurz von den lieben Engeln gefaßt, dabei man wohl spürt, daß er nicht auf Erden gewachsen noch gemacht, sondern vom Himmel herunter gekommen ist; denn in der Welt kehrt man diesen Gesang leider um und findet man des Teufels Lied, da man Gott in der Höhe verflucht und lüstert, da man Mord an- richtet und so haushält, daß kein Mensch keinen fröh- lichen Anblick haben, keinen fröhlichen Bissen mit Frieden essen kann. Das heißt denn: dem Teufel Ehre in der Hölle, Unfriede auf Erden und den Menschen ein blödes, verzagtes Herz! (Luther.) · Bis so lange hat das Himmelsheer geschwiegen, daß die Hirten horen, was geschehem sie wollen den Engelfürsten ferst aus- reden lassen, sobald er aber den Beschluß»mit»Krippe, Kind und Windeln gemacht hat, lassen sie sich ni t mehr halten , es muß heraus, wovon sie voll sinsp Und da sind es E; Posaunenstöße, welche sie »in die lautlose Nacht erschallen lassen. Der erste gilt Gott dem Vater im Himmel, der seine Ehre und Herrlich- keit kund gethan hat, indem er seinen Sohn gab; der zweite gilt Gott dem Sohne auf Erden, der Frieden macht zwischen Gott und den Menschen und die Welt mit Gott versöhnt; der dritte gilt Gott dem heil. Geiste, welcher die Menschen in Christo vor Gott·an- gEenehm macht dadurch, daß er ihnen das Verdienst hristi zueignet und sie in seine Gerechtigkeit kleidet. (Miinkel.) Die zwei letztensGlieder des Lobgesangs geben den Grund für das erste an, warumGott zu preisen sei; denn er sandte den Sohn, uni Frieden der Erde zu geben, und gab ihr seinen Geist, daß die Menschen ihm wohlgefällig würden. (Heubner.) Die himmlischen Heerschaaren sind gewöhnt, Gott zu loben und ihm die Ehre zu geben; aber Ietzt hat sich ihnen ein neuer Abgrund des Reichthums ihres Gottes auf- ethan damit, daß sein Erbarmen, sein höchstes Er- lgnarmen durch die Sünde hervorgelockt und in Christo offenbar geworden ist. Solchen Trieb zu loben hatten sie noch nie zuvor empfunden; man fühlt es, man hört« es, sie wollen Gott die Ehre geben, so gut sie können, es ist ihnen gar zu eindrücklich, gar zu groß, daß Gott Mensch worden- und im Fleische die Wieder- - erstellung der kgefallenen Creatur hinausführen will. e om Himmel hren sich dann die Engel mit ihren Gedanken herab auf die Erde: Friede in den Herzen der Menschen, Friede der Menschen unter einander! Sie trauen es dem Heilande, dem Friedefürsten (Jes. 9, 6), den sie schon kennen, zu, daß er die Erde um- wandeln werde in einen Friedensorh wie der Himmel ist. Wer nun durch den Glauben an Jesum Christum den Frieden gefunden hat, der über alle Vernunft txt, der verstelzt solche Worte; so oft ein Sünder Bu e thut und en Frieden findet, den C riftus gemacht hat durch das Blut an seinem Kreuz ( ol. 1, 20), so oft geht das Wort der Engel in Erfiillung, und es ist Freude vor ihnen (Kap. 15, 7). « Aber herrlicher als in dieser Kampfeszeit der Kirche wird solch Wort er- füllt werden, wenn die Reiche der Welt werden Gott und seinem Christus anheimfallen und wenn auf der. neuen Erde eine Hütte Gottes bei den Menschen sein wird (Osfenb. 21, Z) — dann wird Friede sein auf Erden (Ps. 133, 1). Den Grund, warum nun Friede auf Erden sei, enthalten die letzten Worte des Lobge- sanges. Da freuen sich die Engel, daß wir Menschen wieder ein Gegenstand des göttlichen Wohlgefallens geworden sind in Christo. Noch hatte kein Mensch einen Finger gerührt, ein gut Werk zu thun, da sin en sie schon, daß Gott Wohlgefallen an den Menscgen hat, weil sein Sohn Mensch geworden und das Werk der Versöhnung angehoben hat. »Heut schleußt er wieder au die Thiir zum schönen Paradeis; der Cherub steht nicht mehr dafür, Gott sei Lob, Ehr und Preis! — Ein Wohlgefallm Gott an uns hat; nun ist groß Fried’ ohn’ Unterlaß, all’ Fehd’ hat nun ein Ende« (Besser.) Evangelium am zweiten Christiage.) Das Evangelium ist fast leichtspaus des vorigen Aus-legen zu vernehmen; denn es zeiget an ein 608 Evangelium Lucä T, 15-—-19. Exempel und Vollziehung der Lehre, die im vorigen Evangelium gegeben ist, da die Hirten gethan und ge- fanden haben, wie ihnen von dem Engel gesagt war. Darum hält das Evangelium innen, was die Folgen und Früchte sind des Wortes Gottes und welches die Zeichen sind, dabei man erkennet, ob das Wort Gottes in uns haste und gewirkt habe. (Luther.) Hinter der Ehristgabe, die jedes gläubige Herz zu Lob und Dank erweckt, steht die Christen aufgabe, die wir alle durch diese Gabe vollziehen sollen. (Brückner.) 15. Und da die Engel fnachdem sie ihren Dienst ausgerichtets von ihnen gen Himmel fuhren fund mit ihrem Weggang auch die Klar- heit des HErrn V. 9 nun wieder verschwunden war], sprachen [die Menschen — diese Worte finden sich ebenfalls in mehreren Handschriften des Grundtextes und ist von Luther in seiner EvangeliemAuslegung berücksichtigt worden] die Hirten unter einander [denn obwohl ihnen der Engel keinen bestimmten Befehl gegeben, so hatten sie doch den seinen Wink in V. 12 sehr wohl verstanden]: Laßt Uns [doch] nun sauch von hier weggehen, wie dieiEngel wieder von dannen gezogen sind, und durch das Feld hin] gehen gen Bethlehem sda das Himmelreich uns be- reitet ist], und die Geschichte sehen, die da geschehen ist, fund] die uns der HErr leben darum] kund gethan hat [damit wir sie sehen und die große Freude, die darin beschlosfen liegt, uns aneignen sollen]. Thaborstunden vergehen schnell, der Himmel bleibt nicht allezeit offen, wenn er sich auch einmal uns geöffnet hat; in unsrer Hand liegt es aber allein, ob solche Silberblicke einen Segen schaffen. (Nebe.) Jn der Geburt des HErrn, in der Verkündigung: ,,euch ist heute der Heiland geboren«, in der Klarheit des HErrn, welche die Hirten umleuchtete, in der Menge der hinimlischen Heerschaaren und ihrem Lobgesang, in allen diesen Ereignissen hat Gott mit den Men- schen gehandelt; nun, da die Engel wieder gen Himmel fahren, sollen diev Menschen handeln. (Brückner.) Die Hirten erscheineu hier gewissermaßen aks Re- präsentanten des gesammtenf Nienschengeschlechts (Bengel.) Sie dachten nicht, wie so manche geistige Mißgeburten in der Christenheit heut zu Tage denken und gewiß damals auch würden gedacht haben: Ach der Himmelsglanz und das Engelwortist gewiß nur eine Sinnentäuschung oder eine nächtliche Lufterschek nung ewesen; was wollen wir da erst noch lange nach ethlehem hineingehen? wir möchten am Ende wegen unserer Leichtgläubigkeit oder unseres Aber- glaubens nur ausgelacht werden. (Fr. Arndt.) Laßt uns die Geschichte sehen, die da geschehen ist, so sagen sie mit voller Zuversi t, nicht aber: ,,ob sie geschehen is « voll Zweifel. Rang) Der Zusatz: ,,die uns der HErr kund gethan hat« zeigt den guten Grund ihres Glaubens. Der— gewöhnliche Mensch nimmt das Wort leider an, nicht weil er dem Worte und an das Wort glaubt, sondern weil er dem Verkiindiger des Worts Glauben zuschätzt Wer dem Worte glaubt, der achtet der Person nicht; die Person mag unter- gehen, vom Glauben abfallen, er glaubt wie die Samariter (Joh. 4, 42). Diesen Glauben· haben die Hirten: sie hangen nicht an den Engeln, die sind ver- gessen; sie hangen an dem Worte, das sie gebracht haben. (Nebe.) Jedes rechte Christenleben ist eigent- lich ein Gang nach Bethlehem. (Rüling.) Meine nur keiner, daß es dessen nicht bediirfel Man kann nicht mit Christo durch das Leben gehen, so man nicht immer von Neuem zu ihm hingeht, man kann nicht ununterbrochen die Kräfte der zukünftigen Welt in Christo verspüren, so man sich nicht unabläsig und mit immer erneutem Eifer zu ihm wendet; die tröme lebendigen Wassers, die in das ewige Leben quellen, empfängt man nicht, wenn man nicht immer von Neuem zur Quelle geht und emsig daraus schöpfr (Brückner.) 16. Und ste kamen eilend [denn ,,dort in Bethlehem lag ein Magnet in der Krippe, der zog sie mit jedem Schritte, den sie ihm näher kamen, desto stärker an, und wie einer vorher den andern mit Worten angefeuert hatte, so feuerten sie sich jetzt mit Thaten an —- ein edler Wett- eifer, ein köstlicher Wettlaus nach dem Kleinod des Glaubens!«] Und fUnden [nicht erst nach langem Suchen und Herumfragem sondern durch Gottes Leitung Matth. 2, 9 ff. sogleich am rechten Ort åliöm 10, 6 sf·] beide [Jes. 27, 1 Blum. 2] Mariam uud»Iosepl), dazu das Kind in der Krippe liegen fund sie funden in dem Kinde ihren Heiland — er ward ihnen gegeben, weil sie ihn annahmen so, wie er sich ihnen bot]. St. Lukas ist hier wieder ein rechter Maler, er führt uns die Scene nach ihren einzelnen Momenten vor: Maria, die Mutter des Ehristkindleins, fiel den Hirten zuerst in die Augen; Joseph ward dann von ihnen wahrgenommen, und endlich, da sie näher heran- getreten waren, sahen sie das Kindlein in der Krippe liegen. Nun läßt er aber den Vorhang flugs fallen. V. 19 deutet wohl darauf hin, daß ein gegenseitiger Austausch an der Krippe des HErrn stattfandz das Reden war aber Nebensache, Hauptsache war das Sehen. Die Hirtenaugen ruhten mit Wohlgefallen auf dem Kind und verschlungen es gleichsam mit den sehnsüch- tigen Blicken des Glaubens. (Nebe.) Ich sehe dich mit Freuden an und kann mich nicht satt ehen; und weil ich nun 11icht weiter kann, so thu ich, was ge- schehen: o daß mein Sinn ein Abgrund wär und meine Seel ein weites Meer, daß ich dich inöchte fassen! Vergönne mir, o Jesulein, daß ich dein Mündlein küsse, das Mündlein, das den süßten Wein, auch Milch und Honigfliisse weit übertrifft in seiner Kraft; es ist voll Labsal, Stärk und Saft, der Mark und Bein erquicket. Wenn oft mein Herz im Leibe weint und keinen Trost kann finden, da ruft mir’s zu: Jch bin dein Freund, ein Tilger deiner Sünden; was trauerst»du, mein Fleisch und Bein? du sollt ja guter Dinge sein, ich zahle deine Schuldein er ist der Meister, der allhier nach Würdigkeit ausstreichet die Händlein, so das Kindlein niir anlachende zureichetl Der Schnee ist hell, die Milch ist weiß; verlieren doch beid ihren Preis, wenn diese Händlein blinken· Wo nehm ich Weisheit und Verstand, mit Lobe zu. erhöhen die Aeuglein, die so unverwandt nach mir erichtet stehen? Der volle Mond ist schön und klar, chön ist der» güldnen Sternen Schaar —» die Aeuglein ind viel schmier- (Jch steh an deiner Krrppen hier re. . 5—9.) Hieronymus, von dessen Zelle in der Nähe der Ge- burtsstätte Jesu wir zu Ruth1,22 erzä lt haben, schreibt kurz vor seinem Ende: So oft ich iesen Ort anschaue, hat mein Herz ein süßes Gesvräch mit dem Ausbreitung der Freudenbotschast durch die Hirten. 609 Kindlein Jesu. Jch sage: Ach HErr Jesu, wie zitterst du, wie hart liegst du um meiner Seligkeit willen: wie soll ich dir’s immer mehr vergelten? da dünkt mich, wie mir das Kindlein antworte: »Nichts begehre ich, lieber Hieronymus, als singe: Ehre sei Gott in der Höhe! Laß dir’s nur lieb sein; ich will noch dürftiger werden am Oelberge und am heil. Kreuze« Jch spreche weiter: Liebes Jesulein, ich muß dir was geben; ich will dir all mein Geld «eben. Das Kind- lein antwortet: ,,Jst doch zuvor Himmel und Erde mein; ich bedarf’s nicht, gieb’s armen Leuten, das will ich annehmen, als wenn mir’s selber wäre wider- fahren-« Jch rede weiter: Liebes Jesulein, ich will’s gerne thun; aber ich muß dir auch für deine Person etwas geben, oder muß vor Leid sterben. Das Kind- lein antwortet: ,,Lieber Hieronymus, weil du ja so freigebig bist, so will ich dir sagen, was du mir sollst geben: gieb her deine Sünde, dein böses Gewissen und deine Verdammniß.« Jch spreche: Was willst du damit machen? Das Jesuskind sagt: ,,Jch will’s auf meine Schulter nehmen; das soll meine Herrschaft und errliche That ein, wie Jesajas (9, S; 53, 4·ff.) vor eiten geredet hat, daß ich deine Sünde will tragen und wegtragen·« weinen und sage: Kindlein, liebes Kindlein, wie hast du mir das Herz gerührt! Jch dachte, du wolltest was Gutes haben; so willst du alles, was bei mir böse ist, haben. Nimm hin, was mein ist, gieb mir, was dein ist; so bin ich der Sünden los und des ewigen Lebens gewiß· — ,,Auf unsre Erd’ hernieder kam Gottes ew er Sohn«, das war das Thema des gestrigen Christ ests: ,,nun hebt er seine Brüder empor zu Gottes Thron«, das ist die Predigt des heutigen Feiertags (v l. Apostg 6, 8 — 7, 59). Der ganze Lebenslauf hristi mit all seinen Stationen soll in uns eistlicher Weise sich abbilden von der Krippe bis zum hrone: Krippe, Kreuz und Krone, das sind die drei Lebensstationen wie für den Meister so für den Jünger — die Krippe im Herzen, das Kreuz in der Welt, die Krone im Himmel. (Gerok.) . 17. Da sie es aber gesehen hatten [beide, Mariam und Joseph, dazu das Kind in der Krippe], breiteten sie fals die ersten Boten des Evange- liums, dazu sie sich durch das ,,allem Volk« ver- ordnet fühlten, wie denn auch ihr eigenes Herz zu solchem Mifsionsdienst sie drängte Matth. 12, 34; Apostg. 4, TO] das Wort sunter den Ein- wohnern zu Bethlehem und den daselbst anwesen- den Fremden] aus, welches zu ihnen von diesem Kinde fdaß es sei Christus, der HErr, der längst erwartete Heiland Jsraels V. U, durch den Engel] gesagt war« [und wie die ganze Menge der himmlischen Heerschaaren ihm zu Ehren einen Lobgesang angestimmt hätten V. 12]. 18. Und alle, vor die es kam sderen freilich nur ein verhältnißmäßig kleiner Theil der gesammten Einwohnerschast und ihrer Gäste war, aus den geringen und niedrigen Leuten bestehend, während die Großen und Vornehmen keine Kennt- njß von der Sache nahmen und sie für ein bloßes Mährlein des gemeinen Volkes ansahen], Ver- wunderten sich der Rede, die ihnen die Hirten D å ch sel’ s Bibelwerk Da fang ich an bitterlich zu« gesagt hatten« [ohne daß es jedoch auch bei ihnen zu einem weiteren Erfolg gekommen wäre]. 19. Maria aber [im Gegensatz zu solchem augenblicklichen Verwundern, zu solch stumpfsin- mgem Verhalten] behielt alle diese Worte sdenn die Hirten hatten natürlich ihr ebenfalls ihre Erlebnisse mitgetheilt], und bewegete sie fweil sie tiefer davon ergriffen ward und tiefer schauete] m ihrem HerzenYsk findem sie die- selben zusammenftellte mit dem, was ihr selber von dem Engel gesagt worden war Kap. 1, 26 ff. und was dann Elisabeth Kap. I, 41 ff. und Joseph Matth. I, 21 f. ihr verkündigt hatten, und ein fein Gewebe gottinniger und gottseliger Gedanken daraus wob, in dem alles aufs Schönste sich zu- fammenreimte und gar liebliche Himmelsblumen vor das sinnende Auge traten]. «) Wie die Hirten die Ersten waren, die Christum fanden, so sind sie auch die Ersten, die ihn verkünden. Noch ehe er selber predigt, hat seine Geburt es gethan; er hat Apostel gesunden, noch ehe er sie«suchte; von dem Augenblicke an, wo Christus anfängt, auf Erden zu leben, fängt auch sein Reich an, auf Erden zu be- stehen. (Brückner.) Wenn du es leiden kannst, daß in deinem Hause Einer ist, der keinen Heiland hat, ohne ihm zu sagen, wo er zu finden ist, so hast du ihn auch noch nicht gefunden. (Besfer.) H) Es wird aber bei dem meisten Theil ein solch Verwundern gewesen sein, das nicht lang gewährt hat. Eine Zeit lang war ein groß Sagen davon, wie ein Kindlein zu Bethlehem geboren wäre, da die Engel in Lüften von gepredigt (und die Weisen aus dem Morgenlande zugezogen und es angebetet) haben; aber ehe 2, 3 oder 4 Jahre sind weggegangen, hats jeder- mann vergessen, und hernach über 30 Jahr, da der HErr austrat, hat niemand me r davon gewußt. Denn das giebt die Erfahrung, da der mehrere Theil der Menschen so elende, verderbte Leute sind, daß, Gott thue uns wohl oder übel, er stiiupe uns oder erzeige uns Gnade, wenn es vorüber ist, so ist’s bald vergessen. So ein fchändlich Vergessen und unachtsam Ding ist’s um eines Menschen Herz. (Luther.) Ver- wunderung, schnell geboren, pflegt kur en Lebens zu sein. (Lö e.) Indessen mö en doch au einige Seelen gewesen ein, die es ni tbeim bloßen Verwundern bewenden ließen, sondern ebenfalls hinginägm die Ge- schichte zu sehen, und die nun auch der eihnachts- freude wirklich theilhaftig wurden; Ja, man hat wohl gar bald die hl. Familie aus dem Stalle hervorgeholt nnd in die Herberge eines ordentlichen Hauses gebracht. (Matth. 2, 11.) Hi) Sowohl hier als in Kap. 1, 29z L, 51 kommt Maria vor als in reichem Maße mit dem unvergäng- lichen Schmuck geziert, den ein Apostel des HErrn (1.Petri 3, 4) als den höchsten der Frauen bezeichnet Verstand, Herz und Gedächtniß treten hier vereinigt in den Dienst des Glaubens. (v. Oosterzee.) Die Heils edanken und Reichsgeschichten des Evangeliums sind o groß und so tief und so reich, daß ein Men- schengeift sie nicht auf einmal fassen und bewältigen kann; sie wollen verarbeitet sein, sie sind wie ein viel- seitig geschlissener Diamant, der aus jeder Seite wie- der in einem andern Lichte blitzt, oder wie eine Blume im Topf, die immer wieder neue Zweige treibt und neue Blüthen trägt, oder nach einem Lutherwort wie N. T. I- 39 610 Evangelium Lucä 2, 20 u. 21. ein vielästiger Baum, da man bei jedem neuen Suchen wieder nieue Aepfel herunterklopft Da gilt’s, diese Dinge im Herzen bewegen; da muß Leben Und Er- fahrung, da muß Freud und Leid dazu kommen, daß man diese Worte dran prufe und erprobe, fasse und verstehe; da gehört ein ganzes Menschenleben dazu, sich in fdigle Wckijhrheiteiil iknmerhtcefer hilneånzuikczikenk hinåing zuu en, ineinzii e en, inemzu ei en. ero. u Fisesxeti Niuudg ivzhl dgrzälgts uspns St. Lukas dieEGZ- «i)ten von er in eit Heu. wer war am n e Pas mgischliche Organi chwelcheshder heilt; Geist einer ir e jene hei. e .i ten er ielt un mit- theilte? gurch wen konnte er es besser als durch sie, II? Tit-kir Ei? i? ZZYFFFFEFMETZ its. link« Dass; 2 g ) , i i a e. ihrfem treuPknyjheiligen Gedächtnißlzl aåis Fhkeem Kwalzk hatigen un e kommt un» wo ie eige "un e, welche der Geist des HErrnv mit himnilischen Kräften auf unsre Seele wirken läßt; und wenn ich die ersten Kapitel St. Lueä lese, so ist mir, als säße ich mit den geilå Apoståfleii uns? Fvangeläistew jg Miit, dkr bgglzi en Jir je zu ariä it en un vernä me ie ie i ten aller Geschichtem die davon unter allen die holdseligsten Worte sprechen konnte. (Löhe.) 20. Und die Hirten snachdem sie für sich selber den Heiland gesunden und auch für Andere die Wegweiser zu ihm geworden waren] kehreten wieder um [zu ihrer Heerde, die sie vorhin V. 15 in Gottes Hut befohlen, nun wieder ihres all- täglichen Berufs zu warten], preiseten nnd lebten Gott um alles, das sie szuerstaus dem Munde des Engels V. 10—-12] gehört uud sdann auch in dem Stalle zu Bethlehem V. 16] gesehen fund da alles genau so befunden] hatten, wie denn zu ihnen gesagt war sein Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegend, von dessen Heilandskraft sie aber bereits etwas verspürt an ihrem Herzen, also daß sie freudig bekennen durften: Ja, er ist Christus, der HErrs Er ist für sie nicht mehr allein in der Krippe, er hat bereits Raum gefunden in ihrer Seele; sie sehen ihn nicht mehr mit äußerlicheu Augen an, der Engel des HErrn hat sie gelehrt, das Kind im Lichte der göttlichen Verheißung zu betrachteux sie stehen nicht mehr äußerlich vor ihm da, sie sind ereits innerlich in ein Verhältniss zu ihm etreten, die Hirten zum guten Hirten, die auf den rost Jsraels hofften zu dem, der dieser Trost persönlich war. (Brückner.) Dein Herz, o Mensch, dein finsteres, schmutziges Herz mit seinen argen Gedanken und niederen Lüsten, steh, das ist der Stall, in welchem Christus heute noch soll geboren werden. Dein Herz, dein armes, leeres Herz, das soll die Krippe sein, die ihn jetzt noch aufnimmt, darin er wohnen und wachsen will. Die Geburt Christi zu Bethlehem vor 1800 Jahren hilft dir nichts und die Christfeiertage tiiitzen dir«nichts, wenn du nicht in dich das neue göttliche Leben pflanzen lässest. (Gerok.) Jn allem sind die Hirten treue Nachfolger und Schiiler der Engel: erst predigte ein Engel, hernach lobte und pries die Menge der himmlischeii Heerschaaren Gott, den HErrn —- die Hirten haben erst gepredigt, und nun kommt das Loben und Preisen Gottes. (Nebe.) Sie sind wohl zufrieden, ob sie wohl nicht reicher worden sind, nicht höher geehrt, nicht besser essen und trinken, nicht besser Handwerk treiben müssen. Sie haben einen Rock und Stab wie vor, bleiben Schäfer, ändern an dem äußerlichen Wandel nichts; denn Chri- stus ist nicht kommen, die Creatur zu ändern, bis an jenen Tag, wenn die Seele zuvor vollkommen und neu geändert ist: das ist die rechte.Aenderung, um welcher willen Christus ist kommen, daß ein Mensch inwendig im Herzen anders werde, daß das Herz ein neu Licht und Siegel (welches ist der Glaube, dur . den heil· Geist aigzzezündey und gar einen andern un neuen Verstand, illen, Lust und Liebe gewinnt aus Gottes Wort, also daß, wo zuvor der Mensch nach Geld und Gut gestanden hat, jetzt, nachdem er zum Erkenntniß Christi kommen ist, er nicht allein Geld und Gut, sondern auch Leib und Leben intenansetzn ehe er Christum und fein Wort lassen wo te. (Luther.) Mit Recht vermuthet man, daß diese Hirten schon vor Anfan des öffentlichen Lebens Jesu entschlafen sind, ohne Zweifel mit der Erinnerung an diese Nacht vor der Seele und mit einer Stimmung wie die des greifen Simeon im Herzen. Ihre Namen, auf Erden unbe- kannt, sind im Himmel angeschrieben, und ihre Erfah- rung ist der beste Beweis für die Wahrheit Matth- 5, Z: Selig sind, die da geistlich arm sind; denn das Himmelreich ist ihr. (v. Oosterzee.) Was beginnt ein Christ mit der Weihnachtsbotschafh die ihm Verkündigt worden? 1) Er braucht sie zum Segen für andre Menschen; 2) er behält und bewegt sie in seinem eige- nen Herzen, und Z) bekennt sich dazu als einem festen Trost und einer seligen Hoffnung. (Caspari.) VL o. 2i—4o. (§. i1 u. 13.) Jus das-und an» aagk alt M, wird es der Beschneidung unterworfen (Gal. J, it f.) und ihm der vom Enge! gebotene ilainc Jesus gegeben; vierzig Tage aber nach seiner Geburt, am ge- setzlichen Ende der Rciuigungozeit Maria, tragen die Eltern ro iu den Eenweh eo dein ijGrrii als Erstge- borenen zu heiligen und mit thut zu thun, wie in Betreff der Lösung geboten war. Da, alo der Sohn Gottes zum ersten Mal im Hause seines Vaters erscheint Glut. Z, 1), geschieht es, daß ein gottesfürchtiger Greis, St— iueou mit Namen, dem der ijGrr die innere Offenba- rung gegeben, er solle das Jeubrechen des neuen Bandes erleben und den Christ deo tJErru mit Augen sehen, nun voll deg Geistes in den Tempel tritt, und wie er dag tiiud stehet, es in propheiischem Schauen erkennt, eo auf-die Jlriiie nimmt und offenbart, wer dao tiiud sei nud wag eg zu lkiiinpfeii habe. lind auch eine pro— phetin, Haksan, tritt herzu nnd redet von dem Kinde zn allen denen, die seiner wahrhaft und im Geige warteten. Evangelium am Nematus-Fest) Da die eigentlichen Festtage der Kirche immer eine Heilsthatsache zum Gegenstand haben, die sich in ihnen vergegenwärtigt und verewigt, so kann der Anfan des bürgerlichen Jahres keinen Anspruch auf kir liche Feier macheu; überdies hat die Kirche ihre eigene Jahresrechnung, die von der bürgerlichen ganz unbe- rührt bleibt, so daß letztere geändert werden kann, ohne daß jene dadurchsalterirt würde. Zu der Zeit aber, als die Idee des Kirchenjahres noch nicht voll- ständig ausgebildet, der Kalender der Kirche noch nicht fertig war, konnte diese 11och weniger Lust haben, den Ja resanfang zu einer Easualfeier zu erheben, da der elbe durch heidnische Orgien auf eine dem chrift- lichen Gefühl anftößige Weise ausgezeichnet war; aber gerade dies zwang die Kirche, davon wenigstens Notiz zu nehmen, woraus am Ende dennoch eine kirchliche Neujahrsfeier erwuchs. Die Prediger riefen ihre Ge- meinden zum Gotteshause, um sie zu verwarnen, um Jesu Beschneidung und Namengebung. 611 dem heidnischen Spektakel christliche Bußgänge ent- gegenzusetzem Processionen als Bußsahrten hat noch die Shnode von Tours im J. 567 angeordnet. Jn einer zweiten Periode, die wir in der Geschichte des Festes unterscheiden können, verschwindet nicht nur der specielle Charakter antiheidnischer Bußfeier, sondern auch beinahe jede Bezugna me auf den Jahresanfang; dafür wird der Tag als edächtnißfeier der Beschnei- dung Jesu betrachtet und ihm um so mehr ein positiv- kirchlicher Charakter zuerkannt, als seit der allgemeinen Annahme des Christfestes am 25. Dezember der Neu- jahrstag ohne sein Verdienst zur Oktave des Weih- nachtstages geworden war. Von der Beschneidung Christi wird dann vornehmlich seit dieser Zeit gehan- delt, während die Benutzung des-Namens Jesu, den die Perikope zugleich als Erbauungsstosf darbieten weniger häufig ist. (Palmer.) Ein kürzeres Evan- gelium, als das vorliegende, giebt es im ganzen Jahre nicht; Und doch ist es nicht minder reich, als jedes andere, denn es tritt uns mit dem größten Schatz im Himmel und« auf Erden entgegen, indem es uns rüßt mit dem theuren Jesus-Namen, und der Neu- xahrstag ist für irchliche Leute darum so köstlich und wichtig, weil er der Namenstag unsers HErrn Jesu Christi ist. Ein altes Wort sagt: »in Jesu Namen stehet Gottes Amen«, und in der That, beginnen wir das Jahr und setzen es fort in diesem hochheiligen Namen, so kannund wird uns zu seiner Vollendung und zu seinem Segen das göttliche Amen nicht fehlen. (Fr. Arndt.) 21. Und da acht Tage um waren [mit dem achten Tage nach der im vorigen Abschnitt erzählten Geburt, die im Gesetz 1. Mos. 17, 12; B. M. 12, 3 bestimmte sich erfüllete], daß das Kind beschnitten wurde, da ward sbei Gelegenheit dieser seiner Beschneidung, vgl. Kap. I, 59 ff.] fein Name genannt Jesus, welcher Name sals der ihm zu gebende]· genannt Wut! von dem Engel, ehe denn er m Mutterleibe empfangen ward [Kap. I, 31]. Jn diesen acht Tagen zwischen Geburt und Be- schneidung war unstreitig das Christuskind der Mittel- punkt aller Gedanken und Gespräche in Bethlehem; Maria und Joseph, die Hirten und Alle, welche durch sie von dem wunderbaren Kinde Kunde erhielten, kamen und gåingen und schauten in seiner Krippe den holdseligen äugling an, dessen Eintritt in die Welt auf so außerordentliche Weise war gefeiert worden, und konnten sich nicht müde sehen an dem Anblick ohne Gleichen und hörten nicht auf zu loben und zu preisen. Diese acht Tage waren im Kern ein Bild der ganzen Zeit, welche bis zum heutigen Tage vom Anfange der Welt her vergangen war; in dieser langen, geschichtlichen und vorgeschichtlichen Vergan- genheit war Christus, der ewige Sohn Gottes, der Mittelpunkt der göttlichen Rathschliisse und der mensch- lichen Führungen und Gottesdienste gewesen. Fragen wir, wer war Kern und Stern, Hirt und Hort, Sonne und Wonne aller Gläubigen in den Tagen des Ge- setzes und der Verheißung, so giebt es nur Eine Ant- wort auf allen Blättern dieses. heil. Buches: Er! Er! (Fr. Arndt Der Juden Beschneidung hat nicht läu- er sollen tehen denn das Gesetz, d. i. bis auf Chri- tum, der es mit demGesetz hat ein Ende gemacht; denn dieSchrift hält diese Ordnung, daß nach sechs Tagen der Sabbath ist und der Tag, so auf den Sab- bath folgt, ist der achte Tag, da eine neue Woche au- fähet. — Die Beschneidung soll geschehen am a ten Tage; das bedeutet, daß wir nicht eher rein wer en, denn zu der Auferstehung am achten Tage (Hes. 40, 47 Anm.). Dann wird Jammer, Sünde und Pein, Tod und Hölle von uns abgesondert werden; denn sieben Tage bedeuten diese vergängliche Zeit bis an den jüngsten Tag, weil dieselbige Zeit mit der Wochen oder sieben Tagen, die in l. Mos. 1 beschrieben sind, emessen wird. Indessen ist kein Aufhören-des Be- ixchneidens: wir müssen von Tag zu Tag reiner und reiner werden. (Luther.) Jn gewisser Hinsicht hat die Beschneidung für das Jesuskiud die Bedeutung nicht, welche sie für jeden anderen Sohn Abrahams hatte; sein in unbefleckter Reinheit geborener Körper bedurfte keines Symbols der Ablegung des sündlichen Adams, und auch ohne Beschneidung würde er ohne Zweifel im Auge des Himmels der Gottgeweihte und Geheiligte in einem durchaus einzigen Sinne des Worts gewesen sein. Aber dem König der Juden konnte und durfte das Zeichen nicht fehlen, daß er nach Fleisch und Blut zu dem uralten Volk der Wahl gehörte, und wenn der Sohn Gottes erfcheint in der Gestalt des sündlichen Fleisches, so muß er auch das Sinnbild der Reinigung von der Sünde empfangen, auf daß er den Brüdern in allem leich würde, aus- genommen in der Sünde selbst. uch hier gilt der roße, von dem Heiland selbst vor seiner Taufe durch Johannes in den Vordergrund gestellte Grundsatz: Matth Z, 15. Es zeugt von einer tiefen Einsicht der Mutter unsers HErrn in die Wirklichkeit und in die Natur seiner Menschwerdung, daß sie dur aus nicht daran denkt, ihn oder sich selbst den P ichten des achten oder des vierzigsten Tags zu enåtkiehen (v. Oosterzee.) Jn der Beschneidung wird der eugeborene unter das Gesetz, gethan; wer sich beschneiden läßt, verpflichtet sich, das ganze Gesetz zu halten. Da nun der HErr beschnitten wird, übernimmt er offenbar die- selbe Verpflichtung Auch andere israelitische Knäblein übernahmen sie bei ihrer Beschneidung, aber nur wie eine Schuld, die sich von Einem auf den Andern ver- erbt, ohne daß Hoffnung oder auch nur Möglichkeit da ist, ihr nachkommen zu können; bei diesem Säng- ling dagegen, der heute zur Besgneidung gebracht wird, ist es anders. Er kann die erpflichtung über- nehmen, er vermag es, das anze Gesetz zu halten; dafür bürgt uns seine heilige mpfängniß nnd Geburt und die wunderbare Vereinigun göttlicher und me11sch- licher Natur in ihm. Diesem naben ist alles zuzu- trauen, was sonst kein Mensch vermag; und er will. die Verpflichtung auf si Mensch geworden, nicht als welcher er beschnitten werden mußte. Er soll es auch, sonst würden Engelhände die Beschneidung vou seinem heil. Leibe abgehalten haben. (Löhe.) Der Evangelist legt aber nicht anf die Bes neidung in unserm Texte das Gewicht; die ganze Contruktion des Satzes ist so angelegt, daß vielmehr die Namengebuug wie sie von Gott angeordnet war, den ei entlichen Zielpunkt bildet. (Nebe.) Die wichtigste hatsakhe des achten Tages bleibt doch immer die amengebungx welcher Name hat je mehr verheißen und die erregte Erwartung weniger getäuscht als dieser? . Apostg. 4, 12. (v.Oosterzee.) Der rechte Anfang des neuen Jahres: 1) nicht in unserm eigenen Namen, 2) auch nicht allein in Gottes Namen, s) sondern im Namen desHErrn Jesu. (Stier.) Jesus soll die Loosung sein, da ein neues Jahr erschieuen; Jesu Name soll allein denen zum Paniere dienen, die in seinem Bunde stehn und auf seinem «Wege gehn. (Schmolck.) nehmen, sonst wäre er nicht 39V ohn einer Mutter aus Israel, ; 612 (Evaiigelium am Tage der Darstellung Christi oder der Reinigung Maria) Als kurz nach einander eine Ellien e von Unglücks- fällen hereingebrochen waren (in tysien hatte ein Erdbeben die Hälfte der Stadt Pompejopolis zerstört, es hatte Blut geregnet und eine Pest war ausgebrochen), führte Kaiser Justinian im J. 542 in die orientalische Kirche eine Feier ein, welche ,,das Fest der Begeg- nung« hieß und den Wunsch ausdrücken sollte, es möchte der Heiland, wie dort dem Simeon, so nun den Unglücklichen hilfreich begegnen. Als kirchliches Fest ist der Tag zunächst eine Folge der eingeführten Weihnachtsfeierz denn der 2. Februar, auf den er fällt, ist gerade der vierzigfte Tag nach deni 25. De- zember, und bei der steigenden Verehrung der ,,Gottes- gebärerin« lag es nahe, die Erinnerung an ihre levi- tische Reinigung als den Schlußpunkt der Weihnachts- Nachfeier zu begehen. Eigentlich ist es alo eine Marienfeier (Mariä Reiniguiig); weil dann im Evan- gelium der Held des Tages Simeon ist, heißt es auch Siineonsfest, und weil das dargestellte Kind »ein Licht zu erleuchten die Heiden« genannt wird, so wur- den und werden an diesem Tag zugleich die zum kirchlichen Gebrauch bestimmten Wachskerzen geweihet, die dann angezündet und in Procession herumgetragen werden, daher der Name ,,Lichtmeß«. (Merz.) Jm Papstthiiin hat man dies Fest genannt ,,nnserer lieben Frauen Lichtmeß«, darum daß man auf diesen Tag die Wachslichter geweiht, exorcirt, angezündet und in der Procefsion getragen hat. Solches hat der Papst Sergius genommen von den Römern, auf daß, wie die Heiden in dieser Nacht nmhergegangen sind mit Fackeln und Lichtern und gesucht haben die Proser- pina, also sollen die Christen unserer lieben Frauen zu Ehren alle Jahre auf diesen Tag mit geweiheten brennenden Kerzen in der Procession gehen. Das müssen wir dem Papst lassen, und wer dazu Lust hat; wir aber begehen· diesen Tasg als ein· Fest unsers HCrrn Jesu Christi, welcher ich auf diesen Tag ge- zeigt hat, da er in den Tempel zu Jerusalem getragen und dem HErrn dargestellt worden. (Luther.) 22. Und da die Tage ihrer Reinigung snämlich der der Maria und des Joseph] nach dem Gesetz Piosts kamen [besser: durch Ver- lauf von 7 —k- 33 = 40 Tagen 3- Mof. 12, 2—4 erfüllet waren], brachten sie ihn sum in Betreff seiner als eines Erstgeborenen B. 7 einer weiteren gesetzlichen Beftininiung zu genügen] gen Jerusalem ldas etwa 2 Stunden nördlich von Bethlehem lag], daß sie ihn sim Tempel dort] darstelleteir dem HGrrn sals ihm gehörig 4. Mos. Z, 13 und dann das Lösegeld von 5 Sekeln an die Priefterschaft für ihn entrichteten 4. M. 18, 15 f.], 23. Wie denn geschrieben stehet in dem Gesetz. des »HErrn se. Mos. is, 2; 34, 19]: Allerlet Mannlein sbeide unter den Menschen und dem ViehL das zum ersten die«Mntter bricht, soll dem HGrrii geheiligt heißen; 24. Und daß sie smit Beziehung auf ihre eigene, nun vollendete Reinigung] gaben das sin Z. Mos. 12, 6——8 geforderte] Opfer fund Evangelium Lucä 2, 22——32. zwar in der Weise der Armen, die ein Schaf zum Brandopfer nicht vermögen, sondern dasselbe durch eine Taube erfetzen müssen, so daß sie nun mit dem Sündopfer zusammen zwei Tauben zu bringen haben], nachdem gesagt ist im Gesetz, des HErrn san der eben erwähnten Stelle in P. 8j, ein Paar Turteltauben oder zwo junge Tauben. Die ,,Tage der Reinigung« sind nicht der Tag der Darbringung des Reinigungsopfer selber, wie Luther den Ausdruck so verstanden und deshalb für ,,erfüllet waren« ein ,,kan1en« gesetzt hat; auch neuere Ausleger greifen z. B. bei Auslegung der Stelle: Kap. 21, 24 darin fehl, daß sie für ,,erfüllet werden« ein »herbei- kommen« unterschieden (Hes. 30, 3 Anm.). Aus 3. Mos. 12, 4 geht vielmehr deutlich hervor, daß die Tage der Reinigung, um deren Erfüllung oder Ablauf es sich handelt, die vorher bestimmten 7-i- 33=40 Tage sind; erst jetzt war den Eltern Jesu der Zugang zum Hei- ligthum gestattet, und ihr Hauptgeschäft ist nun nicht sowohl die Darbringung des Reinigungsopsers sdieses kommt nur nebenbei in V. 24 in Vetracht), als die Darstellung des Kindes, auf welche denn au der Evangelist das größere Gewicht legt. ,,Vom ienst an der irdischen Hütte ward Jesus nach der gesetzlichen Form losgekaufh um die größere vollkommnere Hütte zu bauen« (Hebr.9,11). Was die Reinigung betrifft, so bezog sich diese eigentlich nur auf die Mutter; aber Joseph wird mit der Maria in die Zeit ihrer Reini- gung verwickelt, weil er diese Zeit erst abzuwarten hatte, ehe er die ihm obliegende Pflicht der Darstel- lung und Lösung des Kindes erfüllen konnte, und außerdem ist er in seiner eigenthümlichen Lage, da ihm das Kind nicht als sein eigener Sohn, sondern nur als der Sohn seines Weibes angehört, mit dieser wie zu einer einzigen Person verbunden undsolidarisch zu denselben Leistungen mit ihr verpflichtet, wenn er auch nicht unmittelbar an sich selbst sie verrichtet. 25. Und siehe slieber Leser, um dich hier auf die in V. 27 ff. zu erzählende Begegnung vorzubereiten], ein Mensch sauf dessen sonstige Lebensverhältnifse es nicht weiter ankommt] war zu Jerusalem, mit Namen Simeonz und derselbe Mensch war fromm» [Kap. 1 , s; Matth. l, 10] und gottesfurchtig [Apostg.2,5; "8, 25 M, 12]; und wartete sunter der Noth und Entartung seiner Zeit, die er von Kind auf hatte kennen gelernt, vgl; den Zusatz, zu Nr. 7 in den Schlußbem zum 1. Maccabäerbuche] auf den Trost Israel ldaß doch nun bald Der er- scheinen möchte, von welchem in Jes 59, 20 ge- weissagt wird und von dem man dann mit voller Wahrheit würde sagen können: »der wird uns trösten in unserer Mühe und Arbeit auf Erden« 1. Mos. 5, 29], und der heilige Geist war in ihm [wirksam zur Erleuchtung darüber, daß der Zeitangabe der Erscheinung Christi in Dan. 9, 24 ff. gemäß der Tag des Heils wirklich ganz nahe bevorstehe]. 26. Und ihm war sda er auf Grund solcher Erkenntniß an Gott die Bitte richtete, ihn noch so lange im Leben zu belassen, daß er selber· Jesu Darstellung im Tempel und des alten Simeon Lobgesang. den Anbruch der Morgenröthe jenes Tages be- grüßen könne] eine sim Herzen mit zweifellofer Zuversicht empfundenes Antwort worden von dem heiligen Geist [1. Kön 17, 21»Anm. -2], er sollte den Tod nicht sehen, er hatte· denn zuvor swie er sich erbeten hätte] den Christ des HErrn [denjenrgen, welchen der HErr zum Christ oder Messias Jsraels bestimmt nnd gesendet s, 201 gesehen. Maria und Joseph bringen die zwei jun en Tauben, das Opfer der Armen; aber ihr himmlikcher Schatz, der nicht nach irdischem Maß zu messen ist, wird herr- lich offenbar gemacht durch den Adventsmann Simeon, den greifen Propheten, der ein Ohr hat für die Stimme des Geistes, wie wir es nicht verstehen. (Riggenbacl.) Er begrüßt hernach die Eltern Jesu, als wären sie ihm wohl bekannt, als hätte er auf sie Ggewartet Er it das edelste Bild des israelitischen eistes, beson- ders des prophetischen; mit tiefem Leid scheint er über den Verfall seines Volkes zu trauern, so tief, so tra- gifch-schmerzlich, daß er nicht sterben kann, bis er den Messias mit Augen gesehen. (P. Lange.) Man hat vermuthet, Simeon (nach der Schreibweise der Sep- tuaginta: Symeon) könnte der Rabbi dieses Namens, der Sohn des berühmten Hillel, der Vater Gamalieks (Apostg. 5, 34) sein; allein dieser Simeon, welcher im J. 13 v. Chr. Vorsitzender des Hohenrathes wurde, kann nicht wohl der des Lukas sein, welcher zur, Zeit der Geburt Jesu schon ein Greis war; und ebenso unvereinbar ist diese Annahme mit dem religiösen Charakter unsers Simeon, der Namewar ja in Jsrael sehr gewöhnlich. Der Ausdruck ,,gerecht« (Luther: ,,fromm«) ezeichnet die positiven Eigenschaftem ,,gottes- fürchtig« dagegen die Wachsamkeit gegen das Böse. (Godet.) Wie jetzt die wahre Frömmigkeit da ange- troffen wird, wo man sich freut, daß der Heiland ge- kommen, so zeigte sie sich damals nirgends, als wo man wartete auf den Trost Jsraels, Simeon wartete auf diesen Trost; alles Andere hatte für ihn seinen Reiz ver- loren, auch das Schönste und Köstlichste in dieser Welt hatte er längst in seiner Richtigkeit und Eitelkeit er- kannt, nur auf den kommenden Heiland noch war sein gläubiges und sehnsiichtiges Auge gerichtet. (Fr. Arndt.) Gott führt gern Zeugen von Christo auf, die uns nicht nur in den hiftorischem sondern vielmehr in den gött- lichen Glauben einleiten sollen. (Rieger.) Da Simeon auf den Trost Jsraels wartete, so trieb ihn der heil. Geist, in den Weissagungen zu forschen (1. Petri I, 10f.) und einigen Ersatz für den Trost zu suchen, welcher 11och nicht vorhanden war. Aus seinem Lob- gesange sehen wir, daß er sich besonders mit dem Propheten Jesaias, dem Evangelisten des alten Bun- des, beschäftigt haben mag; aus ihm setzte er sich ein Bild von Christo zusammen, und mag die übrigen Propheten, wie Daniel, zu Rathe gezogen haben, um die Zeit zu erforschen, wann Christus kommen sollte. Wenn er nun aus Offenbarung des Geistes erfuhr, daß die Zeit erfüllet war, so hatte er keinen sehn- licheren Wunsch, als mit seinen eigenen Augen Chri- stum noch zu sehen, ehe der dunkle Weg zum Tode ihn durch des Todes Pforten führte; er wird es ge- wagt haben, Gott feine demüthige Bitte mehr als ein Mal vorzutragen, und Gott erhörte das Gebet seines glänbigen Dieners, der von keinem Troste außer Christo wissen wollte. Es kann das zur Zeit der Geburt Christi geschehen sein; von dem Tage an feierte Simeon Freudentage, wenn es auch noch Tage der sehnlichsten Erwartung waren. (Münkel.) 613 27, Und kam [während er sonst wohl nur selten noch das Heiligthum beim gewöhnlichen Morgengebet besuchen konnte] aus Anregen des Geistes sder zugleich seine leiblichen Kräfte stärkte l. Mos. 48, 2., an dem Tage der Darstelluug V. 22, dem 2. Februar des J. 4 v· Chr.] in den Tempel sdem Gottesdienst noch einmal bei- zuwohnen Kap. 1, 10]. Und da die Eltern das Kind Iesnm »in den· Tempel brachten, daß sie für ihn thaten, wie man pfleget nach dem Gesetz sihn darstelleten dem HErrn und das Lösegeld für ihn eutrichteten]; 28. Du nahm er ihn sbeim Hereinbringen ihn sofort für den erkennend, der er war, der Mutter von ihren Armen] auf seine Arme, und lobete Gott nnd sprach: 29. HErr sdu Gebieter auch über Leben und Tod, der du bis hierher mir das Leben aus mein Bitten verlängt], nun lässest du [1nich] deinen Diener sdessen Seele so schwerer Druck wegen der dunkeln Gegenwart belastet hatte und dessen einziger Trost die verheißene Erlösung Israels gewesen, auf die er denn auch Andere hingewiesen] im Frieden sals einen, der für die gespannte Erwartung, womit er so lange aus seinem Wachtposten gestanden und nach dem Auf- gang aus der Höhe ausgeschauet hat, endlich die gehosfte Befriedigung gefunden, ans dieser Welt und ihrem Elend] fahren wie du sin dem Wort V. 26] gesagt hast; 30. Denn meine Augen haben fin dem Kinde, das ich hier auf meinen Armen trage] deinen Heiland [Kap. 3, S] gesehen, 31. Welchen du sum durch ihn das Heil herbeizuführen und dasselbe dann zur Ergreifung hinzustellen] bereitet hast vor allen Völkern sdie ja in diesem Vorhof der Heiden sich zu einer einzigen heilsbedürftigen Menschheit zusammen- schließen Jes. 11, 10; 42, G; 49, S; 60, 3], 32. Ein Licht zu erleuchtet! die fmit Finsterniß nmhüllten Jes. Ab, 7; 60, 2] Heide» szn rechter Erkenntniß des einigen wahren Gottes Ephes. b, 8], und zum Preis soder znr Ver- herrlichung] deines Volkes Jsrael fwelches nunmehr das Ziel seiner heilsgefchichtlichen Be- stimmung für die Welt 1. 9Jios. 22, 18 erreicht] »Die Eltern« werden Maria und Joseph von Lukas ganz unbefangen genannt; eine Mißdeutung dieses Ansdrucks konnte er nach der genauen Darstel- lang, die er selbst über den Hergang der Empfängniß und Geburt des HErrn gegeben hatte, nicht erwarten. Nun Joseph und Maria als Mann und Frau gelten, ist ihre Bezeichnung als Eltern Jesu (vgl. V. 41 u. 48) nahe liegend und natürlich, und ist nicht nothwendig, jede Erwähnung derselben mit einer bestimmten Verwahrung wegen ihres verschiedenen Verhältnisses zu Jesu zu begleiten; wo es nöthig war, geschah es, s.Kap.T-3, (v. Burger.) Derselbe Geist, der dem Simeon die Antwort auf seine Bitte gegeben, leitet ihn auch im 614 Evangelium Lucä 2, 33—-35. rechten Moment zur, Erfüllung der darin geschenkten Verheißung hin. Eine solche Führung durch den Geist, die der Wahl aus menschlicher Berechnung entgegen- steht, findet sich im Leben aller eiligen der Schrift von Abraham bis Paulus; es it der Vorzug der ächten Kinder Gottes, welche die Einfalt im höchsten Sinne des Worts besitzen, daß sie die Stimme der -Wahrheit kennen (Joh. 10,4), und ohne sich zu irren, ihr, zu folgen wissen, ohne deshalb die Anwendung der natürlichen Mittel des Nachdenkens und der Aufmerk- samkeit auf die Umstände zu unterlassen, v l. z. B. Apostg. 16, G. (Olshausen.) An demselben age, an welchem die Eltern Jesu hingingen en Jerusalem zum Tempel, daß sie thäten nach dem Gesetz kam der heil. Geist über Simeon und offenbarte ihm, daß die Zeit seines Wartens ein Ende habe; mache dich auf, sprach er zu ihm, und gehe in den Tempel, daselbst werden deine Augen sehen, was dir Gott verheißen hat. Der Evangelist sagt: ,,er kam aus Anregen des Geistes in den Tempel« Das wird ein Gang gewesen sein, als wenn er in den Himmel ginge, und das Herz wird ihm vor Freude gehüpft haben; Mancher wird auch seine Betrachtung gehabt haben, wie der alte Simeon so rasch daherging und wieder jun ge- worden zu sein schienszEr ging die Stufen des Tem- pels hinauf, er trat m seine Vorhöfe und sahe sich rings um, wo er Den erblicken möchte, der Jsraels Trost und der Welt Licht war: da traten herein Maria und Joseph, arme Leute, welche man auf dem Markt nicht grüßte und im Tempel nicht beachtete. Wer kannte ihre Namen und wer wußte, woher sie gekom- men waren? Jhr demüthiges Angesicht, ihr schüch- terner Gang sagte, daß sie nicht gewohnt waren, vor Andern den ortritt zu haben. Zwar trugen sie auf ihren Armen einen unbezahlbaren Schatz, das Kleinod der Welt, welches man mit allen Königreichen nicht kaufen konnte; sie führten das Kind Jesum mit sich und hätten wohl so hohe Majestäte1i sein können, daß ihnen jedermann aus dem Wege ging. Wer kannte aber das Kindlein? wer sah es ihm an, daß er der Sohn des Höchsten war? Die Augen der Meisten im Tempel werden es nicht des Ansehens werth gehalten haben; es war Ia nur ein Kind, ein ganz kleines Kind von vierzyiä Tagen, das wohl kaum anfing u lallen und der · utter Hilfe bedurfte; es war ein ind wie andere Kinder und nichts an ihm zu sehen, was die , Aufmerksamkeit besonders fesseln konnte. Wer sucht darin den Held aus Juda, den Siegesfürsten aus dem Hause Davids, dessen Herrschaft ist auf seiner Schulter? wer erkennt in ihm den Trost Jsraels? Simeon in- dessen war erfahren genug, um zu wissen, daß Gottes Wege· Wege der Demuth sind und daß Gott seine Herrlichkeit unter geringem· Ansehn versteckt; er war keiner von» denen, welche sich einen Christus in Herr- lichkeit traumten, dazu kannte er die Propheten zu gut und hatte das Licht des heil. Geistes. Er sagt nachher selbst zu Maria: ,,Sieh»e, dieser wird gesetzt zu einem Fall und Auferstehen Vieler in Jsrael und zu einem Zeichen dem widersprochen wird, und es wird ein Schwert durch deine Seele dringen-«; er kannte also recht wohl das Kreuzesreizh Jesu, und ein solcher Mann konnte sich an seiner iedrigkeit nicht ärgern, er mußte es» vielmehr bewundern, daß Gott seinen Sohn und sei»n Reich »so tief heruntergiebt. (Münkel.) Hohenpriester»und·Priester sahen und wußten nichts; aber der Greis Simeon wußte und erkannte, daß die junge Sonne aufgegangen war und daß zu seinem Tempel kHFU der HErn Jhn kiimmerte nun Reinigung 1ind Szosung der· Erst eburt nichts, sondern er sah in dem Kindlein ein Li t, das alle Schatten vertrieb, ein Wesen, das alle Hüllen zerbrach und weit über alle gottesdienstlichen Formen des alten Testaments hinaus- ragte. Da ging er freudenvoll und voll des heil. Geistes den in den Tempel tretenden Eltern entgegen, nahm ihnen das Kind von ihren Armen in seine Arme, sah es, sah in ihm die aufgethane Herrlichkeit des HErrn, lobte Gott und begann seinen Lobgesang, an welchem seitdem die Alten und Sterbenden und Todesnahen, ja die ganze christlicl e Kirche sich nicht satt singen und hören konnten. ie einfach ist dieser Gesang! Zwei Hauptgedanken hat er: ,,nun lässest du deinen Diener in Frieden fahren«, das ist der erste; »denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen«, das ist der zweite. Aber wie einfach groß und hoch.- - bedenkli ist schon der Jiihalt und Zusammenhang der zwei Ge anken ganz im Allgemeinen: man kann in Frieden fahren, wenn man Jesum hat! Allerdings eine sehr bedingte Heimfahrt zur Seligkeit, eine leichte Möglichkeit seligen Todes, aber auch eine leichte Mög- lichkeit des Gegentheils; es kommt alles auf den Besitz Jesu an — ewiger Segen und ewiger Unsegen, ja Fluch kommt über die Mensvzlzeih je nachdem sie ihn haben oder 1iicht. (Löhe). enschen, die gar keinen Glauben, weder an den lebendigen Gott, noch an den Heiland haben, scheuen sich vor dem Tode und vor dem, was nach ihm kommt, und bieten alles auf, was sie vermögen, um ihr Ende hinauszuschieben so lange wie möglich. Jn seiner letzten Krankheit beschwor jener ungläubige Voltaire den Arzt, ihm das Leben zu retten oder es ihm nur noch 6 Monate zu ver- län ern; in welchem Fall er ihm die Hälfte seines gro en Vermögens versprach und hinzusetzte: ,,wo nicht, so fahre ich zum Teufel und nehme Sie mit niir«. Ebenso rief die berühmte Schriftstellerin Frau von Staisjl-Holstein auf ihrem letzten Krankenlager dem Arzte zu: ,,retten Sie mich und ich gebe ihnen mein anzes Vermögen; denn mir grauet vor deni Tode«. ges sing äußerte: ,,ich werde vielleicht in meiner Todesstunde zittern, aber vor meiner Todesstunde zittere ich nicht«; und der Philosoph Platner ver- schied unter der schrecklichsten Furcht vor dem Teufel, den er vom Katheder herab todtgeschlagen zu haben vermeinte. (Fr. Arndt.) ,,Diener des HErrn« nennt sich Simeon; er hatte den besonderen Dienst gehabt, dur seine Predigt i1i dem Häuflein der Gläubigen die cgossnnng auf den Trost Jsraels wach zu erhalten und zu stärken; nun war sein Dienst aus, aber noch einmal, ehe sein Mund sich schloß, sollte er weissagen, Jesum als das Heil und Licht aller Welt verkündigen und auf die Leidensgestalt hinweisen, in welcher der Heiland zu feiner Herrlichkeit eingehen mußte. (Besser.) Æiiangeliuni am Sonntag nach dem Christiage.) Die Perikope trägt den beiden Umständen voll- kommen Rechnung, daß dieser Sonntag der nächste nach Weihnachten ist und daß er zugleich der letzte in dem bürgerlichen Jahre ist. Ein Nachhall von der Weignachtsfreude klingt wohlthuend durch diesen Text: die . irten Bethlehems sind Gott lobend und preisend heimgegangen, Simeon und Hanna treten nun in dem Tempel zu Jerusalem mit ihrem Lobpreis über das Christkind auf. Dieser Lobpreis ist aber ein sehr ernstes Wort, er redet von dem Gerichte, welches dieses unschuldige Ehristkindlein in dieser Welt vollzieht, und kommt damit auf die Gedanken hinaus, welche zum Jahresschluß des Christen Herz bewegen. Zu beklagen ist es; daß die Perikope nicht mit V. 25 anhebt; Simeon würde dann zu der Hanna ein noch voll- kommneres Gegenbild sein. Da die evangelische Kirche fast durchgängig den Tag der Reinigung Mariä hat Simeon Verkündigt von dem Leiden des Messias 615 fallen lassen, so thäte sie ganz wohl,·wenn sie die Tszkrzkohie etwas weiter iiach vorn hin ausbaute e e. 33. Und sein Vater und Mutter [vgl. diesAFim. zu V. 27] wanderten sich Deß, das von ihm sin dem Lobgesange V. 29—32] ge- sagt ward. Wir begreifen, daß Joseph und Maria überrascht waren, im Tempel so unerwartet und ohne Verab- redung das Zeugnis; des Geistes auch wieder aus dem M""dT«T’Fs2-Irf3’FZHTTIHLIßIYTPFiE"sk.it"åzusåskår"esx wen; , noch kein Ausspruch so hell und klarwie dieser des Kindes Bestimmung für alle Völker, ausdrücklich auch für die Heiden, verkündet hatte. Was aber Simeon dann folgen läßt, damit der heiligen Freude die heilige Danipfung nicht fehle, damit der Segen, womit er sie segnete, it; sfeinesiidi volliåiisEsiiEst erkannts werde, das zeigt uns ie en ieiier e rrn in einer ganzen Bedeutung besonders wenn wir ihn etwa mit Zacha- rias vergle,ichen. FDer sroiigmekPiåieåter hatte siåiznelhi Gott von ganzem gerzen ge unt, a er einem o e Israel habe die Errettung aus der Hand aller Feinde anbreöhelii lasseiås aufftdaßCiziutix dasspriesterlilche Wterk des ei igen ien es o es einen unge einm en Fortgang nehme (Kap. 1, 68—75). Die Feinde, die das Volk Gottes hassen, und Israel, das Volk des HErrn, stehen für Fhn eiiågincher gxgensbes bSgiigon aber hat einen tie eren li in ie er er ni es jiidischeii Volks und seiner Oberen gethan; er sieht den Zwiespalt dgohden tgfchltk zwisschegi den Heådifiä drau en un em o «; rae on ern inner a Jsraels zwischen denen, die an«diesein Eckstein zum tödtlichen Fall kommen, und denen, die an ihm aus dem Tod auferstehen werden. Simeoii ist der Erste, der jenes Wort des Propheten (Jes. 8, I4 f.) nnd des Psalnis (118, 22) auf Jesum anwendet, jenes Wort von dem göttlichen Stein, welchen die Bauleute ver- werfen und welcher von Gott zum Eckstein gemacht wird; Siineon ist es, welcher darum das Kind pro- phetis chHnoeånntoeim Zeischen, dlewßhwifderspråchzi wiåcd Ja, der rr Je us it ein ei atiges ei en er gsöttlichen Gnade und des Gerichts, und daß ihm wider- fprochen wird, macht die Bedeutung dieses Zeichens so wenig zu nichte, daß vielmehr dieses Widerspreiheii gegän dge Wahrchegt niåg Fa? Sxgel htuf die hlssahr ei; drü t« enn an) as i er pre en i gewei agt un erfiillti die Weissagung, der es widerspricht Aber freilich der Seher sieht voraus, wie weit das Wider- sprechen, »diese Versundigung des »Mund»es, fuhren werde; wie schrecklich von der Thatsunde die Seele der Mutter werde durchbohrt werden. Wenn aber daran Vieler Herzen Gedanken offenbar werden, so erweist sich derHeiland auch als Richter der ållienschem und die an ihm nicht aufstehen wollten, mussen an ihm zum Falle» kommen. So streng und ernst gestaltet si·ch der Ausblick, den uns der Seher aufschließt. Er ist ein andererszEharaktey als Zacharias; denn das» ist xa die» erstaunliche Zartheit und Scharfe der evangelischen Zeichnunkh daß sze den Personen, weåche died eine Hauptper on 1imge en zwar nnr iiienige üge wi met, diese wenigen Züge aber so rein und sicher zieht» daß jede die er Personen iii unverkennbarer hoher Eigen- thüibnxåj )keit ein für alle Mal vor uns steht. (Rig- gen . 34. Und Simeon svon dem Kinde, das er jetzt »den Eltern zuriickgab, sich nun an diese wen- dend] segnete sie sals der von Gott ihnen ver- ordnete außerordentliche Priester, der in das Ge- heimniß ihres eigenthiimlichen Berufs eingeweihet war 1. Mos. 14, 17 ff.; 47, 7., während der ordentliche Priester, der hernach das Reinigungs- opfer und das Lösegeld für den Erstgeborenen in Empfang nahm, nichts von allem wußte, um was es sich hierhandelte, sondern nur in gewöhnlicher Weise niit ihnen uiiigiiigL Und sprach zu Maria, seiner Mutter [in prophetischer Erkenntniß so- wohl ihres näheren Verhältnisses zu dein Kinde Kap. 1, 41 ff., als auch ihres persönlichen Er- lebens dessen, was die Zukunft bringen wiirde]: Siehe, dieser sden du datnun wiederanf deinen Armen trägst] wird gesetzt fliegt nach göttlicheni Rathfchluß in Erfüllung der Weifsagung: Jes. 8, 14 s. u. 28, 16 da als ein Stein des Anstoßeiis, aber auch als ein Fels des Heils] zu einen: Fall seiner-J und seinem] Anferstehen [andrer- seits] Vieler in Israel [1. Petri 2, 6 ff.; Röm. 9, 32 f., vgl. 1. Cor. I, 23 f.; 2. C. 2, 15 f.], und swas in Verbindung mit dieser Bestimmung für Andere seine eigene persönliche Erfahrung betrifft, so ist er da gesetzt] zu einein Zeichen, dem widersprochen wird finden« gleichwie in ihm die ganze Macht des Zeugnisses göttlicher Wahrheit und Heiligkeit gegen Mensch- liche Thorheit und Sünde sich concentrirt, so nun auch der ganze Widerspruch der Welt gegen dieses Zeugniß sich folgerichtig gegen ihn concentriren muß Jes. 65, 2]; 35. Und es wird sauch dir, wenn nun der Widerspruch sich anf’s Höchste steigert nnd zum tödtenden Schwert für ihn selber gestaltet] ein sdie bittersten Schmerzen verursachendes] Schwert durch deine Seele dringen swie in V. 34 ge- sagt worden, alles aber ist weislich von Gott gerade zu solcher scheidenden und entscheidenden Zukunft bei diesem Kinde angelegt], auf daß [woraiif für den göttlichen Heilsplan so viel ankommt] vieler Herzen Gedanken offenbar werden seine klare Scheidnng unter den Menschen, wie es eigentlich um sie steht, eintrete nnd Vielen, die nichts als Heuchler sind, der gottselige Schein genommen werde] Simeon hat diese beiden, Mariam und Joseph, gebenedeit, d. i. er hat ihnen Giites gewünscht und sie selig gepriesen. Das muß aiich noch also bleiben, daß unser HErr-Gott also tröstet, die da sollen zu- nichte werden, mit denen es wunderlich soll zugehen; es bedarf’s wohl, daß er sie stärke, auf das; sie nicht verzagen. Warum sagt denn Simeon, was weiter folgt, zu Maria, der Mutter, nicht auch zum Vater? Er greift hier die Natur an, nennt die natürliche Mutter; darum hat es der Mutter auch allein recht natürlich weh gethan, was an ihrem natürlichen Kinde ihr begegnetist. Auch ist es viellei t darum geschehen, weil Joseph die Zeit des Leidens hristi nicht erlebte, wodurch zu allem Leiden noch der Ziisatz kam, daß sie wie eine arme Wittwe leiden mußte. Damit zeigt er 616 Evangelium Lucä 2, 36——4(). an und verdeutscht ihr selber seinen Segen, wie er es meine, nämsich daß es ein Segen sei vor Gott, nicht vor der Welt. fLutherJ Nach em er vorhin (B.31f.) die universale Bedeutung des Christ des HErrn be- kannt hat, bleibt er nunmehr bei dem Nächsten stehen; er steht im Tempel, dem Heiligthuni des Volkes Js- rael, und da ht ihm das Verhältniß zwischen dem Heiland und diesem Volk am lebhaftesten vor den Augen. Dieser Christus ist gesetzt zum Fall und Auferstehen Vieler in Jsrael. Simeon sieht das Volk dem HErrn gegenübernicht als ges lo sene Einheit handeln, sondern schaut im Geiste, da Viele über den HErrn fallen, andrerseits aber auch Viele an dem HErrn sich aufrichten würden. Ferner ist Christus gesetzt zum Zeichen, dem widersprochen wird. Er ht als ein Wunder da in der Weltgeschichte, in der Menschheit; aber gerade dieser energische Wille Gottes, daß Allen in seinem Sohne geholfen werde, fördert die Energie des verkehrten Menschenwillens zu Tage, gerade wie die Energie des Gesetzes sich an der Energie wieder erkennen läßt, welche die schlummernde Sünde aus ihm empfängt, Rönn 7, 7 ff. (Nebe.) Zum Fall nnd Au erstehen Vieler in Israel liegt Christus da und ist gesetzt vor dem Angesicht des inenschlichen Geschlechts; er liegt, offenbar, merkbar, hoch, breit und groß, ein Fels Gottes, dem niemand ausweichen kann. Es wird in der Macht keines Menschen sein, vor ihm das Auge zu schließen, ohne irgend einen Eindruck von ihm empfangen zu haben, ü er ihn ur- theilslos zu bleiben, an ihm voriiberzugehem ohne eine Aenderung zum Heil oder zum Verderben zu er- fahren. Wie der Magnet das Eisen an sich zieht, so zieht er die Seelen der Menschen nnwiderstehlich an; vor ihm macht jeder Halt, an ihm entscheidet sich’s für jeden. Die Menschheit ist wie ein Strom, welche sich an Christo, dem Felsen, brechen und zweitheilig weiter strömen muß; er ist ein Scheideberg und Mit- telpunkt in der Geschichte der Welt und ihrer Völker, von dem das ewige Loos und Ergehen aller und jeder aus eht; an ihm fallen die Einen, um nimmer wieder auszustehem und die Andern stehen an ihm auf, um nicht wieder in Noth und Tod dahinzufallen. Zwar ist in Adam das ganze menschliche Geschlecht gefallen, aber die Folgen dieses Falles sind nicht un- abwendbar, nicht unheilbar: Christus ist gesetzt, damit man sich von diesem Falle in Vergebung und Frieden Gottes erhebe. Wer aber an Christo selber fällt, statt an ihm aufzustehen, wer, statt seine heilsame Wirkung anzunehmen, an ihm sich ärgert, stößt und fällt, der hat einen Fall gethan, von dem ihm niemand aufhilft. Was ist nun das für ein gewaltiger, ernster, gnaden- reicher, heiliger, einziger Beruf, allen Menschen zu einer ewigen Entscheidung gesetzt zu sein! Wie ver- schwindet gegen ihn jeder andere, und wie klein ist gegen den Menschen Jesus Christus jeder andere Menfch! Freilich, ein Mann dieser Art kann nur das verschiedenste Benehmen der ållienschen erfahren. Es giebt Menschen, welche bei Andern weder viel Liebe, no viel Haß ernten; andere dagegen erfahren starken Ha und starke Liebe; je größer der Mann, je kennt- licher sein Ziel, je völliger sein Streben 1iach dem- selben ist, desto mehr gehört er zu den Menschen der zweitgenannten Art. Auch Christus, Christus vor An- dern und vor Allen gehört dazu: wie sollte es auch anders sein können? An ihm bricht si der Strom der Menschheit u ewigem Wohl und ehe, darum auch zu ewiger iebe und ewi« em Vermeiden; an ihm steht oder fällt ein jeder —— so muß ein jeder Christ Feind oder Freund sein! Die tiefsten Kräfte aller Seelen gehn aufgeregt empor, wenn Christus nahe kommt; an ihm werden der Herzen Gedanken offenbar und er ist, so gewiß er ein Fels der Entscheidung ist, auch ein Zeichen, dem widersprocheii wird. Seine Freunde loben und preisen ihn in aller Welt; sie sind aber auch ,,eine Sekte, der in aller Welt widersprochen wird« (Apostg. 28, 22). Es ist ein Geschrei vonihm — für ihn, wider ihn — seit 1800 Jahren, das seine Freunde nicht ertragen würden, wenn sie nicht wüßten, daß aus diesen tobenden Chaos die heilige Schaar derjenigen siegreich hervorgehen wird, die mit harmo- nischem Lobgesang ihn ewig feiern sollen als den Fels des Heils. (Löhe.) Daß über Christum sich Zwiespalt in der Welt erhebt, daß sich die Geister scheiden für und wider und Stimmen der Anbetung und der Läste- rung durch einander klingen, darf uns nicht irre machen an ihm: ein Christus, mit dem die Welt als Welt sich vertragen könnte, ein Christus, an den sich niemand stieße, würde nicht der rechte Chrit des Vaters sein und niemand würde an ihm aufer tehen können zum Leben. (Roffhack.) Jst der HErr Christus der Hei- land, so müssen die verborgensten Tiefen des Herzens sich vor ihm erschließen, weil sonst sein Heil nicht Raum gewinnen kann in dem tiefsten Grunde; ebenso könnte er aber auch nicht der von Gott verordnete Richter der Menschheit sein, wenn seine Erscheinung nicht den Menschen bis in die innersten Tiefen be- wegte und erschütterte, denn das Gericht ist dann nur wahrhaft absolut, wenn auch das Letzte an das Licht gezogen ist. (Nebe.) Simeon will der Maria an- zeigen: Der Widerspruch, der sich wider das Kind erhebt, wird so gewaltig fein, daß dir selbst davon das Herz durchbohrt wird; diese Feindseligkeit gegen ihn aber, welche dir so peinliche Schmerzen verursachen wird, wird die gegen Gott feindseligen Gedanken, welche bei dem Volke mit dem Schleier des Pharisäis- mus verhüllt sind, an’s helle Tageslicht bringen, denn das Wort ,,Gedank»en« steht hier, wie gewöhnlich, in ungünstigem Sinne und bezei net das unruhige Schasfen des Verstandes im ienste eines bösen Herzens. Aus dieser Rede Simeons läßt sich ein tiefer, verschlossener Unwille heransfühlen; man spürt es ihm an, daß er von dem sittliiiåen Zustand des Volks und seiner Oberen mehr wei , als er sa en will. Er hat unter dem äußeren Scheiii der jüdis en Frömmigkeit das Trachten nach Menschenruhm, die Heuchelei, den Geiz, den Haß gegen Gott erkannt; er erkennt auch in dem Kinde denjenigen, welcher Anlaß wird, daß all dieses in den Herzen verschlofsene Gift sich ausgießt (Godet.) · 36. Und es war sbei Gelegenheit der Darstellung ebenfalls da] eine Prophetin [mit prophetischem Geist begabte Frau T. Kön 22,13 Anm., der es. von Gott verliehen ward, von Christo gewisse Hoffnung zu haben und nament- lich auch die Zeit seiner Ankunft zu erkennen, und die nun auch Andere in der Erwartung sei- nes baldigen Erscheinens stärkte V. 38], Hanna [mit Namen 1. Sam. 1, 2], eine Tochter Phanueks sder noch längere Zeit nach seinem Abscheiden bei den Frommen in Israel in gutem Andenken geblieben], vom Geschlecht soder Stamme] Afer [1.Mos.49,20; 5. M. 33, 24], die war wohl lsetaget [gleichw1eSimeon], Und hatte [in ihrer ersten und einzigen Ehe] gelebt sieben Jahr mit ihrem Manne, nach ihrer Jungfraufchaft lderen Dauer, von ihrer Geburt Auch die betagte Prophetin Hanna predigt von dem Jesuskinde. 617 an gerechnet, etwa die Zeit von 16 Jahren um- saßte]. · 37. Und war nun snn J. 88 v. Chr. unter dem Hasmonäer Alexander Jannäus ge- boren: Schlußbem. zum l. Maccabäerb Nr. S] eine Wittwe bei vier und achtzig Jahren, die kam [weil sie sich als der äußeren Welt ab- gestorben und einzig noch dem Dienste des HErrn geweiht betrachtete, zumal sie ja keine Kinder hatte] nimmer vom Tempel [3. Mos. 27, 29 u. Richt. II, 31 Anm.], dienete Gott mit Fasten und Beten Tag und Nacht sund weihete so sich selber zur Leibeigenschaft des Heiligthums, wie einst Samueks Mutter, deren Namen sie führte, mit ihrem Sohne das gethan I. Sam. I, 11 u. 22 ff.]. 38. Dieselbige [im prophetischen Geiste er- kennend, daß das jetzt in den Tempel gebrachte Kind der sehnlich erwartete Heiland sei] trat auch hinzu zu derselbigen Stunde swo das in V. 25——35 Erzählte sich ereignete], Und preisegte [Simeon’s Lobgesang als ein Gegenchor Esra 3, 11 aufnehmend] den HErrn lfür die Gabe dieses Kindes] und redete [darauf] von ihm sals dem nun wirklich erschienenen Messias] zu allen, die auf die Erlösung sJsraelss zu Jerusalem warteten sdenn da sie dieselben längst kannte und jetzt eben Morgengottesdienst im Tempel stattfand, waren sie leicht herbei- zurufen] Die alten Ausleger weisen darauf hin, wie sinnig die Evangelisten den Universalismus des Christenthums darstellen: Juden und Heiden, die Hirten und die Weisen; hier Mann und Weib, Simeon und Hanna. (Nebe.) Sie, die bei 84 Jahren —- und was waren das für Jahre der Zerrüttung Jsraels gewesen! —- kaum mehr in der Welt lebte und kaum mehr anders als mit ihrem Gott redete, sie wird wieder jung im Geist und redet von dem Kind zu allen, die in Jeru- salem auf die Erlösung warteten. Wie viele waren es, von denen solches in Wahrheit galt? vermuthlich ein sehr bescheidenes Häuflein; aber hier i]t die Zahl nicht die Hauptsache (Riggenbach.) Je us, das Heil des hohen Alters; er wandelt durch sein Erscheinen 1) des Alters natürliche Unzusriedenheit in lauten Lobgesang, 2) seine Todesfurcht in Sehnsucht nach Erlösung und s) seine unvollkommene irdische Er- kenntniß in die vollkommenste Erkenntniß des Heils und in die Gewißheit der ewigen Seligkeit um. (Fr. Arndt.) 39. Und da sie sdie Eltern Jesu] es alles vollendet hatten nach dem Gesetz swas seit der Geburt des Kindes zu thun war, zuerst es befchnitten V. 21 und nun im Tempel es dar- gestellt hatten V. 22 ff.], kehrten sie [um hier die mit der Gesetzes-Erfüllung in keinem Bezug stehende Begebenheit: Matth.2, 1——23 zu über- gehen und so den Schluß der Gebnrts- und Kindheitsgeschichte Jesu besser mit ihrem Anfang zu verbinden, der es mit einer Unterwerfung unter die weltliche Obrigkeit zu thun hatte V. l —5] wieder in Galiläam zu ihrer Stadt Nazareth-« 40. Aber das Kind snachdem es so an dem Orte angelangt, der eben so gut, wie Beth- lehem für seine Geburt Micha b, 1., durch die prophetische Weissagung längst schon für seine Jugend ausersehen war Matth. 2, 23 Anm.] wuchs smit dem zunehmenden Alter dem Leibe nach] und ward sebenfo in stufenmäßigem Fort- schritt dem Geiste nach mehr und mehr] stark im Geist, swie das in Kap. 1, 80 auch von dem Johannes-Kinde gesagt werden konnte; dieses Kind aber hier entfaltete gleichwohl sein Stark- werden dem künftigen Berufe gemäß noch nach einer andern Seite hin, als jenes, indem es nämlich besonders] voller Weisheit« [ward], Und Gottes Gnade war [darin] bei ihm» V) Es ist eine durchgehende Eigenthiimlichkeit des Lukas (vgl. Kap. l, B; Z, 22»——24; 23, 56), daß er überall den pünktlichen Gehorsam gegen das Gesek bei den handelnden Personen hervorhebt. Man ühlt denn auch bei unserm Verse, daß derselbe viel mehr religiöse als chronolo ische Bedeutung hat: ,,erstnach- dem sie in jeder Bezie ung den gesetzlichen Vorschriften enügt hatten, kehrten sie nach Nazareth zurück« sgGodeth Noch einmal hebt der Evangelist hervor, daß der HErr Jesus unter das Gesetz gethan worden. Zwischen dem Tempel und ihrer Stadt Nazareth lag aber für Joseph Und Maria und das Jesuskind ein weiter und saurer Weg. Zuerst gingen sie nochmals nach Bethlehem und empfingen da den Besuch der Weisen, die das Kindlein durch Geschenke ehrten; dann flohen sie vor Herodes nach Eghpten und alle Hoff- nung aus ihn schien zu nichte gemacht, gleichwie einst die Hoffnung der Väter dur die Schmas des Volkes in Egypteiu Aber Herodes tarb, und ott rief aus Egypten seinen Sohn, wie vorzeiten sein Volk, und führte ihn in’s Land Jsrael, wo er dann in Nazareth wohnte. (Besfer.) Das göttliche Decorum erheischte, daß dem neugeborenen Messias gehuldigt würde erst von der Elite der jüdischen, dann von en Repräsen- tanten der heidnischen Welt; schon deshalb mußten die Weisen aus Morgenland erst nach Simeon und Hanna (nicht, wie mancheAusleger annehmen, vorher) erscheinen. Und wenn ihr Gold jetzt schon in Joseph’s und Maria? Hände gekommen wäre, würden diese wohl bei der Reinigung im Tempel das Opfer der Armuth gebracht haben? (v. Osterzee.) H) Der Geist ist inihm gewesen von Anfang sei- ner Empfängn1ß; dennoch, gleichwie sein Leib wuchs und seine Vernunft zunahm natürlicher Weise, also senkte sich auch immer mehr und mehr der Geist in ihn und bewegte ihn je länger je mehr, daß er wahr- hastig» je älter desto grtißer«, und je grdßer desto ver- nünftiger, und je vernünftiger desto starker im Geist und voller Weisheit geworden ist vor Gott und in ihm selber und vor den Menschen. (Luther.) Jesus war ein Knabe, gerade wie andere Knaben sind, bis auf Eines, daß er ohne Sünde war. Er mußte ler- nen, wie wir lernen müssen, er wußte nicht alles zum Voraus; er erwachte nach und nach zum Bewußtsein, er lernte nach und nach einige Worte aussprechen, so- dann reden, lesen u. f· w. Freilich lagen in ihm ver- borgen alle Schätze der Weisheit und Erkenntniß (Col. i lung, daß er jede 618 Evangelium Lucä 2, 4t——45. 2, 3), er hatte sie aus seines Vaters Schooße mitge- bracht (Joh. l, -18); aber er hatte« sie eben Vor sich und Andern verborgen, sie lagen in «ihm ähnlich, wie die Taufgnade und die Gaben des Geistes im zarten Herzen der neugebornen Kindlein ruhen. (Besser.) Das Auge, welches Himmel und Erde mit den Strahlen seines Blickes umfaßt, entäußert sich nicht der Seh- kraft, wenn es sich in’s Dunkel begiebt und das Au en- lid schließt, sondern nur ihrer weitherrschendeu irk- samkeit: so senktder Sohn Gottes auf Erden sein all- umfassendes Auge und begiebt sich in’s menschliche Dunkel und öffnet darin als ein Menschenkind sein Auge als das allmälig aufgehende Licht der Menschen- welt, bis er es zur Rechten des Vaters leuchten läßt in völliger Herrlichkeit (Sartorius.) Eben das ist die Jdee des Mesgas in seiner 1nenschlichen Entwicke- ebensstufe rein und ungetrübt dar- stellt, aber so, daß er nie den Charakter der Lebens- stufe selbst vernichtet; er war ganz Kind, ganz Jüng- ling, ganz Mann, nie aber trat in ihm etwas Un e- höriges heraus, was der Fall gewesen sein wür e, wenn im kindlicheii Alter Aeußerungen einer reiferen Lebensst1ife sich kund gegeben hätten» (Olshausen.) Das ,,ward stark im Geist« ist genauer bestimmt durch die Worte: ,,sich erfülleud mit Weisheit« Diese Weisheit, welche bei der Entwickelung des Kindes der hervortretendste Zug war ( bei dem Täufer die K.raft), begreift in sich einerseits die Erkenntniß Gottes, an- drerseits die durchdringende Erkenntniß der Menschen und der Dinge unter dem Gesichtspunkt des göttlichen Gedankens. Das Bild: ,,sich erfüllend« scheint von einem Gefäß hergenommen zu sein, welches, indem es größer wird, sich fiillt, und indem es sich füllt, sich immer mehr ausdehnt, um immer noch mehr in sich aufzunehmen. Man sieht, daß Lukas die Entwickelung, folglich die Menschheit Jesu ernstlich. auffaßt; es» war das normale Wachsthnm des Menschen im Phhsischen und im Geistlichen, welches zum ersten Mal ungetrübt vor sich ging; daher ruhte auch das göttliche Wohl- efallen auf dem Kinde, in welchem die schöpferische dee sich verwirkli te. Die ,,Gnade« hier steht im Gegensatz mit ,,Han « in Kap. 1, 66, und das ,,bei ihm« bezeichnet (nach dem Wortlaut im Grundtext) die Kraftwirkung, mit welcher die göttliche Gnade auf dem Kinde ruhte und es ganz durchdrang, während das »Mit ihm« in Kost. 1, 66 die bloße Mitwirkung ausdrückt. (Godet.) VII. v. 41—52. (§. 14.) nun) zkikiikiigkiegteiu zwiiistku Eeliciisjalsre wird Jesus das erste Mal von deii Eltern mit nach Jerusalem aiif das Osterfest genommen; dort bleibt er nach Schluß des Festes iii einer Sisnagoge des Tempels zurück, um noch länger in dem Hause seines Vaters zu weilen und von den Lehren: zii lernen, ohne daß Mater nnd itliitter sein Zurückbleiben bemerken; vielmehr reisen diese aiictj ohne ihn ab, weil sie vor- aussehen, er habe sich bereits einein andern stlilgcrzuge site die Heimreise angeschlossen. Sie sehen in ihrer Er— wartung sich getiiiisrtzh als nach tseendigniig der ersten Tagereise sich die zu ihrer zfestraravane gehörigen ein— zelnen Züge zum gcineinsainen Uaihtlager zusammen— finden, eilen wieder nach Jerusalem zuriicti und finden am dritten Tage nach ihrer neulicheii Abreise den Knaben mitten unter den Eelsrern sitzend, ihnen znhiieend und sie fragend, nnd wie durch eigene Fragen so durch Antwort aus ihuc vorgelegle Fragen alle Anwesenden wegen seines Verstandes in tlerwiinderiing sehend. Es ist ihnen das ein so uuermarteler Anblick, daß sie sich darüber entstehen; ja, Maria, nur an ihre Schmerzen während des Lachens gedenkend, erhebt einen Vorwurf gegen den Sohn, dessen Thau nnd Wesen ihr auf eininal fremd ge- worden, nnd als dieser sich erklärt, versteht sie ihn sticht, doch behält sie sein Wort in ihrem Herzen. Die weitere Geschichte und weitere Entwickelung des Kindes bis zum reifen Mannesalter faßt-der Evangelist in einige tiurze Sätze znsamuienz sie enthalten aber genug, um uns deii- jenigeii Aufschluß zu geben, dessen wir zu unserer Selig— lieit bedürfen. Æoiiugcsliiiin an: l. Sonntag nach Guts-Hotaru) Es ist dies das Schlußevongelium aus Jesu Kind- heit; zugleich aber ist es die Brücke zwischen seiner Kindheit und seinem öffentlichen Auftreten als Erlöser Jsraels und der ganzeuWelh ja, die einzige evange- lische Mittheilung, welche die große Pause zwischen dem ersten und dem dreißigsten Jahre Jesu einiger- maßen ausfällt. (Fr.Arndt.) Man hat wohl gefragt, warum eine heil. Weihnacht über der ganzen Jugend- zeit des HErrn liege? Die Antwort lautet einfach: weil uns nähere Nachrichten-darüber nichtzur Seelen Seligkeit dienen würden, sondern einzig und allein die Wißbegier, wenn nicht gar die Neugier befriedigten und weil diese einzige Geschichte über die ganze Ent- wickelung des HErrn das hellste Licht verbreitet. (Nebe.) Die eine Geschichte verbreitet einen Lichtschein, der die ganze Nacht durchdringt und auf der einen Seite bis zu der Geburtsstätte Christi fortglänzh auf der andern bis zur Taufe im Jordan. (P. Lange.) Die Epi- phanienzeit stellt Christum dar als den wahrhaftigen göttlichen Propheten, mächtig durch Lehre, Zeichen und Wunder erwiesen. Das Evangelium am 1. Sonn- tag nun zeigt uns den zwölfjährigen Jesus im Tempel; er deutet ahnungsvoll zum ersten Mal sein höheres Wesen an, es ist das erste Aufleuchten des Lichtes der Welt, das erste prophetisch e Wort des HErrn. (Dief- fenbachys Es ist die Zeit der ersten Morgenröthq die dem großen Werktage vorangeht; es währt noch eine Zeit lang, ehe die Sonne selbst in ihrem vollen Glanze strahlt, ehe der Tag hell und rein angebrochen ist, aber er kündigt sich doch schon an. Es ist das erste Auflodern des Weltenliclts, welches Christus ist, das erste Sichre en der Gnadenfülle die in ihm wohnt, das erste urchbrechen seiner göttlichen Herrli keit. Man kann sagen: Christus ist hier sein ei ener ro- phetz der werdende Christus ist der Prop et für den gewordenen Christus. (Brückner.) 41. Und seine Eltern gingen swähreiid der folgenden Jahre von 3 v. Chr.—7 n. Chr.] alle Iahregeu Jerusalem auf das Osterfeft sso schwer es ihnen da auch wurde, sich für die Zeit von etwa 2 Wochen von dem ihrer Pflege anvertraueten Kinde los-zureißen und es andern Händen anzuvertraiieiy doch wurde ihnen dies einigermaßen dadurch erleichtert, daß Josephs Bruder, Kleophas, frühzeitig starb und dessen Wittwe mit ihren Kindern von Cana nach Na- zareth zu ihrem Schwager übersiedelte, wo denn jene Maria, die in Joh. I9, 25 eine Schwester der Mutter Jesu heißt, die einstweilige Fürsorge übernahm Matth. 2, 23 Anm.]. Nur den Männern schrieb das Gesetz den Festbe- such vor (2. Mos. 23, 14—17); Maria aber ließ den Jo eph an dem größten Fest nicht allein pilgera Was Hilleks Schule gebot, was aber nie Gefetzeskraft er- langte, that Maria aus freien Stücken, sie ging all- Die Eltern Jesu besuchen mit dem 12jährigen Sohne das Osterfest. 619 jährlich mit auf das Ofterfest (1. Sam. 1, 3ff.). Die Eltern Jesu wandelten also in den Wegen des Ge- setzes; sie gingen dem Kinde mit leuchtendem Vorbild voran und wollten es nicht, wie es xetzt so geschieht, mit; Worten, sondern mit dem Werk erziehen. (å)" ebe.) Was hiilfe es einem Kinde, wenn es in der besten Schule beim besten Lehrer alles Gute lernt, und zu Hause sieht es das Böse, sieht Unordnung und Müs- siggang, sieht Lügen und Beträgen, hört Fluchen und sanken? wem wird es da folgen, dem Lehrer, den es täglich ein paar Stunden hört, oder den Eltern, die es vor Augen hat vom Morgen bis « zum Abend? Oder wird das Kind eine Liebe zum Gotteshaus ge- minnen, wenn es den Vater nie darin sieht? wird der Same des göttlichen Worts, der im Confirmandew unterricht ausgestreut wird in sein Herz, haften und gedeihen, wenn daheim nur Gleichgiltigkeit gegen das Heilige wie ein kalter Frost darüber geht oder gar spöttische Reden fallen, die wie lose Vögel den guten Samen wieder wegnehmen vom Herzen? Was soll man zu einem Vater sagen, der zwar seinen Knaben nie in die Kirche, aber so bald als möglich in’s Wirthshaus mitnimmt? und was soll man einer Mutter prophezeien, die das Gift der Eitelkeit, der , Gefallsucht, der Vergnügungslust und vielleicht noch fchlimmerer Laster durcgihr eigenes Beispiel einimpft in ihrer Tochter Herz? ergesset’s nicht, lieben Eltern: ,,wehe dem Menschen, durch welchen Aergerniß kommt!« glaubet’s, ihr könnet Euch furchtbar für Zeit und Ewigkeit an euren Kindern versündigen durch böses Exempel; ihr könnt ihnen aber auch einen Segen mit- geben für ihr ganzes Leben, einen Segen, der köstlicher ist als Geld und Gut, einen Segen, dessen sie sich noch freuen, wenn ihr längst im Grabe ruht, einen Segen, für den sie euch in er Ewigkeit vor Gottes Throne noch danken, durch ein gutes Beispiel der Gottesfurcht und Frömmigkeit. »Habt ihr sie lieb mit treuem Sinn, so führet sie zu Jesu hin; wer dies nicht thut ist ihnen feind, wie groß auch seine Liebe scheint.« (Gerok.) , 42. Und da er [zu Ostern des J. 8 n. Ehr] zwölf Jahr alt war sin welchem Alter die Knaben nun ,,Kinder der Thora oder des Gesetzes« hießen, weilida ihre Unterweisung in demselben und ihre Gewöhnung zur Abwartung des Gottesdienstes und zur Uebung des Fastens u. dgl. begann] gingen sie sjetzt nicht mehr ohne, sondern mit ihm] hinauf gen Jerusa- lem, nach Gewohnheit des Festes sdas alle Mannspersonen dahin entbot 2. Mos. 34, 23; 5. M. je, 16]. 43. Und da die Tage svom 14.——21.Nisan, während welcher das Fest dauerte L. M. 12, 14—20] vollendet waren, und sie sam 22. dieses» Monats] wieder zu Hause gingen, blieb das Kind Jesus ldem die Tage des Festes zu Tagen heiliger Wonne geworden und das nun von dem Heiligthum und dem, was dort gehandelt und gelehret wurde, dergestalt sich gefesselt fühlte, daß es das Ende der Festzeit nicht merkte und an die Heimreise nicht dachte] n Jerusalem snoch ferner der heiligen und seligen Beschäftigung, womit es bisher die Zeit hingebracht V.46 obliegend], nnd seine Eltern - seine Umgebuns wußten? nicht ldaß der Knabe noch in Jeru- salem war]. 44. Sie meinten aber, er wäre unter] den Gefährten swelche den nach Nazareth und den übrigen Ortschaften ihres Hennathsbezirks zurückkehrenden Reisezug bildeteu, nur in einer andern Abtheilung oder Truppe], nnd kamen eine Tagereise lohne sich weiter um ihn» zu sorgen] nnd suchten ihn sals es am Abend zur gemeinsamen Nachtlagerung des ganzen Reisezugs unter freiem Himmel kam] unter den Ge- freundtett Verwandten] und Bekannten [m der gewissen Erwartung, ihn da zu finden] 45. Und da sie ihn nicht fanden, gingen sie lam andern Tage]xwtedernm gen Jerusalem, und suchten ihn lunter incmer höher steigender Angst und Sorge, da auch unterwegs ihnen nirgends eine Spur seines Verbleibens entgegentrat] » In den, den Vorhof der Heiden gegen den des Volkes Israel abgrenzenden Baulichkeiten des Tem- pels befanden sich, wie wir zu Matth. 4, 7 angedeutet haben (s. die Hallen unter« Nr. 8 auf deu Plan des Tempels S. 34), mehrere Hallen und abgesonderte Räume, in denen Richter Recht fprachen oder Rabbi- neu ihre Lehrschulen (h»ebr. mich-zisch) hielten; nach letzteren zog es den Jesus-Knaben nach den Tagen des Festes, da während derselben Vater und Mutter versäumt hatten, ihn an diese Stelle zu bringen, die ja die rechte für ihn war; er wollte, da er nun das zwölfte Jahr erreicht, ein ,,Sohn des Gesetzes« nicht blos heißen, sondern auch in der, That und Wahrheit sein und die Vorrechte eines solchen genießen. Beim Hören und Betra ten der daselbst zum Vortrag kom- 1nenden biblischen Iehrstiicke ging ihm denn (gleichwie nacl der apokrhphischen Schrift: Historie von der Susanne V. 45 auch Daniel in diesem Alter seines Richtergeistes sich bewußt wurde) das Bewußtsein um sein eigentliches Selbst, sein wesentliches Jch auf; vielleicht ist es die Stelle: Pf. 110, 1 gewesen, welche ihm das Licht göttlicher Erkeuntniß vermittelte, zu wissen, wer er sei (vgl. Matth. 22, 41 ff.), nämlich der eingeborene Sohn vom Vater, der da Menfch gewor- den, davon er hernach auch das erste Bekenntniß ab- legt (V. .49) nnd damit den Ausdruck der Mutter, die den Joseph als seinen Vater bezeichnet hatte, ohne die geringste Absicht einer Anzüglichkeih rein und allein im Dienste der Wahrheit berichtigt. Jst der Sohn Gottes Mensch geworden, und ist er es geworden mittelst der Geburt von einem Weibe, so eingetreten in die Welt, auch diejenige Bewußtlosigkeit getheilt, die überall den Anfang des menschlichen ebens begleitet; mit den! Worte in V. 40 hat der» bereits angezeigt, daß nach dem? Evangelist aber au Maaßstabe des phy ischen Gedeihens des Kindes sein bislang schlummerndes Bewußtein erwacht und von einer Klarheit zur andern hindurchgedrungen sei. Wenn nun ein anderes Kind zum Bewußtsein seiner selbst erwacht, daß es von seinem Jch weiß und sich von Andern nnterscheiden lernt, so empfängt es den wesentlichen Inhalt seines Bewußtseins allmälig und in stusenmäßigem Fortschritt von außen her; durch erfälälrt es von seinen Gaben und Kräften, von einer ufgabe und Bestimmung, von seiner Sünde und Schwachheit. Auch bei Johannes hat er ja, i 620 Evangelium Lucä Z, 46——50. dem Täufer ist dies der Fall; was, am Tage seiner Beschneiduug sein Vater Zacharias von seiner Stel- lung imReiche Gottes und seiner Bestimmung für die Zukunft» ausgesprochen (1, 76 s.), das hat er dem Sohne gewiß auch nahe gelegt, als er erstarkte an Geist und Leib, und als derselbe nun seine göttliche Mission zu ahnen begann, da schlug er seine Wohn- statt in der Wüste auf (1, 80). ss Bei Jesu nun liegen die Sachen anders: nicht durch den Dienst seiner Um- gebung und mit deren Hilfe, sondern VielmeEr im Gegensatz gegen sie und im Kampfe mit ihr mu te er allmälig zum Bewußtsein seiner selbst kommen; was Vater und Mutter über sein persönliches Wesen aus unmittelbarer Offenbarung Gottes oder aus eigener Erfahrung wußten (Kap. I, 31 sf.; Matth. 1, 20), war nicht zur Mittheilung an den Knaben geeignet, auch ging es seinem tieferen Jnhalt nach über ihr eigenes Verständnis; hinaus, die Schrist elehrten und Pharisäer aber hatten, wie aus Matt . 22, 46 sich ergiebt, noch weniger Eingicht in die Bedeutung der Gottessohnschaft des verhei enen Messias. Hier also handelt es sich um eine Offenbarung des Vaters an den Sohn, um eine Erleuchtung des Geistes, die das Licht der Selbsterkenntniß an dem, von ihm, dem hl. Geist, den heil. Meuschen Gottes im alten Te tam. eingegebenen prophetischen Wort der Schrist (2. etri l, 19 ff) ansteckt und es dadurch zu einem unmit- telbar vom Himmel empfangenen für Jesum macht; da ,,1iiemand den Sohn kennet, denn nur der Vater und niemand den Vater kennet denn nur der Sohn« (Matth.11,27), so konnte kein Menschenkind Den zur Erkenntniß seines Selbst ·eleiten, durch welchen allein die Kenntniß beider, des aters und des Sohnes, der Welt vermittelt werden sollte, sondern der Vater mußte selber allein wirksam hier eintreten: Noch ist es jetzt nur das Gefühl um sein Verhältniß zum Vater, was Jesu gegeben wird; erst später, bei der Taufe im Jordan (Matth. 3, 16), trat zu dem Gefühl auch die Klarheit des Erkennens, verbunden mit einer Erinnerung an die Herrlichkeit, die er bei dem Vater hatte, ehe die Welt war (Joh. 17, 5», hinzu, wenngleich eine Erinnerung noch ohne eigentliches Wissen um den Inhalt derselben. Aber dies Gefühl ist so bestimmt und seiner selbst so gewiß, daß sich damit von selber eine gewisse Scheiduug von Vater und Mutter vollzieht; das bisher zwischen dem Kinde und Knaben zu seinen Eltern beftandene Verhältniß kann nicht mehr dasselbe bleiben, es muß wenigstens ein Tropfen von der Kraft und Bedeutung dessen, was in Joh. Z, 31; 8, 23 gesagt wird, nachdem es einmal dem zwölfjä rigen Knaben zum Bewußtsein gekommen, in das erhältniß zu den Eltern sich ein enken und der erste Anfang zu jener Gestaltung des elben gemacht werden, die uns beim Amtsantritt des HErrn begegnet, wo er die Mutter einfach als ,,Weib« be eichnet (Joh. 2, 4), ja i1n Laufe der Zeit sich noch ichärfer von seinen Angehörigen scheidet (Matth. 12, 48 ff.). Weiter aber verbindet sich mit dem ausleuchtenden Bewußtsein des Knaben um sein Verhältnis; zu dem Vater an? ein Bewußtsein um seine Messianität oder um eine Bestimmung, der Christ des HErrn zu sein; und wie nun hieraus sich erklärt, warum das Ende der Festtage für ihn nicht, gleich den andern Festpilgerm das Signal zur Rück- kehr von Jerusalem ist, er vielmehr noch länger an den Tempel und an die Werke, die in der Umgebung des Tempels getrieben werden, sich gebunden fühlt (Joh. 4, 32 u; 34), so erklärt sich aus jener anzubah- nenden Scheiduug von den Eltern, warum er bei diesen nicht erst um Erlaubniß zu läugerem Verweilen nachfragt, sondern das Recht dazu ohne Weiteres aus der Hand seines himmlischen Vaters hinnimmt; denn wo Gott selber mit seinem Wort und Befehl oder mit dem Zuge seines heil. Geistes in’s Mittel« tritt, da muß allemal das Amt seiner Mittelspersonen und Stellvertreter wei en, zumal wenn diese die eigent- liche Aufgabe des erufs verkannt oder geradezu ver- leugnet haben. Was den Eltern Jesu zur Last fällt, das ist lediglich ihr Mangel an Einsicht in die anze Tragweite der ihnen sonst ja bekannten Gottes-Hohn- schaft ihres Kindes und seiner künftigen Bestimmung, vermöge dessen sie voraussetzem mit dem Knaben ver- hielte sich’s, wie mit jedem andern Knaben auch, und die erste Anwesenheit dieses ,,Sohnes des Gesetzes« habe nicht mehr zu bedeuten, als die anderer zwölf- jähriger Söhne, die eben zum ersten Mal das Fest mitmachen, ohne daß etwas Sonderliches dabei sich zutrüge Einen besonders stark hervortretendenHerzens- ug zu dem Hause Gottes und eine besonders rege s usmerksamkeit auf Gottes Wort und Werk haben sie jedenfalls während der acht Tage des Festes an Jesu bemerkt — warum sind sie den Spuren nicht weiter nachgegangen? warum haben sie den Knaben nicht selber den Lehrern zugeführt, der ja künftig der Leh- rer Über alle Lehrer sein ollteP ,,Hätten die Eltern von dem Herzensdrange ihres Knaben ein klares Be- wußtsein gehabt, hätten sie ihn recht scharf in dem Tempel beobachtet, hätten sie ihn die Woche über dort- hin gebracht, wohin sein Herz sich sehnte, sie hätten ihn nicht verloren; und wenn sie ihn trotzdem ver- loren Hütten, so hätten sie gewußt, wo sie ihn vor allen ingen, ja wo sie ihn einzig und allein zu suchen haben-« Dieses Suchen zeiht sie einer Un- achtsamkeit ganz anderer Art, als der, daß sie bei der Heimkehr ohne ihn abgzereist sind. Gehen wir nämlich auf den Standpunkt, en sie mit ihrem Nichtwissen V. 49 nun einmal einnehmen und der als der mensch- lich-natürliche erscheint im Gegensatz zu dem einer göttlichen Erleuchtung, um die sie sich gebracht haben, so ist an ihnen keineswegs dies zu tadeln, daß sie mit ihrer Abreise auch ohne das Kind etwa einer Nach- lässigkeit und Versäumniß an demselben sich schuldig gemacht; nach den Umständen konnten sie gar nicht anders handeln· Am Osterfest pflegten in Jerusalem sich mehr als 2 Millionen Menschen zusammenzu- finden, das Gedränge und Gewühl am Tage der Ab- reise war also groß und es schlechterdings nicht »in-dg- lic?, daß alle, die zusammengehörten, sich sofort auch Zitammenfandem vielmehr reisten von verschiedenen ufbruchsorten einzelne Trupps ab und erst der ge- meinsame Lagerort einer größeren, nach demselben Heimathsbezirk ziehenden Karavane führte am Abend der ersten Tagereise die einzelnen zu ihr gehörigen Abtheilungen zusammen, wo denn auch die Abthei- lungeu für den weiteren Zug sich vielfach noch anders ordneten. Nun hatten Joseph·und Maria bei dem 12 Jahr alten Jesus es mit einem Knaben zu thun, der nach Maßgabe der Altersentwickelung im Mor- genlande (2. Kön 16, 2 Anm. 2) mindestens schon so weit gereift war, wie bei uns ein Knabe von 16 Jah- ren; ihm eine ewisse Selbständigkeit im Handeln zu belassen, war alxio ihre Pflicht, und sie konnten es ja gerade bei diesem Knaben, den sie nie aus verkehrten Wegen betroffen, mit leichtem Herzen thun. Es wäre, als er zur Zeit der Abreise sich nicht zu ihnen fand, geradezu Unverstand gewesen, hätten sie da schon das Suchen nach ihm anfangen wollen; denn etliche Trupps der Karavane, zu der sie gehörten, waren ohne Zweifel schon aufgebrochen, und wäre er nun bei einer von diesen gewesen, wie das die nächstliegende Vermuthung Die Eltern verlieren und suchen den Knaben, und finden ihn im Tempel unter den Lehrern. 621 sein mußte, so hätten sie mit dem Suchen in Jerusa- lem sich das Finden unmöåslich gemacht, sie wären immer weiter von dem inde getrennt worden, je näher die Reisegenossen der Heimath entgegenrückten Das rechte Suchen nöthigte sie also vielmehr zur Nachreise bis zur ersten Lagerstätte; als es aber da sich vergeblich erwies, war allerdin s die schleunige Rückkehr nach Jerusalem die einzige Hilfe. 46. Und es begab sich nach dreien Tagen sseit der ersten Abreise V. 4·3, am 24. Nisan], fanden sie Ihn smdem sie m Jerusalem selber sich wohl bald nach der rechten Stelle wendeten] im Tempel sitzen mitten unter den Lehrern sm der Peschäftigungh daß er ihnen zuhorete und sie fragete he nachdem es sein Bedürfnis; als eines Schülers, der in der Erkenntniß der göttlichen Wahrheit aus Mose und den Propheten wachsen wollte Apostg. 22, 3., mit sich brachte]. 47. Und alle, die ihm zuhöreten [wenn er entweder fragete oder bei ihm selber vorge- legten Fragen seine eigenen Gedanken entwickelte], verwunderten sich seines Verstandes [da schon die von ihm ausgeworfenen Fragen große Ein- sicht in die Tiefen der göttlichen Weisheit bekun- deten] und seiner Antwort [da noch mehr sein Bescheid auf eine an ihn gerichtete Frage von einer großen Vertrautheit mit dem Worte Gottes und einer gediegenen Auffassung desselben Zeugniß ablegte Jes. 11, Z; Ephef 3, 4; Col. 1, 9]. Man denke sich Jesum zu den Füßen eines lehren- den Rabbinen in deren Kreis sitzend; darin ist nichts Außerordentliches zu erblicken, da er bereits ein ,,Sohn des Gesetzes« war. Ein Sitzen aber in gleichem Verhältniß mit den Lehrern zu finden, ist nicht textgeniäß, da sonst der Bericht die Thätig eit des Kindes nicht auf das Zuhören und Fragen beschränkt aben würde. Meher.) Der Bericht läßt Jesum eineswegs als ehrer austreten, wie die apokryphi- schen Darstellungen dies thun; doch liegt in dem Aus- druck: »sitzend mitten unter den Lehrern,« daß das Kind einen Ehrenplatz einnahm. Da die rabbinische Methode war, durch Fragen zu unterrichten, z· B. über chwierige Punkte im Gesetz, so hatten Lehrer und chüler Gelegenheit, ihren S arfsinn zu zeigen. Jesus hatte wohl so eben eine tre ende Antwort ge- eben oder eine von selbstständigem Denken zeugende Frage gemacht, und wie es zu geschehen pflegt, wenn ein Schüler besondere Einsicht zeigt, hatte sich der Unterricht für den Augenblick vorwiegend ihm zuge- wendet. (Godet.) Die Rabbinen jener Zeit hatten noch nicht allen Sinn für den prophetischen Geist ver- loren, wenn sie auch immer mehr in todtem Formel- wesen erstarrten; sie erinnerten sich wohl an die Knaben Joseph, Samuel, David und andere, wenn ihnen ein Kind von wunderbaren Gaben entgegentrat. Außerdem mochtensie damals schon gerne Jagd machen auf ausge eichnete Schüler; er aber brachte durch die Geistesäu erungen des frischesten, kindlichsten Gedankenlebens ihre scholastisch bestimmten Gedanken in eine heilsame Aufregung. (P. Lange.) Wenn Zwmgli als kleiner Knabe an seinen Oheim und Er- Izieher die verwunderte Frage richtete, warum man denn einen Lügner nicht strenger bestrafe als einen Dieb — dieser stehle doch nur irdifche Güter, jener das himmlische Gut der Wahrheit —, so war diese Frage ächt kindlich -naiv und erregte doch mit Recht durch ihre Tiefe das Staunen des Oheims (Ebrard.) Wie hier Alle, die ihm zuhöreten, sich verwunderten seines Verstandes und seiner Antwort, also einen Ein- druck von ihm empfingen, und doch nicht den rechten; so hat es hernach zu den Leiden seines Lebens gehört, daß eben so Viele es über die Verwunderung nicht hinausbrachtem aus welcher kein Glaube stammt. Dieses Verwundern ist die Wurzel jener halben Freundschaft ewesen, die Christum hernachmals durch sein ganzes Ieben begleitete, die heute mit ihm, morgen wider ihn war, die-heute ihm nachfolgte, morgen ihn verleugnen, die heute ein Wunder empfing und morgen ein neues verlangte, die ihn nicht begriff, weil sie ihn nie im rechten Glauben er riff; im Tempel zu Jerusalem hat sie begonnen, die e halbe Freundschaft (Brückner.) 48. Und da sie sJoseph und Maria, als sie am dritten Tage ihn im Tempel fanden] ihn] [so mitten unter den Lehrern sitzend und so all- gemeine Verwunderung erregend] sahen, ent- setzten sie sich [den, welchen sie bisher immer nur in stiller Zurückgezogenheit gesehen, auf ein- mal in solcher Oeffentlichkeit, und den, um wel- chen sie so sehr sich geängftigt hatten, in solcher Ruhe und Unbekümmertheit um die Trennung von ihnen zu erblicken]. Und seine Mutter [als welche um ihres wirklichen Mutterverhtilt- nisfes willen ein besonderes Recht zu haben glaubte, ihm einen Vorhalt zu machen, auch nach Art des weiblichen Geschlechts am schnellsten mit einem Wort für das, was das Herz bewegte, bei der Hand war] sprach zu ihm [da sie ihn nun wieder allein bei sich hatten]: Mein Sohn, warum hast du uns das gethan fdaß du uns den Rückweg ohne dich hast antreten lasset statt dich zu uns zu gesellen]? Siehe, dein ater und ich haben dich sseit wir’s inne geworden, daß du nicht mit auf dem Heimweg begriffen V. 44 f.] mit Schmerzen sgroßer Angst, wo du möchtest geblieben sein] gesucht? 49. Und er sprach zu ihnen: Was ist’s, das; ihr mich gesucht fund damit selber die Schmerzen, von denen du redeft, euch bereitet] habt? wisset ihr [nach dem, was euch über mein Wesen und meinen Beruf ja schon bekannt ist] nicht [wie doch eine ruhige Ueberlegung euch bald zu dieser Einsicht geführt haben würde], daß ich [als Sohn Gottes und einstiger Selig- macher seines Volks Kap. 1, 32; Matth. 1, 21] sein muß in dem, das meines Vaters ist sin seinem Haus, wie in seinem Wort und Werk, und es also da nicht meine Sache war, diese Stätte zu verlassen und euch nachzugehen, sondern vielmehr eure Sache, mich hier abzuholen und mit euch zu nehmen]? 50. Und sie verstunden das Wort nicht, das er mit ihnen redete [wie er dazu komme, auf einmal sein eigenthümliches Verhältnis; zu 622 Evangelium Lucä L, 51. 52. Gott so klar zu bezeugen und so scharf zu be- tonen, da doch weder sie selber mit ihrer bis- herigen Erziehung einen Einfluß auf solche Ent- faltung seines Selbstbewußtseins geübt, noch auch die Schriftgelehrten, die nicht einmal wußten, wessen Sohn Christus eigentlich sein werde, dabei mitgewirkt haben konnten]. Also nicht, daß sie den Knaben einen Augenblick aus den Augen verloren, verdient so sehr den Tadel, als daß sie ihn dann mit solcher Angst und Sorge des Kleinglaubens gesucht. Man könnte sich wundern, daß solche Angst nur möglich war, wenn doch Maria der himmlischen Erschei1iungen bei der Geburt gedachte, wäre es iiicht gerade der Charakter der Angst, des Tröstlichen nicht zu gedenken und an dem, was ein fester Halt sein könnte, sich nicht zii halten; so ist es eben die Angst des Mutterherzens welche— während Joseph sich zurückhält — den leisen Selbstvorwurf in einen Tadel des Sohnes verwandelt. Das nöthigt ihn zur Verantwortung, worin er nicht Ein nnehrerbietiges Wort sagt, und wenn er dennoch die Unruhe des Kleinglaubens beschänit, dies in voller Arglosigkeit und ohne den Schatten einer Absicht durch die Kraft der einfältigen Wahrheit thut. Es ist das vollkomniene, das verklärte Kind, das also redet, das Kind, das keine Angst hat —- warum sollte es Angst haben am guten Ort? warum denken: die Eltern könnten Angst haben? Daß es nicht daran denkt, ist nicht, wie bei andern Kindern, unbedachter Lei» tsinn, sondern in seinem lauteren Bewußtsein wei der Knabe nichts von einer Ursach der Besorgniß; ,,s»ie werden niich schon holen«, so vertrauet er, und» weilt indessen im Hause seines Vaters als in seiner Heiniath Das aber ist das Größte in seiner Antwort: ,,wisset ihr nicht, daß ich sein muß in dem, das meines Vaters ist?« Jm Hause meines Vaters, im Worte nieiiies Vaters, in solchem Denken, Reden und Thau, kurz in allem, was irgend meines Vaters ist, und eben da- durch unter dem Schutze des Vaters: so können wir es auslegeii; doch ist gerade dies das Große seines Worts, daß es« eben so schlicht und kindlich·naiv, als sinnvoll und göttlich erhaben lautet. (Riggenbc»ich.) Allerdings spricht er hier die ganze Theologie seines eigenen Wesens aus, aber nicht in der Gestalt des entwickelten Bewußtseins, sondern in dem wahrsten — T s " t k· dl" , o fr"s er Ahnung. eDie Zkikuist ihhm vletischgkijikidetitil irngedterlgeligkeit der Stun- den, die er hier verlebt hat; aber jetzt geht er hörend und fragend auf den Standpunkt der Eltern ein. Er kann sich nicht entschuldigen wollen darüber, daß er die ganze Welt vergaß im Hause des Vaters; aber er läßt sich belehren über die Noth, worin sie gewesen sind, weil sie von seinem Gange zum Tempel nichts wußten. Maria redet von seinem Vater Joseph, er aber spricht von dem unwiderstehlichen Zuge seines Vaters im Himmel; es ist die aufdämmernde Ahnung seiner einzigen Kindschaft vor Gott, seiner·Sohnschaft, aber— noch von der Knospe einer Kindlichkeit umgeben, welche den großen Gegensatz zwischen dem himmlischen und irdischen Vater ausspricht, ohne ihn zu beabsich- tigen. Noch ist das Bewußtsein der Allgegenwart seines Vaters in ihm umschlos en von der Knospe der kindlichen Aiidacht, die den ater im Tempel sucht; und seine allmälige Selbstbesinnung auf die Tiefen des göttlichen Lebens in seiner Brust ist noch umhüllt von der Kindeseinfalt, mit welcher er in dem lebendigsten Erkenntnißtrieb und Vertrauen» den Vätern der iudi- schen Theologie seine Frage vorlegen kann. (P. Lange.) Die Mutter ist noch nicht zu der Erkenntniß elangt, daß mit dem Heranwachsen des Knaben das Verhält- niß zwischen ihm und ihr folgerichtig ein anderes ge- worden. Väter finden sich schon leichter in solch einen Wechsel des Verhältnisses; sie, die selbstständigen Männer, freuen sich wohl, wenn der Geist berechtigter Selbstständigkeit sich in ihrem Kinde regt und beweist; den Müttern aber wird es schwer und preßt ihnen i1ianche herbe Thräne aus, wenn das Kind, das sie unter dem Herzen getragen und an ihrer Brust ge- siiugt haben, sich nicht mehr am Gängelbcinde führen lasseii will, wenn es selbst gewisse Tritte thut und sein Recht als Person ergreift. (Nebe.) Als kleines Kind hatte Maria Jesum gepflegt, für ein paar Jahre waren ihre mütterlichen Gedanken, Weisungen und Wünsche das Ein und Alles für das Kind · gewesen, und sie hatte das Kind ganz in ihrer Macht gehabt; nun sich das m»it der Zeit änderte und der Knabe an- fing, seiiieni eigenen Zuge zu folgen, konnte sie sich nicht gleich darein finden. Es war ihr so ungewohnt und fremd, daß er nicht immer nach ihr verlangen, um sie sein, sich mit ihr beschäftigen und ganz für sie leben sollte, wie sie nur für ihn lebte; daruni kommt sie» auch gar nicht auf den Gedanken, daß er mit Wissen» und Wrllen im Tempel zurückgeblieben sein und se»ine Eltern allein habe ziehen lassen können, ohne ihre Unruhe und Sorge uni ihn zu achten. Nichts liegt ihr ferner als das, und verwundert und etwas empfiiidlich schliipft ihr die Frage über die Lippen: »warum hast du uns das gethan?« mit welcher Frage sie uns in ihr inütterliches Herz blicken laßt. Bei aller Verehrung, welche wir der begnadigten Mutter Jesu beweisen, dürfen wir doch wohl sagen: es ist bei ihr etwas von dem mit eingeflossen, was an das eigensüchtige Wesen 1nancher Eltern erinnert. Diese Eigensucht der Eltern ist der Art, daß man sie gern-»so lange es» gehen will, Kauf das Gelindeste be- urtheilt; denn sie ist mit einer aufopfernden Liebe verfloch»ten, die es »oft bezweifeln läßt, ob die Eigen- sucht Liebe oder die Liebe Eigensucht ist. Doch wie alles, was aus der Sünde kommt, kann sie auch die Liebe vergisten uiid für Eltern und Kinder verderblich werden, und eben darum dürfen wir sie nicht über- sehen. »Es besteht diese Eigensucht aber darin, daß Eltern ihre Kinder nicht als eine geliehene Gabe und ein cmvertmutes Pfand, sondern als ihr Eigenthum ansehen, das in ihren Willen gegeben ist und womit sie machen können, was sie wollen. Von daher kommt so manche Härte» undVerkehrtheit in die Erziehung der Kinder hinein, die zum Unsegen ausschlägt: die Kinder sollen ebenso denken, fühlen und-urtheilen wie die Eltern; die Neigungen der Eltern sollen die Lust der Kinder sein, und wo die Eltern goldene Berge sehen, sollen die Kinder keine Sandhaufen erblicken. Vor allein sollen die Kinder alle Eigenheiten, Selt- samkeiten und Laii1ien »der Eltern wie löbliche Sitten in»Ehren halten und ihnen mit Freuden darin -zu Willen sein. Es ist das erste Erforderniß einer guten Erziehung, daß der Eigenwille der Kinder ge- brochen wird; aber welche Frucht kann das schasfen, wenn an die Stelle— des kindlichen Eigenwillens der ebenso verkehrte Eigenwille der Eltern gesetzt wird? Solche Eltern verlieren das Auge für das, was Gott in die Kinderghineingelegt hat nnd was aus ihnen uiiteurechter ·flege wer en kann; sie behandeln sie wie einen Stein, »den man zurecht meißelt, wie maii ihn eben haben will, und vergessen, daß sie Fleisch und Blut sind, daß sie auch eine Seele haben mit ihren besonderen Gaben und ihrer besonderen Be- stimmung. Statt aus Gottes Finger zu merken uiid Jesus geht mit seinen Eltern nach Nazareth und ist ihnen unterthan. 623 ein jedes Kind in seiner Art zu nehmen, lassen sie sich nur von ihrem engen, kurzsichtigen Eigenwillen leiten: wie man es Kind guter Hoffnung ist dadurch auf verkehrte ege und an den unrechten Platz gekommen, wo es sich und Andern zur Last gewesen ist«! Es geht aber niZt allezeit wie der Eigenwille befiehlt: was in den indern steckt, ist oft zu mäcltig, und Gottes Rath treuer als der Menschen Ein älle; die Kinder gehen dennoch ihre eigenen Wege, wie der Wasservogel das Wasser sucht, auch wenn er mit den Kiichlein der Henne ausgebrütet und gepflegt ist. Darüber sind dann die Eltern usngehalten und können sich nicht in die Kinder finden; oders sie versuchen es mit Güte und Strenge, und errei en doch nichts, als daß sie sich und den Kindern ie Tage verbittern, wenn sie nicht ihre Herzen ganz von sich entfremden — Maria, als sie» ihren Sohn fand, mochte sich vor- gestellt haben, daß ihm auch, gleichwie ihr, wehe ums Herz wäre und daß er ihr beim ersten Wiedersehen mit Freuden nnd Verlangen entgegeneilen würde. So hätte sie ihn am liebsten wiedergefunden, jedoch so fand sie ihn nicht: da sitzt er ganz unbesorgt und wohlgemuth, als ginge ihn seine Mutter nichts an und als wären ihre Schmerzen ihre Sache. Beide sind verschiedene Wege gegangen — Maria ihren alten Weg, der sie ließ, wie sie war, Jesus aber einen Weg, der ihn aufwärts führte, als hätten die drei Tage den Sprung einer Ewi keIt zu bedeuten und als wäre eine Kluft zwischen bei e getreten, wie zwischen Himmel und Erde; deshalb kann sich die Mutter m den Sohn nicht finden, und ihr Bedauern und Mitleid verwandelt sich in einen Vorwurf. (Münkel.) Es klingt so wunder- bar ferne, wenn auf die annahende Frage der Mutter ,,warum?« die haarscharfe, schneidende Antwort: ,,wisset ihr nicht?«, auf die schmerzvollen Worte: »wir haben dich gesucht«, sein: »was ist’s, daß ihr mich gesucht habt?«, und auf die Rede: ,,ich und dein Vater« das majestätische Wort kommt: ,,ich muß sein in dem, das meines Vaters ist.« Da ist keine Reue, kein Zugeständniß eines Fehls, keine Unterordnung unter das Urtheil der Mutter, im Gegentheil, eine seierliche Zurückweisung eines Vaters, der nicht sein ist, der sich in seinem und seines wahren Vaters Hause ihn betreffend den Vaternamen nicht beilegen darf. Ein Gefühl göttlicher Ho eit spricht aus ihm, eine sichere Erkenntniß seiner A stammung, eine Ge- wißheit giebt sich kund, daß er sich nicht verlaufen, daß er im Vaterkåause geblieben, da er im Tempel blieb, eine Gewi heit, daß er dahin gehöre, da sein müsse, ja daß er allezeit, auch wenn er nicht im Tempel, doch in dem sein müsse, das seines Vaters sei, in des Vaters Ges äften und in des Vaters Be- ruf. Völlig sicher, ein ach,— frank und frei fernt und entschwingt er sich den mütterlichen Armen und er- weiset, wie er, obwohl von einem Weibe entsprungen, doch einen Flug vorhabe, den ihn die Mutter nie ge- lehrt, den sie auch nicht verstand, wie die Schrift aus- drücklichibezeugt (Löhe.) Sollen wir uns wundern, daß Joseph und die Mutter sein Wort nicht verstun- den? Das hieße ja noch nicht verstehen, wenn auch Maria sich besonnen hätte: ja, das hat mir der Engel Isa t, daß ich den Sohn des Höchsten gebären würde! er tehen wäre, wenn sie begrifse, wie das zuging, daß er auf einmal solche Worte redete. Wissen wir aber bei uns selber nicht einmal, wie wir dazu kamen, Jch zu sagen, und vermögen wir dieses Geheimniß an den Kindern unsers Fleisches jundBlutes nicht zu erlauschen, wieviel größer mußte dasErstaunen selbst der Maria sein, da sie ihn reden hörte, wie er noch nie geredet hatte! Wie kommt er dazu? was ist in ihm vorgegangen? wer hat ihm solches mitgetheilt? Denn wahrlich, Maria selber konnte doch gewiß nicht dem Kind erklärt haben, daß Joseph nicht sein Vater sei; darum kann sie« nicht verste en, woher er das Wort hat und wie er es meint. ie spiirt, daß er sie im Geist überwachsen, und hat fortan kein anderes Anliegen, als durch treues Behalten aller solcher Worte dem Sohne nach zum Vater zu streben. (R1ggenbach.) 51. Und er sfortan in bewußter und« frei- williger Selbsterniedrigung Philipp. L, 8 sich ihnen unterordnend] ging mit ihnen lvon Jeru- salem nach Galiläa] hinab, und kam snach etwa 3 TagereiseUJ gen Nazareth, und war ihnen sin allen Dingen des äußeren, zeitlichen Lebens] unterthan. Und seine Mutter lnach ihrer uns schon bekannten Weise V. 19] behielt alle diese Worte [um die es in V. 49 sich handelte, unter allen Umständen, wie sehr diese auch geeignet waren, den ersten Eindruck der- selben zu verwischen] in ihrem Herzen ]1.Mos. 37 11]. « 52. Und Jesus sum seine weitere Ent- wickelung bis zum 30. Lebensjahr Z, 23 in eine kurze Summa zusammen zu fassen] nahm zu [:was sein inneres Leben betrifft] an Weisheit, [und was sodann seine äußere Erscheinung angeht] an Alter [d. i. an der, dem sortschreitenden Alter entsprechenden»Leibesgröße, so daß er zuletzt eine volle ausgewachsene Mannsperson ward] und snahm seinem Wachsen an Weisheit gemäß zu an] Gnade bei Gott und sseiner fortschreiten- den äußeren Anmuth und Würde gemäß auch an Gnade bei] den Menschen [I. Sam. 2, 26]. Schon vorher war er den Eltern unterthan; Lukas sagt es aber hier ausdrücklich, weil nach dem svorher erzählten Vorfall seine- Unterwerfung als eine frei- willige Erniedrigung groß und anbetungswürdig er- scheint. Auf die Frage: was hat der Heiland in den 18 Jahren, von seinem 12. bis zum 30. Lebensjahr gethan? giebt die Schrift nur diese Antwort: ,,er war den Eltern unterthan«, er übte sich im 4. Gebot. Wahrlich, wenn wir uns einen Heiland erdenken soll- ten, wir statteten ihn anders aus! Der Vernunft dünkt es eine schlechte Heilandsbeschäftigung zu sein, als ein unterthäniger Sohn seinen Eltern zu dienen, den Nagarenern Pflügen und Eggen zu zimmern (Mark. 6, «), Häuser und Hütten zu bauen, unbemerkt, un- bekannt, unerkannt im verachtetsten Städtcläizeii von Galiläa zu leben und — zu schweigenx der erstand steht Einem dabei still. Nun, stehe still, Verstand, aber du, Herz, sinke in den Staub und bete an! Da Gott die Himmel bereitete und dem Meer das Ziel setzte und den Grund der Erde le te, da war Der, welcher nun in Nazareth als « immermann im Schweiße seines Angesichts sein Brod verdiente, der Werkmeister bei ihm (Spr. 8, 30): so tief, so tief hat Jesus sich erniedrigt! Auch in dieser Niedrigkeit aber war er in dem, das seines Vaters ist; Ergebung in seines Vaters Willen, völliger Gehforsam war seine Speise; durch Stillesein und Ho en stark sem (Jes. 30,15), war seine Schule. (Besser.) Er ist nicht blos in die Welt ekommen, um die Menschen zu lehren — dazu verwen ete er nur 3 Jahre: sondern der Welt 624 auch zu zeigen, wie man leben, handeln, dulden, ge· horchen, sich selbst verleugnen, Gott und Menschen lieben soll ——- und dazu Verwandte er 30 Jahre. (Boos.) Wie selig aber war er zu preisen in die em Gehorsam seiner Demuthl Jm Tempelschatten zu Jerusalem hätte er nur ein Pharisäerschüler werden können, oder vielmehr, da dies eine Unmöglichkeit war, so hätte er· zu f·rüh inuKampfe mit dem Phari- saischen Geist sein Ziel erreichtz zu Nazareth schloß sich ihm über der Entfaltung seines Bewußtseins ein anderes Vaterhaus auf, eine große, festliche Natur. Hier konnte er den Inhalt der Schrift ohne die ver- dunkelnden Glossen der Rabbinen esrforschem statt des Verkehrs niit den geistig erstorbenen Schriftgelehrten konnte er mit den ewig lebenden Geistern der Pro- pheten sich besprechen, und mehr alsalle Priester im Tempel war ihm seine Mutter Maria, die Auser- wählte, die alles, was ihn betraf, tief im Herzen be- wegte. (P. Lange·) Der Evangelist berichtet zuerst das gesegnete Wachsthum des HErrn an Weisheit (V. 40); er war früher schon reif in seinem Geist, aber er nahm trotz-dem noch fortwährend zu «an Er- kenntniß, an Weisheit. Mit diesem Fortschritt gin in gleichem Schritt sein leibliches Wachsthum; es it bei geisti ausgezeichnet beanlagten fund früh ent- wickelten äindern nur zu häufig der Uebelstand, daß die Entwickelung des Geistes ans Kosten des Leibes geschehen, bei Christo aber war die schönste Harmonie, eine gesunde Seele in einem gesunden Leibe. Daß mit den Jahren auch die Gnade bei Menschen wuchs, fällt nicht aus: an dem vielverspre enden Knaben weidete sich das Herz der Meister in Jerusalem, auf ihm ruhte das Wohlgefallen seiner Mitbürger; er straste sie ja noch nicht mit dem Wort seines Mundes. Daß aber Gottes Gnade über dem HErrn wuchs, daß des Vaters Wohlgefallen immer mehr an ihm zunahny kann befremden; das Befremdli e schwindet aber, wenn wir bedenken, daß das ohlgesallen Gottes wirklich auf, oder schärfer geredet in dem Menschen ruhen will, daß es nicht wie ein Sonnenstrahl ein Mal über den Menschen dahingleiten, sondern sich dem Menschen einsenken, mittheilen will. Gott kann nur so weit in uns eingehen und in uns mit seinem Wohlgefallen ruhen, als wir uns ihm öffnen; daher je völliger in dem Laufe der Jahre dieses gottselige Geheimniß des Herzens und Geistes Jesu sich erschloß, destwböllklger konnte der Vater in dem Sohne seines Wohlgefa ens ruhen. (Nebe.) Die Worte ,,bei den Menschen« am Schluß bilden einen Gegensa zwischen Jesus und dem Täufer, welcher sich in der insamkeit der Wüste entwickelte; es war dies der Anfang des Contrastes, welcher auch zwischen der beiderseitigen Amtsthätigkeit stattfinden sollte. (Godet.) Das Z. Kapitel. Johannis Jzuszpredigt und Zeugnis; oon Christo, Christi Taufe und tgeburtscinie I. V. 1——20. (§. 15 n. 26.) Sehr ausführlich nnd be- stimmt bezeichnet St. ttukas die Zeit, da Johannes der Täufer auf Gottes Befehl aus seinem wüsten-Aufenthalt nun heroortxitt vor das Volk, um sein Zlmt auszurichten, und scharf und präeis chaeaelerisirt er das Volk, aus welches die Mission dieses gewaltigen onßoredigers lie- rechnet war, nach seiner inneren Beschaffenheit: seiner Evangelium Lucä Z, 1 —- 7. großen Masse nach von dem Sauerteig der Pharisäer und Saddnraer angesteckt, dem bessern Theile nach aber auch empfänglich für die tönßpredigt und sich znbereitend auf den, der da kommen soll. Der Charakter des So— hannes selber dann, wie er sich in seinem demiithtgen Selbsizengniß gegenüber den hokhgespannten Erwartungen des Volkes von ihm zeigt, ist ,,einer der erhabensteiikz den die Geschichte des Reiches Gottes aufweist: mit einem einzigen Wort Tausende für sich gewinnen zn können nnd dies Eine Wort nicht zu sagen, sondern die Tausende stets zu einem Andern hinweisen, den sie noch nicht einmal sehen, um, sobald dieser erscheint, be- scheiden zitrüaiziitretein ja sich zu freuen über eigene Erniedrigung, wenn nur dieser Jludere wächst Geh. Z, 29 f.) — wer hat je einen erhabeneren Charakter ge— sehen und kann sich solch eine Größe erklären, wenn das Wort in Kur. l, 15 n. 80 nicht der Ausdruck der reinllen Wahrheit wiirc·?« (Vgl. Matth. 3,1——1.2 n. l4, 3—-5; Mark. l, 1——8 u. 6, 17—2t)). 1. Ja dem snnfzehnten Jahr des Kaiserthums [des] Kaisers Ttberti seinschließlich der zwei Jahre seiner Mitregentschaft, vgl. Anm. l zu 2. Kön. 24, 1 und Zusatz zu Nr. s, e der Schlußbem zum 1. Maccabäerb.], da Pontius Pilatus sder Nachfolger des Valerius Gratus, seit Anfang des J. 26 n. Chr.] Landpfleger in Judäa war [Matth. 2, 20 Anm.], und Herodes [Antipas] ein Vier- fürft [Schlußbem. zum 1. Maccabäerh Nr. 5 Zus.] in Galilaa, und sein [H«alb-] Bruder Phi- lippus [Sohn Herodis d· Gr. von der Kleopatra, s. den Stammbaum der Herodianer am Schluß des 1. Maccabäerb B, 11, Ha] ein Viersürst in Jturäa und in der Gegend Trachonitis [Matth. 2, 20 Anm.], und Lhsanias ein Vierfürst in Abilene seiner von der Stadt Abila benannten Landschaft in»Cöleshrien, f. Karte V» die zuerst vom J. 41 ———44 und dann wieder vom J. 53 n. Ehr. an unter Agrippa 1. u. II. mit zum jiidischen Lande gehörte Matth. Z, 20 Anm.]; Z. Da sunter dem Volk der Juden selbst] Hannas und Caiphas Hohepriester sjener als Prä- sident des Shnedriums Matth. Z, 4 Anm., dieser als fungirender Hohenpriester in den J. 17——36 n. Chr., vgl. Schlußbem zum J. Maccabäerh Nr. 11, e. Znsatzs warens« da sini Herbst des J. 26.n. Ehr» Matth. Z, 1 Anin.] geschah der Befehl Gottes lwohl dnrch innere Erleuchtung und Anregung von Seiten des heil. Geistes 1, 151 zu Johannes, Zacharias Sohn, in der Wüste« sdarin derselbe nach Kap. I, 80 seit seiner rei- feren Jugend sich befand, daß er sollte nunmehr, weil die rechte Zeit dazu da sei, hervortreten vor das Volk Israel) 3. Und er [dem Befehl gehorchend] kam saus seiner Einöde bei Hebronj in alle Gegend Um den Jordan ldie ebenfalls eine Einöde bildete Matth. Z, 1 Anm. 3, vgl. auch die Arm. zu V. 5 bei Matth.] und predigte die Taufe der Buße zur Vergebung der Sünden [Mark. 1 , 4]; Johannis Bußpredigt in der Wüste. 625 4. Wie geschrieben stehet in dem Buch der Reden Jesajas, des Propheten, der da sin Kap. 40, 3——5 u« 53, l] sagt: Es ist eine Stimme eines Predigers in der WüsteMi Bereitet den Weg des HErrn und machet seine Steige richtig« 5. Alle Thale sollen voll werden, nnd alle Berge und Hagel sollen erniedriget werden, und was krumm ist, soll richtig werden, und was un- eben ist, soll schlechter Weg werden. ») 6. Und alles Fleisch wird den Heiland Gottes c cU. s) Weil mit der Predigt Johannis, des Vorläufers Christi, ein rechter Hauptzeitlauf und die neue Haus- haltung Gottes anging, so hat der heil· Geist auch darum (außer den Gründen der Glaubwürdigkeit und Gewißheit) diese Zeit so genau bemerken wollen. (Starke.) Daß der Zeitpunkt so genau bestimmt wird, wo Lukas anheben will, die öffentliche Wirksamkeit Jesu zu beschreiben, kann nicht ausfallen bei Verglei- chung von Mark. 1, 1., wo dem Bericht von dem Auftreten des Johannes die Aufschrift vorangestellt ist: »Dies ist der Anfang des Evangelii von Jesu Christo, dem Sohne Gottes«; die Thätigkeit des Jo- hannes niachte eben diesen Anfang, an welchen sich die des HErrn Jesu anschloß (v. Burgen) Die über- sichtliihe Schilderung der Zeit des Johannes beginnt der Evangelist mit dem umsassendsten Gebiet, mit dem römischen Reich; von dem Vertreter der kaiserl. Gewalt in Judäa, den er angiebt, ergiebt sich der natürliche Uebergang auf das besondere Gebiet des Volkes Jsrael, und wird da die Eintheilung des heil. Landes in vier gesonderte Staaten angegeben, die Absicht dieser Anga e aber ist offenbar, die poli- tische Auflösung· der Theokratie »in demjenigen Augenblick augenscheinlich»zu machen, in welchem Der erschien, der sie in ihrer achten Gestalt aufrichten und das Reich Gottes von dieser vorübergehenden Hülle lösen sollte. Nachdem Lukas so die politische Sachlage dargestellt, zeichnet er noch mit Einem Wort die kirchlich-religiösen Verhältnisse; er nennt da zwei Hohepriefterz gleich als wollte er schreibenx »unter dem Hohepriester Hannas-Caiphas« (1ener war es im obri keitlichen Apostg 4, S; 5,17; 7, I; 9,»1; Joh.1 ,13 und dieser im gottesdienstlichen Sinne Joh.11,49sf.). Diese Trennung zweier A1nts- Verrichtungen aber, deren Verbindung ordnungsgemäß das ächte, vollständige theokratische Hohepriestert um ausgemacht hätte, war der Anfang von deVAUflöPUUg dieses Amts; die Auslösung war also von der Ober- fläche, dem Politisäen aus bis in’s Herz der Theokratie eingedrungen. ( odet.) «) »Es ist nicht wahrscheinlich, daß die beiden Gottesheldem Johannes und Jesus, ihre Wirksamkeit vor dem zurückgelegten 30. Jahre sollten begonnen haben, weil sie die Jnstitutionen in Jsrael heilig hielten und vor allen Dingen nicht mit einem Verstoß gegen das Gesetz und die Sitte, welche diese Alters- reife für eine solche Berufsthittigkeit forderten, auf- treten konnten; ebensowenig aber läßt sich erwarten, daß sie über diesen Höhepunkt ihrer männlichen Ent- wickelung hinaus, jenseits der Schranke, die ihnen das Gesetz gestellt hatte (4. Mos. 4, Z; Hes 1 , 1), noch sollten gezögert haben mit ihrer Gottesbotschaft her- vorzutretew Da sie einerseits von dem Gesetz, bis zu dem bestimmten Alter zurückgehalten, andrerseits von der Macht des Geistes getrieben wurden, keine Zeit D ä chfePs Bibelwerk über die gefetzte hinaus zu verlieren, so kann man annehmen, daß sie den Moment ihres beginnenden Amtsalters genau haben wahrgenommen, etwa so scharf, wie Wettrenner zum Ziele fliegen auf das ge- gebene Zeichen, wie Geschütze losdonnern in dem be- stimmten Moment.« Indessen kommt für Johannes dabei in Betracht, einestheils, daß nicht sein eigenes Alter, sondern das des Es, Jahr jüngeren Jesus maß- gebend war, und anderntheils, daß der Anfang des Sabbathjahres der bestimmte Moment für ihn sei; in Beziehung hieraus erleuchtete ihn der Geist Gottes, und wie derselbe einerseits den blos menschlichen Trieb des Eifers in ihm noch einige Zeit zurückhielt, so regte er andrerseits im rechten Augenblick ihn auch an, daß er nicht einer äußerlich chronologischen Be- rechnung sich unterstelle, da ja Johannes unsrer An- nahme zufolge einerseits ein Vierteljahr nach dem Anfang seines eigenen 30. Lebensjahres und andrer- seits eiii Vierteljahr vor Erreichung dieses Alters von Seiten Christi vor das Volk Jsrael hervortrat. —- Welch ein bürgerliches, politisches, sittliches Elend ver- knüpft nicht die Erinnerung mit den Namen, die uns in V. 1 u. 2 genannt worden sind! Ganz Jsrael ist einer dürren Wüste gleich geworden; da ertönt unerwartet und laut die Stimme des Rusenden (v. Oosterzee.) Johannes lebte von früh an in der Wüste, hier machte er sich heimisch von Ju end auf; und als er, in die Mannesreife eingetreten, Pein Buß- prediqtamt übernahm, war und lieb in der Wüste sei» Standort. Und mit dem Character dieses» Staud- orts war seine ganze Lebensweise zusammengewachsen: sein Kleid bestand aus Kameelhaaren und sein Gürtel war ein Thierfell, zur Nahrung dienten ihm Heu- fchrecken und Wildhonig. Dieses fein Eiiigelebtsein in das Wesen der Wüste ist das Bild seiner inneren An- schauung von dem Charakter seiner Gegenwart, auf welche zu wirken er berufen ist; die geistige Gegen- wart erschei1it ihm als eine Wüstenei, in welcher alles Geiftesleben auf die dürftigste und kümmerlichste Stufe heruntergekommen ist. Wenn sein Leib in der Wüste des jüdischen Landes seinen Standort hat, so hat seine Seele in der Wüste des jüdischen Volkes ihre Heimath aufgeschlagen; darum beruht feine Bußpredigt nicht auf irgend welchem Vornehmen, sondern es ist die- selbe eine innere Nothwendigkeit des ganzen Mannes. (Baumgarten.) Jn der Taufe der Buße bekannte man seine Sünden und wurde auf Christum vertrösteh in der Taufe Christi bekennt man Chritum und wird wiedergeboren zu seinem Eigenthum; jene Taufe richtete den Sinn auf Christum hin, diese pflanzt Christum dem Herzen ein. (Besser.) » sitt) Bei Jesaias steht: »die Steige unsers Gottes«; aber es war dies einer der Texte, von welchen man gewöhnlich in der messianischen Beweis- führung Gebrauch machte, und man hatte sich eben durch die Anwendung der Stelle auf die Person des Messias ewöhnh sie so anzuführen, wie sie bei den Evangeli ten lautet. (Weizsäcker.) 7. Da sptach er lpflegte in seinen Ansprachen zu sagen] zu dem lseiner großen Masse nach vom Sauerteig der Pharisäer und Sadducäer ange- stecken] Volk [Matth. 3, 12 Anm.], das hinaus ging svon Jerusalem und aus der ganzen Land- schaft Judäa und aus der Umgegend zu beiden Seiten des Jordan], daß es sich von ihm taufen ließe: Ihr Otterngeziichte wer hat· denn euch ge- weiset [heimlich den Gedanken in’s Ohr ge- N. T. I. 40 626 Evangelium Lucä S, 8—21. flüstert] daß ihr dem zukünftigen Zorn entrinnen werdet? 8. Sehet zu, thut rechtschaffene Früchte der Buße und nehmet euch swenn meine Stimme euch für einen Augenblick aus eurem Sündenschlaf aufgeweckt hat] nicht vor sum das aufgeweckte Gewissen sogleich wieder in Schlaf zu lullen], zu sagen: Wir haben Abraham zum Vater fund können also des Himmelreichs gar nicht verlustig gehen, sondern sind die unveräußerlichen Erben desselben] Denn ich sage euch: Gott kann dem Abraham swenn er an euch nicht solche Kinder hat, welche die Verheißung ererben dürfen] aus diesen Steinen shier am Ufer] Kinder erwecken* [indem er der Heiden sich annimmt] 9. Es ist schon die Axt den Baumen an» die Wurzel gelegt; welcher Baum nicht gute Fruchte bringet, wird abgehauen und in das Feuer ge- worfen. «« » » V) Johannes sieht diese nach einander zu seiner Taufe kommenden Schaaren unter dem Bild einer fortlaufenden, lebendig aus dem Bauch ihrer Mutter auskriechenden Schlangenbrut; dieser Name bildet den Gegensatz zu dem von Abrahanis Kindern, den sie sich beilegen, und spielt auf einen andern Vater an, welchen denn Jesus ausdrücklich nennt (Joh. 8, 37 fs.). Der Unwille des Täufers wird so gewaltig erregt durch den Anblick von Leuten, welche die Pflicht der Buße durch das äußere Zeichen der Buße zu umgehen suchen, durch Vollziehung der Taufhandlung als opus Oper-nimm; in dieser Hinterlift erkennt er die Ein- gebung eines gewandteren Rathgebers, als das Herz des Menschen ist. (Godet.) Durch den Namen von Schlangen und Otternbrut wird das eigentlich Dia- bolische in der Sünde der Heuchler aufgedeckh vgl. 2. Cor.11,14. (v· OsterzeeJ Sicherheit ist des Teufels Gift- und Todtentrank; damit bezaubert er uns, auf daß er uns unsrer Seelen beraube und den besten Schatz fälle. (H· YJiüllerJ «) Israel kannte den Gotteszorn der Vergangen- heit und der Gegenwart, und furchtbar war er ge- wesen in den Gerichten der Sündfluth, in dem Feuer des Himmels über Sodom und Gomorrha, in dem Untergang Jsraels in der Wüste, in der Verbrennung des Tempels und der Zerstörun der heil. Stadt, und schwer lastete dieser Zorn auf; der Gegenwart des ganzen Volks in der Zerstreuung der Stämme und in dem Joche einer harten Fremdherrschafy und den—- noch, sagt Johannes, ist dieses alles noch nicht der rechte Gotteszorm dieser wird noch erst kommen und wird unentrinnbar sein für alle, welche nicht recht- sgaffene Früchte ihrer Sinnesänderung bringen. ( aum arten.) Jn dem Bewußtsein des Täufers fließt ie doppelte Anwendung des Bildes auf die Verdammniß des Einzelnen und auf den Untergang der Nation in Eins zusammen. (Godet.) Die letzte große Gnadenheimfuchun für das Volk Israel war mit dem Erscheinen des eilandes angebrochen; noch ein Mal und zum letzten Mal hielt die Hand der Barmherzigkeit die Hand der rächenden Gerechtigkeit auf, welche die Axt schon aufgehoben hatte. Das Volk im Ganzen stieß hernach wirklich den Heiland von sich, und so Zieh denn in der That die Axt des Zornes den unfru tbaren Feigenbaum im Weinberge ab. (Besser.) Liebe Deutsche, kauft, weil der Markt vor der Thür ist; sammelt ein, weil es scheinet und gut Wetter ist; braucht Gottes Gnade und Wort, weil es da ist. Denn das sollt ihr wissen, Gottes Gnade und Wort ist ein fahrender Platz-regen, der nicht wie- kommt, wo er einmal gewesen ist. Er ist bei den Juden gewesen, aber hin ist hin, sie haben nun nichts; Paulus brachte ihn nach Griechenland, hin istauch Bin, nun haben sie den Türken; Rom und lateinisch and hat ihn auch gehabt, hin ist hin, sie aben nun den Papst. Und ihr Deutschen dürft ni t denken, daß ihr ihn ewig haben werdet, denn der Undank und Verachtung wird ihn nicht lassen bleiben; darum greife zu und halte zu, wer greifen und halten kann — faule Hände müssen ein böses Jahr haben. (Luther.) Vgl. Offenb. 11, 7——11. 10. Und das Volk [im besseren Sinne des Worts, als diejenigen in sich begreifend, welche wirklich um ihr Seelenheil bekümmert waren Matth. 21, 31 f.] fragete ihn und sprach: Was sollen wir denn thun [um rechtschaffene Früchte der Buße an den Tag zu legen]? 11. Er [als solche Frucht ihnen vor allem die thätige Liebe gegen den Nächsten in an- schaulicher Weise vor die Augen malend] ant- wortete und sprach zu ihnen:» Wer zween Rocke hat, der gebe dem, der keinen hat; und wer Speise hat, thue auch also ftheile davon mit dem Bedürftigen Matth. 5, 42; 1. Joh. B, 17]. 12. Es kamen auch die Zbllner, daß sie sich taufen ließen, nnd sprachen zu ihm: Meister, was sollen denn wir thun? · » 13. Er sprach zu ihnen: Fordert nicht mehr, denn [euch einzufordern] gesetzt ist. » - 14. Da fragten ihn auch die Kriegsleute swohl eine Art Landjäger, welche die Polizei in Judäa besorgt·en], und sprachem Was sollen denn wir thun? Und er sprach zu ihnen: Thut nie- mand Gewalt noch Unrecht [3. Mvfs 19- 13J, und laßt euch· begnugen an eurem Soldat-s · V) Petrus in Apostg 2, 37 giebt auf eine ahnliche Frage eine sehr verschiedene Antwort, da war eben das Reich Gottes gekommen; der Vorläufer begnügt sich, die zur Vorbereitung feiner Zuhörer geeigneten Werke zu fordern, die Werke der fittlichen Rechtschaf- fenheit und Menschenfreundlichkeit, welche dem in’s Herz geschriebeneu Gesetz entsprechen und die Auf- richtigkeit der bei der Taufe ausgesprochenen bußfer- tigen Gesinnung bezeugen, was Jesus in Joh. 3, 21 »die Wahrheit thun« nennt und als die ächte Vorbe- reitung für den Glauben bezeichnet. (Godet.) «) Worin die Frucht der Buße bestehe, wird in Anwendung auf zwei besondere Klassen von Fragen- den gezeigt, auf Zollner und Kriegsleute, die wir uns bei der in V. 10f. gestellten Frage und ertheilten Antwort als gegenwärtig zu denken haben; sie sehen sich dadurch veranlaßt, auch für ihr Bedürfnis; nach Maßgabe ihres Standes und Berufes die gleiche Frage zu thun. Johannis Antwort ist auch berechnet auf die gerade ihnen je nach ihrem Stande besonders nahe liegenden Versündigungen und Ueberschreitungen. Daß Johannes ihnen nicht auflegt, ihren Stand oder Beruf aufzugeben, sondern sie nur zu pflichtmäßigem Verhalten in den Schranken desselben anweist, ist nicht zu übersehen. (v. Burger.) Johannis Zeugniß von Christo. 627 15. Als aber das Volk svon dem Eindrucke, den die Erscheinung des Täufers machte, und von seiner Taufe und Bußpredigt überwältigt] im Wahn war, und dachten alle in ihren Herzen von Johaune, ob er vielleicht Christus ware swobei sie freilich nicht bedachten, daß er ja eines Priesters Sohn war, während Christus von dem Samen Davids sein sollte Joh. 1, 19 u. 25]; Its. Antwortete Johannes, und sprach zu allen sdie eine bestimmte Selbsterklärung aus sei- nem Munde erwarteten Apostg. 27, 33]: Jch tanfe euch mit Wasser fund kann schon hiernach Christus nicht sein]; es kommt aber etn Starkerer nach mir, dem ich nicht genugsam bin, das; ich die Riemen seiner Schuhe auflöse [Mark. 1, 8 Anm.]. Der wird sals derjenige, der wirklich Christus ist] euch mit dem heiligen Geist und mit Feuer taufen-« 17. In desselbeu Hand sda er der ist, der nicht nur das Heil bringt, sondern auch das von mir angedrohete Gericht vollzieht] ist die Wurf- schaufel, und er wird seine Tenne fegen, und wird den Weizen in seine Scheuer sammeln, und die Spreu wird er mit ewigem Feuer verbrennen [Matth. s, l2]. 18. Und viel unsers mehr vermahnete fwie in V. 8—14] Und berkundigte er [in evangelischer Weise auf die Ankunft Christi hinweisend, wie in V. 15——17] dem Volk« [während seiner, etwa 1 Jahr 7 Monat umfassenden ösfentlichen Wirk- samke1t]. V) Wenn die Geiftestaufe nicht zu der Vergebung hinzukäme, so würde die Sünde bald wieder die Herr- schaft bekommen, die Vergebung wäre bloßgestellt und bald vernichtet; aber sobald die Geistestaufe zur Wassertaufe hinzukommt, macht die Wiedergeburt die Vergebung fest. (Godet.) Das Wasser kann an einem Metall wohl den äußeren Schmutz abwas en, so daß man unterscheiden kann, ob es Eisen oder upfer oder Silber ist; aber das Metall von Schlacken und in- wendigem Unrath reinigen kann Wasser nicht, dazu ifst des Feuers schmelzende Kraft nothwendig. Die Tau e Johannis und die Taufe Christi waren beide des hl. Geistes Werk, aber in der ersten wirkte derselbe in der Kraft des Wassers, säuberte die Herzen und machte sie ihnen selber kenntlich und heilsgewärtig gab ihnen Erkenntniß der Sünde und gab ihnen Lust zu der errettenden Gnade, welche im Wort der Verhei- ßung ihnen angeboten ward; in der zweiten wirkt er in der Kraft des Feuers, indem er die Herzen durch und durch reinigt und erneuert in Zueignung der heilsamen Gnade, welche uns züchtigt, zu verleugnen das ungöttliche Wesen und die weltlichen Lüste. Die Feuerkraft des heil. Geistes erschien sichtlich am Tage der Ausgießung desselben über die Jünger, Apostg. 2, (Vesser.) Wenn nun Johannes von einem schließlichen unausloschlichen Feuer redet, welches alles Nichtige verzehren wird, so kann er wohl nur meinen, daß alles, was dereinst bestehen wolle, durch das Geistesfeuer müsse hindurchgegangen und durch das- selbe bewährt und gegen das letzte Feuer befestigt worden sein. Diese Geisteswirkun», welche Johannes nicht diesem und jenem verheißt, ondern allen, führt er· zurück auf eine kommende und nahende Persönlich- kettz seine ganze Botschaft faßt sich zuletzt zusammen in die Ankündigung dieses Kommenden, und alles Andere ist nur das stufenweise Hinansteigen u dieser Höhe der Verkündigung. Da er n11n diesen kommen- den so verkündigt, daß er, bevor er das Gericht voll- zieht, zuerst die Geistessülle über alles Fleisch aus- strömen läßt, so begreifen wir, wie Lukas die ganze Predigt des Johannes als eine frohe Botschaft, als ein Evangelium an das Volk, und wie Markus das Auftreten des Täufers als den Anfan des Evange- liums Jesu Christi bezeichnen kann. Ggaumgartenh » 19. Herodes aber, der Vterfitrst fvon dem m 1 die· Rede war], da er von Ihm [etwa Anfang Mai des J. ZLJ n. Chr.] gestraft ward um Herodias wcllen, seines Bruders [Philippus, abeeeines andern Bruders dieses Namens als die? lin Bill gdenangteng Weib, Und Um alles e es wi en as ero es that« 20. - Ueller das alles lzu seinen übrigen bösen Thaten augh diese noch hinzufügend] legte er [Herodes] Johannem gefangen fim Schlosse zu Macharus ——» Weiteres aus der Geschichte des Johannes s. in Kap. 7,» I8»ss.]· · »Es ist das ein geschtchtliches Zw1schenstück, um gleich die Zeichnung des Johannes in ihren Haupt- ziigen zu vollenden; dazu gehörte auch der Contrast seines Wirkens (,,er versah mit der frohen Kunde vom kommenden Messias das Volk«) und seines Geschickes, wozu die kurze Andeutung hier hinreichend war. (Meyer.) DenEvangelist faßt hier alles, was den Hoshannesd zusagnmeäbum sich fertkterbrkidir ngit en u e a en; en eera1sut " t" Tacllzfozlgendeæcklråhlungxon dcgrl ältste: Jeslu durlh Jo annes. v. terzee. " II— v. 2t—»3tl. (§. 16 n. 4.) wieder anliuüpfend an die Ganfivirltfamtteit des Johannes, von der im vorigen Abschnitt die Rede war, führt jetzt der Evangelist uns Jelum vor, wie er ebenfalls unter denen erscheint, die von Johannes fich taufen lassen, dabei den heil. Geist empfängt und dnrih eine Stimme vom Hiiumel als Gottes lieber Sohn beglaubigt wird, an dem der iltater sein Wohlgefallen habe. Jndem er fo zum jklefiiao Jst-nein, zugleich aber auch znm Heiland der ganzen Welt ordinirt oder eingefegnet ist, liann er nunmehr fein Wert; beginnen; ehe aber der folgende Alifclfiiitt in feiner ersten Thätiglieit ihn zeigt, da er von! Tritte! steh versuchen lässt, um als der zweite Adam dem Ver— suche: den Sieg wieder abzngcwtnncm den dieser iiber den ersten oklettfehen davongetragen, bringt St. tkitliag einen Staknmbaiini Jesu, in toelctiem er ihn als den zweiten Adam feiner menschlichen Alsftainmnng nach er- kennen läßt, als den, der anrh in Hinsicht auf feine ollenfehennatur ebenso Gottes Sohn ist, wie der erste Mensch es war, zugleich jedoch, wag er ebenfalls fein sollte, als den Sohn Davids, in welaietn fich die pro— phetische Weiffagnng des alten Testament-e erfüllt. (iogl. Mattlx Z, 13—17 u. 1, l—17; Mark. 1, 9—11.) 21. Und es begab sich, da sich alles Volk taufen ließfk Und Jesus sder etwa zu Anfang des J. 27 n. Chr. ebenfalls sich bei ihm einstellte] auch getauft war tmd sbeim Emporsteigen aus dem Wasser Mattlx Z, 16] betete, « das; sich der Himmel aufthatz 40V 628 Evangelium Lucä Z, 22——35. 22. Und der heilige Geist fuhr hernieder in leiblicher Gestalt auf ihn, wie eine Taube; nnd eine Stimme kam aus dem Himmel, die sprach: Du bist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlge- fallen habet» V) Dieser Satz dient dazu, die Erwähnung der Taufe Jesu als eine nachträglich noch beigefügte zu bezeichnen, indem er angiebt, daß diese Taufe noch in die Zeit der öffentli en Wirksamkeit Johannis fällt: damals, als alles olk sich taufen ließ, war auch Jesus zur Taufe gekommen. (v. Burger.) Wir dürfen nicht zweifeln, daß die Bußpredigt des Johannes vom Jordan her nicht blos Jesu äußeres Ohr erreichte in feiner galiläischen Verborgenheit, sondern daß sie auch bei keinem Jsraeliten ein solches inneres Verständnis; und ein solches niederdrückendes Gefühl hatte, wie für die Seele Jesu. Er weiß sich zwar frei von all den Sünden, welche die Juden an dem Jordan be- kennen und nicht bekennen; aber diese seine Heiligkeit ist ihm nicht eine Höhe, auf welcher er thront und sich wohlgefällt, sondern er versenkt sich immerdar in das Bewußtsein seines Fleisches, mittels dessen er Eins geworden ist mit den Unreinen und Sündern. Seine Heiligkeit ist die lautere Liebe, welche alle Gliedma en seines Leibes durchdringt, und darum wird das e- wußtsein seines menschlich-israelitischen Leibes nicht so sehr das Bewußtsein seiner Individualität, als viel- mehr das Bewußtsein seiner Nationalität und Men- fchennatur, die er aus i rer Sünde und Unreinheit zu seiner Heiligkeit erheben will. (Baumgarten.) VI) Es gehört zu den Eigenthümlichkeiten des Lukas, daß er mehrmals Jesu Beten erwähnt, auch dann, wenn andere Evangelisten iervon nicht besonders reden. Vereinigen wir alle erichte des Evan elisten in Beziehung auf das verborgene Gebet des Errn, dann zeigt sich uns, daß er, der allezeit in ununter- brochener Gemeinschaft mit dem Vater gelebt hat, doch auch ausdrücklich jeden Wendepunkt in feinem öffentlichen Leben —- Taufe, Apostelwahl, Verklärung auf dem Berge, Leidensweg u. s. w. —- durch ein- sames Gebet heiligte (v. Oosterzee.) IN) Die öttl1che Kundgebung besteht aus drei finnlichen Erslcheinungem welchen drei innere That- sachen entsprechen. I) Die erste Erscheinung ist das Aufthun des Himmels: während Jesus mit na oben gerichtetem Blick betet, t eilt sich vor seinen ugen das Himmelsgewölbe un er schaut die Wohnungen des ewigen Lichts; der geistige Vorgang, von welchem diese Erscheinung gleichsam die sinnliche Hülle ist, ist die dem Sohne eschenkte vollkommene Einsicht in den göttlichen Rei splan und in das Heilswerh die Schätze der göttlichen Weisheit stehen ihm von nun an offen und er kann zu jeder Stunde daraus das ihm gerade jetzt nöthige Licht schöpfen. Die erste Erscheinung stellt also die vollkommene Offenbarung dar. Z) Aus der Tiefe des Himmels, in welche sein Blick eindringt, sieht Jesus eine lichte Gestalt herabkommen; dieser sinnlichen Erscheinung entspricht der innere Vorgang der Ausgießung des heil. Geistes in seine Seele. Das Sinnbild der Taube hängt mit einer Natursgzmbolik zusammen, nach welcher das Brüten dieses ogels der Typus eines sruchtbaren ausdau- ernden Pflegens des geistigens Lebens ist: der heil. Geist weckt von nun an alle in der Seele Jesu ver- schlossenen Keime einer neuen Geisteswelt und bringt sie zur Blüthe. Die organische Gestalt, welche der Lichtstrahl annimmt, stellt den heil. Geist als eine untheilbare Einheit dar. Am Pfingsttage erscheint der Geist in der Gestalt von zertkeilten Feuerzungen -— Sinnbild der besonderen Ga en, der individuellen unter die Jiinger vertheilten Charismem aber bei der Taufe Jesu ist es nicht blos ein Antheil, sondern die Fülle ist ihm gegeben (Joh. s, 24), daher die Noth- wendigkeit eines Symbols aus dem organischen Leben. Endlich die Schwingungen des Lichtstrahls über dem Haupte Jesu, welche sich wie der Fliigelschlag der Taube ausnehmen, bezeichnen die Beständigkeit der Gabe lJoh. 1, 32); diese Lichterscheinun ist also das Sinnbild einer nicht blos zeitweiligen Inspiration, wie die der Propheten, noch theilweisen, wie die der Gläubigen, sondern der vollkommenen Inspi- ration. 3) Die dritte Kundgebung, die göttliche Stimme, begleitet eine noch innigere, persönliche Mit- theilung Nichts ist ein unmittelbarerer Ausfluß des persönlichen Lebens, als das Wort, die Stimme; die Stimme Gottes selbst ertönt zugleich in dem Ohr und in dem Herzen Jesu und schließt ihm auf, was er·fur Gott ist (das geliebte Wesen, geliebt wie ein einziger " Sohn von dem Vater) und was er. eben damit ür die Welt sein soll (das Organ der göttlichen Liebe gegen die Menschen, seine Brüder, welche er ebenfalls zu der Würde von Söhnen zu erheben die Sendung Rahel. —- Durch die vollkommene Offenbarung ist Jesus nun eingeweiht in den Plan des Heilswerks; durch die vollkommene Inspiration hat er die Kraft, es zu vollbringenx durch das Bewußtsein seiner Soh- neswürde fühlt er sich als den höchsten Gesandten Gottes auf Erden, berufen, dieses Werk auszuführen. Dies waren die unerläßlichen Bedingungen des Amtes, in welches er in Begriff war einzutreten. (Godet.) Dem HErrn it nun ein weiterer Blick als dort dem wölfjährigen naben aufgegangen: ni tnur für seine Flzerson zu sein in dem, was des aters ist, ist fortan sein Anliegen, sondern jetzt ist in ihm das Heilandsbewußtsein gereift; jetzt erkennt er, daß er mitten unter dem sündigen Volk in dem, was des Vaters ist, sein müsse, nämlich in dem Werke des Vaters zur Erlösung des Volks, in der Hingebung des Erbarmens zur Herstellung aller Gerechtigkeih und war durch sein Leiden von der Siinde und für die ünde des Volks. Dieser Selbsterniedrigun antwortet sofort die göttligcgze Verherrlichung: »du bis? mein Sohn, an dem ich ohl esallen habe«, das ist die Antwort des Vaters an? die Hin ebung des Sohnes, und die Gemeinschaft des heil. Geistes wird diesem zu Theil; denn da, der in göttlicher Gestalt war, sich dessen selbst entäußert hat und in eine menschliche Entwickelung von der Stufe des bewußt- losen Kindes herauf eingegangen ist, so bedurfte der Sohn des Vaters zwar nicht wie ein sündiger Adams- sohn der Wiedergeburt aus dem Geist, wohl aber etwas Aehnliches, daß nämlich nunmehr die volle, klare, bewußte Gemein chaft des Geistes ihm zu Theil werde. Weil er Flei ch geworden war, mußte der Geist erst auf ihn niedersteigen, damit er er. risse, was er nach seinem Wesen war; weil aber das Wort Fleisch lgeworden war, konnte ihm der Vater den Geist ge en nicht nach dem Maß (Joh. 3, 34), sondern in unbegrenzter Fülle und so, daß er fortan auf ihm blieb und von ihm ausging. (Rigge11bach.) 23. Und Jesus ging in das dreißigste Jahr [r1cht1ger: war etwa dreißig Jahr ——- nach unsrer Rechnung: 30 J. und 14 Tage —— alt, als er den Anfang mit seinem messianischen Amte ncachteL und ward gehalten [von den Leuten, die das wirkliche Sachverhältniß Matth Christi Taufe und n1ütterliche Geburtslinie I, 20 nicht kunnten] für einen Sohn Josephs smit welchem ja seine Mutter in der Ehe lebte Kap. 4, 22; Neatth 13, 55], welcher [zwar nicht leiblich, wohl aber nach den für eine Genealogie maßgebenden Grundsätzen] war ein Sohn Eli fdes Vaters seines Weibes Marias. ,,Durch die Taufe hat Gott das Dunkel, in welchem Jesus bisher eblieben war, zerstreut und ihn von dem Kreis von Personen gelöst, von welchen er bisher um- geben und gleichsam gedeckt war, von seinen Eltern und dem Vorläuferz er wird nun sozusagen die allei- nige Person der Darstellung, er tritt öffentlich auf als der längst ersehnte Abschluß der vorangegangenen Reihe von Menschengeschlechtern. Dieser Augenblick, wo er in sein eigentliches Selbst eintritt und seine Jdee realisirt, erscheint dem Evangelisten als der ge- eignetste,-um sein Geschlechtsregister zu geben vgl. 2. Mos. 6, 4ff.); indem Lukas in seiner Darste ung die Schwelle der beginnenden neuen Weltzeit über- fchreitet, wirft er noch auf diese Weise einen Gesammt- blick auf die Vergangenheit und reeapitulirt den Jn- halt derselben in dieser Urkunde, welche man das Todtenregister der alten Menschheit nennen könnte« Die seit Helvicus Wehrer der griech. und hehr. Sprache an der academichen Lehranstalt zu Gießen, f— 1616) aufgekommene Ansichh daß Lukas hier und im Folgenden den Stanimbaum der Maria gebe, während in Matth 1, l ff. der des Joseph uns vor- liegt, wird jetzt meistentheils um so mehr als die richtige anerkannt, als auch nach der jüdischen Tradi- tion der Vater der Maria Eli hieß und der Wortlaut des Grundtextes genau genommen wohl so zu ver- stehen ist: und war ein Sohn — wie man ihn dafür hielt, Josephs — (in Wirklichkeit aber) Eli’s (nämlich durch dessen Tochter Maria, von der er geboren ist, während um eine unmittelbar menschliche Beugung es sich bei ihm nach Kap.1, 35 nicht handelt); a er auch nach der gewöhnlichen Auffassung der Worte, wie unsre deutsche Bibel sie giebt, liegt die Auskunft naThe an- zunehmen, daß Maria, Eli’s Tochter, keinen ruder hatte, der des Vaters Erbe überkommen und fein Geschlecht fortpflanzen konnte, deshalb nach dem Gesetz der Erbtöchter (4. Mos 27, Z; Bis, 8 ff; Reh. 7, 63) in Joseph einen Mann ihres Stammes und Geschlechts (Kap. 1, 27) heirathete, der dann in der Stammlinie des Schwiegervaters für dessen eigenen Sohn galt (1. Chr. 2, 34 ff.). Nach Hebr.7, 14 (und diese Epistel stammt ja aller Wahrscheinlichkeit nach ebenfalls von St. Lukas her) ist es offenbar, d. i. eine offenkundige, zu Tage liegende Thatsache, daß »von Juda aufge- gangen ist unser HErr«; während nun Jesus bei Matthäus als Davidide erscheint, weil Joseph ein solcher ist (zwar ist Jesus nicht Joseph’s leiblicher, wohl aber ehelicher Sohn — ,,wunderbar hineingewirkt in dessen eheliches Verhältniß, welches er, als ihm Maria? Schwangerschaft kund wird, als unverletzt und weiter- hin giltig anfieht«), als aus dem Hause Davids her- vorgegangen, weil in das Haus Davids hineingeboren, erscheint er bei Lukas zugleich als auf dem Natur- boden des Hauses Davids vermöge seiner Mutter, die ebenfalls eine Davididin war, entsprossen, so daß sich die dem David gewordene Zusage (2. Sam. 7, 12), von seinem Leibe solle der Messias kommen, in der That erfüllt. Den Aussagen, wie sie an obiger Stelle und in Apostg. Z, 30; Röm. 1, Z; 2. Tim. 2, 8 uns begegnen, wird erst dann ihr volles Recht, wenn Jesus das, was die Bezeichnung ,,David’s Sohn« von ihm aussagt, nicht blos im legalen (gesetzlichen), sondern 629 auch im physischen (leiblichen) Sinne ist, es nicht blos in ostensibler ifür den Augenschein berechneter), sondern auch in realer (der Wirklichkeit entsprechenden Weise) ist; und darum gehört zur Genealogie des Matthäus noch eine andere, wie St. Lukas sie hier bringt. 24. Der war ein Sohn Matthats, der war ein Sohn Levi, der war ein Sohn Melchi, der war ein Sohn Fauna, der war ein Sohn Jvscphs 25. Der war ein Sohn Mattathias, der war ein Sohn Ainos, der war ein Sohn Nahums, der war ein Sohn Eint, der war ein Sohn Range, 26. Der war ein Sohn Maaths, der war ein Sohn Mattathian der war ein Sohn Semei, gerd war ein Sohn Josephs, der war ein Sohn u a, 27. Der war ein Sohn Johanna, der war ein Sohn Resia, der war ein Sohn Zorobabels [oder Serubabels Esra L, L; Z, «2; Hagg.1, 1], der war ein Sohn Salathiels, der war ein Sohn Nerjr [1. Chr. 3, 19 Anm. 1], « 28. Der war ein Sohn Melan, der war ein Sohn Addi, der war ein Sohn Kosams, der war ein Sohn Elmodamsy der war ein Sohn Her, 29. Der war ein Sohn Jose, der war ein Sohn Eliezers, der war ein Sohn Joiems, der war ein Sohn Mattha, der war ein Sohn vi, 30. Der war ein Sohn Simeons, der war ein Sohn Juba, der war ein Sohn Josephs, der war ein Sohn Jonams, der war ein Sohn Eliakims, » 31. Der war ein Sohn Melea, der war ein Sohn Menams, der war ein Sohn Mattathann der war ein Sohn Rathaus, der war» ein Sohn Davids svon der Bathseba, gleichw1e Salomo 1. Chr. 3, 5;15,4;2.Sam.5, l4], 32. Der war ein Sohn Jesse lJfai RUth 4, 18 ff.; I. Chr. 2, 1 5. 9—17], der war ein Sohn Obeds, der war ein Sohn Boas, der war ein Sohn Salmons sSalma’s], der war ein Sohn Nahasfonn 33. Der war ein Sohn Tlminadabs, der war ein Sohn Arams soder Ram’s], der war ein Sohn Esroms foder Hezronss der war ein Sohn Phares [Perez], der war ein Sohn Juba, · 34. Der war ein Sohn Jakobs, der war ein Sohn Jsaaks , der war ein Sohn Abrahams [1. Chr. 1, 34], der war ein Sohn Tharahs [1.Chr. 1, 24—27], der war ein Sohn Nachors [Nahor’s], 35. Der war ein Sohn Sarnchs [Serug’s], der war ein Sohn Ragahu [Regu], der war ein Sohn Phalegs [Peleg’s], der war ein Sohn Ebers, der war ein Sohn Sala [Salah], 630 Evangelium Lucä Z, sen-38. 4, 1——13. 36. Der war ein Sohn CainansÆ der war ein Sohn Arphachsads der war ein Sohn Sems, der war ein Sohn Noah [l. Chr. I, 1—4], der war ein Sohn Lamechs, 37. Der war ein Sohn Mathusalahs, der war ein Sohn Enochs, der war ein Sohn Jareds, der war ein Sohn Maleleels, der war ein Sohn Cainans, 38. Der war ein Sohn Enos, der war ein Sohn Seths, der war ein Sohn Adams, der war Gottes« -[Apostg. 17, 28]. «) Eine andere Ausgleichung der an diesem Punkte der beiden Geschlechtsregister in Betreff der Abstam- mung Serubabeks liegenden Schwieriåkeih als die wir im 1· B. der Ehronika gegeben, hat rafft versucht, indem er annimmt, daß sowohl in der Linie S alom o ’s, aus welcher nach Matth l, 6—16 Joseph stammte, als in der Linie Nathan’s, aus welcher nach Lukas Maria hervorging, es einen Sealthiel gab und daß sowohl dort als hier ein jeder von beiden seinen Sohn Zerubabel nannte, gleichwieja in Matth.1,l6 vgl· mit 1.Mos.46,8u.19 sich ein Joseph als Jakob’s Sohn verzeichnet findet, wo die Gleichheit der Namen des Vaters und des Sohnes doch nimmermehr auf die Gleichheit der betreffenden Personen führe; nir ends werde in den Geschlechtsregistern das Geschlecht ern- babel’s, des Erbauers des zweiten Tempels, auf Jechanja oder Jechonia zurückgefiihrh sondern überall sei er als ein Sohn Sealthieks angegeben, was auf- fallen müsse, wenn er wirklich Enkel oder Urenkel dieses Königs gewesen wäre, .dessen Erwähnung den aus dem Exil Zurückgekehrten so nahe lag. Dagegen gebe die Stelle: Jer. 22, 24 — 30 deutlich genug zu verstehen, daß aus seinem Samen ein künftiger Thron- solger Davids, also auch der Messias, nicht zu er- warten sei, vielmehr werde dort die Salomonische Linie des Hauses David verworfen und die Verhei- ßung in 2. Sam. 7, 12 auf die Linie Nathaws über- tragen, woraus sich auch die Nebeneinanderstellung des Hauses David und des Hauses Nathan in Sach. 12, 12 erkläre. Indessen, so richtig es ist, daß der Erbauer des zweiten Tempels, SerubabeL als Christi Vorbild (Sach. 4, 6 ff.) auch dessen Stammvater sein mußte, so durfte doch auch Salomo, der Erbauer des ersten Tempels, und sowohl in dieser Beziehung als von Seiten seiner Friedensherrschast ein Vorbild Christi, unter den Stammvätern nicht fehlen; es ist daher die von uns gegebene Ausgleichung der Schwierigkeiten dieser andern vorzuziehenz » Ei) Gleichwie hinsichtlich· der Schreibweise der Namen sich Lukas an die griech. Uebersetzung des alt. Testaments, die sog. Septuaginta sich anschließt, so auch hinsichtlich des Wortlauts des Textes; denn da findet sich in der That in den Stellen: 1.Mos.10,24; l1, 12; 1. C ron. l, 24 zwischen Arphachsad und Salah , der anie ,,Cainan«, den wir im hebr. Grundtext jetzt nicht mehr haben. Ob er vor der Zeit, bis zu welcher unsre jetzigen Bibelausgaben zu- riickreichem einst auch im hebr. Text gestanden oder von den 70 Dolmetschern nur eingeschoben sei, läßt sich zwar mit Sicherheit nicht mehr entscheiden, doch dürfte letztere Annahme die» richtigere sein; bei dem großen Ansehn, welches jene Uebersetzung in der morgenländischen Kirche besaß, wäre dann weiter möglich, daß der Zusatz dem Texte des Lukas erst hinzugefügt worden ist, um ihn mit jener Uebersetzung in Uebereinstimmung zu bringen. ist) Dies ist eine Wiederaufnahme dessen, womit das Buch von des Menschen Geschlecht in I. Mos. 5, 1 f. beginnt: ,,da Gott den Menschen schuf, machte er ihn nach dem Gleichniß Gottes« Ebenso wie der erste Mensch seine Abkunft unmittelbar auf Gott zu- rückführt, aus dessen Schöpferhand er hervorgegangen, ist auch der weite Adam hinsichtlich seiner mensch- lichen Herkunft Gottes unmittelbarer Sohn (Kp.1,35); denn die Fleischwerdungdes Eingebornen vom Vater beruht auf einer neuen göttlichen Schöpfung innerhalb des sterblichen, die Folgen der Sünde tragenden Nienschengeschlechts diese Fleischwerdung wäre aber nicht möglich gewesen, wenn nicht der Mensch ursprünglich das Ebenbild Gottes an sich trüge: mit dem Wort »du bist mein lieber Sohn« kann Gott einen Menschen nur darum anreden, weil das Men- schengeschleeht von ihm ausgegangen ist. Schon in diesem Zusammenhange kann die Genealogie die Lukas uns vorführt, keine andere als die der Maria sein. »Für das jüdische Volk hatte das in Matth. 1, 1 ff. nachgewiesene Verhältnis; Jesu zum Throne Davids besondere Wichtigkeit, der weiteren Fortführung der Stammtafel über Abraham hinauf bedurfte es für Israel nicht; fiir ·die»Ehristen aus den Heiden da- gegenwcir es w1chtig, im Ges lechtsregister Jesu zu- gleich den Ursprung des Llliens engeschlechts kennen zu lernen, mithin auf Adam als den Stammvater des menschlichen Geschlechts hinauszugehen, aufJesum als den Weibessamen (1. Mos. 5, 15) hinzuweisen und ihn auch hierdurch als der Heiden Heiland zu ver- kiindigen.« Stellen wir je t noch beide Genealogieen, die des Matthäus zur inken und die des Lukas zur Rechten, übersichtlich neben einander: D a v id N Jjj T Salomo Nathan Rehabeam Mattathan a elea Zhsia Menam Frau« sitzt? HAVE-Fa) Joseph oa u a (Asmazia) Simeon sia Levi Jotham Mattha Ahas Jorem Hiskia Eliezer Manass e Jos e Amon Her Josia Elmodam (Jojakim) Kos am Jojachin Addi ( As sir) Melchi (N. N. Tochter) Neri Sealthiel (Phadaja). Z o r o b a b el Ahiud — Resia Eriachim JVHHUUU As or Joseph emei Zadoch Mattathias Achjn Maath Range Eliud Esli Jesus wird versucht. Eleasar Nahum Amos Mattathias Joseph Janna Melchi Levi Matt at Eli ( darin) Matthan Jakob Joseph Jesus. Wenn sich hier gleich unmittelbar von David zwei Linien abzweigeth auf der einen Seite die königliche des Salomo, auf der andern die Nebenliicie seines Bruders Nathan, so liegt schon in Sach.12,12 eine Hindeutung, daß diese beiden Linien diejenigen sein würden, aus welchen der zukünftige Messias hervor- gehen werde. Jn Sealthiel und Serubabel kommen dann beide Linien in einem wichtigen, auf Christum, den rechten Führer aus Babel in das Land der Ver- heißung hinweisenden Entwickelungspunkt der Ge- schichte zusammen; es wiederholt sich dies Zusammen- treffen, nachdem beide Linien wieder in anderer Weise auseinander gegangen sind, am Schluß noch einmal in Joseph und Maria, damit die auf die Salomonifche lautende Verheißung in 2. Sam. 7, 12 ff. noch voll- kommener verwirklicht würde. Das Zusammentreffen qefchieht auch hier, wie zur Zeit Sealthieps (1. Chr. Z, 19 Anm. 1), durch Erlöschen der Nathanslinie mit einer Erbtochter, der Maria, welche in die andere Linie hineinheirathet, indem Joseph sie zum Weibe nimmt und nun ihr Vater Eli nach genealogifchem Recht zum Vater dieses ihres Gatten wird; aber dies Erlöschen ist gewiß nicht Zufall, sondern göttliche Ord- nung, denn jetzt sollte der verheißene Erbe geboren werden, mit welchem alle Verheißung ihre Erfüllung erreichte. Das 4. Kapitel. Jesus wird versucht, predigt und thut Wunder. III· v. 1—13. (§. 17.) Ihn unmittelbaren Anschluß an die Geschichte von Iefu Taufe im l. Abschnitt deg vor- liegenden Theils der euangeL Geschichte folgt auf das zwischen eingeschobene Geschlerhtgregister im L. Abschnitt und auch an dieses dem inneren Zusammenhange nach lich eng asifchließeicd im Z. Ztlsfrhititt die Geschichte non der Versuchung durch den Teufel. Still-ka- seht da wie ein Maler die 3 Uersurhungrn als Ttnbleatkg neben einander, indem er mit einem einfachen »und« sie verbindet, nnd reiht an die erste sogleich die dritte, so daß die zweite erst zuletzt folgt, daher nun diese Ordnung: dag leibliche, das bürgerliche und das reli- giöse Leben, hervortritt; St. jittatthiius dagegen verfuhr wie ein Geskhithlsmreiber nnd hielt die Zettfolge genau« inne, die dann auch in den drei lhcuwtepochett der ge· schichllicljen Entmictcelnclg der Sünde im itienfrhengeschlerljt nach Maßgabe der Buhl 666 in 0ssenb.13,13 erscheint. (Ugl. Rauh. 4, l-—11; Mark. 1, 12 n. 13.) 1. Jesus aber -voll heiliges Geistes salso nicht aus eigenem Antrieb, menfchliche Willensregung würde ihn vielmehr getrieben haben, sofort mit dem Lehren zu beginnen], kam wieder von dem Jordan san den er zu Johannes gegangen war Z, 211 und ward vom Geist in die Wuste [Qua- rentania] geftlhreh 2. Und ward Daselbst] vierzig Tage lang von dem Teufel versuchtks Und er aß nichts in denselbigen Tagen; und da dieselbigen ein Ende hatten, hungerte ihn darnach swährend er m jenen Tagen selber den Stachel des Hungers nicht em- pfunden hatte]. 3. Der Teufel aber sder diesen Zeitpunkt, wo der erschöpfte Körper sich ganz ohnmächtig fühlte, abgewartet hatte, um da einen entschei- denden Anlauf zu machen] sprach zu ihm: Bist du Gottes Sohn swofür du ja bei deiner Taufe ausdrücklich erklärt worden Z, 22], so sprich zu demd Stein sden ich dir hier zeige], daß er Brod wer e. 4. Und Jesus antwortete und sprach zu ihm: Es stehet [5. Mos. 8, Z] geschrieben: Der Mensch lebt nicht allein vom Brod, sondern von einem. jeglichen Wort Gottes « sdie Weglassung der Worte »das durch den Mund Gottes gehet« soll der Rede in Christi Munde die prägnante Form eines kurz entschlofsenen Willens geben]. 5. Und der Teufel fiihrete ihn auf einen hohen Berg und weisete ihm alle Reiche der ganzen Welt in einem Augenblick [1. Tor. is, 2], b. Und sprach zu ihm: Diese Macht süber die Reiche der ganzen Welt] will ich dir alle geben und ihre sder Oberherrschaft über alle Königreiche auf Erden] Herrlichkeit; denn sie sdie Herrlichkeit der jetzt in diesen Reichen herrschenden Könige] ist mir übergeben, und ich gebe sie, welchem ich will [2. Cur. 4, 4; Offenb. 13, 2]. 7. So du nun mich willst anbeten shuldigend vor mir niederfallenL so soll es alles dein sein. 8. Jesus antwortete ihm nnd sprach: Heb dich weg von mir, Satan; es stehet sin 5. Mos. e, is] geschriebem Du sollst Gott, deinen HErrm anbeten nnd ihm allein dienenXtt 9. Und er sum hier noch einer mit der eben erzählten Versuchung ähnlichem die aber derselben vorausging, zu gedenken] fithrete ihn gen Jeru- salem und stellete ihn auf des Tempels Zinne und sprach zu ihm: Bist du Gottes Sohn, so laß dich von hinnen hinunter; 10. Deut! es steht sin Pf. 91, 1l] geschrieben: Er wird befehlen seinen Engeln von dir sodee in Beziehung auf dich], das; sie dich bewahren, 11. Und auf den Händen tragen, ans daß du nicht etwa deinen Fuß an einen Stein stoßen. 12. Jesus antwortete nnd sprach zu ihm: Es ist sdagegen andrerseits in 5. Mos. G, Its] gesagt: Du sollst Gott, deinen HErrn, sticht versuchenAs 13. Und da der Teufel alle Versuchung sdie er nach Gottes Rath an das Haupt der neuen 631· 632 Evangelium Lucä 4, 13 Anm. Menschheit bringen durfte Hes. 32, 32 u. Ofsb is, 18 Arm] vollendet hatte, wich er von ihm eine Zeit langH snämlich bis zu dem zweiten Hauptanlauf in den Tagen der Passion, und zwar da durch alle Schrecken des Todes]. V) Der HErr sollte nicht hingehen in der Wonne, der Sohn Gottes, der mit dem heil. Geist ohne Maß Er üllte zu sein, der über den Jammer, den die Sünde au Erden bereitet hat, hinwegschreiten dürfte und nur von Oben herab rettende Lebensströme in die Seelen hineinzusenden hätte; sondern er ist in der Taufe zum Mittler und Hohepriester der Menschen geweiht, ist da hinuntergetreten unter die Last, die er als das Lamm Gottes zu tragen hat, und muß nun solche seine Aufgabe in sich verarbeiten und sich zu eigen machen. (Hossmann.) Alle Gerechtigkeit zu erfüllen, dazu hatte er sich freiwillig erboten, und der Vater hatte sein heiliges Siegel darauf gedrückt; aber welche unendliche Aufgabe war es, dies in der That und Wa rheit unter der sündigen Menschheit auszurichtenl Zu ieser Aufgabe konnte er, unmöglich schreiten, ohne zuvor noch einmal in der Stille vor seinem Vater ich zu sammeln, das ganze Gewicht des Werkes zu er- wägen, den Kampf im Geiste zum Voraus durchzu- kämpfen. Er zeigt uns, wie wenig auch die Fülle des Geistes ein Recht giebt, sich unvorbereitet in ein hohes Werk hineinzuwerfen und sich auf die Eingebungen des Augenblicks zu verlassen. (Riggenbach.) Nach Lukas und Markus war Jesus während dieser anzen Zeit von ununterbrochenen Anläufen verfolgt; seine innere Arbeit, da er sich dem Nachdenken über die ihm vor- liegende Aufgabe an Israel und der ganzen Welt (in ersterer Hinsicht wohl besonders aus Grund des 5.B. Mose, aus dem er auch in V. 4. 8 u. 12 feine Waffen wider den Versucher als aus einem Zeughause ent- nimmt) hingab, wurde durch fremdartige, den heiligen Gedanken, mit welchen er beschäftigt war, entgegenge- setzten Einflüsterungen gehemmt. Bei Matthäus ist diese dumpfe Thätigkeit des Feindes, wodurch die letzte Erscheinung vorbereitet wurde, nicht erwähnt. (Godet.) Es wird dem Teufel gestattet, sich auf Kund- schaft zu legen, durch allerlei Versuche die Zugiinge zu der festen Burg des Menschensohnes auszuspähen, seine Leitern anzulegen und zu sehen, ob die Burg irgendwo schwach vertheidigt ist und im Sturm genom- men oder mit List überrumpelt werden kann. (Münkel.) Ei) Wie bei der ersten Verführung auf Erden der Teufel der Eva das Wort Gottes verleidete, so faßt er hier das Wort des Vaters an: »du bist mein lieber Sohn«, und rüttelt daran. Die Versuchung ist aber sehr fein; er will den Heiland nicht etwa zum Zweifel an dem Worte des Vaters bewegen, sondern ihn viel- mehr zu einem Beweise seines Haltens an diesem Worte reizen. (Besser.) Was wäre auch an dem, was der Teufel ihm zumuthete, Unrechtes gewesen? so scheint es; warum hätte der HErr seine Wunder- kraft, die er hernach für Andere gebrauchte, nicht für sich selbst anwenden dürfen? das Sittengesetz gebietet nicht, den Nächsten mehr zu lieben als sich selbst. Aber wenn Jesus dieser Einflüsterung Gehör gegeben hätte, hätte er ja die Grundbedingung des irdischen Daseins aufgehoben, welchem er sich aus Liebe zu uns unterworfen hatte; er hätte seinen Stand als Menschensohn verleugnet, um seinen Stand als Gottessohn vor der Zeit zur Erscheinung zu bringen, und den Akt seiner Menschwerdung gewissermaßen zu- rückgenommen. Da erklärt nun der HErr, daß ihm niemals in seinem Erdenlauf irgend eine physische Nothwendigkeit dazu bringen werde, auf Grund seiner Sohneswürde die demüthige Daseinsform, welche er bei seiner Menschwerdung angenommen, zu verleugnen; obgleich er Sohn ist, will er doch gehorsam bleiben selbst bis zur Schwachheit des Todes. (Godet.) Bei dem ersten Menschen lag kein Bedürfniß vor, und außerdem bestand das Hemmniß eines ausdrücklichen Verbotes Gottes; hier dagegen ist ein reines Bedürf- niß vorhanden, und da kein Verbot im Wege ist, so scheint das Bedürfniß zugleich die volle Berechtigung zur Befriedigung zu sein. Genau in diesen Punkt setzt das Versucherwort ein, und gewiß schloß die Gottessohnschaft, welche Jesu bei der Taufe feierlich zugesprochen war und deren Bewußtsein ihn auch jetzt durchdringt, die Möglichkeit dieses Wunders ein, ja, je mehr er sich als Gottes Sohn wissen durfte, desto größer schien auch das Recht zu sein, das Bedürfniß seines Hungers zu befriedigen; aber Jesus weiß auch, daß sein Versuchungsstand für ihn so wenig zu Ende ist, daß es vielmehr in diesem Augenblick recht eigent- lich auf die Gutmachung des ersten menschlichen Fehl- tritts, des verbotenen Genusses ankommt, und nur dadurch kann das Genießen Adams von der verbote- nen Frucht sowie das Murren Jsraels über das himmlische Manna wieder gut gemacht werden, daß er im klaren und bewußten Gegensatz zu der seit- herigen Verirrung sich ganz und gar in das Wort des Mundes Gottes wieder zurückstellt und von diesem belebenden Hauch, dem der Mensch seine Existenz ver- dankt, auch die Fristung seiner Existenz in der Welt erwartet. (Baumgarten.) Auf der Hochzeit zu Eana thut hernach der HErr, ohne daß eine Pein des Leidens nach Hilfe rief, sondern er nur Freude spenden wollte aus dem Reichthum heiliger Liebe, wesentlich das Gleiche, was er hier verweigerte, und verhieß mit solchem Zeichen: ja, ich werde die Wüste verwandeln in ein blühendes Gefilde, aber zu seiner Zeit« und der Weg dazu ist Verzichtung aus mein selb tsiichtiges Wohlergehn, Entäußerung meiner selbst und Verleug- nung bis zum Tode. (Riggenbach.) Arm sein, hun- gern, vielleicht im eigentlichen Sinn des Worts, oder auf andere Weise in allerlei schweren Verhältnissen leben müssen, etwa in einem aufreibenden Beruf, da- rin Lohn und Anerkennung in keinem Verhältniß stehen zu Mühe und Selbstverleugnung, die er mit sich bringt, oder in einer unglücklich ausgeschlagenen Ehe oder in beständigen nutzlosen Kämpfen ausharren müssen, nur mit dem Elend sich schleppen und seine Kräfte vergeblich aufzehren müssen —- das ist kein süßes Loos; da hat schon bei Vielen der Versucher angesetzt und gesprochen: ,,foll das in Ewigkeit so fortgehen? willst du aushalten, was nicht auszuhalten ist, und mit dem himmlischen Vater dich trösten? trag’s nicht länger, du hast’s-lang genug getragen; wirf’s ab, so und so kannst du dir ja helfen; es kostet dich nur einen Entschluß, saß ihn; nur ein Wort, sprich’s; nur einen einzigen Schritt, thu ihn — und dein Elend hat mit Einem Mal ein Ende; vom Gott- vertrauen und vom Glauben kann unter solchen Um- ständen doch kein Mensch leben.« Manche haben widerstanden, Manche aber auch nicht; Manche haben geradezu gethan, was sie nimmermehr werden recht- sertigen können vor Gott, haben den Bund mit Gott gebrochen und dem Teufelsrath Gehör gegeben, oder haben durch Unzufriedenheit, Bitterkeit, Kleinglauben und Widerspenstigkeit um den Segen des Kreuzes sich gebracht. (Easpari.) »Es-F) Der Antrag, welchen der Versucher hier dem HErrn macht, ist mitsammt der Bedingung, welche er ihm stellt, öfters für eine zu grobe Falle erklärt Der Teufel meidet Jesnm eine Zeitlang. worden, als daß dergleichen von einem so klugen Geist hätte ausgehen können« aber als Mensch gehörte Jesus in das dem Satan übergebene Gebiet und konnte, wie es schien, die Nachfolge in der Welt- herrschaft, dazu er berufen war, nur antreten, wenn der Satan selbst ihm die Belehnung mit seinem Reich (Joh. 12, 31; 14, 30) zuertheilte, andernfalls galt es einen Kampf auf Tod und Leben, bei welchem der HErr nichts als Schmach und Verfolgung, Armuth und Elend, Noth und Schaden, ja für sich selbst wie für seine Gemeinde äußere Vernicht1ing und Unter- gang zu erwarten hatte. Gegen Denjenigen streiten, der die Welt seit 4 Jahrtausenden in Vesitz hatte und über alle höllischen und menfchlichen Machtmittel gebot, um sie auch in Besitz zu be alten; die Welt zu er- obern mit Beschränkung au das einzige Mittel der geistigen Wirkung auf die Seelen, wo erst eine nach der andern auf dem gar langsamen Wege der inneren Heiligung gewonnen werden muß und dann auch wieder die Zusammenschließung der einzeln gewonne- nen Seelen zu einer recht gestalteten Gemeinde eine überaus mühselige und Jahrtausende hindurch nur allmälig und dürftig fortschreitende Arbeit ist, — das war noch ein weit schwierigerer Krieg, als wenn ein König einem andern begegnen soll mit Zehntausend gegen Zwanzigtausend (Kap. 14, 31), und gewisser- maßen eine Aufgabe von der Art derer, welche die griechische Sage dem Sisyphus in der Unterwelt zu- schrieb· Jn der Wirklichkeit wird denn auch der Hei- land, der dem Versucher gegenüber auf alle äußeren politischen Machtmittel verzichtet und die in Joh. 18, 36 u. Luk. 24, 26 ausgesprochenen Grundsätze für Aufrichtung seines Reiches erwählt hat, nach den An- deutungen der Schrift 3 weitere Jahrtausende nöthig haben, ehe er das in l. Cor. 15, 25 ff. angegebene Ziel erreicht, und zu seiner schweren Arbeit, der er sich unterzogen hat, gehört nicht blos, was er in den Tagen seines Fleisches persönlich gethan und gelitten, sondern auch, was von der Apostelgeschichte an bis hin zu dem Ende der in der Offenbarung enthüllten Zu- kunft ihm vom Himmel aus zu vollbringen und in den Gliedern seines Leibes, der Kirche, zu erleiden obliegt. Wenn auch weniger um seinetwillen, obwohl das Kreuzesleiden für unser Verständnis; viel zu tief ist, als daß wir es in seiner ganzen Schwere irgend zu fassen vermöchten, so doch gewiß um der Seini en willen, deren Märthrerleiden in der apostolischen eit und dann wieder zur Zeit des Antichrists, abgesehen von den dazwischen liegenden Zeiten, wir auch nur von Hörensagen kennen und nur nach dunkeln Vor- stellungen ermessen, hätte der HErr sich wohl versucht fühlen können, das Friedensanerbieten des Fürsten dieser Welt anzunehmen und auf einen Vergleich mit demselben unter dem Vorbehalt einzugehen, die Welt, wenn er sie erst im Besitz hätte, alsdann mit geist- lichem Segen in himmlischen Gütern zu segnen; war er einmal in Folge seiner Selbstentäußerung versuch- bar geworden nach Menschenweise, so mußte er auch einer mur nicht von innen heraus entstandenen, son- dern von außen an ihn gebrachteni Versuchung zu- gcinglich sein, wie sie uns allen begegnet, mit der Welt und ihrem Fürsten zu unterhandeln, um uns und Andern schwere Kämpfe und so viele anscheinend fruchtlose Arbeit zu ersparen. ,,Alles in der Welt er- schwerte ohne Vergleich die Aufgabe des Berufes Christi und war geeignet, jeden Sinn zu blenden, der nicht völlig lauter war: muß ich nicht, wie es in der Welt nun einmal stehet, wenn ich das Ziel erreichen will, zum Heile der Welt selber zu Mitteln greifen, die ich sonst nimmermehr ergrisfe?« Was den Evan- 633 gelisten bewogen hat, die dritte Versuchung an die zweite Stelle zu setzen und dagegen den Beschluß mit der andern von den drei Versuchungewzu machen, läßt sich allerdings- in entscheidender Weise nicht be- stimmen; jedenfalls aber hat er» insofern ein Recht dazu, als die zweite und die dritte-Versuchung eng mit einander verwandt sind und es sich bei dieser nun- mehr um die Weltherrschaft überhaupt handelt, nach- dem es sich bei jener um das Königthum uber Jsrael gehandelt hat. Mit letzterem war es zu der Zeit, wo St. Lucas sein Evangelium schrieb, vor der Hand vor- über, dagegen stand erstere ini Vordergrund; auf»diese lenkt er denn vorerst den Blick, um dann nachtraglich auch jener zu gedenken. »— Man muß nicht etwa mei- nen, die Worte des Satans: ’,,diese Macht will ich dir alle geben und ihre Herrlichkeit; denn sie» ist mir uber- geben, und ich gebe sie, welchem ich will«, seien eine bloße renomistische Lüge, der es an allem Halt in der Wirklichkeit fehle; dies kann schon darum nicht sein, weil mit dieser Annahme die versuchende Kraft der Worte ganz hinfallen würde. Die Schrift stimmt auch ganz mit der Aussage des Teufels uber sein Reich zusammen, indem sie immer festhalt, daß der Wider- sacher aus dem ihm einmal übergebenenf Reiche nicht mit Gewalt hinausgesetzt werde, sondern uber dasselbe, freilich in bestimmten Grenzen, so lange frei verfuge, bis er auf dem Wege der sittlichen Entscheidung uber- wunden sein werde. Jesus wird »«also,· was er uber sein Reich sagt, willig zugeben, ·wie er ihn denn auch nicht ohne Grund so oft den Fürsten dieser Welt ge- nannt hat; ja noch mehr, die Weise, wie er die ganze Weltherrlichkeit zeigt, ist der unmittelbare »Selbst- beweis, daß er über seine Macht nicht zu viel sagt. Wir müssen uns deinnach vorhalten, daß Jesus »von der Weltmacht des Satans in diesem Augenblick einen so überwältigenden Eindruck haben mußte, wie sonst nicht wieder; ebenso aber auch, daß er selber in An- sehu1ig der äußeren Dinge in der Welt unter diese Macht des Weltfürsten gestellt sei. Erst dann, wenn man sich dieses völlig klar macht, wird man gewahr, daß hier die Versuchung ihre höchste Spitze erreicht- Man muß nur noch hinzunehmen, daß das Uebergeben der Welt, welches Jesu zugesagt wird, so verstanden werden muß, daß Jesus sie dann nach seinem Willen behandeln kann; es wird also das Ziel als ganz das- selbe bezeichnet, welches Jesus .sich als das seinige ge- setzt hat. Und was die Anbetung anlangt, so will nicht übersehen werden, daß der Teufel eine Anerken- nung verlangt, welche, auf das bloße Machtverhaltniß zwischen ihm und Jesus gesehen, nicht übertrieben zu sein scheint, insofern Jesus in die Ordnung der Welt, welche dem Satan übergeben ist, ja eingegangen ist und sich derselben ohne Vorbehalt unterworfen hat. Das Verhältniß zwischen dem, was der« Teufel auf- stellt, und dem, was Jesus aus-führt, stellt sich dem- nach so, daß der Zweck des Seins Jesu in der Welt unangeriihrt bleibt; er empfängt aus beiden Wegen die Herrschaft über die Reiche der Welt, nur tritt er diese Herrschaft, wenn er die vom Satan gestellte Be- dingung erfüllt, sogleich an, während sie ihm auf dem Wege, den er sich erwählt, erst am Ende der ganzen Entwicklung zu Theil wird. Hinzunehmen muß man endlich noch, daß es eine allgemeine menschliche An- 1iahme ist, nicht blos der Schlechten, sondern auch der Besseren, daß in’s Große und Ganze niemand wirken könne, dem nicht die Machtmittel der Welt zu Gebote stehen, daß zum mindesten die nothwendige Voraus- setzung einer solchen Wirksamkeit die sein müsse, daß die großen Machtmittel der Welt wenigstens nicht widerwiirtig gegenüberstehen — eben aiif dieser Grund- 634 Evangelium Lucä 4, 13 Anm. lage ruht z. B. Anfang und Ende des Staatskirchen- thums. Jesus selbst aber ist keinen Augenblick unent- schievden; ihm ist es vollkommen klar, daß die besten Abstchten und heiligsten Zwecke nichts fördern, sondern vielmehr in ihrem Keim verdorben werden, sobald für das Reich des Geistes, welches er gründen will, Macht und Gewalt und die daraus ruhende Herrlichkeit als etwas Selbständiges und Nothwendiges — denn das eben ist der Sinn der verlangten Anbetung — a11er- kannt werden solle; er weiß es, daß sobald eine solche Beugung vor der Macht und Gewalt der Weltmächte vorhergegangen, selbst der heil. Geist den geschehenen Fehler nicht wieder gut machen kann, daß eben des- halb alles, was Gutes und Schönes bis dahin in der Welt gewesen ist, wieder aufgelöst und vernichtet worden ist, weil es noch bisher keinem Menschen ge- geben war, dieser Grundlage, welche ihm der Ver- sucher zur Verfügung stellt, für sein Wirken in der Welt entbehren zu können. Freilich kann es ihm ja nicht verhalten sein, daß, sobald er die angebotene Bedingung von sich weist, er nicht blos keine Förde- rung von Seiten der Weltmächte zu erwarten habe für sein Werk, sondern er auf den äußersten Wider- stand von Seiten der Gewalt, welcher die gesammte Aeußerlichkeit der Welt dern1alen übergeben ist, gefaßt sein müsse. Jesus kann die große Lockung des Welt- fürsten nicht zurückweisem ohne seiner ganzen drohen- den Macht Trotz zu bieten und damit nicht blos für sich den äußersten Kampf auf sich zu laden, sondern auch die Verantwortung für alle Noth, Versuchung und Gefahr, die den Seinigen aus dieser Entscheidung entstehen muß, auf sich zu nehmen; nichts desto weni er besinnt sich Jesus keinen Augenblick, sondern hält em Verführer das Schriftwort 5. M. 6, 19 ent- gegen. (Baumgarten.) Der Vater will seinen Sohn durch Leiden des Todes zu einem HErrn und Christ machen, indem er ihn von den Todten auferweckt und zu seiner Rechten über alles seht; der Teufel zeigt Jesu einen leichteren und bequemeren Weg: ohne Kreuz will er ihm die ganze Welt geben für einen bloßen Fußfall, für eine leichte Huldigung Und wer hätte den Gewinn davon, wenn Jesus darauf einginge? der Teufel hätte den Gewinn; er hätte den Mann, nach welchem er noch bis diese Stunde mit Schmerzen. sucht, den er zum Widerchrist machen könnte, zum Menschen der Sünde und zum Kinde des Verderbens, der Satans Stuhl befestigte (2. Thess. 2, 3 ff.), denn da hinaus laufen alle feine Versuchungen, sein Rei zu befestigen und Abtrünnige zu machen. (Münkel.) Wenn ihn Christus »— das ist des Teufels Meinung bei der geforderten Anbetung — nur einen Gott und Fürsten dieser Welt (1.Eor.10, 20) bleiben lassen und nicht die Sünde, auf die sein Eigenthumsrecht an die Welt sich gründet, tragen und wegtragen wolle, so werde er ihn frei gewähren lassen, ja sein Bundes- genoß sein. Davor hätte also der Teufel sich nicht gefürchtet, wenn der Heiland sich nach dem Zeitgeist bequemt und sein Reich mit äußerlicher Macht und Herrlichkeit aufgerichtet hätte; er würde alsdann den- noch der Herr geblieben sein, den die Sündenknechte anbeten· (Besser.) Der Gedanke, in den Geist der Welt und in die Art des Fürsten dieser Welt einzu- gehen und mit natürlichen, irdischen, fleischlichen, von der Sünde durchflochtenen Mittel rasch sich in den Besitz der weitesten Herrschaft zu setzen, um dann sie geistlich zu gebrauchen und von oben herab, vom Throne des Weltherrschers wie er jetzt zu Rom Zänzta mit der Macht eines königlichen Beispiels und organges, ja mit der königlichen Gewalt Gerechtig- keit, Einsicht und Erkenntnis» heilsame Wahrheit zu verbreiten und nun aus dem Erdenreich ein Himmel- reich zu gestalten, die irdische Herrschast in eine Geistes- macht zu verklären —- warum soll dieser Gedanke nicht als Versuchung vom Fürsten dieser Welt an die heilige, unschuldige Seele Jesu herangebracht worden ein? Fragen wir uns: kommt bei unsern Plänen, Aussichten und Phantasiebildern von der Zukunft, wenn wir das, was wir am heißesten wünschen — der eine dies, der andere jenes —- einmal zu einem ausgeführten Gemälde ausbreiten und uns so hinein- denken, wie wir sein würden und wie wir thun wür- den, wenn dies Gemälde Wirklichkeit wäre, kommt da nicht die Sünde herein? nimmt da das Fleisch keinen Antheil? weisen wir da alles zurück, was auf Eitel- keit, auf Hochmuth, Herrschsuchh was auf Ehrgeiz ruht? (Hoffntann.) Der Satan zeigt jedem von uns eine Herrlichteit der Welt, und jedem gerade die, zu welcher er ein besonderes Recht zu haben meint oder zu welcher er eine besondere Lust hat: dem einen Geld und Gut, dem andern Ehre und hohe Stellung oder einen berühmten Namen, dem andern ein behagliches, ruhiges, sorgenloses Lebensloos, dem andern Glanz und Pracht, Vergnügen und Zerstreuung Und dabei zeigt er auch noch einem jeden einen leichten Weg zum Ziele zu kommen: wenn er mit dem Ehrigzenthum nur ganz aufräume, den Glauben über Bor werfe, das Gewissen stumm mache, alles, was er bisher meinte fürchten zu müssen, als ein Kindermärchen an- sehen wolle, dann solle er an’s Ziel seiner Wünsche kommen. ,,Mach ganzen Ernst, gieb Gott den Ab- schied und versuch’s einmal mit mir!« so lautet dieser Rath. Die auf solchen Rath eingegangen sind, die stehen schwerlich noch im Gotteshause; Mancher ist aber vielleicht noch gegenwärtig, bei dem sBFkYs um diese letzte Entscheidung bereits handelt, ancher, dessen Glaube und dessen Scheu vor Gottes Gebot nur noch an einem dünnen Faden hängt, weil er dem Versucher Macht gelassen, über den das Gericht der Berstockuiig bereits im Anzuge ist, weil er dem heil. Geist allzulang muthwillig widerstrebt hat, die war- nende Stimme seines Gewissens zu oft übertäubh die nach ihm greifende Hand des erbarmenden Gottes zu oft schon zurückgestoßen hat. Doch noch ist’s Zeit, den Stricken der Finsternis; zu entrinnen! (Caspari.) s) Jn der Zumuthung des Teufels: ,,bift du Gottes Sohn, so laß dich von hinnen hinunter,« ist zwar kein theologischen wohl aber ein logi cher Zusammenhang. Wer Gottes Sohn ist im vollen Sinne des Worts, der muß vom Himmel gekommen sein; diesen himmlischen Ursprung sieht man ihm aber nicht an, denn er ist in allen Aeußerlichkeiten den übrigen Menschen gleich, gleichwohl ist der Glaube an seinen himmlischen Ursprung die nothwendige Grundlage für alles, was er in der Welt wirken kann und will, und darum muß dieser Glaube erweckt werden. Wenn nun Jesus sich von des Tempels Zinnen herabließe und wohl bewahrt unten ankäme, so wäre das ein augenscheinlicher, handgreiflicher Beweis seiner gött- lichen Sohnschaft, seiner himmlischen Abkunft, und es wäre das die allerwirksamste Einleitung seiner gött- lichen Thätigkeit. Der Teufel sucht lierauf seinen Rath, der an si schon einen heiligen chein für sich hat, durch Beru ung auf die göttliche Verheißung des 91.Psal1ns zu empfehlen; in dieser Verheißung smdet sich aber in Beziehung auf den zugesagten wunder- baren Schutz eine Beschränkung: »dich behüten auf allen d einen Wegen, und diese Beschränkung schließt ein, daß derjenige, welcher sich auf die göttliche Be- hütung verlassen will, gewiß sein muß, daß die Wege, für welche er den Schutz erwartet, wirklich auch seine Von der Versuchung Jesu. 635 Wege, die ihm zugewiesenen und befohlenen sind, und nicht etwa andere, die ihm untersagt find. Der Teufel jedoch läßt die Veschränkung aus und macht durch solche Verstümmelung den Spruch zu einem Hilfs- mittel der Verführung Die Hauptfrage für«Jesuni, ob der Weg, den der Versucher ihm zeigt, der rechte sei, entscheidet diese Stelle nicht; darum läßt er sie an ihrem Ort, er weiß aber aus einer andern Schrift, daß jener Weg nicht der ihm zugewiesene, nicht der seinige ist, mit in jene Verheißung hier keine Anwen- dung leidet. ( aumgarten.) Er läßt den Spruch aus dem Psalter wohl gelten; aber er läßt ihn im Lichte eines andern Spruches glänzen, da man denn wohl siehet, daß die Engel nicht dazu da sind, die verniesfe- nen Luftsprünge der Menschen zu behüte1i; sie können ja nicht zween Herren dienen, und so können sie nur dann uns behüten, wenn dieser ihr Dienst, den sie uns leisten, ein Gottesdienst zugleich ist, wenn sie uns auf Gottes Wegen betreffen. Man siehet: gleichwie niemand Jesum einen HErrn heißen kann, ohne durch den heil. Geist, so kann auch niemand die Schrift recht brauchen, ohne durch den hI. Geist. (Besser.) Wo aber Jesus später in der Ordnung feines Amtes in Gefahr ge- rieth, wo sie ihn über die Felswand in Nazareth stürzen oder im Tempelvorhof steinigeu wollten, oder wo es sich darum handelte, nicht die fleischliche Menge zum abergläubigen Staunen zu erregen, sondern die ge- ängsteten Jünger auf stürmischer See zu erretten und zu stärken: da vertraute er dem Schutze der tragenden Engel, und vertraute demselben nicht umsonst; und uachdem er seine heilsamen Wunder, soviel an ihm la , allezeit verhüllt hatte, da nahm er es zuletzt an, da? ihm, dem Sohne Davids, als er auf dem fried- lichen Thier seinen Einzug hielt, das Hosianna ge- rufen wurde, das er durch keinen Sturz von des Tempels Zinne zu erobern begehrte. (Riggenbach.) Der Versucher hat den von ihm angeführten Spruch so gewendet und verwendet, als ob er auf den Sohn Gottes im höchsten, ja — mit Weglassung der Worte: »auf allen deinen Wegen«, als wären sie bei ihm, dem Sohne Gottes, überflüssig oder wohl gar unan- wendbar — im ausschließlichen Sinne gemeint sei; da wendet nun auch Jesus den von ihm gebrauchten Spruch so, als gälte er ihm insonderheit, ja aus- schließlich, indem er das ,,ihr sollt den HErrn, euren Gott, nicht versuchen« in die Einzahl umsetzt: »du sollst Gott, deinen HErrn, nicht versuchen.« Diese demüthige Vertheidigung feines hochheilige1i Berufs wird aber wie von selbst zum allerschärfsten Angrisf auf den Satan: du, Satan, sollst ablassen von dem Frevel, den du jetzt verübst, von deiner Versuchung des Heiligen Gottes! Dieser ist denn jetzt entlarvt und muß seine weitere Versuchung als der, der er ist, vornehmen, ohne daß er sich länger verhüllen dürfte. (Matth. 4, 3 Anm.). Alles Gottversuchen geht von dem Zweifel aus und besteht in einem willkürlichen und eigenmächtigen Mittel, des Zweisels erledigt zu werden; in der ihm angerathenen Handlungsweise nun lag für Jesum der Zweifel, ob ihm Gott die An- erkennung seiner Gottessohnschaft unter dem Volk, auf welches er wirken sollte, auf dem getvöhnlichen und geraden Wege, der über den Erdboden hinführt, werde verschaffen können, oder ob nicht vielmehr Gott gleich- sam müsse nachgeholfen und ihm zu außerordentlichem, wunderbarem Eingreifen Gelegenheit geboten werden. So klar es aber dem HErrn vor Augen steht, wie weitaussichtig der Weg sein werde, wenn er die An- erkennung seiner göttlichen Würde auf der Bahn der sich streng an das Jrdische und Natürliche anschlie- ßenden Entwickelung erringen sollte, so entscheidet er sich gleichwohl für den langsamen und mühseligen Weg, auf welchem er seine göttliche Ehre nicht wie einen Raub an sich hält, sondern sich derselben soweit entäußert, daß sie in die höchste denkbare Schmach versenkt wird, damit er sie darnach um so sicherer und heilbringender besitzen möchte; ja, am Kreuz noch, als durch den Mund der Spötter der Teufel rief: ,,bist du Gottes Sohn, so steige herab vom Kreuzsp hat er den Gehorsam gegen den Vater und die Liebe zu uns Sündern die Nägel sein lassen, die ihn am Kreuze festhielten. ,,Hätte Jesus sich verleiten lassen, das Einschreiten der Allmacht in Anspruch zu nehmen zur Rettung aus einer Gefahr, in welche er nicht im Dienste des Guten sich begeben hätte, so hätte er Gott in die Nothwendigkeit versetzt, entweder ihm die Hilfe zu versagen und so eine Scheidung zwischen Vater und Sohn herbeizuführen, oder, wenn auch nur augen- blicklich, seine Allmacht von seiner Heiligkeit abzutren- neu, was einen Zwiespalt in die Elemente seiner Natur gebracht, sein Wesen vernichtet hätte; in beiden Fällen wäre es mit Jesu, ja, man möchte sagen, mit Gott aus gewesen. (Godet.) — Ansehen, Ehre, Lob — wer wäre dafür nicht empfänglich? Es giebt Leute, welche alle ihre Nebenmenschen verachten, aber nicht deren Lob und Ehre; man sollte erwarten, sie würden sich durch das Lob so verächtlichen und von ihnen wirklich verachteten Gesindels getadelt fühlen, aber nein! sie fühlen sich dadurch fast geadelt. Es ist süß, verehrt zu werden, und im wallenden Staub zu wandeln findet man ganz schön, wenn es nur unter dem Lob der Staubigen, der Staubbewohner geschieht. Ach, wie eitel ist der Mensch, wie hoffärtig und hoch- miithig — und, so demiithigend es ist, so zerknirschend, diese Frage ohne Erfolg zu thun, ich möchte doch wissen, ob außer dem Einen, den alle Engel loben, noch einer je auf Erden gewesen ist oder kommt, der in diesem Stücke vorwurfsfrei durch’s Leben und zu Grabe geht? (Löhe.) Wie Mancher ist unter uns, der bei der Versuchung Christi, sich von der Zinne des Tenipels im Vertrauen auf den Schutz der Engel, sagen muß: hier ist die Versuchung beschrieben, die mich betroffen und die niich zu Fall gebracht hat. Er meinte sich etwas zutrauen zu dürfen, achtete seine Frömmigkeit so wohl begründet, seine christlichen Grundsätze für so fest, daß er nicht zweifelte, sich ganz in der Hand zu haben, so daß er auch einmal sich freier werde bewegen können, als er bisher es gewohnt oder als bisher ihm erlaubt war; daß er der Meinung war, Dinge, die einem Andern vielleicht zum Verderben ausschlagen könnten, etwa das Lesen gottloser Büchen der Umgang mit schlechter Gesellschaft, die Erreichung eines erlaubten Ztvecks mit unerlaubten Mitteln, eine leich- sinnige Stunde, ein einmaliges Mitmachen bisher ent- behrter Lustbarkeitem ein erster und einziger Schritt au dem abschüssigen Weg der Sünde, das sei für ihn ohne Gefahr. Und nun trat der Versucher heran und bot die Hand dazu, und seine Stimme sprach: ,,freilich, sollst gerade du immer so ängstlich sein? gerade du immer jeden Weg verschmähen, der nicht im allerge- wöhnlichsten Geleise geht? soll dein Leben so ganz in der Stille verlaufen? sollst du allein das ewige Einerlei nie satt bekommen? sollen alle Andern dir es vorthun, und du, wenn’s zur Ehre oder wenn’s zur Lust oder zum Vergnügen geht, nur das Zusehen haben? Wag etwas; ein Mal ist kein Mal; Gott hat Geduld, und du wirst ihm immer noch so viel werth sein, daß er nicht sogleich die Hand von dir abziehen wird« Du hast der Stimme Gehör gegeben und hast’s ge- wagt; und uachdem du den ersten Schritt gethan, war kein Aushalten mehr, es ist in« die Tiefe gegangen, 636 Evangelium Lucä 4, 14 u. 15. und jetzt vielleicht liegst du zerschmettert — Glück, Ehre, Glaube und Friede, alles ist in Trümmer ge- gangenx jedenfalls haft du eineii Fall gethan, den du niemals mehr ganz verwinden wirst. (Caspari.) · «) Die Worte dürften vielmehr bedeuten: ,,bis zu einem gunstigen Augeublick«; der Satan erwartet also wieder eine eigenthumliche Gelegenheit, einen eben so bequemen» Zeitpunkt, wie den in V. I f. Dieser so ausdrucklich angekiindigte Kampf kann nur der von Gethsemane sein. ·,,Dies ist die Stunde der Finsternis-«, sagt Jesus dort lKap. 22, 53), und unmittelbar zuvor hatte er gesagt (Joh. 14, 3()); »der Fürst dieser Welt kornmtfz da fand der Satan in der That in der Seele Jesu»einen Angriffspunkt Wie er in der Wüste das Gemuth, das noch keine Lebenserfahrung hatte, durch die Hoffnung auf glänzenden Erfolg und die Wonne des Genusses blenden zu können meinte, so fuchte er ilhn in Gethsemane durch das Schreckbild des drohenden startertodes zu überwältigem es sind dies eben die beiden Hebel, durch welche er die Menschen aus den Wegen Gottes hinausdrückt: Lust zum Genuß, Furcht vor Schmerz. (Godet.) I. v. 14—31. (§ ge) J« »in-ach. i, 11 ist augkgkvcu worden, welche Begebenheiten aus dein Øvaugelio Johanuis erst einzusihalten sind, ehe es zu derjenigen Wirksamkeit Christi liain, die wie bei den beiden ersten Evangelium, so auch bei tkulias unuiittelbar an die Geschichte von der Versuchung durrh den Teufel angereiliet wird: es ist dies die l6 Monate hindurch insofern ununterbrochen sich fortsetzendeWirltsainlieit des tijErrn in Galiläa, als er während dieser ganzen Zeit aneh nicht eiu einziges Mal nach Jerusalem genommen ist, Nach einer vorläufigen allgemeinen Uebersictit til-er die Anfänge der Thiitiglieit in Galiläa und ihren so günstig srheinenden Erfolg be— richtet der Evangelist, wie Jesus seine tkehrthätiglieit znerst seiner Vaterstadt habe zuwenden wollen, in einer Predigt iiber den besten Text, den der Vater ihu finden liest, sieh den Bewohnern von tiazareth als den Ge- salbten Gottes, der das angenehme Jahr des HErrn verständige, darstellte und mit seinem holdseligen Reden Bewunderung erregte; aber sie erslirtiten den guten Ein— drurli alsbald wieder durch beschränktes tliritteln über seine Herliunft uicd durch engherzige Ginpsiiidlistslieit iiber die Wunder, durch die er ihnen Rai-ernannt vorgezogen habe. Alls niiu Siesns sie warnte, das heil nicht, wie die Zeitgenossen des Elias und Glisa, zu verschmähen, brachte dies, das; er solrhergestalt sie mit den Jlbtriinnigeii der alten Zeit, sieh selber dagegen mit jenen großen Propheten verglich, ihre Gntriistttng vollends zum Zins— brach; ihrem Mordversiich sirh enttiehend, siedelte er nunmehr nach tiiavernaum über und iiiaehte diese Stadt fortan zu seiner Stadt. (t1Jgl. tilatth 4, 12—17; Mark. l, 14 a. 15.) 14. Und Jesus kam fnach dem Pfingstfest des J. 28 n. Chr., auf welches er in Jerusalem sich eingefunden hatte Jvhi 51 wieder in des Geistes Kraft sder ihn auch erkennen ließ, daß er jetzt, und zwar in einem bestimmten Theile des jüdifchen Landes, seine selbständige Wirksamkeit zu eröffnen habe] in Galiläaiih Und das Gerücht erscholl von ihm lbald nach seiner ersten Thätigkeit Matth 4, 23 ff.] durch alle umliegende Orte-l« fvon Kapernaum V. 31 aus gerechnet]. 15. Und er fwas vor allem seine Lehr- thijtigkeit betrifft] lehrete in ihren Schulen und ward von jedermann gepreisettr [V. 32 u. 44]. «) Die drei ersten Evangelisten machen sämmtlich in der Darstellung des Lebens Jesu einen großen Sprung, wenn sie auf seine-Taufe und Verfuchung sogleich seine, öffentliche Wirksamkeit in Galiläa folgen lassen; aber sie deuten damit, daß sie diese Wirksam- keit erst von der Zeit an datiren, wo Johannes in das Gefängniß gelegt war (Matth.4, 12; Mark. 1, 14; vgl. Luk.3, 19f.), bestimmt genug an, daß dieselbe nicht so unmittelbar auf jene beiden eng zusammen- gehörenden Begebenheiten gefolgt sei, sondern ein längerer Zeitraum dazwischen gelegen habe. Nachdem Jesus seine Taufe empfangen und so zum Christ des HErrn geworden ist, und nachdem er durch seinen drei- fachen Sieg Über des Teufels Versuchung den Grund zu seinem Heilandswerke gelegt hat, wollen die Shnoptiker ihn sofort in seiner selbsteigenem nicht mehr durch das Dasein des Vorläufers bedingten und be- schränkten Thätigkeit vorführen; darum mußten sie die ganze Zeit, in welcher eine solche Thätigkeit noch nicht möqlich war, weil Johannes seinen Lauf noch nicht vollendet hatte, bei Seite lassen. Sie unterwerfen sich damit derjenigen Ordnung, welche die miindliche Predigt der Apostel von Christo Jefu nun einmal angenommen hatte; denn nach dem ausdrücklichen Zeugniß des Petrus in Apostg. 10, 36 f. war die evangel. Votschaft oder die Verkündigung des Friedens durch Jesum Christum ,,angegangen in Galiläa nach der Taufe, die Johannes predigtefi Wenn nun Johannes in feinem Evangelium, das er nach den drei ersten geschrieben, offenbar es darauf angelegt hat, die Lücke, welche jene gelassen, auszufüllem so haben wir diese Ausfüllung deutlich in Joh. 1,19 —- 5,47 vor uns; denn in Joh. 1, 15 wird ausdrücklich auf das Zeugniß des Täufers in Matth. Z, 11; Mark. I, 7; Luk. 3, 16 Beziehung genommen, und Joh. S, 1 ff. greift in die galiläifche Wirksamkeit Christi ein mit Wiederaufnahme und weiterer Ausführung der Geschichte in Matth 14, 13 ff.; Mark. 6, 30 ff. U. Luk. 9, 10 ff., so daß der Evangelist mit der so bestimmten Abgrenzung des Vorher und des Nachher uns keinen Zweifel elassen; jener ganze Abschnitt: Joh. 1,19 —5,47 foll als Ergänzung der bei den Synoptikern gelassenen Lücke gelten, nicht aber blos der Abschnitt: Joh. 1, 19—— 4, 54 (vgl. zu Matth 4, 17), es wird uns vielmehr später klar werden, daß das in Joh. 5, 1 unbenannt gelassene ,,Fest der Juden« noch vor die Eröffnung der galiläifchen Wirksamkeit Christi fällt. Ueber die Anfänge dieser Thätigkeit giebt unser Evangelist zunächst einen allgemeinen Ueberblick. Wenn er da anhebt: »Jesus kam wieder in des Geistes Kraft in Galiläam«, so weist er damit allerdings auf Kap. Z, 21 u. 4, 1 zurück: dort kam Jesus aus Nazareth in Galiläa zu Johannes an den Jordan, um sich von ihm taufen zu lassen, und hier schon ging er von ihm in den Vollbesitz der Kraft des heil. Geistes hinweg, um in der Versuchung dem Teufel den Sieg abzugewinnem so kehrt er nun in zwiefacher Hinficht als ein Anderer, denn der er aus Galiläa gekommen, dahin wieder 1irück, er hat die Ausrüstung zu seinem prophetifchen Zlmte empfangen, aber auch bereits den rechten Grund dazu gelegt, indem er allen falschen Wegen für sein Wirken mit ganzer Entschiedenheit entsagt und einzig auf Gottes Wege sich gestellt hat. Indessen will der Evangelist, wenn er eine solche Gedankenverbindung befolgt, damit keineswegs auch sagen, daß zeit- geschichtlich die Dinge so auf einander gefolgt wären, vielmehr läßt er in V. 23 Jesum ausdrücklich auf große Dinge Bezug nehmen, die schon durch ihn zu Kapernaum geschehen, und giebt damit z1i ver- stehen, daß zwischen der Tauf- und Versuchungs- Jesus beginnt seine Lehrthätigkeit 637 geschichte und der hier genieinten Jiückkehr nach Galiläa, a1i welche ·sich das Auftreten in der Schule zu Nazareth anschloß, ein von ihm leer gelassener Zwischenraum liegt, den er nach der ganzen Anlage seines Evangeliums in bewußter Absicht übergangen hat. ,,Wo die Evangelisten nach den Zwecken ihrer Auswahl längere oder kürzere geschichtliche Partieeii übergehen, geben sie keine nähere Erklärungen darüber und zeigen auch die Lücken ihrer Berichterstattung nicht weiter als solche.an, da ihrem Plane nach dieselben eigentlich auch keine Lücken sind« H) Der 14. Vers greift sichtlich dem 15. vor, in welch letzterem erst die eigentliche Ursache des in ersterem erwähnten Gerüchts erklärt wird: die von ihm gepredigte Lehre machte erstaunli es Aufsehen und fand anfänglich Beistimmun»g; sein ort schon an sich, auch abgesehen von den Zeichen und Wundern, durch die er es bestätigte und von denen nachher die Rede sein soll, wirkte sogleich auf Viele. — Was Luther Schule übersetzt, ist eine Synogoge, d. h. der Ort des Zusanimenkommens, auch Bethaus von den Juden genannt (Nehem. 10, 39 Anm.). Die Juden hatten nach der babylonischen Gefangenfchaft solche Versamm- lungsorte zu gemeinschaftlicher Andacht und zum Vor- lesen des Gesetzes, ohne Opferdienst, in allen Städten des heil. Landes, auch überall in der Zerstreuung, oft mehrere (Apost. 9, Z; 13, 5 — in Jerusalem nach dem Talmud gar 460 oder 480, darunter die Tempel- Synagoge die vornehmste, gleichsam dieNormalsynagoge des Landes war), wenigstens einen (Apostg. 13, 14; 14, 1; 17, 1. 10); doch sind damit nicht zu verwechseln die Betplätze oder· Oratorien, ·meist außerhalb der Stadt am fließenden Wasser (Apstg. 16, 13), während die Synagogen gern auf höher gelegenen Plätzen er- richtet wurden. Außer den Sabbathen und Festtagen versammelte man sich daselbst, wenigstens in der späteren Zeit, auch am Montag und Dienstag, den beiden Markttagen der Woche, wo die Landleute ihre Friichte in die Stadt und ihre Streitigkeiten vor Ge- richt brachten (Kap. 18, 12). Gebet und Lehre waren Hauptzweck und Hauptinhalt des Synagogengottes- dienstesz ersteres bildete, wie beim Tempelcultus das Opfer, so beim Synanogencultus den bedeutendsten Theil des Gottesdienstes, und geschah unter Anleitung des Vorbeters oder schaliach (zugleich Secretärs und Boten der Synagoge, entsprechend dem Ausdruck ,,Engel« in Offb. Z, I u. s. w.), der dabei vor den heil. Schrank trat, von welchem hernach die Rede sein wird, während die Versammlung saß. Nach Beendi- gung der Gebete wurde stehend von einem Priester oder Aeltesten oder Gemeiiideglied vorgelesen, und stehend von den Anwesenden angehört (auf Grund der Worte des HErrn in 2. M. 33, 19 u. 21: »ich will lassen predigen vor dir — es ist ein Raum bei mir, da sollst du auf dem Felsen stehen«) zuerst ein Ab- schnitt aus dem Gesetz (die Parasch e) und dann einer aus den Propheten (Haphthare, vgl. Kap. 16, 29; Apostg. 13, 15. 27; 15, 21 — ähnlich hat sich in der christlichen Kirche die Ordnung der Episteln und Evangelien ausgebildet, doch entspricht die Epistel der Haphthare, das Evangelium der Parasche, man stellte nur die Ordnung um, um von dem Niederen zum Höherm, vom Wort der Apostel zu Christi selbsteigenem Wort aufzusteigen Rath. Z, 4 Anm.); wie es indessen scheint, waren zur Zeit Christi nur erst die Abschnitte aus dem Gesetz feftbestimmt, und vielleicht so, daß der gesammte Pentateuch einen Cyklus für IV, Jahren bildete und man also innerhalb 7 Jahren ihn zweimal las, die Abschnitte aus den Propheten dagegen der freien Wahl überlassen (gegenwärtig bildet der Abschnitt: Jes. 6l, 1 f., uni den es sich in V. 17 ff. handelt, die Haphthare sur den·groß»en Versöhnungstagx An die Vorlesung fchloß sich eine erbauliche Auslegung von dem Vorleser oder einem andern Glied der Versamm- lung; wie der Synagogenvorsteher irgend wen, den er dazu für geeignet hielt, zum Vorlesen auffordern konnte, so gewährte er auch demjenigen, der sich dazu getrieben fühlte, die Erlaubniß zu einem freien Vor- trag (Derascha, im jetzigen Jiidendeiitfcht Drafche), der dann sitzend gehalten wurde, bei Jesu aber ist das Selbsterbieten schon zum Vorlesen, das in seinem Auf- stehen und Besteigen des Lesepultes sich zu erkennen giebt V. 16, seiner eigenthümlichen Ueberlegenheit so entsprechend, wie die sofortige Gewährung von Seiten des Vorstehers und die Darreichung des Propheten- Buches von Seiten des Synagogendieners. Diese Einrichtung, da man auch achtbaren Fremdlingen gern Gelegenheit gestattete, ein freies Wort der Ermahnung, der Lehre und des Trostes zu reden, hat hernach den Aposteln die Predigt von Christo in den palästinensischen und außerpalästinensischen Schulen sehr erleichtert, (Apostg. 13, 15). Nach dem in der Regel vom Priester, in dessen Abwesenheit vom Vorbeter, mit Erhebung der Hände gefprochenen Segen, den die Gemeinde mit iLlgreni Amen bestätigte (1. Cor. 14, 16), ging die ersantmlung auseinander; man sollte nach der Vorschrift der Rabbinen dabei nicht eilen, als entfliehe man einem unangenehmen Ort oder sei froh, sich einer beschwerlichen Last entledigt zu haben, vielmehr soll jeder die Synagoge so verlassen, als ginge er von einem Könige weg, dessen Anblick er sich ungern sobald entzieht. Was die Ein- richtungen im Jnnern der Synagogen betrifft, so war das wichtigste Mobiliar die tebha (Arche, auch hechal Tempelchem oder ar0n, Lade, genannt), der Schrank zur Aufbewahrung der heil· Gesetzesrollen an der gegen Jerusalem gerichteteu Seite der Synagoge: vor ihni hing der heil. Vorhang, eine Nachbildung des Vorhangs vor dem Allerheiligsten, gleichwie er selber als ein Ersatz der Bundeslade angesehen wurde; in nianchen Synagogen gab es daneben noch einen zweiten Schrank für die Haphthararollem Weiter koninit in Betracht der erhöhete Lefestuhl oder die Kanzel, mit einem Lesepult versehen» (Neh. 8, 4), auf welchem der Vorleser saß;«die Schristgelehrteii dagegen saßen auf den kathederiiiz den mit dem Rücken gegen den heil. Schrank und mit dem Gesicht gegen die Versammlung gekehrten Ehrensitzen (Matth. 23, S; Jak. 2, 3), während die Sitze des nach Geschlechtern geschiedenen Volks gegen die Kanzel und den dahinter befindlichen heil. Schrank gekehrt waren. Auf die zur Ausftattung einer Synagoge gehorigen Lampen, musikalischen Jn- strumente, Almosenbüchsen und Tafeln, gehen wir nicht näher ein; wohl aber ist von den Beamten und deni Dienstpersonal noch das Nöthigste zu erwähnen. An der Spitze der Synagoge stand ein Collegium von Aeltesten, die unter dein Vorsitz des Obersten der Schule über Ordnung und Zucht wachten, die Schul- digen mit Verweis und Ausschließung bestraften, auch die Armenpflege verwalteten (Kap. 7, Z ff.; 13, 14; Mark. 5, 22; Joh.»16, 2); seine Mitglieder waren ohne Zweiselzugleich Mitglieder der Lokalshnedrien oder des geistlixen Untergerichts ihrer Ortschaft (Matth. 5, Anm.) · ine Fuuetion, welche früher ein dazu befahigtes Mitglied des Aeltesteneollegiums übernahm, nämlich der Mund der Gemeinde und für dieselbe zu sein im Gebet und im Lesen der heil. Schriften, wurde mit der Zeit einem besonders dazu angestellten, befähig- ten Manne übertragen, dem schaliach oder Vorbeter, dessen wir schon oben gedachtenx er mußte unbeschol- tenen Wandels, in der Schrift erfahren, im Gebet 638 Evangelium Lucä 4, 16»—22. geübt, reifen Alters und angenehmer Stimme sein -— nicht reich, wohl aber Vater einer zahlreichen Familie. Daneben kommt der ahassan oder Synagogendiener in Betracht, der dem Vorleser die Bücher darzureichen, für Reinigung des Lokals zu sorgen und es zu öffnen und zu schließen hatte, also unserm Küster entspricht; wurden in den Synagogen kirchliche Strafen, wie Geißelung (Matth. 10, l7; Apstg. 22, 19; 2. Cor. 11,24) verhängt, so hatte, wie es scheint,der Synagogem diener die Exeeution zu vollstrecken. Noch sind zu nennen die gsabaim oder Almosensammley die wohl- berüchtigte und zuverlässige Männer sein mußten, und außerdem die zehn betlarijm oder müssigen Leute, die bei jeder Versammlung gegenwärtig sein mußten, damit die Schule nie beim Gottesdienst leer sei, und dafür bezahlt wurden. Von den Synagogen haben wir wohl zu unterscheiden die, sreilich oft in denselben Lokalen, aber an Würde und Heiligkeit noch über den Synago- gen stehenden Lehrschulen oder Akademieen (Lehrhäuser genannt: Matth. 5, 22 Anm.); um eine folche handelte es sich in Kap. 2, 46 ff. 16. Und er kam gen Nazareth, da er erzogen war lKap- T, 39—52], und ging in die Schule nach seiner Gewohnheit am Sabbathtagesh und stund auf snach gehaltenem Gebetsgottesdienst und nach Vorlesung des Abschnittes aus den 5 Büchern Mosis] und wollte swie er mit seinem Aufstehen zu erkennen gab, einen Abschnitt aus den Pro- pheten] lesen sund eine Ansprache daran an- knüpfen]. 17. Da ward [vom Synagogendiener] ihm das Buch des Propheten Jesajas gereicht. Und da er das sin einer Pergan1entrolle bestehende] Buch herum wars, fand er sder ja der Herr des Sabbaths war Niatth 12, 8 und als solcher schon hier von Gott erwiesen werden sollte, ohne Suchen, doch unter besonderer Leitung seines himmlischen Vaters] den Ort, da geschrieben stehet» sJes Si, 1f.]: 18. Der Geist des HErrn ist bei mir, derhalben er mich gesalbet hat und»ge- sandt, zu verkundigen das Evangelium den Armen, zu heilen die zerstoßenen Herzen, zu predigen den Gefangenen, daß sie los sein sollen, und den Blinden das Gesicht, nndden Zerschlagenem das; sie frei nnd ledig sein sollen [vgl. Ja. 42 7]. «19. Und zu predigen »das angenehme Jahr des HErrUYH sdas sein Vorbild hat in dem zeitlichen Jubel- oder Erlaßjahr 3. Mos. 25, 8 ff.]. 20. Und als er das Buch zuthat, gab erjs dem Diener und setzte sich. Und aller Augen, die in der Schule waren, sahen smit scharfen, erwar- tungsvollen Blicken] auf ihn swas er in dem hier sich anschließenden Vortrag ihnen würde zu sagen haben] » 21. Und er fing an zu sagen zu ihnen [und in längerer Rede auszuführen:] Heute ist diese Schrift ersüllet vor euren Ohren [vgl-. Anm. 2 zu Matth. Z, 1 u. Einl. zuMatth 4, 12ff.] 22. Und sie gaben sals er nun seinen Vor- trag geendigt hatte] alle Zeugnis; Vvu ihm und wanderten sich der holdseligen Worte, die aus seinem Munde gingens [und womit er die Werke der göttlichen Gnade, die da geschehen sollten, ankün- digte] und sprachen seine so weit und tiefgreifende Verkündigung für unpassend haltend im Munde eines jungen Mannes, den sie von seiner Kind- heit an kannten]: Jst das nicht Jvsephs Sohn? V) Der Ausdruck ,,nach seiner Gewohnheit« kann sich nicht auf die kurze Zeit seit seiner Rückkehr nach Galiläa beziehen, es ist hier vielmehr von seiner Kind- heit und Jugend die Rede, und die Bemerkung steht in Beziehung auf die Worte: ,,da er erzogen war«. Der Besuch der Shnagoge war ein äußerst wichtiges Mittel für die geistige und religiöse Entwickelung Jesu; die Kinder hatten Zutritt zu diesem Gottesdienst vom 5.—-6. Jahre an, vom 13. an wurden sie dazu an- gehalten. Doch kann Jesus seine genaue Kenntniß des alten Testaments nicht allein aus den Vorlesungen, welche er regelmäßig mehrnial in der Woche in der Shnagoge Chören konnte, geschöpft haben; er muß wohl selbst ein xemplar der heil. Schrift besessen haben. (Godet.) Jesus las die Worte des Propheten nicht nur von der Rolle, sondern sprach sie zugleich aus der Tiefe seines innern Lebens. (P. Lange.) Die Er- zählungen, welche sich auf die Geburt und die ersten Lebenstage Jesu beziehen, namentlich wie dieselben iu dem Lukas-Evangelium lauten, stimmen alle darin überein, daß wir in Jesu den verheißenen und schließ- lichen König Jsraels erwarten müssen; damit steht es nun in einem aufsälligen Gegensatz, daß das erste Auftreten Jesu in Galilcia und namentlich auch sein Sichfernhalten von Jerusalem, wie es in den drei ersten Evangelien hervortritt, von seiner königlichen Würde und Xntacht nichts sehen läßt, sondern alles nur auf einen prophetischen Beruf hinweist. Wohl aber steht mit den synoptischen Erzählungen von der Geburt und Kindheit Jesu im vollständigen Einklang der Bericht des Johannes, nach welchem Jesus damit an- hebt, in dem ngtittelpunkt des Landes und Volkes, in Jerusalem, das Zeichen seiner königlichen Machtvoll- tommenheit vor Aller Augen zu offenbaren, es wird jedoch dies Zeichen nicht verstanden und damit der HErr auf einen andern Weg seines Lebens verwiesen; indessen liegt in dem Uebergehen Jesu von seinem königlichen Handeln zu seinem propheiischen Wirken nicht etwa ein Aufgeben, nicht einmal ein einstweiliges, seiner könig- lichen Würde, sondern sein prophetisches Wirken schließt seinen vollen Anspruch auf die königliche Würde und Macht ein. Den alttestamentlichen Propheten nun hat es an der vollen und stetigen Gemeinschaft mit Jehova gefehlt und das Wort ihres Mundes ist nur vermit- telst einer besonderen Einwirkung, die wir Inspiration nennen, Gottes Wort gewesen: während der Zeiten des alten Bundes war die Macht des prophetischen Amtes und Wortes doch noch nicht in den innersten Grund der Persönlichkeit und des Geistes eingegangen und konnte deshalb auch ihre volle Wirkung noch nicht erreichen; Jesus dagegen ist der erste Prophet im vollen Sinne des Worts, weil in ihm alles, worauf das prophetische Amt angelegt ist und woran es bis da in noch gemangelt hat, erfüllt und vollendet ist. Je us ist der Mann Gottes im vollen Maße, denn Christus ist Gottes, sagt Paulus (1. Eor.3,23; 11,3); Jesus stellt sich den Nazarenern als den Gesalbten Gottes dar. 639 an ihm und in ihm ist nichts außer Gott, und zwar darum, weil er der Sohn Gottes ist. Steht er nun mit Gott in einem solchen ursprünglichen wesenhaften und durchgreifenden Gemeinschaftsverhältniß dann ist die Sprache seines Mundes Gottes Wort und die Dolmetschung des göttlichen Willens an die Nienschent bei ihm bedarf es dazu keiner besonderen Jnspiration, der Hauch seines Mundes ist der Odem des göttlichen Geistes. Darum ist das Reden des göttlichen Wortes bei ihm ni t gebunden an Zeit und Raum, oder sonst an äußere edfingungen; weil das Wort Gottes ihm innewohnend ist, so schließt sich seine prophetische Rede ganz genau an das Leben an und folgt allen Lagen und Wendungen, die das Leben mit sich bringt, sie geht auch durch alle Tonarten hindurch, von dem leisen Hauch und Flüstern des vertraulichen Zwiege- sprächs bis zu dem Donnergang seiner Drohreden, vor denen die Welt zittern muß. (Baumgarten.) M) Die für den Tag bestimmte prophetische Lektion stand im Buche des Jesaias; doch der HErr nahm daraus einen freien Text, den er nicht suchte, sondern beim Aufschlagen fand. Es ist eine von manchen Christen sehr geliebte Weise, sich vom HErrn etwas schenken zu lassen, indem sie die Bibel aufschlagen und sich des Spruches annehmen, den sie gerade finden: wir mögen das wohl ohne Gefahr thun, wenn wir der Leitung des heil. Geistes so gewiß sind, wie der HErr Christus war« auch ist die Herablassung Gottes zu seinen schwachen indern unaussprechlich groß. Aber nur als eine freundliche Zugabe, als eine Stärkung dürfen wir es betrachten, wenn der HErr auf außer- ordentlichem Wege seines Willens uns vergewissert; die Entscheidun , was sein Wille sei, müssen wir auf dem gewissen ege der Verheißung, im Gebet und im fleißigen Erforschen seines Wortes suchen. (Besser.) Vgl. zu Ins. 7, 18 IN) Aus der griech. Uebersetzung, der Septuaginta, sind manche Aenderungen in den Text dieser Jesaias- stelle gekommen, wie z. B. das »zU heilen die zer- stoßenen Herzen«; der Zusatz: »und den Zerschlagenem daß sie· frei und« ledig sein sollen« dagegen findet sich weder im hebrä1schen Text noch in der griech. Ueber- setzung, sondern ist (nach Jes. 58, 6) von dem Evan- gelisten aus dem Gedächtnis; eingeschoben und mit der Grundstelle verbunden. Jn sehr freier Weise behan- deln die Schriftsteller des neuen Testaments das alte; ganz menschlich im Gedächtniß schwankend, Stellen verwechselnd, Worte vertauschend, führt doch der höhere Geist der Wahrheit, der sie beseelte und leitete, alles so, daß nirgend Unwahres, Jrreleitendes daraus her- vorgeht, vielmehr die Wahrheit selbst von einer neuen Seite sich präsentirt und somit in ihrer Natur um so vollständiger sich offenbart. (Olshausen.) Die Worte enthalten das volle Evangelium von Christo. Sie schildern zunächst die Lage, in der uns der HErr alle findet von Natur: die Sünde hat uns arm ge- macht an den Gütern des Himmels, an der Gerech- ti keit, die vor Gott gilt, an den Tugenden und guten erken, durch welche die Gemeinschaft mit Gott sich offenbart; die Sünde hat uns am Herzen ver- wundet, zerstoßen und zerschlagenx sie hat uns unterjocht und gebunden, hat uns zu Gefangenen und Sklaven gemacht, denn wer Sünde thut, der ist der Sünde Knecht; sie hat uns blind gemacht, so blind, daß wir unsern eigenen Schaden nicht einmal wahrnehmen und uns für gesund halten, während wir sterbenskrank find, aber auch den Arzt nicht sehen noch sehen wollen, der allein uns heilen kann. Dem Armen nun kann gewiß nichts Angenehmeres verliindigt werden als: deine Armuth hat ein Ende, freue dich, deine Sckulden sind bezahlt, für deine Zu- kunft ist gesorgt, la fahren deine Sorgen und Küm- mernisse. Dem Verwundeten kann kein willkommneres Geschenk gemacht werden als lindernder, heilender Balsam; für den Gefangenen, der Jahre lang Sonne und Sterne nicht gesehen und von seinen Ketten wund gedrückt ist, giebt es keinen erwünschteren Boten, als der ihm die sichere Nachricht bringt: du sollst frei sein, dein Kerkerthor ist offen, gehe hinaus! Dem Blinden kann» keine Wohlthat größer sein, als wenn ihm das Augenlicht wieder gegeben wird. Diese größte aller Wohlthaten hat uns aber Christus auf die Erde vom Himmel gebracht. Er hat es thun können, denn der Geist des HErrn war bei ihm; der HErr selbst hatte ihn gesalbt und gesandt, mit unmittelbaren, imm- lischen Kräften war er erschienen Und er at es wirklich gethan: die Armen sind durch ihn uner- meßlich reich geworden, sie sind Herren geworden über Leib und Seele, über Welt, Sünde und Tod, über Himmel und Erde, alles ist ihrer, sie aber sind Christi, und Christus ist Gottes. Die Verwundeten sind durch ihn geheilt und wiederhergestellt worden; die Sünden find ihnen vergeben, ihre Seele ist ge- nesen, ihr Gewissen beruhigt, sie sind bei Gott in Gnaden und es ist nichts Verdammliches mehr an denen, die in Christo Jesu sind. Die Gefangenen sind frei geworden, die Bande ihres inwendigen Menschen hat er zerrissen mit seines Geistes Kraft und in ihnen einen neuen Sinn und Willen gewirkt» der sein eigener heiliger Wille ist und doch auch der ihrigex es ist kein saures Müssen mehr, ihm zu folgen in Heiligkeit und Gerechtigkeit, sondern ein fröhliches Wollen, das nun erst von Herzensgrund gehet, in dem sie sich frei und selig fühlen, denn wel e der Sohn rei macht, die sind recht frei. Und die linden sind durch ihn wunderbar erleuchtet und sehen die Sonne der Geister, und in ihrem Lichte überall Licht. Kurz, das angenehme Jahr des HErrn, das wahre, allgemeine Jubel- und Erlaßjahr der Menschheit ist mit ihm angebrochen; daher er mit Recht erklärt: ,,heute ist die Schrift erfüllt vor euren Ohren«, heute ist der erste Tag des angebrochenen großen Freijahres für Nazareth! (Arndt.) — T) Dieser Bericht zeigt, wie Jesu Persönlichkeit und sein Wort auch ohne hin- zukommende Wunder einen unwiderstehlichen Eindruck machte, so lange das Gemüth nicht durch Feindschaft und Vorurtheil verschlossen war, vgl. Joh. 4, 41 f (v.Oosterzee.) Alles, was er sagte und that, wirkte so wunderbar mächtig auf die Gemüther; sein Erbarmen wallte ihnen mit den heil. Schriftworten und in der Auslegung derselben strömend entgegen, denn sie eben erschienen ihm auch als diese Armen, Blinden, Ge- fesselten und Zerschlagenery zu denen er gesandt war. (P. Lange.) Auf der Zuversicht zu der göttlichen Selbstmacht seiner Worte beruht es auch, daß Jesus sein Wort nicht geschrieben hat, wie so manche unter den alttestamentlichen Propheten das gethan haben. Der unmittelbare Eindruck seiner Persönlichkeit war ja so mächtig, daß seine Worte denen, welche sie hörten, im Gedächtniß bleiben mußten, und nachher war er sicher des heil. Geistes, welcher kommen würde und seine Vertrauten erinnern an alles, was er gesagt: war aber dieses erst geschehen, dann war auch die Aufbewahrung seiner Worte für alle Zeiten und Räume gesichert. Bei manche11 Worten Jesu haben wir auch sofort das unmittelbare Gefühl, daß, wenn solche Worte erst einmal in die menschliche Welt hineingesprochen sind, sie nicht wieder können ver- loren gehen. (Baumgarten.) —- H) Zweierlei Wege 640 Evangelium Lucä 4, 23——37. konnten die Einwohner »von Nazareth» einschlagen, entweder sich dem göttlichen Zuge hingeben, der beim Anhören der Ansprache Jesu sie zu»IhM l)»1tlzDg, oder aber der ThätifgkeitQdkfs lsäterkstailidås uberddiällsitex d s s "e er an a en un rii« VI? UT« ZEIT-laws» ssigkggirsxggc sich ür as e ere. o e. er eu ig «ünstige Eindruck der Rede Jesu ward sofort in den gintergrund gedrängt durch die Erinnerung an seine vermeintliche Herkunftsp Jn kleinlicher Scheel- und Tadelsucht will der naturliche Mensch nichts als groß gelten lassen, was ihm nahe und durch Gewohnheit zugänglich oder geläufig ist, sondern staunt nur das Entfernte, das Fremde an; so schadet Jesu in den Augenf der Nazgrethjailser fbån dass Las» skgzumeist hätte reuen un er »e en o en. urge. . 23. Und er sihre Frage sur das Anzeichen eines Unglaubens erkennend, der in seiner weiteren Entwickelung noch zu hohzizscher Tgekastuliiå ftlihren müsse] sprach zu. ihnen: u r wer e» reii » . I. gewißlich, sicheislichs zu mir sagen dies Spruchwort [vgl. Matth. 27, III: Arzt, hhisstdir sezligrz denn wie große Dinge a en wir ge or »zit» a ernaum geschehenFsda d? llgen Fohtiihdkss KLUIlZJIsIEÄILIBfIFFTF aus der erneo tgeei aenJO-, -« Thue auch also hie in deinem Vaterland» sund zeige uns, daßbdu this; kann; i« d, s ·h 24. Er a er si gera e gegen iee i re Verachtung helfend» und sein Prophenamt rettenyd] sprach: Wahrlich, ich sage euch, kEIU Pkvphetjft angenehm in seinem Vaterlande [vgl. Neatth 13,07; Joh. 4, 44]. » » , 25. Aber swenn ich euch aus Beispielen des alten Testaments beweise, wide dassckhlociz zugi der berühmtesten Propheten es Uhr· i en ei · der Fall gewesen, muß ich gleichgeitgg eitzchltoamit zu verstehen geben, wie nuii au as ei von den Verächtern sich weg und del! Fremdsll zt»l- weudetexs in der Wahrheit sganz so, wie die Schrist es erzählt] sage JchOeUch lzuk WFVIJUPAJT Es waren» viel Wittwen in Jsrael zu Eluis Zeiten, da der Himmel verschlossen war drei Jahr und sechs Monden, da eine große Theueruicig war im ganzen Laade[1.Kön-17,»1-9; 18, lf-;·Jc1k- 5,171; 26. Und zu der keiner ward Elias gesandt, denn allein gen Sarepta der Sidouier, zu einer Wittweud lAstz »F! 27. n vie usä ige waren in «; rae zu des Propheten Elisa »Zeiten; und der keiner» ward gereigsiigehbdenii allein Naeman aus Shrientit 2. " . 14. [ V) Zlwei Gedaiiken waren es besonders, welche wie Riegel vor den Herzen »der Nazarener lagen: erstens, sie verachteten den Heiland um seiner Finechtsgestalt willen und rückten ihm vor, er solle doch sein Er- lösungswerk, wovon sie sehr niedrige Begriffe hatten, bei sich selber anfangen, solle sich heilen von seiner Armuth und anstatt der Zimmermannsaxt ein Seepter in die Hand nehmen; zweitens, sie argerten sich, daß er nicht unter ihnen wie zu Kapernaum Wunder th11n und seiner Vaterstadt einen Namen machen wollte. Für die Liebe, welcher Geben seliger als Nehmen ist i (Apstg. 2.i), 35), hatten sie keinen Sinn: daß er arm ward, um sie reich zu machen (2. Cor- 8, 9), verstanden sie nicht. Sie beurtheilten den HErrn nach sich selber: hätten sie die Kraft gehabt, welche er sich zuschrieb, sie hätten sich selber geholfen zu irdischen Ehren und fleischlichem Wohlleben; sie wären gerade das gewor- den, wozu der Teufel den Heiland machen wollte. (Besser.) Jesus hatte sich aus Anlaß der Weissagung des Jesaias den Beruf eines Wiederherstellers der Menschheit zugeschriebem er hatte die mannigfaltigen menschlichen Leiden geschildert und die Blicke seiner Zuhörer auf sichnls den zu ihrer Heilung gesandten Arzt gerichtet. Daran erinnert das angeführte Sprüch- wort, und ist die Meinung des HErrn nun die: ihr werdet Anlaß finden und ihn auch gebrauchen, mir zu sagen: Du, der du die Menschheit von ihren Leiden erlösen willst, hilf dir aus deinem eigenen; und damit wir dich als den Erlöser anerkennen, verrichte uns hier auch ein rechtes Wunder, wie die, die du, wie man sagt, in Kapernaum gethan hast. Es liegt darin ein ironischer Zweifel an den Wundern, die man ihm zuschrieb (Godet.) Die erste Predigt des HErrn zu Nazareth trägt insofern einen thpisch-symbolischen Charakter, als sie einerseits als Vorzeichen jeder rech- ten Predigt des Evangeliums nach Inhalt, Grund und Gehalt dient, andererseits wie in einem Spiegel die Klippen sichtbar macht, an denen die Wirkung der Predigt gewöhnlich Schiffbruch leidet: irdische Ge- sinnung, Vorurtheil und Hochmuth (v. Oosterzee.) W) Jesus nennt ihnen geradezu das Hindernis» welches ihn abhält, hier Wunder zu thun, nämlich die leidige Thatsache, daß ein Prophet in seiner Heimath und unter seinen Verwandten und in seinem Hause nichts gilt; dann aber rechtfertigt er seine Zurück- haltung aus großen Beispielen des alten Testaments, welche zeigen, wie schon in der alten Zeit die Juden das Heil, das ihre Propheten bringen sollten, weit von sich stießen in die Fremde. Die Nazarethaner mußten die Kraft jener Beispiele fühlen, allein sie schienen es gleich unerträglich zu finden, daß er sie mit den Unempfänglichen und Zurückgesetztem ja den Gotzeiidienern unter den Juden der alten Tage, sich selber aber mit jenen großen Propheten verglich; auch ärgerten sie sich wohl daran, daß er Geschichten aus dem alten Testamenie zog, welche die Heiden so sehr zu begünstigen schienen. So überließen sie sich den Aufregungen eines Zorns, worin sie, ohne es zu ahnen, das Urtheil, welches er soeben gesprochen hatte, auf’s Vollkommenste bestätigtem (P. Lange) 28. Und sie wurden voll Zorns alle, die in der Schule waren, da sie das horete1i, 29. Und stunden auf und stießen ihn zur Stadt hinaus, und fiihreten ihn auf einen Hugel des Berges, darauf ihre Stadt gebauet war saber wohl nicht auf den sog. Hügel des Herabstürzens Jos 19, in; vgl. zu Matth. 2, 23], daß sie ihn hinab stiirzeteu 30. Aber er [nicht das Leiden an und für sich fliehend, sondern den rechten Zeitpunkt dazu abwarteUdJ ging [im letzten entscheidenden Augen- blick sich seiner göttlichen Machtvollkommenheit Joh. 18, i; bedienend] mitten durch sie hinweg [Joh. 8, 59]. · » . 31. Und kam svon Nazareth sich sur Jetzt gänzlich wegwendeiid, vgl. jedoch Matth. is, 53 fs.; Mark. S, 1 ff.] gen Kapernaum in die Stadt Der HErr Jesus heilt in Kapernaum einen Besessenen. 641 svon Ober-] Galtläa [Matth. 4, 25 L)l1im.] und lehrete sie sdie Bewohner dieser, nun zu seiner Stadt gemachten Stadt] an den Sabbathen sin ihren Schulen, wie er das ursprünglich mit Nazareth hatte thun wollen, aber des gleich anfangs hervorgetretenen Unglaubens wegen nicht hatte thun können]. Die Drohung, welche in den von Jesu angeführten Beispielen liegt, erbittert sie; »du verwirfst uns, so verwerfen wir dich«, so antworten sie thatsächlich, empfangen nun aber in seinem majestätischen Hindurch- schreiten durch ihren Haufen wenigstens in etwas ein Wunder, da er ein anderes ihnen verweigern mußte. (Godet.) Jn einem stürmischen Akt verstießen sie ihn aus der Stjnagoga und darin lag die Exeommu- nikation; verstießen sie ihn aus der Stadt, und da- rin lag die Verbannung, die Entziehung des Bür- gerrechtsz ja, aus dem Leben selber wollten sie ihn hinausstoßem indem sie ihn auf eine Anhöhe über einen Bergabstiirz führten, um ihn hinunterzu türzen. Allein in dem entscheidenden Augenblick entfaltete der HEry der bis an den Rand des Abgrundes ruhig sich hatte fortfiihren lassen, eine Wirkung seiner persön- lichen Majestät, welche mehr als Ein Mal in bedenk- lichen Fällen seine Feinde lähmte und sein Leben be- wahrte: er trat mitten unter diejenigen zurück, welche ihn vor sich dahin trieben —- so plötzlich, so ruhig, so gebietend, daß sie unwillkürlich scheu eine Gasse bildeten. (P. Lange) Am ersten Auftreten Jesu in seiner Vaterstadt wird es deutlich, daß die Juden ihn verwerfen, die Heiden aber aufnehmen werden; die letzteren sind typisch enthalten in der Wittwe von Sarepta und Naeman, dem Shrer. Was die Naza- rethaner Jesu anthun wollten, das weissagt sein letztes Ge chick; darum wird er von den Juden hinweggehen zur Rechten Gottes und sein Reich bei den Heiden aufrichten. (Grau.) Wie oft hast auch du den HErrn aus-gestoßen aus deinem Herzen und es nicht zu sei- nem Tempel geheiligt, ihm darin keinen Altar ausge- baut! wie oft hast du ihn ausgestoßen aus deinem Hause! An jedem Morgen, wo du ohne Gebet an’s Tagewerk gingst, an jedem Mittag, wo du ohne Preis und Dank Speise und Trank aus seiner gnädigen Hand annahmst, an jedem Abend, wo du ohne Auf- blick zu ihm dich niederlegtest, in jeder Stunde, wo du ihn nicht bekanntes, ihn vielmehr verleugnetest, den Geist der Hölle an nahniest und dem Geiste Jesu Christi die Thüren verfchlossest, hast du ihn aus dei- nem Haufe hinausgetrieben. Wie oft hast du ihn, besonders in den letzten Jahren, hinausgestoßeii aus deiner Stadt und deinem Vaterlande, und statt dem HErrn das Regiment zu geben, es den Kindern des Abgrundes eingeräumt, den Staat aus einem christlichen in einen heidnischen verwandelt! Auf sei- nen Namen bist du getauft, seine Wohlthaten genießest du alle Tage, deine ganze Bildun und Sitte hast du ihm zu verdanken; und nun mu er es hören aus deinem Munde, aus dem Munde von Hunderttausenden in unsern Tagen: ,,ich kenne des Menschen nicht!« (Fr. Arndt.) II. U. 32——44. (§. 30—32.) Sln V. 14 u. 15 hatte uns tkiclias iin Allgemeinen einen llleberblikli über die Ilrt nnd den Grsolg der Wirksamkeit Jesu in Galiläa gegeben, aber dann sofort in V. 16—31 nachgewiesen, daß unter diesem ,,Galiläa« nicht seine eigentliche tjeimath Unza- reth mit inbegrisfem sondern vielmehr davon ausge- skhlosseu war; nachdem wir nnu nach Kapernaum der D ii ch s e l’s Bibelwerk Stadt am Meer, die des tjGrrii neue tjeiiiiatlj für die Zeit der galiliiischen Wirksamkeit geworden, mit ihin iibergesiedelt sind, nimmt der Evangelist die Jlrl nnd deu Erfolg dieser Wirksamkeit, wie er oben sie angedeutet hat, wieder auf und fiihrt uns gleich das Bild des ersten Sadbathlagez denJesug daselbst Verlobte, in übereinstim- mendem Berirht mit den beiden ersten Gvangelisieii nor. (Ugl. xlklialih B, 14—17; Mark. l, 2l—39.) 32. Und sie sdie Bewohner von Kapernaum, in deren Schule er gleich am ersten Sabbath nach seiner Ankunft daselbst predigte] verwunderten sieh seiner Lehre; denn seine Rede war gewaltig sjMatth. 7, 29z Mark. 1, 22 Anm.]. 33. Und es war ein Mensch in der Schule, besessen mit einem unsaubern Teufel [Matth. 8, 34 Anm.]. Und der schrie swährend die übrigen Anwesenden ihre Verwunderung einander zu erkennen gaben, auf einmal] laut, 34. Und sprach: Halt, was haben wir sdie unsauberen Geister] mit dir zu Waffen, Jesu von Nazareth? Du bist kommen, uns zu verderben. Ich weiß, wer du bist, niimlich der Heilige Gottes« sder Heiland und Messias Jsraels]. 35. Und Jesus bedränete ihn sden unsauberen Teufel in dem Besessenen] nnd sprach: Berstumme und fahre aus von ihm. Und der Teufel warf ihn mitten unter sie snoch einen so heftigen An- fall herbeiführend, als solle der Mensch zu Grunde gerichtet werden], und fuhr [nun, dem Worte Christi gemäß] von ihm aus, und that ihm sweil Christi Gegenwart ihn, den Besessenen, schLitzteJ keinen Schaden ff. Am. zu Mark. 1, 27]. 36. Und es kam eine Furcht uber sie alle, Und redeten mit einander und sprachen: Was ist das sur ein Ding? Er gebeut mit Macht nnd Gewalt [mit vollkommener Machtbesugniß und einer ihres Erfolges nicht versehlenden Kraft- wirkungs den unsaubern Geistern, und sie fahren ans« swie der vorliegende Fall zeigt]. 37. Und es erscholl sein Geschrei in alle Oerter des umliegenden Landes. i) Das vor der Menschenwelt noch bedeckte Ge- heimniß von der Abkunft Jesu und dem Zwecke seiner Menschwerdung ist der Geisterwelt schon bekannt, die beinahe instintmüßig zittern muß, wenn sie ihren künftigen Ueberwinder erkennt. (v. OosterzeeJ Uns sollte mehr grauen vor der Masse der geistig Besesse- nen, der tausend Christen, die in der Gewalt des Teufels und der unreinen Geister sind, als vor einem leiblich Besessenen, der im innersten Herzensgrunde vielleicht seufzt und schreit, während der Teufel aus ihm lüstert. Die Welt macht es jetzt ihrem Gotte leicht, sie ohne Furcht zu beugen; sie ist so sehr Ein Herz und Eine Seele mit ihm, daß sie gar nicht von ihn: angefeindet und belästigt wird, und ihn daher wegleugnet, anstatt ihn wegzubeten (Besser.) W) Wie konnte ein solcher Kranker in der Shnagoge Zutritt finden? Vielleicht war seine· Krankheit noch nicht so zum Ausbruch gekommen, wie es bei dieser Gelegenheit geschah; die Krisis aber, in welche der Kranke verfiel, kam von der entgegengesetzten Thäiig- R. T. I. 41 642 Evangelium Lncä 4, 38———44. 5, 1——6. keit zweier Kräfte, welche in Kampf mit einander e- riethen, der des bösen Geistes und der der Per on und des Wortes Jefu. Sobald ein heiliges Wesen in den Lebenskreis des Unglücklichen eingreift, fühlt sich die unreine Macht, die ihn beherrscht, in ihrer Herrschaft bedroht. (Godet.) 38. Und er stund aus ans der Schule und kam tn Simonis Haus [den er Tags zuvor zu seinem Jünger mit drei Andern gemacht Kap. 5, 1 ff.]. Und Simonis Schwieger [Matth. 8, 15 Anm.] war mit einem harten Fieber behaftet, und sie baten ihn fiir sie. 39. Und er trat zu ihr ssich über sie her beugend, um in geistige Berührung mit ihr zu kommen, Vgl— Apvstgi 3- 41 und gebot dem Fieber sihre Hand erfassend und sie in die Höhe richtend], und es verließ sie. Und bald stund sie auf und dienete ihnent 40. Und da die Sonne nntergegangen sund also der Sabbath zu Ende] war, alle die, so Kranke hatten mit mancherlei Seuchen, brachten sie zu ihm. Und er legte aus einen jeglichen die Hände nnd machte sie gesund. 41. Es fuhren auch die Teufel ans von Vielen, schrieen und sprachen: Du bist Christus, der Sohn«Gottes. Und er bedränete sie und ließ sie nichi reden [Mark. 1, 25 Anm.]; denn sie wußten, daß er Christus war« [Matth. 8, 29]. if) Wenn aus deiner Familie jemand Jesu Jünger wird, so giebt es einen von Engeln betretenen Weg zwischen dem Himmel und deinem Haue; im Leib- lichen, noch mehr aber im Geistlichen lä t sich Segen in einem Hause verspüren, wo eine Seele für die Jhrigen betet. (Besse,r.) — H) Selbst die jüdischen Legenden legen für die Wirklichkeit der Wunder Jesu Zeugniß ab. »Der Sohn der Stada (Spottname Jesu) hat aus Egypten Geheimmittel mitgebracht in einer Oeffnung, die er in feinem Leibe angebracht hatte«: so heißt es im Talrand; wenn die Juden die Wunder hätten leugnen können, so wäre das offenbar einfacher gåtztgseettij als sie in dieser Weise erklären zu wollen. 42. Da es aber Tag ward, ging er hinaus an eine wüste Stätte [in der Einsamkeit durch Gebet sich zu stärken]; nnd das Volk fdem Petrus und seinen Genossen folgend] fnchte ihn, und [sie] kamen zu ihm und hielten ihn aus, daß er nicht von ihnen ginge [Matth. 8, 17 Anm.]. 43. Er aber sprach zu ihnen: Jch muß auch andern Städten das Evangelium predigen vom Reich Gottes; denn dazu bin ich gesandt. 44. Und er Ptedigte lauf der Reife in die Umgegend, die er hierauf für einige Zeit antrat] in den Schulen von Galiläa [Matth. 4, 23——25]. Hier zeigt sich, wie groß der Eindruck war, den der HErr schon bei seinem ersten öffentlichen Auftreten in Galiläa und der Umgegend machte; um so merk- würdiger, daß er von dieser Begeifterung für sich selbst keinen Gebrauch macht, sie weniger nährt als vermeidet, und so bald Kapernaum verläßt, wo do so viele Herzen ihm entge enfchlagen. Auch dies it ein Beweis für die Wahr eit von Joh. L, 23——25., aber zugleich eine Probe der Weisheit des HErrn in der Bildung feiner ersten Jiingerx er will sie zur Selbstverleugnung rufen, an das reifende Leben ge- wöhnen und« aufsteigende irdische Erwartungen zügeln. (v. Oosterzee.) Das 5. Kapitel. Fon Petri kfisehzngiu einem Anssätzigeu nnd »Hiohtbrüchigen, Iliatlhäi Jzeruf und der Sänger— Just-zu. III« V. 1—-1t. (§. 29.) Juden! der Evangelist im vor- hergehenden Abschnitt uns eine leurze Zusammenfassung der wichtigsten Begebenheiten ans der ersten Zeit der Wirksamkeit Jlesu in Galtltia gab, wie sie von der evangelischen Tradition aufbewahrt werden, hat er in ganz nnbksangener Weise auch des Simon als eines Freundes des Heim: gedarht, ohne daß doch seither iilser das nähere verhältnis; desselben zu Jesn schon etwas gesagt worden wäre. Gr bringt da nun hier neith- träglich die Geschichte von der Berufung des Sinnen nnd seiner Gelchäflsgcnosskn zum Jtpostelanit in ans— führlicherer Weise bei, als sie von der herleöutntlichen Tradition erzählt zu werden pflegte; denn Jkuleas hatte ein besondere großes Interesse, denäischzug des Petrus und seine Berufung genau zu schildern, diese Gcskgschte beweist nämlich, daß trotz aller Verschiedenheit die Berufung des Hauptes der Zwötse und die des ttjeideuapoflels ans Einen! dfttndainente ruhn: auf das Wort des hGrrn hin, das den Petrus zum slietisajeissischer trachte, hat ja auch Paulus seine Heidenmissioit unternommen.« (Vgl. Matth 4, 1t3—22; Mark. l, 16—20). Ævangeliuni am b. Sonntage nach CriniiaiisJ Wenn schon jeder Berufene durch die That der heiligen barmherzigen Liebe (4. Somit. n. Trin.) in der Kraft und als ein Werkzeug des heil. Geistes Andere berufen kann und foll, so erfordert es doch die Ord- n11ng und ist der Wille des HErrn, daß besonders er- wählte Boten« ausgehen und im Namen des HErrn und in des heil. Geistes Kraft alle Völker berufen Wut Reiche Gottes. Der heil. Geist wirket durch das ort, das Wort aber muß gepredigt werden; das Evangelium dieses 5. Sonnt. n. Trin. handelt von der Berufung Petri zum Menschenfischer. So sendet der HErr fort und fort Menschenfischer aus auf das stür- mische Meer der Welt, daß sie das Netz des Himmel- reichs auswerfen; wir sollen diese Gnade erkennen, uns willig fangen lassen und darnach unsern Wandel also führen, wie es denen geziemt, die zum Himmel- reich berufen und verordnet find. (Dieffenbach.) Nach den ältesten Bestimmungen derKirche mußte dies Evangelium allemal an dem Sonntag vor dem 29. Juni, dem Peter- und Paulstage verlesen werden und sollte die Gemeinde auf diesen Tag vorbereiten; da nun aber der Pfing ttag wechselt, bald früher, bald später fällt, der St. eter- und Paulstag aber feststeht, so wurde von den vorhergehenden Texten bald einer, bald zwei, ja bald drei weggelassen, während wir jetzt ert an dem Ende der Trinitatiszeit abschneiden, wenn P "ngften spät fällt. Es ergiebt sich daraus, daß mit diesem Sonntag ein kleiner Kreis der Trinitatiszeit sich abschließt: die erste Phase, die P afe der Beru- fung, ist vollendet. (Nebe.) Die iedergeburt des Herzens zum neuen Leben in Christo ist das große Thema der bisher verflossenen Trinitatiszeih da macht Der HErr heilt Petri Sch1viegermutter. sDas Evangelium von Petri Fischzuge 643 nun aber gar oft der natürliche Mensch den Einwand: ,,Wiedergeburt und irdischer Beruf, Sorge für die Seele und Sorge für Leib und Leben lassen sich nicht vereinigen; wenn ich dem Einen mich hingeben soll, muß ich das Andere vernachlässigen.« Das ist so wenig« wahr, so antwortet darauf unser Evan elium, daß gerade die Wiedergeburt unsere irdische Berufs- arbeit erst wahrhaft fördert und verklärt; sehen wir l) auf die Art und Weise unserer Arbeit, 2) auf deren Erfolg und Z) auf ihren Umfang — überall wird sich uns ein Unterschied entfalten zwischen der Arbeit des natürlichen und der des wiedergeborenen Menschen. (Fr. Arndt.) Wozu braucht der Christ die Gottseligkeit bei der Arbeit für seinen irdi- schen Beruf? Dazu, daßver l) nicht unmuthig, »2)n1chtkleinniuthig, 3)n1chtübermüthig werde. (Easpari·) · 1. Es begab sich aber sam Morgen des vierten Tages seit der Ankunft Jesu in Kaper- naum 4, 31 oder Freitags den 4. Juni a. 28 n. Chr., als man ihn dort von Seiten seines gewaltigen Predigens schon einigermaßen hatte kennen gelernt] , da sub« das Volk zu ihm drang, zu hören das Wort Gottes, und er stund (auch) am See Genezareth swas feine Lage sehr unbequem machte, so daß er so nicht im Stande war, den Leuten mit allen vernehm- barer Stimme zu predigen Matth. 13, 2 Anm.]; 2. Und sahe [nun, indem er um sich blickte, wie er möge sich einen passenderen Standort ver- schaffen] zwei Schiffe am See stehen, die Fischer aber sdenen dieselben gehörten] waren ausgetreten san das Ufer] und waschen svon da aus] ihre Netze sdaher die ersteren wie von selber sich ihm zur Aushilfe darboten]: 3. Trat er in der Schiffe eines, welches Siinonis seines von früher her Joh. l, Es— 4, 54 ihm schon ergebeneii Jüngers] war swährend das andere dem Zebedäus Mark. I, 20 gehörte], und bat ihn, daß er’s ein wenig vom Lande snach dem Meere zu] führete [da- mit er von da aus unbeengt und weithin ver- nehmbar zum Volk sprechen könne] Und er setzie sich sals Simon sein Begehr erfüllt hatte, vgl. Matth. is, 2 Anm.], und lehrete das Volk sin einem längeren Vortrag] aus dem Schiff. Es war an einem Vormittag in der Woche, als dies geschah; Jesus wartete nicht den Sabbath ab, um zu predigen, sondern jeder Tag war ihm gleich gut dazu; wenn er nur Ohren fand zu hören und Seelen, die nach dem Wort des Lebens hungrig waren, so war er immer bereit zu lehren, mochte es in dem Tempel, in den Schulen, oder in der Wüste und am Meere sein. Es sollte alles geheiligt werden durch Gottes Wort und Gebet —— alle Zeiten, alle Gelegenheiten, alle Orten, alle Herzen, damit das ganze Land voll Erkenntniß des HErrn würde; denn es ist eine leidige Verachtung des Wortes Gottes, wenn Viele sich mit demselben nur am Sonntage beschäftigen tvollen, und auch dann nur in der Kirche. Die kommen auch bald dahin, daß sie erst einen Sonntag um den andern überschlagen, nachher immer fauler werden und den Gottesdienst wie eine Strafarbeit behandeln, welche man soweit als möglich hinausschiebt und so schlecht als möglich verrichtet· Hat uns denn Gott sein Wort zur Strafe oder zur Plage und Langeweile gegeben? oder ist ihm nur etwas damit gedient, daß wir es hören und lernen? O ihr trägen Ohren, habt ihr es nicht verstanden, daß euch Gott in seinem heil. Wort wichtige Dinge sagen und euch seinen Segen geben will? o ihr habgierigen Herzen, habt ihr es nicht gehört, daß die Gottseligkeit zu allen Dingen nütze ist und die Verheißung dieses und des zukünftigen Lebens hat? Jhr habt keine Zeit zu Gottes Wort und Gebet, des Morgens mit erstem Sonnenlicht müßt ihr an die Arbeit, und den Abend seid ihr müde und wollt euch erholen, und dem lieben Sonntag müßt ihr auch noch seine Zeit abstehlen, damit ihr in Ordnung bringt, was am Alltage lie en geblieben ist. Müßt ihr denn immer nur für den auch for en? habt ihr gar keine Seele, die Speise, Stärkung, rost und Unterweisung bedarf? muß die Seele schlimmer wie ein Sklave ge- halten werden, der doch wenigstens für seine harte Arbeit seine tägliche magre Kost bekommt? Wohin hat sich euer blinder Unverstand verirrt! (Münkel.) Siehe, lieber Menfch, auch in deinem Hause, in deiner Werkstätte, ja mitten unter den Mühen des irdischen Broderwerbs und Unter dem Schweiße deines Ange- sichts und den erniedrigenden Umständen, die dich weniger an deine himmlische Abkunft und die Ge en- wart Gottes und feiner heil. Engel, als an den all im Paradiese erinnern, hier will die lebendigmachende ·Stimme des Sohnes Gottes erschallen, dich und die Deinen das Geheimniß der Aufrichtung aus Adams Fall zur Gotteskindfchaft zu lehren. Willst du denn nicht, umal in der Morgenstunde oder Abendstunde — er ittet dich darum — deine Arbeit auf eine Weile ruhen lassen und dein Schisflein ein wenig vom Lande führen? willst du nicht dem Sohn der Liebe dein Haus, welches er nicht verschmähh kso schlecht es ist, zum Bethause und deine Arbectsban zum Lehrstühle einräumen, daß er aus dem theuern Buche der Offen- barung mit dir und deinen Kindern und deinen Dienstboten und anderen Hausgenossen oder Gästen rede? Wahrlich du würdest von solchem Feiern und Stillsiåen zu den Füßen des HErrn keinen Abbruch oder chaden an deinem irdischen Broderwerb leiden, sondern vielmehr würde selbst das zeitliche Berufsleben, von der Gegenwart des HErrn zum Gottesdienst ge- heiligt und gesegnet, nun erst recht mit Freuden und nach Wunsch von ftatten gehn. (Roffhack.) 4. Und als er hatte aufgehört zu reden, sprach er zu Simon sals auf welchen er’s zu- nächst abgesehen hatte]: Fahre auf die Höhe [die hohe See], und werfet sdu und dein Bru- der Andreas Matth. 4, 18; Mark. l, 16] eure Netze aus, daß ihr einen Zug thut-I« 5. Und Simon antwortete und sprach zu ihm: Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen; aber auf dein Wort sder du deine Herrlichkeit ja schon in mehr als Einem Zeichen geossenbaret und als mein HErr unbedingt über mich zu ge- bieten hast Joh. ·2, H] will ich das Netz aus- werfen« » S. Und da ne das thaten, beschlossen sie sin Kraft des Wortes Christi, der vermöge 41s- 644 Evangelium Lucä 5, 7—11. seiner Gemeinschaft mit dem Vater hier einen Blick und Griff that in die Schatzkammer seines Hauses] eine große Menge Fische, nnd ihr Netz zerriß sdrohete auseinander zu reißen, so daß Hilfe nöthig war, sollte der schon angefangene Riß nicht völlig werdens. 7. Und sie winkten ihren Gesellen, die im andern Schiff sin dem des Zebedäuss waren fund aus der Ferne ihren Fischzug beob- achtet hatten], daß sie kcinten und hiilfen ihnen iehen. Und sie kamen nnd fiilleten beide chiffe voll, also, daß sie sanken-W« sanfingen zu sinken, und man vorsichtig das Ufer zu erreichen suchen mußte]- ’k) Petrus, der Leiter des Fischeråeschäftsz soll auch das Haupt der ålltissioii werden. ( ode.t.) Er war von dem HErrn schon zum Jünger berufen worden; aber wie es noch heute geschieht, daß Gottes Gnade auf mancherlei Weise an uns arbeitet und mit uns lange sich mühet, ehe wir völlig an sie uns hingeben, so war es auch beim Petrus. Er trug wohl schon längst eine Sehusucht mit sich herum nach etwas, das ihm fehlte und das er eben Im Heilande suchtez aber der entschiedene Glaube: ,,es soll nur Jesus sein!« war ihm noch nicht aufgegangen, er hatte Zeiten, wo er in seinem Gewerbe arbeiten konnte, als gäbe es keinen Jesus, der ihn zum Apostel berufen hatte. Da bat ihn nun dieser, in seinen Fischerkahn treten und non hier aus predigen zu dürfen. Bei dieser Bitte seines HErrn ward’s dem Jiinger wohl schon recht wunderbar zu Bäche; er hörte in der Predigt, die Jesus dann hielt, mehr als die Andern; es ging ihm, wie es angesaßten Seelen gemeiniglich gehet, bei jedem Wort dachte er: »das gilt mir«. Ju dieser Stimmung müssen wir ihn uns denken, als der HErr aufhörte zu reden und die Aufforderung an ihn richtete. (Besser.) Nachdem der HErr zu dem Volke iusgesaiiimt geredet, wendet er sich zu Simon insbesondere; das ist so seine Art— er wirft sein Netz nicht über alle ins: gesammt aus und beruft uns nicht in Bausch und Bogen, sondern er befaßt sich mit jedem Einzelnen ganz be- sonders. Er ist nur dadurch der Heiland aller Bien- chen, daß er der Pfleger jeder einzelnen Seele ist. Er wendet sich an Simon und bittet ihn nicht mehr, jetzt redet er vielmehr gebietend zu ihm; gebieten kann nur der HErr, Jesus aber hat sich dem Manne, der seine Herrlichkeit mehr denn Ein Mal geschaut hat, soeben kräftiglich wieder als den HErrn bewiesen. Petrus hat einen tiefen Eindruck von dem Propheten mächtig in Worten empfangen: er soll den HErrn in seiner ganzen Prophetenglorie jetzt erkennen, dieser will sich auch als den Propheten mächtig von Werken ihm offenbaren. Simon soll auf die Höhe fahren, auf der Höhe aber das Steuer verlassen und mit sei- nem Gehilfen die Netze ergreifen und auswerfein Das erste Gebot fiel dem Petrus gewiß nicht schwer; es war ihm angenehm, daß der HErr ihm nicht gebot: fahre jetzt wieder an das Land. Das Wort des HErrn hatte ihn tief ergriffen; es konnte ihm jetzt nicht wohl sein, in dem Gedränge des Volkes den Mann, welcher seine ganze Seele hingenommen hatte, verschwinden zu sehen, sein Nahesein war ihm köstlich. Was sollte er selbst auch mit seinem tiefbewegtem Herzen in der Menge des Volkes? das Herz, welches von der Angel des Wortes Gottes gefaßt ist, sucht nicht das Getümmel, nicht die Zerstrennng, es will allein sein, es begiebt sich in die Stille und Einsam- keit. Aber der andere Befehl geht dem Petrus wider die Natur: er soll jetzt sein Netz auswerfen; es ist Tag, die, Sonne steht s( on hoch an dem Himmel, die Tageszeit ist zum Fisch ange sehr ungünstig Es ist dazu die Höhe des See’s, wo er sein Netz aus- werfen soll: das ist der Ort nicht, wo die Fische in dem Wasser spielen; sie lieben mehr die schattigen, kühlen Gründe. Und auswerfen soll er seine Netze, welche er eben erst in dem Scheiue der aufgehenden Sonne mit Mühe von allem Unrath gesäubert, nach- dem er die ganze Nacht ohne Aufhören sie mit den Seinen in die Tiefe hinabgelassen und wieder in die Höhe gezogen und nichts gefangen hat. Und wer ist es denn, der ihnen diese harte Zumuthung ma t? Sie sind Männer, welche von Jugend auf diesen ee befahren haben, die den Fischfang aus dem Grund verstehen; und dieser Jesus von Nazareth ist erst jüngst nach Kapernaunt gezogen, von einer Stadt mitten im Lande zu der Stadt am See gekommen — was versteht Der davon? Fürwahr, eine sehr schwere Probe, welche Jesus dem Simon jetzt auferle t, da er am allerliebsten noch sinnend und das Wort ewegend zu seinen Füßen gesessen hätte. Der HErr fügt aber eine liebliche Verheißung, die um so lieblicher klingen mußte, da sie die ganze Nacht umsonst gear- beitet hatten, zu seinem Gebot hinzu: sie sollen ihre Netze auswerfen, auf daß sie einen Zug thun. Einen Fang stellt er ihnen in Aussicht; tote groß derselbe sein soll, giebt er nicht an, denn Jesus will Iticht durch grofzartige Versprechungen zu dem Gehorsam des Glaubens reizen, er sagt aber das mit aller Be- stimmtheit, daß sie ni t umsonst das Netz auswerfeu follen. (Nebe.) —- -I·-I·) ie oft heißt’s auch heute noch so bei redlicher Arbeit im Dienste des HErrm »wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen!« Da ist ein fleißiger Hausvaten sucht sich und die Seinen ehrlich durch die Welt zu bringen im Schweiße seines Angesichts, läßt sich’s sauer werden Tag und Nacht, und kommt doch nicht vorwärts, kommt doch nicht aus den Sorgen heraus von einem Jahresziel zum andern. Da ist ein treues Vater- und Mutter- herz, lassen sich’s angelegen sein, ihr Kind zu er- ziehen in der Furcht des HErrn, und doch will alle Zucht nicht anschlagem doch macht der Leichtsinn seines Herzens oder die Verführung böser Buben alle Arbeit treuer Liebe immer wieder zu Schanden Da ist ein eifriger Lehrer oder Prediger, giebt sich jahraus jahr- ein Mühe, des HErrii Schafe und Lämmer zu weiden und edlen Samen zu streuen in’s Ackerfeld Gottes, und doch fällt so viel au den Weg auf’s Steinige, unter die Dornen, und ist so selten eine erfreuliche Frucht zu schauen. Da ist ein edler Ntenschenfreund der das gemeine Wohl treu und uueigeuniitzig zu fördern sucht mit Rath und That, aber er erntet wenig Dank und sieht wenig Frucht, er muß sein wohlge- meintes Wirken von der Dummheit verkannt, von der Bosheit verlästert, vom Neide durchkreuzh durch Trägheit gelähmt, durch die Ungunst der Zeit vereitelt sehen. Da ist ein redlicher Christ, der arbeitet unver- drossen an seiner eignen Veredlung, an seines Lebens Besserung und seines Herzens Heiligung, und doch will es so nicht vorwärts gehen, wie er es wünschte und hoffte, doch kommen die alten Schwächen und Gebrechen immer wieder zum Vorschein, und er muß mit einem Paulus gestehen: ,,Wollen habe ich wohl, aber Vollbriugen des Guten finde ich nicht«. Da gilt es denn Geduld der Heiligen, da gilt es, daß wir laufen durch Geduld in den Kampf, der uns verordnet ist; wo wir mit Petrus klagen müssen: »wir haben Petri Berufung zum Apostelanit 645 nichts gefangen«, da lasset uns auch mit Petrus hin- zusetzenx »aber auf dein Wort will ich das Netz wie- der aus-werfen« Auf dein Wort, weil es dein heiliger Befehl ist, o HErr, will ich getreulich fortarbeiten, so lang meine Kraft noch reicht; auf dein Wort, weil das mein Trost ist auch im Elend, will ich geduldig ausharren im Kreuz und Leiden; auf dein Wort, weil das mir verheißt, daß meine Arbeit nicht vergeblich ist in dem HErrn und daß, die mit Thränen säen, ernten sollen mit Freuden, will ich getrost, wenn auch unter Thränem meinen Samen immer wieder ausstreuen auf Hoffnung, und mein Netz, ob ich’s 99 Mal leer herausgezogen, zum 100sten Mal auswerfen. Das ist Geduld der Heiligen; mit solcher Geduld ist das Reich Gottes auf Erden gegründet, ist das Christenthum unter tausend Trübsalen ausgebreitet, ist jedes edle Werk in der Welt gepflanzt und gepflegt worden. Solcher Geduld gilt die Verheißung: ,,selig sind die Sanftmüthigem denn sie werden das Erdreich besitzen«; solche Geduld erobert die Erde und gewinnt den Himmel, darum fasset Geduld, bittet um Geduld, ihr lieben Knechte und Mägde des HErrn. Vergesset’s nicht (Schwing dich auf zu deinem — V. 12): Gottes Kinder säen zwar traurig und mit Thränen, aber endlich kommt das Jahr, wornach sie sich sehnen; endlich kommt die Erntezeit, wo sie Garben niachen, da wird all ihr Herzeleid lauter Freud und Lachen. (Gerok.) — VII) Man könnte in dem wunderbaren Fischzug nur ein Wunder des Wissens sehen: Jesus habe auf übernatürliche Weise gewußt, daß sich an diesem Ort eine beträchtliche Ansammlung von Fischen befinde; es giebt zahlreiche Beispiele von einem solchen unerwarteter Weise erscheinenden Reiihthum von Fischen. Natiirlicher aber ist es, ein Wunder der Macht darin zu sehen: Jesus bewirkt hier durch seinen Willen, was sonst häufig durch physische Ursache geschieht. (Godet.) Nach dem dichterischen Psalmwort (8, O) gehört die Herrschaft über alles, was im Meer gehet, zum Jdeal des vollkoiniiienen Menschensohnes. (v. Oosterzee.) Segen im zeitlichen Beruf erscheiut hier als Lohn für treue Unterordnung desselben unter den Beruf des Menschenfahens Christi; auch andere Beispiele aus der Geschichte der Welt und der Kirche bezeugen, daß der HErr diejenigen im zeitlichen Be- ruf segnet, welche ihn anwenden, dem Menschenfischer Jesus zu dienen. Petrus ordnet seinen Fischerberuf dem Berufe des Mens enfahens unter; dafür empfängt er im zeitlichen Beru selbst großen Segen, und der große Segen dient dann wieder dem Beruf des Men- schenfahens, denn er selbst iind seine Genossen im zeit- lirhen Beruf werden durch diesen Fischfang gefangen, werden Jesu Anbeter, Jesu Schüler. (Löhe.) 8. Da das Simon Petrus sahe, fiel er sdurch den Anblick der vielen Fische auf den Ge- danken an die Menge seiner Sünden geführt, wie hernachmals ein Landmann durch die Menge Kornes, welches er aufgespeichert, zur Erkenntniß seiner unbedacht herausgeschütteten Fluche gebracht wurde] Jesu zu den Kniecn und sprach: HEru gehe von mir hinaus; ich bin ein sündiger Mensch snicht weil er Jesum nicht gerne bei sich gehabt hätte, sondern weil er sich für eine allzuschlechte Gefellschaftsfür ihn hielt 1. Köiu 17, 18]. 9. Denn es war ihn ein Schrecken an- kommen und alle, die mit ihm sin seinem Schiffe, außer Andreas auch die Tagelöhner Mark. l, TO] waren, uber diesem Fischzug den sie mit einander gethan hatten; 10. Desselbigen gleichen anFh Iacobuui und Iohannetiy die Sohne Zebeday Simonis Gesellen sdie im andernvSchiffe waren und auch ihren Antheil an dem reiche1i Fischzug empfangen hatten]. Und Jesus swohl wissend, was des Geistes Sinn sei, der aus Petrus redete Röm. 8, 271 sprach zu Simon: Fnrchte dich nicht; denn von nun an wirst du Menschen sahen« sdaß du fortan im Gebiete des Geistes voll- briiekztesh was du bisher in der niederen Schöpfung gen . 11. Und sie sda auch an Jakobus und Johannes hernach ein gleiches Berufungswort er- ging Matth. 4, 22 Anm·.] fuhreten die· Schiffe Fu Lande, uiid verließen alles sindem sie ortan nur befassen, als besäßen sie nicht, vgl. Kup- 4, 38 f-; Jokx 21, 3],»uiid folgten ihm szuck Btzglezixtuiggz gluf seinen Wanderungen] Uct ») a . ’ Um. . v s) Schon vorhimwiukteii Petrus und Andreas nur ihren Genossen, die im andern Schiffe waren, daß sie kamen und hulsen ihnen ziehen; das ist sonst Fischer- weise nicht, sie rufen laut uber das Wasser, zumal wenn ein Zug so wohlgerathen ist. Doch dies Mal ist ihnen die Sprache ausgegangen; der Fang ist·so groß und· so unerwarteh daß sie ihrer» selbst nicht machtig »sind, ·sie merken die Nahe Gottes und es kommt uber sie wie ein heiliger Schauer, wie der Zsrhplxt (Hckb. Z, Teil) sagt: Idee; FErel ik iln seiieem "ei. iempe es ei vorim ti e a e et.« ls nun aber Petrus die große Ernte eingebracht, läßt es ihn nicht lange vor dem gewaltigen Haufen Fische stehen; seht, da er frei von der Arbeit ist, giebt er der Bewegung seines Herzens nach und läßt ungehalten seine Gefuhle hervorbrechen Wenn er· nun sagt: ,,ich bin ein sundiger Mensch, so ist er nicht· der erste ge- wesen, dem es so gingx es ist allenheiligen Männern Gottes so geganhem Die Kinder dieser Welt freilich, die ihren Beru weltlich ohne Gottes Wort und Glauben treiben, nehmen den Segen Gottes mit kei- nem andern Gefühle hin, als daß sie sich freuen Glück gehabt zu haben, wenn sie nicht ihre eigene Klugheit dabei bewundern; deshalb haben sie au keine anderen Gedanken dahei, als wie sie nun· gro thun, lustig leben oder reich werden wollen, indem sie noch mehr dazu geizen und wucherip · Der Segen Gottes macht sie ubermüthig und hoffartig, und wenn sie fchon vor- her nach Gottes Wort nichts gefragt haben, so glauben sie Ietzt beweisen zu können, daß es eine ganz über- slussige Sache ist, welche kein Gras auf die Wiesen, kein Korn in den Speicheykeine Kunden in den Laden bringt. Das sind die Weltkindey denen Gottes Segen sich in Fluch verkehrt; redliche, glaubige Seelen da- gegen nehmenfden Segen Gottes hin wie Petrus, sie wissen, daß sie desselben nicht werth sind und wohl eitel Strafe verdient hatten. Wenn sie ansehen, wie sie ihren Beruf gefiihrt und wie alles höehstens gut gemeint, aber voller Gebrechen und» Fehltritte ist, so niiissen sie sich wundern, wenn sie einigen Erfolg haben, und können die Gabe Gottes nicht anders hinnehmen, als daß. sie sich tief demüthigen und· ihre gänzliche Unwurdigkeit bekennen. Nur das scheint bei Petrus 646 Evangelium Lueä b, 12--16. nicht ganz in der Ordnung, daß er sagt: »HErr, gehe von mir hinaus l« Das Gefühl seiner Unwürdigkeit ist so mächtig in ihm, daß er es gar nicht fassen kann, was der HErr bei ihm will. Sind doch so viele Männer, Schriftgelehrte, Weise, Oberste und Aelteste in Jsrael, neben die er sich gar nicht stellen darf: was fällt denn Jesus gerade auf seine geringe Person? was wird er mit ihm anfangen können, der nichts als das Fischen gelernt hat? kann er Ehre mit ihm ein- legen, wird er seiner Wahl sich nicht schämen müssen? Das drückt den Petrus auf seinem Herzen; er will die Erwartungen des HErrn nicht täuschen, und kann doch den Erwartun en nicht nachkommen. Es steht ihm jetzt fest, derH rr, der ihn zu sich berufen, muß weiter gehen, er muß sich andere Leute suchen, die besser zu gebrauchen sind als er. Wir werden es nicht verkennen, daß sich in diesen Worten des Petrus ein sehr guter Grund offenbart: er ist demüthig ge- nug, daß er mit seinem Berufe nicht hoch hinaus will, und erkennt es bescheiden an, daß der geringe Stand nicht zu gering für ihn ist. Nichts destoweniger haben wir Eins an dem de1nüthigen Jünger zu tadeln. Er war in der rechten Bahn, wenn er sagte: ,,auf dein Wort willich das Netz auswerfen«; so geziemte es sich, dem Worte des HErrn ohne eigenes Meinen, Fühlen und Verstehen unterthan zu sein. Nun hätte er aber in diesem Sinne bleiben müssen und sprechen: ,,HErr, du ast dich zu mir gethan und willst mich in deinen DienPt haben; siehe, hier bin ich auf dein Wort, ich sei würdig oder unwürdig, geschickt oder ungeschickt!« (Miinkel.) Freilich wußte Petrus hier so wenig wie dort auf dem Berge (9, 38), was er sagte (wir er- kennen an ihm zum ersten Mal die Neigung, sich durch die Raschheit und Kraft eines wahren Gefühls über Maß und Grenzen hinaus reißen zu lassen); er hatte es nicht buchstäblich gemeint, und wäre selbst am be- trübtesten gewesen, wenn Jesus ihn beim Worte e- nommen und ihn verlassen hätte. Aber der H rr verließ den demüthigen Petrus nicht, sondern (nahm gerade bei ihm Herberge Matth. 8, 15 Anm. und) segnete ihn nun erst recht mit dem öchsten und besten Segen. (Fr. Arndtsj —— sit) Als er HErr geboren war in Bethlehem, da erschrak Jerusalem und er- schraken die Hirten auf dem Felde (Kap.2, 9; Matth. 2, 3): welches ist nun ein Schrecken rechter Art? das ist ein heilsamer Schrecken, zu dem Gott sprechen kann: ,,fürchte dich nicht!« Mit diesem Wort haben die Engel den Heiland angemeldet auf Erden, mit diesem Wort hat sich der Auferstandene angemeldet bei seinen Jüngern, mit diesem Wort meldet sich der Aufgesahrene an im Geiste, wenn er im Menschen einkehrt: seine Liebe ist uns eine Predigt der Buße, aber sein Herz und sein Amt ist, uns Trost zu bringen. Viel Worte redet die Schrift, aber keins ist tröstlicher als ,,fürchte dich nicht«; viel Liebliches ging über Jesu Lippen, aber keines klingt uns erfreuender als ,,fürchte dich nicht«- Der Friedensbringer ist Er, Verkündiger des Friedens sind seine Boten; denn aus Tod zum Leben, aus Angst in Freude, aus Hölle in Himmel führt er, die er heimsucht. (Thomasius.) Jn dem »du wirst Menschen sahen« bildet nicht nur das für sich Gewin- nen den Vergleichungspunkt mit der geistlichen Wirk- samkeit der Apostel, sondern es bieten sich auch noch andere spe iellere Beziehungen dar: einmal beschließt der Begri des Fangens das Verhältniß des Be- wußten zu einem Unbewußten und das Uebermocht- werden dieses durch jenes; eben dies stellt sich dar im Verhältniß der Apostel zur Welt, während jene das höhere Lebensprincip repräsentiren, stehen die Glieder der Welt in der Bewußtlosigkeit über die Natur des höheren Lebens. Dann geht auch das Bild vom Fisch- fange auf das Versetztsein der Gläubiggewordenen aus dem alten Lebenselement in das reine heilige Element des Evangeliums, welche Beziehung der Hymnus, den man dem Clemens von Alexandrien zuschreibt, her- vorhebt: ,,Heiland Jesus, Fischer der Menschen, der geretteten: aus dem Meere der Sünde entlockst du die heil. Fische der feindlichen Woge durch dein süßes Leben-« Anspielungen aus diesen Uebergaug aus dem alten Lebenselemeiit in das neue des Christenthums finden sich häufig im christlichen Alterthum im Ge- brauch des Namens ,,Fisch« (z. B. auf Siegelringen — der griech. Name txktog giebt in seinen 5 Buch- staben zugleich die Veranlassung zu dem Anagramm IJJIOIZF Xprgög Øxoü Tiög Zmrøfg —- Jesus Christus, Gottes Sohn, der Heiland) von den Christen; schon im alten Test. liegen die Elemente dieser Vergleichung vor in der Stelle: Jer 16, 16. (Olshausen·) Der HErr Jesus ist es auch ier wiederum, welcher erfüllt, was Gott dort durch en Propheten verheißen hat: ich will euch dazu machen, spricht er; ich berufe und bereite euch, ich mache euch tüchtig — durch wie vie- lerlei Zucht und Erziehung, Demüthigung und Wie- deraufrichtigung, das hat der Fischer Petrus ek- fahren; und ich bin es auch, spricht der HErr, von dem der Erfolg stammt. Jhr aber müsset arbeiten und stille sein, euch anstrengen und doch ruhig warten; euer Angel muß schars sein, euer Netz gut gestrickh daß die Maschen keinen Ausweg lassen; aber ihr dürfet nicht hastig und heftig drein fahren, so wenig als der Fischer einen Fang thut, wenn er ins Wasser schlägt oder mit dem Netze darin umhertobh oder wenn er ungeduldig die An elschnur zerreißt. Jhr sollt niemals vergessen, daß er Mensch sich sträubt, wenn er aus dem Meer dieser Welt soll herausgerissen werden, so gut als der Fisch, wenn er sein Element verlassen muß; der Angelhaken schneidet ein, die Maschen des Garnes lassen ihm keinen Ausweg; so gastig er hin und her fährt, er spürt, daß es zum ode geht. Aber der Mensch, muß er denn sterben? Ja, der alte Mensch, aus daß der neue lebe; der alte sieht es aber nicht, begreift es nicht, spürt nur die Beklemmung und den schneidenden Schmerz, und weiß nicht, daß es die Wehen der Geburt zum neuen Leben sind· Darum, ihr Menschenfischer, die ihr gewürdigt seid, der menschenrettenden Gnade Diener und Mit- helfer zu sein, thut euer Werk in stiller Geduld und unverdrossenem Warten auf den rechten Augenblick, als die gelernt haben, wie ihnen zu Muthe war, da siefselbst gefangen und also wahrhaft frei wurden. (Riggenbach.) Alle zeitlichen Berufe ordnen sich dem Berufe des Menschenfahens unter, weil keiner so un- mittelbar und geradezu die Bahn zum Himmel und der ewigen Verklärungsdes menschlichen Geschlechts Zkigh aus dieselbe hilft und auf ihr fördert; vor dem etze des Menschenfischers Jesus, vor dem Amte und Berufe, den er gestiftet hat, Seelen aus dem Meere der Welt zu sich zu ziehen, neigen sich auch Krone und Scepter und alle Berufe der Welt, und die gesammte letzte Stunde der Welt dient im Grunde nur dazu, daß Jesu Fische gefangen werden, und wenn der letzte in’s Netz gegangen, den er vorausgesehem so verrinnt die Zeit, alle zeitlichen Berufe hören auf und die Ewigkeit beginnt. Wie groß werden Petrus und seine Genossen dadurch, daß sie zu Menschenfischern erhoben werden, und wer ist dennoch ärmer und geringer ge- « blieben als sie? Der Beruf, der so groß und hehr ist in sich selber, ist ein Bettler in der Welt; der alle Welt reich machen soll und kann, klopft demüthig an alle Thüren, als wollte er nicht geben, sondern nehmen, Jesus heilt einen Anssätzigen 64i i- und es geht gerade wie der HErr gesagt hat: »der größte unter allen ist ein Diener allen« (Löhe.) f) Sie führen ihre Schiffe an das Land, da mögen sie nun in guter Ruhe liegen; sie werden sobald nicht diese Schiffe wieder in das Wasser ziehen, sie über- lassen das Fiischen ihren Gesellen und bleiben bei dem großen Men chenfischen Wie aber die Weisen aus Morgenland den Eltern Jesu Geld zu der Reise nach Egypten brachten, so hat der HErr hier den An e- hörigen der vier Männer, welche er nun ganz an ich iehh in dem reichen Fisehzug für die erste Zeit einen Er atz ge eben, da sie sonst den Wegfall dieser rüstiggxn Arbeiter lzchmerzlich vermissen mußten. (Nebe.) ie erscheint im Lichte das Wort Christi in V. 10, womit er das geistliche Amt einfetzt, ihm seinen Bestand bis zum Ende der Zeiten sichert und die Zufage ertheilt, daß der Segen, der sich in dem bildlichen Ausdrucke symbolisirt, nie von ihm genommen werden solle, das Unternehmen derer, die eben dieses Amt hinwegschaffen wollen? Blos überhaupt als ein eitles, oder nicht vielmehr darum als ein eitles, weil es widergöttlich ist und den Rat des Gemaliel (Apostg. 5, 39) ver- schmiiht? Vgl. sfenb. U, 7---10 mit 1l u. 12. I- v. 12—16. (§. 41.) In der vorigen Gruppe Mino. 4, 14——5, 11) hatte der Evangelist es zu thun mit dcui ersten Zeitraum der Utirltsainlieit Jesu in Galiläm welcher, soweit die evangelisihe Tradition darüber be- richtete, freilictj nur 9 Tage uiiifaßttz da über die nach— folgenden 3 Monate die Tradition schwieg; er hat da iiictst in streng chronologischer Grdnuiig erzählt, sondern auf die iltorsälle in der Shnagoge zu Ilazareth sogleich die in der Shnagoge zu Kapernanni folgen lasseii, damit der Gegensatz zwischen iiugliiiiliiger itlerwerfuiig nnd gliiubiger Jiniiahine desto schärfer heruortrete, nnd hat uuih znnor des Scgeiig im Hause des Sinion ge· dacht, ehe er den Segen aiis dessen Schiffe verführte. Jetzt geht er nun in einer neuen Gruppe von Erzäh- lungen Man. B, 12—39) zu dem zweiten Zeitraum über, der mit der Wiedcraiifiiiiliiiie der Thiitiglieit Jesu nach der Ruhe während der heissen Soiiiiuersiioiiate in den ersten Tagen deg September begann und etwas iiber 2 Wochen iimfasite, und schildert da den thGrrn als den Arzt seines hranlten Volkes, deui auih ein Kug- sähiger nicht zu unrein ist, iim niic ihm in unmittelbare Bertlhrniig zu treten; der siir die an den Gliedern Zer- schlagenen vor allem das Wort von der Vergebung der Sünden bereit hat, um, nachdem er den an der Seele Jerschlagenen nerliiiiidigk daß sie frei und ledig sein sollen Man. 4, 18), sie auch dem Leibe nach von ihren Banden frei zu machen; und der auch einen geächteteii Lltötliier ja seinem Nachfolger und Apostel beriift, gleich— wie er es am Schlusse der vorigen Gruppe mit einem solchen gethan, welcher siih für eiueii so siindigen Men— sehen beliannt hatte, daß er ihn zn bitten sich getrieben fühlte, von ihm hiuaiigziigelseir So beriihrt sich in ge- nauer Parallele die zweite Gruppe mit der ersten; iiin aber diese Parallele herzustellen, hat St. tkuliag diejenige Geschichte, welche nach ihroiiologischer Ordnung unter den drei Uorfällen eigentlich die dritte Stelle einnimmt, an die erste Stelle gerächt: es ist die Geschiitjte von der Heilung deg Jluvsätzigen (Vgl. etiatth 8,1—-4; Marlh 1, 40—45.) 12. Und es begab fich szu der Zeit, wo Jesus die Bergpredigt gehalten Kap. 6, 12—49 und vom Berge wieder zurückkehren wollte nach Kapernaums da er in einer Stadt war [uber welche sein Weg ihn führete und in welcher er einige Zeit zu verweilen gedachte], siehe, da war ein Mann voll Aussatzes sder noch draußen vor der Stadt ihm auf einmal ganz unerwartet in den Weg trat]. Da der Jesum sauf welchen er es abgesehen hatte und den er daher auch mit seinen Blicken unter der Menge fich herausgefucht] sahe, fiel er ssogar bis in das Hans vor der Stadt, nach welchem der HErr fich wendete, ihm nachlaufend] aus sein Angesicht, nnd bat ihn und sprach: HErr, willst du, so kannst du mich reiniget«- 13. Und er [Jesus, die Schranken des Ge- fetzes ÜberschreiteUdJ streckte die Hand aus Und rnhrete ihn an, und sprach: Jch will es thun, sei gereini et! Und alsobald ging der Aussatz von ihm« sdag er leiblich nun wieder gesund war], 14. Und er gebot ihm [Mark. I, 44 u. 45 Anm.], daß er es niemand sagen solltez sondern . sso sprach er zu ihm, um vor allen Dingen ihm auch zur Wiederaufnahme in die bürgerliche und gottesdienstliche Gemeinfchaft seines Volkes zu verhelfen] gehe hin und zeige dich dem Priester, und opfere fiir deine Reinigung, wie Moses ge- boten hat-, ihnen sden Oberen zu Jerusalem Matth 8, 4 Atem] zum Zeugniß. 15. Es kam aber sda der Aussätzige das Verbot nicht hielt, sondern viel davon sagte, was Jesus an ihm gethan] die Sage von ihm je weiter aus; und kam viel Volks zusammen, daß sie ihn höreten und durch ihn gesund würden von ihren Krankheiten. 16. Er aber [von der Stadt seinerseits fich fern haltend Mark. 1, 45 Anm.] enttvich in die Wuste, und betetesett F) Der Kranke war voll Aussatz, d. h. sein Gesicht fiel auf durch seine bleiche Farbe, wie es der Fall ist, wenn die Krank eit schon einen hohen Grad erreicht at; nur durch eberrafchung hatte er so nahe heran- ommen können, er kommt daher Allen wie eine ge- spenstischeErfcheinung vor. Nun sucht er Jesum mit seinen Blicken unter er Menge, und da er ihn ent- deckt, stürzt er hin zu ihm, in den Worten aber: »HErr, willgt du, so kannst du mich reinigen«, liegt beides, gro e Angst und großer Glaube. Andere Kranke waren geheilt worden, das wußte der Aussätzige, da- her der Glaube; aber mit seiner Krankheit stand es schon auf’s Schlimmste, daher die An st, und nun hatte er si wider das Verbot des GFesetzes bis in die uninittel are Nähe Jesu ewagt, weshalb er eine Zurückweisung befiirchten wagte. Wenn er nun gleich jener Sorge mit einem großen Glauben begegnete, so mußte doch diese seine Anåzst umso größer machen. VI) Matthäus sagt: ,,sein ussatz ward rein«, dies ist der gesetzliche Gesi tspunktx Lukas einfach: »der Aussatz, wich von ihm«, ies ist die menschli eAn- schauungsweisez Markus verbindet beide Aus rucks- weisen. (Godet.) — irr) Des Gebetsumganges Jesu mit seinem Vater gedenkt Lukas öfters, wo die andern Evangelisten dessen nicht erwähnen, vgl. Kap. 3, 21; 6, .; 9, 18 u. 29. (v. Burgen) -— Zu unserm Abschnitt: Das Gebet in der Noth; wir sehen l) 648 Evangelium Lueä 5, 17——26. auf die Noth, die zum Gebete treibt, 2) auf die Er- hörung, die es findet, Z) auf die Bedingungen, die es stellt. (Reinicke.) II. v. 17—26. (§. se) stunk-is wende: sich jktzi z« derjenigen Geschichte, welche aueh bei Martin-z die zweite Gruppe von Begebenheiten aus der galiliiischen Wirk- samkeit eröffnet und die jetzige Periode dieser Wirlisanp lieit als den Anfang der Qpnositionøslellung rharaliterisirh welche im Unterschied von dem Volk dessen Leiter mehr und mehr dem ihGrru gegenüber eiunahnienz dieselbe zeigte sich nämlich zuerst bei der Gelegenheit, als ein Girhtlirüchiger zu ihm gebracht wurde und er nun diesem mit der Jinliiiudigiing der Vergebung seiner Sün- den entgegenkam. (iugl. Many. 9, 1—8; Marti.2,1—12.) 17. Und es begab sich auf einen Tag sals er eben aus dem Gebiete der Gadarener zurück- gekehrt war Kap. 8, 26-—39], daß er sim Hause, da er zu Kapernaum wohnete 4, 38] lehren, und saßen da sunter der Nienge, die ihn umgab] die Pharisäer und Schriftgelehrten, die da kommen waren aus allen Märkten in Galiläa und Jndäa, und von Jerusalem sMatth 9, 2 Anm. 1]. Und die Kraft des HErrn sKrankheiten zu heilen] ging von ihm [8, 40], nnd half jedermann sder mit einer Seuche oder Plage behaftet zu ihm gebracht wurde; doch übte Jesus dies Mal diese Kraft nur in einem einzelnen bestimmten Falle, fein eigentliches Geschäft war zunächst nur das Lehren]. 18. Und siehe sum diesen einzelnen bestimmten Fall jetzt näher zu bezeichnen], etliche Männer brachten einen Menschen auf einem Bette, der war gichtbriichigz nnd sie snchten, wie sie ihn hin- einbrächten und vor ihn legten lMatth 15, 30]. 19. Und da sie vor dem Volk swelches in dichtgedrängten Schaaren das Haus umstund] nicht fanden, an welchem Ort sie ihn hinein brächten; stiegen sie fvom Nachbarhause her] auf das Dach, nnd ließen ihn durch die Ziegel hernieder mit dem Bettlein, mitten unter sie [die im Mittelrauni des Hauses versammelt waren], vor Jesumi fdaß er den Kranken nun zu seinen Füßen liegen sah]. 20. Und da er ihren Glauben sahe, sprach er zu ihm: Mensch, deine Sünden sind dir ver- gebeut« 21. Und die Schriftgelehrten nnd Pharisäer singen an zu denken, und sprachen sbei sich, ohne es auch laut und offen herauszureden]: Wer ist der, daß er Gotteslästerung redet? Wer kann Sünde vergeben, denn allein Gott? sund warteten nun, was weiter kommen werde, um bei etwa geeigneter Gelegenheit ihrem Gedanken auch Nach- druck zu geben.] 22. Da aber Jesus ihre Gedanken merkte, antwortete er nnd sprach zu ihnen: Was denket ihr in euren Herzen? 23. Welches ist leichter zu sagen: Dir sind deine Sünden vergeben? oder zu sagen: Stehe auf nnd wandele? [vgl. die Matth. 9, 5.] 24. Auf das; ihr aber wisset [durch einen sichtlichen, handgreiflichen Thatbeweis euch über- zeuget], daß des Menschen Sohn sder als solcher Gottes Bevollmächtigter .ist, das, was er hier in Ausübung bringt, auch wirklich besitzt, also] Macht hat auf Erden Sünden zu vergeben sso werde ich jetzt die andere Macht üben, die jener ersten zur sichtbaren Erweifung dient; und nach einer feier- lichen Pause, während welcher er die Widersacher scharf ansah], sprach er zu dem Gichtbrüchtgem Jch sage dir, stehe auf, und hebe dein Bettlein aus und gehe heim! 25. Und alsobald stund er auf vor ihren Augen und hub das Bettlein auf, darauf er ge- leget war und ging heim und pries sbeim Hin- durchgehen »durch die Menge] Gott«-« sder große Dinge an ihm gethan] 26. Und sie entsetzten sich alle sauf Seiten des Volks, als sie das sahen] und priesen [glei- cherweise, wie der Gesundgewordene] Gott, und wurden voll Furcht [vor der Majestät Jesu] und sprachen [unter einander beim Nachhausegehen]: Wir haben heute seltsame Dinge gesehens svon denen wir bis daher aus dem Munde unserer Schriftgelehrten noch nichts gehört hatten, nämlich daß es eine göttliche Vergebung der Sünden noch auf Erden giebt Mark. 2, 7 Anin.]. V) Wo Liebe im Herzen ist, da trägt, da schleppt man sich mit dem Nächsten, bis man ihn zu Christo bringt. (H. Niüllerh Du kannst deinem Freunde keinen besseren Freundschaftsdienst leisten, als wenn du ihn an der Hand der Liebe zu Jesu führst, ihn in den Armen des Gebets zu dem Gottessohne hinträgst (Nebe.) Wenn ihr für euch selber Vertrauen zu Christo hegt, so muß es sich äußern wie bei dem Kranken in unserm Texte, durch ein Driingen, durch ein Treiben in eurem Innern, das euch keine Ruhe läßt, bis ihr zu ihm gelangt, bis ihr seine Nähe fühlt, bis ihr ihm euer Anliegen kund thut, bis ihr seine Antwort vernehmt. Jhr fragt, wo er zu finden sei? das sollte ein Gläubiger doch wissen! In der Schrift ist er zu finden; und die Gläubigen forschen und suchen nach ihm» sehr fleißig m der Schrift, die »auf ihren vielen Blattern uberall von ihm Zeugmß giebt. Jn den Versammlungen der Christen ist er zu finden; denn er hat verheißen unter denen zu sein, die in seinem Namen versammelt sind. Jn eurer Wohnung, in eurem stillen Zimmer ist er zu finden; da steht er vor euch am Morgen, strahlend und heiter wie die Sonne, zerstreut die Nebel, die auf eurem Geiste liegen, lockt alle Wünsche für euch und Andre, lockt alle Sehnsucht aus eurem Herzen hervor, daß sie sich an ihn wende und in ihm ihre Stillung finde. So ist er bei euch am Abend, so zu jeder Stunde, so an jedem Tcigez er ist bei uns alle Tage bis an der Welt Ende — wer zu ihm kommen will, der hat es jetzt bei Weitem leichter als damals der Gichtbrüchige (Theremin.) — H) Scheinbar ist dieser Nienseh nur leiblich krank, so daß man meinen möchte, er und seine Freunde hätten auch nur leibliche Heilung für ihn nachgesucht; doch der HErr, welcher in’s Herz Erläuterung zu 649 Heilung des Gichtbrüchigen siehet, erkennt nicht blos, daß der Gichtbrüchige auch geistlich krank sei durch die Sünde, sondern daß er auch den Schmerz über seine Sünde noch tiefer und heftiger empfinde, als den über· seine körperlichen Leiden und seine leibliche Gebrechlichkeit Wie es nun auch ge- wesen sein ma , ob sich dieser Mann durch ein Leben in sündlicher usschweifung seine Krankheit zugezogen, oder ob seine leibliche Trübsal nur das Bewußtsein seines sündlichen Zustandes überhaupt hervorgerufen hatte, jedenfalls steht fest, daß er seiner Sünde wegen bekümmert und tranrig war; denn der HErr sagt zu ihm (Matth. O, 2): »Sei getrost« Somit erkennt der HErr in ihm ein Herz, das seine Sünde mit Sorge und Gram ansieht, sie haßt und verabscheut, sich von ihr abwendet und sie gern los sein möchte, d. h. einen Menschen, der Buße thut. (Rolsfs.) Da die Paralyse (Matth.8,7 Anm.) eine langwierige Krankheit ist und ersahrungsmäßig durch eine solche langwierige Krank- heit unsre Nächstenliebe abgestumpft wird, so läßt sich nicht gut annehmen, daß diese Leute aus freien Stücken den Gichtbrüchigen zu Jesu hingetragen haben, sondern er hat sie um diesen Leibesdienst angesprochen; ja, so sehr stand sein Sinn aus Jesum, daß er auch zu dem gefährlichen Herablassen durch das Dach feine Zustim- mung gab. (Nebe.) »Deine Sünden sind dir ver- geben«, sagt der HErr, und als er das sagte, blieb der Kranke vor der Hand noch lahm und elend, wie er war, vor ihm liegen; körperlich heilte dies Wort ihn nicht. Wie, wenn der Sohn Gottes gut gefunden hätte, diesen Kranken nicht gesund zu machen, wenn er lahm und elend, wie er war, wieder von ihm hinweg—- getragen worden wäre und in diesem Zustand vielleicht noch Jahre lang gelebt hätte, wäre das Wort ,,dir sind deine Sünden vergeben« dann weniger wahr ge- wesen? hätte der Kranke nicht mit zweifellosester Ge- wißheit sich daran halten können? Gewiß ist Ver- gebung der Sünde und Aufhebung der Folgen der Sünde nicht einerlei; man kann Vergebung der Sün- den haben, ohne von allen widrigen, drückenden Folgen der Sünde erlöst zu sein. Der Gott, der, weil er barm- herzig ist, vergiebtMissethat, Uebertretung und Sünde, wird zwar den Menschen, dem er also seine Barm- herzigkeit und Gnade widerfahren läßt, nicht ewig unter den Folgen seiner Sünde bleiben und leiden lassen; aber die göttliche Weisheit und Liebe kann ihre heiligen Ursachen haben, den also begnadigten Sünder die kurze Zeit seines Lebens in dieser Welt unter den Folgen der Sünde ferner leiden zu lasse1i, denn der Mensch kann in dieser Welt für jene gerettet werden ohne Gesundheit, ohne Reichthum und Ehre, aber nicht ohne Vergebung der Sünden, nicht ohne Gnade und Gabe von Gott durch Christum, nicht ohne Trost und Frieden, nicht ohne Licht und Kraft des heil. Geistes. (Menken.) sitt) Mit ihrer Meinung: »wer kann Sünde ver- geben denn allein Gott?« aben die Schriftgelehrten und Pharisäer ganz Recht; ünde vergeben kann nur der, gegen welchen gefündigt ist, haben wir also gegen Gott gesündigt, so steht es auch nur in Gottes Ge- walt, die Sünde zu vergeben. Aber Jesus ist ja wahrhaftiger Gott, also kann er auch die Sünde ver- geben; er hat die Macht dazu, und hat sie noch viel mehr, weil er die Macht erworben hat, indem er Mensch geworden ist, um für unsre Sünde zu leiden und zu sterben. Es äbe keine Sündenvergebuiig, wenn er nicht in’s FleiFch gekommen wäre. Von dein allen freilich wissen die Schristgelehrten nichts; sie halten Jesum für einen bloßen Menschen, und darum ist es ihnen ärgerlich, wenn er die Sünden vergiebt; im alten Test. hatte Gott niemand die Macht über- tragen, sie wußten darum nicht anders, »als daß »die Macht allein bei Gott im Himmel zu finden»ware. Ihnen sind diejenigen gleich, welche es anstößig und ärgerlich finden, daß in der christlichen Kirche von den Dienern Christi die Sünden vergeben werden. Sie lassen es sich gefallen, daß dieselben die Vergebung der Sünden verkiindigen, nur muß das nichts weiter bedeuten , als eine Anzeige, daß Gott gnädig ist, und eine Ermunterung der Gnade Gottes zu trauen; soll es aber heißen, daß die Sünden durch den Mund des Dieners Christi wirklich vergeben werden, so spricht man: ,,dieser lästert Gott; wer kann Sünden vergeben, denn allein Gott?« Von einer Macht, welche Christus selbst seiner Kirche gegeben hat, Sünden zu erlassen, wissen sie nichts, mögen auch nichts davon hören. Sie sind noch nie so zerschlage- nen Herzens gewesen, daß sie nöthig gehabt hätten, bei einem Andern oder bei einem christlichen Bruder Trost zu suchen und sich durch das Evangelium ihrer Last entbinden zu lassen — bis dahin haben sie das noch selber gekonnt; darum achten sie es nicht, daß der HErr will einen Bruder durch den andern stärken und daß er vornehnilich dem Predigtamte diese Hand- reichung befohlen hat, welches sein Amt ist. Daß aber die Vergebung, welche auf Erden im Namen Christi gesprochen wird, auch im Himmel giltig ist, beweist sich damit, daß mit dem Wort; ,,dir sind deine Sünden vergeben«, das andere nntrennbar sich ver- bindet: ,,stehe auf und wandleltt Wem Gott in seinem Worte die Sünde vergiebt, dem giebt er durch dasselbe Wort auch Kraft und Vermögen, von der Sünde auf- zustehen und in einem neuen Leben nach Gottes heil. Geboten zu wandeln. Spricht uns das Evangelium von der Schuld und Strafe los, so macht es uns-auch zu neuen Menschen und Kindern Gottes; denn wo Vergebung der Sünden ist, da ist auch Leben —- neues, göttliches Leben —- und Seligkeit. Nur Unwissende und verkehrte Menschen können sich einbilden, daß mit der Vergebung der Sünden alles abgethan wäre, ohne daß ein neues Leben in der Bekehrung nachfolgte; was Gott zusammenfügh das soll der Mensch nicht scheiden, wer aber eins von dem andern scheidet, eins ohne das andere haben will, der hat keins von beiden, der betrügt sich selbst. (Münkel.) f) Bemerkenswerth ist, daß der Ausdruck des Lukas: ,,seltsame Dinge« sich auch in dem Bericht des Josephus Über Jesum findet: ,,er that seltsame Werkes. Nicht zunächst auf das Wunder deutet das Volk mit dem »Heute« — sie hatten an den vorigen Tagen ebenso auffallende schon gesehen —, sondern besonders auf die göttliche Vollmacht zu vergeben, welche Jesus durch das Wunder, mit dem er sie in Verbindung gestellt, so herrlich erwiesen hatte. Die drei verschie- denen Ausdrücke, in welchen sich die Verwunderung des Volks bei den drei Shnoptikern kund giebt, sind dem Munde der zahlreichen Zeugen des Vorganges entnommen: die einen sagten so, die andern anders, und wieder andere noch anders aus. (Godet.) III. V. 27—39. (§. 37.) Ver Evangelist lkann hier mit der geschikhllichen lleihenfotge der Erzählungen fort- fahren nnd jetzt auch den Vorfall mit der Berufung Wenig, mit dem Mahle in dessen hause nnd den da— mn sich anschließendeii vornnirfen der Widersacher, daß Jesus mit den Jöllnerii nnd Sündern esse nnd seine Isinger zu eincrznchtloseii Lebensweise erstehe, lseriihten; denn einerseits vollendet siih damit das Bild des Chitin-n als des rechten Arztes der Menschen, der des Leibes Krankheit heilt und die Seele gesund niachh andrerseits aber wird nun auch in iibersichtlicher Uleise Klar, wie er 650 Evangelium Lucä 5, 27——-—39. B, J. den Pharisäern uiid Srhriflgelehrten nicht Jlergeruiß ge- geben, sondern Viese Kergerniß an ihm genommen halieii. Dei« Jliisscihigen iii V. 12—16 hat ihm sein hiiniiilisiher ioater gleichsain unter die Hände gesihiitit, das; er ihn berühren mußte, und er hat darnach iii der Einsamkeit sich aufgehalten zum Gebet, atso in lteinerlei Weise das Gesetz gebrochen; dem Gichtbriichigeii in to. t7 —26 ist er mit der Gabe eiitgegengeliominen, die der- selbe am nöthigsten bedurfte, nnd hat eg dann mit seiner Wniiderthat bewiesen, daß er das Verfügungs-reitst über die göttliche Vergebung der Sünden besihez in Kritik; Berufung hier handelt er alt; ein Arzt, der er nun ein- mal ist, und hat da unzweifelhaft dng Recht und die Pftiihh siih der Kranken anzunehmen, nnd wenn er seine Iiiiiger mit Fasten verschont, so hat er mit dtiirtisiilit aiif die Zeit, da er als Bräutigam bei den Hoitizeittenteii noch gegenwärtig ist, ebenfalls dng Recht nnd die Pflicht dazu. (Vgl. Mattlx 9, 9—17; Mark. L, 13—22.) 27. Und darnach san einem etwas späteren Tage] ging er ans saus dem Hause seines ge- wöhulichen Aufenthalts in Kapernaum V. 17 fs.], und sahe sauf feiner Wanderung nach dem Meeres- geftade] einen Zbllnen mit Namen Levis, am Zoll sitzen, und sprach zu ihm: Folge mir nach swie jetzt zum Meeresuser, so fortan iiberall, wohin ich gehe Matth. 9, 9 Anm.]. 28. Und er verließ alles sschon jetzt seine ganze bisherige Lebensstellung und Beschäftigung für immer aufgebend], stund ssosort von der soll- bank] auf und folgte ihm iiach [noch an diesem Tage fich als beständiger Jiinger ihm aiischließend und seinem Vortrage am Meer beiwohnend]. 29. Und der Levis richtete ihm sam andern Tage, als er von seinen vormaligen Berufsge- nossen Abfchied nehmen wollte] ein groß Mahl zu in feinem Hause, und viele Ziillner und Andere swelche der pharisäische Sprachgebrauch als ,,Sünder« bezeichnete, waren ebenfalls eingeladen und] saßen mit ihm zu Tisch» 30. Und die Sihriftgelehrten und Pharisäer sdes Orts, indem sie draußen vor dem Hause fich versammelt hatten und dort die Beendigung des Mahls abwarteten] murreten wider seine Jünger sdie zuerst aus dem Hause wieder heraustraten] und sprachen: Warum esset und trinket ihr mit den Zbllnern und Sündern? 31. Und Jesus sder sofort hinzutrat, ihnen aus der Verlegenheit, da sie nichts zu antworten wußten, heraushelsend] antwortete san ihrer Stelle] nnd sprach szu den Fragern]: Die Gesunden bedürfen des Arztes nicht, sondern die Kranken. 32. Jch bin kommen, zu rufen die Sünder zur Buße, und nicht die Ge- rechten»- 33. Sie aber ssofort die Gelegenheit er- greifend, die in der Herbeikiiiift etlicher Johannis- jünger zu einem andern Vorwurf sich ihnen dar- bot] sprachen zu ihm: Warum fasten Johannis Jünger so oft und beten so viel svon ihrem Meister dazu angehalten Kap· 11, 1], desselbigen gleichen sauch unsre] der Pharisäer Jünger [wie denn der heutige Tag- ein solcher Fasttag für uns ist]; aber deine Jünger essen und trinken san dem einen Tage so gut wie an dem andern, wie du ja so eben von einem Gastinahl mit ihnen kommst]? 34. Er sprach aber zu ihnen ssich wohl be- sonders an die anwesenden Johannisjünger wen- dend]: Ihr möget die Hochzeitleute nicht zum Fasten treiben, solange der Bräutigam bei ihnen ist suiid brauche ich da ein Bild, das euer Meister Johannes selbst von dem kommenden Messias ge- redet hat Joh. 3, 29]; 35. Es wird aber die Zeit kommen, daß der Bräutigam von ihnen genommen wird, dann wer- den sie sschon von selber] fasten sohne daß man sie erst dazu treiben darf]. 36. Und er [nun hauptsächlich an die Schriftgelehrten und Pharisäer fich richtend] sagte zu ihnen ein Gleichniß: Niemand slickteinen Lappen vom neuen Kleide sbei Matth und Mark. ist blos von einem Lappen, der von irgend einem Stück neuen Tuches, nicht von einem schon ser- tigen neuen Kleide genommen, die Rede] auf ein alt Kleid; wo anders sd. i. wenn Einer doch so thöricht handeln wollte], so reißt das Neue [hat man beide Kleider verdorben: das neue ist zer- rissen worden, um das alte zu flicken], nnd der Lappe vom Neuen reimet sich nicht auf das Alte sauch das alte Kleid ist entstellt durch das nicht zu ihm passende Flickwerk vom neuen Kleide] 37. Und niemand fasset Most in alte Schläuchez wo anders, so zerreißt der Most die Schläuche und wird verschüttet, und die Schliinche kommen um sdaß also auch hier auf beiden Seiten Scha- den geschiehet]; 38. Sondern den Most soll man in neue Schläuche fassen, so werden sie beide behalten. 39. Und niemand ist, der vom alten [Wein] trinkt ssich zu trinken gewöhnt hat], und wolle bald des neuen; denn er spricht: Der alte ist milden-«« V) Das Mahl, welches Matthäus anrichtet, trägt den Charakter eines Abschiedsmahles, dient aber zu- ggeich zum Beweise der bereitwilliåen und dankbaren timmung, mit der der gewesene ollner seinen neuen Beruf antrat. (v.Oosterzee.) — «) Ziisammen speisen ist im Orient das Zeichen einer viel größeren Ver- traulichkeit als bei uns; indem also Jesus bei Levi und in solcher Gesellschaft gastfreundliche Bewirthung annahm, setzte er fich auf eine aufsallende Weise über die jüdischen Regeln der Anstäiidigkeit we . Sein Rechtfertigungswort nun enthält eine Miscgung von Ernst und Jronie: er scheint den Pharisäern zuzuge- stehen, daß sie gesund seien, und daraus zieht» er den Schluß, daß er, der Arzt, ihnen überflüssig ei, darin liegt die Jronie. Auf der andern Seite «ist vom ge- setzlichen Standpunkt aus unbestreitbar, daß die Pha- risäer die theokratischen Ordnungen befolgen und daß Berufung des Zölliiers Levi zum Apoftelamt 651 sie in ihrer Stellung alle Gnadenmittel des alten Bundes benutzen können, wäsreud die, welche mit den theokratischen Formen gebro en haben, derselben be- raubt sind; so gefaßt sind die letzteren in einem viel bedenklicheren Zustande, als die Pharisäer, und haben ein viel dringenderes Bediirfniß, daß jemand ihres Heils sich annehme — dies ist die ernste Seite der Antwort. Der Ausspruch gleicht also einem zwei- schneidigen Schwert: vor allem dient er zur Recht- fertigung Jesu vom Standpunkt seiner Gegner aus; aber zugleich ist er geeignet, in ihren Herzen ernste Zweifel über die völlige Richtigkeit dieses Standpunkts zu erregen und ihnen eine Ahnung von einem andern beizubringen, nach welchem der Unterschied zwischen ihnen und den Zöllnern, wenn er ein ganz äußerlicher bleibt, nicht den Werth hat, den sie ihm zuschreiben. (Godet.) — its-«) Nicht selten hat Jesus, wenn er einen Gedanken durch ein Gleichniß dargestellt hatte und dabei fand, daß zur vollständigen Darstellung des Gedankens das Bild nicht ganz hinreiche, sogleich ein zweites Gleichniß hinzugefügt, in welchem eine andere Seite des Gedankens mehr in den Vordergrund tritt; so bilden sich die Parabeln-Paare, die wir häufig in den Evangelien antreffen: Senfkorn und Sauerteig, Schatz und Perle, Baumeister und Krie sma1in, Säe- mann und Unkraut. Nach dieser Metho e fügt Jesus hier zum Gleichniß vom Stück Tuch das von den Schläuchen hinzu. (Godet.) Beide Gleichnisse be- leuchten das Unvereinbare des Alten mit dem Neuen, des Lebens unter dem Gesetz mit dem Leben unter der Gnade, jedoch mit dem Unterschied, daß« in dem ersten das Neue (der Lappen) als etwas Hinzugekonk menes dargeftellt wird, womit man das Alte aus- bessern will, während im zweiten das Neue Tder Wein) mehr die Hauptsache ist und in seiner eigen- thümlichen Kraft und Wirkung hervortritt. Im ersten liegt eine mittelbare Rechtfertigung des Täufers dafür, daß dieser seinen Jüngern das strenge Fasten und Beten nicht abgerathen hatte; würde er dies, im Uebrigen noch ganz aiif gesetzlichem Standpunkt stehen bleibend, gethan haben, so hätte er auf ein altes Kleid nur einen neuen Lappen gesetzt Er that aber eben so wohl, alles beim Alten zu lassen, als Jesus würde übel gethan haben, wenn er den freien Geist seiner Lehre und seiner Jünger in die engen Formen des Judaismus eingeschlossen hätte. Jn dem Schluß- worte ist es denn augenscheinlich des Errn Abficht, anzudeuten, daß das Aergerniß der . harisäer und Johannisjunger begreiflich, ja »in gewisser Hinsicht zu ent ehuldigen sei: an ihre Begriffe wie an alten Wein gewöhnt, können sie sich eben so wenig sogleich in seine Grundsätze finden, als daß jemand, der seinen alten Wein mit Appetit getrunken, sogleich nach neuem ver- langen sollte. Oh. OosterzeeJ St. Lukas hat allein dies Wort Christi mit beigefügt; er hatte ein beson- deres Jnteresse daran, indem es sich am auffälligsten an der Christengemeiiide zu Jerusalem bewahrheitete und dieser zuletzt, nach der Ermordung ihres Bischofs Jakobus II., ihr große Versuchung bereitete. Er ist es auch wohl, der der Gemeinde die Epistel an die Hebräer geschrieben. — i Das Wort inilde hatte im Mittelalter die Bedeutung von »freigebig, ver- schwenderisch«; so auch 1ioch bei Luther in Pf. 37, 21 und Hes.16, 36. Jn der jetzt üblichen Bedeutung dagegen: ,,angenehm, weich, sanft« steht es hier und in Pred. S. 7, 8. —- Neuer Wein muß in neue Schläuche: 1) so war es zur Zeit des HErrn, Z) so ward es wieder zur Zeit der Reformationz 3) so wird es auch künftig geschehen (Hesek.40—48). I- o. 1—u. Das 6. Kapitel. Von ausgerauften drehten, uerdorreter Hand, der Apostel Tlheruf und Christi ckeldpredigL (§. 50 u. 51.) In der vorhergehenden zweiten Gruppe von Erzählungen Man. Z, 12 —- 39) zeigte der Evangelist den Beginn der feiudseltgen Stel- lung der Schriftgelehrteii und sllsarisäer gegen Jesuni sowohl um seiner guadciireicljeii hiuneigung zu bußfer- tigen und gläubigen Sündern als anih um dei- Freiheit von niensihlicheii Satzungen willen, die er seinen Inn— gern gestattete. Da folgt nun eine dritte Gruppe, bei weliher gleich die erste Geschichte vom Jistersalp bath und dem am andern Tage folgenden eigentlicheii Sabbath schon einen solchen Grad der Feindschaft auf Seiten der Schriftgelehrteii nnd Phari- säer an den Tag legt, daß man auf Iesu Untergang sinnt; deui gegenüber ist denn der HGrr ganz in seinem lichte, wenn er in der Wahl der zwdlf Jlpostel den Grund zu einein neuen Israel, das an die Stelle des alten, in ungöttlictsem Sinn veihiirteten treten soll. Er spricht es denn auch in der daran sich auschließeudkn Predigt auf einein Platz im Felde, die eine sur das Voll; eiugerichtete Wiederholung der Bergprcdigt ist, in zwei hanptgrundsiitzeii aus, welcher Geist seine, dem pharisciisclssnngläubigen Iludenthiim gegeuüberstehende Gemeine beseelen soll: einerseits die Verzichtleistung ans alles, was auf Erden ist, um desto entschiedener und ungetheiller zu trachten nach dem, das droben ist, iiud andrerseits die unbeschränkte, auch dem Feinde zuge- weudele triebe gegen den Räumen, die nicht nacht, sou- dern segnet, nicht nimmt, sondern giebt, nicht Andere richtet, sondern vor allen Dingen an dein eigenen Erben bessert. Jtber der thGriy wie er zugleich am Schluß jeucr Rede andeutet, siehet es sihon voraus, daß er»in Israel selber ihrer unr wenige finden würde, die seine Rede hören und thun, daß vielmehr das neue Israel hanptsächlich aus den lljeideniidllterii sich erbaiien werde, die sein Wort aunehmeii und im Glauben sich ihm zu— wenden; das zeigte steh aurh bald darauf bei der Ge- schichte von dem Hauptmann zu Kapernaum und indem St. Lukas mit dieser Geschichte die Gruppe schließt, liehrt er am Gude der dritten Gruppe zu dem Anfang der zweiten zuriicli und faßt beide zu einem größeren Ganzen zusammen, dessen tljauptgedaiilie der ist, welcher aiu Schliiß der tseiuerlisingeu zu Erlaub. it, 7 ausge- sprochen worden. —- Was nun die erste der in unserer Gruppe vorliegenden drei Gesihichten betrifft, so besteht dieselbe aus den beiden borfiillen an zwei aufeinander folgenden Sabbathtageiu dem Jlehrenransen der Jünger einerseits und der Heilung des Mannes mit der verdorreten Hand andrerseitik die iu die Osterwoche des I. 29 u. Ehr. fallen. Der Evangelist greift damit über diejenige Periode der Wirksamkeit Ghristi iii Galiläa, innerhalb deren er sonst in der zweiten und dritten Gruppe sieh hält (§. 33—41), eigent- lich hinaus; aber da er in der vorhergehenden Gesihiclste Jesum schon auf seinen gewaltsamen Tod hat hinweisen lassen Man. b, 34 f.), muß er den Leser auch nunmehr mit der sich anbahuendeii Verwirklichung dieses Todes beliaunt machen, und er lmuu ohne Bedenken so weit greifen, da für seinen Gesichtskreis der ganze Umfang der von §. 28 bis 51 reichenden Begebenheiten eine eng zusammengehiirige Periode bildet. (vgl. Matth IS, 1 —2t; Mark. E, 23 —- 3, 12.) 1. Und es begab sich auf einen Aftersabbath sgenauert aus den zweitersten Sabbath, d. i. 652 Evangelium Lueä 6, 2-——16. auf den ersten von den nach Z. Mof. 23, 15 vom zweiten Tage des Osterfestes an zu zäh- lenden sieben Sabbathen Matth. 12, 1 Anm.], daß er sin Chorazin, wo er damals sich aushielt, nach Beschluß des Gottesdienstes in der dortigen Synagoge einen Spaziergang mit den Jüngern machend] durchs Getreide sauf einem durch die Felder hindurchführenden Wege] ging; und feine Junger sdie hungrig waren] taufieu lwie das 1nosa1sche Gesetz das ja gestattete] Aehren aus nnd aßen, Und sum dies in Beziehung auf das Ausraufen noch zu bemerken, weil es ebenfalls nach pharisäischer Satzung für ein am Sabbath VEVEVIEUSS Werk galt] rieben sie fdie Aehren] mit den Händen sdie Körner, die sie essen wollten, daraus zu gewinnen] 2. Etliche aber der Pharisäer sprachen zu ihnen: Warum thut ihr [indem ihr mit soichem Reiben gewissermaßen Getreide drescht und strahlt] das fiel) nicht geziemet zu thun auf die Sabbaiher? 3. Und Jesus antwortete, und sprach zu ihnen: Habt ihr nicht das gelesen, das David that, da ihn hungerte, und die mit ihm waren [1. Sam. 21, 1 sf.]? 4. Wie er zum Hause Gottes einging, und nahm die Schaubrode und aß, und gab auch denen, die mit ihm waren; die snämlich die Schaubrode, nach Z. Mos. 29, 4] doch niemand durfte essen, ohne die Priester alletn. » Z. Und sprach snach dieser Abwehr ihres Angriffs noch eine wichtige Bemerkung hinzu- sagend] zu ihnen: Des Menschen Sohn ist ein Herr auch des Sabbaihs Man hat kein Recht, um des vou Lukas in Kahn. 1,3 versprochenen ,,ordeiitlich«-Schreibens willen von ihm zu erwarten, daß er nun auch genau die ge- schichtliche Reihenfolge bei seinem Erzählen inne halte; dazu hätte er, da er kein unmittelbarer Angen- und Ohrenzeuge der Thaten und Worte Jesu, wenigstens nicht schon jetzt und nicht für immer gewesen, die evangelische Tradition aber sich ebenfalls nicht streng an die Zeitfolge hielt, entweder besondere chronolo- gische Studien machen oder noch ganz speziell in Be- treff der Chronologie vom heil. Geiste erleuchtet und geleitet werden müssen, was beides 11icht in seinem Amte und in der Absicht seiner Evangelienschrift lag. Wichtiger ist vielmehr der in Katz. I, 4 angegebene Zweck: »auf daß du gewissen Grund ersahrest der Lehre, in welcher du unterrichtet bist«; damit ist offenbar das panliiiische Christenthum oder das Evangelium Pauli (Röm· 16, 25) gemeint, das von den judaistisch Gesinnten nicht nach— seinem geschichtlichen Jnhalt, wohl aber nach seiner dogmatifchen Auffassung so viel- fach angegriffen und als ächt bestritten wurde, und das nun dem Theophilus in seiner unumstößlichen Rich- tigkeit aus Christi eigenen Worten und Werken nach- gewiesen werden sollte. Es galt eine geschichtliche Widerlegutig der Behauptung, daß das Evangelium des Paulus sowohl den Thatsachen des Lebens Jesu als seinen Lehren widerspreche; und da schließt sich Lukas der Hauptsache nach ganz der Reihenfolge der Begebenheiten an, wie sie durch die« Predigt des von den judaistisch Gesinnten so hoch gestellte11 Petrus bräuchlich geworden und hernach auch im Evangelium des Markus beobachtet ist, er schreibt also in der That »ordentlich«, läßt aber freilich nun auch hervortreten, wie von Anfang an der pharisäische Judaismus sich gegen Christum auflehnte, ihn verlästerte und ver- folgte um feines, auf Freiheit des Evangeliums von dem Joche der äußerlichen Satzung gerichteten Lehrens und Wirkens willen, so daß im Gegentheil das von den judaistisch Gesinnten dem paulinischen entge en- gesetzte Christenthum das von dem HErrn abgelegnte und verworfene ist. Jn der vorliegenden« Geschichte beschränkt er fiel) bei den Worten Christi auf das- jenige, was die Christlichkeit solcher Aussprüche Pauli wie: Gal. 4, 3 u. 9 bestätigt und den, bei den pauli- nischen Gemeinden wohl vielfach schon in Ehren stehenden Sonntag (Apostg. 19, 7; l. Cor· 16, L) als den frühzeitig von Jesu in Anssicht genom1nenen Festen Sabbathtag (Matth. II, 8 Anm. L) erkennen ä t. 6. Es geschah aber aus einen andern [doch schon am nächsten Tage eintretenden Niatth.12,9] Sabbath, daß er ging in die Schnle, und lehrete. Und da war ein Mensch, deß rechte Hand war verdorret. 7. Aber die Schristgelehrten und Pharisäer svon gestern her ihm sehr feindselig gesinnt] hielten auf ihn, ob er auch heilen wiirde am Sab- bath, aus daß sie eine Sache zu ihm fänden sbei der sie mit besserem Erfolg, als bei dem gestrigen Aehrenraufen seiner Jungen ihn des Sabbaths- bruchs befchuldigen könnten] 8. Er aber merkte ihre Gedanken, und sprach sabsichtlich das, was er vorhatte, recht öffentlich hinstellend] zu dem Meuschen mit der dürren Hand: Stehe aus, und tritt hervor! Und er stund auf, und trat dahin. 9. Da sprach Jesus zu ihnen [den Laurern V. 71: Ja) frage euch, was ziemet sich zu thun auf die Sabbather, Gutes oder Böses, das Leben erhalten oder verderben? » 10. Und er sahe sie alle umher an smit Blicken, die einerseits tiefen Unwilletn andrerseits aber auch schmerzliche Wehmuth wegen ihres ver- stoekten Herzens verriethen Mark. Z, 5], und sprach zu dem Menschenx Strecke aus deine Hand! Und er sim Glauben dem Worte Christi gehorsam] that es. Da ward ihm fschon bei dem Versuch des Llusftreckensq seine Hand wieder zurecht ge- bracht, fund war nun, als er sie ausgestreckt hin- hielt] gesund wie die andere. 11. Sie aber wurden ganz unsinnig; und beredeten sich sdraußen vor der Synagoge, wo sie auch mit Herodis Dienern zusammentrafeti Matth. 12, 14 Amnsj mit einander, was sie ihm thun wollten sum ihn umzubringen] Dem kranken Menschen diente beides, die Bosheit der Pharisäer und die Liebe Jesu, zum Segen. Ge- trost, liebes Herz: ,,fein Werk kann niemand hindern, Vom Aehrenausraufen Heilung der verdorreten Hand am Sabbath. Wahl der 12 Apostel. 653 sein’ Arbeit darf nicht ruhn, wenn er, was seinen Kindern ersprießlich ist, will thun« Den Pharisäern aber ward die Liebe Jesu, welche sie in ihrer Ver- stocktheit von sich stießen, zum Fluch; je mehr er liebte, je mehr sie haßten. (Besser.) Die Enthülluiig der Sünde weckt entweder Buße, oder wenn der Mensch darein nicht eingeht, Erbitterung; die in ihrer geheimsten Sünde angegriffene Partei that sich nun scho1i zusam- men, um für ihr Reich zu streiten, und handelte es sich fortan nicht mehr blos um den Gegensatz Einzel- ner, sondern um eine geschlossene Körperschaft von Widersachern (Olshausen.) H— V. 12——49. (§. 40.) Auch bei Mariens ist mit den beideuGeschtrhten aiuZtfter- und dem andern Tages fol- genden Sabbath die Jlussondernug der Zwölf in Verbindung gesetzt; während nun aber der zweite Evan- gelist von der hieran sieh ansihließenden Bergpredigt nichts enthält, wie er iiberhaupt non liingereii Reden Iesu nur wenig bietet, folgt St. stiilias bei dem weite- ren Xortschritt seiner Darstellung der dnrih den ersteii Gvangelisten vertretenen Tradition nnd geht von der Kpostelwahl über, zwar nicht zu der Bergpredigi selber, wie sie an die Zwölse gehalten worden ist, wohl aber zu der Wiederholung der predigt ans dem Bluth- felde unterhalb des Berges, wie sie siir die da- selbst versammelte Vollisiueuge sich eignete. Von der unmittelbaren Veranlassung zu der Scheidniig, die der Hei« dem pharisciischsuugläubigen Iudenthniii gegenüber mit der Grundlegung einer neuen eigenen Gemeinde vollzog, haben der zweite nnd dritte Evangelist niit ttebergehinig der Geschichte von der Heilung der zwei Blinden nnd des stummen Besessenen und non der erst- maligen Verteiifelung Iesu seitens der Pharisäer nichts erwähnt; sie haben aber die ganz iihiitictje Geschichte von den beiden unmittelbar auf einander folgenden Angriffen auf Ilesnm wegen vorgeblicheu Sabbathsbriichs, die niit den ersten Mordgedaiilieu von Seiten der Widersacher endigteu, zur Unterlage fiir die Errichtung des Apostel- Gollegiums nnd der Jlufriehliing einer neuen Theoliratie gemacht. Dieser Unterschied hiingt damit zusammen, daß Mariens i1nd Lukas, cils sie ihre Gvangelieu schrieben, eine iioch entschiedenerdurchgefåhrte Scheidung, nämlirh der christlichen tiirche von der jiidischen Syiiagogg vor sich hatten und deshalb auch einer noeh weiter fort— geschrittenen zlkrindschaft der indischen Gberen gegen den. Stifter des neuen tsundes als Voraussetzung bedurftenz stlatthäiis dagegen, der fiir Juden schreibt, hält naeh den Znsainniciihaug mit deni alten tsnndesvollie fest und lionnle sich nilt der geschichtlich gegebenen Veranlassung begangen, weil er nur erst noch die Scheidung innerhalb Israels selber vor Jtiigen hatte, die zwischen pharisiiiscts nngläubigen und chrisllichglciiibigen Israeliten (Vgl Rauh. 10, 2-—4; Z, 1- 7, W; Mark. 3, t3——19.) 12. Es begab sich aber zu der Zeit swo Jesus klar erkannte, daß er von den Obersten der Juden und der von ihr geleiteten großen Masse sich und sein Reich tverde scharf scheiden und auf eine eigene, ganz neue Gottesgemeinde werde Bedacht nehmen müssenL daß er sbei Ge- legenheit einer Wanderung, die er durch das um- liegende Land, von vielem Volk begleitet, unter- nommen hatte] ging auf eilten Berg ff. zu Matth. 5, I] zu beten [Kap. d, 16 Anm.]; und er blieb itber Nacht in dem Gebet zu Gott lindern das, was er für den andern Tag zu thun vorhatte, von so ernster, entscheidender Bedeutung war Mark. Z, 15 An1n.]. 13. Und da es Tag ward, rief er seine Jiiltger szu sich auf die Höhe des Berges, da diese mit dem Volk unten auf dem Blachfelde übernachtet hatten], nnd erwählte ihrer zwölf, welche er auch Apostel nannte: 14. Simon, welchen er Petrus nannte, und Audream, seinen Vereine, Jakob-tm und Johannen» Philippum und Bartholomttunr »15. Matthäum und Thomam, Alphäi Sohn, Simon, genannt Bewies, 16. Jndanu Jakobi Sohn sdas Wort ,,Sohn«, das im Grundtext nicht dabei steht, ist wegzu- lassen Apostg.1, 13., da auch ,,Bruder« ergänzt werden kanns, und Judam Jscharioth, den Ver- räther [vgl. Matth. b, 1 u. 10, 4 Anm.]. Höchstwichtig daß der Aposteltvahl eine Nacht des Jakobum, Gebets vorhergeht und diese so als eine Frucht des, unmittelbarften Umgangs des Sohnes mit dein Vater« bezeichnet werden darf; ein Echo dieses Gebets ver- nehmen wir in der innigen Fürbitte des HErru (Joh. 17, 6——9) für alle ihm vom Vater Gegebenen. (v. Oosterzee.) Der Haufe der Jünger brachte wohl die Nacht nicht ferne von ihm in der Nähe des Berg- gipfels zu, aus welchen er sich zurückgezogen hatte; während seiner anhaltenden Andacht ließ er sie alle vor dem Angesicht seines Vaters vorübergehen nnd sah gewissermaßen den Finger Gottes ihn: die zwölf Männer bezeichnety welche er zu Trägern des Schatzes berufen sollte, den er der Welt zu bringen hatte. Als er endlich über das, was er zu thun hatte, vollständige Klarheit erlangt hatte, rief er sie gegen Mor· en zu sich und vollzog die so vorbereitete Wahl. isher hatte ja der HErr sich damit begnügt, Gläubige um sich zu versammeln, indem er einige unter ihnen be- rief, als Jünger gewöhnlich ihn zu begleiten; jetzt hatte er erkannt, daß der Augenblick da sei, seinem Werke eine festere Form zu geben, seine Anhänger zu orgauisireir. » Das feindliche Heer bereitet sich zum Angrisft so ist es Zeit, das seinige zusammenznzieheiq daher beginnt er sozusagen mit der Bildung seiner Cadres (Regimenter-Stämme). Mit der Wahl der Zwölfe verbindet er auch den Titel ihres Amtes, in- dem er sie Apostel nennt; damit bezeichnet er ihre Aufgabe als nicht darauf sich beschränkend, einfache Zeugen seines Lebens und Hörer seines Worts zu sein und darüber der Welt zu berichten, sondern der Titel »Apostel« drückt das aus, was in Z. Cor.5, 20 gesagt wird: »wir sind Votschafter an Christi Statt; wir bitte« . an Christi Statt, lasset euch versöhnen mit Gott-« (Godet.) Erst werden sie Jünger, dann Apostel; nicht sogleich werden sie zum Predigen ausgesandt, nnd nicht sogleich in alle Welt. Christus ist kein Schwär- mer gewesen, der seine Apostel« ohne Unterricht, gleich- sam mit ungewaschenen Händen, zum Predigtamt be- rufen hätte; lange Zeit hindnrch hat er sie mit großem Fleiß unterwiesen und zu ihrem künftigen Beruf sorg- faltig erzogen, und doch sollte an den Aposteln sich erst noch ein sonderliches Wunder des heil. Geistes erweisen! Wie vielmehr will uns gebühren, darüber« zu halten, daß die Diener am Wort mit auhaltendem Fleiß und heiliger Lernbe ierde recht ernstlich stndiren und lehrhaftig werden! Chemnitzh 654 Evangelium Lucä 6, 17——32. 17. Und er ging fals er vor ihnen die Rede in Matth. 5, 3 — 7, 29 sitzend gehalten] her- nieder mit ihiicn, und trat aus einen Platz im Felde fauf die Ebene am Abhang des Berges] Und fes befand sich »»daselbst in seiner Umgebung] der Haufe seiner Junger soder ständigen Nach- folger, aus denen er nachmals ihrer siebzig er- wählte Kap. to, 1 ff».»]»,» und eine große Pienge des Volks von allem sndischen Lande, und [von] Jerusalem und Thrus nnd Sidon, am Meer gelegen, » » » 18. Die da komme»n»waren, ihn zu horen und daß sie geheilet wurden von ihren Seucheii, und lwaren darunter auch folche] die von Mistw- bern Geistern iimgetriebeii wurden, die wurden fdiese ebenfalls, wie die vorher Genannten] gesund. » »» 19. Und alles Volk »begehrte»ihn»anzuruhrenz denn es ging Kraft von ihm, und [diese, die von ihm ausgehende Kraft] heilete sie alle [Kap. 4, 40; Matth. 4, 23——25]. Wir haben uns also den HErrn als von einein dreifachen Zuhörerkreise umgeben zu denken: der e»r- stere wird in dem ,,mit ihnen« angedeutet und· begreift die eben erwähnten Zwöife iii» sich; »der zweite wird beschrieben als der »,,Ha11»fe seiner Jungen; und diese letzteren wiederum sind eingeschlossen durch»»eiiie große Menge des Volks«, die selb t» theilweis von Jenseit der Grenzen hergekommen. ie nun der Apostelwahl stilles Gebet, so gehen der folgenden Predigt Wunder- werke unmittelbar voraus, hier in, vollsterf Bedeutung die erhabenste Symbolik des Himinelreichs, dessen Grundgesetze er sofort der Welt offenbar machen wird: die Macht der That muß des Wortes Macht unter- stützem so wird der eben Erwählten Glaube gestärkt und das Volk zum Hören bereitet. (v. Oosterzeeh Zuerst erwies sich Jesus in Thateii als den» Heiland seines Volks; aber wem er im wahren Sinne» des Worts ein Heiland sein werde, das lehrte er sie iii « der Rede, die er anhubz denn von der Sinnesiveise handelt diese Rede, welche erforderlich ist, um Theil zu haben am Himmelreich, von »der Gerechtigkeit, welche der HErr bei denen finden will, welche an ihni ihren Heiland haben sollen. (v. HofniannJ Schon Augustin hat einen doppelten Vortrag derselben Rede angenommen, einen ausfuhrlichereiy den Christus auf dem Gipfel des Berges sur» die Apostel gehalten, welchen Matthäus giebt, und einen kürzeren, der« in der Ebene vor dein Volke gehalten wurde· tTholuckzj Wir sehen, wie Christus zuerstnn der Bergeinsamteit seine Vertraiiten einweiht in die Lehre seiiies Reichs, und dann bei feiner »Rüc»kkehr unter das Volk auch diesem dieselbe Lehre in» ihren Grundzugen vortragt, aber in einer Form, wie sie der Fassungskraft des Volks gemäß ist. (P. Lange-) 20. Und er hub seine Augen auf aber» seine Jiinger [al»s in denen zunachst seine kunftige Gemeinde sich darstellte und durch welche diese aus der großen Masse Jsraels herausgebildet werden sollte], und sprach: Selig seid ihr Armen, denn das Reich Gottes ist euer. » 21. Selig seid ihr, so euch die Menschen hassen, und euch absondern svon ihrer Genossen- schaft Jes es, 51, iind schelten euch, und ver- werfen euren Nanien als einen boshaftigeii sden man nicht einmal iii den Mund nehmen dürfe], um des Menschen Sohns willeii sdcssen Name selber ihnen für eine Zusammenfassung aller Schlechtig- keit gilt und dessen Person sie als einen Aus- wiirf der Menschheit betrachten Jak. 2, 5—-7]. 23. Freuet euch alsdann swo sie so mit euch verfahren sein werdens, und hüpfet [weil euch damit ein großes Gltick widerfahren]; denn siehe, euer Lohn [die ihr nun ausgeschieden seid aus der dem Verderben preisgegebene1i Masse Jes. fis, 12] ist groß im Himmel sso daß selbst das euch nichts schaden soll, wenn die Ausscheidung durch eine Ueberantwortnng zum Tode vollzogen worden ist Kap. 11, 49 f.; Apostg. 7, 58 ff.; Offenb. is, 9—11]. Deßgleichen thaten ihre Väter den Propheten auch fdaß sie dieselben von sich aus- stießen und ihren Namen als einen boshastigen verwarfen Hebr· 1l, 36—38]. 24. Aber dagegen, wehe euch Reichen; denn ihr habt euren Trost dahin sindem das, was ihr anstatt des Himmelreichs zu eurem Theil euch erwählt habt, von euch genommen wird, nachdem es euch nur eine kurze Zeit gelassen worden Kap. S, 1 ff.]. 25. Wehe euch, die ihr voll seid; denn euch wird hungern. Wehe euch, die ihr hier lachetz denn ihr werdet weinen und heulen [Jak. 4, g; Offenb 6, 15 ff.]. 26. Wehe euch fStiinmftihrern dieses ganzen, ehebrecherischen Geschlechts Matth. 12, 39; IS, 4], wenn euch jedermann wohl redet swahrend man die Bekenner des Menschensohnes haßt und ver- lästert V. 22]. Deßgleichen thaten ihre Väter fdie Väter derer, die da wohlreden nnd euch als die rechten Führer preisen] den falschen Propheten auch sJer.5,31; 14,13 ff.; 27,9f.; 28,1fs.; Hes. 13, 4 ff.]. Schon dieser Anfang macht es klar, daß wir hier eine andere Fassung der Rede vor uns haben, als bei Matthäusz die Zahl der Seligpreisungen ist fast die- selbe wie dort, auch lautet die Fassung der einzelnen Sätze anders; dazu folgt sogleich ein Gegensatz, gegen die Seligpreisungen in parallelen Weherufen, der allerdings in sachlicher Gestalt auch in Matth. 23, 13 ff. in der Schilderung der pharisäischen Gerech- tigkeit und ihrer Erfolge vorliegt, allein lier ist die Form doch einmal eine ganz andere. (Ls3. Lange) Um diese Rede gleichsam entstehen zu sehen, darf man nur eine Vergleichung anstellen. Vergegenwärtigen wir uns den Wortfiihrer einer großen socialen Re- volution in diesen unsern Tagen: zur festgesetzten Stunde erscheint er in der Umgebung seiner bedeutend- sten Anhänger auf dem öffentlichen Platz; die Menge versammelt sich, er giebt seinen Plan preis. Vor allem bezeichnet er die Menschenklasse, an welche er sich ganz besonders wendet: ihr Armen, ihr Arbeiter, leidende, mühselige Bevölkerung! und malt ihren Augen die Hoffnungen der beginnenden neuen Aera vor· Dann Verkündigt er das neue Princip, das in der Jesu Bergpredigt an das Volk. 655 Meiischheit herrschend werden soll: ,,weg mit der Aus- beutung des einen Menschen durch den andern! Ge- rechtigkeit, allgemeine Liebe!« Zuletzt kommt die feierliche Bestätigung des verkündigten Gesetzes, die Strafen der Uebertreter und die Belohnungen der gxextreueifi Anfl)?;iger. SoddasZZerrEilsh fsjiattkjchZflöffx 2,11.): aen wir ie üge ee en ar in Auge, so leitet es uns darauf, uns die des Urbilds Zzeutäich 9zuDmaZen. Waks enhhgllt it; dFr That diese re igt. rei auptpun te: l nga e erjenigen, an welche sich Jesus hauptsächlich wendet, um das neue Folgkl kzu dbilden z0—2d6,svtzgl. dgiatth 5, läRP n ün igung es run gee es er neuen e e - fchagt (V. 2d7——zö, Tihgl Makäh 5S13GT75 1?); L) An- kün igung es eri is, we es ie ie er es neuen Gottesvolkes zu erwarten haben (V. 46——49, vgl. Matth. 7,»13-—27). Die Rede ist an die Volksniasse gerdichteå Hi here? åjxiittlke giie heilile Ordnuxig beingefitihirrt un in er ee eren o,nimm aernau- lich auch ihre Beziehung aus die, durch· welche die Zieugestaktuciäg der; Dingedbewirkt lwerdeåi wirdfFGoFgJ u verg ei en it mit em voriegen en er en - schnitt, dem Aufruf, die ganz ähnlich lautende Stelle: Jak.5,1——11., nur daß die e mit dem ,,Wehe« beginnt und dann erst mit dem ,, elig« fortfährt; nun sind, wie wir uns später überzeugen werden, die Epistel Jkakobå und såas bEvangeliumo Stf Fueädscfsts zu e el en eit ge rie en, jene in Jeru a em, ie e in Rom, und war das eine Zeit, wo namentlich im heil. Lande die Ausscheidung der christlichen Gemeinde aus dem alten, dieselbe hasfenden, verlästernden, ver- folgenden Jungläubigen Judenvolk zum Abschluß ge- langte und die Erfüllung derprophetischen Weisjagung in Jes 66, 4 ff., auf welche in V. 22 ausdrucklich an- gespielt wird spicpoptgsw = III) sich nunmehr voll- ziehen sollte. Würden die Ausleger diese besondere, ge chichtliche Färbung der Rede bei Lukus nicht so verkennen, wie in der Regel geschiehet, so würden sie auch dieselbe nicht für einen bloßen Auszug aus der bei Matthäus halten, welche letztere einen viel weiteren Gesichtskreis nimmt, über das Gebiet des jüdischen Landes hinausblickt in die ganze weite Welt und über die nächste Zukunft des Reiches Gottes h1nausgreift bis an das Ende der Zeiten; Lukas dagegen versetzt schon hier sich auf denjenigen Standpunkt, aufwelchem er später an die ,,Hebräer« die bekannte· Epistel ge- schrieben und diese wegen ihrer Ausschließung vom jüdischen Gottesdienst und von der israelitischen Volks- gemeinde, sowie wegen der andern Drangsale, die» sie von ihren Brüdern nach dem Fleisch zu erleiden hatten, belehret, tröstet und vermahnet. — Nicht die buchstäblich Armen preist der HErr selig, nur weil sie arm sind, nicht die Hungrigen u1id Weinenden, als verdienten sie mit ihrem Hunger und ihren Thränen das Reich Gottes, Sättigung und lachende Freude, sondern das letzte Wort: ,,um des Menschensohnes willen« beweist, daß er sie als solche selig preist, die an ihm hangen; aber die das thaten, waren damals arm, hungrig, weinend, und wurden es immer mehr durch die Feindschaft der Welt. (Riggenbach.) Wer die Seligkeit und Güter will haben, davon Christus hier redet, der muß das Herz emporschwingen über alle Sinne und Vernunft und nicht urtheilen von sich selbst, darnach er fühlet, sondern schließen: bin ich arm, o bin ich nicht arm —- arm bin ich wohl äußerlich, nach dem Fleisch, aber vor Gott ini Glauben bin ich reich. Also wenn er sich fühlet traurig, betrübt und bekümmert, muß er auch nicht darnach urtheilen noch sagen, er sei ein unseliger Mensch, sondern sich herum- werfen und sagen: ich fühle wohl Traurigkeit, Jammer und Herzeleid, aber gleichwohl bin ich selig, fröhlich und getrost auf Gottes Wort. Eben dem na gehet auch in der Welt das Widerspiel, daß, die reich und selig heißen, die sind’s nicht; denn Christus schreiet Weh über sie und heißet sie unselig, ob es gleich scheinet, als seien sie wohl daran und gehe ihnen auf’s" Allerbesta Darum sollten sie auch ihre Ge- danken erheben über Reichthum und gute Tage, die sie fühlen, und sagen: ich bin wohl rei und lebe in eitel Freuden, aber weh mir, wenn i nicht etwas Anderes habe! denn es muß gewißli eitel Elend, Jammer und Herzeleid darunter sein, das über mich gehen wird, ehe ich’s fühle und mich versehe. So ehet durch alle diese Stücke, daß alles ein ander An- Fehen hat vor der Welt, aber anders nach diesen Worten. (Luther.) Alle die Leute, welche in der ge- wöhnlichen Redeweise ,,Unglückliche« heißen, begrüßt Jesus mit dem Prädikat: ,,selig«. Was nun ins- besondere die vierte Seligpreisung betrifft, so ist die- selbe hervorgerufen durch die Auftritte heftiger An- feindung, die der HErr selber erfahren mußte; und hat solche Auftritte der Evangelist in dem vorigen Abschnitt uns ausdrücklich vorgeführt. Er schaut jene Widersacher, die das Schwert der Verfolgung gegen ihn gewetzt haben (V. 11), im Geiste an: es sind die Reichen und Mächtigen in Jerusalem, deren Abgesandte ihn in Galiläa umrin en (vgl. Matth. 9, 27). Vielleicht erblickt er in diesem ugenblick einige ihrer Laurer in den entserntesten Reihen der Versammlung; natürlich nicht über die Reichen als solche spricht er das Wehe aus, sowenig als er die Armen als solche selig preist, er nimmt die Thatsache, wie sie sich ihm in dem gegenwärtigen Augenblicke darstellt. Die Zerstörung Jerusalems hat diese von Jesu so feierlich ausge- sprochenen Weherufe buchstäblich erfüllt. (Godet.) 27.· Aber ich sage euch, die ihr zuhöret fund meine rechten Jünger sein wollt]: Liebet eure Feinde, thut wohl denen, die euch hassen; » 28. Segnet die, so euch verfluchenz bittet sur die, so euch beleidigent sdenn was euch Schweres von ihnen widerfährt, wird nach V. 24-—26 auch schwer von Gott gerächt werden, darum sehet zu, wie ihr die Rache mit Gewin- nung der Widersacher Röm. 12, 20 f. vielmehr abwendet, statt sie herbeizuwünschen Jak. b, v; l. Petri 2, 21 ff.; 3, 9]· 29. Und wer dich schlägt auf einen Backen» dem biete den andern auch dar; und wer dir den Mantel nimmt, dem wehte nicht auch den Rock. ·30. Wer» dich bittet fes sei Freund oder Feind], dem giehz und wer dir das Deine nimmt, da sordere es nicht wieder. , · 31. Und fdas sei überhaupt eure Regel:] wie ihr wollt, daß euch die Leute thun sollen, also thut ihnen gleich auch ihr« [9)iatth. 7, 12]. · 32. Und sda fragt nicht, ob die Andern sich aiich gegen euch nach dieser Regel«verhalten; denn] so ihr [nur] liebet, die euch· lieben, was Danks habt Ihr davon fals hättet ihr etwas ge- leistet, dafür euch Gott lohnen müßte]? Denn die Snnder fdie ja doch auch nimmermehr mit ihrem . davon? 656 Evangelium Lucä G, 33—38. Verhalten den Gradmesser für das eure abgeben sollen] lieben auch ihre Liebhaber. 33. Und wenn ihr euren Wohlthiiterii salleiii solchen, von denen ihr auch wieder Wohlthmi erwarten dürfet] wohl thut, was Danks habt ihr Denn die Sünder thun dasselbe auch. · 34. Und wenn ihr leihet sblos denjenigen], von denen ihr hosfet zu nehmen, was Danks habt ihr davon? Denn die Snnder leihen den Sondern auch, »auf daß sie Gleiches wieder nehmen. 35. Doch aber [im geraden Gegensatz zu solchen, nur in eigenniitziger Berechnung eine Wohlthat erzeigenden Leuten] liebct Uhr, die ihr ein ganz anderes Musterbild für euren Wandel kennets eure Feinde, thut wohl und leihet sgerade dann, wenn die Sachen so liegen], daß ihr nichts dafur hofietz so wird euer Lohn gros- sein, und werdet Kinder des Allerhöchsten sein. Denn er [dessen Kinder zu sein euch für den höchsten Lohn und Ersatz gelten muß und dem ihr daher in seinen: Verhalten nachfolgen sollet Ephes s, 1] ist gntig nber die Undankbaren und Boshaftigenttis [Matth. 5, 39 48]. V) Jn V. 20—26 war die Anrede unter die Zu- hörer getheilt, je nach ihrer Herzensstellung zu Christo und seinem Reiche; in V. 27 wendet sie sich bestimmt und klar an den Theil, welcher sich der Wahrheit zu öffnen Lust hat. »Die ihr höret«, heißt nicht blos soviel als: die ihr jetzt meine Zuhörer seid; sondern das Wort hat denselben Nachdruck wie in der bekann- ten Aufforderung: »wer Ohren hat zu hören, der höre« Dieses Hören, welches die Geneigtheit zur Annahme des Gehörten einschließt, setzt der HErr voraus bei denen, die er jetzt anredet,,der Gegensatz aber, der in dem ,,euch aber sage ich« zu dem Voran- gehenden, den vier Weherufen liegt, drückt aus, daß die in denselben angekündigte Vergeltung nicht ihre, der Hörenden Sache ist. (v. Burger.) Nachdem der HErr seinen Anhängern erklärt hat, was für ein Verhalten sie von den Widersachern gegen sie zu erwarten haben, erklärt er ihnen nun, mit welchem Verhalten ihrerseits» sie nun das erwidern sollen; die Lehre von der Feindes- liebe wird da in der viergliedrigem nach allen Seiten hin sich ausdehnenden Form mitgetheilt (v. Oosterzeeh «) Wenn jemand Dich und das Deine antastet, was regt sich dann »in deinem Herzen? Nun sieh, wenn sich Rache darin regt, so will der HErr mit den Worten: »wer dich schlägt auf einen Backen, dem biete den andern auch dar, und wer dir deYWantel nimmt, dem wehre nicht auch den Rock«, deine Hand und Zunge binden und spricht zu dir: willst du nicht lieber Unrecht leiden, als Unrecht thun? Wenn du Liebe hättest, so vergäßest du Über dem Piitleideii mit deinem Bruder, der an dir sich versiindigh das Leiden, welches er dir zufügt! Das ist das Geheimniß der Feindesliebex die Seele meines Feindes soll mir wich- tiger sein als mein Back«e«n, mein Rock und mein Geld; meine Hand muß keine Zeit» haben,·sich gegen ihn aufzuheben, weil sie» in Fürbitte für» ihn gefaltet ist, meine Zunge muß keine Zeit haben, ihn zu schelten, weil sie bittet, Gott wolle ihm aus seinen Sünden helfen, und wenn er unterdessen auf den andern Baeken mich schlägt und den Rock» mit·ni1nmt»—— aber er wird es selten dürfen —, so ist mchts sußer als das zu leiden. So soll ein Christenherz stehen zu seinen Feinden; bist du nun recht gründlich erlöst von aller Selbstrache und sündlichen Zorn, dann wird dich die Liebe auch in jedem einzelnen Falle lehren, ob etwa den Uebelthäter zu strafen, dem Beleidiger zu wider- stehen, dem Bittenden die Bitte zu versagen der rechte, Gott wohlgefällige Liebesdienst sei. (Besser.) Die« ersten zwei Weisungen, wie man in der Liebe dulden solksnoexwixich schlägt auf einen Bgsew 2c.; wer dich bittet, dem gieb«, lernten wir schon in der Bergpredigt (Matth. 5, 39—42) kennen; die dritte: »und wer dir das Deine nimmt, da fordere es nicht wieder« will wohl ein christliches Verjährungsgesetz aufstellen, das dem unendlichen Welthader, welcher aus legitimistischen Reelainationen gegen uraltes und altes Unrecht in politischen, hierarchischen und civilen Verhältnissen hervorgeht, ein Ende machen muß. Hierauf folgt die Begründung der hohen Vorschriften mit der Regel Vpslx ,,wie ihr wollt, daß euch die Leute thun sollen, also thut ihnen gleich auch ihr« denn wenn der Mensch sich elber klar wird, so muß er in sich finden, daß er im Grunde von seinem Nebennienschen immer jene hohen Erweisungen der christlichen Liebe erwartet, er soll sie aber nicht von Andern verlangen, sondern selber leisten und d dur sich als Kind des göttlichen Geistes bewähren. atP ange.) ist) Wem der Gruß gilt, deni kommt das Danken zu. Jhr thut nun, will der HErr sagen, in allen diesen Dingen Gott nichts zu Liebe: wofür soll er euch danken? Trotz dieser ausdrücklichen Erklärung aus des HErrn Munde machen viele Menschen die Werke einer Liebe, die sie mit Juden, Türken und Heiden, ja mit den unvernünstigen Creaturen theilen, zu dem Grunde ihres Anspruchs, gute Christen zu sein; vor solchem Betruge seine Jünger zu bewahren, schreibt der HErr ihnen nochmals in V. 35 der rechten Liebe Gebot in’s Herz und sagt zugleich, bei wem diese Liebe zu holen ist. (Besser.) Nachdem Jesus gezeigt hat, was die Liebe ist, über welche die seiner Jünger hinausgehen muß, nämlich die natürliche, zeigt er ihnen auch, was diejenige ist, der sie gleich- tomnien soll, nämlich die göttliche — das Urbild aller selbstlosen, uneigenniitzigen Liebe. (Godet.) Stvangeliiini am 4. Sonntage nach Ctinikaiish Gott hat uns in der Berufung seine Barmher- zigkeit reichlich erwiesen; wir sollen das mit Dank er- kennen und gegen unsre Brüder auch Barmherzigkeit und Liebe üben. Wer Gottes Barmherzigkeit wahr- haftig erkannt und ergriffen hat, der kann nicht un- barmherzig gegen seinen Nächsten sein: die heilige Liebesübung gegen den Nächsten ist das sichere Zeug- niß der eigenen Berufung. der rechte Preis und Dank für Gottes Barmherzigkeit; dadurch werben wir zu- gleich am besten um des Nächsten Seele und berufen so durch die That die, welche das Wort vielleicht nicht annehmen (1. Petri Z, 1 f.) und also ihrer eige- nen Berufung nicht folgen. (Dieffenbach.) Zwei Sonntage hinter einander ist uns in unsern Evangelien die reiche göttliche Barmherzigkeit vorgeführt: in dem einen hatten wir das Gleichniß vom großen Abend- mahl, der Gottmensch Jesus Christus lud Viele dazu ein; in dem andern hatten wir das Suchen Christi nach den verirrten Seelen, in den Gleichnissen vom verlorenen Schas und vom verlorenen Groschen war es ausgesprochen Hat er dir denn zwei Mal vorge- legt, was er an dir thut, hat er dir zwei Mal den Blick geöffnet in das Meer. seiner Barmherzigkeit, deß Tiefe niemand ergründen kann, so kann er nun wohl auch an dich seine Forderung stellen; er hat dir gezeigt, Die heil. Liebesübung gegen deii Nächsten ist der rechte Dank für Gottes Barmherzigkeit. 657 wie viel tausend Pfund unverdienter Liebe er für dich und an dich gezahlt hat, darum kann er dir auch von dem Groschen und Pfennig der Barmherzigkeit reden, die du an deinen Bruder zahlen sollst Wenn es regnet auf große, dichtbelaubte Bäume, dann fangen sie die Tropfen auf, sie liegen auf ihren Blättern; da sollen sie aber nicht bleiben, darum kommt mit dem Regen und nach dem Regen der Wind, rauscht durch die Blätter und schüttelt sie, daß die Tropfen herunter fallen, damit das arme Kraut und Gras, das im Schatten stehet, auch sein Theil bekomme. So will denn der HErr unser Gott mit dem heutigen Evangelio wie mit einem guten Winde uns schütteln, daß wir die Tropfen seiner Barmherzigkeit, so auf uns gefallen sind, nicht allein behalten, sondern sie überfließen lassen auf unsre Brüder, die neben uns stehen. (Ahl- feld.) Was gehört dazu, um Barmherzigkeit üben zu können? l) ein- begnadigtes Herz, Z) ein demüthiges Herz, Z) ein aufrichtiges Herz. (Caspari.) « 36. Darum sweil euer als meiner Jünger Beruf ist, zu werden wie Gott ist und Kinder des Allerhöchsten zu fein V. 35] seid« barm- herzig, wie auch euer Vater barmherzig ist sder ein so warmes Herz hat, daß er alsbald erregt wird, wenn er einen Elenden siehet, und nicht ruhet, bis er ihm geholfen, und dabei gütig ist auch über die Boshaftigen und Undankbaren, weil eben ihr Elend ihm zu Herzen gehet, er aber nicht gedenket ihrer Bosheit und ihres Un- danks]. » 37. Vichtet nicht, so werdet ihr auch nicht gerichtet [Matth. 7 , 1]. Verdammet nicht, so- werdet ihr auch nicht verdammet Vergebeh so wird eiieh«vergebeii. · 38. Gebet« so wird euch gegebeizükk Ein voll, gedruckt, geruttelt und überflussig soier Ausdrücke, wie in V. 34 vier Mahnungen] Maus; wird man in euren Schooß [genauer: Busen, die Tasche oder Falte, welchen das Kleid vorn auf der Brust bildet und die zum Tragen beuutzt wird, Rath S, 18] geben; denn eben mit dein Maß, da ihr mit messet, wird man euch wieder messen-W« [Matth. 7, Z; Mark. 4 24]. « V) Wie Christus das Verderbenswort der Schlange (1. Mos Z, 4): ,,ihr werdet mit nichten des Todes sterben«, das uns vom Leben zum Tode ge- bracht, für seine Jünger in ein Verheißungswort umgewandelt hat (Joh. 1l,25f.), das ihnen das Leben von den Todten verbürgt, so hat er auch der Schlange Versuchungswort (1. M. Z, 5): ,,ihr werdet sein wie Gott«, das uns aus Gottes schönem Bild gemacht hat zu des Satans Bild, zu einem gar sreundlichen und seligen Verm a h n un g s wort umgestaltet (Matth. 5, 48): ,,ihr sollt werden wie Gott«; aber freilich, soll der Mensch auch nur in einem einzigen Punkte werden wie Gott, so muß er sich selbst verleugnen und geist- lich ertödten, denn von Natur ist er das gerade Ge- gentheil von Gott. Das gilt besonders in Beziehung auf das barmherzi -Werden; ist die Barmherzigkeit das Göttlichste in oft, so» giebt sich gerade darin unser tiefes menschliches Verderben am meisten zu er- kennen, daß von Natur auch nicht Ein Funken von D ä ch s ei« s Bibelwerb Barmherzigkeit in uns ist. »Sind wir aufrichtig und ehrlich, so können wir es nicht leugnen, wir sind von Natur unbarmherzig gegen Andere, d. h. wir haben kein wahrhaft warmes Herz gegen sie, sondern ein Herz, das sich selbst in ihnen liebt oder sie nur soweit liebt, als sie unsrer Eigenliebe schmeicheln, unsere Eitelkeit nähren, unserer Hab- und Herrschsucht dienen, unsern Willen thun, uns-Freude machen, unsere Ehre befördern und uns Selbstbefriedigung und Genuß e- währen; unsre Liebe und Zuneigung zu ihnen hat f; - gleich ihr Ende gefunden, sobald sie ihren eigenen Willen geltend inachen oder uns zu nahe treten, uns offen die Wahrheit sagen und uns gleichgiltig behan- deln oder einmal wehethun. Es zeigt sich auch unsre natürliche Unbarmherzigkeit in unserm Reden, Fühlen und Geben: wir richten und verdammen, tadeln, rügen, strafen mit unerbittlichem Ernst, lassen kein gutes Haar an Andern, lassen keine Entschuldigung gelten und halten ein absprechendes Gericht selbst über die Todten; wir vergeben nicht, was man an uns gethan hat, grollen und schmollen und bleiben unver- söhnlich, es ist uns immer um Genugthuung zu thun, und selbst wenn diese geschehen, sind wir in unserm Rachedurst noch nicht befriedigt, sondern tragen nach; wir geben entweder gar nicht, sind geizig und hab- süchtig und können uns von dem Groschen nicht tren- nen, der unser ist, oder geben nur um äußerer Rück- sichten willen, aber nicht willig und fröhlich. Erst der heilige Geist wandelt das menschliche Herz um, daß es barinherzig wird gegen die Brüder im vollen Sinne des Worts, indem er ihni löhere und iibernatürli e Kräfte mittheilt, die Liebe ottes in dasselbe ausgie t und es der göttlichen Natur theilhaftig macht. W erd et barmherzig, sagt daher der HErr nach dem genaueren Wortlaut des Grundtextes; wer so ermahnt, setzt vor- aus, daß der Ermahnte es von freien Stücken nicht, daß er vielmehr von sich selber unbarmherzig ist. (Fr. Arndt.) — IN) Daß der Evangelist auf die Vier- ahl als die Zahl der Welt (1. Mos. 35, 26 Anm.) Derth legt, zeigte sich schon V. 20——26 in den 4 Selig- preisungen und 4 Weherufen; auch in der Schilderung der bisherigenWirksamkeit Jesu in Galiläa sind es 4 Wunder, die da erzählt werden (Kap. 4, 33 ff. 38 ff.; 5, 4 ff. 12 sf.), und 4 Conflikte mit den Gegnern (Kap. 5, 17 ff. 30 ff.; S, 1 ff. 6 ff·). So zeigt sich denn an unsrer Stelle auch das liebevolle Erbarmen gegen den Nächsten in vierfacher Weise: im Nicht- richten, Nichtverdammem im Vergehen und im Geben· —- Der HErr fordert hier 1) ein mildes Urtheil über den Nächsten, 2) ein versöhnliches Herz gegen den Nächsten, 3)feine offeneHand für den Nächsten. (Sturm.) Wie pflegen wir dagegen uns zu verhalten 1) bei des Nächsten Fehlern, L) bei dem von ihm erlittenen Unrecht, Z) bei seiner von uns erkannten Nothdurftii (Uhle.) Bei der Mahnung: ,,richtet nicht« hat der HErr offenbar das Richten im Auge, welches die Schriftgelehrten und Pharisäer in Jsrael übten, das durch ihre Härte und Anniaßung mehr schädlich als nützlich wurde, wie es sich an der Wirkung desselben auf die Zöllner und ähnliche Leute herausstelltex Kap. 15, 28—30. (Godet.) Der Mensch ist außerordentlich geneigt, über seinen Nächsten zu Gericht zu sitzen; hat er nur ein wenig von den Geboten Gottes gehört, sr wendet er es auch gleich an, nicht um sich selbst, sondern um Andere dar- nach zu beurtheilen. Solchen Gebrauch machten ins- besondere die Juden von dem reichen Maße der Er- kenntniß, welches ihnen im Vergleich mit den Heiden verliehen war (Röm. 2, I ff·). Aber so etwas will der HErr bei seinen Jüngern nicht dulden: wenn wir N— T. . I. 42 658 mehr Lichtssempsairgen als Andere, so sollen wir es anwenden, um uns selbst darnach zu beurtheilen, und unser Wachsthum an Erkenntniß soll zugleich ein Waclzysethum an Demuth und Milde sein. Aber so ist der ensch, daß er meint, dur ein scharfes Urtheil über Andere gebe er den besten eweis seiner Fröm- migkeit; ja die Verblendung geht so weit, daß die Heuchler meinen, durch Splitterrichten sich selbst bei Gott und den Menschen zu empfehlen, als wenn der HErr ihre eigenen Fehler desto weniger bemerken würde, je ärger sie über Andere losziehen. (Thiersch.) Am häßlichsten it dieses Laster des Richtens, wenn es sich in christliche Geberden verstellt; denn es giebt Manche, die vor Andern Christen sein wollen und das nicht besser glauben beweisen zu können, als wenn sie die strengen Sittenrichter abgeben. Sor sam suchen sie alle Fehler und Gebrechen an einem hristen zu- sammen und machen daraus ein wundersames Bild: er ist kein Christ, heißt es dann; es ist Heuchelei mit ihm, er hat das Wort Gottes auf der Zunge —— laß den Menschen fahren! So finden nicht einmal die- jenigen Gnade vor ihren Augen, welche des HErrn Gnade in Pflege und Obhut genommen; und es muß jemand schon sonderlich verstehen, sich in ihre Weise und Launen zu schicken, wenn sie ihn nicht mit A sel- ucken abfertigen und aus der Liste der wahren Christen ftreichen sollen. Dieselben wollen denn rechte Säulen des Reiches Gottes sein, indem sie sie hier ein Paar Balken, dort ein Paar Steine herausreißem oder das ganze Dach abdecken, und sich vermessen selbst alles in allem — Säulen, Dach und Balken —- zu sein. (Münkel.) Wer sich zum Richter über den Andern auswirft, thut dies nicht, um den Andern zu erhöhen, sondern um ihn zu verkleinern, zu ver- dammen; daher fährt der HErr aufsteigend fort: ,,ver- dammet nicht«- Wie können wir unsern Nächsten ver- dammen wollen? liegt er gleich, wenn wir ihn ganz gerecht beurtheilen, in schwerer Sünde, haben wir etwa das Recht oder gar die Pflicht, ihn zu verdammen? Ein Recht gewiß nicht, denn ein jeder steht und fällt seinem HErrnx und die Pslicht auch ni t, denn des Menschen Sohn ist nicht gekommen, er Menschen Seelen zu verderben , sondern zu erhalten. Nicht Steine sollen wir aufheben ge en unsern Bruder, der da sündigt, daß er sterbe, son ern betende Hände für ihn erheben, daß er lebe· (Nebe.) Wenn ihr demüthig seid, werdet ihr nicht blos über des Yiächsten Thun und Lassen, sondern auch über des Nächsten Person barmherzig urtheilen; ihr braucht nur daran euch zu erinnern, wie Gott den Stab über euch brechen könnte, wie er wohl Fug und Recht dazu hätte und es doch nicht thut — o wahrlich, dann werdet ihr nimmer es über’s Herz bringen, dem Nächsten alles Gute abzu- sprechen nnd ein erdrückendes Maß der Schuld auf ihn zu wälzen und seinen Namen für ausgestrichen zu erklären aus dem Buch des Lebens. Und wenn der Nächste euch gekränkt und beleidigt hat, oder noch fortwährend kränkt und beleidigt, so werdet ihr es nicht für eine Schande halten, die Kränkung auf euch sitzen zu lassen, nicht meinen, nun sei’s das Nothwen- digste, auf der Stelle es ihm zu vergelten und abzu- rechnen und Bitterkeit gegen Bitterkeit zu seyen, son- dern ihr werdet euch erinnern, wie oft ihr Ursache saht, die 5te Bitte zu beten, und wieviel Geduld, angmuth, Nachsicht Gott mit euch haben muß; ihr werdet vielmehr euch schämen, und ein Auge zudrücken über das, was der Nächste euch thut, und ihm euer Herz wieder schenken und die Hand ihm entgegen- strecken, und also das weitere Gebot erfüllen: ,,ver- gebet!« Und endlich, wenn ihr bedenkt, wieviel Gaben Evangelium Lucä 6, 39 —— 42. ihr von Gott empfangen habt, wieviel ihr noch braucht, wie ihr vom Anfang bis an’s Ende eures Lebens so arm und dürftig vor ihm dasteht und nur von seinem Almosen lebt, dann merdet ihr in allem, was ihr habt, nicht euern Erwerb und euer Eigenthum sehen, son- dern Güter, die Gott euch anvertrauet hat, um auch dem Nächften willig damit zu dienen; ihr werdet, wenn einer eurer Brüder mit bittenden Blick um die Gabe der Barmherzigkeit bitter, ihn nicht verachten, sondern euch vorhalten, daß wenn Gott seiner Güte ein Ende machen wolle, ihr gar bald eben so hungrig, eben so bloß, eben so obdachslos, armselig und ver- achtet dastehen würdet wie der, welchen ihr jetzt einen Bettler nennt, und werdet willig das weitere Gebot der Barmherzigkeit erfüllenx »gebet«. (Caspari.l »Es) Zwar arbeitet die Liebe nicht um Lohn und Dank; sie stammt von Demjenigen, welcher alle Tage so Undankbare wie Dankbare mit der Fülle seiner Wohlthaten überschütteh und so sieht auch sie das all- gemeine Elend in der Welt gleichwie ihr Vater an und freut sich, durch erbarmendes, schonendes, helfen- des Benehmen, soviel an ihr liegt, einen anspruchs- losen Beitrag zur Milderung zu thun. Doch aber ist die Liebe in unsrer Brust nicht blos göttlich, sondern auch menschlich, und es wandelt sie deshalb, wie jede andere Menschentugend, Schwachheit, Lauheit und Er- matten an; sie bedarf zu Zeiten der Ermunterung, um nicht zu sagen, sie bedarf dieselbe allezeit. Darum hat auch der HErr, der uns kennt, seinen Worten und Geboten so fleißig VerPeißungen und Drohungen ein- gewebt und will, daß eine Diener beide seinem Volk vorhalten und in ihrer Wahrheit und Größe zeigen; da erschreckt dann die Drohung den Träger und treibt ihn vom Faulbett der Sünde, «und die schöne Krone der Verheißung lockt und zieht auch den Fleißigen an. Was nun die besondere Verheißung unsers Textes an- langt, so deuten die Worte: ,,man wird geben« aus eine Vergeltung durch Menschen hin. Der HErr will den Barmherzigen durch Menschen Barmherzigkeit widerfahren lassen, und ein unbarmherziges Gericht soll die Unbarmherzigen durch Menschen treffen: Verhei- ßung und Drohung des HErrn weisen uns also nicht zunächst an’s Ende der Tage hin und in die Ewigkeit hinein, sondern in die Geschichte und in die Erfahrung des täglichen Lebens. Da müssen wir aber freilich gestehen, daß wir, so fest Gottes Worte stehen, dennoch nicht mit gleicher Gewißheit und Sicherheit ihrer Er- süllung im Leben folgen können: wir sehen nicht alle- wege die Ersüllung der göttlichen Gerichte, sondern warten des Tages, der alles klar macht. Manches und Vieles offenbart der HErr seinen Knechten, die Fülle seiner Offenbarung lieg aber doch am Ende. Am leichtesten ist es noch, die eweise dafür zu finden, daß der Richtende und Verda1nmende auch wieder Ge- riclzt und Verdammungsurtheil, der nicht gerne richtet un das Verdammungsurtheil verzieht, auch wieder Schonung bei seinen Nebenmenschen findet; namentlich erwartet dem gerügten Fehler des Richtens und Ver- dammens sichere Vergeltung. Welcher Mensch, der seine Zunge zu Gericht und Verdammung seiner Brü- der gemißbraucht, wäre ungerichtet und verdammt ge- blieben? Schon seltener ist der Beweis für die ge- rechte Wiedervergeltung derer, die nicht richten und verdammen, und noch weit seltener dürfte es sein, daß die Menschen Gottes Verheißung für die Vergebenden und Gebenden vollziehen. Zur Rache alles Bösen findet der HErr Hände und Werkzeuge genu unter den Frommen und Gottlosen; wer aber leit ihm gern seine Hand, wenn er den milden Herzen und Händen, die gerne vergeben und geben, ein Gleiches Der Heuchler ist streng gegen Andere, aber die eigenen Fehler übersieht er gänzlich. thun will? da müssen ihm oftmals die Raben dienen, weil die Menschen erinangeln Doch dürfen wir auch nicht allzutraurig sein: der HErr hat allezeit und vieler Orten auch noch Diener und Dienerinnen, die Zlerne seine Worte wahr machen und mit Freude und nbetung zu seinen Verheißungen die Erfüllung bringen; und er selbst leitet viele Fromme und viele Gottlose, daß sie zwar nicht wissen, was sie thun, daß aber doch geösfneten Augen hell und klar er- scheinet, sie seien Werkzeuge in der Hand des HErrn, zu erfüllen alles, was sein Mund gesagt hat. Wenn am Ende der Tage die Sichtung angestellt werden wird, so wird sich’s zeigen, daß kein versöhnlich Herz sein zweites, in Gottes Namen antwortendes, gleich- falls versöhnliches Her , kein mildes Wort sein Echo, kein Becher kalten Wassers, in des HErrn Namen e- geben, den Becher entbehrt hat, der Bescheid that. " s eht eine Gerechtigkeit durch’s Leben, die, wenn sie sich flehen läßt, majestätisch erscheint und auf die Kniee wirft, aber öfter geahnt, als gesehen wird, und noch öfter ungeahnt und unerkannt Thaten verrichtet, aus denen am jüngsten Tage Gottes Walten von allen Menschenkindern gerechtferttgt werden wird. Laßt uns mit Geduld in guten Werken nach dem ewigen Leben trachten: es werden am Ende Alle mit der vergeltenden Gerechtigkeit Gottes zufrieden sein; und wenn kein Mensch vergolten haben würde, so wird doch Einer vergelten, und der vollkommen, der Vater nänilich, der in’s Verborgene siehet. (Löhe.) In den Worten: »ein voll, gedrückt, gerüttelt und überflüssig Maß« sehen wir, wie die, welche dem Barmherzigen seine Wohlthaten loh- nen wollen, es nicht reichlich genug machen können, wie sie sich ordentlich abmühen, um ihm den vollen Segen in den Schooß zu fchütten Ein schönes, großes, volles Maß bringen sie herbei; aber es kommt ihnen u klein vor, wenn a1ich noch so viel darinnen ist, drücken mit der Hand noch darauf, um Raum schaffen, sie rütteln daran, damit die Körner sich noch fester setzen, ja sie häufen noch oben auf, daß das Getreide über den Rand des Maßes herabfließt. (Nebe.) Doch dürfen wir uns nicht irren lassen, daß oft alle Liebe verschwendet und verloren zu sein scheint; wir werden oft zehnmal betrogen und getäuscht, e e wir Eine Frucht unsrer Bemühungen und Verdrie - lichteiten sehen. Behalte denn die Welt ihren Lohn, zahle sie mit Haß und Fluch zurück, was segnende "ände ihr mit Liebe gereicht haben! uns soll das ein Zeugnis; sein, daß wir in diesem Leben noch nicht ab- gelohnt sind, sondern einen besseren Lohn zu erwarten haben. Die ewigen Verheißungen des HErrn sind viel zu groß und wichtig, als daß wir sie für den chmalen zeitlichen Lohn dahin geben oder uns beklagen ollten, daß unsre Arbeit vergeblich und unsre Aus- aat verloren wäre. (Münkel.) Sollte nicht bei dem »Man« vornehmlich auch an die Freunde zu denken sein, von denen in Kap. 16, 9 die Rede ist? 39. Und er sagte ihnen [in Beziehung auf die, welche mit ihrem strengen Richten über Andere am besten sich als die berufenen Führer des Volks und als die Meister in Israel aus- zuweisen vermeinten] ein Gleichnißxs Mag auch ein Blinder [Matth. 23, 16f. 19 u. 261 einem Blinden den Weg weisen? Werden sie nicht alle beide in die Grube fallen« [Matth. is, 14]? 40. Der Iiinger ist nicht über seinen Meister sdaß er je über denselben hinauskäme]; 659 wenn der Junger ist wie sein Meister, so ist er vollkoinmenUJM » . » 41·. Was siehest du aber einen Splitter in deines Bruders· Auge, und des Balkens in deinem Auge jvirst du nicht gewahr? 42. Oder wie kannst du sagen zu dei- nem Bruder: Halt»stille, Bruder, ich will den Splitter aus·deinem Auge ziehen; nnd du siehest selbst nicht den Balken in deinem Auge? Du Heuchler, zeuih zuvor den Balken aus deinem Auge, und befiehe dann, daß du »den Splitter ans deines Bruders Auge ziehest-1- [Matth. 7, 3——5]. V) Die Unterbrechung der fortlaufenden Rede deutet einen Augenblick stiller Sammlung an: Jesus sucht ein Bild, um seinen Zuhörern die kläglichen Wirkungen des pharisäischenRichtens fühlbar zu machen. (Godet.) IV) Waren die Pharisäer nicht die leibhaftigen Ge- genbilder zu dem, was der HErr einen Zuhörern an’s Herz legte? wer schwang sich o gern auf den Richterstuhh wer brach mit freudigem Behagen den Stab über seinen Nächsten, wenn nicht der Pharisäer? ,,Blind waren diese Meister in Israel; und diese mit der ärgsten Blindheit geschlagenen Männer boten sich dem Volke, das auch blind war, zu Wegweisern an: wie sollte das gehen? Wer Andern den Weg weisen, sie den Weg führen will, der muß den rechten Weg selbst wissen und wandeln; wer selbst den rechten Weg nicht kennt, noch wandelt, der kann »den, welcher sich seiner Führung überläßt, nur in die Jrre führen, nur in die Grube stürzen« — IN) So übersetzt Luther nach der Vulgata; besser aber dürfte der Grundtext so wiederzugeben sein: vollkommen aber, d. h. nach- dem er völlig zubereitet oder in den Stand gebracht ist, in den er überhaupt durch »den Meister kommen kann, wird ein xeder sein wie sein Meister; die Schüler der Pharisäer also werden es nicht dahin bringen, daß sie ihre Lehrer 1e an Erleuchtung u. s. w. übertreffen sollten, sie werden es nur dahin bringen, zu sein, wie diese selber, sie müssen eben aufhören, in deren Schule zu gehen und von ihnen zu lernen, sonst kommen sie über die Blindheit, die in’s Ver- derben führt, nicht hinaus. Das »in die Grube fallen« wird schließlich dem. ganzen Volke in der That noch widerfahren, wenn es unter der pharisäischen Leitung bleibt; je größere Fortschritte es in der Schule solcher Lehrer macht, desto näher kommt es seinem Verderben. »Wie haben denn auch in der That die Pharisäer dem ganzen Volke ihren Stempel ausgeprägt, daß Israel am Ende ein Volk geworden ist pharisäisch durch und durch! Wenn der Apostel nicht sagte, daß er den Juden» schildert, wir würden denken, ein Pharisäer habe ihm zu dem Bilde ge- sessen, das er in Röm. 2, 17 ff. uns vorführt.« Jn Matth· 10, 24 f. (vgl. Joh.15,20) ist obiger Spruch in einem andern Sinne gebraucht, als hier: die Diener Christi sollen nicht erwarten, besser behandelt zu wer- den als ihr HErr und Meister. — f) Von den vier im Texte genannten» Aeußerungen barmherziger Liebe finden sich gerade die zwei leichterem ,,nicht richten, nicht verdammen« perhältnißmäßig am seltensten. Man sollte denken, Richten, Verdammen, führe so gar keine Lust und Befriedigung mit sich, habe imGegen- theil so viel Pein bei sich »und so viele üble Folgen hinter sich, daß sich ihrer Jedermann gern entwöhnen würde; aber das ist gar nicht der-Fall, eine solche Liist zu richten und zu verdammen ist im Menschen- 427 660 Evangelium Lucä S, 43——49. 7, 1——5. herzen, daß immer .Einer am Andern dieser Fehler chuldig wird. Daher kehrt auch der HErr in unserm ganzen hier vorliegenden Abschnitt noch einmal zu diesem abscheulichen Paare von Lüsten und Gebrechen zurück und sucht sie uns durch die beiden Gleichnisse vom Blinden, der andern Blinden die Steige zeigen wollte, und vom Splitter und Balken zu ertödten, uns von ihnen zu heilen und zu reinigen. (Löhe.) Jhr seid blind und wisset den Weg zum Leben nicht, will der HErr sagen; lasset euch von mir erleuchten, sonst fallet ihr sammt denen, die euch folgen, in’s Verderben. Jhr könnt ja euern Schülern nicht geben, was ihr nicht habt; wenn sie auch alles von euch an- nehmen und nun ausgelernt haben, so sind sie doch nur vollkommen wie ihr, d. h. vollkommen blind. Es ist freilich leichter, den Weg zu weisen, als den Weg selbst zu gehen, leichter und angenehmer, vor andrer Leute üre zu fegen, als vor der eigenen; aber es ist kein « egen dabei, weder für den Meister, noch für den Jünger, und am wenigsten gereicht es jenen zu einer Ehre. Zu Scethe in Egypten sprachen einst die versammelten Gläubigen viel mit einander über die Fehler Anderer; lange schwieg der Altvater Pior, dann ging er hinaus, füllte einen Sack mit Sand, legte ihn auf seinen Rücken und trug ein wenig Sand in einem Körbchen vor sich her. So trat er wieder zu den Brüdern herein; als diese ihn fragten, was das heißen solle, erwiederte er: »der Sack auf meinem Rücken sind meine Sünden; ich habe ihn deswegen auf meinen Rücken gelegt, weil ich ihn nicht sehen mag, dafür trage ich die Fehler meiner Brüder vor mir, denn es macht mir Freude, sie zu betrachten-« Ach der HErr wandle unsre weitsichtigen Augen um und kehre ihre Sehkraft einwärtsl (Besser.) Es sind zwei Früchte, die der heil. Geist im Herzen schafsen will; die eine heißt Milde gegen Andere, die an- dere Strenge ge en uns selbst. Erst wenn unser Leben diese beiden Früchte gezeitigt hat, stehen wir im rechten Verhältniß zu Andern und zu uns selbst und sind beides, wahr und glücklich zugleich. (Fr. Arndt.) 43. lWas eure Lehre und Unterweisung aus- richten foll, das hängt allemal davon ab, wie euer eigen Herz beschaffen ist: ist dieses gesund, so wird auch eure Arbeit an Andern eine heilsame sein; umgekehrt aber könnt ihr nur Verderben stiften] Denn es ist kein guter Baum, der faule Frucht trage, und kein fauler Baum, der gute Frucht trage, » » · 44. Ein jeglicher Baum wird an seiner eige- nen Frucht erkannt. Denn »man lteset nicht Feigen von den Dornen, auch so lieset man nicht Trauben von den Hecken-«» [Matth. 7, 16 ff.; 12, 33]. 45. [Ia, im Grunde wird eure Lehre und Unterweisung mit ihrer Beschaffenheit selber schon die eures eigenen Herzens an den Tag legen] Ein guter Meiisch bringet Gutes hervor aus dem guten Schatz seines Herzens; und ein hoshafiiger Meiisch briiiget Boses hervor aus dem bosen Schatz seines Herzens. Denn weß das Herz voll ist, deß gehet der Mund über« [Matth. 12, 34 u. 35]. s) Der Zusammenhang der beiden Verse mit dem vorigen Inhalt der Rede ist dieser: Andere bessern wäre eine gute Frucht; die kann aber nicht erwartet werden von einem Baume, der selbst nicht gut ist. (v. Burger.) Die ,,Früchte« des Baumes sind weder die sittlichen Handlungen der lehrenden Person, noch ihre Lehren, sondern die Wirkungen ihrer Arbeit bei den Andern: ein Hochmüthiger mag Demuth, ein Egoist Liebe predigen so viel er will, die Wirkung seines Worts wird durch die Ansteckung seines Bei- spiels gelähmt sein. (Godet.) Diese immer sauern Worte der Pharisäer und Schriftgelehrten, diese Krit- teleien, Klauseln, Satzungen, Bedingungen, Flüche —- sind sie nicht ungenießbar wie die Schlehe am Dorn- strauch? wer möchte diese Früchte für die eigentliche Lebensfrucht der Theokratie, für die Feige, das feine Wandererbrod, für die Traube, die feine Menschen- labung im Reiche der Liebe halten? In der Rede an das Volk sind unverkennbar die Beziehungen auf die Pharisäer und Schriftgelehrtem wie sie in der eigentlichen Bergpredigt sich finden, mit der höchsten Weisheit in allgemeinere Ausdrücke gefaßt, wie es dem geistigen Standpunkte des Volkes gemäß war, ohne daß der Wahrheit irgendwie etwas vergeben wäre; die Jünger empfingen also mit der zwiesachen Rede des HErrn zugleich ein lebendiges Beispiel jener himmlisch freien Lehrweisheih die mit dem höchsten Predigermuthe Eins ist, weil sie dieselbe in der Folge so sehr bedürften. (P. Lange.) is) Die Liebe in allen ihren Geschäften, als Sanft- muth, Geduld, Barmherzigkeit, das sind die reifen Feigen und süßen Trauben, welche der HErr von sei- nen Jüngern lesen will. Was ist da zu thun? Wir müssen zuerst Feigenbäume und Weinreben werden, die wir von Natur Dornen und Hecken sind; wir müssen zuerst einen guten Herzensschatz uns schenken lassen, die wir von Natur einen bösen Herzensschatz haben. Unser lieber HErr Christus will diese Um- wandlung mit uns vornehmen: er will unsre Wiisten wie Lustgärten machen, unsre Herzen sollen werden wie ein gewässerter Garten und wie eine Wasserquelle, welcher es nimmer an Wasser fehlt (Jes. 51, 3; 58, 1·1);- wir sollen genannt werden Bäume der Gerech- tigkeit, Pflanzen des HErrn, zum Preise, sollen Kraft und Leben aus Jhm ziehen, wie die Reben aus dem Weinstock und viele Frucht bringen (Jes. St, Z; Joh. 15, 5). Das soll an uns geschehen in der Ordnung der Buße und des Glaubens; es ist aber vergebliche Mühe, wenn man Gutes thun will, ehe man kann, oder fromm leben, ehe man zum Leben aus Gott wiedergeboren ist. (Besser.) 46. Was heißt ihr mich aber HErr, HErr, und thut nicht, was ich euch sage [Matth.7, 21]? 47. Wer zu mir kommt, und hbret meine Rede, und thut sie, den will ich euch zeigen, wem er gleich ist. 48. Er ist» gleich einem Menschen, der ein Hans baute, und grub tief, und legte »den Grund auf den Fels. Da aber Gewasser feine Wasser- fluth] kam, da riß der Strom zum Hause zu, und mochte es nicht bewegen svermochte es nicht»zu er- schüttern]; denii es war auf den Fels gegrundet. 49. Wer aber höret, und nicht thut, der ist gleich einem Menschen, der ein Haus baute auf die Erde ohne Grund; und der Strom riß zu ihm zu, Und es fiel bald [stürzte alsbald zusam- menh und das Haus gewann einen großen Riß fder Bruch oder Einsturz jenes Hauses ward groß, indem es völlig umgerissen wurde Matth. 7, 24——27]. Der rechte feste Baugrund flir’s Seligwerden. 661 Der vorige Vers handelte von ger ges Baumes oder von dem, was aus em a es Zeråiåns hetrndorgeckyfzhd soksern est in Fnzrtheilifbesteäftz . "r en eanen weier: a eenaer au difeukbechten Worte, hwenicih ihdnen diie T cåtenßngcht entprechen? Hieran rei t i ann »er yu er Rede. (v. Burgen) Was »das Gleichniß a1n Schlusse betrifft, so ist an den Hugelabhangen um den See Genezareth her der Fels San gnanchegi stieg: mit giner d« La e Erde oder an ii er e t; er ver tän- dilgnenghniannggrnbt durch dieses lockere Erdreich durch, er gräbåj tief dbils gug denhijelcskjtiy Ygeuf uniliyin wellfclhem er en run eg er ori »e ann or a zu raben, ehe er·bis,aus den Felsen kommt. Aus die rde bauen heißt, den Willen des HErrn nur im Ver- stand, dem oberflachlichsten und am wenigsten person- lichen Theil unsers Jchs aufnehmen, ihm aber» das Gewissen verschließgn die cåustimåiungsdeg Krisen; d s w "ft per öni en emen un er een , vxrsagecililyrhckkdie Prüfung unsers geistigen Gebäudes geschieht durch die Versuchung, durch die Verfolgung, endlich durch den Tod, aus welchen das Gericht folgt; seit; Falk vguzigst dsxch darfst) FexibUnglgFeF Jst Es? ie er ammni ru en. o e. ie hxblopheutisfe Gleichniß erfüllt sich »im individuellen Leben iiberall in dem Gegensatz zwischen den wahren Gläub1 ekn und den SGcheiåp und låiiglaigigeng Es fer- fiillte i a er im »rn en in em «egena er fleischlichen und der geistlichen Gemeinde, in welche sich Israel theilte dem Worte Jesu gegenuber,· und ohne Zweifel hat Ehristus mit Bewußtsein hier auf die Entfaltun dieses welthistoris en Gegen atzes ohingei wissend» serhtneise Mann, sin· dze tåahfrenugunkgcese — iee a en gegra en in ie ie e, Fskiixildament ihres Hauses zu legen. Sie haben es in die Tiefe des Kreuzesleidens, der Welteiitsagung gelegt, auf den Urfels, aus Gottes Treue und Christi Kampf und Sieg; und der große Weltsturm ist gekommen in Wifnizen igid åliegenstäönifetn duiädlbhat in) ebniem Steig au as au ie ra ee en erro -——e»i festgestandenH eige sxxulrgckl Dagegelnshätdder thföcgichtke M « au an ore,grun oe re,au an eblctilrtiltjelski baute die fleischliche Gemeinde »in Israel; sgie hörte ebenfalls das Wort Christi, aber sie bewahrte es nicht. Das hat der kritische Sturm an den Tag gebgachzts ihr Hlgcus dkesigiggi Cgrund hjgtte; gowiz der gro e et urm»u er a e e· am un an ein un- dament stieß, sturzte es sogleich zusammen, der Fall des Hause? user ivgr Roß, izinsweäätegchutteäzises Er; " «. . ange. ie a o na ein e» dxgsliklBRede des HErrn gehört, sich der« Gewalt, mit der er predigte, verwunderte, daruber s.Matth.7,28f. Das 7. Kapitel. Von des Hanptmanns Lltneohtm dem Jüngling zu Rom, Johanne iind seinen Jüngern und der großen 8iinderin. lII. o. 1—10. (§. 41.) mit diesem dritte« 2ivskyuitt, enthaltend die Gesthiihte vom Hauptmann zu Kapernaiiim skhließt sich die Z. Gruppe an ihrem Ende mit dem Anfang der L. Gruppe (Kap. s, 12 is) zu einem größeren Ganzen zusammen. Jene Gruppe zeigte ung Iesum alg den Arzt, der der Kranken sich annimmt und von den vermeintlich Gesunden deswegen angefokhten wird; diese dagegen hat ihn uns gezeigt, wie die vermeintlich Gesunden in ihrer Feindschaft sogar - soweit gehen, das; er flih geradezu von ihnen logsagen muß nnd in ihnen eigentlieh auch schon von dem Volke selber, das sieh von ihnen leiten und beherrschen läßt, indem er der alten Gemeinde des hausen Israel eine neue in seinen Jüngern gegenübersteht nnd sogar einein gliiubigen Heiden sieh helfend und anerlieiinend zuwendet. Elielien wir von hier ans auf alle drei Gruppen zurück, so ist der Evangelist nunmehr auf den tjdliepnulit der— jenigeu Darstellung der wirlisanilieit Inn, die bald von Kuh. 4, 16 an ffir ihn maßgebend gewesen, angelangt: nicht für dar ganze Israel, sondern nur für die ,,Ueber- gebliebenen nach der Wahl der Gnaden«, aurh nicht für Israel allein, sondern für alle Geschlechter auf Grden (Röin. 11, I; 15, 8 ff) hat der HGrr ein Heiland nnd Seligmather sein wollen. Gr hat bei dieser Vorstellunge- weise, welihe einen bestimmten Illragniatigniuo verfolgt oder die Geschichte als Lehrerin gewisser ins; Auge ge— faßteu Wahrheiten austreten läßt, von der Chronologie oder Beitfolge im Einzelnen müssen absehen nnd sie nur im Allgemeinen könnten festhalten; das wird sirh andere sieben in der folgenden Gruppe, welehe es mit der zweiten Periode der Wirksamkeit Iesu in Galiläa zu thun hat. (vgl. illiatth s, 5—13.) 1. Nachdein er aber vor dem Volk ausgeredet sauf seinem weiteren Wege den Aussätzigen geheilt und sich darauf etliche Tage in der Einsamkeit aufgehalten 5, 12—-16] hatte, ging er gen Ka- pernauin [und kam bis an die vordersten Häuser der Stadt]. 2. Und eines Hauptmanns Knecht smit der Gicht behaftet Matth. 8, 7 Anm.] lag [drinnen in der Stadt] lodtkranh den er sder Hauptmann] werth hielt sweil er besonders gut zu brauchen und nicht, wenn er stürbe, durch einen andern zu ersetzen war]. Daß der Hauptmann seinen kranken Knecht werth hielt, damit bewies er sein liebreiehes Herz — gemei- niglich hatten es die Sklaven schlecht bei ihren Herr- schaften. Eornelius hatte auch die seltene, schöiieTugend, daß er hausväterlich mit seinem Gesinde umging (Apostg. 10, Z. 7). Die Liebe desHauptmannes zu seinem kranken Knechte hängt mit seinem Glauben, über den Christus sich mindert, enge zusammen. (Besser.) Die Krankheit muß nach den Ausdriicken bei Matthäus ein hitziges Gliederweh gewesen sein; wenn diese Krankheit sich auf innere Organe, z. B. auf das Herz wirst, kann sie alsbald tödtlich werden. (Godet.) 3. Da er aber von Jefu hörte sdaß dieser, nachdem er etwa 172 Woche von Kapernaum ab- wesend gewesen, jetzt wieder auf dem Wege dahin begriffen sei], sandte er stheils aus Bescheidenheit V. 9, theils um seinem Anliegen leichter Eingang zu verschaffenJ die Aeltesten der Juden sdie den Gemeindevorstand in Kapernaum bildeteUJ zu ihm, nnd bat ihn, das; er kcime und seinen Kliecht gesund machte [genauer: hindurch rettete, nämlich durch die Todesgesahr, in der er schwebte V. 2]. 4. Da sie aber zu Jesu kamen, baten sie ihn mit Fleiß, und sprachem Er ist es werth, daß du ihm das erzeigeftz · « Z. Denn er hat unser Volk lieb, und die 662 Evangelium Lucä 7, 6—12. Schule sShnagoge Kap. 4, 15 Anm.] hat er szum Beweis feiner wohlwollenden Gesinnung gegen das Volk Gottes, aus eignen Mitteln] uns etbauet. Es finden sich mehrere Beispiele von einzelnen Personen, die xiidische Synagogen gegründet haben. Auch die Gründung durch einen Heiden macht keine Schwierigkeih da die Heiligkeit des Orts nicht von dem Gründen sondern von der gottesdienstlichen Einwei- ung abhing. Die Aeltesten der Juden theilten ihrer- sheits vielleicht noch nicht selbst den Glauben des Haupt- mannsx aber sie wollten sich ihren Freund und Be- schützer nicht durch Ablehnung eines Auftrags zum Feinde machen, und berechneten, daß derselbe, wenn sein Knecht genesen sollte, sich nicht allein Jesu, sondern auch noch ihnen persönlich zu Dank vervflichtet fühlen würde. (v. Oosterzee.) Woher ist dem Hauptmann nun seine Glaubenszuversicht gekommen, die er zu Jesu hatte? Wir können nicht ficher fchließen, daß er entweder in einer Synagoge oder draußen im· Freien, wenn der HErr predigte, zugegen gewesen. sei; wohl aber hat ihn das Geriicht von Jesu erreicht, denn nicht blos die Predigt mit Amtsgnade ausgestatteter Prediger, sondern ancg die Rede von Jesu, wie sie aus dem Munde anderer eute kommt, kann die heilsame Kraft des Evangeliums ausüben, wenn nur der Jnhalt derselben Evangelium ist. Das Gerücht nnd die Rede vom HErrn ist allezeit viel weiter und ferner zu den Menfchen hindurchgedrnngeiy als die Füße der eigentlichen Prediger und ihre Predigt; und wohin kein Evangelist gekommen, dahin ist die Gnadenkraft des heil. Geistes mit dem Gerüchte von Christo, dem Gespräche und der Erzählung derjenigen gekommen, die nicht wußten, wie heilsame, sprossende Samenkörner sie mit ihren Worten in die Herzen fehnsiichtigey nach dem Himmlischen verlangender Menschen brachten. So säet der Säemann seine Saat, und meint sein Land allein zu besäen; der HErr aber hat Wind und Wellen und mancherlei Mittel, um von dem gestreueten Samen auch dahin mitzutheilem wohin der Säemann nicht gedacht, denn er kennet, die wir nicht kennen, und ge- denket ihrer, wenn wir ihrer weniger gedenken noch gedenken können. (Löhe.) 6. Jesus aber ging mit ihnen hin. Da sie aber sdie Männer der ersten Gesandtfchast V. 3] nun nicht ferne von dem Hause waren, sandte der Hauptmann Freunde zu ihm, und ließ ihm sagen: Ach HErr, bemiihe dich nicht, ich bin nicht Werth, daß du unter mein Dach gehestz 7. Darum sweil ein unmittelbarer Verkehr zwischen dir und mir in Riicksicht auf das, was ich bin, ein armer Heide, mir nicht angemessen erscheint] ich auch svorhin V. Z] mich selbst nicht würdig geachtet habe, daß ich sin eigener Person] zu dir käme. Sondern sprich ein Wort, so wird mein Knecht gesund. 8. Denn auch ich sder ich von Haus nichts] bin [als] ein san sich schon beschränkter] Mensch, [selbst wenn ich auf der höchsten Stufe mensch- licher Gewalt stünde, was aber gar nicht der Fall ist, vielmehr bin ich einer der mittleren Stufe :] der Obrigkeit unterthan, fverniag doch nach unten hin in die Ferne niit bloßem Wort zu wirken] Und lzwar so: ich] habe Kriegsknechte unter mir, und spreche [ich nun] zu einem: Gehe hin, so gehet er hin; und zum andern: Komm her, so kommt er; und zu meinem Knechte: sThue das, so thut er’s swie vielmehr wird da dir, der du über alle menschliche Herren weit erhaben bist, folche in die Ferne wirkende Macht eines bloßen Worts des Mundes zu Gebote stehn]. Es sällt dem Hauptmann mit einem Mal schwer auf das Herz, daß er etwas Ungeschicktes gethan hat: er hat nicht zu Jesu gehen mögen, weil er ein Heide ist, und hat deswegen die Aeltesten der Juden als Fürsprecher zu ihm geschickh daß sie ihn bewegen sollen zu kommen — aber was sollte das? Er hatte da sich nicht reeht bedacht: darf er nicht zu Jesu kommen, weil er ein Heide ist, so darf Jesus auch nicht zu ihm kommen; er erinnert sich (vgl. Apostg.10,28), welch ein ungewohnt Ding es ist einem jüdischen Manne, sich zu thun oder zu kommen zu einem Fremd- ling. Muß Jesus ihn nicht für zudringlich halten? oder muß Jesus nicht glauben, daß es ihm nach der Weise vornehmer Leute gehe, welche sich einbilden, das Gesetz sei siir die geringen Leute und die Aus- nahme für sie — um ihres Standes willen dürfe man wohl einmal das Krumme gerade sein lassen? (Mtinkel.) Jndem uns der Glaube Gott näher bringt, erkennt man ihn und sich selbst im Vergleich gegen ihn deutlicher, und man lernt das rechte Maß von Nähe und Ferne kennen, welches dem betenden Sünder vor Gott und zu Gott geziemt; Glaube nahet, und weil er Gottes Herrlichkeit erkennt, fernt er auch wieder, nnd erst so entsteht die rechte Mitte zwischen Verzagt- heit und blinder Verwegenheit. (Löhe.) Der Heide, dem die Aelteften der Juden in seltener Herzlichkeit das Zengniß geben: ,,er ist es Werth, daß du ihm das erzeigest«, nrtheilt von sich selber: ,,ich bin nicht Werth, daß du unter mein Dach gehest«; und diese völlige Demuth lähmt ihn nicht, sie ist vielmehr die Wurzel seines Glaubens, daß ihn der HErr erhören werde, eben nicht um menschlichen Verdienstes willen, sondern ans freier, völlig unverdienter Gnade. (Rig- genbach.) Demuth und Glaube auf’s Jnnigste mit einander verbunden: 1) die rechte Demuth leitet zum Glauben; 2) der rechte Glaube vergißt nimmer der Demuth (v. Oosterzee.) 9. Da aber Jesus das hörte, verwunderte er sich seiner, und wandte sich um und sprach zu dem Volk, das ihm nachfolgte: Jch sage euch, solchen Glauben habe ich in Israel nicht funden [an welche Worte sich dann noch ein weiterer Ausspruch Matth. 8 , 11f. knüpfte, um den es sich aber hier nicht handelt, da die Heiden hübsch demüthig bleiben sollen Röm. 11, 17 fs.]. 10. Und da die Gesandten [die Männer der zweiten Gesandtfchast V. 6] wiederum zu Hause kamen, fanden sie den kranken Knecht [den sie vor- hin in äußerster Todesgefahr verlassen hatten] gesund. Auf dem Kommen des HErrn, welches die Für- sprecher erbitten, während der Hauptmann es nicht dulden mag, auf diesem Kommen, zu welchem der HErr bereit erscheint, ohne daß es iedoch zur Aus- führung kommt, beruht der Nerv des ganzen Vor- gangs; es bildet den Mittelpunkt, um welches alles Andere sich bewegt. Jsrael’s Geschichte erzcihlte von Der Glaube des Hauptmanns zu Kapernaum den Bezeugungen des Gottes, der Wunder thut, und von zahlreichen Glaubenshelden, die auf Hoffnung wider Hoffnung an dem Unsichtbaren sich gehalten hatten; allein zu Jesu Zeit war keine Frucht davon zu sehen. Es fehlte nicht an allem Glauben, die Hilfe des HErrn wurde ja wirllich mit mehr oder minder starkem Glauben begehrt; aber man wollte die Mittel- glieder sehen, Jesus sollte den Kranken seine Hand auflegen, er sollte wenigstens kommen, wenigstens gegenwärtig sein —- der reine Glaube an die wirk- same Macht seines Willens war unter den Juden nicht heimisch. Da wird derselbe hier in überrascheip der Weise bei einem Heiden offenbar, und ihm geschieht nun nach diesem Glauben; seinem großen entfprechend empfangt er auch eine große Belohnung (Hebr. 10, 35), das ,,aus der Ferne«-Heilen des HErrn kommt als Segen über den ,,aus der Ferne schauenden« (Hebr. 11, 13) Glauben. Sein Wort bei Matth. 8,7: ,,ich will kommen« hat der HErr nur verfuchend ge- sprochen, und mit den Aeltesten ist er oben in V. 6 ebenfalls nur verfuchend nach dem Hause hingegangen (Joh.6,6); denn er wußte wohl, was er thun wollte und was geschehen würde. Nicht die Fürsprache der Juden hat ihn irgendwie bestimmt, sondern indem er die Bitte des Hauptmanns vernahm, zeigte ihm der Vater das Werk, welches er thun, nnd die Art, wie er dasselbe vollbringen sollte (Joh. 5, 2t)); denn wenn nach Matth. 8, 11 aus den entlegensten Fernen die Mitglieder des Reiches Gottes herbeikommen sollen (vgl. Katz. 13, 29), so müssen dieselben ja eine Macht- und Gnadenwirkung von Seiten dessen erfahren haben, der seinerseits nach allen Fernen wirken und eine Ge- meinschaft des Segens schaffen kann, welche durch die sinnliche Gegenwart nicht bedingt ist. (Steinmeyer.) Theophilus hat nun in dem, was bisher in dem Evangelio St. Lueä erzählt worden, bereits einen ge- wissen Grund erfahren der Lehre, in welcher er unter- wiesen worden (Kap. 1, 4), und muß erkennen, daß des Paulus Evangelium das rechte sei: Jesus, der zuerst ganz sich unter das Gesetz hat stellen lassen (Kap.2u. Z) und dann mit seiner Predigt sich zunächst an Jsrael gewendet, und zwar an seine Allernächsteii zu allererst, ist von Jsrael verworfen worden und hat den Glauben nicht gefunden, den er zu erwarten be- rechtigt war, man hat ihn sogar mit Umbringen be- drohet; aber die Heidenwelt fängt an, seiner zu be- gehren, und er wendet sich ohne alles Bedenken mit voller Bereitwilligkeit ihr zu, ohne auf etwas Anderes als auf den Glauben Gewicht zu legen, und von dem, der seiner Hilfe begehrt, müssen die Aeltesten der Juden selber sagen: ,,er ist es Werth, daß du ihm das er- zeigest« (Kap. 4, 1 — 7, 10). I- b.11—17. (§. 43.) Die neue Gruppe voaErzähi langen, welche hier sieh eröffnet und uns in die zweite, bis zum Jtnfbraeh nach Indäa und slleräa reirhende Periode der galiläischen Wirksamkeit Ehristi versetzt, zeigt Iesum noch auf einer höheren Stufe seiner niema- niseheu theilsentfaltung als die er in den drei ersten Gruppen einnahm; denn während er bis daher sieh nur erst noeh als den Arzt der Kraut-en offenbaren, der der Erfuhr des Todes wehrt nnd zu neuer Gesundheit ver- hilft, lernen mir nunmehr als den Ueberwinder des Todes ihn kennen, der das schon entflohene Weben zu— rüeteruft und bereits Eestorbene tu das Land der Leben— digen wiederbrtngt Sowohl an der Spitze dieser 4., als am Ende der später folgenden 6. Gruppe steht die Gesehtihte von einer Eodteuerweehuum wie aber auch die dazwisajeit liegenden Erzählungen tm Vergleich mit den früher 663 dagewesenen eine noch größere Ersrheiuung der Herrlich· tkeit des HErru bekunden, werden wir später uns zum Bewußtsein bringen —- wir richten füe’s Erste unsre Jtufmerttsamleeitanfdie Erweiterung des Qångliugs von ilain , eine Eeschichtg die uns non St. ttnltas allein ausbehalten ist, gleiehwie er aurh in Kap.4,16—30 mit der ltleestoßung Jesn von Nazareth seine Gruppen-Reihen mit einem ihm eigenthüuilietjeii Bertcht eröffnete und da- mit an den Tag legte, daß er ,,alles von Anbeginn mit Fleiß erlmudet« Man. l, 3). Evangelium am "I6. Sonntage nach Criniiatigy Die Sorge der Welt und das Hangen am Jrdischen hemmt die Heiligung (vgl. Matth S, 24——34), Trüb- sal und Leiden fördern dieselbige: das Evangelium dieses Sonntags führt uns nach Nain und zeigt uns die Trübsal und das Elend dieses Lebens recht lebendig; es zeigt uns aber auch die trostreiche Hilfe des Even, und so lehrt uns der heil. Geist mit solchen orten, daß wir in Leid und Trübsal uns nur zum HErrn wenden sollen, der auch vom Tode erretten kann. Das ist der Segen des Kreuzes, daß es das Herz von der Welt abzieht und auf den HErrn lenkt, und uns für den Trost des heil. Geistes im Worte empfänglicher macht. (Diesfenbach.) Jm Evangelium des vorherge- henden Sonntags wurde gottvertrauende Sorglosigkeit von den Christen gefordert: das ist eine große For- derung, und das Leben bezeugt es, daß der HErr da- mit etwas gefordert hat, das selbst der geförderte Christenmensch nicht immer im Stande ist zu leisten. Aber nichts zu Großes wird von uns gefordert, das beweist das vorliegende Evan elium: da ist die größte Noth, kein Mensch hat helfgen können, alles scheint verloren, alle Hoffnungen sind zu Grabe getragen; indessen, der HErr erscheint und hilft, durch ein ein- ziges Wort. Da wir einen solchen HErrn haben, der uns hilft, auch ohne daß wir ihn darum bitten, wie könnten wir uns sorgen und sürchten? unser Leben ruht in des HErrn Händen, seine Gabe und Gnade ist das Leben; daher geziemt uns ein rechtes Gott- vertrauen. Werfet euer Vertrauen nicht weg! denn der HErr 1) kommt ur rechten Stunde, 2) trocknet die bittersten Thränen, ) schenket alles wieder, und 4) verwandelt all euer Herzeleid in seligen Gottes- preis. (Nebe.) 11. Und es begab sich darnachk seinige Wochen vor Ostern des J. 29 n. Ehr» als der HErr soeben die Zwölse ausgesendet hatte 9, 1—6 und nun allein seinen Weg von Kapernauni aus hinüber nach dem Siidwesten des galiläischen Landes nahm], daß er in eine Stadtanit Namen Naiv-if sMatth 4, 25 Anna] ging; Und seiner Iunger sim weiteren Sinne des Worts, d. h. derer, die aus seinen Wanderungen sich ihm anzuschließen pflegten, um seine Wunder zu sehen und seine Worte zu hören] gingen viele mit ihm, und viel Volks sdas sich unterwegs seinen Nachfolgern zugesellete]. 12. Als er aber nahe andas Stadt- thor kam, siehe, da·tr·ug man einen Todten heraus, der ein einiger Sohn war feiner Mutter; und sie war eine Wittwe, »und viel Volks aus der Stadt gmg mit ihrs-H« kund begegnete nun der aus der Stadt kommende 664 Evangelium Lucä 7, 13—-15. Leichenzug dem dahin gerichteten Wanderzug des HErrns V) Einige Handschriften haben hier eine Wortform, die bedeuten würde: ,,am folgenden Tage«; da aber Nain von Kapernaum etwa 6 Meilen entfernt liegt, so hat der Evangelist keinensalls dieser Form sich be- dient, sondern der andern, welche nur bedeutet: ,,in der folgenden Zeit-«, nur im Allgemeinen andeutend, daß die Geschichte hier in eine spätere Periode fällt, als die voraufgehende vom Hauptmann zu Kapernaum, jedoch, wenn auch nicht nach Tagen und Wochen ge- rechnet, so wenigstens, was die verschiedenen Epochen in der Wirksamkeit Christi betrifft, sich bald an die- selbe anschließend Jn unsrer chronologischen Zusam- menstellung des Lebens Jesu ist das der Fall; zwar liegt reichlich ein halbes Jahr zwischen der Geschichte in §. 43 und der in §. 41, aber dies halbe Jahr war eine Zeit der Stille während des Herbstes und Winters (von Ende September 28 bis Ende März 29 n. Chr.), und wie Jesus in §. 40 u. 41 seine erste Thätigkeit in Galiläa hat abgeschlossen, weil er nun- mehr zu einem Wendepuukt gekommen ist, so nimmt s. v. a. der An er, die Trifft, nach Andern s. v. a. die Schöne, lag in er Ebene Jesreel, am nördlichen Fuß des kleinen Hermon, unweit Endor (s. Karte VI); jetzt ist’s ein kleiner Weiler (Ne'1«n), von Juden, Christen und Muhamedanern bewohnt, mit Ueberresten von alten Gebäuden. (L. Völter.) Nain heißt »die Lieb- liche« (Ruth l, 20): Wort und Ort mochten sonst wohl gut zusammenstimmen; aber an dem Tage, von dem unser Evangelium handelt, war es doch nicht so. »Sie trugen einen Jüngling heraus, der ein einiger Sohn war seiner Mutter; und sie war eine Wittwe« Der Tod fragt nach keinem Nain, fragt nach keinem lieblichen Orte; er zieht in gleichem Schritt durch die irdischen Paradiese, wie durch die öden Steppetr. Wie sich ein Rabe setzt auf den dürren und auf den rüneu Ast, so macht er auch keinen Unterschied; wie die asser- fluth hinwegeilet über die Sandheger und über die Lustgärten, so ist ihm auch Jeder Ort gleich. Und Überall ist er bitter; bitter für die, so er wegrafst, bitter für die, denen sie weggerafft werden. Aber warum ist er so bitter? Warum er es den Ungläu- bigen, den Gottlosen ist, brauchst du nicht zu fragen: er reißt sie heraus aus ihrem Freudenlebenz er ist der «« - — spd Ansicht von Nain. er sie in §. 42 u. 43 wieder auf, bis er nach aber- mals einem halben Jahre die Wirksamkeit in Galiläa überhaupt beendigt. Hiernach ist es ein Jrrthum, wenn von Manchen an enommen wird, unter den drei Todtenerweckungen Jesu nehme die des Jünglings zu Nain die erste, die von Jairi Töchterlein erst die zweite Stelle ein; es bleibt vielmehr bei dieser Reihen- folge, daß Jesus auferweckte erst vom Todtenbette, so- dann von der Leichenbahre und zuletzt aus dem Grabe, zuerst ein Kind, später einen Jün ling, endlich einen Mann; Lukas stellt nur nach Ma gabe der Gesichts- punkte, von denen aus er erzählt, die Erweckung des Jünglings voran, und bringt in Kap.8, 22——56 ebenso Nachträge aus Christi früherer Wirksamkeit, wie in Kap. 11, 14—12, 59; 13, 10—21; 17, 1—18 in dem sogen. Relisebericht uns dergleichen Nachträge noch in viel aussä igerer Weise begegnen, weil sie aus der Zeit der Wirksamkeit in Peräa zuriickgreisen in die der Wirksamkeit in Galiläa. —— «) Nain, nach Einigen Engel mit dem blanken, hauenden Schwert, der sie aus ihrem falschen Paradiese treibt; er ist der Gerichtsbote Gottes, der sie vor das Angesicht dessen stellt, der das heil. Gesetz gegeben hat, und dies Gesetz haben sie ver- achtet und übertreten. Warum aber ist er an? dem Gläubigen und Frommen bitter? dem, der wei , daß Christus dem Tode die Macht genommen hat? dem, der weiß, daß in ihm der Tod verschlungen ist in den Sieg? Weil er der Sünden Sold ist! Auch der Frömmfte hat ihn verdient mit seinen Sünden! Denke dir, ein Mensch hat eine große Schuldenlast aufgehäuft, ein Freund hat versprochen, sie zu tilgen; der Schul- dige soll sie aber erst ganz kennen lernen, er soll auch erst den Vorschmack der Strafe empfinden, er soll auch in dieser Strafe den Glauben an seinen Freund nicht. verlieren. Deine Schuldenlast kennst du; wenn du sie nicht kennst, macht dir der Tod beim Herannahen noch die Rechnung. Er selber legt sich mit seinen Aengsten dir auf’s Herz zur Strafe, und zum Vorbild der Die Auferweckung des Jiinglings zu Nain. 665 ewigen Strafe. Alle die Sündenängste, die dich in den einzelnen Posten dein Leben hindurch gequält haben, die werden dir in der Todesstunde in eine Summe zusammengezogen und dir auf’s Herz geworfen. Sollst du da nicht zagen und bangen, wenn du solche Rech- nung siehst, selbst wenn du weißt, daß dein Bürge, der für deine Schuld eintritt, hinter dir steht? sollst du nicht zittern, daß du dir solche Schuld und solche Gefahr aufgeladen hast? Auch den Christen erfaßt ein Todesgrauen: wie nun der, der nichts weiß von Christo, welcher unsere Sünden selbst geopfert hat- an seinem Leibe auf dem Holz! Weil wir hier nicht leben ein volles Leben vor Gott, erfchrickt der Mensch, wenn er vorgerufen wird vor Gott; und je weniger er ein göttliches Leben geführt, um so stärker ist dies Todes- zittern, verschont aber wird Keiner, denn Keiner ist vor seinem Gott gerecht gewesen. (Ahlfeld.) IN) Wen trägt man in Nain zu Grabe? Darauf giebt es eine traurige Antwort: es ist ein Jüngling, der einige Sohn seiner Mutter, und sie war eine Wittwe; das sind drei Glieder eines Satzes, und zusammen sind sie die Beschreibung eines dreifach großen Leibes, jedes Glied ladet zu tieferer Trauer und größerem Mitgefühl ein. Ein Jüngling starb —- und es ists schriftgemäß zu behaupten, daß es kein Glück ist, in der Hälfte (Ps. 55, 24; 102, 25), ge- schweige im ersten Drittel oder Viertel des Lebens sterben; ein abgebrochener Lebenslauf, ein munterer Bach, der in dem Sand und unter die Erde Hinab- fließt, sind beide ein geheimnißvoller Anbli , der Frage auf Frage erweckt. Ein Jüngling, ein einiger Sohn seiner Mutter stirbt: ich will euch nicht schrecken, ihr glücklichen Mütter einziger lebender Söhne, ich will eure Jaminerbrunnen nicht öffnen, ihr unglüc- licheu Mütter einziger hing eschied ener Söhne; aber ihr seid dennoch die rechten Richterinnen über das Leid vor den Thoren der Stadt Nain. Jhr wißt, was es für die Mutter, was es für die Mutter von Nain war, hinter dem Sarge herzugehen. Und sie war eine Wittwe: es ist nicht nöthig, da viel auszu- legen, warum eine Wittwe ihren einzigen Sohn zu betrauern ein großes Recht hat; warum soll ich be- weisen, was keiner leugnet? Da seht nur hin auf die weinende iammernde Mutter! Hat sie darum diesen Sohn empfangen, geboren und erzogen? Sie hatte einen Trost geboren für die Zeit, wo ihr Mann stürbe, und wo ist nun der Trost? Eine Hoffnung und eine Freude des» Alters hatte sie groß gezogen, und nun ist’s aus mit Hoffnung und Freude! Wenn sie ihn nun wird hingelegt haben an den stillen Ort, in der Stadt der Todten draußen vor den Thoren der leben- digen Nainiten, wenn sie nun wird heimgekommen sein und kein Mitleidiger ist mehr mit und bei ihr: wie wird ihr Haus so leer, ihr Herz so voll von Trauer und Sehnsucht sein! So denken wir uns hin- ein, so vertiefen wir uns in die Trauer der Wittwe von Nain, so reizen wir unser Mitleid — und warum? weil wir gerne schauen, gerne weinen, gern in Erin- nerungen des Elends wühlen? Das sei ferne! Wir wollen nur das Elend der Wittwe recht fassen, um die Hilfe recht würdigen zu können. (Löhe.) 13. Und da sie der HErr sahe ldenn nach morgenländischer Sitte gingen die Ange- hörigen nicht, wie bei uns, hinter dem Todten drein, sondern vor ihm her, so daß Jesus ihr gleich unmittelbar gegenüber stundj, jammerte ihn derselben, und sprach zu ihr: Weine nicht» 14. Und trat hinzu, und rührete den Sarg sdie offene Bahre, auf welcher der Todte, leicht zuge- deckt, lag 2. Sam. s, 21 Anm.] an [zum sinnbildlichen Zeichen, daß der Weg zum Grabe nicht weiter fortgesetzt werden solle]; und· die Träger stun- den. Und er sprach: Jüngling, ich sage dir, ftehe auf« 15. Und der Todte richtete fich auf, und sing an zu reden. Und er gab ihn seiner Matten-W« V) Eine merkwürdige Begegnung dort unter der Thorhallel Zwei Könige sind sich da begegnet, die mächtigsten auf Erden, jeder mit seinem Hofstaat und Gefolge. Der eine will heraus, der andere will hin- ein; der eine zieht triumphirend mit seiner Beute da- her, der andere nimmt ihm den Raub wieder ab. Der eine, das ist der Tod, der Schreckenskönig, der seit 6000 Jahren feinen Thron aufgeschlagen hat auf Erden und seinen Tribut einfordert in jedem Lande, in jeder Stadt, in jedem Haus und von jeder Men- schenseele; der will heraus durch’s Thor von Nain mit seiner jüngsten Siegesbeute, mit dem todten Jüngling, und hinter ihm ein großes Gefolge von leidtragenden Freunden und janimerndem Volk. Aber siehe, ein anderer König begegnet ihm unter’m Thor: das ist der König der Liebe, der Fürst des Lebens, der Freund der Menschenkinder, der Heiland der Sün- der, der in die Welt gekommen ist, die arme Mensch- heit zu erlösen von der Gewalt des Todes, des Teu- fels und der Hölle. Der kommt herein und bringt auch mit ein großes Gefolge: um ihn seine Jünger, mit ihm viel Volks, das er an sich gekettet durch seine Predigt und durch seine Wunderthaten; er kommt von Siegen und geht zu weiteren Siegen, von Kapernaum kommt er, wo er schon viele Zeichen gethan, nach Nain will er und wird auch da sich nicht verleugnen als den großen Nothhelfer und Tröster. Drum freue dich, du begnadigte Stadt, drum hebe dein Haupt empor, du weinendes Mütterlein: ,,seid unverzagt, ihr habet die Hilfe vor der Thürz der eure Herzen labet und tröstet, steht allhier.« (Gerok.) Jede Stadt im Morgenlande hatte ehedem eine Todtenstadt dicht vor ihren Mauern, die gewöhnlich aus Grotten und Höhlen bestand und die man in den Abhängen der felsigen Hügel anbrachte. Eben war der Leichenzug auf deni Wege aus der Stadt des Lebens in diese Stadt des Todes, aus der Heimath der Schönheit und Anmuth in die Heimath des Grauens, da kommt ein anderer Zug ihm entgegen: es ist Jesus mit den Jüngern und deni Volk —— gewiß nicht zufällig, sondern absichtlich; der da wußte, daß Lazarus todt war, ohne daß er ihn gesehen (Joh. 11, 11 ff.), der war auch zur Trö- stung der Wittwe herbeigeeilt Obgleich er die Erlö- sung der ganzen Menschheit im Herzen trug und alle Völker und Zeiten zu beseligen trachtete, so hatte er doch ein warmes Herz für den Schmerz auch des Ein- zelnen, gleich der Sonne, die ihre leuchtenden Strahlen auf alle Planeten und Monde herabsendet, aber auch das kleine Blümchen nicht vergißt, das einsam an der Waldquelle steht, und ihm von ihrem Glanze mittheilt. Und es giebt auch noch jetzt kein betrübtes Herz auf der weiten Welt, zu welchem seine Liebe sich nicht,hin- wendete, kein Sterbehaus, keinen Leichenzug, keinen Gang zu den Gräbern unsrer Entschlafenen, zu wel- chem er nicht unsichtbar und wirksam heranträte. (Fr. Arndt.) »Und da sie der HErr sahe, jammerte ihn derselbigen«: wo jedes menschliche Herz Mitleid 666 Evangelium Lucä 7, 16——20. empfindet, da bleibt auch sein Herz nicht ungerührt. Hat er nun gleich nicht geoffenbart, was in ihm vor- geht, so können·wir es uns doch ungefähr denken. Er war selbst ein einiger Sohn seiner Mutter, und sie·war eine Wittwe, nachdem ihr Mann Joseph das Zeitliche gesegnet hatte; die Wittwe stehet vor ihm, als wäre es seine eigene Mutter, und ihr Bild, da sie so bitterlich um ihren Sohn weint, versetzte ihn in eine Zeit, wo es sich noch ergreifender wiederholen sollte, und das war die Zeit, da Maria unter dem Kreuze ihres Sohnes stund. (Münkel.) Die Mutter hätte, als ihr Sohn krank lag, gern alles darum ge- than und gelitten, wenn sie ihren Sohn hätte retten mögen; jetzt nun, da er todt ist, so ist wohl da ein heimlich Wünschen und Seufzen: ,,ach wenn Gott wollte, daß mein Sohn noch lebete, oder noch möchte wieder lebendig werden» aber das steckt in ihrem Herzen so tief, daß sie es selbst nicht siehet, ja es in ihren Sinn nicht nehmen darf, solches zu bitten. (»uther.) Der HErr, ehe er ihr hilft, erweckt erst den Glauben in ihr, indem er spricht: ,,Weine nicht«. An dies Wort sollte der Glaube der Frau sich anklammern (Besser.) Thöricht, wahnsinnig wäre es, wenn ein Menschenkind einer Mutter, die ihren einigen Sohn zu Grabe trägt, also gebieten wollte; ein Labsal sind die Thränen den Geschlagenen, wer wollte es ihnen weh- ren, sich auszuweinen? Aber hier soll man auch merken, daß kein Menschenkiiid spricht, sondern des Menschen Sohn, der HErn Jesus will sich als den HErrn hier in Nains Thor offenbaren; das kündet Lukas dem, der ein feines Ohr für seine Sprache hat, deutlich an, indem er Jesum als ,,HErrn« (vgl. Kap. 10, I; 11, 39; 12, 42; 13, 15; 17, 5f.; 18, S; 22, 31 u. 61) bezeichnet Auch in dem Anrühren der Bahre, das Jesus auf sein Wort an die Mutter so- gleich folgen läßt, liegt etwas Großes: nach jiidischer Sitte wurden die Leichen im Geschwindschritt hinaus- getragen; diese Träger halten auf einmal inne, sie er- kennen an der Handlung des HErrn, daß er etwas vorhat, sie stehen still, gebannt von der Entschlossenheih von der Majestät dessen, der an die Bahre herange- treten. (Nebe.) ,,Weine nicht«: es soll sich bald zeigen, daß die Wittwe nur darum in das große Elend ge- kommen ist, damit sie empfänglicher würde für große Freude. Das faßt der Ungliickliche so schwer, daß sein Unglück eine Weissagung auf großes Glück ist; er be- urtheilt nach dem Winter, der doch vor dem Sommer kommen muß, den Sommer, und statt sröhlich sich auszustrecken nach dem, das da vorne ist, quält er sich mit Schauen in’s Schwarze und in’s Grab. Auch ein machtloses, wenn nur barmherzig gesprochenes ,,Weine nicht« hat eine tröstende Kraft; jede Aeußerung des Mitgefühls, jede Anerkennung der Größe und Tiefe unsrer Schmerzem jede Gemeinschaft mit liebenden, theilnehmenden Herzen tröstet und stärkt. Wie mag aber der HErr sein Wort zur Wittwe gesprochen und wie mag sie es empfunden haben, da es eine voll- kommene Hilfe im Hinterhalt hatte! Wie mag ihr trauernd Auge sein Auge voll Lieb und Kraft gesucht, wie mag sein Auge das ihrige unter Thränen ange- lacht und verheißenden Nachdruck in das Wort des Mundes gelegt haben! An die Stelle der jammer- vollen Klage mag wohl ein stilles Aufmerken auf das Thun dieses Fremdlings getreten sein, dieses wunder- baren, der sich mit behender Eile von der Mutter wendete, den Sarg anriihrete und die Träger stehen hieß. (Löhe.) ——- M) Nicht weit von Nain lag Sunem, wo einst .Elisa den Sohn jener Frau von den Todten wieder geholt und zu der Mutter gesagt hatte: ,,da nimm deinen Sohn hin« (2. Kön 4, 18«—37). Das war ein bedeutungsvolles Vorzeichen. Aber nun ist das Thun des HErrn doch noch ein anderes, als das eines Elisa oder Elias oder Petrus, wenn sie eine Todtenerweckung vollzogen. ,,Petrus betete knieend über der verstorbenen Tabea (Apostg. 9, 40 , Elias weinte über dem Sohn des Weibes zu Sarepta (1. Kön 17, 19 ff.), Elisa breitete sich über den Knaben der Sunamitin, daß des Kindes Leib warm ward (2. K. 4, 34)·— wie ganz anders Jesus! Man erkennt, nicht der Diener einer höheren Macht, nicht ein Knecht des lebendigen Gottes handelt hier, sondern der HErr der Lebendigen und der Todten, der Herr des Lebens steht hier persönlich an dem Sarg und spricht sein ,,ich sage dir, stehe aus!« (Nebe.) Als der Sohn der Sareptanerin gestorben ist, streckt sich Elias dreimal über die Leiche hin und ruft betend die Seele des Kindes zurück; desgleichen legt sich Elisa unter Gebet zweimal über die Leiche des Kindes der Sunamitin, Mund auf Mund, Augen auf Augen, Hände auf Hände, eng sich anschmiegend, erwärmt so das erkaltete Fleisch und bringt es dahin, daß der Knabe uiest und die Augen auffchlägt. Beide Male ist der Tod nicht schon scheinbar, sondern wirklich erfolgt; daß aber die Seele beide Male zurückgeholt werden kann und darf, be- rechtigt zu dem Schlusse, daß ihr Verhältniß zu dem Leibe noch ein um so näheres ist, je kürzer die Zeit, seit sie ihn verlassen. Eben daraus erklärt sich das seltsame Wunder, welches in 2. Kön. 13, 21 erzählt wird. Auch die neutesta1nentlichen Todtenerweckungen an Jairi Tochter, dem Jüngling von Nain und der Tabea erfolgen alle kurz nach geschehenem Tode; nur die Erweckung des schon seit 4 Tagen gestorbenen Lazarus macht hiervon eine Ausnahme. Sonst sind alle Erweckungswunder Znrückholungen der gleichsani auf dem Wege vom Diesseits zum Jenseits begrisfenen Seele. Wir sagen ,,gleichsam«; denn in der That ist die Seele von dcm Moment an, wo der Lebenssaden durchschnitten ist, im Jenseits, aber noch in einer so regen Selbstbeziehung auf ihren verlassenen Leib, daß eine wunderbare Wiederverbindung mit diesem zulässig ist. (Delitzsch.) Weiß Jesus denn, wo die Seele ist? und wenn er das weiß, wenn er mehr weiß, als alle Menschen, wird er auch Macht haben über abge- schiedene Seelen? regiert er im stillen Lande der Todten und ist sein bloßer Wille so mächtig, die Seele wiederzubringen? kann er sie mit dem Leibe wieder zusammenfügen, daß die alte Verbindung, die alte Wechselwirkung entsteht, die Wechselwirkung zwischen Leib und Seele, die man Leben heißt? Aus diese Fragen ein Ja, ein zweifelloses Ja! Ja, er weiß den Ort, wo die Seele des Jünglings von Nain auf ihre Zurückführung wartete; ja, er hat Macht über die abgeschiedenen Seelen, sie gehen und stehen zu machen, wie die Träger und den Leichen ug; er ist gewaltig über Lebende und Todte, und wei die »Aus- gänge des Todes« lHiob 38, 17); er kann die Seelen und Leiber zusammenfügen und die Wechselwirkung zwischen Leib und Seele wiederherstellen — er kann es, denn er thut es. (Löhe.) —- -!·’·«’!«) Lieblich ist der Morgen aus der Nacht, lieblich die Gesundheit aus schwerer Krankheit; aber lieblicher ist das Leben aus dem Tode, je stärker der Feind, dem ein Kleinod ab- gerungen, um so theurer ist es uns geworden. Wir glauben, daß der HErr der Mutter das Kind nun ge- lassen hat; sie ist im Tode vorangegangen, und der einmal Erwecktq gezeichnet mit dem Nialzeichen der Auferstehung, sah in ihrem Grabe und in allen Grä- bern die Auferstehung. (Ahlfeld.) Jene drei Aufer- weckten waren in ganz besonderem Sinne zu Zeugen Christi berufen; und daß es gerade das einzige Die Gesandtschaft des Täufers bei Jesu. 667 Töchterlein war l8, 42) und der einzige Sohn der Wittwe und der einzige treue Bruder, läßt uns auch leichter verstehen, warum gerade diese noch einen Ab- schnitt der Erdenwallfahrt beigelegt bekamen. Das ,,Talitha kumit Jüngling, stehe auf! Lazarus, komm heraus!« mußte mächtig aus den ganzen Rest des Erdenlebens nachhallen. Die Zeugen der vorläufigen Auserweckungskrast Christi waren gewiß auch von denen, welche geistlich schon damals die Stimme des Sohnes Gottes hörten und zum neuen Leben auser- standen, und sodann im Frieden dahinsuhren, der ge- trosten Hoffnung auf jene Stunde, in welcher alle, die in den Gräbern sind, diese Stimme hören und aus den Gräbern hervorgehen werden. (Riggenbach.) 16. Und es kam sie alle sdie bei dieser Gefchichte Augen- und Ohrenzeugen waren] eine Furcht an, und priesen Gott, und sprachenx Es ist ein großer Prophet unter uns auf- gestanden sder vielleicht der Niefsias selber ist], und Gott hat fein Volk heimgesnchtt sdie Zeiten des verheißenen Heils nun herbeizuführen Kap. 1, 68 sf.]. 17. Und diese Rede von ihm sdaß mit ihm ein großer Prophet in Israel ausgestanden und die Zeit des messianischen Heils wohl nun da sei] erscholl in das ganze judische Land sdie Landfchaft Judäa Matth. 2, 5] und in alle umliegende Lander [so daß selbst bis zu Jo- hannes in seinem Gefängniß eine Kunde davon drang V. 18]. «) Für die Leute zu Nain war diese That durch- aus unvermuthet, unverhofft, alle ihre Ahnungen überslügelndz und selbst für diejenigen, welche etwas von der Auferweckung der Tochter des Jairus ver- nommen haben mochten, war das Ereigniß neu, denn hier geschah die Erweckung eines Todten, der bereits zum Grabe getragen wurde, vor Aller Augen. Daher kam eine heilige Furcht über Alle, wie eine That Gottes durchschauerte diese Auserweckung ihre Seelen; aber es war ein seliges Erschrecken, was sie erfüllte, da sie den Tod selber so vernichtet sahen, da ihnen plötzlich ein so großer Einblick in die neue Welt der Auferstehung eröffnet wurde, und sie lobten Gott. Es war ihnen durch diese Thatsache klarer als je ge- worden, in Jesu sei ein großer Prophet ausgestanden, ja, Gott komme jetzt, sein Volk heimzusuchen, die Zeit der Erlösung sei vorhanden. (P. Lange.) is) Die Ausleger wissen sich in der Regel nicht darein zu finden, warum hier das «jüdische Land« so hervorgehoben wird als dasjenige, wohin die Rede des Volkes von Jesu gedrungen sei, und wollen den Ausdruck im weiteren Sinne als Bezeichnung des Landes der Juden überhaupt oder ganz Palästina’s fassen; allein zur Rechtfertigung solcher Auslegung kann die Berufung aus Kap. 1, 5 nicht dienen, auch dort ist Judäa eben Judäa, die Hauptlandschaft (vgl. Kap. 3, 1), indem weiter keine Rücksicht darauf ge- noinmen wird, daß auch die übrigen Landschasten zum Reiche Herodis des Großen gehörten. Es wird aber sofort alles klar, wenn die Gefchichte um die Zeit des Osterfestes Vorgefallen ist, wo die Festpilger die Kunde davon unmittelbar nach Jerusalem und Judäa brachten. Und daß dies geschähe, lag in der Absicht des HErrn: er ist zum Osterfest des J. 29 n. Ehr. nicht nach Je- rusalem gereist, weil er um der Feindschaft der jüdi- schen Oberen willen von der Stadt sich fern halten mußte (Joh.7,1); aber er wollte gleichwohl ihre Kinder zu sich versammeln, wie eine Henne versammelt ihre Küchlein unter ihre Flügel (Kap. 13, 34), darum hat er die Zwölse ausgesendet, ehe er von Kapernaum aufgebrochen (Kap. 9, l— 6), und hat nun während ihrer Abwesenheit in Nain, also ganznn der Nahe derjenigen Straße, auf welcher die galiläischen Fest- pilger bis gen Bethsean zogen, um von dort nach Peräa überzusetzen und dann bei Livius wieder über den Jordan nach Jericho und weiter bis gen Jeru- salem zu gelangen, ein Werk vollbracht, das ganz dazu angethan war, eine mächtige Bewegung hervorzu- bringeii und aus die Erscheinung des Reiches Gottes aufmerksam zu machen. Aber freilich —- ,,hö»ren sie Mosen und die Propheten nicht, so· werden sie auch (an Christum) nicht glauben, ob jemand Von den Todten auserstünde« (Kp. 16, 31): das sollte hernach bei der ganz in der Nähe Jerusalems vorgesallenen Auferweckung des Lazarus sich noch bestimmter an den Tag legen (Joh. 11, 46 fs.). II. h. 18—35. (§. 44.) Auch ihronologisch schließt sich die Gefchichte non der Gesandtsrhafi des Täufers an die vorhergehende von der Auferweckung des Mitg- tings zn tlain an: von letzterem Ort wandle sich der tijilirr südösttielj liiniiber bis in die Gegend von Bethsean und ging so selber den beiden Jüngern des Johannes entgegen, sie gleichsam zu empfangen (ittlallh.11,3Jlnm.); denn im Geiste wußte er wohl von der Stunde der An— feihtnng, die iiber den Gefangenen gekommen war, und daß die mit der Frage deoKngefoetJleneii beauftragten Iiinger einen recht tiefen Eindruck: von der göttlichen idlajestöt des itlenschenlohnes bekämen, darauf liam es hier an. Die Gefchichte steht unverkennbar in gewisser Mitte— beziehnug zu der in Raub, 33 ff. und zeigt die größere Herrliihlieit Christi und seiner Sänger gegenüber der des Johannes nnd seiner Zwinger; wir können sie noch 2 Tage später, als in der rhronologisrtieii Ueber- suht zu Matth. 9, 34 bei §. 44 angegeben worden, an- sehen, denn das »die Todten stehen ans« sollte gewiß für Johannes eine Weisung sein, worauf er sitt) gefaßt zn hatten und wessen er sikh zu trösten habe. (Vgl. Matth. 11, 2—30.) 18. Und es vertiindigten Johannt sder seit dem in Kap. Z, 19 s. angedeuteten Vorsall nun schon über 10 Monate im Gefängniß lag] feine Jünger das alles swas sie von Jesu Werken ver- nahmen, und da besonders auch die in V. 17 erwähnte Rede]. Und er sdem gerade die Wun- der von der Wiedererweckung der Todten» aus- sallen mochten, weil noch kein Gericht in Jsrael geschehen und die Tenne noch so gar nicht gefegt sei s, 17., daß vielmehr gerade jetzt die Gott- losen herrschten gewaltiger als je] rief zu sich seiner Jiinger zween, 19. Und sandte sie zu Jesu, und ließ ihm sagen: Bist Du, der da kommen soll, oder sollen wir eines Andern warten? [und da du doch ohne Zweifel der Verheißene bist, warum nimmst du denn so gar nicht die Worfschaufel in deine Hand, zu thun, wie ich von dir geweissagt habe?] 20. Da aber die Männer seben jene beiden Jüngers zu ihm kamen, sprachen sie: Johannes, der Täufer, hat uns zu dir gesandt, und läßt dir 668 Evangelium Lucä 7, 21——35. sagen: Bist Du, der da kommen soll, oder solleu wir eines Andern warten? 21. Zu derselbigen Stunde aber machte er feben wieder, wie immer, wenn er öffentlich auf- trat] Viele gesund von [langwierigen] Seuchen und HchmerzlicheUJ Plagen und bösen Geistern, und vielen Blinden schenkte ersin göttlicher Voll- machtj das Gesicht. 22. Und Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Gehet hin und verkiindigct Johannh was ihr gesehen und gehöret habt: Die Blinden sehen, die Lahmen gehen, die Aussätzigen werden rein, die Tauben hören, die Todten stehen auf, den« Armen wird dasEvangelium gepredigeiz 23. Und fsetzet dann, wenn ihr von dieser Erfüllung der prophetischen Weissagu1ig Jes. 35, 5 f: durch mich ihm Zeugniß abgelegt habt, zur Weisung siik ihn diesem] selig ist, der sich nicht argert an mir swenn es dabei in dem einen oder andern Punkte nicht so, wie er für nöthig hält, hergehts Sollen wir es undenkbar finden, daß dem gewal- tigen Propheten, während ihm die Tage im Dunkel des Kerkers theilnahmlos dahin schlichen, eine tiefe Au- fechtung die Seele ergriff und Er, der Andern göttliche Worte gespendet hatte, sich selber arm und verlassen, trocken und trostlos»fand? Jst denn der Glaube ein Ding, das man ein für alle Mal der geprägten Münze gleich im Beutel trägt? Und in besonderer Weise droht die Ansechtung dem Glauben eines Man- nes, der noch ganz das Gepräge des alten Bundes trägt, dessen Heilige stärker waren im Thun als im Leiden, wie auch Elias mit dem HErrn, den er nicht mehr begriff, zu rechten begann: ,,es ist genug, nimm meine Seele von mir!« Ja, der Geist kam über die Propheten des alten Bandes, aber er war nicht in ihnen, sondern ließ wieder nach; und so hatte er den Täufer in den Augenblicken der hellsten Erleuchtuiig zur Höhe seiner Zeugnisfe emporgetrageiy Jetzt aber war seine Seele von Dunkel bedeckt und mußte sich durch die Tiefen führen lassen. Das strenge Metall mußte im strengen Feuer schmelzent es war das Gethsemane des Täufers, aus dem er solche Frage sandte. (Rig enbach.) Es kann der Gläubige wohl in nfechtung kommen, aber er soll nicht» darin» unterliegen; denn I) er weiß, an wen er mit seinem Anliegen sich zu wenden hat, 2) es fehlt nicht an Thatsachety »welche seinen Kleinmuth widerlegen, Z) er hat an Christo einen Anwalt, welcher selber für ihn eintritt. (v. Burger.) 24. Da aber die Boten Johannis hingingen, fing Jesus an zu reden zu dem ·Volk von Johanne sihm in recht feierlicher Weise die hohe Bedeutung dieses Mannes zum Bewußtsein zu bringen]: Was seid ihr hinausgegangen in die Wuste zu sehen? Wolltet ihr san ihm] ein Rohr sehen, das vom Winde beweget wird? » 25. Oder was seid ihr hinausgegangen zu schen? Wolltet ihr» im ihm] einen» Menschen sehen iu weichen Kleidern? Sehn, die m» herr- lichen Kleidern und Lusten leben, die sind in den königlichen Hosen. 26. Oder was seid ihr hinaus gegangen zu sehen? ·Wolltet ihr sindem ihr euch zu ihm be- gabet] einen Propheten sehen? Ja, ich sage euch, der da mehr ist, denn ein Propbet. 27. Er ist es, von dem [in Mal. 3, I] ge- schrieben stehet: Siehe, ich sende meinen Engel vor deinem Angesicht her, der da bereiten soll dei- nen Weg vor dir futid er ist damit der Abschluß der alttestamentlichen Zeit geworden, daß er solche Weissagung zu erfüllen hatte]. « 28. Denn ich sage euch, daß unter denen, die von Weibern geboren sind, »ist kein größerer Propbet, denn Johannes, der Taufer [Kap. I, 15]; der aber kleiner ist jin [nunmehr erscheineiidens Reich Gottes, der ist großer, denn er. 29. Und [nun hat dieser größte unter allen Propheten auch ausgerichteh was er sollte V. 27, wenigstens da, wo man ihm nicht böswillige1i Widerstand entgegensetzte; denn] alles Volk, das ihn hörete, und die Zöllner, gaben Gott Rechh und ließen sich taufen mit der Taufe Johannis 30. Aber [freilich hat es andrerseits auch an dem böswilligen Widerstand nicht gefehlt; denn] die Pharisäer und Schriftgelehrten verachteten Gottes Ratt) wider sich selbst und ließen sich fwenn ste auch anfangs sich ebenfalls bei Johan- nes eiiistellten Matth. Z, 12 Anni., doch] nicht von ihm taufen [Apostg. 13, 46; 20, 27]. Die Rede Jesu über Johannes ist sozusagen seine Leichenrede; bald 11achher ist er getödtet worden. Jesus zeigt zuerst die Wichtigkeit der Erscheinung des Täufers, V. 24-—28; dann spricht er von der Wirkung seiner Amtsthäkigkeit V. 29 f. (Godet.) Von der Treue, womit der HErr selbst für die Sei- neii als Anwalt eintritt und sich ihrer aus priester- lichem Herzen annimmt, sehen wir im Text eine Probe in dem öffentlichen Zeugniß, welches er vor allem Volk feinem angefochtenen Knechte giebt. Johannes niag in einer fchwachen, bangen Stunde den Schein erwecken, als könne er an Jesu irre werden; aber sein treuer Heiland mißt ihn nicht nach dieser Stunde, er kennt ihn besser. Die Anfechtung geht vorüber, aber die göttliche Berufung, welcher er gefolgt ist, das Zeugnis; das er abgelegt hat, die Gesinnung, die seine stetige geworden ist und unverrückt die«Regel feines Thuns bildet, hat Gottes Geist bei ihm gewirkt, und Gottes Gaben und Berufung mögen ihn nicht gereuen. So uns unser Herz· verdammt« schreibt der Apostel (1. Joh. Z, 20), so »Ist Gott größer als unser Herz und erkennet alle Dinge. Wenn in des HErrn Reiche nur die Helden stehen sollten, die nie verzagt und deren Fuß nie gewankt hat, wer von uns dürfte eines Antheils daran sich getrösteii? Aber er richtet die Gebeugten auf, und die nicht für sich selber sprechen können, weil ihr erschrockenes Gewissen sie stumm ma t, die wirft« er darum nicht weg, die deckt sein prieterliches Wort; sie find ihm dennoch Werth, er wird mit seinem Zeugnis; sie beschämen, wenn sie nicht wagen ihre Augen zu ihm aufzuheben, aber doch ihre Seele an ihm han er wird zu ihnen sprechen: fürchte dich nicht, sei getrost! ich habe deinen Glauben angesehen, du sollst leben. (v.Burger.) Johannes ist, sagt der HErr, Elias, der da kommen soll, wie Maleachi Jesu Antwort an und Rede über Johannis. 669 geweissagt hat: und vor wem soll Elias wegbereitend vorangehen? Maleachi sagt: vor Gott dem HErrn selber. Was bezeugt somit Jesus von sich selbst, wenn er sagt, Johannes sei als Elias vor ihm hergegangen ? Wer Ohren hat zu hor·en, der hore! (R1ggenbach.) Gott Recht geben und sich selbst Unrecht, oder, was einerlei ist, aller Wahrheit, aller beschämenden, rich- tenden, demüthigenden Wahrheit Recht geben wider sich selbst, sich unter alle Wahrheit demüthigen, sich nach aller Wahrheit richten, das heißt seinen Sinn ändern, sich umkehren, bekehren. Das Volk beugte sich unter die fchneidenden und brennenden Worte des Propheten; es mußte sich die nämliche Anrede gefallen lassen, womit er die Pharisäer uud Sadducäer empfing (3, 7), und es ließ sie sich gefallen· Diese aber waren nicht Willens, sich nach der Wahrheit zn richten; sie glaubten, die Wahrheit müsse sich nach ihnen richten, und weil sie das nicht that, wie sie es ihrer Natur nach nie thun kann, so wendeten sie ihr den Rücken. Narren und Blinde! — als ob die Wahrheit dabei verlöre, wenn Menschen ihrer nicht wollenl (Menken.) 31. Aber der HErr sprach [diese Worte sind wohl nur ein Zusatz der Abschreibey die in V. 29 u. 30 eine Bemerkung des Evangelisten fanden und nicht einen Ausspruch Jesu selber]: Wem soll ich die Menschen dieses Geschlechts sindem sie so gegen Johannes und in derselben, den Rath Gottes verachtenden Weise sich weiter auch gegen mich verhalten] vergleichen? und wem sind sie gleich? fes will kaum ein Gleichniß auf sie passen] » 32. [Doch siehe, da ist eins :] Sie sind gleich den lzu nichts als zum Spielen und dabei zu nichts als rein launenhasten Einfällen geneigten] Kindern, die auf dem Markte sitzen, und rufen. gegen einander und sprechem Wir haben euch ge- pfiffen, und ihr habt nicht getanzetz wir haben euch geklageh und ihr habt nicht gemeiner. 33. Denn Johannes der Täufer ist kommen und aß nicht Brod nnd trank keinen Wein, so sagt ihr: Er hat den Teufel. 34. Des Menschen Sohn [seinerfeits nun] ist kommen, isset Und irinket sso daß man meinen sollte, der würde euch recht sein]; so sagt, ihr: Siehe, der Mensch »ift ein Fresser und Weinsciufeu der Zdllner und Sunder Freund. 35. Und die Weisheit swenn sie so bei den Kindern der Thorheit in keinerlei Weise an- kommen kann, sondern nur gehofmeistert und ge- tadelt wird] muß sich rechtfertigen lassen von allen ihren Kindern sauf die allein kann sie als einen Beweis, daß sie das jedesmal Rechte getroffen, sich stützen]. Jesus würdigt das Benehmen des mitlebenden Geschlechts gegenüber den beiden großen an dasselbe gerichteten göttlichen Botschaften; er sucht, mit was er ein so unvernünftiges Benehmen, wie er es sehen mußte, vergleichen könne, er sucht und findet fast nichts. Endlich verweilt sein Geist auf einem Bilde, welches seinem Gedanken entspricht. (Godet.) Mit Kindern auf dem Markte, vergleicht der HErr das Geschlecht der Juden, die nur spielen wollen nach ihren Launen und bald mit sröhlichem Pfeifenklang anheben, bald der Menschen Ernst und Trauer nach- ahmend klagen, und denen es nun niemand recht machen kann. Beider Wesen und Verhalten, sowohl des ernsten Bußpredigers Johannes als des freund- lichen HErrn Jesu, war den Launen der Juden nicht recht. Johannes erfüllte stille sein Amt, das ein Amt des Gesetzes und des Ernstes, der Buße und der Ent- haltsamkeit war; jene aber wollten nach ihrer da- maligen Laune ungestörte Lust und Freudenspieh darum sagten sie: ,,er hat den Teufel«. Christus kam mit dem milden Evangelium, Freundlichkeit und Leut- seligkeit war sein Wesen, er war ein Hochzeitsgast in Eana und verschmähte es nicht, mit den Zöllnern und Sündern freundlich zu verkehren und mit ihnen zu essen und zu trinken; jene aber wollten es nach ihrer nunmehrigen Laune anders haben, sie hielten ihm ihre Satzungen entgegen und den Ernst ihres Fastens und ihrer äußerlichen Ordnungen, und schalten ihn einen Weinsäufer und Gesellen der Sünder. So ist das Geschlecht auch dieser unsrer Zeit: die Predigt des Gesetzes ist ihnen zu ernst, zu streng, das Evan- gelium von der freien Gnade Gottes in Christo will ihnen auch nicht gefallen. Der HErr aber geht un- beirrt seinen Weg und läßt beides predigen: Gefetz und Evangelium, Zorn und Gnade, Buße und Ver- gebung der Sünden. Solche Weisheit, die durch das Gesetz, zum Evangelium erzieht und durch Buße zum Himmelreich führt, versteht die Welt nicht, die rechten Kinder dieser Weisheit aber rechtfertigen sie; ihr Leben und ihr Friede ist ein Zeugniß, daß es die rechte Weisheit ist. (Dieffenbach.) I1I. o. 36—50. (§. 45.) wie liki de« beide» kenn: Geschirhten dieser Gruppe hält der Evangelist auih hier, bei der Geschichte von dem Gastmahl des pha- risäers und der großen Sünderin, die chrono- logisrhe Reihenfolge noch inne; sie saßt wie in einem Gesammtbilde alles das zusammen, was an Slesn in den Rast. 5, is— 32 initgetlseilten Erzählungen von einzelnen Ziigen seines Wirkens und Waliens dargestellt wurde, nnd zeigt den Hllirrn insofern in immer weiterer Gut— saltnng seiner Herrlichkeit, als er ein Arzt nnd Lehrer aueh fiir diejenigen ist, die für die Gesunden und Gererhten gelten, die Beriihriiicg einer ans’s tlebelsle beriikhtigten Sünderin sowenig wie die eines Jtngsiitzigeii srheuen dars nnd mit seiner srhon an dem Gichtbriichigeit bewiesencn ittachtnollliomlnenheiy von Sünden loszu- sprckhen, selbst bis in die untersten Tiefen der Gefalleuen hinabreirlst Da der Vorfall einer Zeit angehört, wo die Zwölse nicht bei Jesu, sondern noch ans ihrer Aus— sendnng in Rad. 9, l-·6 begriffen waren, so erklärt es sich sehr einfach, warum die beiden ersten Goangelisteii desselben ebenso, wie der Knserwecteungsdes Jünglinge von hierin, geschwiegen haben; er war aber sür Lukas nach der ganzen Richtung seines Evangeliums von be— sonderer Bedeutung, daher er ihn absikhtlich der her— gessenhkit entrissen hat. ((Lvangel"iutn am Tage Niarici Magdalena: V. 36—50.) Der Tag fällt auf den 22. Juli, wo die Sonne. am heißeften brennt; seine kirchliche Feier wurde im 13. Jahrhundert durchgeführt, nachdem dieselbe sich schon früher angebahnt hatte, die Verlegung dieses Textes auf den Tag aber beruht aus der abendlän- dischen Tradition, die auch in der protestantischen Kir e so vielfach festgehalten wird, als wäre die gro e Sünderin in V. 37 ein und dieselbe Person mit Maria Magdalena in V. 2 des folg. Kap- Diese Ansicht hat gar nichts weiter für sich, als den äußeren Schein, 670 Evangelium Lucä, 7, 36—43. als sollte dort die Austreibung der sieben Teufel eine Befreiung von argem Sündendienft bedeuten, wofür man sich mit Unrecht auf Matth. 12, 45 beruft; wir haben zu Matth. 26, 7 die Ansicht widerlegt, nnd fügen hier noch die Auslassung eines Gewährsmanns hinzu: ,,eine von sieben Geistern besessene Person war nichts weniger als eine verfiihrerische Buhlerin; es ist durchaus zweierlei, besessen sein und ein Teufelsknecht in Sünden sein, wenn auch das erstere zu einem Bilde des zweiten gebraucht werden kann, wie die verschiedenen leiblichen Uebel Gleichnisse sind der ver- wandten Gebrechen des Herzens« 36. Es bat ihn aber lals er noch im süd- lichen Theile von Galiläa bei Bethsean sein Wesen hatte, und zwar vermuthlich in Mag adan, s. Karte V. u· VI. -— in Niagdala am See Genezareth hat die Geschichte wegen der schon so sehr gesteigerten Feindschaft der Pharisäenund Schristgelehrten Kap. s, 17. 30 ff.; ·Matth. I, 34 schwerlich stattgefundenlj der Pharisäer einer smit Namen Simon V· 40], daß er mit ihm äße san dem für diesen Tag, wahrscheinlich einen Sabbath, zugerichteten Abendmahl in seinem Hause Matth. 26, 6 Am. 1 Theil nähme) Und er ging hinein in des Pharisäers Haus, und setzte sich sohne jedoch die üblichen Ehrenbezeugungen gegen ein- geladene Gäste von ihm empfangen zu haben V. 44—-46] zu Tische sindem er sich auf dem für ihn bestimmten Divan niederließ, die Füße nach hinten ausgestreckh vgl. Anm.» zu Amos 6, 4 u. Matth. 26, 20]. Man hat der Einladung des Pharisäers eine feind- selige Absicht unterlegen wollen; aber seine Bemerkung in V. 39 giebt seinen sittlichen Zustand kund, er schwankte zwischen dem Eindruck der Heiligkeit, welchen Jesus auf ihn niachte, und dem Widerwillen, den seine Kaste gegen ihn hatte. Jesus redet ihn in V. 40 in so freundlichem und vertraulichem Tone an, daß man nicht wohl übelwollende Gesinnung bei ihm voraus- setzen kann. (Godet.) Jst die Gegend des Vorfalls, wie wir, oben angegeben haben, die bei Bethsean und die Stadt V. 37 der Ort Magadan (vgl. die Wem. zu Matth.15, 29, woraus hervorgeht, daß auch sonst Magdala mit Magadan verwechselt worden ist), so er- klärt sich am besten, wie da noch ein Pharisäer eine solche Einladung wagen konnte; erst späterstellten sich auch in diesem, zu den 10 Städten gehörigen Gebiet die Pharisäer und Schriftgelehrten dem HCrrn feind- lich entgegen (Matth. 16, l ff.; Mark· S, U; Lukas 12, l ff.); es erklärt sich ferner am besten das Vor- kommen einer feilen Stadt-Dirne, da in diesem Gebiet griechisches und heidnisches Wesen sich breit machte, ». während unter Israel selber, wenn die Zucht des Gei « setzes sich geltend 1nachen konnte, es wohl kaum öffent- liche Huren gab (vgl. das ,,nicht dein«, d. i. deines Volkes ist in Sprüchw. L, 16); endlich erklärt sich am besten die Aufbewahrung der Geschichte durch Lukas, der nach unsrer Annahme von dem gegenüberliegenden Pella stammte und also genaue Kunde von dem Vor- fall haben konnte. Der Pharisäer war wohl von der Rede des Volks nach der Auferweckung des Jünglings in Nain (V. l6): ,,es ist ein großer Prophet unter uns ausgestanden und Gott hat sein Volk heimgesucht« näher berührt worden und vielleicht Zeuge der in V. 21 erwähnten Wunderthaten des HErrn gewesen; er hatte eine heilsame Anregung, einen geistlichen Segen davon empfangen, wie sich aus der Rede Christi in B. 40——47 ergiebt, und wenn nun auch der Beweg- gr.und, warum er die Einladung ergehen ließ, halb Neugierde sein mochte, den Wunderpropheten einmal in unmittelbarer Otähe zu haben, so war’s doch gewiß auch ein halbes Wohlwollen, sich ihm näher zu stellen. —- ,,Daß sich Jesus der Einladung nicht verjagte, zeigt uns, wie entschieden er seines Geistes gewiß war, der auch diese Gelegenheiten ganz zu beherrschen und für die Zwecke seines Himmelreichs zu benutzen wußte. Wir können außerdem annehmen, daß die Menschen nie offener, hingebender und einpfänglicher sind für das Wort der Liebe, als wenn sie selber in irgend einer Weise Liebe erweisen, daß sie also das Evan- gelium am leichtesten annehmen aus dem Munde eines Gastes, in der gehobenen festlichen Stimmung ihres Hauses. Dazu kam wohl noch das Niotiv, daß Jesus am wenigsten den Pharisäern Veranlassung geben mochte zu der Beschuldigung er habe sie zurückge- stoßen; er war so gottlich frei von allem Groll, aller Furcht undVesangenheit der Partei gegenüber, die ihn schon vielfach angefeindet hatte, daß er sich ruhig in einem Pharisaerhause niederlassen konnte. (P. Lange) 37. Und siehe, ein Weib war in der Stadt, die war svom Standpunkt der öffentlichen Meinung aus betrachtet, wonach sie noch war, was sie ge- wes en] eine Stinderin sim besonderen Sinne des Wortsynänilich eine Hure, doch schon durch des Johannes Bußpredigh der vor 2 Jahren in dieser Gegend gewirkt Joh. Z, 23., zur Umkehr von ihren Sündenwegen gebracht Matth. 21, 31 f. und neuerdings auch von der Gnade und Wahr- heit, die in Christo Jesu ihr erschienen, wie mit dem heil. Geist und mit Feuer getauft Kap. Z, 16]. «Da die vernahm, daß er zu Tische saß sgenauer: lag] in des Pharisäers Hause, brachte sie ein Glas mit Salben svon derselben Art, wie hernach Maria in Bethanien Matth. 26, 7]. 38. Und trat hinten zu seinen Füßen, und weinete sin schmerzlicher Erinnerung wegen ihres früheren Wandelsk nnd sing an seine Füße zu netzen mit Thranen und mit den Haaren ihres Hauptes zu trocknen; und kiissete shierauf in dank- barer Hingebuiig an den HErrn und Meister, durch den ihre Seele genesen] seine Füße lwas auch sonst wohl geschah, wenn man einen Lehrer des göttlichen Worts auf’s Höchste ehren wollte], Und salbete sie Nunmehr] mit Salbe« kmit dem köstlichen Nardenöl ihres Alabasterfläschchens — vgl. hiermit die ähnliche, aber mehrfach doch noch anders gestaltete Handlungsweise der Maria in Matth. 26, 7; Mark. 14, Z; Joh. 12, 3]. Wenn Er nicht dort gewesen wäre, so hätte sie es nicht wagen dürfen, einen Fuß in jenes Haus zusehen, das in seinem, von einem Duft pharisäischer Strenge umdüsterten Ansehn die Gefallenen schreckte, und wenn das Weib nicht schon von einer Wirkung der rettenden Gnade Christi beseelt gewesen wäre, so hätte sie es auch sicher nicht gewagt, ihn dort aufzusuchen, ja sie hätte sogar zweifelnd denken können, Jesus sei jetzt für sie unerreichbar und dahin, da er sich mit jenen Vom Gastmahl des Pharisäers und von der großen Sünderin. 671 unerbittlich strengen Menschen befreunde. Aber keine Furcht dieser Art kann in ihrem Herzen mehr auf- kommen; sie ist seiner gewiß und weiß, daß Er jetzt Meister, König und Richter ist im Hause Simons Plötzlicg steht sie also mitten im Speisezimmer, dicht hinter Jesu, der sich auf die Ruhebank hingelehnt hat, zu seinen Füßen; denn seine Füße will sie salben mit einer Salbe, die sie gebracht hat, um ihm mit der höchften Demuth, die sein Haupt nicht zu salben wagt, den höchsten Dank, der das Edelste zum Schmuck seiner Füße opfert, zu bezeugen. Sowie sie ihm aber diese Huldigung bringen will und ihm so nahe steht, bricht sie in lautes Weinen aus, sinkt knieend nieder, und ihre Thränen überströmen seine Füße. Sie scheint es in heilig schöner Begeisterung gut machen zu wollen, daß sie ihm die Füße mit ihren Thränen netzt, greift nach einem Mittel, sie abzutrokknen, und findet in der Eile und Größe ihres Gefühls kein anderes, als ihr Haupthaar; allein sie bemert es nun sogleich, daß ihr Haupthaar sich wenig zu einem solchen Mittel eignet, betrachtet die Füße Jesu wie zwiefach verletzt durch ihre Thränen und durch die Abtrocknung mit ihrem Haar und sucht es im wo enden Herzensdrang gut zu machen, indem sie die üße mit ihren Küssen bedeckt. So folgt ein Zug der Ergriffenheit, der Bestiirzung des heroischen Glaubensmuthes und der himmlischen Reinheit und Freiheit ihrer Liebe auf den andern in rafcher Entwickelung, und sie beschließt jetzt ihr heiliges Werk, indem sie die albung selber vornimmt. (P. Lange.) Mit den Salben giebt sie ihre Habe, mit den aaren giebt sie ihren Leib, mit den Thränen und üssen giebt sie ihre Seele Jhm zum Dienst und Opfer hin; und wenn ihr fragt, welches Opfer ihm am besten gefiel, o so sind es gewiß ihre T ränen gewesen, an denen er die meiste Freude hatte, r, der da spricht: ,,selig sind, die da Leid tragen, denn sie sollen getröstet werden«, und von dem es heißt: »die Opfer, die Gott gefallen, sind ein geängsteter Geist, ein geängstigtes und zerschlagenes Herz wirst du, Gott nicht verachten.« Und wenn ihr sraget: Was soll denn ich ihm bringen, wenn ich herkomme zu ihm aus der Welt, aus der Sünde, aus dem Elend heraus, so sage ich: bringet ihm nur Thränen mit, Thränen einer aufrichtigen Buße und redlichen Reue. Mögen sie dir aus den Augen brechen im offenbaren Gotteshaus, oder magst du sie im verborgenen Kämmerlein aus- weinen, in deine osfene Bibel, in dein nächtliches Kissen, in deine gefalteten Hände hinein; magst du als Weib ihnen den Lauf lassen vor Gott und Men- schen, oder als Mann sie zurückfchlingen in die ver- schwiegene Brust — ohne diese Thränen, ohne den Schmerz der Buße, ohne das heilige Leidtragen über die Sünde, ohne die göttliche Traurigkeit, die zur Seligkeit wirkt eine Reue, die niemand gereuet, geht es nicht ab. Mit lachendem Antlitz bekehrt man sich nicht, im Flitterstaat und Eitelkeit darf man nicht zum Heilande kommen; und wenn solche Gäste kommen in sein,Haus, an seinen Altar, auf denen kann sein hei- liger Blick nicht segnend ruhen. Wenn dir deine Per- len im Haar lieber sind als dein Heiland, wenn dir dein Seidengewand noch zu kostbar ist, um deine Kniee darin zu beugen, wenn dir die Pracht und Eitelkeit der Welt noch zu schön dünkt, als daß du sie könntest abstreifen und wegwerfen Christo zu lieb, wenn nicht alle Lust und Pracht der Welt dir vergeht in dem Gefühl: »Gott sei mir Sünder nädig!« wenn nicht all dein Stolz und deine Ho ahrt hinschmilzt in Thränen vor deinem Gott und Heiland, dann kannst du deinen Heiland nicht finden. Aber wenn einmal der alte Mensch so in dir zerbrochen ist im heiligen Schmerz der Buße, wenn du einmal die eitle Lust und hohle Pracht der Welt so von dir abgestreift hast in gött- licher Traurigkeit, wenn du einmal so arm, elend, blind und bloß dich deinem HErrn zu Füßen geworfen hast: nichts hab’ ich als Sünden, nichts bring ich als Thränen, nichts will ich als Gnade! dann wohl dir, dann darfst auch du dir· zum Troste sagen: Mein Heiland nimmt die Sünder an. (Gerok.) 39. Da aber das fwas das Weib that] der Pharisäer sahe, der ihn geladen hatte fund der seiner pharisäischen Denkweise gemäß 18, 11 sich ärgerte, daß sie überhaupt gewagt hatte, in sein Haus einzudringen und es mit ihrer Gegenwart zu verunreinigen, damit aber den heil. Geist in seinem Herzen, der ihn dem HErrn Jesu schon m etwas geneigt gemacht, betrübete], sprach et· bei sich selbst und sagte [in seinen Gedanken]: Wenn dieser ein Prophet wäre lwofiir mit den: Volke V. 16 ihn zu halten ich vorhin beinahe mich hätte verleiten lassen], so wüßte er skraft höherer Erleuchtung, wenn er auch persönlich sie nicht kennt], wer sdem ihr gehörigen Titel nach] Und welch ein Weil) sin Beziehung auf ihre ganze Beschaffenheit] das ist, die ihn anriihret fund würde ihr Anrühren sich nicht gefallen lassen]; denn sie ist eine Sünder-in fdie sich ganz und gar den Heiden gleich gestellt hat Gal. 2, 15]. 40. Jesus antwortete fauf solchen unaus- gesprochenen Gedanken seines Herzens b, 21f., sich damit sofort als einen Propheten, und zwar als Christum selber, vor ihm beglaubigend Joh. 1, 47 ff.; 2, 24 f.; 4, 18 29; G, 14;9,17] und sprach zu ihm [infreundlichem, unbefangenem Tone]: Simon, ich habe dir etwas zu sagen sdas d1ch nahe angehts Er aber fSimonj sprach: Meister, sage an [ich bin begierig zu hören, was das ist]. » 41. sJesus nun sagte zunächst ihm ein Gleich- n1ß:] Es hatte ein Wucherer fSchuldherr 2. Kön. 4, 1 oder Geldverleiher b· Mof. 23, 20 Amte] zween Schuldner. Einer war schuldig fünfhundert Groschen [Denare Ei 714 Gr. 2. Mos. so, 13 AIMN ohngefähr 120 Rthlr.], der andere fünfzig sen. 12 Rthlr.]. · 42, Da sie aber nicht hatten zu bezahlen fals die Zeit der Rückzahlung herbeikam], schenkte et’s betden swas ein jeder schuldig war]. Sage an lfuhr Jesus hierauf fort], welcher unter denen wird snach Maßgabe des größeren Danks, zu dem er sich verbunden weiß] ihn sden Wuchererj am meisten lieben? » 43,. Simon antwortete: Ich achte [der, wie sich leicht von selbst versteht], dem et am meisten geschenkt hat. Er aber·[Jesus] sprach zu ihn« Du hast recht gerichtet srichtig geurtheilt, aber damit zugle1ch, ohne es zu merken, dich selber v e r urthe1lt]. 672 Für die Anwendung des Gleichnisses ist zu merken, daß die Summe der Schuld sich für jeden berechnet nach dem Maße seines Schuldbewußtseins; nicht darin liegt der Unterschied, daß Einer ein gröberer Sünder sein müsse, um ein tieferes Dankgefühl zu haben, sondern, daß er lebhafter erfüllt sei von dem Bewußtsein seiner Verantwortlichkeit und Schuld, daß seine Selbsterkeniitniß gründlicher, sein Gewissen ernst- licher angefaßt, seine Selbstanklage schärfer und der älliaßstab, den er an sich legt, geläuterter und feiner sei (1, Tim. l, 15). Während der Selbstgerechte wenig oder nichts sich glaubt vorwerfen zu müssen, erscheint dem Bußfertigen auch die scheinbar kleinere Schuld groß und schwer, und sein Dank bemißt sich nicht nach dem Ijiaße des Urtheils der älltenge, sondern nach der Erkenntniß und Empfindung, die er selbst von der Größe seiner Verirrung hat, mit der er sich an Gott versündigte. (v. Burgen) Schuldner sind alle Süden- fchen, ob sie 500 Groschen oder 50 dem HErrn im Himmel schuldig sind, bezahlen kann keiner, Vergebung braucht einer wie der andere — das ist die erste Lection für den selbstgerechten Simon mit seinem hoffärtigen ,,sie ist eine Sünderin«. Und wenn nun der heil. Gott im Himmel seine Gnade niederlegen will in eine sündige 2).iienschenseele, siehe, so kommns auf Eines an vor allem Andern, nämlich ob das Herz empfänglich ist für seine Gnade, demüthig der eigenen Armuth eingedenk, begierig nach dem Heil von oben, und wo das der HErr findet, wo eine Seele vor ihrem Gotte weint in aufrichtiger Buße, ihren Heiland umfaßt in fehnender Liebe, da hat er eine offenere Thür und einen dankbareren Boden für seine Gnade, als wo ihm eine todte Gesetzlichkeitz eine stolze Selbst- gerechtigkeit pharisäisch gegenüber steht, dabei man meint, ich brauche keinen Heiland —— das ist die zw eite Lettion für den steifen Gesetzesmaniy der die Buß- thränen einer reuigen Seele nicht verstehen, das Feuer eines von der Liebe Christi entzündeten Herzens nicht begreifen und nicht fchätzen kann. Und wenn nun der allwissende Herzensküiidiger in einer Seele dieses Gottesfünklein heiliger Sehnsucht erkennt, dann siehet er nicht die äußeren Werke nur an, wie die kurzsich- tigen Menschen, sondern den inneren Herzensgrund, dann nrtheilt er nicht nach dem, was ein dütensch ge- wesen ist, wie die unversöhnliche Welt, sondern als ein ächter Prophet nach dem, was aus einem Menschen werden kann und soll, wenn das Gottesfüntlein zur hellen Flamme angefacht wird durch den Hauch der Gnade, und vergievt viel, damit er viel geliebt werde — das ist die dritte Lektion für den turzsichtigen Simon, der da zweifelt, ob dieser ein Prophet sei, gerade da, wo er mit seinem Prophetenblick am tiefsten durch alles Außenwerk hineinschaut in den Grund einer von der Welt oberflächlich beurtheilten Menschen- seele. (Gerok.) , » 44. Und er sxetzt die Nutzanwendung von dem Gleichniß machend] wandte sich smit der rechten Hand] zu dem lhinter ihm stehenden] Weibe sauf dasselbe hinweisend], und sprach zu Simon smit dem Angesichte diesem zugewendet]: Stehest du dies Weib Ldas du mit den Gedanken deines Herzens vorhin so tief herabgesetzt V. 39, aber jetzt mit dem Urtheil deines Mundes unwillkürlich so hoch über dich erhöhet hast V. 43]? Jch bm kommen in dein Haus lin freundlichem Wohlmeinen deiner Einladung solgend], du hast mir [da, gleich als wäre ich der allerfchlechteste Gast, dem du Evangelium Lucä 7, 44——50. 8, 1—3. schon das erste Gastrecht versagen müßtest 1. Mos- is, 4 Anm.] nicht Wasser gegeben zu meinen Fußeuz diese aber [als müßte sie nachholen, was du versäumt, und es mit desto größerer Jnnigkeit wieder einbringen, was kalte Herzlosigkeit unter- lassen] hat meine Füße mit Thränen genetzet und mit dem Haar ihres Hauptes getrocknet. 45. Du hast mir sgleich als wäre es eine Unehre für« dich, als Freund und Bruder mich zu begrüßen Röm. 16, 16] keinen Kuß [auf den Brand] gegeben; diese aber, nachdem sie herein- gekommen ist falsbald nach meinem eigenen Ein- tritt], hat sie fals genügte die herkömmliche Ehren- bezeigung gegen die gefeiertsten Lehrer und Pro- pheten bei Weitem nicht für mich] nicht abgelassesh meine Füße zu küssen. 46. Du hast mein Haupt sden edleren Theil meines Leibes] nicht [einmal] mit [alltäglichem] Oel gesalbet sgleich als läge dir gar nichts daran, daß mir an deinem Tische auch wohl werde Pf. 28, 5; 45, 8]; sie aber hat sin ihrer Demuth die niederen Gliedmaßen sich erwählend Joh. 12, Z; Matth 26, 7 Arm] meine Füße mit IkHstlichenJ Salben gesalbett fals müßte sie heute ihr Bestes daran geben, was sie hat]. 47. Derhalben sauf dein eigenes, vorhin ab- gegebenes Urtheil V. 43 mich ftützend] sage ich dir: Ihr sind viel Sünden sall die vielen Sünden, deretwegen man sie eine Sünderin im schlimmsten Sinne des Wortes heißt] vergeben, denn sie hat viel geliebet saus ihrer vielen Liebe, die sie bewiesen, geht hervor, daß viel Vergebung ihr zu Theil geworden und niemand mehr ein Recht hat, sie ihrer Sünden wegen zu verurtheilen]; welchem aber wenig vergeben wird, der liebet wenig» fund da frage dich, ob nicht deine Kälte und Zurück- haltung gegen mich eben darin ihren Grund hat, daß du dich der Sündeiivergebung so wenig für bedürftig hältst und darum auch keinen Herzens- zng zu dem verspürst, der sie allein zu ertheilen vermag] 48. Und er smit seinem Angesicht von Simon sich jetzt weg- und dem Weibe zuwendend] sprach zu ihr: Dir sind deine Sünden vergeben-sit sdies Wort aus meinem Munde zu hören, um dich fest darauf verlassen zu können, bist du gekommen und hast deine Liebe mir bewiesen für die Gnade und Wahrheit, die bisher nur erst von ferne dir aus mir entgegengeleuchtet hat; so sei es denn dir geschenket und damit die Gnade in ihrem ganzen, vollen Maße dir in den Schooß gegeben] i) Mit der Würde des Sohnes Gottes rechnet er diese Huld: ,,ich bin kommen in dein Haus« seinem Wirthe an als eine Gnade Gottes, für die er sich wohl auch dankbarer hätte zeigen, den heiligen Gast ein wenig besser ehren sollen; aber wie sticht er « dabei gegen die Liebeserweisungen des Weibes ärmlich ab! (Stier.) Punkt für Punkt stellt der HErr das Wem viel vergeben, der liebet viel; welchem aber wenig vergeben, der liebet wenig. 673 Benehmen des Weibes dem des Pharisäers gegenüber ind vergleicht das Feuer und die Ewigkeit der Liebe, )ie sie ihm bewies, mit d,er Kälte und stolzen Vernach- lässigung, die ihm von dem Pharisäer widerfahren war. Dieser hat ihn der gewöhnlichsten Achtnngsbezeigungen iicht werth gehalten, die man sonst geschätzteii Gästen ieweistx das Weib hat nichts unterlassen, was dazu pienen konnte, ihrem heißen Dank und ihrer tief mpfundenem deniuthsvollen Liebe Ausdruck zu geben. v. Burgen) , IN) Jesus befolgt hier denentgegengesetzten Gang ion dem des Gleichnisses: in dieseni steigt er von der Irsache zur Wirkung herab, von der erlassenen Schuld »u der empsundeneii Dankbarkeit; in der Anwendung singegen steigt er von der Wirku1ig zu der Ursache auf; )enn die Wirkung ist augeuscheinlich, sie fällt in die Sinne, während die Ursache verborgen ist, man kann ie nur vermöge des Grundsatzes erfassen, der sich aus dem Gleichniß ergiebt. (Godet.) Wem alle Sünden ærgeben werden, der weiß, daß ihrer viel sind, und r liebet darum viel; wein aber nur wenig vergeben vird, weil er nur wenig Sünden an sich erkennt und )eweint, der liebt auch wenig, und aus der Lauheit eines Herzens soll ihm eben offenbar werden, daß ihm xrst wenig von dem vielen, was ihm zu vergeben ist, )ergeben worden. (Besser.) sit) Die Frau hielt sich durch die früher schon mpfangene Gnade ebenso zu Dank verpflichtet, als väre ihr eine Schuld von 500 Groschen erlassen; aus Dankbarkeit dafür war sie zu Jesii gekommen und iatte ihm in ihrer Liebe die Kraft ihres dankbaren Blaubens gezeigt. Nun empfängt sie in solcher Ge- innung, nicht aus Verdienst, sondern aus Gnade, die Bersicheruiig der Vergebung aller ihrer vielen Sünden iud mit der Versicherung die Versiegelung durch den Frieden Gottes, der höher ist als alle Vernunft. Simon iagegen hält sich durch Jesu Besuch ebensowenig zu Dank verbunden, als durch den Erlaß einer Schuld )on 50 Groschen; darum hat er dem HErrn auch wenig Siebe erzeigt. (v. Oosterzeeh 49. Da fingen an sdie übrigen Pharisäer], sie mit zu Tische saßen, und sprachet: bei sich lklbst lwie früher ihre Zunftgenossen in Kaper- caum 5, 21]: Wer ist dieser, der auch die Sün- sen oergiebt suud damit in Gottes Hoheitsrechte ingreift]? 50. Er aber fsich nicht an ihr Widersprechen ehrendj sprach zu dem Weibe: Dein Glaube hat sie geholfen; gehe hin mit Frieden [Kap. 8, 48; i7, i9]. Wir dürfen hoffen, daß Simon in die Rede der ihrigen Pharisäer nicht mit eingestimmt, vielmehr in ser Stille geseufzt hat: ach, wäre ich wie dies Weib! 3u dem Weibe nun spricht der HErr nicht: ,,deine kiebe«, sondern: ,,dein Glaube hat dir geholfen« Zimon soll auf die Liebe, des Gesetzes Erfüllung eben, denn eines Andern Glauben siehet niemand, r wird allein aus der Frucht erkannt; das Weib iber soll sehen auf ihren Glauben und das ihre Trö- tung sein lassen, daß sie der Vergebung versichert ist ind Christi Liebe fassen kann im Glauben. (Besser.) ,Gehe hier«: sie wäre vielleicht gerne noch lange zu Zsesu Füßen gelegen und hätte seiner holden Gegen- oart sich erfreut und seinen süßen Worten gelanschh ind hätte das Heimgehen vergessen. Aber nun heißt’s: Deichsel-P Bibelwert V. Band. 2. Aufl. gehe hin, zeige nun »den Ernst deiner Buße durch dein Leben und wandle züchtig, gerecht und gottselig in dieser Welt. Mache dich nun werth der Gnade, die du unverdient empfangen hast, indem du von heut an des Evangelii wiirdiglich ivandelst Danke nun deinem Heiland durch dein Leben und liebe viel, weil dir viel vergeben ist, auf daß er Recht behalte mit seinem pro- phetischen Wort. O ein ernstes Wort an alle be- gnadigten Seelen, dieses »gehe hin!« Vleibe nicht träge zu Jesu Füßen liegen, ruhe nicht schwelgerisch aus in den Gefühlen der Gnade, so dir widerfahren, falle noch weniger zurück in den vorigen Wandel: nein, der Heiland ist der Sünder Freund, aber der Sünde Feind, darum stehe auf in der Kraft Gottes und gehe hin auf deinen Lebensweg nnd mache gut, was du ge- siindigt hast, und halte, was du gelobt hast! — Gehe hin ,,mit Frieden-«. Ja, wenn du auch hinaus mußt in den rauhen Sturm der Welt, in den heißen Kampf mit dir selbst, an das saure Tagewerk der Erde, du darfst hingeben im Frieden; der Friede Gottes begleitet dich, sein Geist stärkt dich, sein Wort tröstet dich, und nicht Welt, nicht Zeit noch Tod, kann dir je das selige Zeugniß rauben, das dir dein HErr selbst in’s Herz geschrieben: ,,ich bin Gottes, Gott ist mein, wer ist, der uns scheide?« —- Gehe hin mit Frieden: o großer Friedesürsh sprich das auch in unsre Seelen, wenn wir nun wieder aufstehen und von deinen Füßen, wo uns wohl war, hinausgehen in die Welt; las; uns immer dürstender uiid heilsbegieriger aus der Welt kommen zu dir, immer begnadigter und friedevoller von dir hinausgehen in die Welt! (Gerok.) Jn dieser von Lukas allein erhaltenen köstlichen Erzählung sind die beiden wesentlichen Züge des soge- nannten Paulinismus enthalten, daß das Heil ohne Verdienst und daß es allgemein ist; es war aber auch die Absicht des Lukas (Kap. l, 4), durch sein Evangelium zu zeigen, daß die von Paulus so bestimmt forinulirte und so nachdrücklicls gepredigte Lehre im tieim schon in allen Thaten und Lehren Jesu enthalten, daß das pauliciische Evangelium also nur. die Anwen- dung der von dem HErrn selbst aufgestellten Grund- sätze sei. (Godet.) Wenn man übrigens die Art ohne Vorurtheil beachtet, wie Lukas an unsrer Stelle nur unbestimmt von einem Weibe in einer Stadt redet, die eine Siinderin war, in Kap 8, 2 dagegen Elliaria als die von Magdala bezeichnet und in Kap. 10, 38 ff. Maria als Schwester der Martha angiebt, so wird man sich schwerlich zu der Annahme der alten Kirche, daß diese drei ein und dieselbe Person gewesen seien, entschließen, sondern sie eben so streng auseinander- halten, wie der Evangelist sie auseinandergehalten hat, und nicht die Geschichte in Matth 26, 6 ff.; Mark. 14, 3ss. u. Joh. 12, 1sf. mit der unsrigen verniengen Das 8. Kapitel. Vom Hainen des Wortes» Gottes, des Meeres» Augestiiny Besessenen, kranken gdeibe nnd Hairi Töchterleiin I· V. 1——3. (§. 52.) Kuf die erste Dreiheil von Ge- srliichtsgruppcn zn je 3 Abschnitten tilde. 4, 14—— 7, 10), melrhe Ilesum in seiner Herrlichkeit als Arzt sijr alle tiraiilieti am Eeilie oder an der Seele zeigte, folgte eine mittlere Gruppe aliud. 7, 11——50), die seine Herrlichkeit noih tiefgreisender entfalten, wie wir gesehen liabeiiz da schließt nun zur Erssilluitg der heil. Sielsenzahl eine zweite 674 Evangelium Lucä 8, 1—8. Dreiheit sich an, in welcher der tljGrr schon als König im Reiche Gottes erscheint, indem er eine Schaar von Gläubiger: um sich hat, mit dieser von der noch ungläu- bigen Welt sich ausscheidet, aber durch sie auf die Welt auch riuivirlek um aus ihr Seelen fiir sein Reich zu ge- minnen, daniit dessen Bürgerschaft immer größer werde. Gleich die erste Gruppe dieser neuen Dreiheitz die siiuste uiiter allen sieben, fährt uns dies Bild von Ghristo vor: ihr erster Abschnitt gedenkt zunächst der jin-Ase, die den Stamm der christlictzen Gemeinde bilden; aber dieser Schnur voii Männern ist bereits eine Anzahl von Frauen zugesellt, welche die tluchfolge und den Dienst des tilenschensohneo zu ihrer ausschließlichen Lebensans- gabe haben, so daß es nun heißen mag: ,,hier ist liein Mann noch Weib. denn ihr seid allzumal Giiier in Ghristo Iesu« (Gal. Z, 283 6, 15). 1. Und es begab sich darnach sin der Zeit nach den in Kap· 7, 11—50 erzählten Begeben- heits doch bnilcylst unmittslbar nach diesZn letzter-In, son ern it er aupt in er zweiten -erio e er galiläischenWirksamkeit Christi, im Sommer des J. Fg n. Chr·], das; er reisete »durch Städte und Niarkth und predigte und verkiiiidigte das Evan- gelium vom Reich Gottes, nnd die Ztviilfe uiit ihm sogr Markt» 14, 35 f.; Mark e, 55 H; 2. Dazu etliche Weiber, die er gesund hatte gemacht von den bösen Geistern und Krankheiten swenigstens was diese und jene unter ihnen be- trifft], nämlich Maria, die da sweil von Magdala am See Genezareth gebürtig Matth. 4, 25 und 15, 39 Aum.] Magdalena [Matth. 27, Ha; 28,1; Mark. 15, 40; 16, 1; Luk.24,10; Joh.19,25; 205 1fffhf heilsze vkonkxielåhzer waren sieben Teufel UU gc li ccU Or . , , 3. Und Johanna [Kap. 24, 10], das Weib sdess Chtifth des Pflegets lRentenverwalters oder Haushaltsvorstehers Matth. Z, 20 Anm.] Herodls lvielleicht des in Joh 4, 47 ff. erwähnten Köni- gischen], und Susunnn lsonst nicht näher bekannt], nnd viele smanches andere swie Maria, die Mutter Jacobi des Jüngeren und seiner Brüder, und Salome, die Mutter der Söhne Zebedäi Mark. 15, 40 f.], die ihm· suud den Jüngern] Hand- jrdeichsuiigbthcåteif non ihrer Habe saus den Mitteln, ie ie esa en . Neben den großen religiösen Fragen, welche in dem Leben Jesu vorkommen, liegt auch eine mehr unter- geordnete vor, welche aber doch auch ihre llBedeutung hat: woher hatte Jesus hier seine materie en Niittel während der Jahre seiner Amtsführung? Seiner Be- rufsarbeit hatte er entsagt, auf das Vermögen, in wunderbarer Weise für seine Bedürfnisse zu sorgen, hatte er freiwillig verzichtet; überdies« war er nicht allein, er war fortwährend von zwölf Yiännern begleitet, welche ebenfalls ihr Geschäft verlassen hatten und deren Uuterhalt er durch ihhre Berufung in feine Nachfolge auf sich genommen atte. Ein gemeinsamer Beutel diente den Bedürfnissen der umwandernden Gesellschaft, und aus demselben entnahm man auch Gaben für die Armen (Joh. IS, M; 12, 6); aber wie wurde der Beutel gefüllt? Die Gaftfreundschaft erklärt einigermaßen das Räthfel, aber nicht vollständig; es gab ja doch noch ver- schiedene Bedürfnisse, Kleidung u. dergl. Die wahre Antwort auf diese Frage geht aus unserm Abschnitt hervor, welcher deshalb ein hohes Jnteresse hat. Jesus sagt: »trachtet ani ersten nach dem Reiche Gottes, so wird euch das Uebrige alles zufallen«, und: ,,niemand verläßt Vater, Mutter u. f. w. um des Reiches Gottes willen, der es nicht hundertfältig wieder nehme«; diese Vorschrift entnahm er seiner täglichen Erfahrung. Die dankbare Liebe derjenigen, welche er mit feinen geist- lichen Reichthümern erfüllte, sorgte für feine und seiner Jiinger zeitliche Bedürfnisse; einige fromme Frauen versahen freiwillig für ihn die Stelle von Mutter und Schwestern. (Godet.) Jn der Trennung von seinem Hause war Jesus völlig eigenthumslos und konnte das bekannte Wort sprechetn »die Füchse haben Gruben und die Vögel des Himmels Nester, des Menschen Sohn aber hat nicht, wohin er sein Haupt lege«. Als des Menschen Sohn ist er Sohn Jehovws und König Jsraels, und als solcher braucht er nur zu fordern, dann sind die Heiden sein Erbe und der Welt Ende sein Eigenthum (Pf. 2, 8); und dennoch hat er nicht einmal Theil an dem Acker zu Bethlehem, der dem Haufe seines Ahnherrn Jsai gehörte. Einen grelleren Contrast zwi- schen Würdigkeit und Recht in Ansehung des Besitzes einerseits und Entbehrung und Entsagung andrerseits hat es auf Erden nie gegeben, und darum ist auch von jeher die Armuth Christi als eine unvergleichliche au- gesehen worden (2. Cor. 8, 9); die Armuth Christi besteht nämlich nicht blos in der Besitzlosigkeit dessen, der der Erbe der Erde ist, sondern sie wird namentlich dadurch geschärft, daß all sein Wirken und Thun, in welchem er unablässig begriffen ist, keinen Lohn hat· Seine Arbeit ist das Zeugnis; der Wahrheit (Joh.18,37): wenn nun schon die hellenischeii Weisen im Gegensatz zu der Hand- werksmäßigkeit der Scheinweisheit es verschtnähtem das Kleinod der von ihnen erkannten Wahrheit siir schnödes Geld zu verkaufen, so hat das Zeugnis; der Wahrheit, welches Jesus als seinen Beruf bezeichnet, nicht blos einen noch unendlich höheren Charakter, sondern in diesem Zeugnis; der Wahrheit ist etwas enthalten, was ohne Ausnahme Allen eine tödtliche Selbstverleugnung auferlegt; es kann demnach dieses Zeugnis; nur für diejenigen eine gewinneude und anziehende Kraft haben, welche diese Bitterkeit einer völligen Selbstentsagung überwinden. So wenig Jesus einen Acker hat, der ihn ernährt, so wenig darf er von seiner Arbeit einen Lohn zur Erhaltung seines Lebens erwarten; er ist demnach mit seinem ganzen Lebensstande nicht an die Erde und an die Menschen gewiesen, sondern an seinen Vater im Himmel. Die 4. Bitte des Vaterunsers hat nie und nirgends jemand so eigentlich genommen und gesprochen von einem Tage zum andern, wie Jesus; und darum ist auch sein Danken und Brodbrechen (Kap. 24, 30 f.) eine so ausgeprägte Eigenthümlichkeih daß die Seinen ihn daran am leichtesten erkennen können. (Baumgarten.) Es liegt nahe anzunehmen, daß sich das Verhältnis; der Nachfolgerinnen und Dienerinnen damals werde gebildet haben, als die Söhne der beiden Frauen INariä Alphäi und Salome in den bestimmteren Dienst Jesu getreten waren (Kap. S, 12 fs.), als überhaupt ein neuer gemein- samer Haushalt der Jünger Jesu, die jetzt mit ihm eine Hausgenossenschaft ausmachtem deren Kasse Judas verwaltete, nöthig geworden war; man begreift es leicht, daß besonders uin jene Zeit die verwittwete Maria, die Mutter Jakobi Il., und die hochsinnig strebende Salome keine höhere Aufgabe kunnten, als des HErrn Sache mit ihrem persönlichen Geleit und mit allen Jesus mit feinen Jüngern und Nachfolgerinnen Vom viererlei Acker. 675 ihren Mitteln zu unterstlitzen Durch diesen Kreis nahe verwandter und längst befreundeter Frauen, welche Jesum umgaben, war es denn auch den strengen Anforderungen der jlidischen Sitte gegenüber möglich geworden, daß ihn zugleich noch andere von ihm geheilte und gerettete dankbare Jüngerinnen von hoher Gesinnung und See- lenstirnmuug begleiten konnten. (Lange.) Unter diesen war die Maria Magdalena die elendeste gewesen; alle ihre Kräfte waren gebunden von den finstern Geistern der tHölle, nun war sie aber auch dem Retter ihrer Seele mit der inbrünftigsten Liebe zugethan (und wie Maria, die Mutter des HErru, die Repräsentantin des Weibes in Ofsenb 1L als diejenige ist, die den Heiland und Erlöser in ihrem Schooße empfangen und zur Welt geboren hat, so ist Maria Magdalena das weisfagende Vorbild des einst sich bekehrenden Israel, wenn der HErr die sieben bösen Geister Kap. 11, L6 u. Matth. 1L,45 Anm. aus ihm austreiben wird). Sie wird stets zuerst genannt unter den Jiingerinnen Jesu, wie sie hier vor dem Weibe Chusä steht, der doch ein vorneh- mer Mann war; ihr zuerst auch offenbarte sich der auf- erstandene Heiland. (Besser.) Frauen haben zu allen Zeiten durch Liebeswerke an den Dienern des« Worts und an Armen für das Reich Gottes gearbeitet. Jene von dem HErrn geheilten Frauen waren selbst leben- dige Beweise seiner göttlichen Sendung und seiner Liebe. (Quesnel.) II- d. 4——18. (§. 54.) Gs ist die zweite Seepredigt Jesm die Lukas hierauf iu’s Auge faßt und aus der er das Gleichniß vom viererlei Kelter ausführlich mit- theiltz amh ihn besthäftigt schon hier der Gedanke, iiber den wir zu Mark. S, 21 gesprochen haben, der Gedanke an Schiff und Meer, die ein lzild der Gemeinde Ghrisii nach ihrer Wage in dieser Welt sind, nnd darnach liann er dem Gleichniß und seiner Deutung durch den ljGrrn einige Ztusspriiclie des letzteren zufügen, die nach Mal— lhäus theils der «3ergrede, theils der Instruetionsrede an die dwgiilfe angehören. Sagt. Malth 13, 1—23; Mark. 5.) s (Evangelium am Sonntag Sexagesimä.) Die Passionszeih zu welcher die jetzigen Sonntage vorbereiten sollen, ist in dem ganzen Kirchenjahr die hauptsächliche Saatzeitz das Evangelium wird nie so reichlich gepredigt, als in diesen heil. Wochen. Zu den Sonntagen treten noch Wochengottesdienste, welche in den meisten evangelischen Gemeinden besser besucht wer- den, als die sonst vielleicht noch üblichen Wochenbet- stunden; und andrerseits ist das Wort, welches in der Fastenzeit Verkündigt wird, dieses Wort vom Kreuze, doch der Same, aus welchem Gottes Kinder geboren werden wie der Thau aus dem Sahooße der Morgen- röthe, in ganz besonderem Sinne. Wie geeignet ist es da, wenn das vorliegende Evangelium die Gemeinde aufmerksam macht, daß diese große kirchliche Saatzeit wieder herbeigekommen ist, und damit zugleich mahnt, die Herzen zu dieser Aussaat recht zuzubereitem daß der Same nicht auf den Weg, nicht auf den Felsen, nicht unter die Dornen, sondern in ein feines und gutes Land hineiufalle! Das Geschick des Wortes Got- tes bei den Menschen: 1) etliche hören es, nehmen es aber nicht an; L) etliche nehmen es an, lassen es aber nicht eindringen; Z) etliche lassen es eindringen, lassen es aber nicht durchdringen; 4) etliche nur neh- men es an, lassen es ein- und durchdringety und brin- gen Frucht in Geduld. Wann schafft Gottes Wort Frucht bei uns? l) wenn wir es uns durch den Teufel nicht nehmen, L) durch die Aufechtung nicht verleideu und 3) durch die bösen Lüste nicht ersticken lassen. (Nebe.) Von dem Samen des göttlichen Worts: 1) der Säemanm der ihn ausstreutz L) der Acker, auf den er fällt; Z) die Ernte, die von ihm zu erwarten ist. (Langbein.) Wie hören wir Gottes Wort recht? Wenn wir es hören 1) mit einem weichen Herzen, damit es eindringen könne; L) mit einem tiefgepflijgten Herzen, damit es Wurzel scl)la- gen könne; Z) mit einem gereinigten Herzen, damit es nicht im Unkraut erfticke; 4) mit einem guten Her- zen, daß wir es auch thun. (Harms.) Der gute fruchtbringende Same des göttlichen Worts: 1) was ist Schuld daran, daß er meist keine Frucht bringt? L) was ist zu thun, damit er Frucht bei uns bringe? (Fuchs.) Woher die große unfruchtbar- keit des guten Samens des göttlicheu Worts? Sie kommt daher, daß wir l) den Feinden zu viel Raum geben und L) die gestellten Bedingungen seiner Wirksamkeit nicht erfiillen (Fr. Arndt.) Eine vier- fache Mahnung an die verschiedenen Hörer des göttlichen Worts: 1) siir’s Wegelandx geh in dich! L) ftir’s Felslandt geh tiefer! Z) fijr’s Dornland: geh lauter zu Werk! 4)für’s gute Land: geh getreulich fort! (Sommer.) 4. Da UUn lam Nachmittag jenes Tages im Monat Mai des J. L9, an dessen Vormittag das in Kap. 11, 14—36 Erzählte vorgefallen, abermals] viel Volks bei einander war, und sder Leute immer noch mehr] aus den Stådtcn zu ihm eileten, sprach er [vom Meere aus, sitzend in einem Schiffi durch ein Gleiclmifzin 5. Es ging ein Säcmann aus zu säen feinen Samen [vgl. die Erklärungen zu Matth. 13, 3—«—9]; und indem er sinke, fiel ctliehes alt den Weg [auf das an die Straße anftoßende und von den Vorübergehenden initbenutzte Lands, und ward vertreten, und die Vögel unter dem Himmel srafzens auf. 6. Und etliches fiel auf den Fels [auf den nur mit dünner Erdschicht bedeckten, darunter aber steinigten Bodens; und da es ausging, ver- dorrete es, darum, dafz es [wegeu des wenigen Erdreichs, in welchem es gewachsen war] nicht Saft hatte. 7. Und etliches fiel mitten unter die Dornen saus einen mit Dornbuschsamen schon befruchteten Bodens Und die Dornen gingen mit auf, und ersticktensisis swas aus dem Samen hervorgegangen, die aufsprossende, aber nun von dem Unkraut überholte Saat]. 8. Und etliches fiel auf ein gut Land; Und es ging auf, Und trug lin seinem höchsten Ertrage1.9Jeos.26,12]hundertfiiltigeFruchtssssss Da er das sagte, rief er smit erhobener, tief eindringender Stimmek Wer' Ohren hat zu hören, der hütet. II) Diese Einleitung ist vielsagend: die Dörfer ent- leeren sich sozusagen, ganze Bevölkerungen begleiten III» 676 Evangelium Lucä 8, 9—15. Jefum, wir stehen offenbar an einem Höhepunkt seiner Lehrthätigkeit; er aber läßt sich nicht blenden. Er sieht, daß der Augenblick zum Sichten gekommen ist, daß er einerseits die geistlich Gefinnten fester an sich fesseln, andrerfeits die Fleifchliclyen entfernen muß. Darauf zielen die Gleichnisfe überhaupt tdas Gleichniß hat die doppelte Eigenfchast, einestheils die Wahrheit dem Geiste dessen, der sie unter dem sie einkleidenden Bilde zu erfassen versteht, unauslöfchlich einzuprägen, und sie anderntheils für das Verständniß des unachtsaineu oder trägen Hörers, der sie unter dieser Hülle nicht zu ent- decken sucht, zu verhüllen; es ist daher sehr geeignet, eine Sichtung unter den Zuhörern zu bewirken); aber das vom Säemann steht in noch unmittelbarerer Be- ziehung zu dieser Lage. (Godet.) VII) Zwei Reiche sind es, die Gott der HErr er- schaffen hat, das Reich der Natur und das Reich des Geistes: die beiden sind fiir einander da; denn die Natur ist ein Buch voll wnnderfamey sinnreiche: Bilder, geschrieben von dem Finger des lebendigen Gottes, und der Mensch hiniviederum hat ein Auge, diese Schrift zu lesen nnd durch sie an Gottes Sinn und Gedanken sich erinnern zu lassen. Denn alle Werke Gottes find Aus- druck und Gestaltung göttlicher Gedanken; die ganze sichtbare Welt Schatten und Vorbild eines unsichtbaren, geistigen Reiches, jedes vergängliche Ding in der Welt eine Predigt von Dingen eines höheren Lebens: es pre- digt das Licht des irdischen Tages von dem Glanz einer ewigen Sonne, die über der Nacht des menschlichen Lebens ausgeht, und die irdische Nacht von einer Todes- nacht, da niemand wirken kann; Aussaat und Ernte auf Erden predigen von einer himmlifchen Saat auf die Seelen der Menfchen und von einem künftigen Tag der Garben, da man mit Freuden erntet, was man hier auf Erden ausgesäet hat. Und so hat jedes ein- zelne Ding auf Erden, jeder Grashalm und jedes Ge- wächs des Feldes seine tiefinnerliche Bedeutung, seine lautlofe Sprache, womit es die Weisheit und Güte des Schöpfers preist, womit es fein Lob Verkündigt; wie denn die Schrift sagt: ,,Himmel und Erde loben den HErrn.« Niemand hat diesen geheimnißvollen Zu- sammenhang beider Reiche tiefer durchfchauet als der- jenige, der am Herzen des Vaters gelegen ist, Christus, der HErr; daher liebte er es so sehr, zu dem Volk in Gleichniffen zu reden. Es ist das nicht ein liebliches Spiel mit zufälligen Bildern, sondern hat seinen Grund in dem Tiefbliclj vermöge dessen er aller Dinge Grund nnd Wesen, aller Wesen Sinn und Verstand erkennt; und merkwürdig« Weise, gerade in dem fcheiubar Un- bedeutendsten erblickt er den tiefsten Sinn. Was ist unfcheinbarer als das Saatkorn, das man in die Erde legt? aber es wohnt ein verborgenes Leben in ihm; ist es im Winter erstorben, so bricht es im Frühling mit wunderbarer Kraft hervor und bedeckt das Land mit Blüthen und Früchten So ist dieser irdische Same Bild und Gleichniß eines andern Samens, welchen die Hand des guten Säemanns in die Meuschenherzeti streut, des göttlichen Worts; oder vielmehr, das göttliche Wort ist selbst der Same, der rechte, wesen- hafte Same, der an dem irdischen nur sein vergängliches Abbild hat. Denn dieser Same trägt die Lebenskraft in sich, aus welchem alles, was gut und edel ist auf Erden, alles, was Wahrheit und Leben im Menschen hat, hervorwächst; seine eigentliche Frucht aber, zu der er den Lebenskeim in sich trägt, ist der neue Mensch, der Mensch Gottes, der Mensch der Ewigkeit, der hier schon zu reifen beginnen muß, wenn er einst in Gottes Scheuern eingeführt werden soll. Diese edle, selige Frucht zu bringen, wird das Wort gesäet, und wird gesäet unter der göttlichen Verheißung, daß es nicht leer wieder zurückkommen, sondern sein soll wie der Schnee und Regen, der vom Himmel auf die Erde fällt und machet sie fruchtbar und wachsend. Warum stehet nun doch der Acker der Christenheit so diirr und küm- merlich? warum bringt das lebendige Wort des HErrn so wenig FrUchtP wo liegt die Schuld? — Am Säe- mann liegt sie nicht: der streut den guten Samen auf den ganzen Acker aus, säet auch auf den Weg, auf den Fels, unter die Dornen hinein, nicht minder als auf den guten Boden, und niemand unter uns kann sagen, an ihm sei der Säemann vorübergegangen, ihn habe er liegen lassen wie ein unfruchtbares Land. Nein, das Wort des Lebens hat von Jugend auf zu uns allen ge- redet, es hat uns allen die Buße und den Glauben an Jesum Christum gepredigt; es ist keine einzige Seele unter uns, in die nicht manches gute Körnlein gefallen wäre —- das werden wir einst alle am Tage des Ge- richts vor dem Säemann bekennen müssen, wenn auch vielleicht uns zur Schande, doch ihm zur Ehre. Au! Säemann also liegt es nicht; die Schuld liegt vielmehr an dem Zustande unsrer eignen Herzen. TM) Was der gute Boden sei, das läßt sich mit wenigen Worten sagen: es sind die willig en Herzen, die da gerne durch Gottes Wort gereinigt, gerechtfertigt und geheiligt werden inöchten Jch habe die Hoffnung zu Gott, daß in Manchem unter euch Wunsch und Sehnsucht rege sei, gutes Land zu werden und dem Segen des Worts ein offenes, empfängliches Herz ent- gegeuzubringen; und so stehe ich denn hier, ein Säe- mann am Acker, und werfe meinen Samen aus, Gel., betend, daß Gottes Gnade ihn eine gute Stätte finden lasse. Mein erstes Samenkorn streue ich aus wider den Teufel, der das Wort von euren Herzen reißen will: Jak 4, 7 f. Mein zweites Samenkoriy das ich ftreue, auf daß ihr’s in der Anfechtung im Herzen be- halten möget: Jak.1,12. Mein drittes Samenkortn das ich auswerfe wider Sorge, Reichthum und Lust des Lebens: I. Joh.2, 15—17. Jch sehe Anfänger im Glauben unter uns, denen rufe ich mit Paulus in’s Herz hinein: l. Cor. 15, 58; ich sehe müde, matte Seelen unter euch, die an sich selbst verzagen wollen, die tröste ich mit dem Wort des Propheten: Jes 40, 31; ich sehe graue Häupter, volle Aehren, die sich schon der Ernte entgegenneigem auf die säe ich das Wort des Apostels: Jak. 5, 7 U. 8. (Thomasius.) f) Es ist dieser Ausruf das Gegenstück zu dem: ,,wahrlich, wahrlich, ich sage euch-«; wie letzterer die Aufmerksamkeit auf das richten soll, was nun folgt, so will der erstere die Aufmerksamkeit dem zuwenden, was eben gesagt ist. Der HErr fordert damit, daß seine Worte in’s Herz gefaßt und im Herzen erwogen werden sollen. (Nebe.) Die Hauptsache bei der Predigt muß der Zuhörer thun. (Heubuer.) Ein jeglicher frommer Prediger, wenn er siehet, daß es so gar nicht fort will, sondern gleichsam ärger wird, reuet ihn schier seines Predigens kann’s und darss doch nicht lassen, um etlicher Auserwählten willen. (Luther.) Vgl. zu Habat I, S. 9. Es fragten ihn aber kais nach Ent- lassung des Volkes sie mit ihm nach Hause gingen EJJeatth is, se] feine Jünger swarum er, da er heute fast nur in Gleichnifsen zu dem Volk geredet, also thue Markt» 13, 10], und sprachen findem ihnen besonders das Verständniß dessen, was er von dem Säemann und feinem Samen gesagt, am Herzen IAgL Was dieses Gleichnifz wäre? 10. Er aber sprach: Euch 1st’s ge- geben, zu wissen das Geheimnisz des Reichs Gottes; den Andern aber in Gleichnissen, dafz sie es mcht sehen, ob sie es schon sehen, und nicht verstehen, ob sie es schon hören lMatth 13, 11—15]. Der Ausdruck Geheimnis; bezeichnet in der Schrift den göttlichen Heilsrathschluß, sofern er von dem Menschen, dem er an sich selbst verborgen ist, nur durch höhere Offenbarung erkannt werden kann; in der Mehrzahl gebraucht bezeichnet er die verschiedenen Theile des großen Ganzen: es sind das die himmlischen Dinge, von welchen Jesus mit Nicodemus redete (Joh. Z, 12) und die er den irdischen entgegenstellt, welche er zuvor Verkündigt hatte. Wie kann es nun, wenn Gott sich offenbart, sein Wille sein, nicht verstanden zu werden, wie Jesaias (Kap. s) das ausspricht und Jesus hier wiederholt? Es ist dies weder sein erster, noch sein letzter Wille, sondern ein dazwischen kommender Rath- schloß, eine Züchtigung: wenn das Herz sich dem ersten Leuchten der Wahrheit nicht aufgefchlossen hat, so wird es durch den nachfolgenden noch helleren Schein der- selben, statt erleuchtet zu werden, ixserblendey und diese Wirkung is: eine beabsichtigte, see ist ein Gericht. Dies war der Zustand des jüdischen Volkes zur Zeit des Jesajas; das macht ihm Gott fühlbar, indem er es nicht ,,mein Volk-«, sondern ,,dies« Volk nennt. Eben dieser Zustand aber wiederholte sich in dem Zeitpunkt des Lehraints Jesu, bei welchem wir angekommen sind: Jsrael als Nation stieß das in Jesu leuchtende Licht von sich, das Licht bedeckte sich darum mit einem Schleier, dem Gleichniß; durch diesen Schleier hindurch warf es jedoch desto hellere Strahlen in die Herzen der- jenigen, welche, wie die Jiingey sein erstes Leuchten aufgenommen hatten. (Godet.) 11. Das ist aber das Gleichnisz knach seiner Enthüllung, die ich euch jetzt geben willjt Der Same ist das Wort Gottes. 12. Die aber an dem Wege find [Matth. 13, 23 Anm.], das sind, die es hören; dar- nach kommt der Teufel [,,wenn Jesus nicht an die Existenz des Teufels glaubte, so würde er ihn nicht als eine dem Bild des Gleichnisses ent- sprechende Wirklichkeit hinstellen«], Und nimmt das Wort von ihrem Herzen, auf dafz sie nicht glauben und selig werden. 13. Die aber auf dem Fels, sind die: wenn sie es hören, nehmen sie das Wort mit Freuden an; und die haben nicht Wurzel. Eine Zeitlang glauben sie, nnd zu der Zeit der Anfechtung fallen sie ab. 14. Das aber unter die Dornen fiel, sind die, so es hören, und gehen hin unter den Sorgen fbei den Akmen], Reichthum sbei denen, die aus dem Wege sind, reich zu werden], und Wollust dieses Lebens fbei solchen, die schon reich geworden, und ersticken, und bringen keine Frucht. 15. Das aber auf dem guten Lande, sind, die das Wort hören und behalten in Lluslegung des Gleichnisses für die Jiingeit 677 einem feinen, guten Herzen, und bringen Frucht in Geduld [welche alle die vielfachen Hindernisse überwindet, die der völligen Entwicke- lung des Samens sich entgegenstellens Unser Gleichniß hebt insbesondere drei Hinder- nisse hervor, welche in uns selber sich den Wirkungen des Wortes Gottes entgegenstellen, und diesem dreifachen Hindernis; von innen entspricht dann ein dreifaches Hindernis» das von außen hinzukommt. I. »Und indem er säete, fiel etliches an den Weg und ward ver- treten, und die Vögel unter dem Himmel sraßen es auf« (V. 5). Da habt ihr das erste Hinderniß, warum das Wort so selten Friichte bringt: ein Herz, das dem Wege am Acker gleicht, hart und stumpf, wie das fest- getretene Wegland, daß kein Körnlein guten Samens hineindringen kann. Was mag diese Herzen so fest getreten haben? Sicherlich die Füße der Welt, die darüber hingegangen sind, die bösen Beispiele, die arge Verfiihrung durch schlimme Genossen, die lange Ge- wohnheit und Uebung im Siindigen, der beharrliche Widerstand gegen die Regungen des Gewissens, gegen die Gnadenzüge des heil. Geistes. Denn es ist um das Menschenherz ein zartes Ding: obwohl von iJiatnr ver- derbt, hat es doch noch die Fähigkeit, Gottes Ackerwerk zu werden, es hat, daß ich so sage, eine leise Empfäng- lichkeit für den Thau und Sonnenschein der göttlichen Gnade; aber je tiefer es in das Wesen der Welt hinein- gezogen wird, desto mehr erstirbt in ihm jedes edle » Bedürfniß die Empfänglichkeit für das Göttliche erstickt « und es wird am Ende so hart, daß es dem sestgetrete- nen Wege gleicht. Es gilt auch hier das Wort der Schrift: »wer da hat, dem wird gegeben, daß er die Fülle habe; wer aber nicht hat, von dem wird auch genommen, das er hat«« Es ist ein göttliches Gericht, das darin über den Menschen ergeht, aber ein Gericht, das er selbst verschuldet hat. Wie manche mögen unter. uns sein, die, wenn sie den verborgenen Gang ihres Lebens iiberblicken, gar wohl die granenvollen Stätten wahrnehmen können, da die Keime der guten Saat, die sie noch von ihrer Confirmation her in sich trugen, recht eigentlich mit Füßen zertreten, von rohen Händen ausgerissen, durch Sünde und Schande in ihnen er- tödtet wurden! Darum kann nun das Wort keine Stelle in ihren Seelen finden; es ist kein Ankniipfungs- punkt in ihrem Jnnern, und darum auch kein Ver- ständniß mehr dafür da. Es bleibt, auch wenn sie es hören, ganz auf der Oberfläche liegen, höchstens daß es eine Weile im Gedächtnis; sich erhält; aber selbst da bleibt es nicht lange — die Vögel kommen und fressen es weg. Was es mit diesen unheimlichen Vögeln für eine Bewaudtniß habe, hat uns der HErr selbst erklärt: »die aber an dem Weg, das sind, die es hören; darnach kommt der Teufel und nimmt das Wort von ihren Herzen, daß sie nicht glauben und selig werden« ist also so: während wir Prediger den guten Samen streuen, erregt der Arge in den Herzen der Zuhörer widerwärtige Gedanken, Gedanken des Widerspruchs, des Unglaubens, der Verachtung, der Lästerung, Teufels- gedanken, die die Wirkung des Worts aushalten und vernichten. Da heißt es: laßt nur den Prediger auf der Kanzel reden, es ist doch eitel Thorheiy was er sagt; die gescheidten Leute sind längst über diese Dinge hinaus. Wer glaubt denn jetzt mehr an eine Ewigkeit und ein Gericht? Da heißt es: man muß es auch nicht so genau nehmen mit allem, was in der Bibel steht; es wird ja der Weg zum Himmel nicht so gar enge sein, die Fleischeslust und Wollust nicht so gar 678 Evangelium Lucä 8, 16—18. böse sein, als sie dort gemacht wird. Stehet doch auch geschrieben: ,,freue dich, Jüngling in deiner Jugend und laß dein Herz guter Dinge fein; thue, was dein Herz geliistet und deinen Augen wohl gefällt« —; aber was weiter folgt: »und wisse, daß dich Gott um dies alles wird vor Gericht führen-«, das läßt man weg. Da heißt es: leben und leben lassen, das ist die rechte Weisheit, und was die Bekehrung betrifft, da findet sich am Ende noch immer Zeit. Durch solche Gedanken und Vorspiegelungen nimmt der Teufel das Wort von ihren Herzen weg, wo es etwa oben liegen geblieben ist, bei den einen noch hier in der Kirche, bei den andern draußen in böser Gesellschaft, an den Orten, da die Spötter sitzen, bei etlichen noch auf dem Heim- weg von Gottes Hause, unter dem losen Geschwätz der Leute, durch das eitle, nichtige Gerede von irdischen, weltlichen Dingen; bis sie heimkommen, ist jeder Ein- druck, den sie etwa hier erfahren haben, verschwunden, jedes Körnlein guten Samens wie vom Wind verweht. Das ist also das erste Hinderniß, warum das Wort so selten Früchte bringt: von innen die selbstverschnldete Härtigkeit des Herzens, von außen der Selbstbetrug des Satan; wo beides zusammentrifft — ach, und bei wie Vielen! — da kommt es nicht einmal zum Ver- ständniß geschweige zu einem Anfang im Chriftenthum auf solchem Boden wächst keine Frucht-II. Indessen, so hart wie das Wegland ist nicht der ganze Acker; ein andrer Theil des Bodens gleicht der Stätte, über welche eine dünne Decke besseren Landes gebreitet ist, die den inneren Felsengrund verdeckt. Das werden seichte, slüchtige Gemüther fein, leicht erregbar und be- weglich, aber ohne sittliche Tiefe. Wenn in solche Her- zen der gute Same fällt, nehmen sie ihn häufig mit Freuden auf: das Christenthum hat ja manche Seiten, von welchen aus es auch den natürlichen Pienschen anziehen kann; die Erhabenheit göttlicher Gedanken, die in ihm verborgen liegen, die sittliche Schönheit, die iiber das Leben des Erlöfers hingebreitet ist, die räth- selhafte Tiefe in dem Worte des HErrn und seiner Apostel, die liebreiche, tröstende Stimme des Evange- liums — es liegt darin ein Reiz für leicht erregbare Gemiithen So fangen sie an, dem Worte zuzufallety sie schmecken etwas von den Kräften der zukünftigen Welt, die es in sich trägt; es kommt zu einer Anfassung in ihrem Innern, zum Anfang einer Erweckung und damit wäre der Punkt gewonnen, von welchem aus Gottes Gnadenwerk in ihnen seinen Fortgang nehmen könnte. Aber was geschieht? Statt den empfangenen Eindruck in der Stille zu bewahren, statt das Wort in die Tiefe des Herzens einwurzeln zu lassen und es im heil. Ernste anzuwenden zur Reinigung, Befestigung und Heiligung des neuen Menschen, statt dessen treibt bei ihnen alles nach außen und oben; ihr Christenthum breitet sich in lauter Reflexionen oder Empfindungen, in schönen Worten und Reden aus; vielleicht daß es auch zu mannigfachen guten Werken bei ihnen kommt. Sie freuen sich selbst über ihr schnelles Wachsthum und sonnen sich im Schein der schönen Blüthen, die sie tra- gen, der schönen Gedanken, die sie sich machen, und der lieblichen Rede, die sie führen; aber, aber —— im inner- sten Grunde ist alles beim Alten geblieben, das trotzige und verzagte Herz nicht gebrochen, kein Ernst der Buße, keine gründliche Bekehrung. So ist das ganze Christen- thum nichts weiter als ein leichter Anflug, ein äußer- lich Werk ohne die Kraft der Wahrheit: innen der alte, harte Fels, und darüber ein schwachen schnell empor- geschosseney kränkelnder Halm. »Sie haben nicht Wur- zel«, sagt unser Text. Da habt ihr das zweite Hin- derniß, warum das Wort so wenig Früchte bringt: ein seichtes, oberflächliches unbeständiges Herz. Wie lange, meint ihr, wird’s mit solchen währen? »Eine Zeitlang glauben sie, und zu der Zeit der Anfechtung fallen sie ab« Anfechtung ist alles, was den Glauben des Chri- sten auf die Probe seht: hier besonders die mannigfal- tigen schmerzlichen Heimsuchungen von außen und innen, die Hitze der Leiden, die Widerwärtigkeiten, die von dem Bekenntniß des Evangeliums unzertrennlich sind, der ganze saure Ernst des Lebens, der den Christen um- giebt. Das alles ist Anfechtung, und solche Anfechtung ist gut, ja nothwendig für uns, wenn’s zu einem ge- fanden, lebenskräftigen Christenthum kommen soll; denn durch die Anfechtung schneidet uns Gott die nichts- nutzigen Auswüchse nnd die wuchernden Schößlinge hinweg, die das Wachsthum unsers innern Lebens hin- dern, in der Anfechtung läßt er uns erst recht unsre Ohnmacht und Schwachheit, aber auch die Kraft und Herrlichkeit seines Worts erfahren. Es giebt überhaupt keinen andern Weg für uns Sünder, um zur Reife des innern Menschen zu gelangen, als den Weg der Trübsal; wenn es auch nicht immer äußere Leiden sind, durch den innern Schmerz der Buße, durch das Kreuz der Selbstverleugnung durch den Tod des alten Men- schen müssen wir hindurch, wenn es zu einem sichern, wohlbegründeten Stand des Christenthums bei uns ge- langen soll. Nur unter Stürmen und Wettern werden Gottes Bäume stark und groß; aber das ist den«fleisch- lichen, seichten Gemüthern zu viel. Ja, könnte man ohne viel Mühe und Selbstiiberwindung bei Christo und seinem Worte bleiben, so ließen sie ficlys wohl ge- fallen; das Kreuz ihm nachzutragen, die Arbeit der Selbstverleugnung in Geduld und Gebet auf sich zu nehmen, dünkt ihnen zu schwer. So werfen sie in der Anfechtung beides, Wort und Glaube hinweg, und ehe man sich’s versieht, ist ihr auswendiges, empfindsames und ruhmrediges Christenthum verdorrt. —- III. ,,Et- liches aber fiel mitten unter die Dornen, und die Dor- nen gingen mit auf und erstickten’s.« Hier also hat das Wort einen besseren Boden gefunden, weder so hart wie das Wegland, noch so seicht wie die über den Fels gebreitete Decke; da konnte der Same eindringen und Wurzel schlagen, und eben deshalb auch aufsprossen zu hosfnungsreicher Blüthe. Aber siehe, da brechen, wäh- rend er keimt und wächst, aller Orten die Dornen her- vor und iiberwuchern erstickend die Saat. Jst das nicht die eigene Lebensgefcl)ichte von Vielen unter euch? Jch denke an die Zeit eurer Jugend, an die Tage eurer Confirmation an die Anfänge eines christlichen Lebens, die sich dazumal in euch regten und die ihr vielleicht noch nachher eine Zeitlang bewahrt habt; man konnte hoffen, es sei bei euch schon bis zur Bekehrung gekom- men, aber — es war unter die Dornen gesäet. Denn »das unter die Dornen fiel, sind die, so es hören und gehen hin unter den Sorgen, Reichthum und Wollnst dieses Lebens, und ersticken und bringen keine Frucht.« So ist es: die Dornensaat der argen Lüste, das ist das dritte Hinderniß, warum das Wort so wenig Früchte bringt; warum sollte ich also erst ausführlich beschrei- ben, was die eigene Erfahrung so vieler bezeugt? Nur zur Warnung für diejenigen, welche sich warnen lassen wollen, setze ich dieses hinzu: die Wurzel der Dornen liegen in unser Aller Herzen verborgen, und es wird auch schwerlich ein Christenleben geben, in dem sie nicht in irgend einer Gestalt zum Vorfchein kommen, geweckt und genährt durch die Versuchung von außen; denn wenn Gottes Wort und Sacrament den neuen Men- schen in uns geschaffen hat, so ist damit das Fleisch in uns noch nicht erstorben, sondern es behält noch Macht und ringt mit dem Geist um die Herrschaft. Das weiß Einige Aussprüche des HErrn als Schlußermahnung. 679 ein jeder Christ aus eigner Erfahrung; darum ist es nicht genug, daß der Christ einmal einen guten Anfang mache, sondern sein ganzes Leben muß eine fortwäh- rende Arbeit der Buße sein — ,,einmal angefangen und immer darin gegangen« Jch sterbe täglich, sagt der hohe Apostel, und abermal: »welche Christo auge- hören, die kreuzigen ihr Fleisch sammt den Lüsten und Begierden«; und hinwiedernm: ,,lasset die Sünde nicht herrschen in euerm sterblichen Leibe, ihr Gehorsam zu leisten in seinen Liisten!« Zu solchem täglichen Sterben giebt das göttliche Wort sowohl die rechte Anweisung als die nothwendige Kraft; und wohl dem, der es glaubend und betend in heiliger Treue dazu gebraucht! Denn soviel der alte Mensch überwunden wird, gewinnt der neue an Kraft; indem das äußere Leben zerfällt, reift die aus dem Samen des Worts erwachsene Aehre ihrer Vollendung entgegen. Unser Text nennt nun als die drei gewöhnlichsteii und gefährlichsten Hinder- nisse des Worts die Sorge, den Reichthum, die Lust des Lebens; denn wo die Sorge um das arme irdische Leben das ganze Herz erfüllt, da wird es so eng da- rinnen, daß fiir die Sorge um die Seele kein Raum mehr übrig bleibt und der Same elend verkümmern muß; wo die Mammonsliebe das Herz einnimmt, und was unzertrennlich damit zusammenhängt, Habsucht, Geiz, Betrug, da trocknet die Seele allmälig aus und wird so dürr und alles Lebenssaftes völlig leer, daß der gute Same jämmerlich ersterben muß; wo endlich die Fleischeslust dich beherrscht, da wird sie so roh und gemein, daß sie alle Empfänglichkeit für die Wahrheit und Schönheit des Wortes verliert, und was noch übrig vom guten Samen ist, im Schlamm erstickt. (Thomasius.) »Ehe der Säemann den Samen dem Acker anvertraut, bearbeitet er das Feld mit treuem Fleiß: so haben wir hier in dem guten Lande nicht das Bild eines Herzens, wie es von Natur ist, sondern das Bild eines Herzens, an welchem die vorbereitende Gnade schon ihr Werk getrieben hat; diese Herzen werden feine und gute Herzen genannt, worin ihre Schönheit und Gntheit besteht, ergiebt sich aus einem Vergleiche mit den vorher gezeichneten Herzenszuständen Die ersten, die harten, unempfiinglichen Herzen, haben das Wort gehört, aber das Wort ward ihnen wieder genommen: diese hören und behalten das Wort, sie lassen sich dasselbe nicht durch böse Menschen verleiden und verderben; sie wachen und beten, daß die Vögel, welche der Satan schickt, es nicht aus dem Herzen reißen. Die andern, die flachen und seichten Herzen, haben dies Wort gehört und auch in sich aufgenommen, aber sie waren nicht im Stande, die Hitze der Anfech- tung, den Gluthwind der Trübsal zu ertragen: diese haben das Wort in den tiefsten Grund ihrer Herzen aufgenommen und sind bereit, für den HErrn Gut und Blut zu lassen in Geduld. Die dritten endlich hatten das Wort gehört, ausgenommen, auch in der Trübsal bewahrt, aber mit halbem Herzen konnten sie keine Frucht bringen; diese aber haben keine Dornen im Herzen, sie haben des Gebotes Summa: ,,Du sollst Gott lieben von ganzem Herzen re« in’s Herz gefaßt, sie haben nur Eine Liebe, und die ist Er, nur Er; sie bringen Frucht, die Frucht des Geistes, freilich, je nachdem die Gaben ausgetheilt sind, in verschiedenem Maße, aber sie alle bringen doch Frucht, die da bleibet iu’s ewige Leben. (Nebe.) Ein solches Ackerfeld war das Herz des Hauptmanns Corneliusx er spricht zu Petrus, als dieser ihm das Evangelium zu verkündigen gesendet war (Apostg. 10, 33): ,,nun sind wir alle hier gegenwärtig vor Gott, zu hören alles, was dir von Gott befohlen is «. Mit diesem Wort stellen sich, die da recht hören wollen, ein; sie wissen, daß sie in der Kirche nicht vor einem Menschen stehen, der seines Herzens Gedanken oder die Empfindungen seines Geistes ihnen bringt, sondern sie wissen, daß sie vor Gott stehen, daß Gott es ist, der seine Samenkörner hier auswirft. Und das ist ihres Herzens Wunsch, daß dieser Samenkörner keins verloren gehe, sondern daß sie in ihr Herz fallen, und sie nehmen sie auf mit Freuden. Und weiter, wie geschrieben steht von Maria (Kap. L, 19): ,,sie behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen«, so gilt’s von ihnen; das Wort, das ihnen ihre Sündhaftigkeit vorhält, das Wort, das auf Jesum Christum als ihren einigen Helfer sie hin- weist, das ihnen gebeut ein gottseliges Leben zu führen, recht zu thun und Liebe zu üben, das Wort, das ihnen Trost und Erquickung reichen kann in des Lebens Mühe und Anfechtung, das Wort, das lehrt, straft, ermahnt und tröstet —— sie achten es für ein gutes Wort, für ein thenres Kleinod, das sie nicht sicher genug bewahren. können. Sie heben es auf in dem stillen Schrein ihres Herzens nnd beschauen es mit den Augen ihres Geistes, und wachen darüber, daß es ihnen nicht ge- nommen wird; da gewinnt es in ihnen feste Wurzel, es kommt das Gedeihen von oben hinzu, Sonnenschein und Regen, nämlich helle und trübe Tage, die aber alle nur dazu beitragen, daß das Wort stark wird, und dann kommen die Früchte inuner schöner und immer herrlicher. Und ob auch manches Samenkorn nicht sogleich seine Frucht bringt, ob auch das Unkraut, das anch in ihrem Herzen seine Wurzeln hat, nicht sogleich abstirbt — sie haben ein gewisses Zeugniß in sich: es muß dem Gotteswort gelingen, wozu er es sendet; und rauhe und stürmische Tage lassen sie sich nicht verdrießen, sondern hoffen, daß in der Stille der gute Same fortwächst und zuletzt doch friedsame Früchte bringt. (Caspari.) Bei ihnen wächst der Same viel langsamer, als bei den leicht entzündlichen Gemüthern; aber er gründet tiefer, er entfaltet sich sicherer, er widersteht dem Ungewitter, das in den mannigfachen Stürmen des Lebens über ihn hereinbraust, er schmücket sein Gewächs mit vollen Aehren, daß feine Frucht ge- funden wird am Tag der Ernte. Und ist sie auch ver- schieden je nach dem Maß der Gabe und der Treue, mit welcher sie gepflegt wird, trägt auch der eine dreißig-, der andere sechzig-, der andere hundertfältig: ganz fehlt sie nirgends, und nach der Frucht wird sich der Lohn am Erntetage richten. (v. Burger.) 16. Niemand aber lso fuhr der HErr nach dieser Auslegung des Gleichnisses auf dem Heim- wege nach Kapernaum zu seinen Jüngern weiter fort] zündet ein Licht an, nnd bedeckt es mit einem Gefäß oder setzt es unter eine Bank; son- dern er setzt es auf einen Leuchter, auf daß, wer hinein gehet, das Licht sehe [Mark. 4, 21; Matth. 5, 15]. 17. sUnd nun seid ihr dazu berufen, das Geheimniß des Reiches Gottes, das ich euch eben aufgeschlossen habe, fpäterhin der Welt kund zu thun.] Denn es ist nichts verborgen, das nicht offenbar werde, anch nichts Heimlichets das nicht kund werde und an Tag komme [Mark. 4, 22; Markt» 10, 26]. 18. So sehet nun darauf, wie ihr znhöret sdaß es nämlich in der rechten, euch und Andere 680 fördernden Weise geschehes Denn wer da hat, dem wird gegeben; wer aber nicht hat, von dem wird genommen, auch das er meiuet zu haben sMark 4, 24 f.; Matth. 13, I2]. Der Zusammenhang bei Lukas ist derselbe wie bei Markus: wenn ich aber durch solche Aufschlüsse, wie jetzt über eure Frage (V. 9), ein Licht euch anziinde, so sollet ihr dasselbe auch weiter leuchten lassen u. s. w.; und daraus folgt eure Verpflichtung, in rechter Weise meine Lehren zu hören. (Meher.) Wir sollen mit der erkannten Wahrheit und empfangenen Gnade Andern vorleuchtem des HErrn Namen bekennen und von ihm zeugen, das uns aufgegangene Licht nicht unter die Bank der Yienschenfurcht setzen: das gehört auch zum Fruchtbringein (Befser.) Nichts hat, wer die Kennt- niß der Schrift und die dazu dienenden Gaben nicht so hat, daß sein Heil dadurch gefördert wird; schon in diesem Leben kann ihm zur Strafe seines Undanks, seiner Untreue, des Mißbrauchs der göttlichen Gaben, alles genommen werden und das Licht sich in Finster- niß verwandeln. Hingegen, wer die empfangene Gnade recht benutzt, dem wird sie immer reichlicher geschenkt. Bedentst du es recht beim Lesen und Hören des gött- lichen Worts, wie du lesen und hören, welche Anwen- dung du davon machen sollst, welche Verantwortung darauf liegt, welchen Segen der rechte Gebrauch bringt, welche Strafe der Mißbrauch oder die Verachtung des Worts? (Quesnel.) III. v. 19——21. (§. 53.) nicht als sokisctzuug de: vorigen Geschichte, sondern als Illustration des Aussprnrhs in Ab. 15: ,,die das Wort hören und behalten in einem feinen guten tjerzenis bringt St. Lukas jetzt einen Vor— full, wo der ljGrr auf solche hinweist, die Gottes Wort hören und thun, und ße über seine Mutter und Brüder im leiblichen Sinne erhebt; unser Absrhnitt schließt sich mit dem ersten dieser Gruppe zusammen, und wie er den zweiten einschließt, so schließt er auch den ganzen Ge- dankenkreis der Grnppe ab: viel nnfrnchtbares stand hat der hGrr vor sich, aber an dem guten Lande fehlt es ihm, dem Säemaitm auch nirht, ja es ist bereits zu einer geschlossenen Gemeinde, in der beide Geschlechter der Menschheit vertreten sind, gekommen. (vgl. iillatth 12, 46——50; Mark. Z, 31—35.) 19. Es gingen aber lals Jesus schon am Vormittag jenes Tages, an dessen Nachmittag er in der oben V. 4 ff. angegebenen Weise zu dem Volke redete, sich viel mit Lehren und Heileu zu schaffen machte und darüber ganz das Heimgehen zur Tischzeit vergaß Matth. 12, 22 Aum. 1] hinzu seine Mutter und Brüder, und konnten vor dem Volk [das in dichtgedräugten Kreisen ihn um- riugtes nicht zu ihm kommen. 20. Und es ward ihm augesagt: Deine Mutter und deine Brüder stehen draußen, und wollen dich sehen. " 21. Er aber antwortete und sprach zu ihnen: Meine Mutter und meine Brüder sind diese, die Gottes Wort hören nnd thun. Wie es den Glciubigen noch heute bei der Welt geht, so ging es auch dem Heilande: die Leute sagten, er würde noch verrückt werden, und machten seine Verwandten bange um ihn, daß diese sich aufmachtery Evangelium Lucä 8, 19———30. um ihm, wie sie meinten, auszureden, was er sich in den Kopf gesetzt hatte. Der HErr nun ging nicht hinaus zu ahnen und ließ sie auch nicht hereinkommen m den Kreis, worin er eben predigte: er war in dem, das seines Vaters ist, und in dem Vollbringen des Werkes» das ihm sein Vater gegeben hatte, durfte ihn nichts hindern. (Besser.) Jesus verachtet seine Mutter nicht; aber da seine Mutter und Brüder kommen, um seine Herlsthätigkeit zu unterbrechen, erklärt er, daß einem Diener Gottes sein Amt höher stehen muß, als die ganze Welt und selbst die natürlichsten Bande. (Quesnel.) Seiner Mutter, der Maria, bezeugt der HErrJ daß sie sich im Himmelreich, an dessen Pflan- zung er jetzt arbeite, als Mutter nichts Besonderes herausnehmen dürfe. War der Heiland in den Tagen seines Fleisches so gesinnt, wie thöricht ist es also, wenn man meint, die Maria habe Jesu als Mutter noch im Himmel etwas zu befehlen, oder sie könne Fürbitten einlegen, welche durch ihr mittterliches An- sehen vermögender als die Auderer seien. Die himm- ltschefVerfasfung hebt alle Familien-Namen und Ver- hältnisse aus — übrigens bleibt der Maria ihr Vor- zug in der Seligkeit und Herrlichkeit ungekränkt. (Nichter.) Jn den Frauen, die ihn begleiteten nnd mütterlich für ihn sorgten, in den Jüngern, welche sich an seinem Werk hiugebend betheiligten, hatte der HErr seine Familie gefunden; und diese neue Ver- bindung von geistiger Natur war ja von höherem Werth als die Bande des Bluts, welche durch den geringsten Zufall zerrissen werden können. (Godet.) Jesus redete nie jemanden geradezu an: ,,mein Bru- der«. Hier erklärt er zwar die Seinigen für seine Brüder, doch nennt er sie so erst nach seiner Aufer- stehung (Joh. 20, 17; Matth. 28, 10), und wird sie so nennen vom Thron seiner Herrlichkeit herab (Matth. 25, 40); nie aber finden wir, daß ein Jünger des HErrn vor oder nach seiner Verherrlichung ihn Bru- der genannt hätte. Jakobus, der von den Andern des HErrn Bruder genannt wurde (Gal. 1, 19), nennt sich selbst Gottes und Jefu Christi Knecht (Jak. I, l). So wurde in dieser Ausdrucksweise sowohl die Wahrheit ausgefprochem daß Christus uns in« allem gleich ge- worden, als auch die, daß es aus Gnade und Herab- lasfung geschehen, unbeschadet seiner göttlichen Natur. (v. Gerlach.) I« v. 22—25. (§. 34.) Dieselben Gesichtspunkte, welche in Mark. 3, 13—4, 34 vorwalten (vgl. Eint. zu Mark. 4, 35——41), haben auch bei Lukas, wenngleich iu etwas anderer Folge nnd in etwas anderer Auswahl, die Zu— sammenordnuug der drei Erzählungen der vorigen Gruppe bestimmt: Jesus hat eine eigene geistliche Familie, zu der eine Anzahl frommer Frauen zählt; mit dieser scheidet er sich von denen, die da draußen sind, ja sie steht ihm höher als seine leiblirhen Verwandten, selbst die Mutter nicht ausgenommen. Demgemäß schließt Lukas nun weiter an markus sich auch darin an, daß er jetzt die xsahrt über das Meer folgen läßt; beide Gvangelisteu schrieben ja zu biom fast zu derselben Zeit, beide waren zur Zeit der römischen Gefangenschaft des Paulus bis kurz vor seiner Hinrichtung dessen Gehilfen, so daß also eine Ge- meinsamkeit der leitenden Ideen bei Darstellung der galt— lciisrljen Wirksamkeit Ghrisli leicht erklärlich ist, nur daß Lukas noch bestimmter von paulinisajen Gedanken getragen wird und diese noch früher zum Ausdruck brachte, als Mariens, der hernach dem Petrus wieder dienete und dessen evaugetische predigt zur tiichtschnur nahm. Uebrigens hat die hier vorliegende Geschichte in ihrer tiiirkbeziehnng auf die Seeptedigt in V. 4 ff. eine chronologische Herden— Des HErrn Mutter und Brüder. Die Stillung des Seesturms 681 tung insofern, als damit mittelbar auf eine frühere See— predigt hingewiesen wird Htlatth Z, 18 u. mark. 4, 36 2lum.); bei der Zeit, in welche diese gefallen, verweilt dann der Evangelist in allen 3 Geschichten dieser sechsten Gruppe, während er in der folgenden siebenteu Gruppe die frühere vierte Gruppe Mino. 7, 11——50) ergänzt. Engl. Matth Z, is. 23——27; Mark. 4, 35——41.) 22. Und es begab sich auf der Tage einen san welchen er in Galiläa in Gleichnissen predigte und von seinen Jüngern begleitet durch Städte und Märkte zog V. 4, und zwar noch im September des J. 28], daß er lam Abend, als das Volk entlassen war] in ein Schiff trat [wie er denn auch vorher schon von einem Schiffe aus gelehret hatte], sammt seinen Jüngern; und er sprach zu ihnen: Laßt uns über den See fahren snach dem Gebiet der zehn Städte V. 26]. Sie stießen vom Lande fes waren aber auch noch mehr Schiffe dabei, die jedoch einem andern Ziele zu- steuerten und von der nachherigen Wunderthat V. 24 mittelbar auch einen Segen hatten Mark. 4, 36]; · · 23. Und da sie schifften, entschlief er sund lag nun hinten auf dem Schiff, auf einem Kissen hiugeftreckts Und es kam ein Windwirbel auf den See fvoii oben her auf denselben einftürmends nnd die Wellen iiberfielen sie sin dem Schiske welches ganz davon bedeckt ward], Und stunden In großer Gefahr. · · 24. Da traten sie zu ihm, und weckten ihn auf und sprachen: Meister, Meister sdee du so gut, wie uns, auch allen Dingen in der Welt vor- stehft], wir verderben! Da stund er auf, und bedräueteden Wind nnd die Woge des Wassers; und es ließ ab, und ward eine Stille. 25. Er spruch aber zu ihnen sals er so auf- stund, um Sturm und Meer zu fchelten]: Wo tft euer Glaube? Sie fiirchteten sich aber snacbdem sofort auf das Drohwort die Stille eingetreten war], und verwunderten sich und sprachen unter einander: Wer ist dieser? denn »er gebietet dem Wind und dem Wasser, und sie sind ihm ge- horsam. Der Evangelist schildert uns in dieser Gruppe die Herrlichkeit des HErrn in neuen Bildern, und läßt uns-da sehen seine Macktt 1) über die Kräfte der Natur (Seesturm), 2) über die der Finfterniß (der Befesfenex Z) über Tod und Krankheit (Jairi Töchterlein und das blutfliiffige Weib). — Von Lukas und Markus weicht Matthäus insofern ab, als er die Ansprache des HErrn an die Jünger seinem Macht- wort an den Sturm vorhergehen läßt; diese Dar- stellung hat die meiste Wahrscheinlichkeit für sich — zuerst bestraft der HErr den Sturm im Herzen, darnach auch den Sturm in der Schöpfung. Sind die Stürme in uns geftillt, die außer uns legen sich dann auch. (v. Oosterzee.) Unser Leben in dieser Welt ist gleichsam eine Ueberfahrt von einem Ufer zum andern, von der Zeit zu der Ewigkeit; die Windwirbel auf dem Meer sind die Versuchungew Der HErr scheint zu schlafen, wenn er die Versuchung zuläßt, und ohne die Gnade Jesu sind wir allerdings fortwährend in Gefahr zu Verderben; aber nur unsre Sicherheit, unsre Trägheit zum Gebet, unser Mangel an Wachsam- keit macht die Versuchung gefährlich. Haben wir da- gegen ihn im Grunde des Herzens und erwecken seine Gnade durch das Gebet, so dienen die Stürme der Versuchung nur dazu, die allvermögende Macht seiner Gnade zu offenbaren. Das wunderbare Stillen des Sturmes ist ein Bild von dem Sieg über die Versuchung welche die Gnade davontragen hilft. (Quesnel.) II. v. gez-so. (§. 35.) zvee hie: folgende act-schnitt stellt uns vor einen nicht leichter zu bewiiltigenden Sturm und vor einen noch ergreifendereu Triumph, als uon den( im vorhergehenden die Rede war; er enthält die Geschichte von der Kustreibnug der Teufel aus dem Besessenen zu Gadara nnd der ldernichtung der. Säue durch die in sie fcihrendeu Dämonen. »Was der Esel tnileams im alten Testament, das sind der Gadarener Schweine im neuen Testament: Ghorheit nnd Zlergerniß fiir die weisen dieser Welt« (Vgl. Rauh. Z, 28—34; mark. s, 1—20.) 26. Und sie schifften fort sbis daß sie beim Landen einlieseus in die Gegend der Gadarener, welche ist gegen Galiliia über. 27. » Und »als er austrat auf das Land, be- gegnete ihui ein Mann ans der Stadt, der hatte Teufel von langer Zeit her, und that sgemäß seinem Abscheu vor dem geselligeu und anstän- digen Leben und seinem Trieb nach Zuchtlofigkeit und Einsamkeitskeiiie Kleider an nnd blieb in keinem Hause, sondern in deu Gräbern sdie bei der Stadt sich befanden]. 28. Da er aber Jefum sahe fund bei dessen Anblick sofort eine heftige Krisis in ihm entstund], schrie er, nnd lkam dann, während er anfangs am liebsten fortgelaufen wäre, von der Uebermacht Jesu zurückgezogew und] fiel vor ihm nieder, Und rief Iant Und fprach ffich im Namen der bösen Geister, denen er noch zum Werkzeug diente, gegen die Gewalt, die ihm geschehen sollte, verwahrendP Was habe ich mit dir zu schaffeu, Jefn, du Sohn Gottes, des AllerhiichstenP sAlsbatd dann eine Bitte hinzufügend, mit welcher das unglück- liche Schlachtopfer der Dämonen unfreiwillig der Advokat oder Sachwalter feiner eigenen Henker wurde, fuhr er fort:] Jch bitte dich, du wolleft mich nicht quälen. 29. Denn er gebot dem uufaubern Geist, daß er von dem Meuschen ausführe; denn er hatte ihn lange Zeit geplagt« Und er Idee von dem uufaubern Geist Befesfenes war mit Ketten gebunden und mit Fesseln gefangen, und zerriß die Bande, und ward getrieben voii dem Teufel m die Wüste. · . » 30. Und Jesus fragte» ihn und sprach: Wie heißest du? Er sprach: Legiou sMatth 26, 47 AK; denn es waren viele Teufel in ihn gefahrenåspt 682 Evangelium Lueä 8, 31——48. 31. Und sie fdiese vielen Teufel] baten ihn, daß er sie nicht hieße in die Tiefe fden Ab- grund, wo ihre eigentliche Vehausung Offenb. 9, 12 u. 2. Petri 2, 4 Annes fahren. 32. Es war aber daselbst eine große Heerde Seine an der Weide auf dem Berge. Und sie baten ihn lvielleicht in der bewußten Absicht, ihm sein Werk an den Gadarenern zu verderben, wie ja heruach es auch so kam], daß er ihnen erlaubte, in dieselbigen zu fahren. Und er erlaubte ihnen-s sdamit der Besessene vor Augen sähe, von welchen höllischen Mächten er in Besitz, genommen war und was für ein Ende ihm würde bereitet worden sein, wäre den Teufeln erlaubt gewesen, an ihm zu thun, was sie an den Säuen thaten]. 33. Da fuhren die Teufel ans von dem Meuschery nnd fuhren in die Seine; und die Heerde stürzte sich mit einem Sturm in den See, nnd ffämmtliche Seine] ersosfenfn s) Die Besesfenheit ist die Carrikatur (das Zerrbild) der Inspiration oder Eingebung vom heil. Geiste; die letztere geschieht auf eine der sittlichen Natur des Menschen entsprechende Weise und sichert ihm für immer den Besitz seines Jchs, jene aber, welche der Freiheit des Menfcheri gründlich feind ist, stürzt ihn in einen Zustand krankhafter Passivität und zielt auf die Entziehung der Persönlichkeit ab. Die eine ist das Meisterwerk Gottes, die andere das Meister- werk des Teufels. is) Das Vermögen, in der Welt thätig zu sein, ist für diese von Gott abgefallenen und sich nur in der Leerheit ihrer eigenen Subjektivität bewegenden Wesen eine augenblickliche Erleichterung ihres elenden Zustan- des; die Entziehung solchen Vermögens ist für sie wie die Rückkehr des Gefangenen aus dem Spazierhof in den Kerker. VII) Es gab zu dieser Zeit ein Wort, welches mehr als jedes andere an die unwiderstehliche Macht des Eroberers erinnerte, der damals das Volk Jsrael dergewaltigte, das ist das Wort »Legion«; beim Hören dieses Ausdrucks stieg der Gedanke an die Schaar von 4000 römischen Soldaten auf und an die siegreichen Heere, vor denen die ganze Welt weichen mußte. f) Was die bösen Geister betrifft, so ist begreiflich, daß es ihnen ein Genuß ist, noch einen Schaden anrichten zu dürfen, ehe sie alle Macht, thätig zu fein, verlieren; wie ist aber die Erlaubniß Jesu zu erklären? Offenbar war sein theokratisches Gefühl verletzt durch den Anblick dieser großen Heere von gesetzlich un- reinen Thieren; ein solches Gewerbe zeigte, wie sehr in dieser Gegend die Grenzlinie zwischen Judenthum und Heidenthum verwischt war, und nun wollte der HErr durch eine empfindliche Züchtigung die allmälig ganz entjudaiftrte Bevölkerung auf sich selbst zurück- führen. H) Man fragt, ob Jesus das Recht gehabt habe, so über fremdes Eigenthum zu verfügen? Gerade wie wenn man fragte, ob Petrus in Apostg 5, 1—10 das Recht hatte, iiber das Leben des Ananias und der Sapphira zu verfügen; es giebt eben Fälle, wo die Macht zu vollziehen hinreichender Beweis ist für das Recht zu befehlen. (Godet.) Wäre die Heerde Schweine durch ein Gewitter in den See getrieben worden, wer wollte Gott der Gottlosigkeit beschuldigen, daß er sich am Eigenthumsrecht der gesetzlichen Besitzer vergriffen habe? Und wie manche Viehfeuche hat viel mehr als 2000 Schlachtopfer hingerafft; Jesus aber handelt hier als Repräsentant des Vaters auf Erden, der täg- lich das Geringere zerstört, damit das Höhere genährt und erhalten werde, und noch nie feinen Blitzen ver- boten hat, die Atmosphäre zu reinigen, aus Besorgniß, sie möchten vielleicht einige Baumstämme zerschmettern. (v. OofterzeeJ 34. Da aber die Hirten sahen, was da ge- schah, flohen sie, nnd verkiindigten es in der Stadt und in den Dörfern swo die Besitzer der Heerden ihren Wohnsitz hatten]. 35. Da gingen sie leben diese Besitzer] hin- aus zu sehen, was da geschehen war; und kamen zu Jesu, und fanden den Menschen, von welchem die Teufel ausgefahren waren, sitzend zu den Füßen Iesu, bekleidet und vernünftig, und er- schraken. i 36. Und die es gesehen hatten sdie Apostel nnd andere Leute in der Umgebung Jesus, ver- kündigten es ihnen, wie der Besesfene war gesund worden. 37. Und es bat ihn die ganze fin den Heerdenbesitzern vertretenes Menge der umliegenden Länder der Gadarener [auf welche das weiter keinen besonderen Eindruck machte, daß sie Jesum in feiner Herrlichkeit und den Geheilten in seiner dankbaren Hingebung an den Heiland erblicken durften, denen aber das schwer zu Herzen ging, daß sie die Säue nicht mehr haben sollten, und die nun noch mehr dergleichen Schaden für ihre irdischery gemeinen Interessen befürchtetens das; et von ihnen ginge; denn es war sie eine große Furcht ankommen. Und er trat in das Schiff, und wandte wieder um sMatth 9, 1 Anms 38. Es bat ihn aber der Mann, von dem die Teufel ansgefahren waren, daß er bei ihm möchte fein ldenn da fühlte er sich wohler, als bei seinen ungläubigen LandsleuteUL Aber Jesus sdessen Gedanken und Wege höher waren als die seinigen Jef.55,8f.] ließ ihn von sich, nnd sprach: 39. Gehe wieder heim nnd sage, wie große Dinge dir Gott gethan hat fJefus also wies die Ehre für das, was er an dem Manne gethan, feinem himmlischen Vater zu Joh. 8, 49 f·] Und er lder Mann, von dem die Teufel ausgefahrem dem Befehle gehorfamj ging hin nnd predigte durch die ganze Stadt fund in dem Gebiet der zehn Städte, dazu sie gehörte], wie große Dinge ihm Jesus gethan hatte ler verfuhr also nicht genau nach dem Befehl; denn desjenigen, der das Werkzeug der göttlichen Wohlthat für ihn gewesen, konnte er bei Verkündigung der Ehre Gottes nicht vergessen Joh. 8, 54]. Der Besessene zu Gadara und der Gadarencr Fleischessinn 683 Einen Zusammenhang von allerlei Krankheitsleiden mit der Macht der Finsterniß anzunehmen, ist das nicht ein uuheimlicher Gedanke? Jch erwidere: wären es auch mehr als nur Andeutungem was uns die Schrift giebt, hätten wir auch mehr, als es der Fall ist, eine sichere Lehre über die Wirkungen der bösen Geister, wie weit sie sich erstrecken und wie sie sich äußern, so dürften wir dennoch sagen, was braucht es uns anzufechten? Sind wir denn etwa wehrlos einer heillosen verderblichen Macht überliefert? kann denn der Satan, auch wo er wüthet, etwas wider Gott oder über die Schranken hinaus, die ihm gezogen sind? Er für sich mag es arg meinen und unser Ver- derben im Schilde führen, Gott aber meint es gut und läßt uns nicht versuchen über unser Vermögen; und auch wo er dem Satan Raum läßt, muß dieser wider sich selber dem HErrn dienen zur Prüfung und Läuterung der Frommen. Uebergiebt denn nicht Pau- lus den Sünder in Corinth dem Satan zum Verder- ben des Fleisches mit dem heil. Liebeszweck, daß die Seele gerettet werde (1. Cor. 5, 5)? rechnet er nicht den Satansengel, der ihn selber mit Fäusteii schlägt, zu der besonderen Gnade Gottes, die ihn vor aller Ueberhebnng bewahrt (2. Cor. 12, 7)? Also auch wenn sich des Satan Macht weiter, als wir wahrnehmen, erstreckte — wir kennen aber ihre Grenzen nicht —- so brauchen wir, wenn wir in Christo sind, uns nicht darum zu kümmern; es giebt eine scheinbar evange- lifche, in der That aber ungesundeund gefährliche Neigung, sich in diese Nachtregion einzulassen, und wie leicht entsteht daraus ein Dünkel, sich selber und seinen Kämpfen eine ungewöhnliche Wichtigkeit beizulegen! wie nahe liegt die Gefahr, die natürlichsten Dinge in einem düstern, gespenstischen Zwielicht zu schauen! wie drohend ist die Versuchung, gleich Petrus auf Sturm und Wellen zu blicken, anstatt auf den HErrnl Thun wir vielmehr wie Hieb, von dem uns doch die Schrift zeigt, wie der Satan wider ihn die Hand im Spiel hat; er aber fragt nichts nach ihm, und gerade dadurch besiegt er ihn. Er hält sich an Gott, und nimmt die bösen Tage wie die guten aus Gottes Hand: so kann ihm Satan das innerste Herz nicht antasten und seinen Glauben nicht zu Falle bringen. Das muß den Ange- sochteuen helfen — sie müssen wollen sich halten an den HErrn (Riggeubach.) III. u. 40—5e. (§. 38.) init Ermahnung der emai- fahrt Iesu nach tiapernaum verbindet Lukas ebenso wie islarkus nicht die nächstfolgenden (beschichten, die er schon in blau. 5,17—-39 erzählt hat, sondern die dann erst folgenden von der Wiedererwemung der cIochtcr des Iairus und der Heilung des blutfliissigen Weibes. wir sollen die Herrlichkeit des Thalern in aus— steigenden Stufen vor uns sehen: wie dem Gebot wider den Sturm des Meeres das Gebot wider das wiitheu der bösen Geister folgte, so folgt nunmehr dem Triumph über die jnächte der Finsternis; ein solther iiber die macht der Krankheiten und des Todes. Wir sollen aber auch einen Gegeusah unter den itlensctjen dem heirru gegen- über gewahr werden: die lteute zu Gadara ,,gegeu Gali- läa aber« baten Ilesum, daß er von ihnen ginge; das Volk dagegen dort in ikaperuaum wartet aus ihn, daß er wiederkommen möchte, und nimmt ihn mit Freuden auf. Vgl. Ltlatth 9, 18-—26; Mark. b, 21—43.) 40. Und es begab sich, da Jesus svon jenseit des galiläischen Meeres] wiederkam [gen Kaper- naum, von wo er in V. 22 ausgefahren warf, nahm ihn das Volk [als ihnen sehr willkommen] auf; denn sie warteten lseit seiner Abreise] alle auf ihn [daß er bald wiederkehren möchte, um ihre Kranken von ihm heilen zu lassen, wie der Vorfall mit dem Gichtbrüchigen Matth. J, 1 ff. beweist]. 41. Und siehe san einem der Tage nach seiner Wiederkunft, als er am Seeufer sich aushielt, eben aber bei Levi zu Tisch gesessen und darauf die Pharisäer und Johannisjünger abgefertigt hatte Matth 9, 9 ff. und nun zu weiterer Hilfe für das Volk bereit stund], da kam ein Mann, mit Namen Janus, der ein Oberster der Schule war lviclleicht derselbe, der früher unwillig sich geberdet hatte, daß Jesus auf den Sabbath eine achtzehnjährige Kranke heilte Kap. 13, 14], und fiel Jesu zu den Füßen und bat ihn, dass er wollte in sein Haus kommen; 42. Denn er hatte eine einige Tochter bei zwölf Jahren, die lag in den letzten Zügen. Und da er hinging, drang ihn das Volk. 43. Und ein Weib hatte den Blutgang zwölf Jahre gehabt; die hatte all ihre Nahrung an die Aerzte gewandt, nnd konnte [gleichivohl] von niemand geheilet werden klebte aber nun doppelt elend dahin, da sie außer ihrer Krankheit auch Mangel und Armuth zu tragen hatte]. 44. Die trat hinzu von hinten, und rührte seines Kleides Saum seine von den vier Troddeln oder Quasten seines Oberkleides 4. Nios 15, 38 f.] an; und alsobald bestand ihr der Vlntgaug 45. Und Jesus sprach: Wer hat mich an- geriihrtT Da sie aber alle leugueten skeiner her: vertrat, der da bekannt hätte, daß Er es gethan], sprach Petrus nnd die mit ihm waren siu guter Meinung der Leute sich annehmend, als falle auf sie ein falscher Verdachtk Nkeisteh das Volk dränget und driicket dich; und du sprichst: Wer hat mich ungerührt? 46. Jesus aber ssich jetzt nach der Thäterin, um die er wohl wußte, umsehend Mark. 5, 321 sprach: Es hat mich jemand ungerührt; denn ich fühle; das) eine Kraft von mir gegangen ist. 47. Da aber das Weib sahe, daß es nicht verborgen war, kam sie mit Zittern und fiel vor ihm [nieder], und verkiiudigte vor allem Volk sso schwer ihr das auch ankam], aus was Ursach sie ihn hätte ungerührt, und wie sie wäre also- bald gesund worden. 48. Er aber sprach zu ihr: Sei ·etrost, meine Tochter, dein Glaube hat dir geholfen; gehe hin mit Frieden. Mitten im Gedränge des Volks, da sie ihn von allen Seiten stoßen, unterscheidet der HErr das leise Ziehen an seinem Gewande durch die Hand der Hilfe- suchenden, und beharrt daraus auch gegen Petri keckes 684 Evangelium Lutä 8, 49—-56. N, 1—6. Wort; er hat es in sich selber gespürt, daß eine Kraft von ihm gegangen ist. Warum doch zieht er die zitternde Frau hervor? warum fchont er nicht ihre Verschämtheit, sondern nöthigt sie, gerade diese Krank- heit und ihre Heilung vor allem Volk herauszusagen? Wir müssen einen gewichtigen Grund vermuthen (S. 687) und erkennen ihn, wenn wir bedenken, was sie bei sich selber gesagt hatte: »wenn ich nur niöchte sein Kleid anrühren, so würde ich gesund« Nein, meine Tochter, will er ihr zeigen, nicht mein Kleid hat dich geheilt, sondern mein allezeit bereiter Liebeswille und dein Glaube, der auch in der schwachen Erkenntnis; stark und redlich war, die haben dir geholfen. Jhr Glaube war innig und entschieden, wie er nicht häufig dem HErrn begegnete, aber mit einer Jrrthumsbeimischung, davon er bedurfte geläutert zu werden. Also darum mußte sie an’s Licht mit dem Bekenntniß, damit sich nicht der Aberglaube festsetze, der Rock des HErrn thut es, weil er seinen Leib berührt; damit sie gläubig erkenne, den Willen des HErrn habe ich durch das Mittel des Kleides ergriffen; damit er sie trösten könne: dein rechter, gereinigter und erleuchteter Glaube hat dich heil gemacht an Leib und Seele. Unter den Vielen, die sich um Jesus stoßen und drängen, und haben nichts von ihm, ist es nur die Hand des Glau- bens, die sein Heil ergreift, das er aber mit Wissen und Willen spendet. (Riggenbach.l Der ganze Aufent- halt mit der Frau war für Jairus wohl sehr pein- lich, er mußte fürchten, daß es mit seiner todtkranken Tochter unterdessen zu Ende gehe und die erbetene Hilfe des HErrn zu spät komme; daher er auch Jesum während der Verhandlung beim Arme zupfte (darauf deutet das ,,bemühen« in V. 49 nach dem Wortlaut des Grundtextes), um ihn zur Eile. zu veranlassen. Jst er nun, wie wir glauben, der nämliche Schul- oberste wie in Kap. 13, 14 ff, so waren diese pein- lichen Augenblicke fiir ihn eine wohlverdiente, doch zugleich heilsame Züchtigung, daß er gewiß von der pharifäischen Sabbathssatzung um welcher willen seiner damaligen Meinung nach das Werk der Kraukenheilun- gendaufgeschoben werden müßte, gründlich geheilt wor en. 49. Da er noch redete, kam einer vom Ge- sinde des Obersten der Schule swohl von seiner Frau ihm nachgesendetL und fprach zu ihm: Deine Tochter ist gestorben, bemiihe den Meister Itichtsp [denn nun ist ja doch alles Weitere um- sonst und nichts mehr zu machen]. 50. Da aber Jesus das hörte, antwortete er ihm und sprach: Fürchte dich nicht lals wäre, weil jetzt alles aus zu sein scheint, keine Hilfe mehr möglichjz glaube nur, so wird sie gesund« sindem es auch vom Tode noch eine Errettung giebt, und die sollst du erfahren]. 51. Da er aber in das Hans kam, lief) er niemand smit in die Kammer, wo die Todte lag] hinein gehen, denn svon den Zwölfekq Petrum und Jakobnm und Johannem, und Dazu] des Kindes Vater nnd Mutter. 52. Sie weinten aber alle sdie in der Flur des Hauses stunden und die Leidtragenden für das schon vorbereitete Begräbnis; abgeben sollten Matth 9, 23], und klagten sie. Er aber sprach: Weinet nicht; sie ist swegen dessen, was ihr be- vorsteht] nicht gestorben, sondern sie schläst’«". 53. Und sie verlachten ihn, wnszten wohl, das; sie gestorben war. 54. Er aber trieb sie alle hinaus, nahm sie [das Mägdlein, in Gegenwart der Eltern und der drei JiIngerJ bei der Hand, und rief und sprach: Kind, stehe auf. 55. Und ihr Geist kam wieder, und sie stund alsobald auf. Und er befahl, man sollte ihr zu essen geben. 56. Und ihre Eltern entsetzten sich. Er aber gebot ihnen, das; sie niemand sagten, was ge- schehen warf. if) Der Glaube wird oft durch Fleisch und Blut angefochten und geschwächt, wenn er eben im Begriff ist zu erlangen, was er begehrt; und wenn der Teufel uns nicht durch unser Selbstvertranen verderben kann, so sucht er uns unser Vertrauen auf den HErrn zu rauhen, und eben damit die Kraft des Gebets. Aber keine menschliche Ohnmacht, keine natiirliche Unmöglich- keit darf uns muthlos machen, weil unser Heil und unsre Errettung weder von einem Menschen noch von der Natur kommen soll, sondern von dem alles ver- mögenden Willen Gottes. (O-uesnel.) M) Es ist Einem wohl so, als hätte der HErr den Glauben in des armen Vaters Herz hereingesprochen Ja, das hat er anch gethan, aber nicht anders, als wie er es noch heute thut: seine Verheißung spricht den Glauben in uns hinein, sonst haben wir keinen. Wohl uns, wenn wir der allmäcbtigen Kraft der Ver- heißung uns hingeben! Auch mit uns muß es auf den Punkt kommen, wo wir nur glauben. Wenn wir uns ganz und gar verloren geben und die Arme, mit welchen wir uns selber haben helfen wollen, am Leibe niedersinken lassen, das ist der Todesstoß fiir das alte hochmüthige Herz: wer ihn abwehrt, kommt nie zum Frieden; wer ihn aber willig erleidet, der ist der Sünde abgestorben und lebet der Gerechtigkeit. Jairus glaubte. Es war ja freilich seine Freude zu glauben, denn er hatte ja nur die eine Tochter zu verlieren; und wir haben nur Eine Seele zu verlieren — wa- rum glauben wir denn nicht? (Besfer.) Vertraue nur dein HErrnx kein Glaube ist ihm zu schlecht, keine Stunde ist ihm zu spät, keine Noth ist ihm zu groß. (Nebe.) f EIN) Jm Hause des Obersten nimmt der Tod als der König der Schrecken bereits die ihm gebiihrende Huldigung in Empfang; da tritt der HErr auf und spricht das Eine Wort, das für alle, die an ihn glauben, den Tod mit seinen Schrecken vernichtet hat. (Grau.) f) Die Weisung des HErrn, dem Kinde zu essen zu geben, zeigt seine wunderbare Ruhe bei der groß- artigsten That: er handelt wie der Arzt, sder dem Kranken den Puls gefühlt hat und nun seine Diät siir den Tag ordnet. Markus fügt dann den anschaulichen Zug hinzu: ,,alsobald fing das Kind an zu gehen-«; an solchen Zügen erkennt man den Bericht eines Augenzeugem welchem die Stimme Jesu noch in den Ohren nachklingt und welcher das Kind noch hin und her gehen sieht. (Godet.) Auch die Auferweckung geist- lich Todter verrichtet der HErr meistens in heiliger Stille, und auch geistlich Erweckte haben alsbald Nah- rung nöthig. (v. Oosterzee.) Jairi todtkraiike Tochter und das blutflüsfige Weib. Aussenduiig der Zwölf-e. 685 Das 9. Kapitel. Von den zwölf genauem, fünf Binden, Christi Verbreitung nnd Leiden, der Hunger« Ehrgeiz nnd Eifer. h. 1——6. (§. 42.) Mit dieser lehten von den sieben, je 3 Geschiclstsbilder znsainmenfassendeii Gruppen greift der Evangelist wieder in diejenige Periode des Lebens Jesn hinüber, mit welcher er es schon iii der 4. Gruppe (7,11ff.) zu thiin halte. Dort sahen wir den hierin auf einem Zliisflnge nach denc siidlichsten Gheile von Galiläa begriffen, ohne daß eine Spur der Anwesenheit der Zwiilfe bei ihm sich wahrnehmen ließe, vielmehr ist iii kenn. 7, 11 nur von dlielen seiner Iiinger im weiteren Sinne des Worts die leide, und daß auih bei der Ge- sandtsctjaft des Täufers und bei dem Vorfall mit der großen Siinderiii die Zlpoftel nicht gegenwärtig gewesen, läsit daraus sich vermuthen, daß von jener Geschichte St. liaarkns gar nichts berichtet und auf diese weder der eine noch der andere von den beiden ersten Gvangelisten eine andere tjindeutnng enthält, als das Wort in Mann. El, 31 f.: ,,die Zöllner und huren (die dem Johannes geglaubt haben) mögen wohl eher ins hiininelreicli komnieii, denn ihr« hier nnn erfahren wir, worin diese Abwesen- heit der Jwölfe ihren Grund hatte: mit einer Zins— sendnng der Apostel hatte der hGrr die mit der edsterzeit des St. 29 beginnende zweite Periode feiner gali- läifchen Wirksamkeit begonnen. (t)gl. Matth 9, 35 — it, 1; Mark. is, 7——13.) I. Er forderte aber sMitte März des J. 29, ; das Osterfest herannahte, welches zu besuchen wegen der Feindschaft der Obersten zu Jerusa- i nicht wagen konnte] die Zlvölfe zusammen n durch deren Wirksamkeit wenigstens mittelbar, inöge der Festpilger, eine Botschast des Heils th der Stadt gelangen zu lassen], und gab ceii sfür die Zeit ihrer Sendung] Gewalt und acht über alle. Teufel ldieselbcii auszuireiben], d das; sie sganz in demselben Umsange, wie er der es that] Seucheii 17, 21; Many. 4, 241 len konnten* Z. Und sandte sie aus lje zween und zween grk. S, 7], zu predigen sman sollte Buße thun Irk. 6,-12 und daß] das Reikh Gottes [nahe beikommen sei Matth 3, 2], nnd zu heilen die ankeu ldie an irgend einem Gebrechen litten]; 3. Und sprach zu ihnen [um hier seine Rede r kurz mitzutheilem da hernach bei Aussendung 70 Jünger dieselbe der Hauptfache nach noch mal wiederkehrt Kap. 10, 1ff.]: Ihr sollt sbei ein Auszuge] nichts [von Vorräthen] mit euch iinen aiif den Weg, weder Stab, noch Tasche, h Brod, noch Geld; es soll auch einer nicht sen Röcke haben"—[2)Jeark. S, 9 Anm.]. 4. Und lud ihr swenn ihr nun eure Sen- ig ansrichtets in ein Haus gehet, da bleibet, ihr voll dannen ziehet""« les gleichsam zum Erd des Werkes Gottes für diesen Ort, zum Mittelpunkt der zu gründenden Gemeinde machend Apostg g, 43; 13, 6 ff.; 16, 15 u. 40; 17, 7; 18, 3]. 5. lind welche eneh nicht aufnehmen, da gehet ans von derselben Stadt, und schiittelt auch [aller weiteren Verantwortlichkeit für die Bevölke- rung dieser Stadt euch entledigend und ihnen das Gericht unmittelbar selbst zuschiebend] den Staub ab von euren Füßen, zu einen: Zeugnis; über sitt· [Kap. 10, 12 Anm.]. 6. Und sie ldie ZioöIfeJ gingen hinaus [wäh- rend er selber seinen besonderen Weg nahm Piatth 11, 1], nnd durchzogen lwährend der folgenden drittehalb Wochen] die Märkte [Matth. 9, 35 Anat» indem sie in« einem jeden derselben sich einige Zeit aufhielten, predigten das Evangelium nnd mach- ten gesund an allen Enden. r) Es giebt etwas Größeres als predigen, näm- lich Prediger machen, und etwas Größeres als Wunder thun, nämlich die Macht zum Wunderthiiit iuittheileiq diese neue Stufe erreicht hier das Wort Jefu, er ar- beitet daran, seine Apostel auf seine eigene Höhe zu heben. (Godet.) Was er den Zwölfen auftragh ist die Wiederaufnahme der Arntsthätigkeit des Täufers; er weiß ja, daß dieser in nächster Zeit seinen Lauf vollenden wird, aber er kennzeichnet auch seine Jünger als solche, die größer sind denn Johannes (7, 28), indem er ihnen zu dessen Predigt das Vermögen und die Vollmacht über die bösen Geister und die Kraft, allerlei Seuchen und Krankheit zu heilen, hiuzuthiih während Johannes keine Wunder verrichtet hatte. Hi) Anroendbar ist der Ausspruch des HErrn heute, wie je, um ein Sorgen abzuwehren, welches den Ge- horsain gegen das göttliche Gebot in Matth 28, 19, davon abhängig machen wollte, daß man auch für all »« kommenden Bedürfnisse zum Voraus gesichert weine; dieser Glaubenslosigkeit gegenüber gilt immer noch de,- Ausfpruch: Gehet aus ohne Stab, ohne Tasche, ohne Brod, ohne Geld. (v. Burgen) Was die Verschi »Wen- heit der Berichte in Betreff des Stabes dem» at, s» gleicht sie sich durch folgenden Gedanken aus: he are» sie schon einen Stab, so stand es ihnen frei, diese« «; mitzu- nehmen (Markns); besaßen sie aber keinen, s» sollte» sie nicht erst noch einen kaufen (Mat·th. u. I akass EIN) Sollteu die Jünger Christi um ’ pessekek Be- quemlichkeit willen nicht von einem Hause , zum ander» gehen, so sollen noch viel weniger Predig ak Um besseres; Gemächlichkeit willen nach besseren Pf am» kkachteza (Canstein.) · v « f) »Liebe zu einem behaglichen Les »» jst ei» gxpßes Hindernis; des Werkes Gottes bete« am» Epangekjsxeky denn mit den Armen, die es iszm Ujchk gewckhkeu können, hat er gerade· am meistei »; z» thun» Um, die Reichen ziehen ihn weit ehernn ei» spkcheg Lebe» Hin, ein, als er» sie davon ab» Die « Welt muß wissen, daß Mal! sie Ulchk sUchk Um Ihre-T « Güter willen, und keine GEFUEIPlchCfT M« Ihr hat; als «« im ihrer Seligkeit willen. Willfie davon nichts boten, dann muß man ausgehen von ihr. (v. German) U« II· 7—9-» (§«·47-) V nährend der seit der Abwesen- hklk »Es! ZWUM lst UND« « nur alles das geschehen, was OF! FU KAP- 7- UTW , gelesen haben, sondern auch die hmtschtutsg des Gunst es, wein» Si. nun» nicht weiter 686 Evangelium Lucä 9, 7—16. erzählt; nur seiner Gefangennehmnng hat er in Lan. 3, 19 f. Erwähnung gethan. Nach der That war es dem tjerodes iii seiner bisherigen Residenz zu tkivias nicht mehr geheuer; er siedelte so schnell als inöglich nach Tiberiag, einer Residenz nui galiläisrheti Meer, die er sich hatte erbauen lassen, aber bisher norh nicht bewohnen können, über (inatth. 12, 14 Rauch, dort aber treten ihm sofort die mancherlei Geriictjte iiber Iesnm, die im itlolke ncnlaufeik entgegen, und er geriith nun in große toertegenheih weshalb er gern Jlesnm persönlich kennen gelernt hätte, um sich eine gewisse Meinung zu verschaffen. tilgt. Matth 14, 1 u. L; Mark. s, 14—1(i.) 7. Es kam aber szu dieser Zeit] vor Herodes, den Vierfiirsten, alles, was svon Zeichen und Wundern] durch ihn geschah; und er besorgte sich sgerieth in peinliche SZierlegenheitL dieweil von etlichen gesagt ward: Johannes ist von den Todten auferstanden; 8. Von etlichen aber: Elias ist erschienen; von etlichen aber: Es ist der alten Propheten einer auferstanden [V. 19]. 9. Und Herodes sprach: Johannem, den habe ich enthauptet; wer ist aber dieser, von dem ich solches höre? sich möchte doch wissen, was für eine Bewandtnis; es mit ihm habe; denn unmög- lich wäre es allerdings nicht, Johannes wäre von den Todten wieder erstanden] Und begehrete ihn zu sehen sum sich durch persönliche Anschauung ein bestimmtes Urtheil zu verschaffen] Kaum hat er sich des Johannes entledigt, als er schon wieder von einem Andern hört, dem man nun noch dazu eine so erstaunliche Wunderkraft zuschreibt: was muß er nun von diesem denken oder fürchten? Gerade weil er es nicht weiß, verlangt er ihn selbst zu sehen. Bei Lukas tritt besonders der Ausdruck banger Ungewißheit, bei Matthäus nnd Markus die Jdee des erwachten Gewissens hervor; den einen Augenblick konnte diese, den andern jene Stimmung die vorherrschende sein. (v. Oosterzeeh Herodes begehrte Jesum zu sehen aus Angst, aber als die sich gelegt hatte, hielt er es nicht der Mühe Werth, um Jesu willen aus seinem Palaste zu gehen; zuletzt hat er ihn gesehen und gehöhnh Katz. 23, 8ff. (Besser.) 1Il. n. 10—17. (§. 47.) die Apostel kehre» unmittel- bar vor dem soassafeste zn Ilesu znriirtk und er begiebt sich mit ihnen zn Schiffe iii die Wüste bei toethsaida jen- seit des Meeres, um ans dem Gewühl der sich zu ihm dröngenden volksuienge in die Stille sich zurückzuziehen; aber das Volk eilt ihm zn Lande an seinen Zujliichtsort nach, wo er dann, nachdem er den Tag iiber zu ihnen geredet, gegen Abend fiinftausend Mann mit fünf toroden und zween— Fischen speist. was weiter darauf gefolgt, das Wandeln Ilesu aus dem Meer bei der Rück— fahrt nach tiapernaum, tiisit St. tenkas außer Betracht, damit jene wunderbare Speisnng als Höhepunkt der galilåiscljen Wirksamkeit des tljErrn recht bestimmt hervor- trete. Zugleich gewinn! der Evangelist damit einen ört- lichen Ankniipfnngspunkt fiir die erste Geschichte des fol- genden ttlyktus von Erzählungen; denn die Gegend bei tzethsaida jenseit des ineeres ist es auch dort, wo die Frage Iesu an die Sliiuger nnd die Verkündigung seines tkeidens stattfinden (d1gl. Matth 14, 13—21; Mark. 6, 30—44; Holz. 6, 1—15.) 10. Und die Apostel kamen wieder [von ihrer in V. 1———6 erwähnten Aussendung], nnd erzähl- ten ihm lin Kapernaum, wo sie mit ihm zusam- mentrafens szwie große Dinge sie gethan hatten. Und er nahin sie zu sich sindein er ein Schiff mit ihnen bestieg Niatth 14, 13; Mark. G, 32; Joh. e, 1], nnd entwich besonders in eine Wüste bei der Stadt, die da heißt Vethsaidai smir dem Beinamen Julias Matth 2, 20 u. 4, 25 Atem] 11. Da dcß das Volk inne ward swohin er seinen Weg genommen habe, denn Viele hatten den Lauf des Schisfes wohl bemerkt Mark. S, 33], zog es ihm lauf dem Landwege, um die Nord- seite des Meeres herum, die ziemlich geradliuig verläuft und dadurch den Weg sehr abkÜrztJ nach; nnd er ließ sie zu sich snahm sie, obgleich er mit den Jüngern hatte allein sein wollen, dennoch freundlich an, ohne sich durch sie gestört oder be- lästigt zu fühlen Mark. G, 34 Blum-J, nnd sagte ihnen sden Tag über] vom Reich Gottes, und machtc gesund, die es bedürften. Aber der Tag sing an sich zu neigen sals es nun etwa 3 Uhr Nachmittags war]. , 12. Da traten zu ihm die Zwölfe, und sprachen zu ihm: Laß das Volk von dir, daß sie hingeheii in die Märkte umher und iii die Dör- fer, daß sie Herberge uiid Speise finden; denn wir sind hie in der Wüste swo wir nichts zu essen für sie haben]. 13. Er aber sprach zu ihnen: sEs ist nicht noth, daß sie hingehen ålliatth 14, 16.] Gebet Ihr ihnen zu essen. Sie sprachen snach der in Mark. 6, 37 berichteten weiteren Verhandlungk Wir haben nicht mehr, denn fünf Vrode und zween Fische; swir können also nur mit einem verschwin- dend kleinen Vorrath deinen Auftrag ausrichten] es sei denn, daß wir hiugeheii sollen nnd Speise kaufen [damit es doch in etwas mehr sei] fiir so groß Volk« saber das willst du ja anch nicht haben, wie du schon erklärt hast —- da mußt du denn selber zusehen, wie damit auszukommen sein möchte] 14. Denn es waren sWeiber und Kinder ungerechnet] bei tausend Mann swie sich ans der nachherigen Lagerung ergab]. Er sprach aber zu seinen Jüngern: Laßt sie sich sehen bei Schichten, je funfzig und funfzig. 15. Und« sie sdie Jungen thaten also, und les] setzten sich allessps [genauer: sie ließen alle sich lagern —- Luther scheint eine andere Lesart im Grundtext vor sich gehabt zu haben]. 16. Da nahm er die fünf Vrode und zween Fische, und sahe auf gen Himmel und dankte darüber, brach sie nnd gab sie den Jüngern, daß sie dem Volk vorlegtens Herodis Meinung von Jesu Speisung der Fünftausend. 887 is) Josephus berichtet, daß der Vierfürst Philippus uieas bei den Quellen des Jordan erbaut und Cäsa- a genannt, zugleich aber auch Bethsaida am See enezareth, früher ein Dorf, zum Range einer Stadt hoben, mit vielen Einwohnern und Herrlichkeiten ver- sen und ihr nach der Tochter des Augustus den amen Julias beigelegt habe; in dieser Stadt wurde Tjilippus hernach auch begraben. Die meisten Geo- aphen nun (vgl. Karte V. u. VI.) verlegen sie nach —Te11 (oder Te11-Anihje), einem Hügel mit Trüm- ern auf der Ostseite des Jordan oberhalb seines Ein- tsses in den See; da indessen Josephus sagt: ,,Julias geniiber durchschneidet der Jordan den See Geneza- th«, so dürfte der Ort wohl weiter südlich, etwa i der Stelle des von Seetzen angegebenen ,,Schloß zeida«, also unmittelbar am See selber zu suchen in, jedenfalls hat die ,,Wüste bei Bethsaida« sich an r Nordoftseite des Meeres hin erstreckt. Was die er vorliegende Geschichte selbst betrifft, so vgl. über re Bedeutung die Bein. 2 u. 3 zu Matth. 14, 13 u. eBem zu Niatth.14,21. Sie ist diejenige Begeben- it, auf welche St. Lukas von Anfang an bei seiner childerung der galiläischen Wirksamkeit Christi es als n eigentlichen Höhepunkt, dem er zustrebte, abge- sen hatte; daher er sich auch möglichst kurz faßte und nige Ereignisse, die er sonst noch hätte beibringen nnen (Kap. 13, 10——17; 18-—21), einstweilen noch i Seite ließ, gleichwie Matthäus, dem es vor allem if die Bergpredigt ankam, bei Darstellung der ersten eriode jener Wirksamkeit es mit der Geschichte von etri Schwiegermutter (Matth. 8, 14—17) ebenso ge- acht hat. Nachdem denn der Evangelist diesen Höhe- tnkt erreicht, giebt er in dem folgenden Cyklus, wel- er vier Erzählungen umfaßt, nur dasjenige noch, as den Uebergang zu Christi Leidensweg vermittelt Z. 18—-—50), um dann den HErrn sofort auf diesen ieg selber, da er sein Angesicht stracks gen Jerusalem : wandeln gewendet hat, zu stellen (V. 51; 13, 22z i, 11), und bringt da gelegentlich noch bei, was er it der Speisung der Fünftausend bis zum Antritt is Weges nach Jerusalem noch nachzutragen hat Iap. u, 14— 12, 59; 17, 1—10). W) Hatte Jesus gleich nach Zurücklegung der ieerfahrt beim Aussteigen aus dem Schifs (Matth. i, 14; Mark. S, 34) sein Vorhaben ausgeben müssen, h in die Einsamkeit mit den Zwölfen zurückzuziehen, Jd dafür das Werk, das ihm der Vater in die Hand gte, aufgenommen, indem er das Volk in dem oben läuterten Sinne zu sich ließ (V. 11), ihnen vom eiche Gottes sagte und ihre Kranken heilete, so er- nnte er nach vollbrachtem Werk, als er hinauf auf cn Berg ging und sich daselbst mit seinen Jüngern hie, was nun weiter nach dem Willen des Vaters ine Aufgabe sei. Es war jetzt um 3Uhr Nachmittags: c Jerusalem richtete sich alles auf das Passaessen ein, e Tifch-Gesellschaften fanden sich zusammen — mußten im da nicht die Schaaren des Volkes, die er beim ufheben seiner Augen vom Berge aus in ihrer ganzen toßen Menge iiberschaute, wie eine vom Vater ihm tgeführte Tischgenossenschaft erscheinen, die er als »aus«oater zu speisen habe? Er weiß nun auch, was »« thun will; aber die Jünger, die ihm dazu Hand- cichung zu thun berufen sind, iniissen zuvor in die sedanken der göttlichen Weisheit und Allmacht und c die Absichten seiner eigenen, sich ganz mittheilenden iebe wenigstens in etwas eingeführt werden, ehe er ir Ausführung schreitet. Darum richtet er die Frage n Philippus, die wir in Joh. S, 5 lesen; es läßt eh nicht genauer angeben, warum er gerade den Philippus herausgreift aus den Zwölfem vermuthlich saß derselbe in seiner unmittelbaren Nähe, und saß andrerseits auch neben Judas Jscharioth, bei dem er sofort sich erkundigen konnte, wie hoch sich der Bestand der gemeinschastlichen Kasse, um dem es ja bei einem Brodkaufen, wenn dieses die Meinung des HErrn ge- wesen wäre, wie er dessen Frage auffaßte, sich gehandelt haben würde, gegenwärtig belaufe. Diese Tausende, das will der HErr dem Jünger vor allen Dingen zum Bewußtsein bringen, sind heute unsere Tisch- und zwar unsre Oster-Gäste; es gilt, daß wir sie speisen, aber nun fragt es sich, woher nehmen? und da muthet er ihm zu, sich des Gottes zu besinnen, der einst nach der Ausführung aus Egypten sein Volk 40 Jahr in der Wüste auch ohne das gewöhnliche Brod erhalten und ihm Manna vom Himmel gegeben. Er kann ihm das zumuthem weil eben jetzt Ostern, die große Erinnerungszeit an jene großen Thaten Gottes ist; da siehet er ja leibhaftig ein großes Volk vor sich in der Wüste, das Dem, der größer ist als Mose, nachgezogen, und wenn es auch nicht selber um Brod schreien» wie vormals Jsrael zu Mose und Aaron (2. Mos. 16, 3), so schreiet doch sein Bedürfniß zu dem, dem es sich anvertrauet hat. Wenn Johannes die an Philippus gerichtete Frage des HErrn als eine Frage der Versuchung bezeichnet, so drückt das ohne Zweifel ein Nachforschem ein Untersuchen aus, inwieweit der Jünger ebenso wie sein Meister in der heil. Geschichte des Volkes Gottes lebt und inwieweit er für die Ge- heimnisse des Himmelreichs ein Verständnis; hat. Ge- wöhnlich muthet man dem Philippus zu, er hätte so ohne Weiteres auf das Wunder, das der HErr hernach that, verfallen oder gar zu ihm sprechen sollen, wie dort der Versucher in der Wüste: ,,sprich, daß diese Steine Brod werden» Wir wollen es aber den Jüngern vielmehr Dank wissen, daß sie in vorkommen- den Verlegenheiten nicht flugs zufahren mit der An- rufung seiner Wundermacht. Sie haben da besser ver- standen, was ihnen gebührte, als diejenigen, die mit allerlei Vorwürfen wegen ihrer Glaubensschwäche über sie herfallen. Um den Gebrauch der Wundermacht war es siir Jesum selber eine gar zarte, heilige Sache; Wunder sind bei ihm nicht Ausflüsse, die zu jeder be- liebigen Zeit und nach willkürlichem Gutdünken seiner Natur wie von selbst entströmen, sondern allezeit die That eines eigens erwogenen Entschlusses, eines mit dem Vater einig gewordenen Willens, er vollbringt seine Werke jedes Mal auf Antrieb dessen, der sie ihm gezeigt hat (Joh. 5, 19f.). Es ist das so sehr seine heil. Regel, daß in dem Falle mit dem blutslüssigen Weibe (Matth. 9, 20 fs.; Mark. 5, 25 fs.; Luk. 8, 43 fs.), wo der Versuch gemacht und scheinbar auch gelungen war, ohne sein Wissen und Willen, gleichsam hinter seinem Rücken, eine Heilung von ihin davon zu bringen, er in nachdrucksvoller Weise die rechte Ordnung sofort wieder herstellt. Sonach hatten die Jünger nur dann ein Recht, ein Wunder von ihm zu erwarten oder in Anspruch zu nehmen, wenn sie irgendwie in Gottes Rathschluß eingeweiht sich fühlen konnten, daß die Stunde dazu da sei; in Matth.15, 23 f. werden sie mit ihrer, auf blos menschliche Gefühle gegründeten Für- sprache rund abgewiesen, und dasselbe widerfährt an- fänglich der Maria in Joh. L, 3 s. Jm vorliegenden Falle nun legte Jesus dem Philippus es nahe, dem göttlichen Rathschluß auf die Spur zu kommen, indem er die oben entwickelten Gedanken mit seiner Frage ihm zuführen wollte. Aber Philippus achtet zu wenig auf das ,,woher«, das an der Spitze der Frage steht; der Schwerpunkt derselben fällt für ihn vielmehr auf 688 Evangelium Lucä 9, 17——27. das ,,kaufen«, und da schiebt sich ihm an Stelle des woher? sofort ein toofür? unter. Er erkundigt sich also bei Judas nach dem Kassenbestande, und nachdem er erfahren, daß dessen Höhe an sich selbst allerdings ein beträchtlicher ist t200 Denare = 150 Mark), ge- steht er sich doch sogleich, wie winzig die Portionen bei der großen Menge des Volks ausfallen würden, wenn dafür Brod gekauft und damit die Sättigung bewirkt werden sollte. Da auch in Mark. 6, 37 die Jiinger bei ihrer Frage, ob sie hingehen und Brod kaufen sollten, ausdrücklich die Summe von 200 Denaren namhaft machen, so können wir diese Summe nicht für eine ungefähre Schätzung halten, wieviel Geld sie aus- wenden inüßten, sondern müssen darin den Besund des Kassenbestaiides erkennen. Philippus erklärt sich also bereit, seinerseits die ganze Kasse zn opfern, wenn damit nur soviel erreicht werden könnte, daß ein jeg- licher von den Tausenden sein geringes Theil empfing« damit zeigt er wenigstens fiir die Liebesabsicht des HErrn mit dem Volke sich empfänglich, wenngleich er nicht auf den Gedanken sich hat leiten lassen, daß es sich jetzt wieder um eine ähnliche Hilfe handeln möchte, wie vor zwei Jahren auf der Hochzeit zu Kana, bei der er ja gegenwärtig gewesen war. Es trat wohl jetzt eine Pause ein; Jesus ließ die Verhandlung fallen und verkehrte im stillen Gebet mit dem Vater. Die übrigen Jiinger, die von dem Zwiegespräch des HErrn mit Philippus allem Anschein nach nichts gehört haben, aber vielleicht von Judas aufgestachelt waren, dem die Möglichkeit, seine ganze Kasse herausgeben zu müssen, nicht gefiel, treten jetzt heran mit ihrer Aufforderung: ,,Laß das Volk von dir, daß sie hingehen in die Märkte umher und in die Dörfer, daß sie Herberge und Speise finden; denn wir sind hier in der Wüste« Sie em- pfangen da den Bescheid: ,,Es ist nicht noth, daß sie hingehen; gebt ihr ihnen zu essen«, und erklären nun, etwa von Judas abgesehen, sich ebenfalls bereit, die ganze Kasse zu opfern, wenn es denn einmal ihre Sache sein soll, die Speisung des Volkes zu besorgen; indem sie aber nicht ebenfalls, wie vorhin Philippus, das Bedenken äußern, daß für den Betrag von 200 De- naren nicht Brods genug fiir soviel Menschen sich be- schaffen lasse, sind sie in etwas über jenen Jünger schon hinaus und ahnen wenigstens das, daß der HErr das an sich Unzureichende segnen wolle, daß es dennoch reiche. Aber auch das sollen sie, wie Jesus jetzt weiter erklärt, nicht thun, hingehen und von draußen herbei- holen, sondern bleiben bei dem, was sie innerhalb ihres Kreises selber haben; darum veranlaßt sie der HErr nachzuforschem wieviel Brode sie haben. Jn ihrem eigenen Vorrathe finden sie nichts; bei dem Volke ist auch sonst nichts vorhanden, nur ein Knabe oder Kleinhändler ist da, und zwar nur dieser Eine mit fünf Gerstenbroden und zween Fischen. Andreas, der Bruder des Sinion Petrus, der vermuthlich den Fund gemacht hat, meldet das so auffällig geringe Er- gebniß der Nachforschting mit der Frage (Joh. 6, 8f.): »was ist das unter so Viele?« Es ist, als gingen jetzt den Jüngern alle Gedanken aus, was nun weiter werden soll angesichts der vier seststehenden Punkte: a) das Volk darf nicht hingehen, sich in die Märkte und Dörfer zu zerstreuen und Speise sich zu ver- schaffen; b) sie selber, die Jünger, müssen ihnen die Speise bringen und sie satt machen; c) aber hingehen und kaufen dürfen auch sie nicht, sondern sie sollen sich geniigen lassen an dem, das da ist; d) und doch sind nur fiinf Brode und zween Fische vorhanden. An unsrer Stelle sind die beiden letzten Punkte umgestelltz aber daß sie gleichwohl nicht in dieser Folge ver- handelt sind, sondern in der bei Markus angegebenen, deutet Lukas selber an, indem der Wortlaut des Grundtextes genauer so zu übersetzen sein dürfte: »wenn auch wir nicht hingehen und Speise kaufen für so groß Volk«, womit dem kurzgefaßten Ausdruck bei Matthäus gegenüber: »wir haben hier nichts, denn fünf Brode und zween Fische« durch eine Zusatzerklärung ausge- drückt wird, warum die Jünger sich darauf allein und ausschließlich beschränkt sehen —— das Hingehen und Kaufen auch ihrerseits ist ihnen nämlich bereits vom HErrn verwehrt worden. »Es) Sobald Jesus von den entdeckten fünf Broden und zween Fischen hört, ist er völlig befriedigt; er sorgt dafür, daß die Menge fiel) setzt. Es ist, als ob er sagte: ich habe, was ich brauche; das reicht hin, das Mahl ist bereit, setzt euch. Aber es soll bei dem Fest- · mahl eine Ordnung herrschen, wie sie des Gottes, der es ihnen giebt, würdig ist; es soll bei dem Mahl, das ein Bild des Passamahles ist, alles ruhig und feierlich zugehen. Die Apostel müssen seine Gäste in Reihen von je fünfzig oder in Doppelreihen von fünfzig, je hundert, sitzen lassen. Durch diese regelmäßige Ordnung war es so leicht, die Gäste zu zählen. Gar lieblich schildert Markus den Anblick, welchen diese regelmäßig in je zwei gleichen Linien an dem Abhang über ein- ander liegenden Gesellschaften darboten. Die Stcppe erglänzte gerade in ihrem ganzen Frühlingsfchmuch und auch hier begegnen sich Johannes und Markus darin, daß sie die Schönheit dieses natürlichen Teppichs hervorheben. Gemäß der morgenländischeu Sitte, daß die Weiber und Kinder sich abgesondert halten, scheinen die Männer allein in der angegebenen Ordnung sich gesetzt zu haben; und daraus erklärt sich, warum nach den Synoptitern nur sie gezählt wurden. (Godet.) f) Das Zeichen mit den Broden ist einer der treffendften Beweise für die Wahrheit des Wortes des HErrn an Philippus (Joh. 14, 9): »wer mich siehet, der siehet den Vater«. Wir bewundern hier in dem HErrn eine wirklich göttliche Macht, die da spricht, und es geschieht, vermöge welcher er in höherem Maße und aus eigener Machtvollkommenheit wiederholen kann, was schon im alten Testament von Propheten in kleineren Verhältnissen und auf göttlichen Befehl oollbracht worden war. Neben tiefer Weisheit, die zur rechten Zeit und durch die» einfachsten Mittel hilft, sehen wir hier zugleich das Ebenbild des Gottes des Friedens (1. Cor. 14, 33) in Jesu, indem er für die geordnete Eintheilung der Schaar und für die Be- wahrung des Uebriggebliebenen sorgt; mehr als alles aber zieht seine Erbarmung uns an, der das Schick- sal der Unglücklichen nahe geht, die mit zärtlichster Aufmerksamkeit selbst die weichste Stelle zum Lager und Tische wählt und mit unbeschränktem Reichthum nicht nur das äußerst Nöthige, sondern auch das Ueberflüssige schenkt Dies ganze Wunder muß zum Beweise dienen, wie er, dem Vater gleich, aus dem Wenigen viel iuachen und das Geringe segnen kann; vor allem aber ist es ein Sinnbild der großen Wahr- heit, die er den folgenden Tag so kräftig entwickelt (Joh. S, 26 ff.), daß Er das Brod des ewigen Lebens ist. (v. Oofterzee.) H. Und sie aßen und wurden alle satt; und wurden aufgehoben, das ihnen Iiberblieb von Brocken, zwölf Kiirbe swie sie ja selber ihrer Zwölfe waren —- ein jeder von ihnen bekam also seinen Reisekorb gefüllt, denn ohne einen solchen pflegte man keinen Weg über Land B. 3 zu machen]. Wer sagen die Leute, und wer saget ihr, daß ich sei? ast- Hier bricht unser Evangelist die Geschichten aus der Zeit der öffentlichen Wirksamkeit Jesu in Gali- läa ab; denn die vier Erzählungen, die er in der folgenden Gruppe zusammengestellt, gehören der Zeit der Zurückgezogenheit und der ausschließlichen Arbeit an den Herzen der Jünger an. Achten wir nun da- was, daß von den 9 XZ Geschichten, die wir in Kap. 4, 14 — 9, 17 gezählt haben, die in Kap. 4, 14—30 mit der in Kap 5, 1—11, die in Kap. 5, 12—16 mit der in Kap. 7, .1—-10 und die in Kap. 7, 11—17 mit der in Kap. 8, 40-—56 in enger Beziehung steht, so daß drei größere Gruppen herauskommen, wozu dann die Geschichten in Kap. 9, 1—17 die vierte Gruppe bilden, so begegnet uns auch hier die bei Lukas so tief eingreifende Vierzahl (Kap. G, 38 Auen-s Nach dieser Zahl ist überhaupt sein Evangelium angelegt, weil er die Allgemeinheit der Gnade Gottes in Christo aus des HErrn eigenen Worten und Werken darlegen will; es ist dieses Welt-Evangelium geordnet nach der Welt-Zahl. Daher werden die beiden Haupt- theile, aus welchen das Urevangelium bestand tChristi Wirksamkeit in Galiläa und sein Leidensgang nach Jerusalems im Allgemeinen zwar festgehalten; aber jener erste Theil wird erweitert durch eine Vorge- schichte (Kap. 1 u. 2), und dieser zweite Theil wird er- weitert durch eine Zwischengeschichte (die Wirksamkeit in Peräa, enthalten indem sogenannten Reisebericht Kap. 9, 51 — 18,14), so daß nun vier Theile ent- stehen. Mit dieser Anlage seines Evangeliums bildet St. Lukas den Uebergang von der evangelischen Ueber- lieferung, wie sie durch Matthäus und Markus ver- treten ist, zu der Vervollständigungsweise, die hernach bei Johannes noch bestimmter hervortritt. 1- v. 18—27· (§. ge) vuiischeu der vorige» gesessen: von der Speisung der Fünftausend und dem nun— uiehrigen Clhtklus non 4 Erzählungen liegt ein Zeitraum von volleu 5 Monaten. sllehreres von dem, was in demselben sich begeben, hat der Evangelist schon früher gemeldet, Anderes wird er später nachbriugem es ist ihm genug, daß er Ilesmn bis auf den Höhepunkt seiner tldirltsamtteit in Gallliia gebracht hat, und nun teommts ihm darauf an, uns noch die letzten Ereignisse jener Zeit vor die Augen zu führen, um dann alsbald zu derjenigen Wirksamkeit überzugehen, der er eine besondere Sorgfalt widmeu wird, das ist die im Lande jenseit des Jordan, da der thGrr beständig sein Ztugenmerte gen Jerusalem gerichtet hat. Der erste von den 4 Abschnitten beschreibt die Wanderung zum Berge der Ieerkläruttg, bei welcher Ilesns die Frage mit den Jüngern verhandelte: Wer sagen die Leute, das; ich sei? und wer saget Ihr, daß ich sei? (vgl. Many. 16, 13—2tl; mark. Z, 27——9, 1.) 18. Und es begab sich snach unsrer Rech- nung am 18. September des J. 29 n. Chr.], da er swiederum bei Bethsaida-Jnlias, wo die Ge- schichte in V. 10——17 vorgesallen Matth. 16, 16 Anm.] alleiu war, und [die Nacht zuvor] beteteh nnd seine Iiinger lwaren alleiu] bei ihm sdenn von den Volkshaufen hatte er sich nun schon ge: schieden], fragte er sie laus dem Wege von dort bis hinauf nach Cäsarea Philippi] Und sprakh ldamit sie Gelegenheit hätten, auch ihrerseits sich bestimmt von der großen Masse zu scheiden]: Wer sogen die Leute, das; tch sei? 19. Sie antworteten snach Reaßgabe dessen, DiichsePs Bibelwerb V. Band. s. Aufl. was ihnen als landläufige Volksansichten bekannt geworden V. 7 f.], und sprachen: Sie ]ettiche] sagen, du seiest Johannes, der Täufer sdet von den Todten wieder erstanden]; etliche aber, du seiest Elias; etliche aber, es sei der alten Pro- pheten einer [in dir] auferstanden 20. Er aber sprach zu ihnen: Wer sagt Ihr aber, daß ich sei? Da antwortete Petrus und sprach: Du bist der Christ Gottes« svgt zu Matth. 16, Its] 21. Und er bedriiuete sie und gebot, daß sie das niemand sagtenWF 22. Und sprach: Denn les ist jetzt die Zeit dazu noch uicht gekommen, daß das ohne Rück: halt eurerseits und ohne Gefahr für die Seelen ausgesprochen werden kann, sondern] des Menschen Sohn muß uoch viel leiden, und verworfen wer- den von den Aeltesten und Hohenpriestertt und Schriftgelehrtem und getödtet werden, und am dritten Tage auferstehens sdartiach allerdings follt ihr mich vor allem Volk als den Christ Gottes bezeugen Apostg 2, 36]. 23. Da sprach er zu ihnen alleu fdiejenigen mitanredend, die außer den Zwölfen ihm sonst noch auf seinem Wege nachfolgten]: Wer mir fol- en will, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuåzanf sich täglich, und folge mir nach it. 24. enn wer sein Leben erhalten will, der wird es verlieren; wer aber sein Leben verlieret um meiuetwillem der wird’s erhalten [Kap. 17, 33]. » 25. Und was Nah hätte der Llliensch, ob er die gane Welt gewönne, und verlöre sich selbst oder belchiidigte fbiißte ein] sich selbst-sit? 26. Wer sich aber mein und meiner Worte schlimm, des; wird sich des Vienschetc Sohn auch schämen, wenn er fam Tage des letzten Gerichts] kommen wird in seiner ]dreifacheu] Herrlichkett [nämlich seiner eigenen als des erhöhten Menschen: fohnes 24, 26] nnd [der] seines Vaters sdie ihn bei seinem Herabkomtnen vom Throne der Ma- jeftät Gottes begleitet] und ]der] der heiligen En- gelspf swelche mit ihrem Lichtglanz Matt·h. 28, 3 den Herabkommenden umgeben]. 27. Ich sage eUch aber lmit Beziehung aus ein schon früher eintretendes, unsichtbares Kommen des Menschensohnes 21, 27] wahrlich, daß etliche sind von denen, die hie stehen saußer Johannes auch Simon Zelotess die den Tod uicht schmecken werden, bis das; sie das Reich Gottes scheust-« [in einer von der jiidischen Synagoge nun völlig sreigewordenen christlichen Kirches r) Auch hier hebt Lukas, wie er das schon einige Male bemerkte, das Gebet des HErrn hervor (vgl. zu Kap. 5, 16). Und sollte denn Jesus, da er seinen Jüngern nun zum ersten Mal die erschreckende Aus- 44 690 sicht auf seinen nahen Tod eröffnete, im Blick auf den Eindruck, den diese Mittheilung auf sie machen mußte, ja auch auf die Art, wie er dabei zu ihnen reden sollte, nicht das Bedürfniß empfunden haben, sich auf diesen ernsten Akt durch Gebet vorzubereiten? Ehe er dann den Zwölfen einen tieferen Blick in die Natur seines Werkes vergönnt, will er sich von ihrer Denkweise über seine Pbrson überzeugen. Die nun folgende Unterredung enthält drei Gegenstände: a) V. 18—20 Christus, b) V. 21f. der leidende Christus, c) V. 23—27 die Jünger des leidenden Christus. (v. Ooster- zee u. Godet.) Eis) Die Wahrheit ist nur Eine, aber der Irr- thümer und Lügen sind viele. (Canftein.) Merkwürdig, daß die Vernunft immer eher das glaubt (wenn man’s so nennen will), worauf sie selber verfällt, und wenn es noch so wunderlich ist, als das, was der HErr be- zeugt und verheißen hat. (Besser.) »Es) Wenn der fleischliche Sinn, der nicht von Sünden, sondern nur vom Druck des Sündenfoldes los zu werden begehrte, die Herrlichkeit des Reiches ungebührlich an sich zu reißen drohte, welche heilige Vorsicht war ihm dadurch auferlegt! Er mußte sein Werk offenbaren und zugleich verbergen, er mußte das Wesen seiner Person in Einem Thau enthüllen und verhüllen, er mußte das Feuer der Vegeisterung däm- pfen, indem er es entflamme; und so thut er auch fortwährend dieses Entgegengesetzth nicht als Einer, der seines Amtes nicht gewiß wäre, sondern in zurück- haltender Weisheit und heiliger Geistesbesonnenheit, weil ihm allezeit das Doppelte obliegt, sich als den Gesalbten Gottes kund zu geben, und dennoch die Verwechselung seines Werkes mit der altteftamentlichen Ordnung und vollends mit der fleifchlichen Juden- meinung durch Wort und That zu verhüten. (Rig- genbach.) » f) Der Hoherath war aus dreierlei Gliedern zu- sammengesetzt, aus den Aeltesten, Hohenprieftern und Schriftgelehrten (Matth. 2, 4 Anm.); alle drei Shnopi tiker nun geben hier die technische Aufzählung dieser verfchiedeneu Kategorien, diese Umfchreibung des Sym- driums aber giebt der Anküudigung der Verwerfung Jesu ihr volles Gewicht. Was für einen Strick) durch diese messianische Anschauung der Jüuger machte die Verwerfuug Jesu gerade durch diejenige Behörde, von welcher man die Anerkennung des Messias und seine öffentliche Ausrufung erwartete! (Godet.) H) Du mußt Christo nicht nachsehen, sondern nachgehen (Württemb. Summ.) Das Tragen des Kreuzes ist nicht etwas, das für gewisse außerordent- liche Ereignisse ausbehalten ist: wer seine und der Welt Sünde tief fühlt, trägt es täglich. (v. Gerlach.) Die Gottlosen haben wohl viel Plage, aber kein Kreuz (vgl. zu Pf. 32, 10). sit) Mit dem «sich selbst« ist dasselbe gesagt, wie bei Matth. und Mark. mit ,,Seele« oder ,,Leben«; denn wer sein Leben oder feine Seele verloren hat, der hat eben damit sich selbst verloren, er hat sich nicht in das ewige Leben gerettet, sondern bleibt dem Tode, dem ewigen Tode verfallen. (v. Burgen) ff) Wie schmachvoll es sei, sich Christi zu schämen in einem ehebrecherischen und fündigen Gefchlechtx 1) als Vergötterung einer· schwindenden Ehre, die man als die ewige Schmach erkannt hat; L) als Verleugnung einer schwindenden Schmach, die man als die ewige Ehre erkannt hat. (P. Lange.) ff) Der HErr hat hier, wie in Matth 26, 64 die Offenbarung seiner Messiaswürde bei der Verwüstung des jüdischen Staates im Auge, die innerhalb eines Evangelium Lucä 9, 28——36. Menfchenalters stattfinden würde; so hängt der Anfang mit dem Ende dieser ganzen Unterredung gut zusam- men. Hatte doch Jesus im Anfang (V. 22) aus die Erniedrigung hingewiesen, die ihm von den jiidischen Großen sollte bereitet werden; jetzt endigt er, indem er des Triumphes erwähnt, den er über die jüdifchen Großen davontragen würde, wenn die Trümmer der Stadt und des Tempels seine Erhöhung verkündigten. (v. Oofterzee.) II— V. 28—36. (§. 64.) Kuf die Verhandlungen wäh- rend des Ganges zum Berge der Verblärmig folgt nun die Geschichte der Vertiläruug selbst. »Ein neues tkicht vom thimmel geht hier auf iibrr Iesu person: auf der einen Seite über seine wahre Menschheit, welche der Mittheilung und Stärkung von Oben bedurfte; auf der andern Seite wird seine göttliche würde, sowohl im Verhältnis; zum Vater, als auch im Vergleich zu den pro— schrien, der Erde und dem Himmel verlkündigh und dabei ist es von Wichtigkeit, daß die Erscheinung der Propheten als eine verschwindende, Jesus dagegen als allein bei seinen Jüngern bleibend dargestellt wird —- ihr Wicht geht unter, seine Sonne scheint fortwährend. Uictjt weniger Licht verbreitet sich hier iiber das Wert: des Mikro: die innere Einheit des alten und neuen tzuudes wird durch diese Erscheinung offenbar und es zeigt sich, daß in Ehristo die höchsten· Erwartungen des Gesetzes und der Propheten erfüllt werden; fein Tod, weit ent- fernt etwas Jufälliges oder dlnbedeuteudes zu sein, er— scheint hier als die Ausführung des ewigen liathes Gottes und ist von so hoher Bedeutung, daß Gefandte des Himmels kommen, um hieriiber auf Erden zu sprechen. Die Schwere des von ihm zu dringenden Gpfers geht schon daraus hervor, daß er auf ganz außerordentliche Weise zu diesem Kampfe ausgerüstet wird; und der große Zweck seines Leidens, Vereinigung von Himmel und Erde (Eol. I, M, wie wird er uns hier so aufchautich vor die Seele geführt, wenn wir auf dem Berge, obgleich nur fiir wenige Augenblicke, den Himmel auf Erden sich nieder— lassen und Staubbewohiier in die Gemeinschaft der hinun- lifchen aufgenommen scheut« (Vgl. Many. 17, 1——13; Mark. I, 2—13.) 28. Und es begab sich nach diesen Reden fdie Jesus bei feinem Weggange von Bethfaida- Julius nach der Gegend des großen Hermon hinaus hielt] bei acht Tagen fMatth 17, 1 Aum.], das; er zu sich nahm Petrum, Johannem und Jako- bUm, und ging sam Abend vor dem betreffenden Tage] auf eitlen Berg fden füdlichften Gipfel des Hermou bei Icefr Dann-its, f. das Kärtchen zu Mark. 9, es, zu beten [Kap. 3,21; 5,16; 6,12f.; 9, 18]. 29. Und da er betete, ward die Gestalt seines Angesichts anders, und fein Kleid ward nceisz und glän eteI «0. Und siehe, zween Piiinner redeten mit ihm, welche waren Moses und Elias; 31. Die erschienen in Klarheit, und redeten von dem Ausgang faus der Welt], welchen er sollte erfüllen zu Jerusalem [indem er da sterben, am dritten Tage aufersteheu und nachmals gen Himmel fahren würde]. 32. Petrus aber und die mit ihm waren, Der Gang auf einen Berg und Jesu Verklärung daselbst. 691 waren voll Schlafs lvom Schlaf überwältigts Da sie aber auswachteiy sahen sie seine Klarheit, und die ween Männer bei ihm stehen» 3. Und es begab sich, da die [die zween Männer V. so] von ihm wichen, sprach Petrus zu Jesu: Meister, hie ist gut sein; lasset uns drei Hütten machen, dir eine, Most eine und Elias eine. Und wußte nicht, was er redete. 34.—Da er aber solches redete, kam eine Wolke und iiberschattete sie; und sie erschraken, da sie die Wolke überzog. 35. Und es fiel eine Stimme aus der Wolke, die sprach: Dieser ist mein lieber Sohn, den sollt ihr hörenkspkk 36. Und indem solche Stimme geschah, fan- den sie Jesum alleine. Und sie verschwiegen sdem ausdrücklichen Befehl des HErrn gemäß Matth. 17, 9; Mark. 9, 9], und verkiindigten Iciemand nichts in denselbigen Tagen, was sie gesehen hat- teils· lbis nach seiner Auferstehung sie dann aller- dings davon erzähltenL is) Jn Folge der Ankündigung seines— nahen Lei- dens mochte sich eine tiefe Niedergeschlagenheit der Ge- müther der Jünger bemächtigt haben; sie hatten die sechs Tage, über welche die Evangelisten vollständig schweigen, in dumpfer Bestürzung zugebracht. Diesem Eindruck, der wenigstens eben so gefährlich war, als die stürmische Begeisterung nach der Speisung, wollte Jesus entgegenwirkem zu diesem Zweck wendet er das ächte Mittel an, das Gebet, und sucht vor allem die- jenigen unter seinen Aposteln zu stärken, deren Ge- müthszustand auf den der Andern Einfluß übt, und da auf den Höhen die Seele am leichtesten sich sammelt und gehoben wird, so führt er sie auf den Berg. Wie nun das menschliche Mittel zur Stärkung des Glau- bens der drei vornehmsten Apostel das Gebet war, so war das göttliche Mittel die Erhörung dieses Gebets, die Verklärung; diese Beziehung zwischen dem Gebet Jesu und seiner Verklärung ist an unsrer Stelle aus- gedrückt durch: ,,da er betete-«, was eben mehr bezeich- nen will, als ein blos zeitliches Zusammentreffen, und das Gebet zur wahren Ursache der geheimnißvollen Begebenheit macht Jedes höhere Gefühl theilt dem Blick, ja dem ganzen Angesicht des Nienschen einen besonderen Glanz mit; die Regungen wahrer Andacht, der Aufschwung des Geistes im Gebet spiegelt sich im Antlitz ab, und wenn nun dieser Stimmung des Ge- müths, wie bei Moses und Stephanus, eine positive Offenbarung Gottes entspricht, da kann es vorkommen, daß das innere Leuchten durch die Seele hindurch auch ihre körperliche Hülle durchdringt und gleichsam ein Vorspiel von der künftigen Verklärung des Leibes be- wirkt. Eine solche Erscheinung ist an der Person Jesu während seines Gebets, und eben durch sein Gebet, bewirkt worden; die Lichterscheinung durchdrang den Leib Jesu so, daß sie selbst durch seine Kleider hindurch wahrnehmbar wurde. Die Größe der vorangegangenen Wunderthaten hat uns gezeigt, daß Jesus auf dem Gipfel seiner Macht angelangt war; und da in seinem Leben alles harmonisch war, so mußte er eben in diesem Moment auch den Höhepunkt seiner inneren Entwickelung erreicht haben. Was konnte nun von da an weiter mit ihm geschehen? Höher steigen konnte er nicht, rückwärts gehen durfte er nicht; für diese vollendete Persönlichkeit wurde von diesem Augenblick an die irdische Existenz ein zu enger Rahmen, es blieb ihm nur der Ausgang aus dem Leben, für den Men- schen ohne Sünde aber ist der Ausgang aus dem Leben nicht der dunkle Durchgang durch das Grab, sondern vielmehr der Triumphbogen einer herrlicher: Verwandlung. Die Stunde dieser Verherrlichung hatte für Jesum geschlagen, und die Verklärung war der Anfang dieser himmlischen Erneuerung: hätte Jesus nicht selbst diese in ihm vorgehende Veränderung zurück- gehalten, so wäre der Abschluß derselben unmittelbar seine Himmelfahrt gewesen; er hätte mit den Beiden, die zu ihm aus die Erde herabkommem hinauf fahren können. Aber da wäre er allein in die Herrlichkeit zurückgekehrt Unten im Erdenthal lag noch eine ganze, unter der Last der Sünde und des Todes nieder- gedrückte Menschheit: sollte er sie ihrem Schicksal über- lassen? Er wollte erst dann auffahren, wenn er sie mit sich führen konnte; aber zu diesem Zweck mußte er jetzt einem andern Ausgang aus diesem Leben die Stirn bieten, welchen er nur zu Jerusalem erfüllen konnte (Kap. 13, 33). M) Wie haben nur einige Ausleger aus den Ge- danken kommen können, Moses und Elias hätten Jesum über sein bevorstehendes Leiden unterrichtet, da er doch sechs Tage vorher die Zwölfe darüber selbst unterrichtet hat! Viel eher stehen die zwei Himmlifchen gleichfalls in der Schule Jesu, wie sechs Tage vorher die Apostel: Elias lernt an dem Kreuze, das vor ihnen sich erhebt, einen höheren Ruhm kennen, als den der Himmelfahrh nämlich daß man auf die Himmelfahrt verzichtet und ihr einen schmachvollen Tod vorzieht; ebenso lernt Moses, daß es eine erhabenere Liebe giebt als die, am Munde (5. Mos. 34, 5 Anm.) des HErrn zu sterben, nämlich seine Seele dem Zorn des HErrn zum Opfer zu weihen. Mußte eine solche Unterredung nicht die Ankündigung, welche die Jünger seit sechs Tagen mit Grauen erfüllte, göttlich bestätigen? Ist) Wir finden hier wieder die Vollziehung eines in dem ganzen Leben Jesu sich bethätigenden Gesetzes, daß jedem Akt freiwilliger Erniedrigung von Seiten des Sohnes ein Akt der Verherrlichung von Seiten des Vaters entspricht: er steigt in die Fluthen des Jordan, um sich zum Tode weihen zu lassen, da nennt ihn Gott seinen geliebten Sohn (Kap. 3, 21f.); seine betrübte Seele erneuert das Versprechen der Treue bis in den Tod, alsbald antwortet ihm die himmlische Stimme (Joh. 12, 27 ff.). Hier nun bezeichnet der Vater Jesum als seinen Auserwählten (Kap. 2Z, 35; Jes. 42, 1 ff.), wie manche Handschriften auch lesen, nämlich als seinen Auserwählten im höchsten Sinne des Worts, im Gegensatz gegen die zu einem besonde- ren Werke erwählten Knechte, wie Mose nnd Elias; die dann folgende Aufforderung: »den sollt ihr hören«, ist die Wiederholung derjenigen, durch welche Moses, (5. Mos. 18, 15) Israel verpflichtet hat, seiner Zeit die Lehre des Mesfias anzunehmen, und hat die Bedeutung: ,,höret ihn, was er auch sagen mag, folget ihm, wohin er auch führen mag«, wobei eine spezielle Bezugnahme auf das frühere Wort des Petrus (Matth. 1(5, 22): ,,schoiie deiner selbst, das widerfahre dir nur nicht!« nicht zu verkennen ist. f) Die hierauf folgende Unterredung zwischen Jesu und den Jüngern über das Kommen des Elias vor Aufrichtung des messianischen Reichs hat Lukas weg- gelassen: da diese Jdee nur bei den Juden in Umlauf war, so hielt der Evangelist es nicht für nöthig, sie für die Heiden in Erinnerung zu bringen; überdies 44t i? Evangelium Lucä 9, 37——51. cr schon in Kap. l, 17 alles, was über diesen Gegen- nd zu sagen war, iibersichtlich enthalten. (Godet.) I- o. 37—45. (§. on) non dem, was ou de: nun— kehr Iesu mit seinen drei tbegleitern zu den neun übrigen Jüngern vorgesallen, wie er da einen besesse- nen Knaben, den diese nicht zu heilen vermeinten, von seinen: lleiden befreiet habe, berichtet St. linkas zwar nicht so ausführlich, wie warmes, aber dort) die sjirnptpnitkte berührend, wie xldlatthiiusz dagegen theilt er nichts mit von der Verhandlung Jesu mit den Inn— gern, warum sie jene Heilung nicht hatten vollbringen können, sondern verseht uns durch die neue lkeidensvers kiindigung, die der JhErr an die Zwölfe richtet, ganz unvermerkt wieder nach Galiläa hiuiiber bis gen Kaper- nanm, um darnach mit dem in( folgenden Abschnitt ent- hallenen Gespräch die Wirksamkeit in Galiläa vorläufig anzuschließen. Sagt. ilaatlh.17, 14—-23; Mark. 9, 14—32.) 37. Es begab sich aber den Tag heruach san m aus jene Nacht, in welcher der HErr betete Id verkläret ward, folgenden Tage, dem eigent- h achten Tage, auf den in V. 28 hingewiesen indes, da sie von dem Berge kamen, kam ihnen xtgegeti viel Volks szum Zeichen, daß eben etwas Iichtiges an der Stelle, wo die neun Jünger rückgebliebem vorgefallen sei]. 38. lind siehe ein Mann »unter» dem Volk if und· sprach: Lliieisten ich bitte dich, besiehe ei) meinen Sohn lob du nicht ihm helfen und ich dadurch von schwerem Leid befreien mögest]; un er ist rneiu einiger Sohn svgl. Kap. 7, 12]. 39. Siehe, der Geist ergreift ihn, so schreiet [der vom Geist ergriffene Knabe] alsbald, nnd ißet ihn lnämlich der Geist den Knabeu], das) [der Knabe — der schnelle Wechsel der Sub- kte entspricht ganz der raschen, affektvollen Rede] säumet, und mit Noth weichet er von ihm, Inn er ihn gerissen hat [indem er ihn noch beim Zeichen zerschlägt und arg zurichtet]. 40. Und ich habe deine Jiinger gebeten, das; : ihn ausreichen, und sie konnten nichts« 41. Da antwortete Jesus und sprach: O du cgliiubige und verkehrte [5. Mos. 32, 5] Art, Le lange soll ich bei euch sein und euch dul- n?"« Bringe deinen Sohn her."k 42. Und da er [der Knabe, von dem Vater . Jefn herbeigeführt] zu ihm kam, riß ihn der enfel und zerrete ihn ffo daß ein furchtbarer rampfanfall erfolgte] Jesus aber [nachdem er längerer Rede mit dem Vater verhandelt Mark. . 21—24] bedriiuete den uusauberrc Geist und achte den Knaben [der in Folge des Anfalls ie todt dalag, ihn bei der Hand erfassend und ’s Leben znriickrufend] gesund, und gab ihn sei- m Vater wieder legt. Kalb. 7, 15]. 43. Und sie [die Leute, welche Augenzeugen s Vorfalles gewesen] etltfetzten alle iiber r Herrlichkeit Gottes [die aus der Wunderthat Jesu ihnen entgegenleuchtetez denn sie erkannten wohl, das; sie hier den Sohn des lebendigen Gottes vor sich hätten, der gekommen sei, die Werke des Teufels zu zerstören] Da sie sich aber alle ver- wunderten iiber allem, das er that fund von dieser neuen Begeisteruug des Volks die Gedanken leicht wieder auf falsche Bahnen gelockt werden konnten], sprach er zu seinen Jüngern fals er nun mit ihnen wieder heimzog gen Kapernaum Niatth 17, 22; Mark. 9, 30J: 44. Fasset ihr zu euren Ohren diese Reden [die ich schon früher an euch gerichtet habe V. 22 und jetzt ausdrücklich wiederhole, damit ihr euch durch die Bewunderung des Volks nicht zu fal- schen Hoffnungen bethören lasset, als werde es nun bald zur Errichtung eines irdischen König: reichs kommen; es geht vielmehr von nun an in die tiefste Erniedrigung hinunter]. Denn des Men- schen Sohn muß iiberantwortet toerderi in der Menschen Hiiridef [die ihn denn auf die gewalt- samste und schmachvollste Weise tödten werden] 45. Aber das Wort vernahmen sie nicht, nnd es war vor ihnen verborgen, das) sie es nicht begriffen; und sie fiirchteten sich, ihn zu fragen um dasselbige Wort [Mark. 9, 32 Anm.]. is) Zwischen den Erzählungen der drei Evangelisten findet eine Art Abstufung statt: Matthäus berichtet ein- fach die Thatsaclie der Heilung ohne die vorangegangene Krise zu erwähnen, das Wesentliche ist fiir ihn die da- rauf folgende Unterredung mit den Jüngern; bei Lukas geht dem Bericht über die Heilung die Schilderung der Krise voran; Markus endlich erzählt bei Gelegenheit der Krise eine bemerkenswerthe Unterredung Jesu mit dem Vater des Kindes. Das Meisterstiick des letzteren dabei ist der Bericht, wie Jesus die Frage, ob er Macht habe zu heilen, in die umfetzt, ob der Fragende Macht habe zu glauben und dieser erschrocken iiber die Ver- antwortlichkeit, welche durch diese neue Stellung der Frage auf ihn fällt, in seiner Herzensangst die Llliacht Jesu für seinen Glauben, der ihm als lauter Unglaube erscheint, zu Hilfe ruft — eine Photographie des mensch- lichen Herzens! (Godet.) III) Ein einziges Wort, das aber eine Welt voll Wehmuth verräthl All der Streit, die Selbstverleug- nung, die Kraftanstrengung, die es seiner Liebe kostete, um fortwährend in einer Umgebung zu weilen, die in allem das Gegentheil von seinem inneren Leben und Streben war, klingt in deinfelberi in überrascherider Weise durch; wie viel schwerer ihm dieser Streit nach dem geworden, was er gerade in derselben Nacht ge- hört, gesehen und genossen hatte, wageu wir nur still zu vermuthen. (v. Oosterzee.) Jesus faßt seine Jünger mit dem ganzen Volk zusammen und bezeichnet das Ganze als ein ungläubiges und verkehrtes Geschlecht; alles, was er in den Jüngern erreicht hat, ist immer noch kein selbständiger, sich selbsttrageuder Grund, der sich allewege und immerdar von der Verderbteu Masse absouderte und heiligte, sondern er selber muß ihnen noch immerfort äußerlich zu Hilfe kommen, daß sie nicht immer wieder in das allgemeine Verderben des Unglaubens und der Verkehrtheit zurückstreben. (Vaumgarten.) Heilung des Besessenen Knaben. Der Jünger Rangstreit 693 sitt) Wie manche Eltern erleben das äußerste Herzeleid an ihren Kindern! wie wenige mögen »aber wohl derer sein, die sich dadurch zu Christo ziehen lassen! (Starke.) Christus ist weit mächtiger als alle Heiligen; darum sollen wir in der Noth nicht zu diesen, sondern zu Christo selbst unsre Zuflucht nehmen. (Cramer.) » , · f) Das, was der HErr ihnen jetzt sagen will: »diese Reden-«, soll den Eindruck der allgemeinen Ver- wunderung über Jesu Thaten nicht verwifchen; aber wissen sollen sie, wie ganz anders Jesu Wege ausgehen werden, als man aus der gegenwärtigen Stimmung des Volks und ihren Aeußerungen schließen konnte. (v. Burger.) Der HErr ist durch» keinen falschen Schein zu mißleiten — im Gegentheil, er will seine Jünger aufmerksam machen auf den engen Zusammen- hang der Hofianncks und des ,,kreuzige! kreuzigel« (v. Oosterzee.) IV. to. 46—50· (§. 67.) von dem, was nach der Rück— kehr nach tkapernaum vorgefallen, hatte die Angelegen- heit wegen des Zinsgroschetis fiir Thcophilus und die durch ihn repriisentirte heidencljristliche tiirclje nur eine untergeordneie Bedeutung (stlatth. 17, »Es-l Anm.»); St. Lukas übergeht also diese Geschichte, erzahlt sogleich den ttangstreit der Ilänger und verknüpft damit eine Verhandlung zwischen Johannes nnd Jesus über eine Art der Geufelaustreibunm die ersteren! nicht gefällt, non letzterem aber nicht verboten wird, wie sie auch be: itlarkus vorkommt (vgl. Many. 18, 1——20; Mark. 9, 33—50). 46. Es kam auch [noch während sie auf dem Heimwege nach Kapernaum begriffen waren Matth 18, 1 Auen] ein Gedanke unter sie, welcher unter ihnen der Gröszeste wäre? 47. Da aber Jesus den Gedanken ihres Her- zens sahe, ergriff er [hernach, als er mit ihnen zu Hause angelangt Mark. 9, 33 f.] em Kind und stellete es neben sich, 48. Und sprach zu ihnen: Wer das Kind aufnimmt in meinem Namen, der 1iimmt mich auf; und mer mich aufnimmt, der nimmt den auf, der mich gesandt hat. Welcher aber der Kleinste ist unter euch allen, der wird groß sein s— über das Aergernißgeben vgl. Kap. 17, 1 u. 2]. 49. Da antwortete Johannes und sprach: Meister, wir sahen einen, der trieb die Teufel aus in deinem Namen, und wir wehreten ihm; denn er folget dir nicht mit uns. 50. Und Jesus sprach zu ihm: Wehrer ihm nicht; denn wer nicht wider uns ist, der ist fiir uns [vgl. 4. Mos. 11, 26 fs.; Philipp. 1, 18]. Die Regel: »wer nicht für niich ist, ist gegen mich« (Kap. 11, 23; Matth 12, 30) findet bei der Be- urtheilung unsrer eigenen Gesinnung ihre Geltung; die andere, hier vorliegende muß uns bei dem Urtheil über Andere leiten. Das erste Wort giebt uns zu bedenken, das; vollkommene Neutralität in des HErrn Sache umnöglich ist; das andere warnt vor kleingeisti- ger Neigung zur Ausschließung Andersdenkender (v. Oosterzeeh Der blinde Religionseifer ist der größte Jrrthum in der Religion (Röm. 10, 2); die wahre Liebe billigt das Gute, es geschehe, wo und von wem es wolle. (Hedinger.) Es giebt Brüder, welche, in kirchlicher Beziehung von uns getrennt, doch mit uns für die Sache Christi kämpfen, und es giebt Leute, toelche derselben Religionsgemeinschaft mit uns ange- hören, aber die Grundlage des Evangeliums unter- graben: die einen sind als unsre Verbündeten itn feind- lieben Lager zu betrachten, die andern als Feinde in unserm eigenen. (Godet.) I. V. 51—62. (§. 70.) nachdem der tJGrr erst unmittel- bar vorher es abgelehnt hat, auf die Rathschläge seiner tZriider einzugehen und in ihrer weise und auf ihren Wegen hinauf gen Jerusalem zu ziehen, wo demnächst die tiefer des Eaubhiittenfestes bevorsteht (Ioh. 7, 2 sf.), koinmt gleichwohh als sie selber von Galiläa nun aufge- brochen sind, sofort auch seine Stunde, die Stätte der bisherigen Wirksamkeit zu verlassen und denjenigen Weg auzutreten, der nach einem halben Ilahr mit seinem königlichen Giuzug in die heil. Stadt endet nnd darauf ihn zum tireuze führt. Schon jeht will er vorläufig zum Feste dahin kommen; weil aber seine Reise ,,uicht offen— barlich, sondern gleich heimlich« (Joh. 7, 10) geschehen soll, bcabsichtet er durch Samaria zu ziehen, jedoch die Samariter verweigern ihm die Aufnahnie und er muß daher eine andere Straße einschlagen. Auf dieser nieldet sich Giner zn seiner islachfolge, in welchem wir den her— fasser unsers Gvangelii erkannt haben (Matth. 19, 2 Anm.); das bietet Gelegenheit, zwei ähnliche Fälle ans früherer Zeit mit diesem zu einem Ganzen zu verbinden. —- Wir sehen da bei einander drei thaupthindernisse einer entschiedenen taachfolge des hatten, nämlich 1) der Welt Gitter und Freuden, L) der Welt Schmerzcn und Sorgen, Z) der Welt ttreundskhaften und verbin- dungeu; und sehen dreierlei herzensstelliiiig zu dem hGrrm l) die der beteiligen, L) die der Be— denklichem Z) die der Zurürkseheitdem (Gerok.) 51. Es begab sich aber sAnfang Oktober des J. 29 n. Chr.], da die Zeit erfüllet war kund die Tage immer näher heranrücktens daß er sollte sdurch Leiden, Sterben, Auferstehung und Himmel: fahrt] von hinnen genommen werden [Apostg.1,2], wandte er sein Augesichh stracks gen Jerusalem zu wandeln [machte er die Reise nach Jerusalem, dem Ort seines Leidens und seiner demnächstigen Aufnahme in den Himmel Kap. 24, 50 sf., zum festen Augenmerh so daß er Galiläa nun hinter sich ließ Matth. 19, 1; Mark. 10, 1]. Vor Kurzem hatte Jesus auf jenem Berge im Nordosten Palästincks mit Moses und Elias von dem Ausgange geredet, welchen er in Begriff stand in Jeru- salem zu erfüllen (V. 31); er war inne geworden, daß seines Bleibens in Galiläa nicht mehr sei, und nun war seine Seele ganz von seinem nahen letzten Geschick erfiillt Das nächste große Fest, das Passafest des J. 30, sollte sein Ende herbeiführen: dies stand ihm klar vor der Seele, die Zeit vom Laubhüttenfest aber bis zu jenem Fest galt ihm nur als eine Zwischen- zeit, welche ihn mit jedem Monat feinem Ausgang näher brachte; trat er jetzt jene Wanderung an, so konnte ihm dieselbe nur als ein Gang zu seinem Ende in Jerusalem erscheinen (Lichtenstein.) Als der HErr zu Kapernaum und Bethsaida hatte aus-gepredigt, richtet er sich in die dritte Wallfahrt und will sie enden, die Menschen zu erlösen; er xoußte sehr wohl die Zeit 694 Evangelium Lucä 9, 52—— 60. seiner Predigt aus dem Daniel (9, 24——27) und in dem halben Jahr des vierten Jahres seiner Predigt (mitten in der, mit dem Auftreten Johannis des Täu- fers im Oktober 26 n. Chr. beginnenden Jahrwoche) sollte er sterben. (Luther.) Mit Muth, freudiger Ent- schlossenheit, ohne Schwanken und Zögern, ging Jesus den Todesgang gestärkt im Geiste. So muß sich jeder Christ stärken auf einem schweren Lebensgange, in einer Kampfesstunde und endlich zum Tode. Der Weg dahin führt zum himmlischen Jerusalem. (Heubner.) 52. Und er sandte [indem er den geraden Weg von Galiläa nach Judäa durch Samaria einschlagen wollte, s. Karte V] Boten liu zween seiner Jünger, nämlich die beiden Söhne Zebedäi V. 541 vor ihm hin fnach Samariajz die gingen hin snach dem ihnen bezeichneten Orte] und kamen in einen Markt [9)eatth. 9, 35 Drum. 11 der Sa- mariter, daß sie ihm [in irgend welchem Privat- hause daselbst Kap. 2, 7 u. Nicht. 18, 2 Anm.] Herberge bestelleten. 53. Und sie sdie Bewohner selbigen Orts, in dem einen Hause wie in dem andern] nahmen ihn iiicht an, dar1im daß er sein Angesicht ge- wendet hatte, zu wandeln gen Jerusalem sgegen welche Stadt ja die bekannte Nationalseindschafh in welcher die Samariter mit den Juden stunden Joh 4, 9., am größten war] Auch sonst nahmen wohl die Festpilger aus Gali- läa, wenn sie an die Feindschaft mit den Samaritern sich nicht weiter stießen, ihren Weg durch deren Land; sie zogen da die Straße am Meer (vgl. Matth 4, 15) entlang, zwischen dem Tabor und der Stadt Nazareth hindurch und erreichten jenseit Nain die Straße, welche von Nazareth in gerader Richtung südlich tiber Ginäa nach Judäa führt (Karte VI). Ginäa, das alte En- Gan1iim (Jos. 19, 21; 21, 29), war der Grenzort zwischen Galiläa und Samaria; vielleicht ist es auch derjenige Markt gewesen, wo die Boten Jesu ihm Herberge bestellen sollten, wenigstens wird uns von Josephus erzählt, daß hernach auch unter dem Land- pfleger Ventidius Cumanus (48—52 n. Chr.) die Ginäer galiläische Festpilger mit bewafsneter Hand übersielen und ein blutige-Z Gemetzel unter ihnen anrichteten. Aber nicht als einem Privatmann, wie es scheinh wei- gerten sie Jesu hier die Ausnahme, sondern weil sie ihn als den Propheten von Nazareth, der für den Messias gehalten wurde, schon kunnten, er aber sich bisher ansschließlich nur als Anhänger der jüdischen Nationalität bewiesen hatte (Matth. 10, 5 f.) und wohl gar nun in der Absicht nach Jerusalem gehe, sein Reich dort zu errichten; sie verstanden also nicht, daß er gerade darum jetzt bei ihnen Herberge suchte, um auch ihre Berufung zii seinem Reiche ihnen vorzube- deuten, wenn es auch dabei sein Bewenden behalte, daß das Heil von den Juden komme (Joh. 4, 22). Er seinerseits jedoch gedenkt ihrer auch ferner im Frieden (Kap. 10, 33 ss.)· 54. Da aber das [wie schnöde die Leute den geliebten Meister von der Thür wiesen und auch nicht Ein· Haus zur Herberge sur ihn sich offnete] seine Junger Jakobus und Johannes [Matth. 10, 4 Auen. Nr. 3 u. 41 sahen, sprachen sie sals sie von dem Nichterfolg ihrer Sendung ihm Mel- dung machten]: HErr, willst du luns gestatten, was gegen »diese gottlosen Samariter uns als ge- rechte Vergeltung erscheints so wollen wir sagen, daß Feuer vom Himmel falle und verzehre sie, wie [also] Elias lin Beziehung auf die beiden Hauptleute des Königs Ahasja und ihre je fünfzig Mann» Z. Kön 1, 9ff.] that? öd. Jesus aber fder sich wohl jedermann anbot, aber niemand aufdrängte Kap. 8, 37 und hier schon im Begriff stund, seine Straße ruhig weiter zu ziehen, ohne daß die verweigerte Auf- nahme von Seiten der Samariter ihn im Gering- sten erregt hätte] wandte sich lden Beiden, als sie ihrer Meldung noch diesen Antrag beifügten wieder zu], Und bedränete sie lden Antrag mit dem Ausdruck entschiedener Mißbilligung zurück- weisend] Und sprach: Wisset ihr nicht lbedenket ihr, wenn ihr da auf des Elias Exempel euch beruft, als müßte sein Verhalten ohne Weiteres und unter allen Umständen euch zur Richtschnur dienen, so gar wenig], welches Geistes Kinder· ihr seid? 56. sHättet ihr, statt an des Elias Beruf, vielmehr an den eures HErrn und Meisters gedacht, würdet ihr jetzt, wo der Tag des Heils und die angenehme Zeit im vollen Anzug be- griffen ist, nicht von Feuer vom Himmel und von Verzehren deiHWiderwärtigen reden] Des Men- schen Sohn ist süberhauptj nicht kommen, der Menschen Seelen zu verderben, sondern zu er- halten [Joh. s, 17; 12, 47]. 57a. Und sie gingen [auf die Wege ihres sanftmüthigen und von Herzen demüthigen HErrn gern und willig eingehend] in einen andern sciuf galiläischem Gebiet gelegenen] Markt sum dort sich Herberge für die bevorstehende Nacht zu suchen]. Christus war mit den Jüngern auf der Reise nach Jerusalem: er reiste hier eigentlich in Angelegenheiten der Samariter, und that diese Reise wie alle die an- dern, um sie und alle Menschen sanft zu betten und ihnen eine ewige Herberge zu bereiten. Zwar das mochten die Jiinger, ob er ihnen gleich verschiedentlich darüber gesprochen hatte, doch vielleicht so ganz noch nicht begriffen haben; aber sie waren doch 2—3 ganze Jahre mit ihm umhergezogen und hatten gesehen, daß er nicht seinetwegen umherzog und nicht gekommen war, sich dienen zu lassen, daß er nichts als Gutes lehrte und Gutes that, links und rechts und ohne An- sehen der Person, und daß er sich nicht zweimal bitten ließ und jedem, der sein bedurfte, mit Liebe und Freundlichkeit zuvorkann Dazu war es jetzt das letzte Mal, daß er ihre Herberge brauchte; denn die Zeit war erfüllet, daß er sollte von hinnen genommen werden, und er ging hier der Schmach und dem Tode entgegen. Und nun wird ihm das Nachtlager versagt, und seine Boten werden abgewiesen —— kannst du es den Jüngern übel nehmen, wenn sie da univillig wur- den? Der ist kein fchlechter Mann, dem die Galle über- Die Samariter verweigern Jesu den Durchzug durch ihr Land. 695 läuft, wenn er so Gutes mit Undank belohnen und Recht und Billigkeit mit Füßen treten sieht; und nimm nun noch dazu die Anhänglichkeit und Liebe, womit die Jünger ihrem HErrn und Meister zugethan waren und anhingen Wem alles gleich viel und einerlei ist, der hat gut sprechen; aber wem es an etwas gelegen und in der Brust nicht hohl ist, dem ist anders zu Muthe als dem Eiszapfen am Dache des Toleranz-Tempels. (Claudius.) Aber selbst wenn die Begeisterung einem würdigen Gegenstande gilt, wenn sie zu dem wahrhaft Großen und Ehrwürdigen sich erhebt, ja, wenn sie auf das Höchste gerichtet ist, auf Gott selbst und seine Offenbarung in Christo, auch dann ist sie noch nicht unbedingt zu loben und zu preisen; es giebt auch Verirrungen der frommen Begeisterung Sie, die fromme Begeisterung, auf die rechte Weise geleitet, ist ein mächtiger Strom, der, in sichere Dämme eingeschlossen, segnend und befruch- tend zwischen üppigen Triften dahin fließt; aber wo die Dämme fehlen, da vermag dem immer ungestü- meren Andrange seiner Wogen bald nichts mehr zu wehren, brausend ergießt er sich über die Ufer und überschwemmt die weite Flur und verbreitet überall Unheil und Zerstörung. Die Worte, die ich rede, spricht Christus (Joh. S, 63), die sind Geist und Leben; und wie sein Wort, so ist auch er selbst und sein ganzes Leben eine reine Flamme göttlicher Begeiste- rang, eine unerschöpfliche Fülle des lebendigsten und tiefsten Gefühls, aber über allem waltend eine heilige Ruhe und Klarheit. (J. Müller.) Den beiden Kindern Zebedäi, Jakobus und Johannes, mochten alle messta- nische Tone durch die Seele klingen wie die (Ps.24, 7): ,,Machet die Thore weit, und die Thüren in der Welt hoch, daß der König der Ehren einziehe«; und sie mochten daran denken, daß es zu den Widersachern des Gottgesalbten heißt (Ps. 2, 12): ,,küsset den Sohn, daß er nicht zürne und ihr umkommet auf dem Wege-« Sie gedachten an die Strafgerichte, welche schon Elias auf die Widersacher der Ehre Jehovcks herabgerufen; die Widersacher des HErrn in diesen Samaritern aber scheinen ihnen die Gerichte Gottes noch viel mehr ver- schuldet zu haben, als jene Widersacher des Elias. Jndessen haben sie nicht nur den Geist Christi verkannt, sondern auch den Geist, in welchem einst Elias gewirkt; dieser hatte mit Hingebung dem Geiste Gottes gedient, der durch ihn die alttestamentliche Theokratie durch schwere Gerichte vor dem drohenden Untergang zu retten nöthig fand, sie dagegen wollten jetzt den Geist Christi unter ihren Eifergeist gefangen nehmen, den sie sich als die treibende Gotteskraft dachten, worin Elias gehandelt. (P. Lange) Der heilige Geist muß immer das treibende Princip sein; aber er treibt nicht immer zu denselben Handlungen, sondern nur zu sol- chen, die im Einklang stehen mit der jedesmaligen Stufe der Heilsgeschichte und der Heilsentwickelung (v. Burgen) Derselbe Eine Geist, welcher stets nach Einem trachtet, nämlich nach der Verherrlichuug Gottes, sagt doch nicht zu allen Zeiten und zu allen Personen ein und dasselbe: anders spricht er durch das Gesetz, anders durch das Evangelium; anders zu denen, welche Christus sucht und selig machen will in der Gnadenzeit, anders zu denen, welche er richtet am Tage des Gerichts. Das war nun der Fehler der Jünger, daß sie nicht hörten, was der Geist, welcher Eliam Feuer vom Himmel fordern hieß, ihnen sagte, und daß sie vor ihrem eigenen Geist (Mal. 2, 15) sich nicht vorsahen, der sie betrog mit Eliä Exempel. Was sagte ihnen aber der Geist? Das, was der HErr in die Worte faßt: »des Menschen Sohn ist nicht kommen 2c.« Sie waren Christi Jünger und sollten also mit Christi Waffen kämpfen, mit der Sanftmuth, die das Erdreich besitzen wird (Matth. 5, 5), mit der Liebe, die alles verträgt, hoffetz duldet (1.Cor.13, 7), mit der Geduld, die nicht will, daß jemand verloren werde, sondern daß sich jedermann zur Buße kehre (2. Petri Z, 9). Dereinst wird Christus mit Feuer- flammen zur Rache kommen (2. Thess.1, 8 ff.), und dann werden seine Engel und seine Gläubigen die Werkzeuge seiner Rache sein; aber innerhalb der Gna- denzeit hat er seine Lust an dem Feuer, welches er durch seine Bluttaufe aus Erden angezündet hat (Kap. 12, 49 f.), und die Funken dieses unerhörten Liebes- feuers in die verhärtetsten Siinderherzen zu werfen ist seiner Jünger Beruf. (Besser.) Die Kirche kennt keine Rache, ihre Diener sollen sie auch nicht kennen: Ofsenb. 13, 10. (Quesnel.) Des HErrn Jesn eigene Rache an Samaria für die ihm hier widerfahrene Be- leidigung liest man in Apostg 8, 14-—17. (v. Oosterzee.) Derselbe Johannes aber, der hier mit Jakobus will Feuer vom Himmel fallen lassen, betet dort mit Petrus die Gabe des heil. Geistes über die Samariter herbv in apostolischer Macht. (Stier.) Jn Betreff des Jako- bus s. Apostg 4, 24 ff. — Wenn man auch dir bei deinem guten Vorhaben nicht zur Hand geht: was Raths? — nimm einen andern Weg! (Bengel.) 57b. Es begab aber fdoch schon in einer viel früheren Zeit, vgl. §. 34 der Evangeliem harmonie aus S. 133], da sie fdamals auch, wie jetzt, bei der Weiterwanderung von dem Ort ihrer Eltachtherberge aus] auf dem Wege waren, sprach emer fund · zwar ein Schriftgelehrter] zu ihm: J? ffmll dcr folgen, wo du [auch immer] hin- gc c . 58. Und Jesus [der da wohl wußte, was in einem jeden Menschen war, und feine guten Gründe hatte, warum er diesem hier sich nicht an- vertrauen mochte Joh Z, 24 f.] sprach zu ihm: Die Fhchse haben Gruben, und die Vö el unter dem Himmel· haben Nester; aber des s enscheti Sohn hat nicht, da er sein Haupt hiulege fund da würde es später dir wieder leid werden, dich in meine Nachfolge begeben zu haben, ich kann also dein Anerbieten nicht annehmen]. 59. Und er [Jesus] sprach Dagegen] zu einem andern [den er für geeigneter erkannte, sein blei- bender Nachfolger zu werden, nämlich zu dem nachmaligen Apostel Thomas Matth. 8, 22 Anm.]: Folge uiir nach, Der sprach aber: Mir, er- laube mir, das; tch zuvor hingehe sin mein euer: liches Haus] und meinen leben gestorbenen] Vater begrabe. 60. Aber Jesus lder ihn bei seiner Charak- tereigenthümlichkeit nicht mehr aus der geistigen Haft entlassen konnte, in die er ihn einmal ge- nommen]»sprach zu Ihm: Laß dle lnoch geistlichJ Todten sdaheun m deinem Hause] thre [leiblich] Todten [mit denen sie so auch in innerer Ver- wandtschaft stehen] begraben lfür die ist die Ver- pflichtung gegen eme Hand voll Staub das Höchsta 696 Evangelium Lucä 9, So. was sie kennen, und sie versäumen darüber nichts Wichtigeres]; gehe du aber [in welchem ein neues Leben aus Gott bereits seinen Anfang genommen, in Kraft des apostolischen Berufs, zu dem ich dich ausersehen habe] hin nnd verkiindige das Reich Gottes lum auch Andere zu neuem Leben zu erwecken]. Es wurde schon zu Matth. 8, 22 bemerkt, daß St. Lukas hier mit der in V. 61 f. folgenden Berufungs- geschiehte, die wirklich in diejenige Zeit des Lebens Jesu fällt, bei welcher wir jetzt stehen, zwei andere ähnliche Vorfälle ans früherer Zeit (vor ca. 13 Monaten) ver- bindet; sein Ausdruck, womit er inach dem Wortlaut des Grundtextes den Abschnitt einleitet: Es begab sich aber, da sie (Jesus mit den bereits zu seiner Nachfolge berufenen Jüngern) auf der Reife be- griffen waren, (also) auf dem Wege, giebt deutlich genug zu erkennen, daß es ihm nicht darauf ankommt, schlechthin chronologisckd Nach genauer Aufeinanderfolge der Begebenheiten, zu erzählen, sondern daß er Jesum »auf dem Wege«, in seinem rnhelosen und wandernden Leben voll Mühe und Entbehrung, voll Kampf und Selbstverleugnung vor Augen hat, und da verschwindet ihm der Unterschied der Zeit, wie bei der Fernsicht die hinter einander liegenden Höhen zusammenrückem als läge kein Raum von weiten Thälern oder Ebenen dazwischen. Wie aber solche Vereinigung mehrerer, zeitgeschichtlich verschiedener, doch innerlich zusammengehörigerBegeben- heiten zu einem« Gesammtbilde für die geistliche Auf- fassung des Lebens Jesu und für das Wachsthum in christlicher Erkenntniß einen großen Gewinn austrägt, haben wir ebenfalls an jener Stelle des Matthäus schon angedeutet; die Auffindung des geschichtlichen Fa- dens und die chronologifche Zusammenstellung konnte ruhig der theologischen Wissenschaft in den verschiedenen Zeitaltern der Kirche als die ihr zufallende Aufgabe überlassen werden, weil die Schwierigkeiten, mit denen sie da zu kämpfen hat, am besten zu Tage bringen, swas in und an ihr ist, etwaige Fehlgrifse nnd Jrrthü- mer aber, ohne im Augenblick zu schaden, im Laufe der Zeit fich von selber fühlbar machen und den Forschungs- trieb nur desto mehr reizen. Jndem wir es jetzt mit der verschiedenen Behand- lungsweise zu thun haben, die Jesus den beiden Män- nern hier, und hernach in den beiden folgenden Versen einem dritten zu Theil werden läßt, geben wir zur weiteren Vertiefung in das Gelesene einige Aussprüche von bedeutenderen Gottesgelehrten unsrer Zeit. — Wie Gott der HErr einst bei der Schöpfung Gras und Kraut, ein jegliches nach seiner Art, Lichter am Him- mel, groß und klein, und Thiere auf Erden schuf in allerlei Gattung, so zeigt fich uns diese Mannigfaltig- keit der Gaben auch im Reiche des Geistes, und zwar auf dem Gebiete der Natur wie auf dem der Gnade. Sehen wir z. B. den Kreis der 12 Jünger an — wie mancherlei Temperaniente, Gemüthsarten, Naturgaben sind hier zu einem Kranze verflochten gleich den ver- schiedenartigsten Blumen! Wie verschieden der feurige Petrus und sein stiller Bruder Andreas, der milde seelenvolle Johannes und der ehrliche rauhe Nathanaeh der thatkräftige Jakobus und der melancholisch grübelnde Thomas! Wahrlich, es gehörte so ein starkes Band dazu, wie die gemeinsame Liebe zum Errn, um diese so ganz verschiedenartigen Charaktere m Eintracht und Liebe zusammenzuhalten. Oder, um ein näheres Bei- spiel zu nehmen, sehet in einen Gefchwisterkreis hinein. Schauer, ihr Eltern, euch um unter eurem KinderhäuF lein, hat nicht jedes seine eigene Art, verlangt nicht jedes seine besondere Behandlung? Da wächst denselben Eltern neben einem begabten Kind, von dem man viel hoffen und verlangen darf, ein anderes herauf, schwach an Leib und Seele, mit dem man Geduld und Nach- ficht haben miiß; neben einem feurigen Temperament, wo man nur immer Zaum und Zügel braucht, ein träges Gemiith, das gespornt und getrieben werden will; neben einem heiterm, offenen Kind, das sein Herz auf der Zunge trägt, ein schüchternes und verschlossenes, dessen Herz und Mund aufzuschließen ein besonderer Schlüssel nöthig ist; neben einem gutartigen Töchter- lein, das mit einem Blick zu leiten ist, ein störriger und trotziger Knabe, bei dem man die Ruthe nicht schonen darf. Und es gehört viel Elternliebe und Eltern- weisheit dazu, um bei jedem den rechten Ton zu treffen. Nicht anders ist es bei einem Seelsorger. Der sel. Stadtpfarrer Dann sagte manchmal, wenn er ausgehe zu seinen Haus- und Krankenbesuchem müsse er einen ganzen Schlüsselbund in der Tasche mitnehmen für all die verschiedenen Häuser und Herzen und oft lange probiren, bis er den rechten Schlüssel finde für eins seiner Beichtkinder. Da braucht das eine Trost, das andere Vermahnung, das eine Gesetz, das andere Evan- gelium, das eine Belehrung für den Kopf, das andere Anregung für’s Herz, das eine geistlichen Trost, das andere leiblichen Rath, und man möchte nur immer wie ein Paulus allen alles fein. Dieses geistliche Schlüsselamt an den Herzen, diese christliche Gärtner- kunst, die jedes Gewächs nach seiner Art zu behandeln versteht, diese göttliche Erziehungsweisheit verschieden- artiger Seelen können wir von niemand besser lernen, an niemand schöner schauen, als an unserm HErrn, dem großen Herzenskündiger und Seelenhirten. Wie hat er in seiner himmlischen Weisheit und Liebe für jede Seele immer den rechten Ton gefunden, sie an- zufassenl Wie ganz anders spricht er mit einem demü- thigen Zöllner und mit einem selbstgerechten Pharisäer, mit einer rüstigen Martha und mit einer gekuickten Magdalena, mit einem vorlauten Petrus und mit einem schüchternen Zachäusl Besonders merkwürdig erscheint hier dieser Kennerblick und diese Meisterschaft Jesu in Behandlung der Charaktere und Temperamente. Drei Menschen stehen vor ihm und bei allen dreien handelt sichs um’s Nämliche, um die Nachfolge des HErrn, um die Aufnahme in die Jüngerschaft Aber wie verschieden behandelt sie der HErrt Den einen hält er streng dar- nieder, den andern richtet er freundlich auf, den dritten (V. 61f.) treibt er unnachsichtlich vorwärts. (Gerok.) Die Nachfolge des HErrn, zu welcher der Schriftge- lehrte diesem sich anbot, war nicht jene gewöhnliche, zu der fich schlechthin ein jeder entschließen mußte, der ein Jünger Jesu werden wollte, und ohne welche man auch jetzt kein Jünger Christi sein kann, und wobei damals ebenso wie jetzt ein jederjiu seinem Stande, in seinen Verhältnissen und in seinem Hause bleiben konnte; es war vielmehr eigentlich eine fortwährende Begleitung Jesu auf allen feinenJIteisen und Wegen, jenes nähere Verhältniss mit ihm, worin nur die Zwölfe, die er dazu erwählt hatte, mit ihm standen und welches nicht statt- finden konnte, ohne daß einer nicht Haus und Hof, Vermögen und Verwandtschaft u. s· to. gewissermaßen völlig aufgegeben»hätte. Dazu wurde mehr erfordert, als daß man in einer besseren Stunde und in einer edleren Stimmung des Gemüths fich zu Jesu hinge- zogen und für ihn und für das Ewige und Himn1lische interefsirt fühlte, mehr als daß man es eininal in über- wältigender Stärke als recht und schön erkannte, daß ein Mensch fich selbst und sein ganzes Leben Gott und g Jesu früheres Verfahren gegen zwei Männer bezüglich der Aufnahme in seine Jüngerschast 697 der Ewigkeit weihe. Dazu wurde ein Können erfordert, das selten war und ist, ein zu Kampf und Ueberwin- dung fest entschlossener, in der Wahrheit gegründeten in Verleugnung geübter Sinn. Das harte und einfache Leben eines frommen Fischers gab dazu schon eine viel bessere Vorbereitung, als das weiche und bequeme eines Schriftgelehrten Der beständige nahe Umgang mit Jesu, die tägliche Gelegenheit, Worte des ewigen Lebens aus seinem Munde zu hören und die Werke seines Va- ters, die er that, zu sehen, konnte für einen Menschen, der die Wahrheit und das Göttliche lieb gewonnen hatte, freilich einen solchen Reiz haben, daß ihm gegen diesen höchsten Genuß jede Entbehrung leicht scheinen, ja lieb und gesegnet sein konnte, insofern sie ihm dazu ver- half, insofern dieser Genuß aus ihr gewissermaßen her- vorging. Dabei wurde dann die Betrüglichkeit und Wandelbarkeit des menfchlichen Herzens, das Wider- streben des Fleisches, das Müdewerden unter fortgehen- der Entbehrung, Verleugnung und Beschwerlichkeit nicht mit berechnetz man glaubte, so, wie man diesen Augen- blick empfinde, werde man immer empfinden, dies hohe, heilige Gefühl werde von nun an bleibendes und allein herrschendes Gefiihl des Lebens sein. Aber Jesus, der das menschliche Herz bis in seine tiefste Tiefe kannte, der nie aus vorübergehendes Gefühl bauete und nie darauf gebaut wissen wollte, bewies sich treu und wahr- haftig, indem er solche Menschen zurück und eben damit zurecht wies. Er wies keinen zurück, der, wenn er ihn angenommen hätte, bestanden wäre, und er nahm keinen an, den fein Entschluß und die Ausnahme des HErrn wieder gereuen konnte —- mit Judas Jscharioth hat es eine andere Bewandtniß, die dem nicht widerspricht. (Menken.) Wie der Schriftgelehrte sich selbst angeboten hatte zur Nachfolge, so fordert Jesus den ,,Andern« dazu auf; während aber jenen Schwierigkeiten von der Nachfolge abschreckten, hielten diesen scheinbar heilige Pflichten davon ab. Der HErr nun will den bereits gläubig Gewordenen, welchen er jetzt zur beständigen Nachfolge aufgefordert hat, zur Entscheidung bringen; er soll den günstigen Zeitpunkt zur Bestimmung des ganzen Lebens für eine höhere Richtung ergreifen, alles aber, auch das an und für sich Erlaubte ja für noth- wendig Erachtete, um seinetwillen lassen; alles Aeußere, selbst die Pflicht der Pietät gegen den verstorbenen leiblichen Vater, soll er denen überlassen, welche sich noch rein im Aeußeren bewegten, und statt dessen dem an ihn ergangenen Rufe Folge leisten. Mit der Be- zeichnung ,,ihre Todten« wird unverkennbar darauf hingewiesen, daß der Verstorbene auf keinem-wesentlich anderen Standpunkte sich befand, als die Lebenden, die ihn begraben wollen. (Olshausen.) Hat der HErr bei dem Ersten gezeigt, daß er nicht um jeden Preis Jün- ger haben wolle, die vielleicht in der Prüfung des Lebens nur Schiffbruch leiden, so zieht er dagegen den zweiten, der schon zu den Jüngern gehört, um so fester an sich heran, indem er ihn im entscheidenden Augenblicke auf- fordert: ,,folge mir nach!« Er aber bittet um die Er- laubniß, daß er hingehe und zuvor seinen Vater begrabe. Kann ihm der HErr die Erfüllung der Kin- despflicht verweigern? Er thut es dennoch mit dem auffallenden Wort: ,,laß die Todten ihre Todten be- graben, gehe du aber hin und verkündige das Reich Gottes« Der Vater muß schon todt gewesen sein, denn nicht einen unbestimmten Aufschub begehrt der Jünger, um den sterbenden Vater noch zu pflegen; auch muß der Sohn die Trauerbotschaft beim HErrn empfangen haben, denn aus dem Trauerhause wäre er nach der Sitte des Volks nicht vor der Bestattung zu Jesu gekommen. Es fragt sich also: soll er heimkehren s Leben solche Augenblicke der Entscheidung? und die heilige letzte Pflicht an der theuern Leiche ver-s—- richten? Er selber läßt ein Schwanken merken: ,,HErr, erlaube mir, darf ich wohl gehen?« er stellt es jedoch an den HErrn Warum aber schneidet dieser so streng und rückfichtslos durch? Wir trauen ihm zu, daß er weiß, warum, daß er in das Herz des Jüngers hinein- blickt, der es ja will auf seine Entscheidung ankommen lassen; daß er ebenso hineinblickt in die Verflechtung der Verhältnisse und Familienbeziehungem denen der Zauderer leicht wieder konnte ganz und gar zur Beute werden; die ihn konnten, wenn er jetzt zurückfiel Und das drängende Werk des Reiches Gottes hinausschob, gänzlich von der Sache des HErrn abziehen. Ein Neu- ling war es aber nicht, von welchem Jesus das schein- bar Hatte verlangte, zu den geistlich Todten wird er von dem HErrn nicht gerechnet; aber er soll auch nicht in den Tod zurücksinkem Giebt es nicht in jedem Wir er- kennen es nicht immer, welch ein Gewicht daran hängt; wir bedürfen, daß unser Auge von Gott geöffnet werde, zu sehen, was zu thun oder zu lassen sei. Der HErr hat das Recht, wo sein Werk drängt, auch das Opfer einer theuren Kindespslicht zu verlangen, besonders einer solchen, die dem verstorbenen Vater nicht mehr wohlthut. Können doch Pflichten geringeren Ranges, kann doch der Dienst des irdischen Vaterlandes ähnliche Opfer verlangen — mit wie viel höherem Rechte der HErr, der die göttliche Forderung zu stellen befugt: »wer Vater oder Mutter, Sohn oder Tochter« mehr liebt als mich, der ist meiner nicht werth.« Jhn lieben ist die eine Pflicht, worin alle andern zusammenlausen, durch welche alle andern beschränkt, aber auch geheiligt werden. Nicht kalt verachten heißt der HErr die irdi- schen Bande, er, der bis an’s Kreuz sich als den treuen Sohn seiner Mutter erwies; das Reich Gottes soll nimmermehr der Vorwand sein, um heilige Liebespflich- ten hintanzusetzen Das umgekehrte aber ebensowenig; und in dieser Beziehung ist zu sagen: es kann Ent- scheidungszeiten geben, wo die Aeußerung wenigstens der Liebe zu den Nächsten hinter der Aufgabe des höhe- ren Berufs zurücktreten muß, wo das Gebot eintritt, überlaß das Begraben der Todten den geistlich Todten, die überall vorhanden sind, wo das Reich Gottes nicht ist, deren leider mehr als genug find, du aber mache dich an das Belebungswerk, durch das Wort vom Reich die geistlich Todten zu erwecken — rette deine Seele und treibe das Gotteswerh das dir befohlen ist. Wer will mit dem Retter hadern, der mit unsanftem Griff den in’s Wasser Gefallenen herausreißt? Sollten wir den ungenannten Jiinger im Kreis der Zwölfe suchen, so wäre in der That bei diesem Jünger, der in Gefahr steht, von den Gräbern nicht loszukommen (vgl. Joh. 20, 25), auf den Thomas zu rathen. (Riggenbach.) Der HErr macht einen Unterschied: zum Vertiindigen des Reiches Gottes gehören lebendige E1.lieuschen, d. i. solche, die zum Leben aus Gott erweckt worden sind, Todte begraben das können auch todte Menschen, d. h. solche, die noch todt in Sünden sind. So sollte der Jünger das Werk der Lebendigen ergreifen, und das Werk der Todten den Todten überlassen — o, wie viele Dinge sollten wir der Welt überlassen und uns nicht damit aufhalten! (Besser.) Der Hohepriester und die Nasiräey also die Geweihetety durften sich mit einem Todten, selbst mit Vater und ålliutter nicht verunrei- nigen (3. Mos. 21, 11; 4. Mos. 6, 6f.), d. h. sie durften weder den Leichnam anrühren, um ihm die letzte Ehre zu erweisen, noch in das Haus eintreten, wo er lag, noch an dem Leichenmahl Antheil nehmen (4. Mos. 19, 14; Hof. 9,4). Jesus macht nun hier die Anwendung von 698 Evangelium Lucä 9, 61 u. 62. 10, 1. 2· dieser gesetzlichen Bestimmung, wobei man sich zu er- innern hat, daß die Verunreinignng mit einem Todten 7 Tage dauerte; was wäre in diesen 7 Tagen mit dem Manne vorgegangen? Es giebt im sittlichen Leben ent- scheidende Augenblicke, wo das, was nicht sogleich geschieht, gar nicht mehr geschieht; der Geist wehet, ist sein Wirken vorbei, so wird das Schiff nicht mehr flott. (Godet.) Der Satan ist froh, wenn er einen Aufschub der Pfljchterfüllung bewirken kann; denn ein freiwilliger Aufschub zieht oft unfreiwillige Hindernisse nach sich, über welche man nicht mehr hinauskommr (Quesuel.) Auch unter den liebsten, nächsten Ver- wandten, wenn sie geistlich todt sind, hat sich der Christ als Fremdling anzusehen. (v. Gerlach.) 61. Und ein anderer shier kommen wir nun aus diejenige Geschichte, welche dazumal sich zu- trug, als Jesus mit den Zwölfen auf seinem Wege nach Jerusalem V. 51 an der Grenze zwischen Samaria und Galiläa des anderen Tages weiter zog V-573-] sprach lsich selbst, wie jener Schrift: gelehrte, zur Nachfolge meldend]: DER, ich wtll dir nachfolgenz aber erlaube mir zuvor, dasz ich swie einst Elisa that, als er zum Schüler des Elias berufen ward 1. Kön 19, 19 ff., und wie zu dieser unsrer Zeit der Zöllner Levi, als er dein Apostel werden sollte, gethan Kap. Z, 29] einen Zlbischied mache mit denen, die in meinem Hause M . - 62. Jesus aber lder auch hier wie in V. 60 seine Ursach hatte, das Erbetene nicht zu gestatten] sprach zu ihm: Wer seine Hand an den Pflug leget sihn zur Pflügung des Ackers hinter den Pftugsticren her nach vorwärts zu lenken] und siehet lstatt vorwärts auf das vor ihm liegende Werk] zurücke suach dem, was etwa hinter ihm vorgehen möchte], der ist nicht geschickt szur Be: arbeituiig eines irdischen Feldes; und so ist auch der nicht geschickt] zum Reich Gottes szu dessen Dienst und Anbau du dich gemeldet, der nicht vergisset, was Dahinten, und strecket sich zu dem, das vorne ist Phil. 3, 13. Da folge denn ent- weder nicht, wenn du dich erst mit Fleisch und Blut zu besprechen gedenkst, oder fahre alsbald zu und siehe nicht mehr hinter dich 1.Mos. 19, 26; Gal. 1, 16]. ,,Dieser dritte Vorfall ist sozusagen die Shnthese Zusammensetzung) der beiden andern: der Mann bietet sich selbst an, wie der erste, aber demungeachtet zögert er, wie der andere-« Wir haben schon zu Matth.19,2 angedeutet, daß St. Lukas uns hier allem Anschein nach seinen eigenen Eintritt in die Jüngerschaft Jesu er- zählt; es hat da für ihn dieselbe entschlofsene und rasche Entscheidung gegolten, wie hernach für Paulus bei seiner Berufung zum Apostel, dessen Gehilfe er ja später ge- worden. War er nun als Arzt, wie Paulus in Col. 4,14 ihn bezeichnet, durch mancherlei Bande mit dieser Welt gar eng verknüpft, so erklärt sich hinlänglich, warum ihm der HErr keinen Abschied gestattet; denn der vermeintliche Abschied von der Welt wird nur gar zu leicht ein Netz, in welchem die Welt Einen gefangen hält und dazu verleitet, vielmehr dem HErru den Ab- schied zu geben. ,,Zu den Seinigen zu gehen und, ehe man eine ganz andere Lebensart anfängt, von ihnen Abschied zu nehmen, auch seine häuslichen Sachen dabei in Richtigkeit zu bringen, ist eine an sich selbst unschul- dige, ja billige Sache, wie’s denn auch dem Elisa, als er auf die Berufung Eliä sich dergleichen ausbat, ver- stattet wurde; hier aber muß unser Heiland wohl vor- hergesehen haben, daß dieser Mann bei den Seinigen von seinem Vorsatz würde zurückgehalten werden. (Starke.) Lasset es uns nur gestehen, mit dem »daß ich einen Abschied mache« halten wir unsern Heiland und unsre eigene Seele nun schon seit Jahren und Jahr- zehnten hin; und es kommt zu keinem Abschied, zu keinem Entschluß und bei diesem Abschiednehmen hält uns die Welt immer wieder an der Hand fest, bis end- lich der letzte Abschied kommt, aber nicht ein freiwilli- ger, sondern ein gezwungenen nicht ein Abschied zum Leben, sondern ein Abschied zum Tode. Hätte Paulus sich mit Fleisch und Blut besprochen, als ihn der HErr zu seinem auserwählten Rüstzeug berief, schwerlich hätten die alten Freunde ihn ziehen lassen, die Pharisäer ihn losgegeben aus ihren Netzen. Wollte jeder Christ vor feiner Bekehrung erst anfragen bei feinen alten Freun- den: habt ihr auch nichts dagegen, seid ihr auch damit einverstanden? keine Seele käme zum HErrn; und wollte man bei jedem guten Werk, das man thun will zur Ehre Gottes und zum Besten der Menschen, vorher nach links und rechts, nach oben und unten sich um- sehen, ob’s auch niemand übel nehme, ob’s auch nie- mand falsch verstehe, nichts Gutes und Großes käme jemals zu Stande. Nein! himmelan das Aug, ob’s recht ist vor Gott, und dann die Hand an den Pflug und vorwärts in Gottes Namen! Die Hand an’s Werk, die Herzen himmelan, so wird allein ein gutes Werk gethan. (Gerok.) In den vier, von V. 51—62 auf einander fol- genden Scenen treten die Repräsentanten des mensch- lichen Humors oder die Temperamente auf, obwohl die Evangelisten ficherlich keine Ahnung davon hatten, um es künstlich darauf anzulegen. Jesus, der Seelensührer, lehrt dabei die Menschheit nach ihren vier Grundrich- tungen behandeln. (Sepp.) Man hat mehrmals gefragt, welches Temperament man des Menschen Sohne zuzu- schreiben habe, und hat sich etwa zu Gunsten eines der vier, z. B. für das cholerische entschieden. Aber die Vergleichung der Gemiithsstimmung und Handlungs- weise des HErrn mit der der verjchiedenen hier vor- kommenden Männer läßt deutlich erkennen, daß jedes stark hervortretende Temperament nothwendig etwas Einseitiges darstellt, während gerade in der vollkomme- nen Harmonie seiner Neigungen, Kräfte und Gemüths- bewegungen das Charakteristische der ganz einzigen Per- sönlichteit Jesu gesucht werden muß. (v. Oofterzee.) Das 10. Kapitel. Hiebenzig Hunger. Hteiajniß vom barm- herzigen Hamariteru gllaria zu ges« Füßen. II- V. 1—24. (§. 71.) weil Jesus, wenn er nun bei seiner demnäehstigeu längeren Anwesenheit in Indäa und Jerusalem dort nicht wird geduldet, sondern geradezu aus dem Tempel vertrieben werden (Joh. s, 59;10, 39), die Zwischenzeit bis zu seinem königlichen Ginzuge in die Stadt zu einer Wirksamkeit in heran, dem ttande jenseit des Jordan, zu verwenden gedenkt, so schickt er Des Evangelisten eigener Eintritt in die Nachfolge Jesu. 699 schon jetzt, wo er nur ers( an dem Lande vorübergeht, Boten hinein, seine Ankunft dort anznmelden und die Herzen zu seiner Aufnahme vorzubereiten. Diese Boten bestehen in 70 Jüngern, die er jeht in ähnlicher weise augwåhlh wie vormals die 12 Apostel Man. s, 13 sf.), und mit ühnlicher Instruktion versieht, wie einst jene bei ihrer Auesendung ttlian 9, 1ff.); denn die Zwölfe selber mag er schon darum nicht abermals anosenden, weil einer bereits sich unter ihnen befindet, der ein Teufel ist Geh. 6, 70 f.) Weit kann der weg dieser Siebzig nicht ge— wesen sein, denn es handelte sirh nur um die Städte und Qerter des jeuseitigen Landes, von denen die 35 paare je einen zu bereisen hatten; und lange sind sie auch nicht außen geblieben, denn der tjGrr hat sein Ku- gesicht gewandt gkatlig gen Jerusalem zu wandeln und erwartet ihre Rückkehr noch zu Jerichu Aber doch können sie schon nach diesem Knfanggversuch von großen Dingen ihm erzählen, die in seinem llamen sie hätten augrichten dürfen; dafür er denn, nachdem er vor sal- scher Freude sie gewarnt hat, seinen Vater im Himmel preist. 1. Darnach sals er etwa zu Enon Joh Z, 23 angekommen war] sonderte der HGrr laus dem großen Kreise »seiner Jünger oder Nachfolger] andere Siebenztg lbesferx siebenzig Andere außer den Zwölfen, die er schon in »Kap.6,13 ff. erwählet hatte] aus, und sandte sie se zween und zween fwie früher die Zwölfe Mark. 6, 7] vor ihm her m alle Städte und Orte, da er [selbst, wenn er sein nächstes Vorhaben in Beziehung auf Jerusalem und Judäa Joh. 7, 14— 10, 39 würde ausgerichtet haben, nach ca. 11 Wochen] wollte htnkomtneni sJoh 10, 40sf.; Luk. 13, 22]; Z. Und sprach zu ihnen: Die Ernte ist groß, der Arbeiter aber ist wenig; bittet den HErrn der Ernte, daß er Arbeiter ausseude in feine Ernte« sMatth 9, 37 H. Hi) Aus dem großen Kreise derer, die im weiteren Sinne Jesu Jünger sind, bildet er sich zwei geschlosfene Kreise, deren Zahl bedeutsam ist. Der größere dieser beiden Kreise besteht aus 70 Gliedern, über welche Lukas an unsrer Stelle berichtet. Wer da weiß und bedenkt, in welchem Maß und Umfang Zahlen der ganzen heil. Schrift vom I. Buch Mosis an bis zur Offenb. St. Johannis bedeutsam sind, wird sich des Gedankens nicht erwehren können, daß diese Zahl des Jüngerkreises un- möglich eine zufällige sein könne. Die bedeutsame Be- ziehung dieser Zahl liegt auch in der That nahe genug. Siebenzig Seelen des Hauses Jakob sind es, die nach Egypten ziehen (1. Mos. 46, 27; Z. Mos. I, 5; 5· Mos. 10, 22); siebenzig ist also die Zahl, mit welcher die wunderbare Mehrung dieses Hauses zum Volke anhebt, und als solche ist sie dem Volke immer im Gedächtntß geblieben. Bei der zweiten Station in der Wüste finden die Kinder Jsrael 12 Brunnen und 70 Palmbäume (2. Mos. 15, 27); siebenzig Aelteste werden ausgewählt und mit dem Geiste ausgerüstet, um Mofe in seinem Regiment über Jsrael beizustehen (4.Mos.11, 16.25); und das Synedrium zur Zeit Jesu, die höchste geist- liche Obrigkeit in Jerusalem, bestand aus einem Vor- sitzenden und 70 Mitgliedern (Matth. 2,4Anm.). Was kann nach diesem allen die Zahl der 70 Jünger anders bedeuten, als einen neuen Anfang, aus welchem heraus Jsrael fich wiederum mehren soll, und zwar nicht leib- licher Weise, sondern in Kraft des Geistes und Wortes, mit welcher Kraft auch Jesus diese Siebenzig ausrüstet und in die Oerter des geistlich erstorbenen Volkes ent- sendet. (Baumgarten.) Noch einmal will der HErr recht weit und breit das Netz unter Jsrael auswersen, die ganze Masse des Volks, auch die etwa noch nichts davon gehört hätten, zum Reich einluden; darum stellt er neben die Zwölfe, die Patriarchen des neuen Israel, noch weiter die Siebzig, gleich den 70 Aeltesten Mosis. Hatten nun diese im Hohenrath welcher gleichfalls aus 70 Mitgliedern bestand, ihre äußerliche Fortsetzung ge- funden, so will er weiter den 70 Gliedern des Hohen- raths die wahren Aeltesten, den rechten Hohenrath des Volkes Gottes gegenüberstelleu. (Riggenbach.) Gleichs wie aber die Wahl der Zwölfe von Anfang an sich be- sonders auf die Mission unter Jsrael bezog, so kündigte die später vorgenornmene Sendung der Siebzig zuglecch die bevorstehende Ausdehnung der Predigt auf die ganze Erde an; denn nach 1.Mos.10 nahmen die Juden an, die ganze Menschheit beftehe aus 70 Völkern, 14 von Japhet, 30 von Ham und 26 von Sem. (Godet.) Was den Bericht des Epiphanius, Lukas sei einer von den 70 Jüngern gewesen, und die Niitthetlung des Theophylaktus betrifft, er werde von einigen als der- jenige von den Siebzig bezeichnet, welcher mit dem Kleophas den Auferstandenen gesehen, so mögen diese fagenhaften Berichte an sich nur die Aufftellung einer Vermuthung begründen; was sich dann aber für die Vermuthung sagen läßt, wäre etwa in dieser Folge auf- zustellen (vgl. Matth. 19, 2 Anm.): Zuerst ist zu be- merken, daß Lukas die Geschichte jener Jünger, die nach Emmaus gingen, allein erzählt, und zwar sehr anschau- lich, so daß die Annahme nahe gelegt wird, er erzähle als Augenzeuge; ferner werden erst bei dieser Voraus- setzung die Ausdrücke in Luk. J, 1 f. völlig klar, Lukas spricht damit aus, daß er nicht beim Beginn, wohl aber beim Schluß der Thatsachen der evangelischen Ge- schichte zugegen gewesen; endlich ist in der Verbindung mit diesen Momenten jene so wichtige Aeußerung des Papias wohl zu beachten. Derselbe lebte um die Mitte des 2. Jahrh. als Bischof zu Hierapolis nnd soll dann unter Mark Aurel Märtyrer geworden sein. Ueber die Entstehung der Evangelien nun äußert er sich dahin: Matthäus habe in hehr. Sprache ro«- Myeoe (die Aus- sprüche des HErrm s. Schlußbem zum Co. Matthäi) geschrieben, jeder aber habe sie nach feinem Vermögen verdolmetscht; Markus habe als Dolmetscher des Petrus, was er (von der evangelischen Geschichte) im Gedächtniß hatte, mit Sorgfalt niedergeschrieben Wenn es nun auffällig erscheint, daß er die Evangelien des Lukas und Johannes so gar nicht erwähnt, so kommt hier in Betracht, was er über fein Verfahren bei Ab- fassung der den HErrn betreffenden Mittheilungen in 5 Büchern sagt: »wenn irgend ein Schüler der Pres- bhter thier s. v. a. Apostel) kam, so erforfchte ich der Presbhter Aussagem was Andreas oder Petrus gesagt, oder was Philippus oder was Thomas oder Jakobus, oder was Johannes oder Matthäus oder irgend ein anderer Schüler des HErrnx was dann auch Ari- stion und der Presbhter Johannes, die Schü- ler des HErrn, sagen-« Er bezeugt hiermit, daß er die mittelbare Ueberlieferung die nämlich, welche ihm durch die Schüler der Presbytey d. h. der Apo- stel, zu Theil geworden, nicht vernachlässigt habe; dar- nach aber scheint es ihm Bedürfnis; zu sein, die Be- siegelung dieser Mittheilungen in denjenigen Worten auszudrückew die von Aristion und dem Presbhter Jo- hannes handeln, und da liegt es nahe, gleichwie er 700 Evangelium Lucä 10, 3—-20. unter dem Presbyter offenbar den Apostel Johannes (2. Joh.1, l; Z. J. I; 1. Petri 5, l) meint, so den Na- men Aristion (vom griech. oikrarsiiaø s. v. a. der Her- vorragende, Vorzügliche) als einerlei mit Lukas oder Lukanus, Lucilius (vom lat. Iueere s. v. a. der Glän- zende, Hervorleuchtende) zu betrachten. Denn man kann mit Recht fragen: warum ist Aristion, ein Mann, den Papias als einen Schiiler des HErrn verehrte und mit dem Presbyter Johannes zusammen nannte, in der apostolischen Kirche nicht bekannt und berühmt? Diese Schwierigkeit erklärt sich nur durch die Bemerkung, daß Aristion der Kirche eben unter dem Namen des Lukas bekannt ist; indem er ihn aber von dem Johannes be- stimmt dadurch unterscheideh daß er ihm nicht den Titel eines Presbyters verleiht, ergiebt sich, daß er diesen Titel nicht im Sinne der späteren Kirche versteht, wie Eusebius gethan und viel Verwirrung damit angerichtet hat. (P. Lange) M) Es ist schon eine Erhörung der früheren Bitte um Arbeiter in die Ernte, daß der HErr nun nicht blos zwölf, sondern siebenzig senden kann; es bedarf aber noch immerfort dieser Bitte, denn was sind auch Sievenzig unter Millionen? 3. Gehet hin; siehe, ich sende euch als die Lämmer mitten unter die Wölfe [Matth.10, 16]. 4. Traget keinen Beutel, noch Tasche, noch Schuhe; und grüßet niemand auf der Straße sMatth. 10, 9 s.; Mark. S, 8 f.]. 5. Wo ihr in ein Hans kommt, da sprechet zuerst: Friede sei in diesem Hause. 6. Und so daselbst wird ein Kind des Frie- dens sein, so wird euer Friede auf ihm beruhen; wo aber nicht, so wird sich euer Friede wieder zu euch wenden [Matth. 10, 12 H. 7. In demselbigen Hause aber bleibet, esset nnd triuket, was sie haben; denn ein Arbeiter ist seines Lohns werth. Jhr sollt nicht von einem Hause zum andern gehen [Kap. 9, 4; Matth.10, 10f.; Mark. S, 8 ff]. 8. Und wo ihr in eine Stadt kommt, und sie euch aufnehmen, da esset, was euch wird vor- getragen; 9. Und heilet die Kranken, die daselbst sind svgr Am. zu V. 18], und saget ihnen: Das Reich Gottes ist nahe zu euch kommen. 10. Wo ihr aber in eine Stadt kommet, da sie euch nicht aufnehmen, da gehet heraus auf ihre Gassen und sprechetr 11. Auch den Staub, der sich an uns ge- hiinget hat von eurer Stadt, schlagen wir ab auf euch; doch sollt ihr wissen, das; euch das Reich Gottes nahe gewesen ist. 12. Ich sage euch: Es wird der Sodoma triiglicher ergehen an jenem Tage, denn solcher Stadt [Matth.1o,14f.; Mark. g, 11]. Den siebenzig Jüngern, wie schon früher den zwölf Apvstelth giebt der HErr einen Auftrag und eine Voll- macht, worin dem Keim und der prophetischen Bedeu- tung nach alles enthalten ist, was die Boten seines Reiches anszurichten haben. Er sendet sie als Eroberer aus, aber ohne Waffen, vielmehr wie die Schafe mitten unter die Wölfe; ja nicht einmal das Schwert einer ausgezeichneten weltlichen Weisheit sollen sie führen, nicht disputiren sollen die Ungelehrten, sondern einfach nur die Botschaft ausrichten von den Thaten Gottes, deren Zeugen sie gewesen. Und demgemäß soll auch ihre Ausrüstung im Aeußeren die allereinsachste und bescheidenste sein; wie sie stehen und gehen, sollen sie ausziehen und sich mit keinerlei schwerem Gepäck be- laden. Die Grenzen des Erlaubten ziehen die Evange- listen in etwas verschiedener Weise: einen Stab in den Händen und Schuhe an den Füßen sollen sie mitneh- men dürfen, wenn sie dieselben schon besitzen (Mark. G, 8 f.); nicht einmal Schuhe oder einen Stab sollen sie sich anschaffen, wenn sie derselben noch ermangeln (Matth. 10, 9 f.). Aber dieser Mangel an aller Aus- rüstung ist selber die allergrößte Ausriistung; dieses Gebot enthält eine Verheißung. Wenn sie frei vom Geist der Sorge aus den HErrn vertrauen, so sollen sie nicht zu Schanden werden: Gott wird sie versorgen; er wird ihnen aller Orten Herzen zuwenden und mit denselben auch den Lohn ihrer Arbeit, des Leibes Noth- durft. Sie werden den Haß der Welt und wohl auch der nächsten Hausgenossen erleben, wie schon Micha (7,6) geweissagt hat; aber mitten in diesem Hasse zu- gleich den Schutz und Frieden des HErrn Zu dieser Ausrüstung mit dem Geiste der Sorgenfreiheit und des Genügens fügt der HErr das Vermögen, in der Kraft des Gebets Wunder zu thun; sie sollen geduldig und unverdrossen zeugen, der eigentliche Segenserfolg kommt, wie in allen Dingen, vom HErrn allein. (Riggenbach.) Jn Beziehung auf den Spruch in V. 11 erzählte vor einigen Jahren der in Europa weilende Missionar A. aus der Zeit seiner Wirksamkeit in Indien folgenden Vorfall: »Jch war mit einem Freunde eines Tages in dem Palaste eines Brahminem dahin viele seiner Kaste zusammengekommen waren, um mit uns über Reli- gionssachen zu disputiren; je entfchiedener wir nun fiir die Wahrheit eintraten, daß außer Christo kein Heil, desto aufgebrachter wurden die Brahminen und trieben uns zuletzt von sich. Beim Hinweggehen bemerke ich zufällig, wie staubig meine Schuhe aus dem Wege hier- her geworden sind, was ich beim Hereinkoninien nicht beachtet hatte, und fange an, mit dem Taschentuch den Staub wegzufegen; kaum haben die Brahminery die uns mit ihren Blicken verfolgt haben mochten, dies gesehen, als sie uns nacheilen und uns mit Bitten be- ftürmen, wir sollten nur das ihnen nicht anthun und den Staub von unsern Füßen auf sie abschlagen; der göttliche Fluch würde sonst über dies ihr Haus kommen, sie wollten ja auch künftig sich nicht mehr so hart wider uns setzen« 13. Wehe dir, Chorazinz wehe dir, Beth- saida! Denn wären solche Thaten zu Thro und Sidon geschehen, die bei euch geschehen sind, sie hätten vorzeiten im Sack und in der Asche ge- sessen und Buße gethan. « 14. Doch es wird Tyro und Sidon träglicher ergehen am Gerichte, denn euch. 15. Und du, Kapernaum, die du bis an den Himmel erhoben bist, du wirst in die Hölle hin- unter gestoßen werden lMatth 11, 20 ff.]. 16. Wer euch höret, der höret iniclzz und wer euch verachtet, der verachtet mich; wer aber . Die Aussendung der siebenzig Jünger und ihre Wiederkehr· 701 mich verachtet, der verachtet den, der mich ge- sandt hat kMatih 10, 40; Joh 13, 20]. Die Einwohner von Sodom haben sich an Engeln vergriffen, die Juden an des Menschen Sohn in seinem Stande der Erniedrigung; aber die Verächter in der Christenheit empören sich gegen den verherrlichten Gottes- sohn, gegen seinen Geist und gegen seine Heilsanstalten Wieviel strengere Gerechtigkeit wird dieser Gott gegen diejenigen üben, welche das Blut des Sohnes mit Füßen treten und seine Gnade verschmähenl (Quesnel.) So, wie Jesus Christus, der HErr, hier redet, hat nie ein Propheh nie ein Apostel geredet; er entscheidet über die Lebendigen und über die Todten, über die Lebenden zu Chorazim Bethsaida und Kapernaum und über die Todten von Tyrus, Sidon und Sodom; er bestimmt das Maß ihres größeren oder geringeren Wer- thes, ihre größere oder kleinere Schuld und das mehr oder weniger erträgliche Loos, das ihnen nach dem letzten, alles entscheidenden Gerichte zu Theil werden wird. So gebührte es nur Jhm, dem zukünftigen Richter der Leben- digen und der Todten, dem Menschensohne, dem der Vater alles Gericht übergeben hat, auf daß sie alle den Sohn ehren, wie sie den Vater ehren. (Menken.) 17. Die Siebeuzig aber [nachdem sie im Verlauf von 1—2 Wochen ihre Sendung aus- gerichtet] kamen wieder lzu Jesu, der inzwischen mit den Zwölsen von der Gegend bei Bethsean V. 1 aus an der Westseite des Jordan hinunter bis Jericho gezogen war und sie dort erwartete] mit Freuden, und sprachen [ihm von dem, was sie ausgerichtet hätten, Bericht erstattend]: HEry es sind uns auch die Teufel uiiterthaii in deinem Namen. 18. El? sprach nber lzunächst ihre Freude theilend und den ihnen selber noch unbekannten tieferen Grund derselben enthüllends zu ihnen: Jch sahe wohl den Satanas vom Himmel fallen als einen Blitz« 19. lDarnach für ihre künftige Wirksamkeit sie in den Vollbesitz derjenigen Gewalt, die ihnen in dem einzelnen Falle, um den es hier sich han- delte, nur wie von ohngefähr in die Hände ge- kommen war; förmlich und feierlich einsetzend, fuhr er fort:] Sehn, ich habe euch Macht gegeben, zu treten auf Schlangen und Scor ione [Ps.91,13], nnd über alle Gemalt des Feindes; und nichts wird euch beschtidigeiitt [Mark.i16, 17f.]. 20. Doch [so sprach der HErr schließlich, den Siebenzig zeigend, daß in ihrer Freude auch etwas Verkehrtes und Gefährliches liege] darinnen freuet euch nicht, daß euch die Geister nnterthan sind; freuet euch aber, das; eure Namen im Himmel geschrieben siiiditt [2. Mos. 32, 32 Anm.]. i) Die Ausleger können fich nicht darein finden, daß die Siebenzig sollten alle mit einander zugleich bei Jesn wieder eingetroffen sein; sie behaupten, das Gegentheil verstünde sich von selbst, die Zurückkunst der einzelnen Trupps, in denen die Gesandten ausgezogen, habe in verschiedenen Zeitpunkten stattgefunden, und nur der Evangelist stelle die Sache so dar, als ob sie gleichzeitig von dem Erfolg ihrer Reise Bericht erstattet hätten. Aber nur die Ausleger sind sich unklar, der Evangelist weiß wohl, was er schreibt. Nach ihrer Ent- lassung in V. 16 lösten sich die Siebenzig, sobald sie jenseit Bethsean den Jordan überschritten hatten, in 35 Paare aus und durchzogen die Städte und Oerter von Peräa, auf die ihre Mission sich bezog; zu ihrem gemeinsamen Sammelpunkt aber war vermuthlich Li- vias bestimmt, und von da aus kamen sie gemeinschaft- lich mit einander nach dem westlichen Ufer des Jordan zurück, um in Jericho wieder mit Jesu zusammen- zutreffen. Das ,,mit Freuden-«, bemerkt Godet, spricht den Ton des ganzen Abschnittes aus; die Freude der Jünger wird alsbald zur Freude Jesu, aus dessen Gemüth sie dann im folgenden Abschnitt erhoben und gereinigt ausströmt. Auf die Verheißnng des Meisters vertrauend hatten sie sich an die Heilung der Kranken gemacht, und waren auf diesem Wege bald dazu geführt worden, auch die schwerste Krankheit, die Besessen- heit, anzugreifen, und es war ihnen gelungen; da ihnen nun der HErr blos gesagt hatte (V. 9): »heilet die Kranken«, ohne ihnen ausdrücklich, wie vormals den Zwölfen (Kap. 9, 1), Gewalt und Macht über alle Teufel zu verleihen, so sind sie über diesen unerwar- teten Erfolg ihrer Sendung überrascht, und mit der Lebhastigkeit einer ganz frischen Erfahrung stellen sie dies gleich an die Spitze ihres Berichts, ja lassen viel- leicht ihren ganzen Bericht in diese Spitze zusammen- fließen. Wie leicht ist es möglich, daß sie die Haupt- ersahrung dieser Art gerade in Livias, dem Ort ihrer Wiedervereinigung, gemacht und sich alle mit ein- ander an derselben betheiligt haben! Jn Livias ge- schieht es hernach (Kap.18, 15—Z0), daß die Mütter kommen, ihre Kindlein von Jesu segnen zu lassen, und daß ein Oberster den HErrn fragt: »guter Meister, was muß ich thun, daß ich das ewige Leben ererbe?« Es muß also dort etwas geschehen sein, was einen tiefen Eindruck auf die Leute gemacht und sie gewaltig aus den nunmehrigen Anbruch des Reiches Gottes hin-- gewiesen hat. Jn Livias hatte aber auch ein halb Jahr zuvor jenes grausige Gastrnahl des Herodes stattgefun- den, auf welchem die Tochter der Herodias zum Lohn für ihren bezaubernden Tanz das Haupt Johaunis des Täufers auf einer Schüssel sich ansgebeten und richtig empfangen hatte (Matth.14, 6ff.; Mark. G, 21 ff.); das hatte auf die Leute dort einen Eindruck hervorbringen müssen, als wäre es nun aus mit der Sache, in deren Dienst der Täufer gestanden, und als habe Satanas über dieselbige triumphirt, und darum war ein solches außerordentliches Wunderwerh wie es den Siebenzig dort, vielleicht mit leichter Mühe, mit Hilfe des bloßen Gebrauchs des Namens Jesu, gelang, durchaus noth- wendig, damit die Leute merkten, wenn auch mit dein Täufer, so sei es doch nicht aus mit der Sache, der er gedient, und der Stärkere, der nach ihm komme, sei auch der Stärkere über den starken Gewappireten (Kap- Z, 16; 11,21f.). Jn diesem Zusammenhange wird uns dann alles licht und klar; und besonders können wir nun auch das Wort des HErrn verstehen: »ich sahe wohl den Satanas vom Himmel fallen als einen Blitz« mit welchem Wort die Ausleger sich ebenfalls meisten- theils keinen rechten Rath wissen. Wenn die heil. Schrift den Satanas in den Himmel versetzt, so ge- schieht das alle Mal in solchen Fällen, wo derselbe ein Recht an Gott oder eine Macht über Gott erlangt zu haben scheint, wo die Sachen äußerlich so liegen, daß um der Sünde der Menschen willen der allmächtige, allweise, barmherzige und gnädige Gott jetzt nicht so 702 Evangelium Lucä 10, 21· 22. handeln kann, wie er eigentlich will, sondern entweder geradezu den Satan einstweilen über seinen heil. Rath muß triumphiren lassen, als wäre dieser der Allherr und nicht Er, der heilige und starke Gott, oder doch auf Satans Anklage und Verleumdung, auf dessen Recht und Besitz» bei seinen Maßnahmen und Verhängnissen muß Rücksicht nehmen und sich darnach bei feiner Welt- und Reichsregierung einrichten. Ein solcher Fall liegt vor sowohl in Hiob I, 6—12 u. Z, 1—6, wo Hiob’s von ihm selber noch anerkannte Sünde geheimer Lohnsucht und feiner Selbstgerechtigkeit dem Satan das Recht ver- leiht, auf Sichtung und Versuchung dieses so frommen und gottesfürchtigen Mannes zu dringen (vgl. auch Luk. 22, 31), als in Offenb. 12,7fs., wo es sich um Jsraels schwere Sünde der Verwerfung Christi und der math- willigen Verstockung gegen das Evangelium handelt, dadurch das Volk verwirkt hat, daß Christi Blut auf lange, lange Zeit nicht für, sondern wider dasselbe redet (Matth. 27, 25), und es nun während dieser gan- zen langen Zeit nicht mehr als Volk, in der Gesammt- heit seiner einzelnen Stämme, zu Gnaden kommen kann, sondern unter dem Fluche der Verwerfung liegt: nicht der Hohepriester Jesus Christus, der in das Hei- lige eingegangen, stehet da vor Gott und macht sein Verdienst für Jsrael geltend, sondern er ist durch Js- rael selber aus dieser seiner mittlerischen Stellung heraus-gedrängt, dagegen hat der Drache sich über den Gnadenstuhl her gelagert und macht die Gnade der Wiederannahme unmöglich, indem er auf Jsrael’s Sünde pocht; erst, wenn die Zeit kommt, wo dem Ver- kläger sein Recht nun geschehen und damit die Macht seiner Anklage entkräftet ist, kann Jsraels Schutzengel Michael sich aufmachen mit seinen Engeln und den Drachen mit seinen Engeln bestreiten und überwinden, damit derselbe ausgeworfen werde und Christus wieder in seine mittlerische Stellung eintrete, darnach erst kann ganz Jsrael selig werden. Kehren wir von dieser all- gemeinen Betrachtung auf den im Texte vorliegenden besonderen Fall zurück, so war der Satanas damit, daß Herodes von der Herodias sich überlisten ließ und ihren Nachstellungen endlich den Täufer zum Opfer brachte, zum Triumphator geworden und hatte sich gleichsam des Stuhles Gottes im Himmel bemächtigt: nicht Er, der Schöpfer und HErr Himmels nnd der Erden und der eigentliche König über fein Volk Israel, schien das Scepter des Welt- und Kirchenregiments mehr zu führen, sondern Satan herrschte über die Kirche. Jn- dem der Täufer im Gefängniß ahnte, daß es also kom- inen werde, gerieth er ja in die schwere Anfechtung, von der wir in Kap.7, 18 ff. gelesen haben. Da bricht nun Jesus mittelst der Siebenzig, als diese auf dem Wege ihrer Sendung sich in Livias wieder zusammen- finden, in Satans Reich mit Macht hinein und läßt ihnen den Verfuch der Heilung eines Besessenen von der fchlimmsten Art gelingen. Jhm drüben in Jericho, da er auf ihre Rückkehr wartet, ist es wohl bewußt, was sie in seinem Namen in jener Residenzstadt des Herodes unternehmen, ja, er ist es eigentlich selber, der in ihnen und durch sie wirkt, und er kleidet nun, was er weiß und wobei er unsichtbarer Weise ihr Helfer ist, in die Form eines Gefichts ein: ,,ich sahe wohl den Satanas vom Himmel fallen als einen Blitz«, wobei er sich an das, was in Jes. 14,12 von dem König zu Babel gesagt wird, anfchließt. Das Bild des Blitzes, sagt Godet, schildert unvergleichlich eine Macht von blendendem Glanze, welche plötzlich verschwindet; wäh- rend die Jünger aus den Besessenen die Teufel aus- trieben, standen auf dem irdischen Schauplatz sich die beiderseitigen Statthalter oder Helfershelfer gegenüber, die Jünger als Statthalter Christi, die Teufel als Hel- fershelfer des Satan, im Himmel aber wurde nun gleichzeitig von dem einen Herrn,«Chriftus, der andere Herr, Satan» aus feiner angemaßten Herrschaft heraus- geworfen, und dessen so blendende Macht, zu der er durch das Werk der Herodias gelangt, war augenblicks vorbei, als jenes Werk der Jünger gelungen. Als Jesus hernach zum dritten Mal nach Livias kommt, kommen ihm die Mütter mit ihren Kindern auf dem Arm ent- gegen; sie sind das gerade Widerspiel der Herodias, die ihr Kind zu einem Werkzeug des Teufels gemacht hat (Mark. 10, 13 Anm.), und sind die weissagenden Vor- bilder der christlichen Kirche der kommenden Jahrhun- derte, die fchon die Kinder durch das Tauf-Sacrament Christo, dem rechten Weinstock, einverleibt (Matth« 19, 15 Anm.). Aber auch fchon beim zweiten Kommen, als er mit den Pharisäern über das Recht oder Unrecht der Ehescheidung handelte (Kap.16, 14—16; Matth. 19,2ff.; Mark. 10, 2fs.), mußte Satanas, der sich dem Johannes gegenüber der Praxis des Herodes und der Herodias angenommen und den Täufer um seines stra- senden Wortes willen in’s Gefängniß gebracht hatte, dem Stärkeren weichen. H) Der HErr erweitert damit den engen Blick' von der einen Gewalt der Teufel in den Besessenen auf alle Gewalt oder Heeresmacht des Feindes, wie sie mehr, als die Siebzig wußten und wir alle wissen, die ganze Natur und Creatur der Erde, auf der wir jetzt noch unter dem Himmel wandeln müssen, durchzieht Die zwei aussallendsten Arten und Beispiele hierfür sind »Schlangen und Scorpionen«; der HErr meint also kurz andeutend alles Feindselige in der Natur, worin eine Gewalt des Feindes und Mörders ist, dies aber natürlich, wiewohl es selbst nicht ausgeschlossen wird, nur als materielles Bild für alle, vornehmlich geistige Gewalt, Nachstellung List und Tücke, auf deren drohenden Gefahren wir großentheils unwissend einher- treten —- die nicht Gewappneten als preisgegeben, die von Jesu Ausgerüsteten als unverletzbar, so lange sie im Glauben wandeln. (Stier.) Mit Christo vermag der Mensch mehr, als er glaubt; unsere Ver- zagtheit wird oft beschämt. Wieviel einfältige Missionare richten im Glauben aus, was die tiefsinnigsten Theo- logen ohne Glauben nicht anrührten! (Heubner.) IN) Durch den Geist der Wahrheit sollen die Jün- ger die Lügengeister sich unterthänig machen, aber bei dieser edlen Aufgabe lauert auch eine sinstere Gefahr; der HErr weiß, wie die Netze der Versuchung zuerst für die Begnadigten unter den Seinigen gespannt wer- den, und darum heiligt er ihre gerechte und erhöhete Freude durch ein Wort der ernstlichsten Warnung. Er will überhaupt nicht, daß sie sich zu viel über das, was sie für das Reich Gottes verrichten, freuen sollen; diese Freude konnte ja leicht unbewußt mit Selbstsucht und Hochmuth gepaart fein, würde außerdem nicht immer in ihren Herzen wohnen, und es könnte vielleicht Kampf und Täuschung folgen, auch mußte sie endlich dahin führen, daß sie den Blick mehr nach außen als nach innen und oben gerichtet hielten. Was jemand thut, ist überdies ein sehr betrügerischer Maßstab zur Beur- theilung seines inneren Werthes: man kann Teufel aus- treiben, und doch noch selbst ein Kind der Finsternis; sein (Matth. 7, 22); darum giebt der HErr ihrer Freude eine bessere Richtung, auch die größten Talente und Gaben können nicht mit dem Vorrecht dessen verglichen werden, der im Himmel einen Ehrenplatz erhält. (v. Oosterzee.) Ein Mensch, der sich über seine Tu- genden und Thaten freut, ist ähnlich denen, die von ihrem Fette zehren: darauf folgt die Auszehrung; ehe Der Jünger Freude und Jesu Freude. 703 wir es uns versehen, gefallen wir uns selbst in unsern geistigen Schätzen, vergessen des Gebers und beziehen alles auf uns selbst, das innere Auge trübt sich und entrückt uns unser Elend aus dem Gesicht, und siehe, Eitelkeit, Unlauterkeit, Stolz, Ueberhebung, der Hoch- muthsteufel hat von unserm Herzen Beschlag genommen, und -—— Hochmuth kommt vor dem Fall! Es geht im Geiftigeu, wie im Leiblichen und Jrdischem in dem Maße, als unsre Güter wachsen, wachsen auch unsere Ansprüche, und in dem Maße als unsere Ansprüche sich steigern, steigern sich auch unsere Qualen, sobald jene nicht befriedigt werden und die Menschen unserm Ehrgeiz die Huldigung versagen, die er beansprucht Daher antwortete einmal ein treuer Zeuge Christi, als er sehr gelobt ward um seiner herrlichen Predigt willen und wie gut er seine Sache gemacht habe: ,,dasselbe hat mir der Teufel auch schon gesagt, als ich die Kan- zeltreppe herunterging.« Dagegen nennt uns der HErr den rechten und würdigen Gegenstand unsrer christlichen Freude, indem er spricht: ,,Freuet euch, daß eure Na- men im Himmel geschrieben sind« (Fr.Arndt.) Satan ist ans dem Himmel gestürzt nnd übt jetzt aus Erden seine schädlicha Leib und Seele tödtende Macht; aber die im demüthigen Glauben an seinen gekommenen Ueberwinder unverletzt wandeln, sollen wieder zum Himmel erhöhet werden aus der Erde Streit und Noth. Die Namen der Abtrtinnigen sind in die Erde geschrieben (Jer. 17,13), aber die Namen der Erlöseten stehen in dem Buche des Lebens, welches die Himmelsbürger verzeich- net: das ist ein durch das ganze alte und neue Testa- ment vorkommender Ausdruck (2. Mos. 32, 32 f.; 1. Sara. 25, 29; Ps- 69, W; Jes. 4, Z; Dan. 12, 1; Apostg. 13, 48; Phtl 4, Z; Hebt. 12, 23; Offenh Z, 5; 18, 8; 17, 8; t20, 15; 21,27), welcher die vorhersehende, gnädig ver- ordnende Bestimmung zum Erbtheil der Heiligen und Seligen anzeigt, doch nicht als eine Unabänderliche Prädeftinatiom denn gleich das erste Mal, wo das vor Gott geschriebene Buch der Erlöseteii vorkommt (2. Mos. 32, 32 f.), ist von einem dennoch möglichen Tilgen daraus die Rede. Man kann es folglich im Glauben wissen, und soll sich dessen freuen, daß der Name im Himmel geschrieben ist, so gewiß man der Kindschaft Gottes und Beilegung des Erbes versichert sein kann; aber man soll das auch für die einige Hauptsache achten und demüthig wandeln über Satans Listen und Tiickem damit der Name gewiß auch bis zuletzt im Buch er- funden werde, damit man niaht etwa wieder aus dem Himmel falle auf demselben Wege, wie dem Satan ge- schehen. (Stier.) Wenn der katholische Theolog Möh- ler behauptet, daß es ihm in der Nähe eines Menschen, der seiner Seligkeit ohne alle Umstände gewiß zu sein erklärte, in hohem Grade unheimlich sein würde, ja daß er sich des Gedankens, daß etwas Diabolisches dabei unterlaufe, nicht erwehren könne, so läßt er uns damit einen tiefen Blick in die Trostlosigkeit eines Herzens werfen, das den letzten Grund seiner Hoffnung in Selbstgerechtigkeit sucht; aber er zeigt zugleich, daß er das Wort des HErrn an die Siebzig nicht in seiner ganzen Tiefe erfaßt hat. Bekanntlich war dieses ,,freuet euch« die würdige Antwort des sterbenden Albr v. Haller (geb. 1708 zu Bern, s— 1777 —- der große Naturforscher und Vater der Physiologie, der neben Newton und Euler den schlagendsten Beweis leistet, wie der Glaube an die christliche Offenbarung durch das Studium der sogen. exacten Wissenschaften keineswegs erschüttert wird, wenn er nicht anders vorher schon untergraben sund gelockert ist) an die Freunde, welche ihm zu dem ehrenvollen Besuche Kaiser Joseph’s II. in seinen letzten Stunden Glück wünschten. (v. Oosterzee.) 21. Zu der Stunde« frencte sich Jesus in Geist sim Gegensatz zu der in V. 13—15 aus gesprochenen Wehklage Matth. 11, 25 Anms uni sprach: Ich preise dich, Vater und HGrr Hiinmeli und der Erde, das; du solches verborgen has den Weisen und Klagen, nnd hast es offenbar den Unmündigen Ja, Vater, also war es wohl gefällig vor dir« [und ich meinerseits pflicht deinem heiligen Rath von ganzem Herzen bei]. 22. sDarauf, zu den Jüngern sich wendend fuhr er fort-J Es ist mir alles übergeben not meinem Vater. Und niemand weiß, wer de Sohn sei, denn nur der Vater; noch wer de Vater sei, denn nur der Sohn, und welchem ei der Sohn will osfenbarenspk s) Wir kommen an einen Augenblick im Leben des« Heilandes, dessen außerordentlicher Charakter durch di ersten Worte des Berichts: ,,zu der Stunde« ausdrück lich bezeichnet ist. Die Linien, von welchen feine Jün ger erst den Anfang erblickten, hat er in feinen Ge danken bis zu ihrem Ausgang gezogen; er hat da« Werk des Satans zerstört, das Reich Gottes auf Erdei aufgerichtet gesehen, aber durch was für Hände? durd Unwissende Fischer, durch einfache Landbewohner, di bei den Mächtigen und Weisen von Jerusalem als da; ,,verfluchte Volk« (Joh. 7, 49) gelten, als das ,,Erden geschmeiß« (rabbinischer Ausdrucks Jesus selbst mocht wohl öfters die Frage erhoben haben: wie kann ei: Werk durchdringen, welchem die Mitwirkung von keinen der Gebildeten und Angesehenen in Israel zu Thei wird? (vgl. die Bem zu Kap. 4, 8). Die Antwor Gottes bringt ihm jetzt der Erfolg der Sendung de« Siebzig: durch die geringsten Werkzeuge hat Gott di» Absicht, sein größtes Werk zu vollbringen; in dieser den menschlichen Erwartungen so ganz entgegengesetztei Fügung erkennt Jesus mit freudiger Anbetung di Weisheit seines Vaters. (Godet.) Die frische Glau benseinfalt, womit sich diese schwächeren Jünger sofor in ihrem Berufe bewegt hatten, und ihre schönen Er folge eröffneten ihm einen großen Vorausblick in all Siege, welche sein Reich in den Herzen der Einfältigen der Kleinen und Unmiindigew und durch sie in de« Welt gewinnen sollte; dieser Vorausblick ward ihm zu1 großen Feststunde, seine Seele wallte in Freuden hocl aus, er betete laut vor den Ohren seiner Jünger zun Vater nnd sagte ihm Dank. Man hört es auch seinen Gebete an, wie ihn diese neuen erfreulichen Erfahrun- gen so reichlich trösteten über die traurigen, die er i) Galiläa gemacht hatte. (P. Lange) »Es) Vater ist Gott in Beziehung auf den Sohn HErr in Beziehung auf die ganze Creatur; nach diese1 seiner Majeftäh in der er unbedingte Macht hat übei alles, wird er vom Sohne angeredet und gepriesen indem dieser eine Probe heraushebh wie der Vater sein» Macht gebraucht. Die Weisen und Klagen fini hier, wie in L Cor. 1, 19 ff» so genannt mit der Ne benbeziehung auf den ihre Weisheit und Klugheit be- gleitenden Dünkel; die Unmündigen sind, die au solchen Ruhm der Weisheit keinen Anspruch haben uocl erheben. Der HErr preist Gott für beides, für das« Verbergen vor den einen wie für das Offenbaret vor den andern; denn in beiden vollzieht sich ein Rath- schluß Gottes, dem der Sohn mit Nachdruck beipslichtet beides dient zur Verherrliclsung des Namens Gottes die Beschämung der einen sowohl wie die Erhebung de1 704 Evangelium Lucä 10, 23——26. andern. Unter »solches« kann nichts Anderes gemeint sein als das Geheimniß des Reiches Gottes, der Rath der Weisheit, die gerechtfertigt wird von ihren Kindern, Kap. 7, 35. (v. Burger.) Uusre Zeit namentlich ist nur gar zu sehr geneigt, Kenntnifse, Wissenschaften, Fertigkeiten und Geschicklichkeiten aus den verschiedenen Gebieten des Lebes zu überschätzen und mehr auf Klug- heit zn halten, als auf Frömmigkeit, mehr auf den ge- weckten Geist zu geben, als aus das reine Herz, das Wissen über den Glauben, die Vernunft über die Offen- barung, Menschenwerk über Gotteswerk, menschliche Thatkraft über die Unterwerfung unter den göttlichen Willen zu erheben und zu vergöttern. Jesus, der Reichste unter allen Reichen auch in dieser Beziehung, hat auf diesen geistigen Reichthum nie großen Werth gelegt, im Gegentheih in seinen Augen gelten nicht hohe Talente, Fähigkeiten, Gelehrsamkeit, Entdeckungen, Er- oberu11gen auf dem Gebiete des Verstandes, in seinen Augen gilt allein die Demuth und Kindlichkeit des Her- zens. Darum wählte er nicht Griechenland oder Rom, berühmt durch seine Bildung und Heldeukraft in der alten Welt, sondern dasjenige Volk zur Stätte seiner Wohnung und Menschwerdung von dessen künstlerischen und wissenschaftlichen Leistungen die Blätter der Ge- schichte nichts er1vähnen; darum sandte er die Engel zur Ankündigung feiner Geburt nicht in die Paläste des Herodes und Kaiphas nach Jerusalem, sondern zu den einfachen Hirten bei Bethleheny darum wählte er zu seinen Aposteln nicht die Weisen und Mächtigen nach dem Fleisch, sondern Fischer und Zöllnen (Fr. Arndt.) Man mißbraucht das Wort des HErrn von den Un- mündigen und Einfältigeiy wenn man darin einen Frei- brief für Dummheit und Beschränktheitz ein Verwer- fungsurtheil über Wissenschaft und ächt christlichen Tief- sinn liest; wahre Weisheit kann aber nur diejenige sein, welche mit kindlicher Einfalt vereinigt ist, und wie das wahre Wissen zum Glauben leitet, so kann auch allein der Glaube uns zur wahren Wissenschaft bringen. Dem Evangelio ist es keine Schande, sondern eine Ehre, daß es nichts sein kann siir solche, die nicht lernen, sondern richten, nicht sich demüthigety sondern herrschen wollen. (v. Oosterzee.) Its) Das Reich seiner Genossen bildet sich aus den Unmüudigeiy die erleuchtet werden über das Geheimniß des höchsten Lebens, das Reich seiner Widersacher aus den Weisen und Verständigen oder den Schriftgelehrten und Aufgeklärten, die in allen seinen Reichsgedanken nur Finsterniß finden wollen; allein dennoch soll man nicht wähnen, ihm sei das Regiment nur über einen Theil der Menschheit übergeben — alle Dinge, spricht er, sind mir übergeben von meinem Vater. So geht also seine Vollmacht und Macht über alle Welt. Allein diese Macht ist so geheimnißtief und still wie sein We- sen: niemand kennt sie, denn niemand weiß, wer der Sohn ist, als nur der Vater; der Vater allein ist ganz vertraut mit dem Sohne, dem wunderbarsten Lebens- geheimniß, in welchem die ganze Welt geschaffen und beschlossen ist. Nun aber glauben Viele den Vater wohl zu kennen, die den Sohn verkennen, ja verwer- fen; darum fährt er fort: niemand weiß, wer der Vater ist, denn nur der Sohn und wem es der Sohn offen- baren will. (P. Lange.) Nicht deswegen ist Jesus Sohn, weil er allein den Vater vollkommen kennt und nur von ihm vollkommen erkannt wird, sondern nur deswegen kennt er ihn so und wird von ihm er- kannt, weil er der Sohn ist; ebenso wie Gott nicht deswegen Vater ist, weil nur Er den Sohn kennt und nur von ihm erkannt wird, sondern dieses zwiefache Erkennen ist die Wirkung seines Verhältnisses als Vater zum Sohn. Nach solchen Aussprüchen auch bei Matthäus und Lukas können wir keine wesentliche Ver- schiedenheit zwischen dem Jesus der Synoptiker und dem des Johannes zugeben; da die Existenz des Sohnes zum Wesen des Vaters gehört, so ist die Präexistenz des Einen in der Ewigkeit des Andern eingeschlossen Jst nun gleich die unmittelbare Erkenntniß des Vaters das ausschließliche Vorrecht des Sohnes, so wird sie doch das Theil aller Gläubigem welche er in den Jn- halt seines Sohnesbewußtseins einweiht und mit wel- chem er es zu theilen willig ist; durch die Theilnahme an dem Bewußtsein des Sohnes, die der heil. Geist bewirkt, gelangt der Gläubige mittelbar zu der anschau- enden Erkenntniß des Vaters, vgl. Joh. 1, 18; 14, S; 17,26. (Godet.) (Evangeliu1n am 13. Sonntag nach Trinitatis.) Wenn wir unsre Sünde erkannt und von Herzen Buße gethan haben, darnach dem Ziehen des heil. Geistes folgend zu Christo als dem einigen Helfer ge- kommen sind, so erlangen wir die Rechtfertigung, d. h. um Christi willen spricht uns der Vater frei von aller Strafe, vergiebt uns unsre Sünden und schenkt uns aus Gnaden die Seligkeit. Der Glaube aber ist die Hand, womit wir das Gnadengeschenk ergreifen. So ist also nur in Christo Heil und Leben; darum spricht der HErr im Evangelim ,,Selig sind die Augen, die da sehen, das ihr sehet 2c.« Weil aber die Welt immer durch ihre eigenen Werke selig werden will, wie der Schriftgelehrte, der da fragte: ,,Meister, was muß ich thun, daß ich selig werde?« so weist der HErr uns auf den Weg des Gesetzes, das da spricht: ,,thue das, so wirst du leben« Wir sollen’s durch die eigene Erfahrung recht lernen, daß wir das Gesetz nicht thun und also durch unser Werk nicht selig werden können. Wer das erfahren hat, der nimmt dann gern die freie Gnade in Christo an und läßt sich von ihm, dem wahrhaftigen barmherzigen Samariter, aus dem Elend erretten. (Dieffenbach.) Unser Wissen und Erkennen muß auch That und Leben bei uns werden; nach zwei Seiten hin hat da unsere Betrachtung sich zu wenden: 1) einmal nach dem Evangelio hin, welches uns den Heilsweg zeigt, daß wir untersuchen, ob wir denselben auch betreten; Z) sodann nach dem Gesetze hin, dessen Inhalt wir kennen, um uns Rechenschaft zu geben, ob wir dasselbe auch üben. (Couard.) Das Gleichniß vom barm- herzigen Samariter: 1) eine Frage will dasselbe beantworten: »wer ist denn mein Nächster?« und giebt darauf den besten Bescheid; Z) es will aber auch eine Frage bei uns anregen: wer ist der Mensch, der unter die Mörder gefallen? wer der Priester und Levit, die an ihm vorübergingen? wer der Samariter, der so treulich und gründlich geholfen? (Eig. Arb.) Was gehört zur rechten Samariterliebe? 1) ein helles Auge, die Noth des Nächsten zu sehen, L) ein warines Herz, die Noth des Nächsten zu fühlen, Z) eine willige Hand, den Leidenden zu helfen, 4) ein treues Gedächtniß, des Leidenden nicht zu vergessen, 5) ein göttlicher Helfer, solche Liebe uns zu lehren. (Gerok.) Der wahren Liebe Herrlich- keit: 1) sie sraget nicht, Z) sie bedenkt sich nicht, Z) sie sürchtet sich nicht, 4) sie zögert nicht, 5) sie opfert gern und läßt nichts unvollendet. (Florey.)- Was muß ich thun, daß ich selig werde? Seligpreisung der Jituger und Frage eines Schriftgelehrten 705 1) Jesum im Glauben sehen und hören, Z) wahre Liebe üben bis ans Ende. (Sommer.) Das dreifach blickende Auge des Christen: es blickt 1) in Glauben auf den HErrn, L) in Liebe auf den Nächsten, Z) in Hoffnung auf das zukünftige Erbe. (Stc"ihlin.) Wohl dem, der 1) ein Samariter ist, Z) einen Samariter findet! (Cl. Harms.) Vgl. zu V. 37. 23. Und er wandte sich zu feinen Jün- gern sals von welchen ja das: ,,welchem es der Sohn will offenbaren« vornehmlich galt] Und sprach insonderheit« sdie Jlinger damit aus dem Haufen der Umstehenden gleichsam an fich heranziehend Kap. 18, 31; Matth 13, 15—17]: Selig sind die Augen, die da sehen, das ihr sehet svgt I. Köic 10, 8]. 24. Denn ich sage euch: Viel Propheten lzu denen auch Abraham und Mofe zu rechnens Und Könige sals David, Salomo, Hiskia u. s. w.] wollten sehen, das ihr sehet, und haben’s nicht gesehen; und hören, das ihr hütet, und haben’s nicht gehörctss il. Petri l, 10 ff-; Hebr 11, 39 s.]. is) Luther verbindet das ,,insonderheit« mit ,,sprach«; richtiger aber verknüpfen andere Ausleger es mit ,,wandte fich zu seinen Jüngern-« (Nebe.) Wie hohe Vorstellungen auch die Jiinger von der Person und dem Werke Jesu hatten, so waren sie doch weit ent- fernt, die Thatsache seiner Erscheinung und ihr Vor- recht, ein Werkzeug eines folchen Meisters zu sein, nach feiner ganzen Bedeutung zu würdigen; in dieser feier- lichen Stunde sucht Jesus ihnen die Augen aufzuthun, aber öffentlich, kann er fich über diesen Punkt nicht aussprechen, nur halblaut giebt er ihnen Ausschluß (Godet.) H) Der HErr kündigt fich hiermit selbst an als denjenigen, in welchem nicht allein die Erwartung der Vorzeit erfiillt, sondern auch die Zierde und Krone der Menschheit erschienen ist. Das Bild eines David und Hiskia, eines Jesaia und Micha trat ihm klar vor die Seele, und ihr inneres Leben steht vor seinem Geiste als ein Leben der Erwartung, als deren Mittelpunkt und Erfüllung er fich selbst weiß; diesen allen gegenüber erblickt er den geringen Kreis seiner Jünger, die un- endlich höher bevorzugt sind, und als fürchte er auch den Schein der Selbsterhebung, wenn er von fich selbst zeugt, sagt er ihnen hier in’s Ohr, was von den Dächern gepredigt werden soll: ,,mehr als Sa- lon1o, mehr als Jonas ist hier» Zugleich ist dieser Glückwünsch für die Siebzig eine unmittelbare Er- mahnung, nicht nur fortwährend gläubig auf ihn zu sehen, sondern auch ferner aus ihn mit all der An- dacht zu hören, deren Könige und Propheten ihn ge- wiß würdig geachtet haben würden; doppelt passend ist dieser Wink, da die Siebzig nun wieder in den Kreis der gewöhnlichen Zuhörer zurücktraten (van Qosterzee.) I1l. d. 25—37. (§. 72.) mit des: wann: des ge. dieses: »und er wandte sich zu seinen Ltliingern insonderheit« hat der Evangelist schon angedeutet, daß der hErr sich nicht in einen( verschlossenen thausey sondern auf osfener Straße befindet, als er die Siebzig bei ihrer Wiederkehr empfängt nnd an ihren Bericht seine nede knüpft; wir dürfen uns also nieht wandern, wenn hier aus der umgebenden Dächseps Bibelwort. V. Band. 2. Aufl. Volkamenge auf einmal ein Schriftgelehrter aufsteht und mit einer versuchlichen Frage an ihn herantritt Aue( der in d. 38 folgenden Begebenheit können wir aber auch erkennen, daß in oder doch unmittelbar bei Llericho der Schauplah der hier erzählten Vorgänge sich befindet; daher bekommt die Gleichnißrede von denc, der von Je— rusalem hinab ging gen Sleticijm eine besondere örtliche Beziehung »— Jesus ist mit denen, die ihn unistelfeti und seine Worte hören, eben im Begriff, umgekehrt von Iericho hinaus-zustehen gen Jerusalem, um am andern Tage, der ein Sabbath und der mittelste Tag des ltanbhiittetifesleg ist, im Tempel aufzutreten Geh. 7,14). Dieses« ,,n1ilteti im Fest« ist von Bedeutung, denn es erinnert an das »milten in der Woche in Bau. 9, 27., in das nunmehr die evangelisthe heilsgeschithte eingetreten ist (tiap. El, 31 u. 51); da gewinnt denn auch die nede von dem barm- herzigen Samariter ihre eigenthiimliche Bedeutung, denn sie ist die Weissagung dessen, wag der Wir, wenn nun die Mitte der Woche vollständig erreicht ist, selber thun wird an dem zerschlagenen itieasthengeschlecht 25. Und siehe, da lwährend Jesus in der vorhin angegebenen Weise mit den Jüngern ver- handelte] stund saus der mehr und mehr sich herandrängenden Volksmenges ein Schrislgelehts ter sEsra 7, 6 Aums aus, versuchte ihn lmit einer Frage, die seine Weisheit auf die Probe stellen sollte, ob er denn wirklich besser den Weg zur Seligkeit anzugeben wisse, als die verordneten Lehrer des Volks Matth 23, 2, wie er dessen soeben fich gerühmt habe], Und sprach: EVEN- ster, was musz ich thun, dasz ich das ewige Leben ererbe [Matth. 22, 36 Anmst Neben den Unmlindigem die der HErr Jesus selig pries, weil ihre Augen und Ohren das Schönste und Herrlichste im Himmel und auf Erden, Christum und sein Evangelium sahen und hörten, standen auch etliche Weise und Kluge, und die konnten nicht be- greifen, was für Seligkeit das Sehen und Hören dieses Jesu einbringe; unter ihnen war besonders ein Schrift- gelehrter, den hatte es gekränkt, daß der Heiland ge- meine Leute, wie die Jiinger, so hoch rühmte, er denkt da bei fich selbst: »ich möchte doch wissen, was dieser Jesus Besseres lehren kann, als Moses, und warum nicht auch die felige Leute sein sollen, die Mosis Gesetz hören und halten» (Besser.) Die Jünger haben fich gefreut, das; auch die Geister ihnen unter- than sind, aber es giebt auch Geister des Wider- spruchs; jetzt gilt es, diese zu bündigem doch nicht wider sie, die Jiinger, sondern wider den HErrn selbst erhebt fich ein solcher Geist in dem Schristgelehrtexu (Nebe.) Wie sich doch manchmal durch Gottes Fiigung eines an das andere reihen ntußl Eben hat Jesus seinen Jüngern bezeugt (Joh. S, 40): »das ist der Wille deß, der mich gesandt hat, daß, wer den Sohn siehet und glaubet an ihn, habe das ewige Leben«; weil nun aber eine nothwendige Folge des nehmenden und ge- nießenden Glaubens die gebende und dienende Liebe ist, so muß dieser Punkt auch noch zur Sprache kommen, und die Veranlassung dazu muß der versucheude Schrift- gelehrte geben. (Fr. Arndt.) 26. Er aber sJesuss sprach zu ihinZWie stehet sals Antwort auf diese Frage] im Gesetz geschrieben sauf dessen Standpunkt du dich ja 45 706 Evangelium Lucä 10, 27——29. meiner evangelifchen Heilspredigt gegenüber stellst]? Wie liesest du lbei Mose, der dir dein Ein und Arles ishr 27. Er antwortete snach 5. Mof e, 5 u. Z. M. II, is] und sprach: Du sollst Gott, deinen HErrnp lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von allen Kräf- ten und von ganzem Geniüthez und deinen Nächsten als dich selbst. 28. Er aber sprach zu ihm: Du hast recht geantwortet ldenn auf deinem Standpunkte giebt es in der That keine andere Antwort, vgl. Mark. 1’2, 3·2 u. 33]; thue [nun·] das [was dir Moses hiermit gesagt hat], so wirft du sseinem eigenen Zeugnis; gemäß Z. M. 18, b] leben sd. i. das ewige Leben erlangen, nach dessen Erwerbung mit eigenem Thun du mich vorhin gefragt hast]. Jesus hat eben eine Antwort auf die Frage, wie man selig werde, gegeben: soll er dieselbe wiederholen? der Schriftgelehrte würde vor Erstaunen außer sich gewesen sein, daß man mit dem bloßen Sehen und Hören sollte zum ewigen Leben kommen und nichts weiter sollte gesehen und gehört haben, als diesen Menschen von Nazareth; der Mann hatte keine Glau- bensaugen, er konnte also auch an und bei diesem Jesus nichts sehen und hören, was ihn selig machte. Der HErr giebt ihm daher die Antwort nicht, die er vorhin seinen Jüngern insonderheit gegeben; er siehet auf den ersten Blick, daß der Schriftgelehrte schon seine Antwort in Bereitschaft hat und nicht Christi Weisheit lernen, sondern seine eigene Weisheit will sehen lassen. So giebt er ihm Gelegenheit dazu und spricht: ,,wie stehet im Gesetz geschrieben? wie liesest du?« d. i. welche Antwort giebt das Gesetz Gottes auf deine Frage? (Miinkel.) Jm Grundtext steht das »im Ge- »se»tz« voran (,,im Gesetz, was steht da geschrieben?«); diese nachdrückliche Voranstellung ist zu beachten, ebenso die Zuständigkeit des Fragenden in dem hinzugefügten: ,,wie liesest du?« was eine gewöhnliche rabbinische Formel war, um einen Schriftbeleg zu veranlassen. (Meher.) Die Frage verlangt ja nicht etwa zur Antwort alle 613 Gebote Mosis aus Moses, ja, nicht einmal die Gebote vom Sinai, sondern nimmt voraussetzend an, daß es eine Summa des Gesetzes, Ein Grundgebot zur kurzen Antwort giebt. Der Gesetzmeister nun las nach dem Buchstaben ganz recht; er sagt nicht blos den ersten Spruch von der Liebe Gottes her, sondern thut auch das zweite Haupt- gebot von der Nächstenliebe hinzu, giebt also dieselbe Summa der Gebote, welche der HErr selbst in Matth. 22, 37 ff. darüber erklärt. (Stier.) Erstere Stelle (5. Mos. S, 5) verbunden mit 5.Mos.11, 13 ff. mußten die Juden täglich Morgens und Abends sprechen, auch stand sie aus den Denkzetteln (5. Mos. S, 9 Anm.), nicht aber war das auch mit der andern Stelle (3. M. 19, 18) der Fall; daß nun der Gesetzlehrer auch diese Stelle hiuzufügt, erklärt sich daraus, daß es ihm bei seiner versuchlichen Frage wohl gleich von Haus aus daraus ankam, sich mit Jesu in einen Dispüt über das Wort ,,Nächster« in dieser Stelle einzulassen. Jm Uebrigen erscheint er als einer von den schon Geförder- ten unter den Sittenlehrern der Juden; denn andere setzten das Ceremonialgesetz noch über das Sittengesetz Ausfällig ist in Betreff der ersten Stelle die Art der Abweichung bei Anführung derselben hier und in andern Orten der Evangelien von dem hebräischen Text: und von der Septuagintm 5. Mos. 6, 5: Herz, Seele, Vermögen. (Septua inta:) Gemüth Seele, Vermögen. Matth. Z, 37: Herz, Seele, Gemüth. Mark. 12, 30: Herz, Seele, Gemüth, Kräfte. » » 33t Herz, Gemüth, Seele, Kräfte. Luk· 10, 27: Herz, Seele, Kräfte, Gemüth. Vgl. dazu die Bem. zu 5. Mos. 6, 5 u. Z. Mos. 20, 6 (das Wort von Schultz). —- Der zweite Theil der Summa ist der Folgesatz des ersten und nur in Ver- bindung mit diesem vollziehbar: nur die herrschende Liebe zu Gott kann jeden Einzelnen so über den Egois- mus erheben, daß das Jch des Nächsten ihm aus ganz gleicher Linie mit feinem eigenen Jch steht; wir müssen das Urbild über alles lieben, wenn das Abbild uns bei den Andern derselben Achtung und Liebe werth er- scheinen soll, wie bei uns selbst. So lieben ist in der That das Mittel zu leben, oder vielmehr, das ist das Leben, wie auch Gott kein höheres Leben hat als das Leben der Liebe. Die Antwort Jesu ist also nicht blos eine Anbeqnemung an den gesetzlichen Stand- punkt; das Evangelium unterscheidet sich vom Gesetz nicht hinsichtlich des Zwecks, sondern durch die An- weisung des Mittels und durch das Verleihen der Kraft. (Godet.) Manchen Menfchen klingen die zehn Gebote so klein und erscheinen ihnen als ein so gar kleines Register von Gott befohlener guter Werke, daß sie, weit entfernt, sie ncenschlichen Kräften als uner- reichbar zu erkennen, dieselben immer noch zu über- bieten streben; denen geht es, wie manchmal einem Wanderer, dem in der Ferne ein Bergesgipfel gar nicht sonderlich hoch erscheint, der ihn aber, je näher er ihm kommt, desto beschwerlicher zu erklimmen findet. Ein Berg ist Gottes Werk, und das Gesetz ist Gottes Wort: man kann schon daraus schließen, daß beide nichts Kleines, sondern etwas Gottes Würdiges, Er- habenes, Herrliches sein werden; man kann es schlie- ßen, ehe man’s erfahren hat —- wer die gegentheilige Meinung hegt, kann nicht gut schließen und hat wenig Erfahrung. Ein Mensch werde nur für’s Erste recht ernst und redlich in der Arbeit des Gesetzes, so wird er bald erkennen, daß die Ermunterung: ,,thue das« und die Verheißungt »so wirst du leben« durch eine unausfüllbare und unübersteigliche Kluft menschlicher Schwäche und Ohnmacht geschieden sind; könnte einer thun, was unser Evangelist gebietet, so würde er frei- lich das Leben haben. (Löhe.) Die Engel thun es und leben; Adam hätte es thun können, so hätte er ewiglich gelebt; wir Sünder sind es schuldig zu thun, das Gesetz fordert es von uns durchaus, aber nicht in der Meinung, als könnten wir es thun, sondern uns zu bezeugen, daß wir es nicht ge- than haben nnd nicht thun können, also nicht Leben und Seligkeit, sondern Tod und Verdammniß verdient haben. (Besser.) Es ist buchstäblich wahr, daß, wenn jemand das Gesetz so erfüllte, daß seine That in Gottes Augen wirklich den Stempel der Vollkommen- heit trüge, er gewiß zum Leben eingehen würde. Der HErr nun stellt gerade das vom Gesetz verlangte Thun in seinem ganzen Nachdruck voran, um den Schriftgelehrten zur Erkenntniß seiner selbst zu brin- gen nnd ihn seine Unvollkommenheit dem höchsten Jdeal gegenüber klar einsehen zu lassen; hätte derselbe geantwortet, es sei ihm unmöglich, das Gebot so, wie es Gott verlangt, zu erfüllen, seiner Sünde und Schwachheit wegen, und er müsse daher seine obige Des Schriftgelehrten weitere Frage: Wer ist denn mein Nächsten? 707 Frage (V. 25) in dem Sinne wiederholen: was muß ich thun, um Gott und meinen Nächsten so zu lieben, wie mir geboten ist? so wäre er für das, was der HErr in V. 23 s. seinen Jüngern gesagt hatte, em- psänglich gewesen. So aber fühlt er zwar den Stachel, den das: ,,thue das, so wirst du leben« in sein Ge- wissen drückt; doch er verfucht dagegen auszufchlagen (Apostg. 9, b) und verrenut sich so noch Viel ärger in seine falschen Wege. 29. Er aber wollte sich selbst rechtfer- tigen [als habe er keineswegs eine so leichte Frage gethan, daß er sie ohne Weiteres sich selbst hätte beantworten können, indem er darauf auf- merksam machte, daß in den angeführten Gesetzes- worten doch etwas Schwieriges enthalten sei, darüber man nicht so leicht hinwegkomme], Und sprach zu Jesu smit Beziehung auf den zweiten Theil der Hauptfumme des Gesetzes aus Z. M. 19, 18]: Wer ist denn mein Niichfteri fdas versteht sich ja nicht so von selbst, sondern muß erst durch Schriftgelehrfamkeit entfchieden werden; und da beweise du denn deine Kunst, wenn du etwas weißt] Rechtsertigen will sich der Schriftgelehrte gegen den in den Worten Jefu liegenden Vorwurf, daß er etwas gefragt habe, was er doch selber wisse, zugleich aber auch zum Voraus sich sicher stellen gegen die wohl begründete Entgegnung, warum er das nicht längst gehalten und geübt habe; er wendet daher ein, mit Jefu Antwort sei es nicht gethan, sondern hinter ihr zeige sich erst die eigentliche Schwierigkeit, wer denn der Nächste sei, auf den sich das Gebot: »deinen Nächsten als dich sehst« beziehe. (v. Burger.) Da er sich durch die Heiligkeit des von ihm selbst ausge- sprochenen Gesetzes angeklagt fühlt, wendet er die Un- tlarheit des Buchstabens des Gesetzes vor als Grund seiner Nichterfüllungx »was heißt das Wort NächsterP wie weit erstreckt sich seine Anwendung? so lange man über diesen Ausdruck nicht im Reinen ist, ist es ja un- möglich, das Gebot zu erfüllen« Der uächste Zweck des folgenden Gleichnisses nun ist der, ihm zu zeigen, daß die von ihm gestellte theologifche Frage von Natur in jedes aufrichtige Herz geschrieben ist, und daß er nur darf hören wollen, um zu hören. Man darf nicht meinen, Jesus wolle mit dem Gleichniß sagen, daß der Samariter durch seine liebevolle Gesinnung oder durch diese einzelne Handlung der Wohlthätigkeit das Heil erlangt habe; es ist ja eine ganz neue Frage dazwifchen gekommen, die nach der Bedeutung des Wortes ,,Nächster«, Jesus will also nur sagen, die von den Schriftgelehrten als sehr schwierig angegebene Frage habe der Samariter schon gelöst, ehe er sie sich nur gestellt habe —- er besaß »von Natur» (Röm. L, 14 ff.) das Licht, welches der Schriftgelehrte nicht gefunden oder in seinen theologischen Grübeleien verloren hatte. Aus solchen Reden des HErrn mag wohl Paulus seine Lehre von dem in’s Herz geschriebenen Gesetz genommen haben, das die Heiden zum Theil erfüllen. (Godet.) Aus der zweiten Frage des Schriftgelehrten blickt jene pharisäische Auslegung des Gebots der Nächftenliebe hervor, welche Jesus bereits in der Bergpredigt ver- worfen hatte (Matth. 5, 43 ff.); darnach würde der Mann es bedenklich gefunden haben, wenn ein Jude einem Samariter hätte Barmherzigkeit erzeigen wollen, darum läßt Jesus einen Samariter austreten, der dem Juden Barmherzigkeit erweist. (P. Lange) Was den 3—4 Meilen weiten Weg zwischen Jerusalem und Je- richo betrifft, so haben wir ihn zu Matth 20, 34 näher beschrieben; auch der Stätte Adumim, bei welcher das Mordthal sich befunden, ist bereits zu Jos.15, 7 näher gedacht worden. Hier nun haben wir es noch mit der Frage zu thun, ob wir die nach- folgende Ehr-Erzählung als ein bloßes Gleichniß, als eine von dem HErrn im Augenblick erfundene Ge- schichte, an der er in anschaulicher Weise den Schrift- gelehrten zur Erkenntnis; der Wahrheit führen will, anzusehen haben, oder als eine wirkliche Begeben- heit; die meisten Ausleger entscheiden sich für die erstere Ansicht, einige jedoch für die andere, versehen es aber darin, daß sie die Begebenheit zu einer solchen machen, die damals in Aller Munde war und den Gesinnungsgenossen des Schriftgelehrten um des Ver- haltens des Priesters und Leviten willen wenig zur Ehre gereichte. Wäre das der Fall gewesen, so hätte der HErr gewiß nur einen sehr nachtheiligen Eindruck auf den Frager gemacht und wenig Lehrweisheit be- wiesen; aber auch mit einer bloßen Parabel hätte er gewiß nicht den, der ihn zuerst hatte versuchen wollen und der jetzt sich selbst rechtfertigen wollte, völlig über- wunden, derselbe hätte ihm dann einfach erwidern können: »diese Geschichten hast du rein aus der Luft gegriffen; in Wirklichkeit würde weder der Priester und Levit an einem so unglücklichen Volksgenossen vorübergegangen sein, noch ein Samariter solche Barm- herzigkeit an einem Juden gethan haben-« Wir nehmen also an, es ist eine wirkliche, thatsächliche Geschichte, aber keine landläufige, allgemein bekannte, sondern eine geheime, bisher verfchwiegen gebliebenex und zwar stand der, den sie betraf — »der, der unter die Mörder gefallen war« —— in der Person des Schrift- gelehrten dem HErrn unmittelbar selbst gegenüber und sollte nachträglich noch lernen, was er in seinem phari- säifchen Dünkel bisher noch nicht hatte lernen wollen, welcherunter den Dreien — Priester, Levit, Sama- riter — ihm damals der Nächste geworden sei, um hinfort nicht mehr zu fragen: »wer ist denn mein Nächster?« sondern hinzugehen und desgleichen zu thun. Einen Stützpunkt für diese unsere Annahme haben wir zunächst daran, daß die ganze Verhandlung in Jericho stattfindet, wie aus dem Zusammenhange sich ergiebt; die Ausleger, indem sie tueistentheils sich zu keiner rechten Klarheit über die Chronologie der Evan- gelisten hindurchgearbeitet haben, verkennen dies und verlegen sie nach Galiläa oder Peräa Jst aber der Schriftgelehrte einer von den in Jericho Angesesfenetn so bekommt schon das eine lebendige Wirklichkeit, daß es heißt: ,,es war ein Mensch, der ging von Jerusalem hinab gen Jericho«, und erscheint nun auch das »ein (gewisfer) 9Jiensch« in seinem rechten Lichte, denn der Schriftgelehrte verstehet schon, wer damit gemeint ist; die Umstehenden dagegen brauchen es nicht zu wissen. Wahrscheiulich hat sich das ereignet am letztverflossenen Osterfest (a. 29 n. Chr.): der Schriftgelehrte ist da etwa vom 17.—19. April während der ersten Tage des Festes in Jerusalem anwesend gewesen; vom 20.—22 waren Wochentage (Mittwoah bis Freitag), die keinen Sabbatscharakter hatten, und er konnte da recht wohl, wenn er etwas daheim zu besorgen hatte, nach Hause reisen, gleichwie auch der Priester und Levit, die ebenfalls in Jericho ihren Wohnsitz hatten. Während einer Festzeit pflegten für gewöhnlich die Raubmörder bei Adumin ihre Ueberfälle einzustellen, weil die Gegend zu belebt war; unsre Reisendem deren 45’«« 708 Evangelium Lucä 10, 30—37. wir im Ganzen vier vor uns haben, konnten es daher wagen, jeder allein seines Weges zu ziehen, aber auf den ersten derselben machten sie doch einen Ansall Einen zweiten Stützpunkt für unsre obige Annahme finden wir darin, daß der Schristgelehrte in V. 36 f. sich so willig von dem HErrn katecl)esiren läßt und so rückhaltslos seine Entscheidung trifft: ,,der die Barm- herzigkeit an ihm that.« Es hat zwar schon Luther hierzu die Bemerkung gemacht: »will den Samariter mit Namen nicht nennen, der hoffärtige Heuchler«, und in der Regel schreiben und reden Andere ihm das nach; wir meinen aber, der Schriftgelehrte hat es besser mit seiner Antwort, die auf die That der Barm- herzigkeit den Nachdruck legt, getroffen, was er dem HErrn für einen Bescheid auf seine Frage zu geben hatte, als wenn er gesagt hätte: »der Samariter« — er hat es an sich erlebt, was es heißt, in seiner Noth Barmherzigkeit erfahren, und darum weiß er auch das Thun der Barmherzigkeit zu schätzen, daß ihm darnach gesagt werden kann: »so gehe hin und thue desgleichen« Haben wir Recht mit unsrer ganzen Meinung über die Geschichte, daß sie aus dem Leben gegriffen, und zwar aus dem Leben dessen selber, dem sie als Spiegel vorgehalten wird — und um eine solche mußte es sich handeln, wenn sie in tiefster Seele anfassen und gründlich wirken sollte —, so hat der HErr dem gegenüber, der zu Anfang nicht begreifen konnte, was denn darin für eine Seligkeit beschlossen liegen sollte, diesen Jesum von Nazareth zu sehen und zu hören, einen entscheidenden Sieg davon getragen, gleichwie einst über Nathanael, da er zu ihm sprach cJvh.1, 48): ,,ehe denn dich Philippus rief, da du unter dem Feigenbaum warest, sahe ich dich-«; der Mann hat nun wenigstens gewußt, daß er ,,einen Lehrer von Gott gekommen« vor sich habe, einen Propheten mächtig von Thaten und Worten, und wer weiß, ob er nicht zu denjenigen von Christi ursprüng- lichen Widersachern zählt, die nachmals dem Glauben gehorsam geworden (Apostg. 6, 7). Nach diesen Vor- bemerkungen betrachten wir nunmehr die Geschichte selber, von der es üblich geworden, sie das Gleichniß vom barmherzigen Samariter zu nennen, welchen Aus- druck wir auch beibehalten wolleu um des noch weiter greifenden Zweckes willen, den diese Geschichte erfüllt. 30. Da antwortete Jesus und sprach: Es war· ein Wunsch· der ging· von Jeru- salem hinab» gen Jericho, und fiel unter die Morderz die zogen ihn aus sseiner Kleider und sonstigen Habe ihn beraubend] Und schlugen ihn lda er sich wehren wollte], Und gmgeU snachdem sie ihren Raub vollbracht hatten] davon und ließen ihn halbtodt liegen [unbekijm- mert, was aus ihm werden würde]. 31. Es begab sich aber ohngefähr [1.Köu. 22, 34], dnfz eIU Priester« lebenfalls von Jeru- salem kommend] dieselbige Strafze hinab zog; UUd da er ihn sahe sihn auch ächzen und win- seln hörte] ging et« lohne sein Elend irgend zu Herzen zu nehmen] votuber lrecht geflissentlich ihm ausweichends 32. Desselbigen gleichen auch ein Leim, da er kam bei die Stätte und sahe ihn sindem er näher hinzutrat und die Sachlage in Augenschein nahm], ging er vornher. 33. Ein Samariter aber reisete [oer- muthlich in umgekehrter Richtung, von Jericho nach Jerusalem hinaufziehend, um dort ein Geschäst zu besorgen] und kam dahin; nnd da er ihn s« sahe, sbeschauete er sich ihn nicht in müßiger Weise wie der Levit V. 32, sondern es] jam- merte ihn sein, 34. Ging zU ihm swähreiid der Priester V. 31 von ihm ausgebogen wars, verband ihm seine Wunden und gosz drein Oel und Weit! sdas er zu seinem Reisebedars bei sich fiihrte], und hub ihn auf sein Thier und fühkete ihn [zu Fuß nebenher gehend] in die Herberge [oder Karavanserei der Wüste Nicht. 18, 2 Anm.], und pflegte sein sdaselbst wah- rend des noch übrigen Theils des Tages und der folgenden Nacht]. 35. Des andern Tages reisete er sfriih Morgens weiter, weil er nicht länger sich aus- halten konnte], und zog heraus saus seiner Gürtelborses zween Groschen sgriecks Denare ä- 71s2 Er. 2. Mos. 30, 13 Anin., als reichliches Kostgeld für zwei Tage Matth 20, L; Ossb. 6, 6] und gab sie dem Wirth, und sprach zu ihm: Pflege sein swähreud meiner Abwesenheit, bis er völlig gesund wird und ungefährdet weiter reisen kanns; und so du was mehr wirst dlltthun [für seine Pflege auswenden niüssen], will Ich [nach dem Grundtext liegt aus diesem »ich« ein Nachdrucks dirs bezahlen, wenn ich wiederkomme snur spare keine Mühe und Sorg- falt, um ihn in ganz guten Stand zu setzen] Welch ein Meisterstück der Darstellungl So an- schaulich die Scene gemacht ist, »so ursprünglich frisch giebt sie der Evangelist wieder. (Godet.) Es ist nichts Ungewöhnliches, daß ein Mensch auf seiner Straße, die er ziehet, unter die Raubmörder fällt; wohl aber erfiillt es uns mit Abscheu gegen diese Frevler, daß sie den armen wehrlosen Mann, der ihnen nie etwas zu Leide gethan, nicht allein ausziehen, sondern auch schlagen und mißhandeln, dann aber ganz gleichgiltig davon gehen und ihn halbtodt liegen lassen: »aus dem Herzen kommen arge Gedanken, Mord, Ehebruch, Hurerei, Diebereh falsche Zeugnisse, Lästerung« (Matth. 15, 19). So tief kann der Nteiisch fallen, wenn er den natürlichen Trieben seines Herzens folgt und nicht frühzeitig durch die Gnade ihnen widersteht, daß diejenigen, die mit ihm von Einem Blute herstammen und Einen Gott und Vater haben, mit ihm zu Einer Seligkeit berufen sind, ihn ebenso zu sürchten haben wie blutgierige Tiger. Wir wissen aber nicht, ob wir die Beiden, welche dem Halbtodten nahen und ihn ebenfalls liegen lassen, für viel besser achten sollen als die Räuber, die ihn geschlagen haben. (Uhle.) Auch in Christi Katechisinus gehört zum Z. Gebot, nach dein wir unserm Nächsten an seinem Leibe keinen Schaden noch Leid thun sollen, das Helfen und Fördern in allen Leibesnöthen (Stier.) Jn wenigen Worten malt uns der Heiland das ganze Elend des Unglücklichen vollständig vor die Augen: da liegt er nun, der vorhin Von dem Menschen, der auf dem Wege von Jerusalem nach Jericho unter die Mörder fiel. 709 so rüstige Wandersmann, seiner Habe beraubt, zer- schlagen an seinem ganzen Leibe, blutend aus vielen Wunden, ohne jede Hoffnung! Er kann sich nicht mehr aufrasfen und zu den Wohnungen der Nienschen hinschleppen — wird ein Mensch dieses Weges noch kommen? werden nicht die wilden Thiere sich herbei- niachen und sich hungrig auf ihn stürzen? Furchtbar ist die Lage des zum Tode Verwundetenz die Augen- blicke müssen ihm zu Stunden werden und jede Stunde zu einer Einigkeit. Aber ,,unverhofft kommt oft« »— das unerwartete geschiehet, deuu es begab sich ,,ohnge- fähr«, daß ein Priester dieselbe Straße hinab zog. So giebt es also einen Zufall? wie man will: ja und nein! Es giebt einen Zufall, wenn wir nach ållienscheriweise die Sache ansehen; und es giebt keinen Zufall, wenn wir uns auf einen höheren Standpunkt stellen. Was der Mensch nicht beabsichtigt, ist doch Gottes Fügung; was Zufall ist, inenschlich anzusehen, ist Gottes Rath und Vorherbestimmung. (Nebe.) Aeußerlich angesehen von ohngefähr, iunerlich betrachtet aber nach Gottes Fiigung begab fich’s auch, daß es gerade ein Priester war, der bei die Stätte kam — also Einer von denen, die Andern mit gutem Exempel vorauleiichten und die Liebesiibung mit Wort und Werk einschärsen sollen (Mal. L, 7). Konnte der Un- glückliche noch sehen, so hat er vielleicht jetzt gehofft; aber der Priester siehet wohl den Nackendeth doch ohne nach Jes. 58, 7 zu thun. »Hier ift’s gefährlich«: das ist sein erster Gedanke; der zweite wohl bald: »Gott Lob, daß ich’s nicht bin« Da hätte er nun weiter denken sollen: »Wie, wenn ich’s wäre und jemand käme an mir vorüber, wie ich jetzt an diesem? Nun, ich will helfen, wie man mir helfen sollte« (Matth. 7,12); aber, er zieht vorüber — verlangt? doch, sieht’s doch eben niemand hier.« Gäb’s einen Prunk damit, dann hätte er’s gethan, doch Gott ist für diesen Priester ,,niemand«, vor den Menschen thun sie ihre Werke (Matth. 23, 5). Will ihn ja ein Mitleid im Herzen anwandeln, so hat er Gedanken genug dawider: ,,Dem ist doch nicht mehr zu helfen! wie kann ich mich allein mit ihm "befassen!« (Stier.) Gehest du hier an deinem Nächsten kalt vorüber, so wird er dir dort im Wege liegen, daß du vor der Himmels- thiire umkehren mußt: Matth. 25, 45; 1. Joh. 4, 21· (Sprich1vort.) Man muß Gottes Wort nicht nach den Priestern, sondern die Priester nach Gottes Wort richten und beurtheilen: Röm. 2, 17 ff. (Starke.) Nach dem Grundtext scheinet es, als ob der Priester so an den Unglijcklichen herangekommen, daß derselbe ihm gerade vor den Füßen lag und er über ihn hätte hin- wegschreiten müssen, wollte er geradeaus weiter ziehen; ohne ihn auch nur recht anzusehen, bog er aus und machte einen kleinen Umweg, um vorbeizukommen. Der Levit nun, der aus seiner Linie von selber wäre vorbeigekommem trat gleichwohl heran, besah sich das Trauerspiel, überlegte wohl auch, ob er helfen sollte, ging aber dann doch weiter, ohne Hand anzulegen. »Ein Mensch am Rande der Ewigkeit — welch ein Anblick für die Zweie, die doch sogar den Seelen, folglich zuerst dem Leibe helfen sollten! Aber so waren sie damals in Israel, die vor der Liebe Gottes und der Barmherzigkeit am Nächsten vorübergingen (Kap. 11, 42) und verließen des Allmächtigen Furcht (Hiob 6, 14)i Wie nun erst, wenn, die das Evangelium predigen und vom barmherzigen Samariter empfind- sam schwatzem desgleichen thun!« — Was ist des Menfchen Herz für ein unergründlich Ding: es kann die höchste Noth sehen und erbarmt sich nicht; selbst der Mensch, welcher Gott in seinem Heiligthum dient, ist nicht besser! Als nun aber der Samariter dahin kommt, da steht von ihm geschrieben: ,,es jammerte ihn sein«. Daß das nicht die selhstverständliche Er- regung und Bewegung ist, in welche ein Niensclseiiherz wohl geräth, wenn es einen Menschen im größten Elende sieht, beweist dos Nachfolgende; denn eine natürliche Auswallung des Herzens macht zwar augen- blicklich zu einem Dienste, selbst zu einem empfindlichen Opfer bereit, hält aber nicht für die Länge vor. Das Herz des Samariters dagegen wird auf’s Tiefste er- griffen von dem Anblicke des Elenden; er kann seinem Herzensdrange nicht widerstehen, es zieht ihn mit un- sichtbaren Seilen zu dem Mann in seinem Blute hin. Bewundernswerth ist dieses Erbarmen: allen National- haß löscht es aus, alle Furcht vertreibt es; und nun beginnt das Wuuderwerk der Liebe. (Nebe.) Sehet, wie weise, wie zweckmäßig hilft der Samariter dem Ungliicklichety und bemerkt ferner, wie treu und ausdauernd ist er in seiner hilfreichen Liebe! Dazu ist sein ganzes Thun so still und verborgen wie möglich, so daß die Linke nicht wußte, was die Rechte that; besonders auch bei seiner Abreise am andern Tage zeigt sich das — er stehet mit dem Wirthe draußen vor der Thür und unterhandelt mit ihm wegen der Zukunft: der Gerettete hat nichts mehr, um selber zu bezahlen, er soll aber auch nicht er- fahren, daß schon für ihn bezahlt ist; er soll denken, der Wirth habe sich mit seinem Retter vereinigt und das Werk weiter fortgesetzt, wo dieser nichts selber mehr thun konnte. (Fr. Arndt.) Erbarmen über das Geschehene, Hilfe für die Gegenwart, fortliebeude Sorge noch für die Zukunft, das ist in wenigen, aber ge- waltigen Pinselstrichen das Liebeswerk des Samariters. (Stier.) 36. Welcher dünket dich, der unter diesen dreien [Priester, Levit und Samariter] der Nächste sei gewesen fthatfachlich gewor- den] dem, der unter die Mörder gefallen war? 37. Er sprach: Der die Barmherzigkeit [von der du da erzählt hast] an ihm that. Da sprach Jesus zu ihm: So gehe hin und thue desgleichen swerde auch du der Nächste einem jeden, der deiner Hilfe bedarf, und übe Barmherzigkeit an ihm je nach Lage der Umstände und Verhältnisses Nach dem Thema: »wer ist denn mein Nächster?« scheint es, als hätte Jesus fragen sollen: weu wirst du nun als deinen Nächsten ansehen, um so an ihm zu handeln, wie der Samariter an deinem Landsmann gehandelt hat? Aber da der Ausdruck ,,Nächster« die Idee einer Wechselbeziehung in sich schließt, so hat Jesus das Recht, die Ausdrücke umzukehren; und er thut es nicht ohne Grund. Jst es nicht sicherer zu fragen: von wem wünschte ich in der Noth Hilfe zu finden? als: wem muß ich in der Noth Hilfe leisten? Auf die erste Frage ist die Antwort nicht zweifelhaft; der Egoismus kommt da dem Gewissen zu Hilfe, daß es die Antwort stellen muß: von jedermann. (Godet.) Wenn der Samariter hätte denken wollen wie die Juden, daß nur die Stammes-genossen die Nächsten seien, so wäre er vorübergegangen nnd hätte damit nach pha- risäifcher Sittenlehre ganz recht gethan; er hatte aber Liebe im Herzen statt pharisäischer Grundsätze, darum übte er ganz einfach Nächstenliebe und zeigte durch sein 710 Evangelium Lucä 10, 37. Beispiel, daß die Nächstenliebe nicht nach der Abstam- mung fragt, sondern nach der Noth: unter allerlei Volk, wer dich brauchen kann, wen du näher kennst, der ist dein Nächster, und je mehr er dich braucht, je mehr du ihm nützen kannst, desto mehr ist er dein Nächster und du seiner. Dagegen das Beispiel des Priesters und Le- viten zeigt, daß der Grundsatz, nur Namens- und Re- ligiousgenosseii seien Eliächste, nicht wahr und überdies ein solches Gewächs ist, welches am Ende auch den Stammes- und Volks- und Religionsgenossen keine Frucht bringt: wer die Nächstenliebe so eng begrenzt, der hat am Ende gar keine wahre Nächstenliebq er liebt den Nächsten nicht wie sich selbst, er zieht seinen Nutzen, sein Wohlseiu, sein Leben dem des Nächsten vor. (Löhe). Das ist eben der ächten Liebe Eigenschaft, daß sie nicht das Nächftenrecht des Andern abwiegt, sondern die Nächstenpslicht mit freier Lust erfüllt, nicht nach Lie- benswürdigkeit frägt, sondern nach Liebensbedürf- tigkeit. Wer Liebe hat, der wird nie darüber in Zweifel sein, wem er sie beweisen soll: »habe Liebe, und thue, was du willst«, sagt Augustin. (Besfer.) Je schlagender und wirkungskräftiger die ganze Beweis- führung des HErru mit seiner so plastischen und doch so einfachen Erzählung ist«, desto entschiedener müssen wir auf die Behauptung zurückkommem daß es sich hier nicht um eine erdachte, sondern um eine wirklich genau so vorgefallene Geschichte handelt: erdichtete Lehr-Er- zählungen üben eine Wirknngsmacht nur auf den Ver- stand, können nur als Mittel verwendet werden, um einen abstrakten Begriff concret, d. i. als wirklich vor- handen, und eine intellektuelle (geistige) Wahrheit an- schaulich zu machen, eine Lehre in eine bestimmte, be- haltbare Form zu kleiden; aber nie üben sie ihre Wir- kungsmacht auf das Herz, am wenigsten dann, wenn es gilt, das Herz ins Schwarz-e zu treffen, ihm seinen faulen Fleck zum Bewußtsein zu bringen und es zur Wahrheit und Gerechtigkeit zu bekehren, im Gegentheil wird da allemal der Erfolg sein: ,,man merkt die Ab- sicht, und man wird verstimmt.« Wenn Prediger ihrem Vortrage eine herzergreifende, erschütternde oder triisiende Geschichte einflechten wollen, so mögen sie ja sich darauf gefaßt halten, daß sie der Frage zu begegnen wissen: ,,ist denn das auch eine wahre Geschichte« — alle Wirkung ist sofort hinweg, ja die Abspannung ist desto ärger, je mächtiger vorhin die Erregung war, wenn sie sagen müßten: ,,nein! im realen Sinne wahr, d. h. wirklich gerade so vorgefallen, wie ich sie erzählt habe, ist die Geschichte nicht; ich habe sie nur ideal gebildet, d. h. aus den Gefühlen und Anschau- ringen, die mein Herz bewegten, und die ich auch in das Herz meiner Zuhörer übertragen wollte, zusammenge- stellt.« Das Meuschenherz verlangt nach Wahrheit, sicherer, verlaßbarer Wahrheit, wenn es sich an etwas halten oder nach etwas richten soll — Fabeln und Mährchen sind nur für die Kinder, solange sie einfältig genug sind, die Dichtung für Wahrheit zu halten; Ro- mane und Novellen dienen nur zur Zerstreuung und Unterhaltung und erregen die Phantasie, treffen aber nicht eigentlich das Herz, das vielmehr gerade darum das müßige Phantasiespiel so gern hat, weil es dabei aus sich selber machen kann, wozu es gerade Lust hat. Steht hiernach das Eine fest, daß die von dem HErrn erzählte Geschichte nicht eine erdichtete gewesen sein darf, sondern genau so vorgefallen sein muß, wenn sie den Schriftgelehrten sollte im innersten Seelengrunde von seinem Pharifäerthum heilen und zu Christi empfäng- ltchem Schüler machen, wie sie es denn gethan hat, so folgt auch sofort das Zweite, daß es eine Geschichte aus dem eigenen Leben des Schriftgelehrten gewesen sein muß; denn nur so hatte dieser die Controle über Jesum in der Hand, daß dieser nicht dichte, sondern er- zähle. Und zwar muß der Schriftgelehrte in dieser wahren, wirklichen Geschichte die Rolle dessen gespielt haben, der unter die Mörder gefallen war; denn nur so zwingt ihm die Frage: ,,welcher diinket dich, der unter diesen Dreien demselben der Nächste sei gewesen?« die Antwort ab: »der die Barmherzigkeit an ihm that«, und gerade auf diese kommt es an für die Weisung: »so gehe hin und thue desgleichen«. Es ist, wie oben schon bemerkt, eine durchaus irrige Vorstellung der Ans- leger, wenn sie meinen, es hätte die Antwort erfolgen sollen: »der Samariter«, und nur der noch unüber- wundene Nationalhaß habe den Schriftgelehrten ver- leitet, dieser Antwort auszuweichen und eine umschrei- bung dafür zu geben; im Gegentheil ist gerade so, wie die Antwort lautet, aller National-, Partei- und Stan- desunterschied überwunden und dem bloßen ,,Menschen« am Eingang der Geschichte (V. So) steht am Ausgang, wo nun die Nutzanwendung gemacht wird, ebenfalls der bloße Mensch gegenüber, wie es denn sein soll zur Ge- winnung des reinen Begriffs: »der Nächste«. —— Gehen wir auf die Weisung des HErrn jetzt näher ein: »so gehe hin und thue desgleichen«, so handelt hier Chri- stus mit dem Schriftgelehrten nach H. Müller? zu- treffender Bemerkung, wie ein Arzt mit dem Kranken, der nicht will krank sein, sondern stark, nicht will im Bette bleiben, sondern gehen; da sagt denn der Arzt: ,,stehe auf, gehe hin und siehe zu, wie dir’s bekomme-«. Absichtlich werden die Worte aus V. 28 hier nicht wie- derholt: »so wirft du leben-«. Der Samariter selbst, der dem Schriftgelehrten zum Muster gesetzt wird, war wohl selig in seiner That (Jak. 1, 25); aber obgleich derselbe im vorliegenden Falle von Natur that des Ge- setzes Werk (Röm. 2, 14), so wäre es doch weit gefehlt, wollte man nun auch schließen, er sei durch seine That, durch des Gesetzes Werk selig geworden. Die Wohl- thätigkeit, selbst wenn sie in allen einzelnen Fällen gleich vollkommen, wie hier, von ihm wäre geübt wor- den, erschöpft doch bei Weitem uoch nicht den Inhalt des Gebots: »du sollst deinen Nächsten lieben als dich selbst-«; und wenn er gleich in allen übrigen Stücken dieses Gebots ebenfalls ein Meister gewesen wäre, wo blieb bei ihm das vorangehende Gebot: »Du sollst Gott, deinen HErrm lieben von ganzem Herzen 2c.«? Die Erfüllung dieses Gebotes konnte der Schriftgelehrte von dem Samariter, um den es sich hier handelt, am wenigsten lernen; und für ihn war dieses gerade das Wichtigste. Für ihn war die Liebe zu Gott die Mutter, von welcher erst die Liebe des Nächsten als Tochter ge- boren werden mußte; und der HErr hatte ihm die Tochter nur darum in ihrer Vortresslichkeit vorgehalten, um sein Verlangen nach dem Besitz der Mutter zu er- wecken Da mußte er denn nach demjenigen Samariter sich umsehen, der an seiner Seele thäte, was jener Sa- mariter im Gleichuiß vormals an seinem Leibe gethan. Wir kommen auf den Gedanken, der die ältesten Kir- chenlehrer so viel beschästigt hat, daß Christus in dieser Geschichte eigentlich einen Spiegel seines Erlösungs- werkes aufgestellt hat; und dieser Gedanke ist nicht, wie viele neuere Ausleger wollen, auf dem Standpunkte der Wissenschaft für eine bloße Spielerei anzusehen und hbchstens bei der praktischen Behandlung des Textes zu verwerthen, sondern die Auslegung ist selbst wissen- schaftlich eine unvollständige, wenn nicht zugleich das zur Geltung kommt: Jesus Christus das rechte Vorbild der erbarmenden und helfenden Sa- mariterliebe: 1) aus welcher Noth errettet er uns, 2) welche Hilfe leistet er uns? s) welche Verpflich- Der Priester, Levit und der barmherzige Samariter nebst ihren Gegenbildern 711 tungen legt er uns auf? Der HErr ist soeben im Begriff, hinauf nach Jerusalem zu gehen auf das Laub- hüttenfest, wir haben ihn hier vor uns auf der Reise, die St. Lukas in Kap. 9, 51 uns zu beschreiben ange- fangen; dort in Jerusalem werden nun die Gesinnungs- genossen des Schriftgelehrten, die »Juden«, wie Jo- hannes sie nennt, zu ihm sprechen (Joh.8,48): »fagen wir nicht recht, daß du ein Samariter bist und hast den Teufels« Jesus wird ihnen mit gutem Gewissen antworten können: ,,ich habe keinen Teufel, sondern ich ehre meinen Vater, und ihr unehret mich-«; er wird aber zugleich ihnen bezeugen können: »ich suche nicht meine Ehre, es ist aber Einer, der sie suchet und rich- tet«, und zwar hat das seine ganz specielle Geltung auch in Beziehung auf den Vorwurf: »du bist ein Sa- niariter.« Gerade ein Halbjahr zuvor, ehe dieses Schmähwort in Jerusalem laut wird (20. April u. 19. Oktober a. 29), wird auf dem Wege zwischen Je- rusalem und Jericho der Name ,,Samariter« ans einem Schanduamen in einen Ehrennamen umgewandelt dnrch Gottes Fügung, der dort der ,,Juden« einen unter die Mörder fallen läßt, zuerst einen Priester und dann einen Leviten an die Stätte führt, wo der Halb- todte in seinem Blute daliegt, und diesem nun zum Bewußtsein bringt, was das heißt (Hes. 16, 5): »me- mand jammerte deiner, daß er sich über dich erbarmet hätte und der Stücke eines dir erzeiget«. Ein Sama- riter aber reisete, so mußte der Jude hierauf weiter erfahren, und ging vor dir über (nicht ,,vorüber«), und sahe dich in deinem Blute liegen, und sprach zu dir, da du so in deinem Blute lagst: ,,du sollst leben«. Warum mußte es gerade ein Samariter sein? warum nicht irgend welcher andere Fremdling? Gott sind alle seine Werke bewußt von der Welt her (Apostg.15, 18); und nun zeiget der Vater auch dem Sohn, den er lieb hat, alles, was er thut (Joh.5,20), und zeiget es ihm im rechten Augenblick. Eben ist der HErr in dem Antritt der Reise von Jericho nach Jerusalem begriffen; er hat diesen Weg, wie wir zu Joh. 7, 1—10 sehen werden, in Folge einer besonderen Weisung seines himm- lischen Vaters unternommen, von ihm selber wäre er nicht auf dieses Fest der Laubrüst hinauf gegangen, son- dern iu Galiläa geblieben, statt in Jerusalem den Haß der Juden auf’s Höchste zu steigern. Da muß nun der ihm in den Weg tretende Schriftgelehrte mit seiner Versuchungsfrage und seiner Selbstrechtfertigungsfrage ihm die Gelegenheit an die Hand geben, daß der Vater ihm offenbart, was vor einem halben Jahre zwischen Jericho und Jerusalem sich zugetragen hat,—damit er zunächst auf die Selbstrechtfertigungsfrage einen Bescheid gebe, der den Schristgelehrten fängt, aber auch alle auf- richtig suchenden Seelen in die rechte Antwort auf die hier zur Versuchung gemißbrauchte Frage: »was muß ich thun, daß ich das ewige Leben ererbe?« hineinweise: ,,glaube an den HErrn Jesum Christum, so wirst du selig« (Apostg. 16, 31). Jn der Geschichte vom barm- herzigen Samariter spiegelt sich ganz klar und hell das ganze Erlösungswerk, das dann ein Halbjahr später Jesus mit feinem Kreuzestode vollbringt und darnach in seinen Heilsanstalten den Menschen aneignet. »Unser Vienschengeschlecht ist ursprünglich ausgegangen von einer heiligen Stätte, da der heilige und allgütige Gott dem Menschen sich genahet hatte, ihn mit dem beleben- den Odem seines Geistes erfüllt und mit dem herrlichen Blicke seines Ebenbildes geschmückt, um ihn zum Herrn und König über seine Schöpfnng zu weihen; aber durch den Betrug der Sünde haben wir das Paradies ver- loren und haben uns in die Wüste einer gottentfrem- deten Welt verirrt, sind dem in die Hände gefallen, der ein Mörder von Anfang ist (Joh. 8, 44), und der hat uns des herrlichen Kleides der ursprünglichen Weisheit, Heiligkeit und Gerechtigkeit beraubt und uns nicht blos halbtodt, sondern so gut wie ganz todt liegen lassen. Denn nur so viel Leben ist in dem natürlichen Men- schen geblieben, daß er noch die Fähigkeit besitzt, die Kräfte des höheren wahren Lebens, des Lebens aus Gott und in Gott, in sich aufzunehmen; aber aus eigener Kraft zu diesem Leben hindurchzudringem das vermag er nicht, sondern wie jener Gemißhandelte in seiner Wüste elend herkommen sein würde, wenn ihm die Hilfe nicht gebracht worden wäre, so würden auch wir, uns selbst überlassen, unfehlbar unser Ende finden im ewigen Tode. (Baur.) Der Teufel ist geistlicher Weise ganz todt, denn er hat aus eigenem frechen Muthwillen sich von Gott losgerisfen und begehrt fiel) nimmermehr vor Gott zu demüthigen, darum kann ihm nicht mehr ge- holfen werden; der Mensch aber ist verführt und mit glatten Worten berückt worden, der ist halb todt, er kann durch Gottes Gnade noch seufzen und nach dem Arzte winseln in einem bußfertigen Herzen, daß man sagen mag: ,,man soll an keinem Menschen zweifeln, weil ein Athem in ihm ist« (V. Herbergerh Weder Gesetz noch Opferdienst kann dem im Sündenelend lie- genden Menschen helfen; Priester und Lcviten gehen an ihm vorüber (Röm. Z, 20; Hebt. 7, 19), so sehr er auch geneigt ist, auf sie seine Hoffnung zu setzen. (Stier.) Wie alle, von dem unter die Mörder gefallenen Men- fchen angegebenen Nebenumstände uns sonst an niemand als an uns selbst erinnern, so erblicken wir in allen Zügen des barmherzigen Samariters niemand anders als den Heiland aller Menschen; er hat mit keinem andern Vorsatz die Welt betreten als mit diesem: »ich will die wunde Seele erquicken und die bekümmerte Seele sättigen«, Jer.31, 25. (Schöner.) Dieser selige Reisemann redet selber von seiner Reise in Joh. 16, 28, von seinem Konimen zu uns aber zeuget St. Johannes in Kap 1, 14. (Herberger.) Er ging hin, weil ihn seiner hartbedrängtety hilfsbedürftigety verlassenen Brü- der jammerte; aus herzlichem Erbarmen mit ihren: trostlosen Zustande, aus reiner Liebe zu ihnen hielt er es nicht für einen Raub, Gott gleich sein, sondern ent- äußerte sich selbst und ging hin in Knechtsgeftalh hinein in dies arme Erdenleben, um alle Noth desselben mit seinen Brüdern zu theilen. Wie der Samariter im Gleichniß, so war auch der Galiläer aus Nazareth ver- achtet von Priestern und Leviten, von den Weisen und Bstächtigen und Reichen in Israel, die kein Auge und kein Herz hatten für die Noth ihres Volkes, und weil sie selbst sich reich dünkten und gar satt, auch kein Auge hatten für ihre eigene Noth und für die Hilfe, welche der eingeborene Sohn Gottes, der gekommen war, um die Verloreneu zu suchen, auch ihnen darbot. (Baur.) Er brauchte Oel und Wein; denn er tröstet die Buß- fertigen und vergiebt ihnen ihre Sünden, er ermahnet aber auch zur Reinigung und verleiht dazu die Kräfte seines heil. Geistes. (Starke.) Wenn wir uns in die göttliche Pflege unsers Heilandes geben, wenn sein treues Antlitz sich über uns neigt, sein starker Arm uns aus dem Staube hebt, fein milder Lebensodem uns anweht, sein kräftiges Wort uns aus dem Todesschlafe weckt, seine Gnade wie linderndes Oel unsere Wunden kühlt, sein Geist wie feuriger Wein unsere Adern durchströmtz dann können wir uns erheben zu einem neuen Wandel in seinen Fußtapfen (Gerok.) Darnach legt der Sa- mariter den Verwundeten auf sein Thier, d. i. er selbst, der HErr Christus, trägt uns, wir liegen ihm auf seinen Schultern, Hals und Leibe. Es ist kaum ein lieblicher Exempel im ganzen Evangelio, denn da sich der HErr 712 Christus (Kap.15,5) einem Hirten vergleicht, der das verlorene Schaf auf feinen Schultern wieder zu der Heerde trägt; er trägt noch heutigestags immerdar, gleichwie er allein durch sich selbst hat unsre Erlösung ausrichten und auf seinem Leibe Sünde und Noth tra- gen müssen. Er führte ihn in die Herberge, d. i. in die Christenheit hier in dieser Welt (die christliche Kirche); da inüssen wir eine kleine Zeit innen bleiben. Jn den Tagen seines Erdenlebens hat er das Pflegen selbst be- sorgt mit Predigen, Lehren und Wunderthun; aber nun find die Pfleger die Prediger des Worts, die Diener Christi und Haushalter über Gottes Geheimnifsex die sollen in seinem Reich die Gewissen trösten, freundlich mit ihnen umgehen und sie speisen mit dem Evangelio, die Schwachen tragen, die Kranken heilen, und sollen das Wort fein wissen zu schneiden und einem jeglichen, nachdem es ihm vonnöthem vortragen. Darum ein Bischof und Pfarrer nicht anders gedenken soll, denn daß sein Bisthtim und Pfarre ein Spital und Siech- haus sei, darin er gar viel und mancherlei Kranke habe. (Lnther.) Wir sind durch die heil. Taufe errettet von der Obrigkeit der Finsternis; und versetzt in das Reich des lieben Sohnes Gottes; er hat sich da unsrer Seelen herzlich angenommen, daß sie nicht verdürbem aber darum sind wir doch noch krank und schwach und brau- chen eine fortgesetzte Stärkung, eine wiederholte Ver- sicherung unserer Begnadigung, unsrer Kindschaft und Seligkeit, eine immer neu fließende Mittheilung seines göttlichen Lebens. Wenn nun der HErr in seiner herr- lichen Liebe weiter für uns sorgt, wenn er uns mit dem heilsamen Brod seines göttlichen Wortes täglich nährt, und nicht nur das— wenn er uns noch etwas Besonderes zurückgelassen hat in der Herberge seiner Kirche, ein köftlich stärkendes und nie sich verzehrendes Mahl, daß unsre Seele stets neue Kraft, neues Leben gewinn« sollten wir seiner preiswiirdigen Gnade nicht froh sein und mit allen( Dank, mit heiliger Bewegung der Seele sie nützen? Freilich wohl, so wir nicht sehr thöricht sein wollen; dies Mahl aber ist das Sakrament des Leibes und Blutes Christi. (Redenbacher.) Des Herbergers Amt und Latein (d. i. Lehre oder Erinne- rung) steht in dem Wörtlein »pflege sein«; zween Gro- schen sind zwei Testament oder Gottes Wort und Sa- krameut. Groß Geduld darüber ist ihm noth: was die Welt spart, das zahlet Gott. (Herberger.) — Zur ächten Samariterliebe gehört zuletzt noch ein gött- licher«Helfer, solche Liebe uns zu lehren; und das ist eben Er, der wahre Samariter, ftir die arme, unter den Händen des Mörders blutende Menschheit. Wer durch ihn Barmherzigkeit erfahren hat am eigenen Her- zen, der erst kann recht Barmherzigkeit üben an den Brüdern; wem Gottes Liebe kund geworden an seiner Seele, der geht hin und spricht: lasset uns ihn lieben und um seinetwillen die Brüder, denn er hat uns zuerst geliebt. (Gerok.) IV« v. 38——42. (§. 73.) bioch an demselben Freitag, an dessen Morgen beim Jtufbruch von Slericho der tljairr dem Sehriftgelehrten das Gleichniß vom barmherzigen Samariter erzählt hat, kommt er auf dem zu Biatth W, 34 beschriebenes: Wege nach Bethanien, wo er bei der ihm befreuudelen Familie, über die zu ttlatth Es, 6 das tiühere gesagt worden, einteehrt ttazaruck der Bruder der beiden Schwestern, der sein eigenes tjauswesen fiir fich hat, ist ohne Zweifel in Jerusalem auf dem, vor 2 Tagen (12. Oktober) begonnenen ttaubhüttenfest an- wesend, daher er hier nicht weiter in Betracht konimtz dagegen ist tdlartha, Simons des Jlnssähigen Wittwe und Grbin, diejenige, tvelthe gewürdigt wird, den theuren Evangelium Lucä 10, 38—-40. Gaft in ihrem hause zu beherbergen, und sie läßt nun auch sich’s aufs Höchste angelegen sein, ihn so gut als inögliclz zu bewirthcn, und veranstaltet, nicht zufrieden mit der gewöhnlichen Boft ihres Gisches, ein Ghrenmahl für ihn, das ihr viel Sorge« und itiiihe bereitet, während die Schrvefter vielmehr darauf Bedacht nimmt, das eigene geiftliche Bedürfniß zu stillen, sich zu den Füßen des Meisters, dessen Gegenwart sie 1 Jahr 4 Monate lang hat entbehren artigen, niedersetzt und seinen Worten lauscht, die er zu den Jüngern redet. Sie friert da eine jener heiligen Ztiinden, wo die Seele, ob sie auch still ist nach außen und die Hände nicht regt, doch eine Arbeit an sich selber thut, die gewaltigste, die überhaupt zu thun ist, indem sie ihre Seligkeit schasst, sie must aber bald auch erfahren, das; Seelen, die sich nicht gern in das Gewühl der Welt mischen und lieber ein ftilles, innerliches Leben führen, von ihrer Umgebung schwer verstanden und nicht nach ihrem Werthe geschiiht werden. Die eigene Schwefter ist es, die als Widerpart gegen sie cinftritt; doch der tjGrr wird ihr Anwalt und krönt ihr Verhalten mit einem Wort, das unsere evangelifche tiiirrhe in einem ihrer besten ttieder sich zum beftändigen Augen— merk genommen und zum Motiv gottgefälliger Bitte ge- macht hat (theilweis im Gegensatz zu der dielgeschiiftigkeit der kathoL Kirche, welche darüber vergißt, dar( Wort des Lebens gründlich in sich aufzunehmen und treulich zu bewahren Gffenh 2,19 ff.): ,,Gins ist noth, ach Hain, dies Eine lehre mich erkennen dann« 38. Es begab aber, da sie Diejenigen, in deren Gefellschast der HErr bisher gezogen war, speziell die 70 Jiinger V. 17 ff.] wandelten svollends hinauf reisten nach Jerusalem, um uoch vor Anbruch des Sabbaths dorthin zu gelangen], ging er lfür sein Theil in Gemeinschaft mit den Zwölfen] in einen Markt« soder Flecken, nämlich Bethanien Joh. 11, 1., der lag ca. If, Stunde von Jerusalem an dem östlichen Vorsprung des Oelbergess Da war ein Weib, mit Namen Bimbo, die nahm ihn sgastlichf aus in ihr Hans lwohl ihn selber in dasselbe einladends 39. Und sie hatte eine Schwestey die hieß Maria lund wohnete bei ihrs; die lnachdem sie anfangs auch das Jhre gethan, den theuren Gast bewirthen zu helfen, dann aber, als dieser nun anfing, die Jtinger in dem Wort der Wahrheit zu unterweiseiy sofort erkannte, daß es jetzt viel- mehr gelte, die kurz bemessene Zeit seiner An: wesenheit zu ihrem Seelenheil auszukaufen] setzte sich lals lernbegierige Schiilerin 5. Mos 33, Z; Apoftg 22, 3] zu Jefu Füßen nnd hörete seiner Rede zu. 40. Martha aber machte finzwifcheky gleich als müsse sie sich selbst itberbieten in dem, was sie zur Aufnahme des Hausfreundes herzurichten sich vorgenommen] viel zu schaffen, ihm zu dienen« lworiiber sie denn nicht dazu kam, auch nur einen Augenblick der Rede Jefu ihre Anf- merksamkeit zuzuwendens Und sie sin ihrer Viel- geschäftigkeit anfangend es zu fühlen, daß die Schwester doch besser daran sei, als sie, aber ihren Jesus in Bethanien und die Schwestern Maria und Martha. 713 Fehler sich nicht eingestehend, sondern, wie der Mensch in solchem Falle das so gerne thut V. 29, es versuchend, auf Unkosten der Andern sich selbst zu rechtfertigen] trat hinzu nnd sprach: HEm fragest du lals ginge es dich gar nichts an] nicht darnach, das; inich meine Schwester smit ihrer Unterstützung auf einmal so ganz im Stich ge- lassen und nun] liisset allein dienen? Sage ihr doch fda ja das Werk, womit ich mir soviel zu schaffen mache, deine Bewirthnng betrifft], daß sie es anch angreifessl sstatt in müßiger Beschau- lichkeit zu deinen Füßen zu sitzenf s) Lukas verschweigt den Namen, wie hernach auch den des Orts, wo Jesus betete (Kap. 11, 1), um den Leser nicht an Jerusalem zu erinnern, mit welcher Stadt er es erst von Kap. 18, 31 an zu thun haben will. — Bethaniem wer vernimmt dieses Namens süßen Klang, und träumt nicht von einem Himmels- vorhof im Thal des Todes? Das Haus der drei Ge- schwister war ein solcher; nirgends findet sich vor dem großen Pfingsttage das neue Geistes-leben in solcher Fülle, Frische und Vertiefung schon entfaltet wie hier, die Familie Bethaniens gewährt den herzerhebendem verheißungsreichen Anblick eines lebensvollen Vorbildes des vollendeten Chriftusreichs auf Erden. Als in dem liebsten Gehege seines hoffnungsvoll erblühenden Gottes- gartens pflegte der HErr nach des Tages Last und Hitze hier zu weilen; aus seine Einkehr in Bethanien hat man das Wort des Hohenliedes bezogen: »Mein Freund ist hinabgegangen in seinen Garten zu den Würzbeeten, daß er sich weide und Rosen breche« (Krummacher.) Gesegnetes Haus, in welches Jesus aufgenommen wird! Wäre es auch im Aeußeren nur eine verfallene Hütte zu nennen, schimmerte nothdürstig der Tag durch die engen Fenster und beleuchtete den ärmlichsten Hausrath drinnen: welcher Palast, welches Fürstengemach wäre dieser Hütte zu gleichen, sobald Der unter das Dach derselben eingezogen, welcher der König aller Ehren ist, Jmmanueh Gottmituns, das Licht und das Leben, uns von dem Vater erfchienen?!— Ach ja, denkst du, wenn mir das begegnen follte: Jesus unter mein Dach! wie leicht sollte mir die Entbehrung werden, wie reich würde ich mich dünken in Gott! wie müßte die Gegenwart des HErrwHErrn mir alles Vittere versüßen, alle Arbeit erleichtern, alle Noth in Segen wandeln und das un- ruhige, bewegte Herz mit dem Frieden Gottes stilleu! Wenn es dir wirklich darum zu thun ist, du kannst bald dazu kommen; der Heiland ist nicht so sparsam mit feiner Gnade, wie dein Herz denkt. Siehe, feine Boten rufen: ,,bereitet dem HErrn den Weg; machet die Thore weit und die Thiiren in der Welt hoch, daß der König der Ehren einziehe!« Und man darf in Wahrheit sagen: es ist kein Haus in der ganzen Chri- stenheit, wie schlecht und sündig es auch darin hergehe, an dessen Thüre nicht er selbst, der Heiland, schon mehr als Ein Mal angeklopft (Roffhacl.) Drei EGeschichten hat uns die heil. Schrift von Bethanien aufbewahrt nnd in ihnen uns die Thatsachen in die Hände gegeben, aus denen wir wahrnehmen, daß, wo Jesus der Hausfreund ist, da des Hauses Friede erhalten, des Hauses Leid gehoben, und des Hauses Ehre erhöhet wird. (Fr. Arndt.) O selig Haus, wo man dich anf- genommem du wahrer Seelenfreund, HErr Jesu Christ; wo unter allen Gästen, die da kommen, du der gefei- ertste und liebste bist; wo Aller Herzen dir entgegen- schlagen und Aller Augen freudig aus dich sehn, wo Aller Lippen dein Gebot erfragen und Alle deines Winks gewärtig stehn! (Spitta.) M) Man sieht so leicht in der Martha nichts weiter als eine rlihrige, gefchäftige Hausfrau, deren Rührigkeit nach außen hin sie wenig innerlich berührt werden läßt, deren Beweglichkeit ein stilles, sinniges Verarbeiten nicht aufkommen läßt, deren Gefcl)äftigkeit fiir den HErrn wenig mehr ist denn ein äußerlicher Dienst. Wäre Martha nicht mehr gewesen, würde es dann von ihr wie von der Maria in einem so ganz besonderen Sinne heißen, daß Jesus sie lieb hatte (Joh. 11, 5)? Würden wir dann von ihr das schöne Be- kenntniß vernehmen, wie sie es bei der Auferweckuxig des Lazarus abgelegt hat (Joh. 11, 21 ff.)? O nein! hinter Martha’s anfcheineud äußerlichem Wesen liegt mehr: ihre Rührigkeid Beweglichkeih Geschäftigkeit sind der Ausdruck eines reichen inneren Lebens, und dieses innere Leben ist berührt, erweckt von dem HErrn; ist die Kundgebung eines mächtigen Dranges, und dieser Drang heißt Liebe zu dem HErrn; ist die Offen- barung einer bewegten, eifrigen Seele, und diese Seele ist hingegeben an den HErm Auch die Martha hat Glauben an ihn; auch sie weiß, was sie an Christo be- sitzt; auch sie kennt die Freude, den HErrn erkannt und gesunden zu haben. Jhr Schaffen ist nichts Anderes als der Ausdruck der Freude über die köstlichen Gaben, die ihr in Christo zu Theil geworden find. Wir hören es ja: ,,fie nahm ihn aus in ihr Hans« Es ist der Drang reiner Liebe, der fiel) darin offenbart; ins Haus nahm sie ihn auf, weil sie ihn schon im Herzen trug. Christus ist bei ihr denselben Weg gegangen, den er immer, auch heute noch gehen muß: durch’s Herz ins Haus, das ist dieser Weg; hat der HErr Christus nicht in deinem Herzen Gestalt gewonnen, wie kann er Woh- nung machen in deinem Hause? hat der HErr und sein Geist nicht deine Seele erfüllt, wie kann er dann die Seele deines Hauses sein? hast du sainmt den Deinen nicht in den stillen Räumen des inwendigen Menschen bereits seine Nähe verspürt, wie kann man sie in den Räumen deines Hauses verspüren? Durch’s Herz in’s Haus — diesen Weg ist der HErr bei der Martha gegangen: sie weiß, was sie an ihm hat, nnd sie möchte es ihm bezeugen; sie weiß, was er ihr gewesen, und sie möchte es ihm vergelten. Dies ist’s, was ihre Seele Hüllt; alle ihre Gedanken bewegen sich um ihn; die Liebe zu ihm, die Freude über ihn ist es, die sie drängt; darum auch macht sie sich viel zu schaffen, ihm zu dienen. Sie hat soviel von ihm empfangen, nun will sie ihm auch geben. Sie giebt ihm ihr Beftesx sie giebt ihm ihre Zeit, denn ihm allein soll sie gehören; sie giebt ihm ihre Kräfte, ihm allein sollen sie geweihet sein; sie giebt ihm von ihrem Besitz, denn ihm will sie davon spenden; sie giebt ihm ihre Sorge und Mühe, denn sie ist ja doch nur auf seinen Dienst gerichtet. Und nicht kärglich soll dies sein: der HErr selbst erkennt es an, daß sie viel Sorge und Mühe habe. Sie kann sich nicht genug darin thun; man spiirt es ihr an, daß die Fülle ihrer inneren Empfin- dungen sich einen Ansdruck fucht in der Fülle ihrer äußeren Bestrebungen. Aber eben darin liegt die Gefahr; gerade die Fülle von Beforgungem denen sie sich um des HErrn willen hingiebt, hat etwas Zer- ftreueiides für sie; sie ist so geschäftig um ihn herum, darum nimmt sie nicht den Augenblick wahr, sich zu leben in ihn hinein. Jhre Thätigkeit für den HErrn droht sie abzuziehen von dem HErrn; während sie arbeitet für ihn, hat sie so wenig von ihm. Sie könnte ihn auch genießen, und statt dessen ist sie ent- 714 Evangelium Lucä 10, 41. 42. ferut von ihm; sie möchte auch zu dem HErrn hin, sie iniichte auch ungestört bei ihm sein, aber sie will ihm erst geben, ehe sie vom Neuen empfängt, sie will ihm erst ihre Liebe beweisen, ehe sie seiner Liebe von Neuem sich erfreut. Dadurch geräth sie in eine Werkthätigkeit hinein, welche die stille Sammlung im HErrn nicht aufkommen läßt. (Brückner.) — Maria gehört zu jenen stillen und tiefen Naturen, die zart und sicher empfinden, und weil sie fein empfinden, auch schnell auffassen, fest ergreifen, kräftig wollen, aber ihren inneren Erregungen nur zögernd und oerschämt, mehr andeutend und darstellend. als sprechend und handelnd einen Ausdruck geben· So innerlich gehalten, so tief empfunden, so zart ausgedrückt war auch jene mächtige Bewegung ihrer Seele, als sie den HErrn mit Salben salbete und feine Fütze trocknete mit ihren Haaren (Matth. 26, 6 ss.). So erscheint sie jetzt, wo sie zu den Füßen Jesu sitzt und hörte seiner Rede zu. Solche Naturen verstehen schnell: was ihr Verstand auch nicht begreift, das hat ihr Gemüth mit seinem innersten Leben erfaßt und läßt es mit seiner ungetheilten Macht auf die Seele wirken. Sie geben sich der Wahrheit hin; es sind nicht Betrachtungen über dies und das, was ihren Geist beschäftigt; es sind nicht vereinzelte Bemerkungen, zn denen sie gelangen, nicht zerstreuete Beobachtungen, die sie sammeln, nicht mühsam er- worbene Kenntnisse, die sie mit kluger Sorgfalt und in geschickter Wahl verknüpfen und so den Kreis ihrer Einsicht von einem zum andern schreitend allgemach erweitern; sie geben sich zuerst dem Ganzen mit ihrer ganzen Seele hin nnd haben eine uuentreißbare Sicher- heit der Ueberzeugung, noch ehe sie das Einzelne er- kannt und sich zurechtgelegt. Sie haben ein Verständ- uiß vor allem Wissen, eine Berührung mit der Wahr- heit vor aller Beschäftigung mit ihr. (Moll.) An dem Herzen Maria? fand der göttliche Siinderfreund für die Himmelsaussaat seines Worts ein fruchtbares und ergiebiges Ackerfeld. Ein tiefes Heilsbedürsniß führte ihm diese innige und reichbesaitete Seele zu und ließ sie in dem Manne von Nazareth den Mittler Gottes schon erahnen, ehe dieser es selbst noch an der Zeit erachtete, als solcher sich der Welt zu offenbaren (Matth. 26, 12). Mit der Loosung Assaplfs in der Tiefe ihres Gemüths: »wenn ich nur dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde«, klammerte sie sich bald nach der ersten Begegnung schon, eine Halt und Hilfe suchende Epheuranke, mit allen Fasern ihres inneren Lebens an ihn an. Was sie mit Schmerzen gesucht, aber nirgend gefunden, fand sie in übersch1väng- licher Fülle bei ihm. Vielleicht wußte sie’s eine ge- raume Zeit hindurch mit Namen nicht zu nennen, doch hatte sie’s. Saß sie, seinen Lebensworten lau- schend, zu seinen Füßen, so fühlte sie sich am Ziele ihres iunersten und heiligsten Begehrens; und schaute er sie an mit dem Auge voll Erbarmung, so trank sie wie ans unsichtbaren Wunderquellen an dem Doppel- bewnßtsein getilgter Schuld und wiedergewonnener Gotteskindschaft eine Friedenswonne sich in’s Herz, von der sie früher kaum eine Ahnung hatte. (Krum- macher·) — Martha ist nicht der Typus irdisch ge- sinnter Weltfreunde, sondern der Typus zahlreicher Christen, die rastlos für die Sache des HErrn und ihre eigene Seligkeit wirken, aber den persönlichen Besitz» und Genuß Christi für und in sich selbst ver- gessen; Maria steht dagegen vor uns als liebliches Symbol jener Gläubigen, die Ruhe bei ihm gefunden und darin den Grund der höchsten Seligkeit sowohl als auch der ihm wohlgefälligsten Thätigkeit besitzen. Das Herz der ersteren ist oft wie ein See, den die Stürme zu sehr aufgeregt haben, als daß er der Sonne Bild deutlich zurückstrahlen könnte, während bei den zweiten das Himmelslicht auf einen stillen klaren Wasserspiegel scheint; auch hier gilt Tersteegems Wort: »Du mußt dich nicht zu sehr an Form und Weisen binden — man suchet Gott nicht stets, man muß ihn ja auch finden; wer noch im Suchen ist, der läuft und wirket viel- Vier ihn gefunden hat, genießt und wirket still« Der erste Charakter herrscht vor in der römisch-katholischen, der andere in der evangelischen Kirche Jn seiner Entartung wird der Martha-Charakter stolze Werkheiligkeit, die Maria-Natur dagegen träger Quietismus; sind sie aber durch den Glauben gehei- ligt, so haben beide ihr Recht. Wenngleich ohne allen Zweifel die letztere höher steht, so haben doch beide im Reiche Gottes ihren Werth und können sich selb- ständig neben einander entwickeln, ohne daß die eine Eigenthiimlichkeit in der andern unter- oder ausgehen müßte: je inniger die eifrige Martha-Hand mit dem ruhigen, stillen Maria-Herzen vereinigt ist, desto näher kommt man dem Jdeal eines harmonifckkchristlichen Lebens. (v. Oosterzee.) »Es-«) Martha fühlt mitten unter der gut gemeinten Arbeit mit einer gewissen Ahnung, daß Maria eigent- lich mehr von Jesu genieße und den bessern Theil habe; sie säße auch wirklich lieber zu seinen Füßen, verdirbt sich aber diesen richtigen Grundtrieb des Geistes durch den eigenen Geist, welcher im Zubereiten und Anftischen des Vielen ein Werkverdietist erwählt hat und nicht davon lassen will. Jhr durch die innere Opposition gegen die Ahnung des Rechten gesteigerter Eifer bricht höchst naiv in ihrer, mit jedem Wort die Seele aufdeckenden Rede hervor: weil sie keine Ruhe hat, soll die Schwester auch keine behalten; was sie nun einmal erwählet hat, soll das Rechte sein und Maria groß Unrecht haben. (Stier.) Daß durch ihre viele Sorge und Mühe ihr Herz eigentlich nicht erqnickt wurde, mochte sie wohl spüren; ihre Worte klingen, als wollte sie sagen: HErr, kümmert es dick) nicht, daß ich mir’s so sauer werden lasse um deinetwillen, während meine Schwester thut, als wärest du um ihretwillen hier, als wäre sie der Gast und du der Wirth? Er war ja freilich der Wirth; er bereitete der Maria einen Tisch und schenkte ihr voll ein (Ps. 23, 5), und daß sie an diesem Tisch ihre Seele sättige, das war dem HErrn angenehmer, als Marthas Tischbereitung (Besser.) 41. Jesus aber lwährend Maria sich selbst mit keiner Sylbe verantwortete, den ungerechten Vorwurf der Schwester still über sich ergehen ließ und ihre Sache dem befahl, der die Herzen er- forschetj antwortete und sprach zu ihr fder miß- muthigen Anklägerinsz Martha, Martha, du hast viel Sorge und Mühe sgenauer: sorgest dich und bist in unruhiger Geschäftigkeit um vielerlei, das dir zu meinem Empfang durchaus nothwendig erscheint]; 42. Eines aber ist sdazu allein] noth fund könnte um dieses Einen willen alles Andere lieber ganz wegfallen, nämlich die ungetheilte Hingabe an mein Wort, zu der dein Sorgen und Mühen dich nicht kommen läßt]. Maria Dagegen, in- dem sie »von ihrem Thun gelassen ab, daß Gott fein Werk in ihr hab«] hat lvon alle dem, was Eins ist noth: Maria hat das gute Theil erwählet. 715 an Gegenständen der Sorge und Mühe es giebt] das gute Theil erwählet, das soll lweit es eben das ewige Gut ist, um das sie sich bemüht 1. Petri 1-, 251 nicht von ihr genommen werden sdaß sie jemals aus dem Besitz desselben verdrängt werden dürfte, und da wirst du wohl mir nicht mehr zumnthen, das; ich deinem Begeh- ren V. 40 willfahre]. Maria weiß den Diensteifer der Martha zu schä- tzen; allein sie weiß, daß der HErr nicht so bediirftig ist, als Martha wähnt, daß sie ihm gegenüber darauf denken darf, ihre eigene Bedürftigkeit mit seinem himmlischen Reichthum zu füllen. Der HErr nimmt sie in Schutz — sowohl jetzt, da sie in ihrem schein- baren Nichtsthum wie später (Kap. 26, 6 ff.), da sie in ihrem scheinbar übermäßigen Thun getadelt wird; in beiden Fällen nimmt er die sestliche Jnnigkeih Demuth und Hoheit des wahren Jüngersinnes in Schutz, gegen die trübe, fündige Kleinlichkeit des all- täglichen Sinnes. Freilich weiß der HErr auch den treuen Sinn der Martha zu schätzen; sie dauert ihn aber mit all diesen ehrlichen und herzlichen Nöthen um das Vielerlei, und er zeigt ihr mit sanftem Beweis, wie sie sich selber bestraft. (P. Lange.) Die doppelte Nennung des Namens: ,,Martha, Martha«, wie auch später: ,,Simon, Simon« (Kap. 22, 31) und ,,Saul, Saul« (Apostg. 9, 4) hat zum Zweck, die stille Be- kitmmerniß des HErrn, nicht so sehr über die Hand- lung, als vielmehr über die Stimmung und Gesinnung Marthas auszudrücken. (v. Oofterzee.) So Mancher sucht sein Glück in seinem irdischen Berufe — und sie ist ja etwas Köstliches die Treue im Erdenberuf; aber er denkt nur fowenig daran, daß der irdische Beruf nichts weiter sein soll, als die Stätte, auf der wir befestigen sollen das Kleinod der himmlischen Berufung Gottes in Christo Jesu Nun hat er gearbeitet, er hat vielleicht mehr gearbeitet als Andere, er hat des Tages Last und Hitze redlich getragen; aber zuletzt ist er doch müde geworden und matt, und nun er nicht mehr arbeiten kann, ist ihm das Leben wie ausge- storben, denn das Eine, was die Seele frisch erhält, das hat er nie gesucht. Es ist an ihm wahr geworden (Ps. 90, 10): »wenn das Leben köstlich gewesen ist, so ist es Mühe und Arbeit gewesen«; aber das Schaffen der Seelen-Seligkeit, welches das Leben mit köst- licheren Perlen schmückt, wo ist denn das? O, was soll man zu einer solchen Seele sagen? Martha, Martha, du hast viel Sorge und Mühe; Eins aber ist nothl Da ist eine Mutter: siehst du auf die mütterliche Sorgfalt, du kannst keine bessere finden; geschäftig eilt sie hin durch des Hauses Räume, sorg- lich vergißt sie auch das Kleine nicht, dem Gatten und den Kindern zumal gilt ihre Treue; und es ist ein schöner Anblick, diese mütterliche Sorgfalt, dieser häus- liche Sinn, diese stille Treue! Aber dennoch, Eines fehlt ihr: es fehlt ihr der christliche Hauch, der über alles ausgegossen sein soll; es fehlt ihr der Trieb, mit den Kindern zu beten; es fehlt ihr der christliche Geist, der von der Mutter, diesem Herzen der Familie, gleichwie von selbst ausströmt auf die Glieder der Familie. Und darum findest du bei allem Eifer doch keinen rechten Halt, bei allem Wohlmeinen doch keine rechte Einigkeit im Geist, bei aller Sorgfalt doch keinen rechten Segen. Sie hat viel gesucht, aber das Eine nicht, das der HErr allein geben kann; sie hat das Eine nicht verstanden, daß der HErr mit seiner Liebe auch die Mutterliebe verklären muß. Was sollen wir zu ihr sagen? Martha, Martha, du hast viel Sorge und Mühe; Eins aber ist noth! — Es giebt auch Seelen, die ihren Heiland treu be- wahren und ernstlich lieben; sie wollen ihm auch dienen, aber nun machen sie sich dazu viel zu schaffen· Sie sind thätig für das Reich Gottes; aber sie ver- gessen darüber den Dienst am Tempel Gottes, der ihre eigene Seele ist. Sie sind durchglüht von einem verzehrenden Eifer um das Haus des HErrnz aber sie vergessen darüber den Eifer der Heiligung nach dem Willen des HErrn. Sie arbeiten mit Aufopferung für christliche Zwecke, aber alles viel zu sehr nach außen hin, viel zu wenig nach innen hinein. Sie gehen auf in allerlei christlichen Geschäften; aber sie vergessen darüber ihr eigentliches Heilsgeschäft. Sie sind voll von allerlei Entwürfen, wie christlich-kirch- liches Leben wieder zu fördern, erstorbene Sitte wieder zu beleben sei, und sie lassen es bei den Entwürfen nicht bewenden, sie thun selbst das Jhrige redlich dazu, sie mühen sich ernstlich ab; aber sie lassen es anderer- seits an sich fehlen, sich selber unbewußt. Fragst du nach der stillen Arbeit der Selbstprüfung, fragst du nach dem seligen Genuß der Gnade, fragst du nach den gesegneten Stunden, da man sich still zu Jesu Füßen setzt und sich in die Fülle versenkt, die man bei ihm findet — davon findest du nichts bei ihnen vor. Sie haben vor lauter wohlgemeintem Eifer keine Zeit da- zu; darüber kommen sie niemals zu sich selbst — die ernste Sammlung vor dem HErrn, das Laufchen auf die Gnadenwege nnd Gnadenfiihrungen des HErrn, das Stillesein in dem HErrn, es sehlet ihnen, sie sind voll Unruhe. Was soll man zu solchen Seelen sagen? Jch weiß immer und immer wieder nur das Eine: Martha, Martha, du hast viel Sorge und Mühe, Eins aber ist noth! Täusche ich mich nicht, so liegt gerade in dieser geschäftigen Martha- Arbeit auch eine Gefahr für unsre Zeit. Jch sehe viel Arbeit für das Reich Gottes —— und Gott mag sie fegnen mit seinem besten Segen! — aber sie hat nur noch zu viel von der zerstreuenden Gefchäftigkeit an sich. Jch sehe viel Thätigkeit für christliche Zwecke — und Gott mag ihr helfen, daß sie Früchte bringe! —- aber sie hat nur zu wenig von jenem sanften, stillen Geist, der aus seiner Thätigkeit nicht viel Wesens macht. Es hängt sich in unsern Tagen zu viel Ge- räusch an die christlichen Werke an; es will mir scheinen, als arbeite man wohl viel, aber bete zu wenig. Und doch heißt es: bete und arbeite; das Beten darf nicht nur nicht fehlen, sondern muß der Arbeit vorangehen. Man sammelt wohl viel für geist- liche Zwecke, aber man sammelt zu wenig sich selbst im geistlichen Sinn; es ist zu viel äußerliches Wesen und zu wenig verborgene Stille. Es giebt heutzutage mehr christliche Geschäftsbureaus als christl. Charaktere Nicht als wollten wir der Arbeit für das Reich Gottes, der äußerlichen, wehren: nein, »wir beten darum —- möge der HErr recht viel Seelen erwecken zur That- kraft für sein Reich, möge der HErr recht viel Seelen ausrufen zur Arbeit in seinem Weinberg! Aber was vor allem noth thut, ist doch, daß das Ruhen der Seele in der Hand des HErrn darüber nicht verloren gehe, daß die stille Einkehr vor dem Angesicht des HErrn darunter nicht leide, daß das Sitzeu zu den Füßen, das Laufchen auf die Gnaden des HErrn dabei nicht versäumt: werde, und daß das Thun nicht in eine Vielgeschäftigkeit, eine Werkgerechtigkeit ausarte, welche den seligen Genuß der Gnade verkümmert. Die Demuth thut noth, die da weiß, daß es vor allem 716 Evangelium Lueä 11, 1——-4. gilt, von dem HErrn zu einpfangen; das Bewußtsein thut noth, daß die Zukunft der Kirche und der nieder- zietreteiien Gottes-Saaten nicht vom Menschenthun ab- hängt, sondern von Gottes Gnade, die allein Menschen- thun segnen kann. Die Jnnerlichkeit thut Noth, mit welcher jeder Einzelne in der Stille arbeitet für seiner Seelen Seligkeit und trachtet erbauet zu werden auf dem allerheiligften Glauben. Solange dieser Sinn nicht die Seele unsrer Zeit wird, fehlt ihr gar viel und bleibt sie eine suchende nur. Bis dahin muß man das Wort des HErrn auch in die Gegenwart hinein- rufen: Neartha, Martha, du hast viel Sorge und Niiihe; Eins aber ist nothl (Briickner.) Daß Vtartha den HErrn in seinem zurechtweisenden Wort verstande1i habe und auch des ganzen Segens dieses Lltorts theilhaftig worden sei, steht außer Frage. Das eigenthiimliche Gepräge ihrer ursprünglichen Natur- anlage vermischte sich freilich auch nachmals nicht, sondern heiligte und verklärte sich nur: sie blieb bei allem Zuwachs an Verinuerlichung die heitere, rührige, vorzugsweise zu Geschästigkeit und Dienst der Liebe ausgelegte Martha Wie Petrus zu Johannes, so verhielt sie sich zur Schwester Maria; wie verschieden jedoch die Gefäße, der verborgene Schatz in ihrem Jnnern war derselbe. Gelegenheit, uns hiervon zu überzeugen, geben uns die Tage der Heimsuchung die bald über die Hütte zu Bethanien hereinbrachem Joh. Kap.11. (Krummacher.) Das 11. Kapitel. Formel nnd straft des Gebete; Zlustreibnng des Satan, Deichenfordetiing Gase und« Hlrafpredigt Schritte. V. v-1—13. (§. re) wie es meint, used de: her: an dem Tage, wo er in ttethanien eingekehrt war, nicht in deni Flecken über nacht, sondern begab sich am Abend noch bis in die unmittelbare tlähe von Jerusalem und iiliernnrhtete in dem Garten Gethsemany von welchem in Iol).18, 2 gesagt wird, das? Jesus hu) oft daselbst versammelte mit seinen Jüngern — eine Gewohnheit, die nach dem bisherigen Verlauf der evangelischen Ge- schichte erst jetzt ihren Anfang genommen haben kann, wenigstens insofern Judas, der ihn hernach verrieth, auch um den lxbrt wirkte; denn bei den dteiseu Iesu nach Jerusalem in sah. L, 13 ff. u. 5, 1 ff. war derselbe noch niiht sein Jungen Dort in Gelhsemaue nun tritt er am Morgen des folgenden Tags unter seine Hunger, riarhdeni er soeben sein Gebet verrichtet hat; der ver— liläruugsglanz aus diesem Verkehr mit dem Vater liegt uorh auf seinem Angesicht (2. Was. sit, 28 f.), was im Kreise der Iüuger die Bitte laut werden läßt: ,,tjØrr, lehre uns beten» er aber wiederholt ihnen das Vater· unser und empfiehlt ihnen ernsies Zlnhalten am Gebet, welrhes allemal zur Grhömng führe. 1. Und es begab sich, das; er war an einem sgewifsen, an dem Oelberg gelegenen] Ort svon dem auch in Kap. 22, 39ff. die Rede ist] und betete sauf seinen jetzigen Gang nach Jerusalem, der zu dem letzten in Kap.19, 11 ff. in so naher Beziehung stund, in Gott, seinem himmlischen Vater, sich stärkend I. Sam. 30, S; vgl. Joh. 8, 59]. Und da er aufgehiieet hatte fund xvieder in den Kreis seiner Jiinger trat], sprach seiner Jiitlger einer swohl einer von denen, die früher dem Täufer» angehört hatten Joh 1, 35 fs., viel- leicht Andreas Mark. is, 1ff.J zu ihm: HErr I O« , lehre uns beten, wie auch Johannes svormala als er noch in srischer Wirksamkeit war] seme Jiinger lehrete [Kap. 5, 33]. Der HErr tritt aus der heiligen Stille, in die er sich zuriickgezogeiy aus dem verborgenen Verkehr mit dem Vater, in den er fiel) begeben, wieder hervor: die Jtinger sehen ihn kommen; sie merken es ihm an, daß erbgebetetishah rder dGebåtzgeisk hat? eirjtend hellcehnfüScheliii ge reitet t er im, ie e ets tun en in au r iiu Verklärungsstunden gewesen. Es mochte den Jüngern fein, wie es bei der Verkläruiig (Kap. 9, 28 ff.) war. Dort hatte der Vater iiber ihn geredet, hier sur de? Sohn zum Vater geredet« dort hieß es vom giinme her: »das ist mein lieber-Sohn, den sollt ihr hören-«, hier heißt es »zum Hininiel hi1iauf»(Joh. U, 42): ,,Vater, ich weiß, daß du mich allezeit hdrest«. selber hier wie dort breitet sich die verborgene Herrlichkeit des Sohnes über sein äußeres Wesen aus; hier wie dort legt fiel) die Klarheit des Himmels iiber ihn; hier wie dort liegt der Frieden des heiligen Lauschens und Empfangens über dem, der allezeit an dem Busen des Vaters war. Es ist auch dieser Emdruck, den die Jünger empfangen, sie ahnen an dem, was sie sehen, - L) das Andere, was sieG nicht sehen Fa; Geheimniß wie der Segen des ebets nahen si inen in der Person Christi; fein Anblick ist es, der ihr Begehren weckt und ihr Sehnen hervorruft. (Briickner.) HErr, Lehre unsßbetenxJdfr Jbiirtiger ldes HErrnßmiiß eten, mu von e u een ernen, mu zu Jesu gehen mit der Bitte: »HErr, lehre uns bereut« (v. Oosterzee.) Wo ein Christ ist, da ist eigentlich der heil. Geist, der da nichts thut denn immer betet; denn ob er gleich nicht immerdar den Mund reget oder Worte macht, Peunoch gest undH schlägt Qdiibs Hgrz gleichwie die Pu sadern un das verz im zei e, »o ne Unterlaß mit Seufzen, daß man keinen Christen finden kann ohne Beteinlsowenigl als ehinen lebendige? Men- schen ohne den Pu s, wel )er ste et niniiner ti , reget und fchläget immerdar für sich, obgleich der Niensch schläft oder Anderes thut, daß er fein nicht gewahr wird. (Luther.) Du hältst Beten für eine leichte Sache und meinst, du könnest es von dir selber: Lieber, du machst Worte, aber duchbetest nichts chBeteiid ist Beitr! natürlichen Menschen ni t eigen« gei wie ie et den Geist der Wahrheit nicht empfangen kann, weil sie ihn nichtWsiehet und fnichg kentLtgtlkJohbjhQl 17), slo kann die elt, wenn ie i ren etiiin eaten wi , auch nicht beten, denn sie siehet und kennet den Vater nicht, der auf Du und Du mit seinen Kindern umgeht. Wer so schlechte Begriffe voinGebet hat, daß er es mit dem Vkunde allein und igiikt Flbleseg versrkichten denkt, der asse sich von dem ee rten a uto ani- ana eines Zsefsergn belecgremGder sagt? Tom Zigbetså es ist ein Ge eimni zwis en ott un em en sen, das zur Herrlichkeit führt. (B»efser.) Vonsich selber lernt der Yienfch das Beten nicht; so tief immer das Vediirfniß des Betens in jedem Ntenschenherzen wur- zelåz sitz, user? F fichb auch nichht gletsketg, ob man es au ni t erie igt, eten im ri i )en Sinne, in der Weise, wie es der HErr will, und mit dem Inhalt, wie ihn der HErr verlangt, das lernt man nur vom HErm Die Nachgebornen lernen es nur vom Erftgebornem die Kinder Gottes nur vom Sohne Der Jünger Bitte: HEry lehre uns beten! 717 Gottes. Und man lernt darin auch niemals aus; dnrch’s Beten erst lernt man beten. Und wer im Heiligthum des Gebetslebens feine Opfer gebracht, wer die Tiefen dieses Geheimnisfes würdigen gelernt hat, der weiß auch, wie oft die innerlichsteit Bedürfnisse der Seele sich doch uicht empor zu ringen vermögen zum rechten vollen Gebetsausdruckx es bleibt immer ein Deficit, ein Mangel. Nach den seligsten Gebets- zeiten fühlt man es erst, wie man doch noch so ganz anders hätte reden können, als das Kind zu seinem lieben Vater. Auch eine der Früchte von der Gebets- übung, und nicht der geringsten eine, ist die Erkennt- niß, das; man noch nicht beten kann, wie sich’s gebührt. Wir stammeln nur; aber durclfs Stammeln lernen wir reden —- und es ist Einer, der uns reden lehrt und zu dem wir rufen: ,,HErr, lehre uns beten« (Brückner.) ,,Auch wir sollen und wollen ja so gerne recht viel und fleißig beten, wie er uns oftmals mahnt, aber wir sind so wortarm dafür: hätten wir doch auch von ihm als seine Jünger, wie sonst zwischen Meister und Jüngern gebräuchlich, wie auch Johannes seine Jünger gelehret hat, ein oder etliche uns in den Mund gegebene Gebetssormulare!« Dies ist offenbar der Sinn der Bitte: ,,HErr, lehre uns betend« die einem allgemeinen Bedürfnis; aller Jünger wirklich entspricht, darum auch freundliche Gewährung findet. Der HErr sagt ihnen, was sie, weil und wenn sie des Wortes bedürfen, sprechen sollen, und eben weil er das richtige Bedürfnis; einer Formel befriedigen will, wiederholt er das bereits früher Gegebene; denn dieses wahrlich bei allen Heiligen, insonderheit für ihre Gemeinschaft und Feier vorhandene Bedürfniß recht bedacht, muß man sagen, daß es Jesu wirklich um unsertwilleu auf wbrtliche Wiederholung dieses Gebets ankam, und der hier redende Jünger erscheint nur als der jetzige Sprecher für die zukünftige Ge- n1einde· (Stier.) Es ist benierkenswerth, das; an dem- selben Orte, wo Jesus Veranlassung gegeben hat zu der Bitte um das Was oder den vor Gott erhör- lieben, nach feinem Willen uns zu gewährenden Stoff und Juhalt des Gebets, er bei seinem nachherigen Gehen dahin (Kap. 22, 39 ff.) auch das Vorbild giebt für das Gott wohlgefällige Wie oder für die rechte Gesinnung und Stimmung des Beters; diese Bedeu- tung der abermaligen Gebetsscene in Gethsemane ist in einem Liede (von Joh. Konr. Klemm) näher dargelegt. l. Du gehest in den Garten beten: mein treuer Jesu, nimm mich mit! Laß mich an deine Seite treten, ich weiche von dir keinen Schritt; ich will an dir, mein Lehrer, sehn, wie mein Gebete soll geschehn. L. Du gehst mit Zittern, Zagen, Klagen, und bist bis in den Tod betrübt: ach, dies soll mir an’s Herze schlagen, daß mir die Sünde so beliebt; drum willst du, daß ein Herz voll Ren mein Anfang zum Gebete sei. Z. Du reißest dich von allen Leuten, du suchst die stille Einsamkeit: so muß auch ich mich wohl bereiten und ’ehen, was mein Herz zerstreut. Zeuch mich von a er Welt allein, daß nur wir Zwei beisammen sein. 4. Du knieest und wirfst dich zur Erden, du fällest auf dein Angesicht: so muß die Demuth fich geberden; drum bläh ich Staub und Asch’ mich nicht. Jch lieg und schmiege mich mit dir als wie das ärmste Würm- chen hier· 5. Du betest zu dem lieben Vater, rufft Abba! Abbal wie ein Kind: dein Vater ist auch mein Berather, sein Vaterherz ist treu gesinnt. Jch halte mich getrost an dich und rufe: Abba, höre mich! s. Du greisst voll Zuversicht und Liebe dem Vater tief in’s weiche Herz, und schreist aus tiefftem Herzens- triebe: Mein, mein, mein Abbal himmelwärts. Ach, Glaub und Liebe find mir noth, sonst ist mein Beten alles todt. 7. Wie kläglich trägst du deinen Jammer dem höchsterzürnten Vater für! Du klopfft mit einem starken Hammer um Rettung an die Gnadenthtin so klag ich auch, was mich nur quält, und bitt um alles, was mir fehlt. Z. Geduldigs Lamm, wie hältst du stille und im Gebete dreimal an! Dabei ist auch für mich dein Wille, daß ich soll thun, wie du gethan: Gott hilft nicht stets auf’s erste Mal, draus wein’ und schrei ich ohne Zahl. 9. Dein Wille senkt fich in den Willen des allerliebsteu Vaters ein: darein muß ich mich auch verhüllen, dafern ich will erhbret fein. Drum bet ich in Gelafsenheitt was mein Gott will, gescheh allzeit. 10. Obgleich die Jünger dein vergessen, gedenkst du doch getreu an sie, und da dich alle Slltarter pressen, sorgst du für sie mit höchster Müh: mein Beten bleibet ohne Frucht, wenn es des Nächsten Heil nicht sucht. 11. Nun du erlangest auf dein Flehen Trost, Kraft, Sieg, Leben,»Herrlichkeit: damit hast du auf mich gesehen, daß ich zur angenehmen Zeit auf ernstlich Beten freudenvoll dergleichen Segen ernten soll. 12. Mein Jesu, hilf mir stets so beten, wie dein Exempel mich es lehrt: so kann ich frei zum Vater treten und werde von ihn: stets erhört; so bet ich mich zum Himmel ein und will dir ewig dankbar sein. Z. El? aber fihrer Bitte alsbald willfahrendf sprach zu ihnen: Wenn ihr betet, so sprecht: (Unser) Vater (im Himmel), dein Name werde geheiliget Dein Reich komme. (Dein Wille gefchehe auf Erden wie im Himmel) 3. Gieb uns unser täglich Brod im- merdar fgieb uns das zu unsers Lebens Noth- durft erforderliche Brod, wieviel wir gerade an jedem Tage brauchens 4. Und vergieb uns unsere Sünden; denn auch wir vergeben allen, die uns schuldig sind. Und führe uns nicht in Versuchung (sondern eelöse uns von dem Uebel). Vergleichen wir diesen Text mit dem iu Matth. 6, 9 ff., so fehlt nicht nur die Doxologie am Schluß, sondern es ist auch bei der vierten Bitte (V. Z) und der fünften (V. 4) der Wortlaut etwas anders: über jenen Punkt ist die Bemerkung zu 1. Chron 30, 12 zu beachten, über diesen das über den verschiedenen Wortlaut der heil. 10 Gebote zu 2. Mos. 20, 6 Ge- sagte. Viel bedeuteuder jedoch ist die Abweichung in mehreren Handschriften des Grundtextes, deren auch die ältesten Väter der Kirche Erwähnung thun, so daß man fast glauben möchte, es habe wirklich St. Lukas ursprünglich so geschrieben, wie die Handschrisien den Wortlaut wiedergeben, und unser jetziger Tert sei erst durch Ergänzung aus Matthäus entstanden. Es fehlt dort nämlich sowohl jede Beifügung zu der Anrede ,,Va- ter«, als auch die dritte und siebente Bitte ganz, so daß das Gebet nur die verkürzte Form hat, die da ent- steht, wenn man die oben in Klammern gesetzten Worte wegläßt. Es läßt diese große Verkürzung fich lediglich daraus erklären, daß, als Lukas sein Evangelium schrieb, das Gebet des HErrn eben in dieser Form, und nicht in der vollständigen bei Matthäus, unter den paulinischen Gemeinden in Gebrauch war; aber, 718 Evangelium Lucä 11, 4. so fragt es sich weiter, wie kamen diese Gemeinden dazu, jene beiden Bitten geradezu wegzulassen? Wir glauben nun, daß die 7te Bitte, zumal wenn man mit der resormirten Kirche übersetzt: ,,erlöse uns von dem Argeu«, d. i. dem Teufel (1. Joh 5, 18 ff.), in beson- derer Beziehung steht zur Bindung des Satans auf tausendvJahre, und die Zte Bitte zur Aufrichtung des tausendjährigen Reiches (Ofsenb. 20, 1ff.); diese Sachen betreffen weniger die aus den Heiden gesammelte Kirche, als sie eine Ersüllung sind der dem Volke Jsrael ge- gebenen besonderen Verheißungen, und nun zeigt sich auch sonst bei Niatthäus daß er in seinem für Jsrael berechneten Evangelium gern auf das tausendjährige Reich, obgleich er es nicht nennt, Rücksicht nimmt, (vgl. Matth. 19, 28 u. 20, 1-—16), während die beiden andern Evangelistem die hauptsächlich die Heidenwelt iu’s Auge fassen, dergleichen Stellen, die auf diese, die Heiden eigentlich nicht beriihrende Zukunft gemeint sind, lieber weglassen· So lange die Kirche die Form des von den Juden genommenen und den Heiden ge- gebenen Reiches Gottes ist, hat sie in ihrer Glaubens- lehre keine Stelle für den Chiliasmus oder die Lehre vom tausendjährigen Reich, und soll sie auch nicht haben; sondern sie richtet ihren Blick von der Ueber- windung des Antichrist sofort auf die Wiederkunft Christi zum Gericht mit Ueberspringung der Weissagung in Offenb 20, 1—10. In diese Kirchenzeit, wo die natürlichen Zweige aus dem Oelbaum ausgehauen und an ihrer Stelle solche vom wilden Oelbaum einge- psropft sind (Röm. 11, 17ff.), würde denn die Form des Vaterunsers bei Lukas iiberleitem ist das Reich Gottes sozusagen verkürzt und ein Manko oder Mangel an ihm bemerkbar, so entspricht dem auch nur ein verliirztes HErrngebet; dies wäre der Gedanke, der etwa die paulinischen Gemeinden geleitet hat. Und nun ist auch in seiner abgekürzten Form das heil. Vaterunser gleichwohl ein vollständiges Gebet; das hat Quesnel näher in folgender Auslassung auseinander- gesetzt: »Durch die Ordnung der Bitten ist die Ord- nung der Wünsche bezeichnet, welche sich in einem gottliebenden Herzen geltend machen — erstens: Gott, der Vater Jesu Christi, will nicht von Knechtety son- dern von Kindern angebetet sein; wir sollen vor ihn kommen aus Liebe zu ihm und zur Heiligung seines Namens. Das erste Verlangen des Herzens und der erste Beweggrund unsers Thuns ist also die Ehre Gottes in dieser Welt durch die Herrschaft des Reichs der Gnade und die Heiligung unsrer Seelen; das zweite ist das Kommen des Reichs der Herrlichkeih in welchem die Erkenntnis; Gottes und seines Sohnes, die Kindschafh die Heiligkeit und die Liebe zur Vollen- dung kommt, wo alle Erwählten mit ihrem Haupt für alle Ewigkeit völlig in die Einheit des geistlichen Leibes zusammengefaßt werden. Das dritte ist das Ver- langen nach dem Beistand Gottes zu unsrer Heiligung, wozu dem Leibe seine Nahrung ebenso nothwendig ist als der Seele die Gnade; ein armer Wanderer begehrt sein Brod Tag für Tag und ißt nur, um weiter wan- dern zu können — so wollen wir auch unser täglich Brod als Wanderer nach der Heimath begehren, wo wir mit dem Brode des Lebens werden gesättigt werden. Ein Wanderer braucht aber nicht nur Nahrung, sondern er muß auch die Hindernisse beseitigen, welche ihn aufhalten oder seinen Gang verzögern können, seine Schulden berichtigen, seine Prozesse los werden,- sich mit seinen Feinden vergleichen; deswegen ist das vierte Verlangen das nach der Vergebung der Sün- den und nach der Barmherzigkeit Gottes. Endlich das fünfte Verlangen unsers Herzens ist das nach dem Beharren in der Liebe Gottes unter allen Ge- fahren der Versuchung, mit welchen wir allenthalben umgeben sind; je mehr wir die Gnade Gottes, von der unser ewiges Heil abhängt, nach ihrem ganzen Werth zn schätzen wissen, desto ernstlicher müssen wir wachen und beten, damit sie uns nicht durch die Ver- suchung entrissen werde« Es ließe sich wohl denken, das; der HErr selbst hier in Gethsemane am Oelberg sein Gebet in der abgekürzten Form den Jüngern mitgetheilt hat: wußte er doch, wie er von hier aus ein Halbjahr später den Jüngern anch vom Untergang Jerusalems und des Tempels würde weissagen niiissein Wir werden uns indessen bei der weiteren Anführung von Aussprüchen der Schriftgelehrten an die voll- ständige Form halten, wie sie denn auch diejenige ist, die bei uns in Fleisch und Blut übergegangen, gleich als existire die andere gar nicht; es ist das auch gut so, denn die Kirche strebt damit der Zukunft zu, der Zeit, wo Israel wieder eingepflanzt werden soll, damit das Geheimnis; Gottes sich vollende (Offb.10,7). Jn der Bezeichnung Vater driickt sich das doppelte Gefühl der Unterwürfigkeit und des Vertraueus ans. Der Name findet sich im alten Testament nur in Jes. 63, 16 (vgl. Pf. 103, 13), und wird nur in Be- ziehung auf die Gesammtheit der Nation gebraucht; der fromme Jsraelit fühlte sich als Knecht Jehova’s, nicht als Kind. Das kindliche Verhältniß, in dem der Gläubige mit Gott steht, beruht auf der Mensch- werdung des Sohnes und der darin enthaltenen Offen- barung des Vaters: Kap.10, 22; vgl. Joh 1,12. (Godet.) Zum neuen und vollkommenen Gebet stellt Jesus seine Jünger auf einen neuen Standpunkt, in ein neues, in das vollkommenste und innigste Ver- hältniß zu Gott; sie sollen Gott erkennen, vertrauen, erfahren als Vater, sich fühlen als Gottes Kinder. Euch, sagt er ihnen, euch ist Gott Vater; ihr die Riemen, meine Brüder, seid ihm Kinder; so fühlt euch, so glaubet, so vertrauet, so betet. Das Kind kann um alles bitten. So hatten die Jünger nie gebetet, so hatte man überhaupt in Jsrael nie gebetet; wir haben im alten Test eine Menge Gebete gläubiger und heiliger Jsraeliten, aber kein einziges mit der Aurede: »Mein Vater« oder »Unser Vater«; in allen Psalmen Davids, dieses gläubigstery kindlichsten, gegen Gott so offen vertraulicher: Mannes, kommt dieser Ausspruch des kindlichen Gefühls nicht Ein Mal vor. Wie wahr, wie eigentlich, wie groß sie das zu nehmen hätten, das haben die Jünger allmälig besser verstehen gelernt, sowie sie in der Erkenntnis; Jesu Christi und seines Verhältnisses zu Gott und zu den Menschen weiter karnen. (Menken.) Zu Gott ,,Vater« zu sagen soll kein Raub ein, den etwa Geblüt und Fleisch und eigener Wahn und Wille an sich risse, sondern eine Niacht denen gegeben, die den eingebornen Sohn vom Vater aufnehmen und dadurch Gottes Kinder werden (Joh. l, 12), eine Macht der Wiedergeburt (Kögel.) Wie so das ,,Vater« zuerst scheidet unter den Men- schen, daß das Gebet des HErrn nur für Jünger des HErrn bestimmt ist, die durch ihn zu Gott kommen (Joh. 14, 6), und nur diejenigen so beten sollen, in welchen die Kindscl)aft vorhanden, so einigt hierauf das ,,unser«: Wer zu der Familie der Gotteskinder gehört, der hat aufgehört, allein zu stehen, sich allein zu fühlen und sich allein zu suchen; es soll in ihnen allen Eine Erkenntnis; des himmlischen Vaters, Ein Bedürfnis; und Verlangen, Ein Gefühl von Bruderliebe rege sein, und jedes Bedürfnis; und jede Angelegenheit soll im Blick und Gefühl der Liebe auf alle ebenso bedürfenden und die gleiche Angelegenheit habenden Gotteskinder Allgemeine Bemerkungen über das heil. Vaterunser· 719 dem Einen gemeinschaftlichen Vater im Himmel vor- getragen werden. Wie vorhin das ,,Vater« kindlich, so erklingt nun das »Unser« brüderlich: wenn ihr betet, um allein zu sein mit eurem Gott, schließt die Thüre hinter euch zu; aber die Thüre eures Herzens schließt weit auf für die Gemeinschaft des heil. Geistes, damit kraft dieses zartesten und festesten Bandes die Schaaren der seufzenden und streitenden Kirche von allen Orten der Erde Platz darin haben, gleichwie du Einzelner aus dem ,,Vater unser« eine Ruhestätte in den Gebeten deiner Brüder zu finden gewiß sein kannst, gewiß, daß sie und du sammt allen priester- lichen Chören der Christenheit in die Fiirbitte des ein- zigen Hohenpriesters eingeschlossen sind, wenn derselbe an der Spitze der erlösten ålltenschheit vor seinen Vater tritt: ,,siehe, hier bin ich und die Kinder, die du mir gegeben hast« — Solange noch die verschiedenen Kir- chen das Vaterunser haben, ist der Glaube, den wir im Z. Artikel bekennen, an Eine heilige christliche Kirche mehr als ein Gebilde der Phantasie, mehr als ein schöner Traum; es ist darin etwas von der Einen Heerde mit dem Einen Hirten; es ist ein gemeinsames Heiligthum, in dem sie alle vor ihrem HErrn erscheinen, es ist der gemeinsame Boden, auf den sie alle vor ihren HErrn sich stellen; es klingt in ihm, wenn irgendwo, die Gemeinschaft der Heiligen an; indem in ihm die Christenheit gemeinsam die Hände des Vaters ergreift, reicht sie sich selbst die Hände, und zwar hin- über über so manche Kluft, die sie fcheidet. Das Vaterunser ist das Denkzeichen für die Einheit der streitenden Kirche mitten in der Trennung derselben; es ist auch die Prophetie für die Einheit der trium- phirenden Kirche in der Vollendung derselben. (Brück- ner.) Gott ist im Himmel: dort, wo der Sitz der Vollkommenheit, Reinheit und Seligkeit ist, wo die freien, seligen Räume der vollendeten Geister sich aus- dehnen, wo Licht ohne Schatten, Größe ohne Flecken, Güte ohne Schranken herrscht und Liebe, Huld und Gnade ausströmt auf alle Wesen vom Throne des Ewigen herab, und wo, was kein Auge gesehen, kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz gekommen ist, offenbar wird denen, die ihn lieben —— dort ist Gott, der Große und Erhabene, den denken, den nennen, zu dem beten zu dürfen schon Seligkeit ist; wir aber sind noch anf Erden, im Lande der Nacht und der Thränen, auf dem Kampfplatz voll Schweiß und Blutvergießen, unter den Leichen der fallenden Brüder. Er ist im Sein, wir sind im Werden; er ist in ewiger Seligkeit, wir sind im Stande des Schwan- kens, des Wählens, der Prüfung; er ist im Himmel, denn er ist selbst der Himmel, herrlich und wunderbar in seiner eigenen Klarheit und Unendlichkeit, und wir sind auf Erden, denn wir selbst sind Erde, von Erde genommen, zur Erde bestimmt. Welch ein Abstand! welch unermeßliche Kluft zwischen Himmel und Erde, zwischen Schöpfer nnd Geschöpf! Wahrlich, schwindeln könnte uns bei diesem Abstand, und alles Herz könnten wir verlieren bei den Worten: »der du bist im Him- mel«, wenn nicht der Vordersatz: »Unser Vater« die Worte einführte mild und beschwichtigend; durch jenen Vordersatz aber werden diese Worte, die an sich in unser Nichts uns niederdrücken, nun Worte des be- seligendsten Trostes und der himmlischen Hoffnung. Denn wenn auch der erhabene Gott im Himmel wohnt, in unzugänglicheni Lichte, und wir durchaus selbst keinen Weg zu ihm wußten, so hat er doch in aller- barmender Liebe den Weg zu uns zu finden gewußt und sich uns als Vater geoffenbart, damit auch wir einst sein sollen, wo Er ist; und nun ist der Blick hinauf zu den himmlischen Höhen für uns der seligste Blick des Erdenlebens. Nun eilen unsre Herzen, so oft es hier unten schwer und drückend wird und rings um uns her alles öde nnd feindselig fich gestaltet, hinauf in die Hei1nath der Liebe, wo der treueste Freund, der beste Vater und Berather wohnt; nun sind wir unverzagt in jedem Leiden, denn wir wissen, unser Gott ist im Himmel, er kann schaffen, was er will, und er ist eben im Himmel nur für uns, um von dort aus uns zu schirmen, zu bewahrn, den Plan unseres Lebens zu eutwerfen und durchzuführen; nun trachten wir nach dem, was droben ist, wie jeder Sohn in der Fremde an des Vaters Haus, an seine Freunde und Geschwister mit inniger Liebe zuriickdenkh und ver- gessen es nie, daß die Güter der Erde nichts sind gegen die Güter des Himmels, die Freuden der Erde nichts gegen die Wonne der vollendeten Geister, die Gunst der Menschen nichts gegen die Gnade Gottes 2c.; nun sehnen wir uns nach nichts so sehr als nach dem Himmel, wo Er ist und die Stätte uns bereitet hat, wären manchmal auch gern schon Ueberwinder, trügen gerne Kronen, Palmen nnd weiße Kleider, und heben Tag für Tag unsere Augen auf zu jenen Bergen, von denen wir wartet: des Heilandes Jesu Christi, des HErrn. (Fr. Arndt.) Sieben Festzeiten hat das Kirchenjahr, und sieben Bitten das Vaterunser, die jenen entsprechen. Jn der Adventszeit warten wir auf die Offenbarung des göttlichen Vater-Namens; in der Christzeit jauchzen wir, das; das Reich Gottes gekommen ist in Christo Jesu, dem Sohne Gottes; in der Epipha- nienzeit schauen wir das Vorbild des wandelndeu Propheten an, durch welchen einmal wenigstens der Wille Gottes geschehen ist, wie im Himmel, also auch auf Erden; in der Passionszeit werden wir er- innert an den, der, ob er wohl hätte mögen Freude haben, erduldete er das Kreuz und achtete der Schande nicht, um uns vor allem das Brod der Seele zu ver- schaffen und uns im Besitz des Friedens Gottes zu- frieden zu machen, wenn wir nur für das zeitliche Leben Nahrung nnd Kleidung haben; in der Zeit der Ostern, in welchen wir dessen gedenken, der um un- srer Sünde willen gestorben und um unfrer Gerechtig- keit willen auferweckt ist, rufen wir freudiger denn je: vergieb uns unsre Schuld 2c.; in der Pfingstzeit begehen wir feiernd das Kommen und verspüren etwas von der Kraft des heiligen Geistes, der allein den Versuchungen zu widerstehen vermag; in der Trini- tatiszeit endlich durchwandern wir mit der Kirche die Bahnen der Heiligung hinauf bis zu den letzten Dingen, bis zur schließlichen Erlösung von dem Uebel. (Brückner.) Die drei ersten Bitten: 1) eine Niederfahrt der Verheißnng vom Himmel zur Erde — der Name im Himmel, das Reich zwischen Himmel und Erde, der Wille auf Erden; L) ein Aufsteigen des Opfers von der Erde zum Himmel —— Aufopferung unseres Namens, unserer Macht, unseres Willens. (P. Lange.) Mit dem Wort: Geheiliget werde dein Name spricht der HErr die erste, tiefste, heiligste Empfindung seines eigenen Herzens aus, sein heiszestes Verlangen, seine eigene erste Bitte, das, was die Seele seines ganzen Wollens und Lebens war (Joh. 17, 4 u. 6), und legt es in die Seele und den Mund seiner Jünger, daß es auch ihnen das Erste und Letzte, Höchste und Liebste werde, ihr ganzes Herz erfüllend, ihr ganzes Leben regierend. Geheiligt wird Gottes Name, wenn er, wie er ist, als Gott, ohne das; Irr- thum, Aberglaube, Unglaube und Unwissenheit seinem 720 Evangelium Lucä 11, 4. Wesen etwas beifügt oder seinem Wesen, seiner Ge- sinnung, seinem Willen, seinen Absichten, seinen Wegen etwas nimmt, erkennt, verehrt, geliebt, vertraut, er- fahren wird; wenu er selbst, kein Bildniß noch irgend ein Gleichniß eines willkürlichen, selbstgemachten Begriffs von ihm, er selbst, wie er ist, wie er selbst sich den Menschen offenbart hat, erkannt und verehrt wird. Des Teufels Bemühen ist von Anfang dahin gegangen, Gottes Namen zu verleumden, zu lästern, durch Irr- thum und Lüge zu verdrängen und zu eutstellem der Sohn Gottes hatte kein anderes, höheres Werk, als den Namen Gottes, den Namen seines Vaters, den unbekannten, entftellteiy verleumdeten, entheiligten Namen seines Gottes und Vaters zu predigen, zu offen- baren, zu heiligen; und so ist noch immer eine jede Verkündigung der von Gott geoffenbarteii und Gott in seiner Heiligkeit und Gerechtigkeit offenbarenden und zu Gott fiihrenden Wahrheit, eine. jede Widerlegung der Lüge und des Jrrthums, ein jedes Abhelfen der Un- wissenheit, ein jeder Widerspruch gegen den in der Welt herrschenden, Gott nicht kenuenden, Gott ent- ehrenden Sinn, eine jede Vertheidigiing der Bibel und der Wege und Anstalten Gottes eine Heiligung des Namens Gottes. (Menkeu.) Wie viele uuwürdige Begriffe von Gott und feinem Wesen herrschen unter den Ntenschent Das Kind Gottes bittet ihn, sein hei- liges Wesen in dem Gewissen der Menschen kräftig zu bezeugen, damit alle unreine, grobe und feine Abgötterei ebenso wie aller pharisäische Formdienst hinfalle und jedes menschliche Wesen von Anbetuiig hingerissen, mit den Seraphim (Jef. G) ausrufet Heilig, heilig- heilig! (Godet.) Wie die zweite Bitte mit dem Werk der Mission, so ist die erste besonders mit der Sache der Bibelverbreitung verwandt; sie lehrt uns, wenn wir ihr Verhältnis; zu der Gabe der heil. Schrift sollen näher bezeichnen, danken für die Offenbarung des göttlichen Namens, eine Selbstprüfung anstellen über unsere Vertiefung in die heil. Schrift, wachen über die lautere und laute Predigt des göttlichen Worts. (.Kögel.) Was ist das für ein Reich, um dessen Kommen wir bitten in den Worten: Dein Reich komme? Offenbar ist es nicht das Reich der Natur, in welchem Gott der HErr ist vermöge seiner Allmacht und alle Dinge, selbst die Welt, selbst die Hölle und der Satan ihm unterworfen sind; denn um dieses brauchen wir nicht erst zu bitten, es ist schon überall, und wo auch immer wir uns befinden mögen, sind wir in diesem Reiche und können ihm nimmer- mehr entfliehen. Das Reich Gottes, von dem der HErr redet in seinem Gebet, ist vielmehr das Reich der Gnade in den Herzen der Menfchen und das ewige Reich der Herrlichkeit, das Reich Gottes in seiner Vollendung. (Fr. Arndt.) Unter dem »Reiche Gottes« kann nichts Anderes verstanden werden als das Himmelreich, dessen Anbruch Johannes als nahe verküudigt und dessen König Christus, der Sohn Davids ist, welches in den Herzen seiner Gläubigen anhebt, sich Raum zu schaffen und sie mit feinen Erst- lingsgaben zu erquicken, bis der HErr kommen wird in seiner Herrlichkeitz es also herzustellen und zu offen- baren, daß alle Weisfagungen der Propheten von diesem Reiche als erfüllt erscheinen. Um die Erfüllung dieses Eudziels aller Weissagung, dieses Gegenstandes aller Hoffnung derer, denen das prophetische Zeugnis; als Gottes Wort gilt, heißt der HErr uns beten (Kap. 18, 7f.); geht aber auch diese Bitte in ihrem vollsten, eigentlichen Sinne auf das Ziel der Wege Gottes, so ist doch selbstverständlich nicht davon aus- geschlvssem was nöthig ist, dies Ziel herbeizuführen, und insofern erfleht diese Bitte auch für die Gegen- wart den Sieg der Wahrheit in den Herzen derer, denen sie gepredigt wird, die Mehrung und das Wachs- thnm der Kirche Christi nach innen und nach außen. (v. Burgen) Daß Gottes Reich komme, geschieht auf zweierlei Weise: einmal hier zeitlich, durch das Wort und den Glauben, zum andern ewig, durch die Offen- barung (1.Cor.1, 7; Rönu 8, 19); nun bitten wir solches beides, daß es komme zu denen, die noch nicht darinnen sind, und zu uns, die es iiberkoinmen haben, durch täglich Zunehtneii und künftig in dem ewigen Leben. (Luther.) Das Reich Gottes konnut vom Himmel aus Erden, daß aus der Erde ein Himmel werde; nie- mand aber wird von der Erde gen Himmel fahren, zu dem nicht das Reich Gottes vom Himmel aus die Erde herabgefahreu ist. (Joh. Niajorh Dein Wille geschehe auf Erden wie im Himmel: das ist eine schwere Bitte; sie hört sich so leicht an, sie spricht sich so schnell nach, sie ist in ihrem Wesen so natürlich, und doch ist sie in ihrer Ausführung über alle Maßen schwer. Ntillionen haben sie täglich gebetet bis an ihr Ende, und doch den Willen ihres Gottes nimmermehr vollbracht; sie enthält eine Aufgabe, an der der Piensch sein ganzes Leben hindurch sich zu üben hat. Darum ist sie aber auch wieder eine höchst wichtige Bitte und der Zweck, zu welchem die beiden ersten Bitten führen sollen; sie verhält sich zu denselben wie das Ende zum Anfang und zur Bärte: wer den Namen Gottes erkannt, anerkannt und bekannt hat und wer dadurch feines Reiches theilhaftig geworden ist, dessen Obliegen- heit ist es dann auch, daß er den Willen Gottes erfüllt auf Erden, wie er im Reiche des Himmels allezeit er- füllt wird. Diese Bstte ist also der Höhepunkt unter den drei ersten Bitten. (Fr. Arndt.) Eine verschiedene Auffassung bietet siah dar in Betreff der Frage, ob man unter dem Willen Gottes den besehlenden, den Willen Gottes an uns, oder den beschließend en, den Willen Gottes über uns, verstehen soll; die der letzteren Ansicht folgen, denken besonders an den Prü- fung verhängenden Willen Gottes, da jedoch von der Bereitwilligkeit, die göttliche Prüfung zu übernehmen, bei dem vollendeten Gerechten nicht mehr die Rede sein kann, so erscheint nur die erstere Auffassung zu- lässig. (Tholuck.) Der Himmel, die Gesinnung und das Verhalten derer, die im Himmel wohnen, wird in der Z. Bitte denen, die auf der Erde sind, zum Ideal und Vorbild gesetzt. (Menken.) Zerbrich, ver- brenne und zermalme, was dir nicht völlig wohlgefällu ob mich die Welt an einem Haln1e, ob sie mich an der Kette hält, ist alles Eins in deinen Augen, da nur ein ganz befreiter Geist, der alles Andre Schaden heißt, und nur die lautre Liebe taugen. —— HErr, nimm mir, was mich trennt von dir; HErr, gieb mir, was mich führt zu dir; HErr, nimm mich selber mir und gieb mich ganz zu eigen dir. (Ricolaus von der Flüe.) Wir kennen ein zwiefaches Zittern, das der Furcht und das der Freude; ein Zittern der Freude nun ift’s, daß wir im heiligen Vaterunser auf eine solche Höhe gehoben werden, hier schon unter die Heiligen und Seligen dort, und ist tiicht anders als wären wir im Himmel, dahin gehoben über drei Stufen, über die drei ersten Bitten. Warum Jesus niaht das theure Gebet mit dieser Bitte beschlossen hat? können wir uns denn noch höher beten? Wir können uns nur wieder herabbetem aber er wußte es wohl, was uns heilsam sei und was wir noch durchzuniaclfeii hätten auf dieser Erde, darum setzte er noch vier Bitten hinzu. (Cl. Harms.) Betend hat der Christ zunächst Gott die Ehre ge- Besondere Bemerkungen zu den einzelnen Bitten. Erste —- vierte Bitte· 721 geben: der Name Gottes hat ihn angestrahlt, daß er seinen eigenen Namen vergaß; das Reich Gottes hat ihn überzogen mit seiner Fülle und gedemüthigt, so daß seine besondere Herrlichkeit zu nichte wurde; der Wille Gottes hat ihn ergriffen wie der helle jüngste Tag und hat ihn verzehrt wie ein Opferfeuer mit dem Innersten feines Eigenlebens, mit seinem Eigenwilletn So hat er Gott sein Recht gegeben; aber er selber scheint verschivunden von dem Plan, ja die Welt scheint ein heiliger Aschenhügel unter diesem ver- zehrenden Feuer des alles ergreifenden und durch- dringenden Willen Gottes geworden zu sein (Hebr. 12, 29). Allein der Gott des Christen verzehrt seine Opfer nicht, sondern er verklärt sie. indem er das Böse in ihnen verzehrt; so geht denn der Gläubige aus dem Gottesfeuer geläutert hervor und führt nun auch seine Sache in Gott. Jn den drei ersten Bitten vollendete sich der Eifer für die Ehre Gottes — für den himmlische« Namen des Vaters, für das Fkönigreich des Sohnes, für den vollkommenen Willen des heil. Geistes; in den vier letzten Bitten da- gegen vollendet sich die Seligkeit der Christen, welche aus dem Anschaun dieser Gottesehre entspringt, das höhere Weltleben der Menschen, worin sie als ewige Individuen Gotte gegenüberstehen. Die Drei ist die Zahl des Geistes (vgl. l. Mos. 35, 26 Anm.), die Vier ist die Zahl des Weltlebens (P. Lange.) Die heiligen Alpenhöhen des Vateruiisers liegen hinter uns, wir kommen nun in die Thäler; die drei hohen Bitten um die Heiligung des göttlichen Namens, um das Kommen seines Reichs, um das Geschehen seines Willens sind eine einzige dreieinige Bitte um die Ver- herrlichung des dreieinigen Gottes auf Erden, wir wenden uns nun in die Tiefe zu dem viertheiligen Gebet der Kinder Gottes für ihr eigenes Wohl und Heil, nämlich zur Brodbitte und zur Vergebungsbitte und zur Bewahrungsbitte und zur Erlösungsbitte (Quandt.) Billig geht die Brodbitte den drei übrigen voran; denn wenn die Sorge für den Leib nicht über- wunden ist, findet die Seele keinen Aufschwung, ihre Seligkeit zu schaffen, wenn der Leib allzuhart von Mangel geplagt wird, wenn ein Mann sammt seinen Kindern nur immerdar durch Noth gedrungen ist, um Brod zu bitten, wird oft darüber alle Noth der Seele, ja die Seele selbst vergessen. Darum sollen wir in der vierten Bitte unsere Sorge um das Jrdische dem ewigen Versorger übergeben, damit wir frei uud un- gehindert und von ganzem Herzen in den letzten Bitten suchen und beten können, was des Geistes ist. (Löhe.) Das Wort des Grnndtextes, welches Luther mit »täg- lich« übersetzt Ehr-auszog) kommt sonst nirgend in der griechischen Sprache vor Dergleichen Wörter giebt es noch einige andere: Amme-ig- Mark. 14, Z; Joh- 12, Z: ,,ungefälscht«, »Er-Rig- 1. Tor. Z, 4: ,,vernünftig«, irorrsocziovtsuorcar Philipp. 2, 30: »gering bedachte«, sisrrxptcwerog Hebt 12, 1: ,,immerdar anklebetid«) und scheint von den Aposteln zu der Zeit, wo das Gebet des HErrn in den alltäglichen Gebrauch auch bei denjenigen Gliedern der Gemeinde überging, die nur des Griechischen mächtig waren (vgl. Apostg S, 1 ff.), eigens für den aramäischen Ausdruck gebildet zu sein, dessen der HErr fich bedient hatte, und das wird wohl nach Spr. 30, 8 dieser gewesen sein: sinkt; DIE» das uns beschiedene Theil Speise«, das du als uns nöthig, aber auch genügend ersehen hast, also nicht weniger, aber auch nicht mehr; durch den Zusatz an unsrer Stelle: n; nat? hat«-ai- (Luther’s Uebersetzung: ,,immerdar« läßt den Artikel weg, als hieße es blos ,,Tag für Tag-«, während es doch heißt: ,,Tag für DächfePs Bibeltverk. V. Band. L. Aufl. Tag betreffend, auf jeden einzelnen Tag bezüglichkh kommt der Sinn heraus: »das für jeden Tag gerade genug ist«, also daß zu unserem Dasein oder Bestand täglich erforderliche Brod (1. Tim. 6, 8; Hebt. 13, 5). Andere ziehen eine Ableitung vor, nach der man zu übersetzen hätte: »Unser morgendes Brod, den Be- darf für den morgenden Tag, gieb uns heute-«, was dem Worte Christi in Matth. 6, 34 widerspricht; denn wenn man auch gesagt hat, damit mehre eben der HErr die Sorge für den morgenden Tag von uns ab, das; er die Ndthdurft für denselbigen schon heute uns von Gott erbitten lasse, so muß man gerade um- gekehrt sagen: damit würde Christus die Sorge für den morgenden Tag uns einpflanzen, wenn er uns ge- lehret hätte, in unserm täglichen Gebet immer über die Grenzen des heutigen Tages hinaus zu blicken und nur dann uns zufrieden zu geben, wenn wir heute schon hätten, womit wir für morgen sollen versorgt sein. —- Was fordert täglich die vierte Bitte von uns? l) einen Mund, der zu beten sich nicht schämt und zu danken nicht vergißt; 2) eine Hand, die treu ist in der Arbeit und mittheilend in der Liebe. (Kögel.) Nach dem nächsten buchstäblichen Sinne ist das Brod, um das wir in der vierten Bitte beten, das gewöhnliche, von aller Welt so genannte Brod, das ,,liebe« Brod, toie’s unsere Väter hießen und davon sie sagten: ,,es ist etwas Großes, Gottes Wort lind ein Stück Brod haben«. Den Werth des Brodes in dieser einfältigsten Bedeutung des Wortes wissen am besten die Niedrigen und Geringen im Volk, unsere staubbedeckten Brüder mit schwieligen Händen zu schä- Heu; aber auch die Reichen sollen seines Werthes ein- gedenk sein, daß nicht der Mangel über sie komme als ein gewappneter Mann und die Entbehrung sie achten lehre, was sie in der Fülle nicht schätzten. Ein vor- nehmer Araber hatte sich einst in der Wüste verirrt und wurde vom Hunger gequält; da findet er ein Säcklein, das ein Wandersmann vergessen hat, und voller Hoffnung sieht er es an und denkt nicht anders, als es werde Nahrung für ihn darinnen sein. Aber es sind Edelsteine darin, und bitter enttäusclft ruft der Mann voll Schmerz aus: ,,es sind nur Edelsteine, ich dachte es wäre Brod!« Achtung vor dem Brod, und sammelt auch immer hübsch die übrigen Brocken! Doch dürfen wir in unserer Deutung bei dem nächsten buch- stäblichen Sinne nicht stehen bleiben, sondern müssen, wie Luther im Katechismus, im weiteren Sinne zum täglichen Brod rechnen alles, was zu des Leibes Noth- durft und Nahrung gehört, als Essen, Trinken, Kleider, Schuh, Haus, Hof, Acker, Vieh, Geld, Gut, fromm Gemahl, fromme Kinder, fromm Gesinde, fromme und getreue Oberherren, gut Regimenh gut Wetter, Friede, Gesundheit, Zucht, Ehre, gute Freunde, getreue Nach- barn und desgleichen. Jeder Wunsch in Beziehung auf leibliche Güter, sofern sie uns ebenso unumgäng- lich nöthig sind, als das liebe Brod, darf in der vierten Bitte zu Gott aufsteigen; Gott ist keineswegs ein so vornehmer Gott, daß er es sich nicht gerne gefallen ließe, wenn z. B. eine arme Magd, die fiel) die Füße wund gelaufen, ihn um ein paar Schuhe an- geht, oder ein viel geplagter Bürgersmanm dem böse Nachbarschaft das Leben sauer geniacht, ihn um getreue Nachbarn bittet. Nur Eins der 23 lutherischen Stücke haben Manche in neuerer Zeit von der Gevetsliste der Gläubigen streichen wollen, nämlich das Geld; man hat es ein Vorurtheil gescholten, auch das Geld als eine Gabe Gottes zu betrachten, und gemeint, um das Geld als solches hätte doch wohl nie ein Gläubiger gebetet, geschweige über einer empfangenen Münze ein 46 722 Evangelium Lueä 11, 4. Dankgebet gesprochen Ei, um wie manches Vier- groschenstück hat der gottselige Aug. Herm. Francke gebetet, und für wie manchen empfangenen Thaler hat er dankbar die Hände gesaltetl Nein, wahrlich, so ist das Wort vom ,,ungerechten Mammon« nicht gemeint, als ob das Geld metallene Sünde wäre; der Heiland selbst nahm ohne Scrupel den Groschen in die Hand, und wir dürfen ohne Sctupel nach Groschen und Thalern, wenn sie uns nöthig sind, die Hände zum Gebet erheben. Um alles, was znr Leibes Nahrung und Nothdurft gehört, darf und soll der Christ seinen himmlischen Vater bitten, das lehrt das Wörtlein ,,Brod«; aber rechte Beter miissen auch genügsame Leute sein, das lehrt das Wörtlein ,,täglich«, und fleißige Leute, das lehrt das Wörtlein »Unser« und barmherzige Leute, das lehrt das Wörtlein »uns«, und gottvertrauende Leute, das lehrt das Wört- lein ,,heute«, und erkeuntliche Leute, das lehrt das Wörtlein »Sieh-«. (Quandt.) Unter der Erklärung dessen, was zum täglichen Brode gehört, finden wir eine Menge von Dingen genannt, welche selten ein Mensch alle beisammen hat. Aber wenn etliche haben z. B. Acker und Vieh, so nehmen die Andern aus ihrer Fülle auch ihr Theil; was einem jeden der ewig reiche Gott verleiht, das ist sein täglich Brod, was er nicht hat, das gehört nicht zu seinem täglichen Brod. (Löhe,) Bei Llliatthäus steht das tägliche Brod, bei Lukas der Geber voran: »gieb uns unser täglich Brod immerdar«. Leider denkt jetzt die große Menge selten noch an solches Gebet; mit Worten oder ohne Worte. sagen sie: ,,Wozu soll ich denn beten? Das Feld derer, welche nicht beten, trägt ebensogut wie das Feld derer, welche beten; die Geschäfte derer, welche seit ihrer Kindheit das Angesicht des HErrn nicht mehr gesucht haben, bleiben hinter denen der betenden Christen nicht zurück; der Tisch derer, welche an kein Gebet denken, ist oft besser besetzt, als der Tisch derer, welche sammt ihren Kindern zum HErrn schreien«. Das ist wahr! Luther sagt selbst: »Gott giebt täglich Brod auch wohl ohne unsre Bitte, allen bösen Rtenschen«; er versorgt auch die Lästerer seines eigenen Namens sammt den mildert Thieren. Aber es ist ein Unterschied zwischen Brod und Brod: ohne Bitte ist es ein Brod der Langmuth und Geduld., ob wir uns vielleicht durch solche Güte zum HErrn ziehen ließen, mit der Bitte ist es ein Brod der väterlichen Güte; ohne Bitte giebt er es aus unergründlicher Etbarmung trotzigett Rechten, mit der Bitte giebt er er es in Freude seinen lieben Kindern; ohne Bitte kann es ein Brod des Zornes sein, er wird durch seine dauernde Treue unsere Untreue in ein um so grelleres Licht stellen und völlig zur Sünde machen, und wenn er uns richtet, sollen wir gar keine Entschuldigung haben, mit der Bitte ist es ein Siegel, daß er auch die Seele immerfort mit dem himmlischen Manna speisen will. Mit der Bitte ist es eine Gnade zum Leben, ohne Bitte eine Gnade zum Gericht. Wenn du ein verstocktes, boshaftes Kind hast, so kannst du dasselbe anch nicht verhungern lassen, du reichst ihm auch sein tägliches Brod; aber du giebst es ihm mit ganz anderem Herzen als liebenden, bittenden Kindern, es nimmt dasselbe auch mit ganz anderem Herzen, es wird darunter nur härter. Die feurigen Kohlen auf dem Haupte bringen eine doppelte Wirkung hervor; sie brennen entweder hinunter in das Herz zur Schaut, Reue und Buße, oder sie brennen hinunter, um die letzte Regung der Liebe und Dankbarkeit zu ertödten. (Ahlfeld.) Weil unsre Erwerbszweige immer mannig- faltiger, die Veranstaltungen zum Anbau der Erde immer ergiebiger, die Sicherungsmittel gegen Gefahr und Naehtheil immer allgemeiner geworden, ist deshalb vielleicht das Wörtlein »gieb« zu streichen? isrs viel- leicht nur frommer Ueber-Haß, mitgeschleppter Urväter- hausrath, im« Grunde Aberglaube, das tägliche Brod als eine Gabe anzusehen und über irdische Piittel hin- aus dem Wunder und Geheimniß des Segens seinen heiligen Platz zu wahren? Wohlan, häufe alles Gold in deinen Kasten und stehe geblendet davor, sammle deine Scheuern voll, berechne und befestige jedem mög- lichen Unsall gegenüber Abwehr um Abwehr — siehe, Krieg und Frieden mit ihrem Gefolge, Wind und Wetter, Mangel und Fruchtbarkeit, Krankheit und Ge- sundheit, und alle des Lebens unberechenbare Wechsel- fälle, sie sind schließlich nicht in deiner Hand! Dringe ein in die stillgefchäftigen Werkstätten der Natur, suche dir jeden spröden Stoff dienstbar, jede trotzende Kraft mindestens unschädlich zu machen — hinter und über der Kette all dieser Ursachen und Wirkungen steht frei und allgewaltig der persönliche Urheber, Gott, der Schöpfer und HErr Himmels und der Erden! (Kögel.) Meister Klügling will mich fragen und examinirem ob ich denn wirklich glaube, daß Gott mir auf meine Bitte etwas gewähre, was er ohne meine Bitte mir nicht geschenkt haben würde? Gegenfrage: ob du mit solch einem hölzernen Kinde zufrieden sein würdest, das seinen Vater niemals um etwas bittet und erst einen halben Tag überlegh ob es zu diesem äußersten Mittel greifen soll, oder das nach Empfang der erbetenen Gabe sich mit der Grübelei abgiebt, ob nicht der Vater am Ende doch ohne vie Bitte die Gabe geschenkt haben würde, also die Bitte sich hätte ersparen lassen? Das Gebet gehört bekanntlich weder unter die Zwangssteuern noch unter die unnützen Ausgaben, das Gebet gehört zu den Opfern, die selige Privilegien sind, und das Vaterunser als ein vom HErrn uns aufgetragenes Gebet ist in eben diesem Austrage Verheißungx die Blume täuscht sich nicht, die aus dem finstern Schooß der Erde empor nach dem goldenen Licht sucht. (M. Claudius.) Der Fromme hat Eigenes gar nicht, Gott ist ihm Alles, und was er vor sich auf Tisch und Teller hat, achtet er für das Seine nicht, im feineren Verstande, er bittet, daß Gott es ihm geben möge. Das Beten der frommen Seele ist nicht allein ein Reden vor Gott, sondern auch ein Reden mit Gott, und da ist Amen so recht eigentlich der Gottestheil im Gebet; wenn nun der Mund oder die Seele spricht: unser täglich Brod gieb uns heute; so ist des HErrn Antwort dann, wie wenn in Mark. 8, 6 es heißt: »und er gebot dem Volk, daß sie sich auf die Erde lagerten-«. (Cl. Harms.) Nicht um das Brod-Capi- tal, das Gott für uns in Händen hat, nur um die Brod-Zins en lehrt der Heiland seine Jünger beten, indem er sie anweist zu flehen: »Unser täglich Brod gieb uns heute!« Um alles, dessen wir für unsers Leibes Nahrung und Nothdurft bedürftig sind, aber nie- mals um mehr als dies, sollen wir also beten. Der alte V. Herberger theilt uns eine liebliche Geschichte aus der Resormationszeit von einem christlichen Beter mit, der des Wörtleins ,,täglich« wohl eingedenk war. Dr. Ziegler, als er das Kloster verließ und den lutherischen Glauben annahm, bat Gott, er möge ihm ein ehrliches Amt und etwa 40 Gulden dazu bescheren, damit er Gott und dem Nächsten ehrlich dienen und sich ernähren könne; es geschieht. Da er nun in die Ehe getreten, wollten die 40 Gulden nicht mehr reichen, und er bittet seinen himmlischen Vater um 60 Gulden; Gott giebt sie ihm. Da kommt eine Theurung über das Land, und der fromme Doctor muß seinen Gott Die vierte Bitte. 723 um 100 Gulden anflehen; Gott giebt’s ihm desgleichen. Da er nun alt wird, wilps abermal nicht reichen; da wirft er sich auf seine Kniee und sagt: ,,Lieber Vater, ich habe von Abraham gelesen, daß er etliche Male mit dir geredet hat, und du hast ihn in Gnaden erhört. Das habe ich auch erfahren —— ach, zürne nicht mit mir, ich will noch einmal mit dir reden; gieb mir, was ich bedarf, so werde ich allezeit genug haben, ich will dir nichts mehr vorschreiben-«. Darauf beschert ihm Gott alljährlich 150 Gulden; und da das der Churfiirst von Sachsen erfährt, daß er alfo gebetet habe, sagt er: »der Mann soll nicht blos sein trocken Brod, sondern in seinem Alter auch sein Labetrünklein haben«, und schenkt ihm noch 200 Gulden dazu. Das war ein genügsamer Bettler, wie der Heiland ihn haben will; heutzutage aber ist solche Genügsatnkeit ein rares Ding. Durch das Leben der Gegenwart zieht sich ein starker Zug der Ungenügsamkeit, der Genußsuchh des Haschens nach irdischen Gütern und Ergötzuiigeciz und selbst unter den glänbigen Jüngern dessen, der nicht hatte, wo er sein Haupt hinlege, findet sich viel- fach ein luxuriöser Sinn. (Quandt.) Warum hat denn der HErr die Bitte auf eine so kleine Zeit be- schränkt: »Sieh uns heute-«? warum dürfen wir uns denn nicht gleich Vorrath auf längere Zeit erbittert? Er will uns recht in der kindlichen Abhängigkeit von unserm Vater im Himmel erhalten; wer gleich Vorrath auf lange Zeit haben will, der spricht damit aus: »ich habe keine Zeit zum Bitten, ich habe keine Freude darin, ich möchte es in Einem Gebet auf lange Zeit abmacheu.« Das ist Thorheit und unkindliches Wesen; morgen lebt dein Gott auch noch, morgen bist du auch noch sein Kind; wenn das Morgen zum Heute geworden ist, sollst du wieder kommen und wieder bitten. Du weißt übrigens nicht, ob der HErr nicht bis morgen anders iiber dich verfügt hat, ob du morgen noch issest und trinkest: warum willst du um Dinge bitten, von denen du nicht weißt, ob du sie noch brauchst? Wenn du noch lebst, hat Gottes Brünnlein wieder Wassers die Fülle, und seine Scheuern sind unterdeß nicht leer geworden. (Ahlseld.) Der ungläubige geizige Mensch denkt an morgen, und nicht nur an morgen, sondern an viele ferne Jahre hinaus, und darum ist sein Leben ein ängstliches und sorgenvolles Leben; unter dem Vorwande, sich soviel wie möglich sicher zu stellen, kommt er nie zur Ruhe und zum Frieden, und hängt sein Herz immer an die Gabe nnd nimmer an den Gebet. Das will der HErr aber nicht haben, er möchte den Seinen vielmehr ein sorgenfreies, leichtes, wohlgemuthes Leben bereiten; darum sagt er (Matth. G, 34): ,,forget nicht für den andern Morgen, es ist genug, daß ein jeder Tag seine eigene Plage habe«, und selbst die tägliche Sorge lehrt er uns auflegen auf unsern Vater, indem er uns gebietet zu beten: »Unser täglich Brod gieb uns heute« (Fr. Arndt.) Es ist auf Erden kein Mensch dem Bilde Gottes so gar un- ähnlich, als der Geizige und Neidische, welche beide alles Gnte nur für sich begehren und keinem Andern etwas gönnen, gleich als wollten sie allein alle Schätze und Güter Gottes verzehren; im Gegentheil aber ist auch keine lieblichere Tugend und die mehr an Gottes allgemeine Liebe erinnerte, als die Nächstenliebe welche allen MenschensGutes gönnt, auf Erden kein Glück, im Himmel keine Seligkeit fiel) denken kann, die sie alleine, ohne Theilnehmer genießen sollte. Da- rum will auch der HErr, daß wir alle einander jede Erquickung, jede Gottesgabe gönnen follen, und heiszet uns fiir einander beten: »Unser titglich Brod gieb uns heute-«, damit er, erfreut durch die Liebe seiner Chri- sten unter einander, desto reichlicher ans seiner Fülle spende und schenke. (Löhe.) Ein reicher Londoner Kaufmann trat an einem Winterabend aus dem Comp- toir in seine Wohnstube; er machte es sich bequem, rückte den Lehnstuhl an den Kamin und ließ sich am hellen Feuer gemüthich nieder; es wollte aber mit der Gemiithsrulfe heute Abend nichts Rechtes werden, es ging dem Manne etwas im Kopfe herum. Am Nath- mittag war der Agent einer wohlthätigeit Gesellschaft bei ihm im Comptoir gewesen, hatte ihn dringend ge- beten, seinen Beitrag zum Besten der Gesellschaft dies Jahr zu verdoppeln, und ihm die Bedürfnisse derselben dringend ans Herz gelegt; der Kaufmann hatte ihn abgewiesen. »Die Leute müssen meinen, ich wäre ganz aus Geld zusammengesetztC sprach er jetzt oor sich hin; das ist nun der vierte Verein, für den ich dies Jahr meinen Beitrag erhöhen soll, und doch habe ich gerade dies Jahr so schwere Ausgaben für meinen Haushalt gehabt, wie noch nie. Der Bau hat schweres Geld ge- kostet, und diese Möbel und Tapeten und Vorhänge haben viel gekostet; ich wüßte wahrhaftig nicht, wie ich auch nur um einen Pfennig meine Beiträge erhöhen könnte-«. Der Mann wurde immer verdrießlichen wurde müde und schläfrig, und endlich schlief er in seinem Lehnstuhle ein. Da kam es ihm im Schlafe vor, als höre er Fußtritte vor der Thiir, und ein einfacher, ärmlich aussehender Mann trat herein, stellte sich vor ihn hin und bat ihn einen Augenblick um Gehör. Der Kaufmann zog ihm einen Stuhl an den Kamin und bat, Platz zu nehmen. Der Fremde sah sich die schön möblirte Stube ein Paar Augeublicke an, zog dann ein Papier hervor, reichte es dem Kaufmann hin und sagte mit einer demiithigen und von Herzen sanftmüthigen Stimme: »Mein Herr, hier ist die Zeich- nung ihres letztjährigeti Beitrags für die Elliission Sie kennen die Bedürfnisse dieser heiligen Sache besser, als ich es Ihnen sagen kann; ich wollte hören, ob Sie nicht Jhrem Beitrage für dieses Jahr noch etwas hinzufügen möchten« Die sanfte Ansprache des ein- fachen und anspruchslosen Mannes beunruhigte den Kaufmann noch mehr, als der Agent heute Nachmittag, und er wiederholte hastig und verlegen dieselben Ent- schuldigungem die drückende Zeit, die Schwierigkeit, etwas zu verdienen, seine Familienausgabeit u. s. w. Der Fremde schaute ruhigen Blicks durch das stattliche Zimmer, nahm sein Papier wieder an sich, reichte aber augenblicklich ein anderes mit den Worten hin: ,,dies ist die Liste, auf der ihr letztjähriger Beitrag für die Tractat-Gesellschaft verzeichnet steht; haben Sie nichts hinzuzufügen? Sie wissen, wieviel schon durch dieselbe geschehen ist, wieviel aber auch noch zu thun übrig bleibt —— wollen Sie nicht Jhren Beitrag erhöhen?« Der Kaufmann ward allerdings durch diese neue Bitte etwas verstimmt; aber in der stillen, milden Weise des Fremden lag etwas, was ihn vor heftigem Ausdruck) bewahrete. Er antwortete nur, daß er unendlich be- dauere, daß seine Verhältnisse der Art seien, das; sie ihm keine Erhöhung seiner milden Gaben für dies Jahr gestatteten, und der Fremde zog auch dies Papier ohne den geringsten Widerstand zurück; aber unniittel- bar darauf hielt er die Liste der Beitragenden für die Bibelgesellschaft hin und erinnerte den Kaufmann mit wenigen, aber eindringlichen Worten an die allgemein anerkannten Ansprüche dieser Gesellschaft und bat wiederum um eine Erhöhung des Beitrages. Da wurde der Kaufmann ungeduldig: »k)abe ichjs nicht deutlich genug gesagt«, fuhr er auf, »daß ich dies Jahr nichts mehr für solche Zwecke geben kann? Es scheint, als ob dergleichen Ansprüche in unsrer Zeit 46«i« 724 Evangelium Lucä 11, 4. gar kein Ende nehmen wollten; anfangs gab es nur 3——4 Vereine, nnd die Gaben dafür brauchten gerade uictoyt hätt; zu seinfck jetzt Faskrchentstesen täglghtneue, un na ) em wir fon rec )1 gege en, mu e man uns gar zu, ungre Ggien noch zu verdoppåln und zu verdreifachen ies ing nimmt kein udes wir niiissen aber doch endlich einmal aufhören!«« Der Fremde steckte sein Papier wieder ein, stand dann auf, heftete sein Auge durchdringend auf den vor ihm sitzen- den Kaufmann und sprach mit einer Stimme, die durch die Seele zitterte: »Ja dieser Nacht vor einem Jahr glaubten Sie, Jhre Tochter läge im Sterben; Sie hatten vor Angst nirgends Ruhe -— wen riefen Sie in jener Nacht unt« Der Kaufmann fuhr zu- sammen und sah auf: es fchien, als ob der Fremde verwandelt sei, so driickte ihn dessen ruhiger und durch- dringender Blick zu Boden« er rückte fort, hielt die Hand vor’s Gesicht und sagte nichts. ,,Vor fünf Jahren-«, fuhr der Fremde fort, ,,wibssen Sie es noch? da lagen Sie am Rande des Gra es und glaubten eine unverforgte Farnilie zurücklassen zu müssen, wissen Sie noch, zu wem Sie da beteten? wer sie nicht zuri!ckwies? wer Jhnen da half?« Einen Augenblick hielt der Fremde inne, Todesstille herrschte im Zimmer; der Kaufmann beugte sich vorn über und legte das betäubte Haupt auf die Lehne des Stuhls, der vor ihm stand, der FEemde aber trat näher und in noch eindringlicherem one fragte er zum dritten Mal: ,,Deuken Sie 15 Jahre zurück, an jene Zeit, wo Sie Tkig und Nacht im Gebet rangen, wo Sie fiel) so · - d sl s ü lt S« d giiefrthlltxiiiesofcxtaiizkå gliselx hfüsn,einkoStulikdegexkgebgi hätten, in der Sie die Versicherung empfingen, daß Jhre Sünden Jhnen vergeben seien —- wer hörte damals auf Jhr Flehen?« —- ,,Mein Gott und mein Heiland toar’s«, rief der Kaufmann: ,,ja, er warst« — ,,Uk1)1d hat der sich denn jemals beklagt, daß er von J nen zu viel in Anspruch genommen werdet-« fragte der Fremde, und seine Stimme war dabei so ruhig und so weich und doch lag der allertiefste Vor- wurf darin. ,,Wohl«an, sprechen Sie: sind Sie es zu- frieden, von diesem Abend an nichts mehr von ihm zu bitten, wenn er dafür von heute an Sie auch um nichts« mehr bitten will R« —- ,,Nnnmermehrl« sprach a - ZkT2K?k?sp2T?;s3-. Uäiåglisåiiåke säkiskkdiFieFsxdik Miit schwindemfund er erwachte. »O mein Gott und Hei- and« rie er aus: ,was habe ich gethan? Nimm alles-nimm jedes — was ist alles, das ich habe, gegen das, was du für mich gethan has .« (Quandt.) Jch frage euch mit der vierten Bitte, darin es heißt: uns er täglich Brod«: ist euer Brod auch euer? Ohr Brod essen nicht, die da nehmen, wo sie kriegen, Jud kümmern sich um Rechtmäßigkeit nicht; die, was sie haben, das genommen haben, zusammengebracht haben durch List und Ueberlist, durch Veruntreuung eines An- vertraueten, durch feine oder grobe Antastung mit ihren Händen in Beziehung aus das, was einen: Andern gehört, Privatmanne oder Commune, durch Bezahlung für Arbeiten, die nicht gethan, für Wege, die nicht gegangen, für Dienste, die nicht geleistet sind. Jhr Brod essen nicht, die sich lassen tiähren und könnten sich selbst ernähren, nehmen von Andern, die ihnen geben, und drängen Bessere, Würdige weg von des tlliildgesinnten Hand, ohne allen Anschein auch nur eines Rechtes, Andere mit anscheinendem Recht, welche letzteren sich finden in Haushaltun en da beide Mann und Weib verdienen follten, und Ader eine ist «nur der lrrwerbey der andere der Verderber, da Kinder, Söhne und Töchter, sich lassen von ihren Eltern nähren, die sich schon selbst sollten in den Stand gesetzt haben, der Eltern Brod nicht mehr, sondern selbftverdientes zu essen, da Verwandte sich mit ihrer Nothdurft auf ihre begüterten Verwandten werfen, zwingen und zwackeu ab» und thun, was doch Jhres wäre, nicht, »in Träg- heit, m Wohlleben, m Fahrlässigkeit Gleichertoeise die von dem leben, was ihnen zugeflossen durch Erb- schaft, durch Schenkung, ununtersuchh niemals gefragt, wie entstanden, wie zusammengebracht, ob auch mit fremdem Gut untermenget, davor in alten Zeiten man so scheu war, und zehren davon ohne irgendwelch eigenes Thun und Dazuthun und Danebenthum von allen diesen sage ich, daß sie nicht seien, welche der Apostel (2. Thess. Z, 12) bezeichnet, als die ihr eigen Brod essen; von diesen allen sage ich, daß sie, ob ein Vaterunser auch, doch kein Brodunser haben; von diesen allen sage ich, daß in ihrem Munde die vierte Bitte gar übel lautet, wenn sie sprechen: »Unser Brod-«. Wir müssen aber auf Weisung dieser Bitte auch weiter zusehen, ob das Brod, das wir uns er- worben, das wir haben, ein gottgegebenes sei; denn es heißt ja: »Unser täglich Brod gieb uns-l« Woran erkennen wir das? Es giebt untrügliche Kennzeichen; eins ist dies, das untrüglichftm wenn auf gottgewiese- nem Wege, in redlicher, gottbefohlener Arbeit darum, Nienschen zu Dienst und Nutzen, jemand sich sein Brod erworben und durch gutes Verfahren, durch gutes Haushaltem damit es ocrniehrt hat und — wohl be- merkt! — auch zu Gott gebetet hat, daß er ihm gebe, dann sagen wir: ,,es ist sein Brod«- Aber ich bin bald fertig mit Angabe der untrüglichen Keunzeicheiy fange an erst und gehe nur bedenklich weiter. Was jemand zu Theil wird auf Wegen, die man auch wohl uennet des Glückes, da eben mit seinen Anstrengungen sein Erwerb nicht im Verhältniß steht, als zu groß dafür, oder da ihm durch besondere Freundesgunst oder eingetretene Sterbefälle Güter, die man nennt des Glücks, zugefallen sind — nun, auch die wollen wir noch lassen für gottgegebene gelten. Doch nnn bin ich wirklich schon am Ende und weiß kein Kennzeichen mehr. Ausbildung eines besonderen Talents des Kör- pers oder Geistes, dessen Leistungen blos Staunen er- regen oder zum Weinen, zum Lachen bewegen, über- haupt nur die äußeren Sinne ergötzen und die innern, in welche die äußeren auslaufen, davon aber der edlere Mensch, das Herz nicht Nahrung noch Nutzen hat und der Geist mehr getödtet als belebt wird: wenn solch Gefchick dem, der’s hat, das Brod in’s Haus und Geld in den Kasten schickt — ich biu mehr für das Nein, als für das Ja, wenn hier gefragt wird, ist des Mannes Brod ein gottgegebenes? Vollends wer sich’s erspielt, was er hat, durch Lotto, in Karten, mit Würfeln —- was hat Gott mit solchem Spiel zu thun? da sage niemand von solchem Brod, daß Gott es gegeben habe! Woher es denn gekommen? Eher als von Gott kommt solches vom Teufel her, als der hiermit Seelen lockt und fängt, wie auch oftmalen es mit solchem Gut ein trauriges oder gar fchreckliches Ende nimmt. Also, was bleibt denn als untrügliches Kennzeichen seststehen, dabei man ein Vaterunser beten kann? Das erste: auf ordentlichem Wege erworben, und dann das andere: angestorben; die ihr in solchem Haben des Brodes seid, euch heißt es ein gegebenes. (Cl. Harmsh Zu Luther’s Zeit pflegte eine fromme Frau in Wittenberg, die Dr. Krappin, die sieben Bitten im Vaterunser auf die sieben Tage der Woche zu vertheilen: ein glücklicher Gedanke! Das »geheiligt werde dein Name« gehört für den Vierte und fünfte Bitte. 725 Sonntag, da Gottes Wort uns gepredigt wird und wir sollen lernen, auch heilig als die Kinder Gottes darnach leben; das ,,dein Reich komme!« ist eine rechte Bitte für den Montag, da die Alltage mit dem irdischen Tagewerk und ihren so vielen in’s Jrdische und Niedrige herabziehenden Gedanken und Geschäften von Neuem beginnen, daß wir da unserer himmlischen Berufung nicht vergessen; das ,,dein Wille geschehe, wie im Himmel, also auch auf Erden«, ist eine Dienstags-Bitte, das Wort in seiner jetzigen Schreibweise genommen, da es uns an ,,Dienst« er- innert, denn irgend einem Herrn müssen wir dienen, hier aber hörst du, welchem du dienen sollst und wel- chem die Erde einst wieder zufallen soll —— hilf an deinem Theil den »Fürsten dieser Welt« aus seiner augemaßten Herrschaft (Luk. 4, G) mit heraustreiben, daß die Reiche der Welt unsers HErrn und seines Christus werden; das ,,vergieb uns unsere Schuld 2c.« ist die Donnerstags-Bitte, da Christus im heil. Abendmahl uns ein so herrliches Unterpfand der Ver- gebung unserer Sünden gegeben hat und darauf hin- gegangen ist, uns diese Vergebung zu erwerben und für seine Mörder zu beten; das ,,fiihre uns nicht in Versuchung« ist die Freitags-Bitte, denn mit seinem Leiden und Sterben hat unser Heiland alle Versuchung des Teufels, der Welt und unseres Fleisches zu Schau— den gemacht, daß sie nichts soll über uns vermögen, wenn wir recht fest an ihn uns halten; und das ,,erlöse uns von dem Uebel« ist die Sonnabends- Bitte, denn da lag der HErr im Grabe und weihete die Erde für uns ein, daß sie uns eine süße Ruhe- kammer werde, nachdem wir entgangen aller Noth, die uns jetzt hält umfangen, bis der fröhliche Auferstehungs- tag kommt (Jes. W, 20; 57, 2). Wie stehts nun aber mit der Mittwochs-Bitte: »Unser täglich Brod gieb uns heute?« Ach, am Mittwoch ist Judas einst hin- gegangen zu den Hohenpriesterm »was wollt ihr mir geben? ich will ihn euch verrathen« und er versprach sich, da sie ihm 30 Silberlinge boten. Das ist eine Geschichte, die Tag für Tag sich wiederholt: um elende 30 Silberlinge, um des Geldes und Gewinnes willen verrathen Christen noch immer ihren HErrn und Meister, für den Lohn der Ungerechtigkeit lassen sie sich zu Teufels-Werkzeugen brauchen und opfern Pflicht und Gewissen, den Frieden hienieden und die Seligkeit droben auf; und leider hat jeder seinen Preis, für den er fich feil bietet. Dagegen ist die einzige Hilfe, daß wir mit der 4. Bitte Gottes Tischgänger werden, nichts begehren, als was aus seiner Hand kommt, aber auch zufrieden sind mit dem von ihm uns beschiedenen Theil iu der gewissen Zuversicht, daß er uns nicht werde verlassen noch versäumen. Vergieb uns unsere Schulden, wie wir unsern Schuldigern vergeben: was fordert uns auf zu diesem Gebet? einmal das Bewußtsein unsrer tiefen Verschuldung, sodann die Unmöglichkeit, uns selbst aus eigenen Kräften davon zu befreien; und wozu fordert nun wiederum dieses Gebet auf? zur Vergebung gegen Andere, welche sowohl das Kennzeichen als das Bewahrungsmittel der uns von Gott zu Theil gewordenen Vergebung ist. (Fr. Arndt.) Um Ver- gebung unsrer Sünden bitten wir in dieser Bitte, d. h. um ein Gut, welches für die Seele nicht minder nöthig ist, als das tägliche Brod für den Leib: wie der Leib ohne das tägliche Brod nicht bestehen kann, son- dern dahinivelkt in den Tod, so kann die Seele ohne Vergebung der Sünden nicht bestehen, sondern fällt dahin in immer größere Sünde und Zorn Gottes, welcher ein geiftlicher Tod und bejammernswerther ist als jeder leibliche Tod. Von allen Millionen und zahllosen Schaaren von Bitten, welche zu Gott auf- steigen, gehören nur sieben zum Vaterunser, nnd unter diesen sieben handeln zwei von der Sünde, die fünfte nämlich von Vergebung der Sünden und die sechste von Bewahrung vor der Sünde; daraus allein schon können wir beides lernen, welch ein furchtbares Ue- bel die Sünde und welch ein kostbares Gut Ver- gebung der Sünde sei. Aber wir sehen das nicht ein, sondern wie vor Gott die Sünde das größte Uebel ist, so ist sie bei Menschen das geringste; und ebenso kann man von der Vergebung der Sünden beides behaupten, es ist kein größeres, und auch, es ist kein verachteteres Gut als sie· — Von jeder andern Trübsal gilt das Wort der Schrift (Hebr. 12, 11): ,,alle Züchtiguug wenn sie da ist, dünkt sie uns nicht Freude, sondern Traurigkeit zu sein«; aber von der größten unter allen Trübsalem von der Sünde gilt das Gegentheil: die Sünde, wenn sie da ist, dünkt sie uns nicht Traurig- keit, sondern eitel Freude; denn wer dünkt sich fröhlicher als der Spötter, wenn er seiner Spottlush der Ver- leumder, wenn er seiner neidischem boshaften Zunge, der Zäuker, wenn er feiner zänkischen Laune, der Un- reine, wenn er seinen unreinen Gedanken, der Hurer, wenn er seinem hurerischen, der Ehebrecher, wenn er seinem ehebrecherischen, der Geizige und Habsückitiga wenn er seinem geizigen, habsüchtigen Herzen Raum geben und die Zügel schießen lassen kann? Die Sünde ist wie die Erde im Frühling —— sie verschweigt es, daß ein Winter kommt; wie das Fleisch in der Jugend —- es scheint zu leugnen, daß es in Verwesung auf- hören wird; wie eine Rose, über deren vergänglicher Blüthe man die standhaften, Winter und Sommer bleibenden Dornen ihres Gehölzes, wie eine Schlange, über deren bunter Haut man ihr Gift, wie ein Blitz, über dessen lichtem Strahl man des Todes zu vergessen geneigt ist, in welchem er endet. Es ist ein Elend mit dem Menschen: den kleinsten Schmerz des Leibes, den leisesten Vorboten der Auflösung desselben kann er leicht erkennen, empfindet ihn auch bald; aber den Grabstein der Sünde, den lastenden Fluch Gottes, welcher mit ihr über uns hereinfällt, empfindet die Seele nicht. (Löhe.) Jn den Tagen des Kaisers Augustus starb ein Mann, der früher große Güter besessen, sie vergeudet, sich eine entsetzliche Last Schulden aufgeladen und sich um diese Schulden auch kein Haar gegrämt hatte; in vollster Sorglosigkeit hatte der Heide bis an seinen Tod hingelebt Als sein Nachlaß verkauft wurde, ließ fich der Kaiser sein Bett kaufen, weil er meinte, in dem Bette müsse es fich besonders gut schlafen, weil ein so mit Schulden belasteter Mensch ruhig darin habe schla- fen können. So ruhig, wie dieser, schlafen auch Viele mit ihren Schulden an Gott; wir mögen aber doch ihr Bett nicht kaufen — Gott wird sie aufwecken, ihre Polster werden ihnen Steine und Dornen werden, ihre Sünden werden aufstehen, und was sie im Schreien und Nagen lange Jahre versäumt haben, das holen sie dann durch Schärfe in kurzer Zeit nach. Freue dich, wenn du ein waches Gewissen hast, wenn dich alle Sünde drückt, wenn du für deine Schuld ein gutes Gedächtniß hast, wenn die Gerechtigkeit Gottes dir hoch und heilig dasteht: unsere Schuld muß uns drücken, sie ist die schwerste Schuld, sie ist Herzensschuldz sie wird, wenn wir nicht Vergebung empfangen, eine ewige Schuld. (Ahlfeld.) Die Form der Bitte, wie sie bei Lukas lautet, setzt im zweiten Theil nicht eine Be- dingung, sonders: nur einen aus der Art, wie wir in unserm geringen Theil handeln, entnommenen Beweg- grund: »denn auch wir vergeben alten, die uns schul- 726 Evangelium Lucä 11, 4. dig smd«. Es setzt das voraus, daß der Gläubige schon in der Liebes-Atmosphäre lebt, welche Jesus schaffen will, und ist in gleichem Sinne zu verstehen, wie das in V. 13 Gesagte: »Wir selbst, so arg wir sind, machen Gebrauch von dem uns zustehenden Recht der Gnade und erlassen ihre Schulden denen, die uns fchnldig sind; wie vielmehr wirst du, Vater, der du die Güte selbst bist, dein Gnadenrecht gegen uns ge- brauchen!« (Godet.) Darnach scheint auch das ,,wie wir« (unfern Schuldigern vergeben) bei Matthäns nicht sowohl in dem Sinne: »in dem Maße als wir« (Matth. 20, 14; Osfenb.18, S) verstanden werden zu müssen, sondern nur eine Aehnlichkeit zu bezeichnen (Matth. 18, 33). Jn jenem Sinne, also nach Maßgabe von Kap. G, 88: ,, eben mit dem Maße, da ihr mit messet, wird man euch wieder mesfen«, hat Luther in der Aus- legung von 1518 die Worte genommen. (Tholuck.) Jch ziehe das Wörtlein ,,als«, wie es ehedem allge- mein gebräuchlich war, dem Wörtlein »Wie« vor; dem »Wie« hängt die Vorstellung des Maßes fiel) so leicht an, wobei wir zu kurz kämen. Ach wir armen Men- schen, wenn uns Gott nicht mehr vergäbe, als wir einander! Jch wüßte keine drei Meufcheu zu nennen, denen ich etwas zu vergeben hätte, und weiß nicht einen, für den nicht die Vergebung bereit liegt: wenn mir Gott nicht mehr vergeben wollte! Dahingegen das Wörtlein »als-«, das geht auf kein Maß, bleibt in der Aehnlichkeit: wenn ich nur vergebe! ist’s viel, so vergiebt Gott mir viel; ist’s wenig, so vergiebt mir Gott auch viel. (Cl. Harms.) Der Satz soll bedeu- ten: wir fühlen die Zuversicht zu deiner Vergebung in dem Gefühl der Versöhnlichkeit, das uns erfüllt und von dir ist, und erbitten sie mit dem Gelübde dieses Gefühls. »Schulden« ist eben soviel als »Situ- den«, aber von Seiten der Zurechnung oder des selbst- strafenden Gefühls gefaßt. (P. Lange.) — Es ist uns so wohl, wenn uns die Sünde vergeben ist; der Friede Gottes ist so lieblich, so ein heiterer Himmel, so eine sanfte, liebe, grüne Frühlingserde; wir möchten immer im Frieden Gottes wandeln und fürchten die Störung dieses Friedens durch neue Versuchungen so sehr — ja, da fallen wir auf unsere Kniee und flehen in- brünstig: Führe uns nicht in Versuchung! Denn wir erkennen wohl, daß die Sünde ihre großen Reize für uns hat, daß unsre besten Vorsätze leicht zu Falle ge- bracht sind, daß uns Versuchung gefährlich, ja, daß zwischen Verfuchung und Fall nur Ein Schritt ist; wir möchten aber so gerne bleiben, wo wir find, im Frieden. So natürlich ist’s, so nahe liegt’s dem, der in der 5. Bitte erhört ist, die sechste zu beten. Diese zwei Bitten mit ihren zwei verborgenen Ver- heißungen sind wie zwei Hände Gottes, mit deren einer er uns rettet, mit der andern schirmt, mit der einen uns bettet, mit der andern uns zudeckt (Löhe.) Das Wort ,,versuchen« hat in der Schrift zweierlei Bedeutung: das freie Wesen in Stand setzen, sich zwifchen Gntem und Bösenu Gehorsam und Auflehnung zu entscheiden — in diesem Sinne versucht Gott selbst (1. Mos. 22, 1); aber: innerlich zum Bösen antreiben, die Sünde in einem so verführerischeit Lichte erscheinen lassen, daß das schwache, getäufchte Geschöpf sich in die- selbe stiirzt — so versucht der Teufel (Kap. 4, 2), und so kann Gott nicht verfnchen (Jak.1, 13). Jn jener Bedeutung nun können wir das Wort »Versuchuug« hier nicht nehmen: wie können wir Gott bitten, uns mit Priifungen zu verschonen, welche zur Entwickelnng unsers sittlichen Wesens und znr Offenbarung seiner herrlichen Macht in uns (Jak.1, 2fs.) nothwendig sind! Der Urheber der Verfuchungeiu auf welche die S. Bitte fiel) bezieht, ist vielmehr der Teufel. Gott darf nur seine Hand von uns zurückziehen, so finden wir uns der Macht des Feindes, der uns überall aus unsern Wegen Schlingen legt, preisgegeben: sich selbst über- lassen, fällt der Mensch sogleich in die Gewalt des Fürsten der Finsterniß. Das fühlt der Gläubige auf’s Tiefste; daher die Bitte: ,,führe uns nicht ein in Ver- fuchung«, d. i. ziehe deine Hand an diesem Tage nicht Einen Augenblick von mir ab, damit ich riicht in eine der Versnchungeti falle, welche der Arge mir in den Weg legen wird; erhalte mich in den Regiouem wo du regierst nnd wo der Arge nicht beikommen kann. Ein Frommer hat die Bitte so utnschriebem »wenn die Gelegenheit znr Sünde sich darbietet, so gieb, das; die Lust nicht in mir sich finde; ist aber die Lust da, so gieb, daß die Gelegenheit sich nicht darbiete.« (Godet.) Vor vielen süudlichen Thaten befindet sich der Mensch in einem solchen: Zustande, worin er in hohem Grade zur Sünde aufgeregt ist, aber noch nicht fest entschlossen, ja in einem gewissen Kampfe noch dagegen; wo er aber die Gelegenheit sucht und auf eine Bestimmung durch eine Veranlassung von außen wartet, die ihn dann vor sich selbst rechtfertigen soll (vgl. Spr. 7, d' sf.): das ist eine Verhöhnung der Bitte, die der HErr uns gelehret. — Die bösen Verfuchungen sind nicht alle einerlei Art, sondern sie sind entweder lustvoll oder leidvoll, und es ist schwer zu entscheiden, welche von ihnen die gefährlichsten sind. Bei den luftvollen Versuchungeti benutzt der Satan die Bundesgenossen- schaft des Fleisches; seine allererste Verfuchung auf Erden war eine solche — obgleich hier nur ein Apfel lag und dort der Todestod, überwand doch der Apfel — so gefährlich sind die luftvollen Verfuchungen des Satan. Die Geschichte der Gläubigen aller Zeiten liefert dazn die tranrigsten Belege; der königliche Sänger David, der Mann nach dem Herzen Gottes, erlag der lustvollen Verfuchung des Satan beim An- blick der fchönen Bathseba Aber tiicht minder setzt der Fürst der Finsternis; die kleine Heerde in Schrecken durch seine leidvollen Versnchungein Dieselben sind theils leiblichen theils geistiger Art: bei den leiblichen Verfuchungen weher Art benutzt der Teufel die Bundes- genossenschaft der Welt, bei den geistigen Versuch- ungen naht er ohne Hilfstruppeii in eigener Person. Es ist noch das geringste Leiden, sagt Dr. Luther, welches der Teufel durch die Welt auf uns treibet, so die Christenheit äußerlich und mit leiblichen Waffen angreifet, als Schwert, Kerker, Beraubung Guts und Leibes dazu; aber das ist viel schwerer, so er inwendig selbst treibet, da er die Herzen angreift, martert und plagt mit seinen feurigen Pfeilen, d. i. mit Schrecken und Angst der Sünde und Gottes Zorn, da er dem Menschen, der da sonst blöde und furchtsam ist, ein Tränklein fchenket, nicht von bitterem Wermuth und Galle, sondern das da heißt Höllenangsh und in ein Bad führet, da er liegt wie in einem glühenden Ofen, daß ihm das Herz zerfchmelzen möchte. Alle diese Ver- fuchungen des Satan, die luftvollen wie die leidvollen, die leiblichen wie die geistigen, stecken in der Luft der Gegenwart und Zukunft, und können jeden Augenblick über dem Haupte eines glänbigen Menschen wie ein schweres Gewitter sich entladen; doch stehen sie sammt und sonders unter Gottes heiligem Walten, unter der Zulassung feines weisen Willens. So giebt es denn, um vor satanischen Versuchungen bewahrt zu bleiben, keinen andern Weg, als den der Bitte an den Alb mächtigen: ,,führe du uns nicht in die bösen Verfuch- ungen! laß du keine fatanifchen Anfechtungen über uns Sechste und siebente Bitte. kommen, damit wir nicht trotz der Vergebung unsrer vorigen Schulden durch Sünden der Zukunft das ewige Heil verlieren!« Läßt Gott aber gleichwohl die bösen Bersuchungeti zu, so kann er doch dieselben in gute Priifungerc für uns verwandeln und uns aus seinem himmlischen Zeughaufe aus unser Gebet Wehr und Waffen darreichen, daß wir nicht allein wider den bösen Feind ritterlich kämpfen, sondern ihn auch im Glauben besiegen. (Quandt.) Es ist also ein Zwiefaches in unsrer Bitte enthalten: 1) bewahre uns, soviel als möglich ist, vor der Versuchung, daß wir nicht hinein- gerathen; L) bewahre uns wenigstens, wenn du unszu unserm Besten heimsuchen willst, in der Versuchung, daß wir nicht darin untergehen! ,,Es wird nichts An- deres- daraus, wir miissen in der Versuchung stecken; aber davor bitten wir, daß wir nicht hineinfallen und darin ersaufen. (Luther.) Bei der siebenten Bitte kommt zunächst die Frage in Betracht, wie wir die Worte zu deuten haben; denn Ida-s unsre deutsche Bibel mit ,,Uebel« wiedergiebt und also sächlich nimmt (2. Tim. 4, 18), kann auch persönlich verstanden werden: »von dem Argen oder Bösen«, d. i. dem Teufel oder Versucher (2. Thess· 3, 3). Jm großen Katechismus giebt Luther dieser Auffassung den Vorzug, indem er schreibt: »Im Griechischen lautet das Stücklein also: erlöfe uns von dem Argen oder Boshaftigety und stehet eben, als rede er vom Teufel, als wollt er alles auf Einen Haufen fassen, daß die ganze Summe alles Gebets gehe wider diesen unseren Hauptfeiud; denn er ist der, so solches alles, was wir bitten, unter uns hindert, Gottes Namen oder Ehre, Gottes Reich oder Willen u. s. w. Darum schlagen wir solches alles endlich zusammen und sagen: Lieber Vater, hilf doch, daß wir des Unglücks alles los werdens« Mit letzterer Umschreibung lenkt er in die Fassung des kleinen Katechismus ein, bei der er das Christenvolk, das ja längst (im Anschluß an den lateiniscben Text der Vul- gata) das Vaterunser zu beten gewohnt war, belassen wollte; die Auslegung dazu nimmt dann aber das Wort ,,Uebel« bestimmter von den Folgen des Bösen, von dem mancherlei Druck, der auf unserm Leben hienieden lastet, obwohl Luthers Sprache sonst noch die ältere Bedeutung des Wortes kennt, wonach es im sittlichen Sinne s. v. a. das Böse ist (Sprüchw.11, 19 Ann1.). Da im jetzigen Sprachgebrauch das ,,Böse« auch das ,,llebel« mitbefaßt (Ephes. 5, 16), so wäre eigentlich die Uebersetzung »von dem Bösen« vorzu- ziehen, da das auch die persönliche Beziehung auf den Teufel zuläßt oder auf den ,,Bösewicht«, wie Luther schreibt, wenn die persönliche Fassung des Bösen die allein maßgebende ist (Ephes. S, 16; 1. Joh. L, 13). Auch in Niatth 5, 37 begegnet uns mit den Worten: »was darüber ist, das ist vom Uebel« dieselbe Mehr- « deutigkeit des Ausdrucks; in der 1. Aufl. von 1522 hatte Luther geschrieben: »vom Argen-«, änderte das aber schon in der einige Monate darauf erfolgten zweiten Ausgabe ab. Halten wir nun fest, was schon oben bemerkt wurde, daß, auf den Teufel bezogen, das Wort ,,erlöse uns von dem Bösen« in die engste Be- ziehung zu der dritten Bitte tritt (wie im Himmel, also auch auf Erden kann Gottes Wille erst dann ge- sthehen, wenn der Teufel auch von der Erde hinweg- gethan, wie er aus dem Himmel verstoßen ist),- so liegt unserm heidenchristlichen oder kirchlichen Bewußt- sein, wie es gegenwärtig noch gerichtet ist, die Bindung des Satan ans tausend Jahr und die Ausrichtung des Millenniunis (Ofsenb·20,1—6) ziemlich fern, ja bei den Meister: sträubt sich das christliche Bewußtsein 727 gegen dieses Lehrstück und hält dasselbe vielmehr für eine Jrrlehre; und doch wird gerade bei dem wieder- hergestellten und geheiligten Israel auch das Wort (Matth. 5, 37; Jak. 5, 12) zu seiner vollen Geltung kommen: ,,eure Rede sei ja, ja! nein, nein! was da- rüber ist, das ist vom Argen-«, denn gleichwie die Glieder der Gemeinde aus Zion Jungfrauen sind und mit Weibern nicht befleckt, so ist auch in ihrem Munde kein Falsches erfunden, sondern sie sind nnsträslich vor dem Stuhl Gottes (Ofsenb. 14, 1—5). Wir können da bei den beiden Bitten, bei der siebenten wie bei der dritten, unsre Gedanken nur richten aus das, was am jüngsten Tage, nach der Ueberwindung des Gog und Magog geschehen wird, auf die Hinabwerfung des Teufels in den feurigen Pfuhl und Schwefel und auf die Herstellung eines neuen Himmels und einer neuen Erde, in welcher Gerechtigkeit wohnet (Ossenb. 20, 7——21,8; Z. Petri s, 12 ff.); da nun aber die Ver- bindung der siebenten Bitte mit der dritten unsern Gedanken für gewöhnlich nicht so nahe liegt, als die mit der fünften und sechsten, so liegt es uns auch näher, die persönliche Beziehung fallen zu lassen und die sach- liche vor allem in’s Auge zu fassen, und dafür wiederum wäre das »von dem Uebel« dem »von dem Bösen« vorzuziehen, denn mit dem letzteren Ausdruck bekämen wir· keine neue Bitte, sondern nur eine Fortsetzung der vorigen. Hiermit liegt denn die zweite Frage zur Behand- lung uns vor: sind das wirklich zwei Bitten: «fiihre uns nicht in Versuchung, sondern erlöfe uns von dem Bösen (Uebel)«, oder haben wir beide Stücke nur als Eine Bitte, die sechste, zu betrachten. Die reformirte Kirche faßt wirklich beide Worte zu Einem zusammen und nennt sie die sechste Bitte; sie setzt sich damit in derselben Weise über die biblische Zahlenfymbolik hin- weg, wie wein: sie die beiden Tafeln des Gesetzes in vier und sechs Gebote zerlegt (2. Mos. 20, 1. L. U. So, 18 Anm.), und verliert nun auch die schöne Harmonie, in welcher die Bitten des Vaterunfers zu den letzten Worten Christi am Kreuze stehen. Streng genommen läßt sich eigentlich nicht sagen, daß Jesus für s eine eigene Person das Gebet, das er uns gelehret hat, habe beten können, er konnte es höchstens im Mit- gefiihl mit uns und sich in unsre Seele hinein ver- setzend thun; denn sowenig er die fünfte Bitte sprechen konnte: ,,vergieb uns unsre Schuld«, sowenig konnte er, der aus dem Himmel zu uns gekommen, um mit ihm selber das Himmelreich uns zu bringen, bitten: ,,dein Reich komme«, und Aehnliches läßt sich auch in Beziehung auf die übrigen Bitten behaupten. Wie dagegen Christi erstes Wort auf Golgathm ,,Vater, vergieb ihnen 2c.« die fünfte Bitte in derjenigen Form wiedergiebt, in welcher sie für sein eigenes Wesen sich schickt, so entspricht der ersten Bitte das Wort: ,,mich dürstet-«, der zweiten Bitte das Wort: ,,hente wirst du mit mir im Paradiese sein«, der dritten Bitte das Wort: ,,es ist vollbracht«, der vierten Bitte das Wort: »Weib, siehe, das ist dein Sohn 2c«, der sechsten Bitte das Wort: ,,mein Gott, mein Gott, warum 2c.« und der siebenten Bitte das Wort: »ich befehle meinen Geist in deine Hände-«. Hiernach schließen wir uns folgenden Aussprücheii an: ,,Versteht man unter dem Bösen Gran-WANT) den Teufel, so würde der Nachsatz allerdings positiv aussprechen, was der Vordersatz negativ ausspräche, und das Ganze wäre nur Eine Bitte; gerade daraus dürfte sich ein neuer Grund da- für ergeben, unter dem Bösen nicht den Teufel zu verstehen, da es am angemessensten erscheinen muß, in diesem kurzen Gebet keine Wiederholung des riämlichen 728 Gedankens zuzulassen, und solche Wiederholung wird nur vermieden, wenn wir unter dem Bösen das ganze Gebiet des Uebels und des Bösen verstehen, wodurch der Satz umfasfender wird, als der vorhergehende, und wir wirklich sieben Bitten bekommen. (Tholuck·) Wie die sechste Bitte das Verlangen aussprach, der Sünde nicht zu unterliegen, so erhebt sich nun die siebente und letzte zu der Sehnsucht nach Erlösung von der Macht des Bösen überhaupt. (de Wette.) Es ist ja gewiß der Satan ein Vater alles Bösen und alles Uebel-s» und ist der listigste Feind unsrer Seelen, gegen welchen wir wohl unsre Hände aufheben und beten dürfen: ,,erlöse uns von dem Argen, dem Bösewicht!« Er ist der Säemann und hat die Welt voll Uebel ge- säet, wie die Erde im Winter mit Schneeflocken iiber- deckt ist; von ihm ist das Uebel, und er ist selber das größte Uebel in Gottes Reich. Aber eben darum fassen wir ihn und alles, was durch ihn uns von Gott und seiner Seligkeit, von unserm vollkommenen Glücke trennt, zusammen in dem Worte Uebel, wünschen nicht allein seiner, sondern alles Jammers los zu werden und sprechen nach des HErrn umfassenderem Sinne: ,,erlöse uns von dem Uebel!« Ja, mit der siebenten Bitte fassen und werfen wir gleichsam alles in Ein Gefäß zusammen, was vor Gottes Augen häßlich und abscheulich ist, allen Unrath der Welt, welcher Gottes heilige, unschuldige Creatur zum Schauspiel des Böse- wichts von Anfang, zum Spottlied der Hölle gemacht, alle Bosheit, allen Jammer, welcher den ewigen Gottes- sohn von seinem Stuhle in diese Welt zu kommen getrieben hat; ja, alle Uebel sammt allen Aergeruissen fassen wir zusammen in der siebenten Bitte, möchten sie betend aus der Welt hinwegthun, möchten gerne haben, daß der HErr seine Welt herwiederbrächte zu der ursprünglichen Schönheit und Herrlichkeit, zur Freude seiner Himmel, dem Bösewicht aber feine Freude zu verderben. (Löhe.) Das betreffende Wort der Ursprache kann alles dreies bedeuten, sowohl die Sünde, als den Teufel, als das Uebel; da wir aber um Erlösung von der Sünde und um Bewahrung vor den Bersuchungen des Argen schon in den beiden vorigen Bitten gebetet haben, so mag man solches Gebet wider Sünde und Teufel zwar dreist mit hin- übernehmen in die siebente Bitte, aber als bisher noch nicht Genanntes, gegen das die siebente Bitte fich im Besonderen wendet, bleibt eben nur das Uebel übrig. (Quandt.) Nicht hineinführen und — herausführen, völlig heraussühren, erlösen, das sind doch zwei ver- schiedene Sachen; wir bleiben also bei dem Scheiden und zählen sieben Bitten» So bleiben wir auch bei dem in unsrer Kirche üblichen Wort ,,Uebel« und sagen nun: die Bitte ,,erlöse uns von dem Uebel« ist 1) ein gefälleter Spruch über das Leben hier, was davon zu halten sei; L) eine gethane Frage: wie steht es mit deiner Lust oder Unlust daran, Betender? Z) eine gegebene Erinnerung, welches Wegs wir heraus kommen sollen; 4) ein gesprochener Trost, wenn wir frühe Heimgänge betrauern; b) ein gesprochener Trost noch einmal, wenn wir selbst streiten müssen, bis unsere Veränderung kommt; S) ein himmlischer Klang als von den Erlöseten drüben zu uns herab; 7) ein evan- gelischer Klang von einer hienieden scho1i zu findenden Erlösung. (Cl. Harmsh Bei der siebenten Bitte hat man zu betrachten 1) das Uebel in seiner Stufen- folge, L) unsre Sehnsucht nach Erlösung in ihrer Stufenfolge, Z) Gottes Erhörung in ihrer Stufen- folge. (Ahlfeld.) Es stand in alter Zeit, so berichtet ein sinnvolles schwedisches Lied, im hohen Norden ein dichter Wald Evangelium Lucä II, 5——13. und in dem Walde ein Kloster, und in dem Kloster lebte ein Mönch frommen Gemüths und forschenden Geistes. Dieser Mönch geht an einem Frühlingsmorgen betend und sinnend hineiii in den Wald und kommt unter dem Beten und Sinnen immer weiter und weiter, nnd siehe, der Wald wird immer schöner und prächtigey längst hat er die Eichen und Tannen hinter sich, dann ist er durch Myrtenbiische gegangen, dann durch stattliche Reihen von Cedern, und endlich sieht er fich von lauter Palmen umgeben. Er will stehen bleiben, er ist wie ein Träumender, aber der von fern her klingende Gesang eines Vogels lockt ihn weiter; aus dem Wipfel einer Palme ertönt er, und zu ihren Füßen steht der Mönch still, hinanstannend nach dem Vogel mit dem prächtigen Gefieder und dem wunder- baren Sang. Und der Vogel singt so wehmiithig, als klagte er um Vergangenes und Verlorenes, aber diese Töne der Wehmuth sind nicht die Grundtöne des Ge- sanges, sondern dazwischeii hindurch klingt eine freudige, selige Melodie von einer ewigen, unvergtinglichen Herr- lichten. Der Mönch horcht entzückt; ihn umweht es wie Luft des Paradieses, und seine Augen fließen iiber von Thränen gestillter Sehnsucht. — Wir sind mitein- ander auch durch einen wundersamen Wald gegangen, durch den heil. Wald des Vaterunsersz betend und sinnend haben wir ihn durchschritten, vorüber sind die Eichen, vorüber die Myrten und Eedern, nun stehen wir am Fuße der Palme, von ihrem Wipfel schallt uns der Gesang des Paradiesesvogels entgegen, leise klingen die drei dunkeln Töne: Schuld und Versuchung und Uebel noch nach, aber sie tragen eine Melodie gar fröhlich und gar selig und unaussprechlich herrlich, ein Lied durchhancht von dem Athem aus der ewigen Stille. Das ist das Lied — Engel und Erzengel schlagen ihre Harfen und stimmen mit ein, und erlöste Sünder der Erde beten es jauchzend mit: denn dein ist das Reich nnd die Kraft und die Herrlich- keit in Ewigkeit. Amen. (Quandt.) Die Worte entsprechen vollständig denen in Röm. 11, 36: Von Gott sind alle Dinge, denn sein ist das Reich; durch Gott sind alle Dinge, denn sein ist die Kraft; zu Gott sind alle Dinge, denn sein ist die Herrlichkeit Damit werden die drei Haupteinwürfe widerlegt, welche man gewöhnlich gegen die Erhörbarkeit unsrer Gebete zu machen pflegt: Gott will uns erhören, denn sein ist das Reich; Gott kann uns erhören, denn sein ist die Kraft; Gott wird uns erhören, denn sein ist die Herilichkeit (Fr. Arndt.) Das ,,Amen« ist das Siegel unter dem lieben Vaterunser: uns er Siegel, daß wir in unserm Gebet nichts Anderes vor Gott gebracht haben, als was wirklich in uns lebt, was wir wirklich« gern haben möchten; Gottes Siegel, daß wir die Bitte haben sollen, die wir von ihm ge- beten haben. (Ahlseld.) 5. Und er [mit der Anweisung, wie feine Jünger zu beten hätten, eine Belehrung über die Gewißheit der Erhörung, welche das zuversicht- liche Gebet zu erwarten hat, verbindend] sprach zu ihnen lseine Zusicherung in ein Gleichniß hüllend]: Welcher ist unter euch, der einen Freund hat, nnd ginge zu ihm zu Mitternacht und spräche zu ihm: Lieber Freund, leihe mir drei Brode seins für den, den ich zu sättigen habe, eins für mich, daß ich ihm Gefellschaft leiste, und ein über- schüssiges dazu, der Ehre wegen, daß meine Be: Das Anhalten am Gebet und die Gewißheit der Erhörung 729 wirthung nicht gar zu kläglich sich ausnehme 1. Mut. 18, 6f.1; 6. Denn es ist mein Freund zu mir kommen von der Straße, nnd ich habe nicht, das ich ihm vorleqe sihn zu beköstigen]; 7. Und er lder angerufene Freund] darinnen würde antworten und sprechem Mache mir keine Unruhe, die Thiir ist schon zugeschlossem und meine Kindlein sind bei mir in der Kammer; ich kann nicht aufstehen und dir geben fund wurde so schlechterdings mit diesem Bescheid ihn von sich weisen]? 8. Jch sage euch, und ob er nicht aufsteht nnd giebt ihm lob er nicht aufsteht, ihm zu geben] darum, das; er sein Freund ist -[wie er denn wirklich aus diesem Grunde nicht ausstehtsz so wird er doch um seines Unverschämten Geilens snicht nachlassenden Bittens oder Bettelns] willen ausstehen und ihm geben, wieviel er bedarf. Das Anhalten am Gebet, das der HErr bei dieser Gelegenheit anpreist, muß wohl rmterschieden werden von dem ,,Beten ohne Unterlaß«, wovon Pau- lus in 1. Thess 5, 17 sprichtx das letztere ist ein fort- währendes Leben und Athmen der Seele in der Ge- meinschaft mit Gott, auch wenn sie nichts Bestimmtes zu erbitten hat, das erstere dagegen das anhaltende Bitten um dieselbe Sache, die man nicht sogleich em- pfängt, aber von der man doch erwarten darf, daß Gott sie uns zu seiner Zeit und auf seine Weise schenken werde (vgl. Kap.18,1 ff.). Die Frage: giebt’s eine eigentliche Gebetserhörungit nach einander beantwortet l) mit dem Nein des Zweifels, L) dem Ja des Glaubens, Z) dem Halleluja der Dankbarkeit. (v. Oosterzee.) Jn einem Gleichniß er- muntert uns der HErr zum anhaltenden Gebet: wenn der selbstsüchtige Mensch, der seine Nachtruhe mehr liebt als seinen Freund, sich endlich durch das an- haltende Bitten bewegen läßt, wieviel mehr wird der treueste, beste Freund im Himmel uns erhbrenl Wer mit dem Bitten, Suchen und Anklopfen jemals Ernst gemacht hat, der hat es auch erfahren, das; der HErr der Seinen Bitten hört und ihnen die Gnadenthiir aufthutz wer davon nichts erfahren hat, der hat noch nie recht gebetet. (Dieffenbacb.) Der HErr bedient sich hier eines Schlusses n« minori ad majus (vom Geringeren auf’s Grbßeren wenn sogar ein irdischer, selbstsüchtig gesinnter Freund sich durch standhaft fort- gesetztes Bitten am Ende erweichen läßt, wo doch iticht Liebe, sondern bloße Selbstsucht als Motiv wirkt, wie vielmehr wird Gott, der nicht schläft, nicht hinter verschlossenen Thüren sich befindet, nicht kleine Kinder in der Kammer zu hüten hat, und der vor allem nicht von Selbstsucht geleitet wird, sondern die Liebe ist, die Gebete der Seinen erhörenl (Ebrard.) Der Freund, der angesprochen wird, ist Gott selbst; die Brode sind die Wohlthaten, die wir bitten; der Gast ist die Noth, die uns zustößt; das Ansprechen um Brod ist das Gebet; das Vorwenden der zugeschlofsenen Thür, der Kinder, des Unvermögens aufzustehen, sind die geistlichen Anfechtungen; das unverschämte Geilen ist das Anhalten am Gebet, und das Aufstehen und Geben ist die Erhörung (Starke.) Gott stellet sich (24, 28) in der That öfters, als wolle er die Beter nicht hören. Wie der Mann hier, der unerwarteten Besuch bekam und in Brodverlegenheit gerieth, so ist über dich eine Noth gekommen, welcher du dich nicht Ver-sahest; du hättest ihr vielleicht vorbeugen können, wenn du beizeiten gebetet hättest, aber du hast es leider nicht gethan. Nun, in der äußersten Herzensangsh fängst du an zu beten; aber es ist, als antwortete dir der HEm ,,jetzt kommst du? um diese späte Stunde? Du kommst zu spät; du hättest kommen sollen, da die Thitr noch offen war, jetzt mache mir keine Unruhe!« Und wenn es Seelennoth wäre, die dich in’s Gebet trieb, wenn du um Vergebung deiner langen und schweren Schuld bätest — sollte er auch dann sich so stellen? Ja, auch dann! ,,Solange habe ich auf dich gewartet, und du bist nicht gekommen; stehe, meine Kinder sind bei mir, sie suchten zeitig Gnade, vor dir ist die Thüre«verscl)lossen.« Und wa- rum stellt er sich denn so? Um deinetwillen, aus Liebe zu dir! Du sollst an deiner Würdigkeit gänzlich verzagen, der Freundschaft Gottes dich gänzlich un- werth halten; du sollst ihm nichts vorhalten, als sein Wort nnd Verheißung alleinz du sollst hoffen mit Abrahams Glauben, da nichts zu hoffen ist (Rbm.4,18), sollst »unverschämt« im Glauben und Vertrauen sein. Dann kann er sein Antlitz nicht länger gegen dich ver- stellen (Jer. B, 12) und läßt sich von dir überwältigen mit Freuden, wie von Jakob und dem cananäischen Weibe, und giebt dir, was du bedarfst, ja mehr als du hoffest, wie dem verlorenen Sohne. Ja, es ist, wie Woltersdorf singt: Wenn er sich anders stellet, weiß man, was ihm gefälletx er wird kein Ohr ver- stopfen, man soll nur stärker klopfen. Wie Bettler stehen bleiben und unverschämt betreiben, warum sie angesprochem und an die Thüre pochen, so sollen wir es wagen, an sein Herz anzuschlagen, getrost und freudig beten, nicht von der Stelle treten. Wenn lauter Nein erscheineh ist lauter Ja gemeinetx wo der Verzug am größten, da wird die Hilf am besten. Sind wir nur erst empfänglich, da thut er überschwänglich mehr, als wir denken können, mehr als wir selbst uns gönnen· (Besser.) 9. Und ich sage euch auch [wie jener im Gleichniß V. 5 ff. zuletzt doch Gewährung seiner Bitte fand, die Erhörung bei Gott zu, indem ich euch wiederhole, was ich schon in der Berg- predigt gesagt habe Matth. 7, 7— 11]: Vittct, so mird»euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch anf- gethan. · » 10. Denn wer »du bitter, der nimmt; und wer da· suchet, der findet; und wer da anklopfeh dem wird aufgethan II. Wo bcttet icnter euch em Sohn den Vater um’s Brod, der ihm einen Stein dafiir biete? Und so er um einen Fisch bcttet, der ihm eine Schlange siir den Fisch biete. » · 12. Oder so er um em Ei bitter, der ihm einen Skorpion dafijr bietet· « 13. So denn ihr, die ihr arg seid, kbnnet euren Kindern gute Gaben geben, wieviel mehr wird der Vater tm Himmel den heiligen Geist [dieses Pfand und den Jnbegriff alles des Gu- ten, das er für seine Kinder auf Erden bereit hat] geben denen, die ihn bitten? 730 Evangelium Lucä 11, 14—18. Die Ermahnung in V. 9 enthält die Anwendung des vorstehenden» Beispiels; alle Bilder scheinen dem- selben entnommen zu sein. Für den Ausdruck ,,an- klopfen« liegt dies ja am Tage; aber auch ,,bitten« spielt auf das Rufen des Freundes in seiner Noth an, und ,,suchen« kann sich auf seine Bemühungen beziehen, die Thiir in der Nacht zu finden, oder auf seine Ber- suche, sie zu öffnen. Die Steigerung in denBildern schließt die Aufforderung in sich zu einem, bei den sich mehrenden Hindernissen noch wachsenden Eifer. Jn menschlichen Verhältnissen nun kommt es allerdings manchmal vor, daß der in V. 10 ausgesprochene Grundsatz keine Anwendung findet; aber in dem Lebenskreis, in welchen uns das im Anfang angegebene Mustergebet versetzt hat, ist der Erfolg sicher. Der Gläubige betet ja zu einem Vater, und indem er nach dem gegebenen Muster betet, ist er sicher, nur um solche Gaben zu bitten, welche ein solcher Vater seinem leinde nicht verweigern kann, um ihm andere, weniger werthvolle oder gar schädliche zu geben: so führt uns das Ende des Abschnitts auf den Ausgangspunkt zurück, die väterlicheGesinnung Gottes und den kindlichen Geist des ächteii Gebets. (Godet.) Obschon der HErr bei dem Wort: ,,ihr, die ihr arg seid«, seine Zuhörer nicht sich selbst, sondern dein reinen und heiligen Vater gegenüberstellt, so ist es doch nicht weniger wahr, das; er hier, indem er nicht »wir-«, sondern ,,ihr« sagt, ein mittelbares, aber unzweideutiges Zeugniß für seine eigene Sündlosigkeit ablegt. Indem er dann am Ende dieser Unterweisung alles, was Gott auf-das Gebet giebt, in dem einzigen ,,heiligen Geist« zusammenfaßh giebt er zugleich zu erkennen, von welchen Gebeten man unbedingte, von welchen dagegen nur bedingte Erhörung erwarten kann: das Gebet um geistliche Gaben wird immer erhört, das Verlangen nach beson- deren zeitlichen Segnungen nur dann, wenn man wirk- lich um Brod, nicht um einen Stein u. s. w. gebete hat. (v. Oosterzee.) - Erster Uatljlrag aus dersgaliliiisxljen Wirksamkeit Ilesn (Kap. 1«1, 14 z— keep. 12, 59.) I— v. 14—36. (§. 53.) Uarhdein der Evangelist mit der vorigen Geschichte den tljGrrn Jesmn bis in die unmittel- bare llähe Jerusalems gebrakht hat, bricht er — nach dem, bei den ersten c? Gvangelisteci niasigebenden Grund— sah, den Heiland nicht eher als bis zu seinem Leiden und Sterben in Jerusalem sieh einfinden zu lassen Wiaiih 16, 1 u. 19, 2 Kann) —- den Bericht von seiner Reise aufs Eaubhiittetisesl ab und erwähnt seine Wirksamkeit während dieses Festes bis einschlieszlich zum Fest der Tempelweihe Geh. 7, 11——l0, 39) mit keiner Sylbez dagegen stillt er die hierdurch entstehende Eärke mit einigen Uachträgen aus der Zeit der Wirksamkeit des heitern in Galiläa aus, und zwar bildet den ersten Nachtrag die Gesrljichte von der erneuerten Eäsierung der Pharisäer, Jesus treibe die Teufel ans durch seelzebuttz den Obersten der Teufel. tilgt. riiatih 12, 22—45; mark. Z, 20—30.) (Evangelium am Z. Sonntage in der Fasten, Ocnli.) Ueber den Namen 0culi vgl. die Einl zu Pf. 25. An diesem Sonntag wurden in der alten Kirche die Katechumenen in ein scharfes Verhör genommen und einer strengen Prüfung unterworfen (dies scrutiniix nach welcher sie, indem der Priester den Teufel ans ihnen austrieb, dem Teufel, seinem Pomp nnd seinen Werken angesichts der ganzen Gemeinde entsagten alo- minica nbrenuntiationis s. exorcismh vgl. Matth. 12, 22 Anm. 2). Während die Fastenzeih in welche der Sonntag fällt, uns den HErrn in seiner tiefsten Erniedrigung und Schmach, als den Allerverachtetsten und Unwerthesten zeigt, bekunden dagegen die Evange- lien dieser Zeit seine göttliche Herrlichkeit; diese offen- hart er zuerst in dem Siege über des Satan Ver- suchung (Matth." 4, 1fs.), dann in der Gewalt, die er liber die Geister der Finsternis; übt (Matth. 15, 21ff.) und damit als den Stärkeren sich beweist, der über den starken Gewappiieten kommt, seinen Harnisch ihm nimmt und den Raub austheilet (V. 21f.). Aber sie sind and- rerseits auch wirkliche Passions-Evangelien: das Ver- suchtwerden durch den Teufel ist für ihn ohne Zweifel ein schweres Leiden, und die ganze Passion selber ist im Grunde nur eine andere Form der Versuchung (Kap. 4, 13); sein Entweichen in die Grenzen von Tyrus und Sidon um der Feindschaft der religiösen Leiter seines Volks willen ist das Vorspiel seiner Ueber- antwortung an die Heiden; und hier nun haben wir sein Leiden vor uns, wie es mit der dreifachen Den- tung seiner Wunder ihm angethan wird. Die eine ist boshaft, sie erklärt seine Wunder für satanisch; die andere ist unentschieden, sie erklärt feine Wun- der für ungenügend; die dritte ist eine blos äußer- liche, sie geht mit Stillschweigen über seine Wunder hinweg. Wir sehen hier so recht das Widersprechen der Sünder (Hebr. 12, 3), wie es auch in Joh. 8, 46 ff. uns begegnet: 1) es kommt aus dem undankbar- steu Herzen, L) besteht in der verstocktesteii Thorheit nnd s) führt in die furchtbarste Verdammniß — Wie trägt der HErrdas Widersprechen der Sün- der? l) er straft sie sanftmüthig über ihre Thor- heit; 2) zeigt ihnen demüthig feine überlegene Kraft; Z) warnt sie ernstlich vor dem bösen Ende, 4) und weist ihnen gnädig den Weg zur Seligkeit. -(Nebe.) Wie Christus die Seelen der sllienschen sucht: I) er überführt seine Feinde ihrer Bosheit; L) er warnt die Schwankenden vor Unentschiedeuheiy Z) er leitet die Empfänglichen zum Glauben. (Sonimer.) Die Predigt des HErrn an die Unentschiedenem 1) er deckt ihnen auf, wie es eigentlich mit ihnen steht; L) zeigt ihnen, wohin es zuletzt mit ihnen hinaus muß; s) mahnt zu rechter Entschiedenheit und weist den Weg Erster Nachtrag aus der galiläischen Wirksamkeit Jesu. Die Teuselaustreibung 731 dahin. (Uhlhorn.) Was uns die Lehre vom Reich der Finsterniß bedeutet: 1) sie lehrt die Abscheu- lichkeit der Sünden, L) die Herrlichkeit der Erlösung, Z) die Nothwendigkeit der Entscheidung. (Stählin.) Wer kann im Kampfe mit der Macht der Finsternis; bestehen? 1) der nicht, der mit ihren eigenen Waffen streitet; Z) vielmehr nur der, welcher dem Feinde seine Waffen zu entreißen stark genug ist; und darum Z) nur die, die mit dem Sieger eng verbunden sind und in seiner Kraft den Kampf fortsetzen bis an’s Ende. kv.Burger.) Zwei heilsame Rathschläge für den Kampf mit dem Reich der Finsternißx 1) nimm den Kampf nicht zu leicht, du hast einen gar starken Feind; Z) nimm ihn aber auch nicht zu schwer, ·du hast einen noch stärkeren Freund. (Gerok.) 14. Und er trieb sals er noch zur Zeit seiner Wirksamkeit in Galiläa, im Monat Mai des J. 29, am Meeresgestade bei Bethsaida das Volk lehrete und sich und den ihn umgebenden Jüngern nicht einmal Zeit zum Essen gönnte, um ganz seinem Heilandsberuf zu leben Kap. s, 19 ff., unter andern Heilsverrichtungen auch] einen Teufel saus einem Besessenen] ans, der war sin Folge solcher Besessenheih gleichwie blind Matth.12, 22., so besonders auch, welches Ge- brechen am offenkundigsten bei dem Menschen zu Tage trat] stumm-«« Und es geschah, da der Teufel ausfuhn da redete der Stamme [und verkiindigte jetzt selber die ganze Tiefe seines vorherigen Leidens und die ganze Größe des jetzt erfahrenen Wunders]. Und das Volk sin all den vielen Schauen, die zur Stelle waren] ber- wnnderte sich [der ganz außerordentlichen, über- schtvänglich großen That, die mehr als die bis- herigen Wunderwerke Christi den Eindruck gött- licher Herrlichkeit machte, also daß die Rede unter den Leuten ging: dieser kann kein Andrer sein als Davids Sohn, der Messias] « i) Dem Dämon oder bösen Geiste wird hier als Eigenschaft zugeschrieben, was als Wirkung der Vesessenheit an dem Menschen zur Erscheinung kam. 15. Etliche aber unter ihnen snämrich die von Jerusalem zur Beobachtung Jesu herab- gekommenen Schriftgelehrten im Verein mit den einheimischen Pharisäern Matth.15, 1 Arm] spra- chen [dem Volk heimlich eine andere Erklärung des Wunders in die Ohren sliisternd]: Er« treibt die Teufel aus durch Beelzebuh den Ober- sten derTeUfel [anders, als durch eigene Be- sessenheit von der Teufel Oberstem, der ihm seine Macht über die niederen Teufel leiht, kann er diese nicht bewältigen — nehmt euch also vor ihm in Acht als vor Einem, der den Teufel hat und ärger ist denn ein Samariter Joh. 8, 48]. IS. Die andern aber saus dieser gegen ihn verschworenen Partei, die sich besser stellten und »zum Glauben an seine Messianität geneigt, wenn i er ihnen diese noch auf andere, iiberzeugendere Weise an den Tag legen könnte Matth 12, 38 Anm.] versuchten ihn [hernach, als das in V. 17——23 Verhandelte zu Ende und des Volkes Stitnme den Lästerern gegenüber wieder zur Geltung ge- bracht wars, und begehretett sweil die Wunder aus Erden ja doch nicht ausreichtem wenn Einer als Messias anerkannt werden solle, mit Veru- fung auf Dan. 7, 13 f. u. Joel 3, 3 s.] ein Zei- chen von ihm vom Himmel kais welches allein die rechte Erweisung der Messianität und Gottes- sohnschaft sei]. Auf den ersten Blick scheinen die beiden Aeußerun- gen nur so einfach neben einander hingestellt zu sein; aber es ist dem nicht so, die zweite ist dazu bestimmt, Jesu ein Mittel zu seiner Rechtsertigung gegen die schreckliche Befchuldigung zu geben, welche in der ersten enthalten ist: ,,wirke ein Wunder am Himmel, dem- jenigen Gebiet, das Gott ausschließlich unterthan ist, so wollen wir anerkennen, daß Er, und nicht der Sa- tan, durch dich wirkt« Dieses Verlangen geht schein- bar von einer Jesu günstigen Gesinnung aus; allein da diejenigen, welche es stellen, aus feine Ohnmacht rechnen, der Herausforderung siegreich zu entsprechen, so ist das Resultat, das nach ihrer Meinung aus dieser Probe hervorgehen soll, ein VerdammungsurtheiL von dem keine Berufung mehr stattfinden Diese letzteren sind also in Wahrheit die am übelsten Gesinnten; für Jesum aber war es wirklich eine starke Versuchung, die Herausforderung anzunehmen und durch eine glänzende Machtthat die freche Beschuldigung, die man sich nicht scheute gegen ihn zu erheben, zu Schanden zu machen. Er giebt die Antwort auf dies Begehren hernach in V. 29—36: zuerst spricht er da von dem einzigen Zei- chen dieser Art, welches dem Volke werde gegeben wer- - den; sagt dann, daß dieses Zeichen für jeden, der Augen hat zu sehen, genüge, giebt aber auch zu verstehen, daß es auf das Volk im Großen und Ganzen keine andere Wirkung haben werde, als dasselbe vollends zu ver- stocken und völlig gerichtsreif zu machen. (Godet.) 17. Er aber [um zunächst auf die Läster- rede derer in V. 15 zurückzukommen] vernahm ihre Gedanken sdie sie nicht vor seinen, son- dern nur vor des Volkes Ohren hatten kund gegeben], Und sprach zu ihnen [indem er sie aus ihrem Versteck hervorzog und in seine Nähe rief Mark. Z, 23]: Ein ieglich Reich, so es mit ihm selbst uneins wird sdaß eine Partei die andere bekämpft und vertreibt, statt daß sie unter einander zur gemeinsamen Abwehr der von außen drohenden Angriffe sich verbiinden], das Wird wüste [so daß es bald ein Ende mit ihm nimmt], und ein Haus fällt über das andere swenn in einer Stadt Zwietracht und Parteisucht ihr Spiel treiben, wie das noch einmal an Je- rusalem in fchrecklichster Weise sich bewahrheiten wird]. 18. Jst denn der Satanas auch sum den eben ausgesprochenen allgemeinen Satz nun insbesondere auf ihn anzuwenden] mit ihm selbst 732 Evangelium Lucä 11, 19——22. uneins [wie er’s ja wäre, wenn ihr mit euerm Wort V. 15 Recht hätten, wie will fein Reich bestehen? dieweil ihr saget, ich treibe die Teufel aus durch Beelzebub ldenn damit macht ihr ihn in der That zu einem solchen, der wider sich selbst wiithetz die Klugheit werdet ihr ihm aber doch zutrauen, daß er wohl wissen wird, wie es dann mit seinem Reiche gar bald vorbei fei]. 19. So aber Jch die Teufel durch Beelzebub austreibe swie ihr das dem Volke einredet, gleich als ließen meine Teufelaustrei-- bangen sich durchaus nicht anders erklären, denn durch die Annahme eines Beiftandes, den der Oberste der Teufel mir leihe], durch Wen krei- bett sle eUte Kinder« [die Leute eurer eigenen Schule, wenn sie als Exorcisten austreten] aus lwollt ihr bei denen auch sagen, sooft ihnen eine Teufelbefchwörung einmal gelingt, es sei mit Hilfe des Teufels geschehen? oder sagt ihr da nicht vielmehr, es geschehe durch Gottes Kraft]? Datum werdet! sie [die ihr selber dazu anleitet, durch Gottes Macht die des Satans zu brechen] eure Richter fein ldaß es nur ein böswilliges Vorgehen gewesen, wider besseres Wissen und Ge- wissen vorgebracht, was ihr in Beziehung auf meine Teuselsaustreibungen habt geltend gemacht]. 20. So ich aber lwie euch das eigene Ge- wissen dessen überführt] durch Gottes Finger fim Vollbesitz göttlicher Macht] die Teufel aus- treibe [denn ich thue es ohne irgend welche An: strengung und mit sofortigem Erfolg in jedem einzelnen Falle, wie das eure Kinder selbst mit Aufbietung aller ihrer Kräfte nicht vermögen] so kommt je [nach den Erwartungen, die ihr selber von dem Messias und dem Heile, das er bringen soll, heget Matth. 12, 29 Anm.] das Reich Gottes zu euch [genauer: ist bereits zu euch kommen, wenn auch ohne äußeres Gepränge, und solltet ihr vielmehr der gnaden- reichen Zeit, die ihr erlebt habt, euch freuen, statt mit Schmähung und Lästerung sie von euch zu stoßen] Wenn Jesus nicht wirklich das Dasein des Teufels und das Beseffenfeiti gewisser Menschen geglaubt hätte, würde er zur Widerlegung der Behauptungen seiner Feinde wohl so gesprochen haben? hätte er dann nicht vielmehr antworten müssen: »Ihr abergläubigen Leute, wie könnt ihr euch einbilden, daß ich durch den Ober- sten der Teufeljenen Unglücklichen geheilt habe! es giebt ja gar keinen Teufel und keinen Obersten der Teufel; weder daß der Mensch stumm war, noch daß er geheilt worden ist, rührt vom Teufel her, laßt doch diesen thörichten Aberglauben endlich einmal fahren, es ist nichts mit dem bösen Geisterreiche«l Diese Antwort im Ton und Geschmack unsrer heutigen Ungläubigen ertheilt er aber nicht, sondern vielmehr eine fchnurs stracks entgegengesetzth welche ein geistiges Reich des Bösen und einen Einfluß desselben auf die Menfchen- welt auf das Bestimmteste zur Grundlage hat. (Fr. Arndt.) Christus wendet »sich nicht, wie die Widersacher es tvohl verdienet hätten, mit Abscheu und Entriistung von ihnen ab, sondern er trägt sie in seiner unvergleichlichen Liebe, und hat seine Wunderthat keinen heilsamen Einfluß auf sie hervorgebracht, so sucht er noch durch fein Wort auf sie einzuwirken; zunächst sucht er ihnen die Unvernunft und Thorheit ihrer Aeußeruttg zum Bewußtsein zu bringen, sodann verweist er sie auf die Ungerechtigkein welche sie begehen, sofern sie die Teufelaustreibuiig An- derer als ein Gptteswerk preisen, während sie die sei- nige als ein Teufelswerk lästern, und endlich weist er sie noch auf den Segen seiner Wirksamkeit hin. (Weiß.) Man muß Nachdruck legen auf das Wort: ,,wie mag s ein (des Satan) Reich bestehen?« Wenn es abge- sehen ist auf das Reich Christi, auf den Glauben, da weicht der Satan nicht und läßt sich durch keine andere als Gottes Kraft austreiben; wenn aber eine Lüge, ein Jrrthum, eine Abgötterei und das Reich des Teu- fels soll bekräftigt werden, da stellt er sich gern, als ob er leiblicher Weise ausgetrieben werde, auf daß er siebenfach mehr in der geistlichen Befitzung befestigt werde. (Luther.)— Zwei Menfchen thun dasselbe Werk: der eine wird gelobt, der andere gelästert, je nachdem die Welt dem einen hold, dem andern aber feind ist. (H. Miiller.) Die fiindliche Eigenliebe der Menfchen ist so blind, daß sie gar oft an Andern strafen und ver- werfen, was sie an ihnen und den Jhrigen geduldet und gelobt haben wollen. (Canstein.) — O es ist ein tresslich, fchrecklich, groß Wort, daß Christus hier dem Teufel ein solch Reich zugiebt, das ohne den Geist Gottes nicht kann vermieden werden und Gottes Reich nicht kommen kann, sein Reich werde denn mit gött- lieber, himmlifcher Gewalt von uns vertrieben. (Luther.) Es besteht im Folgenden ein merkwlirdiger Contraft zwischen Christi Schilderung des Starken, der feinen Palast bewahret und nur von einem Stärkeren über- wunden werden kann, und der geringen Bedeutung, die viele rationalistische Theologen dem Lehrftiick vom Teufel beimessen. (v. Oofterzee.) « 21. lDamit ihr aber verstehet, wie es mit diesem Kommen des Reiches Gottes gemeint ist Kap. 17, 20 und wer der sei, der mit euch redet Jdh 8, 25, so merken] Wenn ein starker Ge- Wappttetet [besser: der Starke, um den es sich in dieser ganzen Angelegenheit handelte, nämlich der Teufel, abgesehen davon, daß er an sich schon zu stark ist, als daß ein Niensch ihm beikommen könnte, auch noch gewappnet, d. i. in voller Wafsenrüstung beständig auf dem Posten stehend] feinen Palast bewahret fwie er es denn wir-k- tich thut] fo bleibt das Seine lwas er zwar zuerst mit Gewalt an sich gerissen, das aber doch nun einmal sein Besitzthum geworden] mit Frie- den fdasz niemand auch nur wagt es ihm anzu- tasten]. 22. Wenn aber ein Stärlercr lbesserx der Stärkere, der seiner ganzen Natur nach stärker ist, nicht blos als jeder andere Mensch Matth 3, 11., sondern auch als jener Starke selHstJsüber ihn kommt und überwindet ihn Die Lästerung der Pharisäer und Jesn Abweisung ihres Vorwurfs 733 [so daß er nun gebunden am Boden daliegt und sich gefallen lassen muß, was weiter mit ihm geschieht], so Uitlmlt et« sder siegreiche Stärkeres ihm seinen Harnisch sdie Waffenrtiftung Ephef 6,11 Anm.], darauf er sbisherj sich verließ sdaß er damit für immer gesichert sei, alle An: grisse auf seinen Palast abzuwehrenL Und Theile! den Raub ans fiudem er ein Stück des Haus: raths nach dem andern hinwegträgt und an seine « Freunde verschenkt]. Nicht im apologetischen Tone redet der HErr hier weiter, sondern er verkündigt das herbeigekoinmene Himmelreich, und zwar thut er das nicht mehr in Gleichuissen (Mark. Z, 23), sondern mit Worten der Schrift des alten Testaments; er weist auf Jes. 49, 24 ff. hin, und dieser prophetische Abschnitt enthält denn auch die Ausdrücke, deren der HErr sich bedient, in aller Vollständigkeit. Der« Starke ist nicht irgend ein Starker, mit welchem ein gewisser Stärkerer es zu thun hat, sondern der Starke, den der Prophet im Sinne hat, der Eine mächtige Zwinghery von welchen: alle Plage und Gebundenheit, aller Druck kommt und von dessen Herrschaft das herbeigekommeiie Himmelreich die Gefangenen erlösen will. Derselbe hat sein Haus (Matth. 12, 29; Mark. Z, 27) oder seinen Palast, er ist bewaffnet und führt eine sorgsame Aufsicht über das Seine; das sind alles keine Bilder und Gleichnisse, sondern treffende Bezeichnungen wirklich vorhandene: Dinge im Reiche des Starken· Jn irgend einem Sinne kann man es einräumen, daß unter dem Hause die Welt zu verstehen sei (Kap. 4, 5f.); ist doch von dem ,,Fiirstei1 dieser Welt« die Rede und sagt doch der Apostel (1.Joh. 5, 19): »die ganze Welt liegt im Ar- gen-«. Allein nicht umsonst ist gerade von Haus und Hof oder von einer Wohnstätte die Rede, in welcher der Hausherr das Hausrecht handhabt; wir haben da- her an dasjenige Gebiet zu denken, in welchem der Starke auf augenscheinliche, in die unmittelbare Wahr- nehmung fallende Weise als der Besitzer waltet. Eben die Besessenen selbst befinden fiel) in diesem Hause und sind diejenigen Gefangenen des Zwingherrn, denen in skap 4, 18 die Loslassung verkündigt wird; sie sind sein Hausrath, sein Besitz, sein Raub. Aus dem Um- stande nun, daß er die Dämonischen aus dem Hause des Beelzebub ausfiihre und der Freiheit wiedergebe, heißt der HErr die Pharisäer den Schluß ziehen, daß das Reich Gottes herbeigekommen sei: ,,es ist zu euch gekommen« - sie sehen also kein bloßes Zeichen oder Merkmal, daß dies Reich im Kommen begriffen sei, sondern ein Zeugniß liegt ihnen vor Augen, daß dasselbe schon wirksam geworden, daß der Stärkere be- reits auf dem Plane sei. Er hat den Starken bereits gebunden, sonst wäre er ja nicht im Stande, die Güter desselben ungehindert zu nehmen, sein Haus zu entoöl- kern; mit dem ,,Sichverlrisseti auf seinen Harnisch« hat es für den Satan ein Ende, er ist nicht mehr im ruhi- gen und unbestrittenen Besitz, es steht ihm nicht mehr wohl an zu sprechen; wehe dem, der mir das Meine antaftetl Auf das ,,biiidet«, das nur Matth und Mark. haben, während Lukas das allgemeinere ,,überwindet« dafür setzt, ist vornehmlich zu achten; man muß sich nur hüten, dasselbe hier aus einen Einzelakt, oollzogen in einem bestimmten Momente, zu beziehen, der Nerv dieses Bindens ruht eben in der offenbar und wirksam gewordenen Person des Stärkeren. Weil der Starke einen Stärkereu gesunden hat, welcher dazu erschienen ist, den Kampf mit ihm aufzunehmen, weil der Letztere in seiner überwiegenden Stärke die Bürgschaft seines endlichen Sieges über den Widersacher besitzt, so ist derselbe bereits gebunden; er kann keinen Widerstand leisten, er muß sich alle Beschräiikungen gefallen, sich nehmen lassen, was er früher mit Frieden besaß — früher, wo keine gleich starke, geschweige denn über- wiegende Macht vorhanden war, die es ihm hätte strei- tig machen können. Jetzt muß er es unthätig nnd rathlos ansehen, wie ihm ein Stück seines Hansraths und Besitzes nach dem andern geraubt und zu einem Beutestück in der Hand eines fremden Besitzers wird; seine Mittel reichen gegen den Stärkeren nicht aus, diesem gegenüber sind alle Waffen seiner Vollriistung stumpf und wirkungslos. Er sieht die allmälige Ent- oölkerung seines Hauses, seiner Stadt, seines Reiches vorher, bis daß er völlig außer Besitz wird gesetzt werden, so daß der Ruf des Triumphes gilt: »Nun ist das Heil und die Kraft und das Reich und die Macht un- sers Gottes, seines Christus geworden« (Steinmeyer.l Ofsenbar denkt Jesus an die Versuchung Gab. 4, 1—13): der Triumph, den Jesus in der Wüste ersuch- ten hat, war die Grundlage des Reiches Gottes auf Erden und der Anstoß zur Zerstörung des Reithes Satans. Ein Mensch hat dem Fürsten dieser Welt ins Angesicht sagen dürfen: »du hast tiichts an mir« (Joh. 14, 30); das reicht hin— er ist der Stärkere, welcher den Starken überwunden hat. Von diesem Augenblick an ist die Beute des letzteren nicht mehr in Sicherheit, und das Plündern seines Hauses nimmt seinen Anfang. Dies ist die Erklärung der von Jesn bewirkten Heilungen von Besessenen; sein eigener sitt- licher Sieg ist der Schlüssel für diese Wunderioirkungeih durch welche diese Ungliicklichen der Macht der bösen Geister entrissen und sich selbst nnd der niensctiliclfen Gesellschaft wiedergegeben wurden. (Godet.) Da die Wirkungen der Dämonen auf die Besessenen lediglich und einfach in Störungen des Nervenlebeits und der leiblichen Organe des Seelenlebens bestanden (Matth. s, 34 u. 1. Sam. IS, 14 Anm.), so gehört unendlich wenig .Scharssinn dazu, um zu behaupten: diese Zu- stände der Dätuoiiischen sind nichts weiter als — Krankheiten! Freilich sind es Krankheiten: wenn das Gehirnleben durch den Einfluß eines Dämon bis zur Tobsucht gestört wird, so ist der Erfolg ebensogut eine Krankheit, als wenn das Gehirnleben durch eine mecbanische Verletzung der Vienningis gestört wird; wenn das Spinaldllienschenleben durch den Einfluß eines Dämon gestört wird bis zum Eintritt epileptischer Zufälle, so ist der Erfolg eben so gewiß eine Kraut: heit, als wein: dasselbe Rückenmark durch natürliche Ursachen vertrocknet und hieraus Epilepsie entsteht. Aber eben deshalb ist ja mit jener bloßen Aufzeigung der Aehnlichkeit oder Gleichheit der Shmptome oder der Folgen noch gar nichts bewiesen; die Frage bleibt ja doch immer, ob die Ursache der Krankheit eine natürliche war oder ob sie in einem dämonischen Ein- flusse lag. Und wenn man, dieser Frage gegenüber, dem Rationalismus scharf unter die Augen sieht, so hat er keinen Beweis, daß bei den Dämonischen die Ursache nicht in einer Einwirkung von Dämonen ge- legen haben könnte; man müßte denn die subjective Meinung: »wir glauben an keine gefallenen Engel, an kein Reich der Finsterniß, an keine Möglichkeit einer Einwirkung des Geisterreichs aus die Menschen, und darum können jene Krankheitserscheinungen bei den Dämonischen nicht in dämonischer Einwirkung, sondern nur in irdisch-natürlichen Ursachen ihren Grund gehabt haben«, für einen Beweis gelten lassen. — Was die 734 Evangelium Lucä 11, 23—28. Frage betrifft, ob auch heutzutage Besessenheit noch vorkomme, so ist es Thatsache, daß in unsern Irren- hänsern noch hin und wieder, und gar nicht selten, es Kranke giebt, welche sich für besessen ansehen; ob aber diese Ansicht selbst nur ein Theil des Jrrwahns sei, oder ob ihr eine Realität zu Grunde liegt, müßte erst in jedem einzelnen Falle besonders untersucht werden. Es giebt christliche, entschieden gläubige Irren- ärzte, die es versichern, ihnen sei noch kein wirklich Besessener vorgekommen; daß ein Halbirrer zur Ent- schuldigung seines Zustandes und etwaiger Ausbrüche von Zorn, Wuth, Satyriasis, in demselben Besessenheit in Iluspruch nimmt, ohne wirklich besessen zu sein, ist sehr denkbar, ebenso daß durch rein körperliche Ur- sachen fich der Wahn, besessen zu sein, als fixe Jdee ebensogut bilden kann wie andere sixe Ideen. Der einzig vollgiltige Beweis fiir wirkliche Besessenheit würde meines Erachtens darin liegen, wenn auf ein Gebot (nicht auf ein Gebet, denn durch solches könnte auch eine rein körperliche Krankheit geheilt werden, die nur der Betende irrthümlicher Weise für Besessenheit hält, der theoretische Jrrthum aber würde die Kraft des Gebets nicht aufheben), als aus einen Befehl im Namen Christi hin, daß der unsaubere Geist aus- fahren sollte, der Kranke von seinem Leiden befreit würde. (Ebrard.) 23. Wer [nuu, indem ich gerade durch meine Teufelaustreibungen mich so deutlich als den Ueberwinder des Satan und als Bringer des Himmelxcichs offenbare] nicht mit mir ist ssondern eine unentschiedene Haltung mir gegenüber zu behaupten gedenkt, statt fich mit hiugebeudem Glauben« mir anzuschließenh der ist [in dieser seiner kühlen Zurückhaltung selber schon] wider mich [und wird auch bald genug fich in offener Feindschaft gegen mich kehren, wie das an euch Pharisäern sich schon thatsächlich er- weist]; Und Wer [uachdem das Reich Gottes, wie die Propheten es zuvor Verkündigt haben, allbereits kommen ist] nicht mit mir sam- melt [wie es doch eure, als der religiösen Leiter des Volkes, Pflicht wäre, sondern fich noch zu- wartend verhält, als müßte das Reich Gottes erst noch auf ganz andere Weise in die Erscheinung treten, ehe er selber in dasselbe eingehen und Andere dazu herbeiführen könnte], d e r z e r st r e U et [uud macht die schon auf gutem Wege befindlichen Seelen irre, daß sie wieder umkehren, wie das ebenfalls an euch sich schon gezeigt hat V. 14f.]. Hieran schließt sich in Matth. 12, 31 ff. u. Mark. Z, 28 ss. das Wort von der Sünde wider den heil. Geist, welches aber Lukas in Kap.12, 10 in Verbindung mit dem Worte Christi vom Bekennen und Verleugnen seines Namens gesetzt hat; dagegen fährt er hier fort mit einem Ausspruche des HErrn, der nach Matth. 12, 38—45 hinter die Verhandlung mit denen, die ein Zeichen vom Himmel begehrten V. 29—32, gehört, er hat aber das Recht, es schon hier folgen zu lassen, sich dadurch gefichert, daß er in V. 15 f. beide, dem HErrn gegenüberstehenden Widerparten mit einander verbunden hat, wie sie denn auch wirklich einander in die Hände arbeiteten. 24. sHütet euch doch ja, daß nicht ein schwe- res Gericht deswegen über euch und über die, die ihr mir abwendig macht, komme.] Wenn der unsaubere Geist von dem Nieufcljen nasführet, so durchwandelt er dürre Stät- ten sum dorthin als in die-ihm gebührende Wohn- stätte 3. Mos. 16, 22 Anm. fich zurückzuziehens suchet Ruhe, und findet ihrer tiicht [wie es denn nun einmal das Loos der unsaubern Geister ist, nirgend Ruhe zu haben, sondern nur eine Art Ergötzung nach ihrer Weise da zu finden, wo sie Verderben anrichten köunenjz so spricht er: Jch will wieder nmkehren in mein Haus, daraus ich gegangen bin sund wo ich inich wohler fühlte, als hier in der Einsamkeit der Wüste]. 25. Und wenn er konimt, so findet» er’s mit Besemen gekehret und gcfchucücket [gleich als wäre dem Aienschem aus dem er aus- gefahren, auch nicht wohl ohne ihn, weshalb er denn auf recht einladende Weise fich zu seiner Wiederaufnahme bereitet hat]. 26. Dann gehet er lvou dieser Einladung auch zu Gunsten seiner Mitgenosfen den vollsten Gebrauch machend, noch vor der eigentlichen Ein: kehr] hin, und nimmt sieben Geister zu sich, . die ärger sind, denn er-selbst; und wenn sie [nun alle mit einander] hinein koinmen, wohnen sie da, und wird hernach mit dem- selbigen Menschen ärger, denn vorhin. »Die alte Besessenheit der Juden war die Ab- göttereiz die jetzige, zehnmal schlimmere ist der Rabbiner-Hochinuth, das pharisäische Formenweseii und die Heuchelei, von welcher das Volk bei all seinem monotheiftischen Eifer beherrscht ist.« Vgl. die Bemerk. zu Matth 12, 45. — Jst das nur den Juden gesagt? gilt es nicht jedem von des Satans Herrschaft befreiten Sünder? Wenn er das Haus seines Herzens leer stehen läßt, wenn Gottes Geist nicht Wohnung darin macht, wenn der Mensch nach einem guten Anlauf zur Bekehrung wieder nachläßt, die Mittel der Gnade zu brauchen versäumt, fich aber schmückt mit dem täuschen- den Vertrauen auf fich selber und auf das Lob der Menschen: wie leicht tritt ein Rückfall ein, wodurch das Letzte ärger wird als das Erste! Denn die Ver- antwortung ist um so schwerer, wenn so herrliche Er- fahrungen vergeblich gemacht waren; der Ruin greift um so weiter, wenn Kräfte der Gnade fruchtlos auf- gezehrt wurden. Es kann ein Fall werden zum Nimm«- aufftehen. (Riggenbach.) 27. Und es begab sich, da er solches redete, erhub ein Weib im Volk svon der Gewalt seiner Rede ergriffen und seine Größe bewundernd] die Stimme und sprach zu ihm: Selig ist der Leib, der dich getragen hat, und die Brüste, die du gesogen hast swäre ich doch diese gebenedeite Mutterjl 28. Er aber sprach: Ja swenn auch ich, Verwarnung der Widersacher und Seligpreisung der Gläubigen 735 gleich dir, soll jemand selig preisen, so sage ich vielmehr, vgl. über dies »Ja« die Bein. zu Rönt 9, 21],. selig sind, die das Wort Gottes hören nnd bewahren fMatth is, 23]. Jm schärfsten Gegensatz, zu den Pharisäern und Schriftgelehrtem welche durch die Worte und Werke des HErrn zum Widefspruch gereizt werden, wird nun eine unbefangene Stimme aus dem Volke laut, ioelche mit dem Interesse einer Mutter den Worten Jesu zugehört hat. Dies Wort voll Naivetät und Unschuld ist eine sinnige Huldigung des HErrn. Das Weib meint es gut, sagt Bengel, aber sie redet nach Weiber- art; Calvin bemerkt ebenso treffend: mit diesem Lob- spruch wollte das Weib Christi Vortrefslichkeit erheben, nicht aber an die Maria dachte sie, welche sie vielleicht niemals gesehen hatte. Die Seligpreisung des Weibes ist aber nur iiaturwüchsig, sie bedarf einer Correktut Maria ist nicht dadurch selig geworden, daß sie den HErrn getragen und gesäuget hat, sondern auch nur auf dem Wege, der uns aufgethaii ist, allein durch den Glauben: Kap. 1, 45. (Nebe.) Das Weib hat den Worten gelauscht wie eine Frau, wie nur eine Mutter lauscheii kann, die, vielleicht selbst kinderlos oder auch wohl mit ihren Kindern unglücklich, Maria still be- neidet; ihre Worte bilden einen treffenden Contrast mit denen, welcher der HErr selbst auf dem Kreuzes- wege über die Töchter Jerusalems ausspricht (Kap. 23, 28 f.). Er widerfpricht ihrer Aeußeruug nicht, sondern er berechtigt dieselbe: Freilich, selig sind 2c. — ein Wink für die Frau, fich nicht zu sehr von vorübergehenden Rührungeu hinreißen zu lassen, son- dern auch ferner zu hören; ein Lob Maricks (Kap. 2, 19. 51), die er vielleicht schon unter dem Volk ent- deckte (Kap. 8, 19 sf.), ein Uebergang wahrscheinlich zu fernerer Belehrung des Volks, die aber jetzt durch den Bericht unterbrochen wurde, daß seine Mutter und Brüder ihn riefen (Matth.12, 46f.). Die seligpreisende Frau ist das Urbild aller derjenigen, welche zu allen Zeiten die Mutter des HErrn mehr als den Sohn geehrt und der Maria-Verehrung sich schuldig gemacht haben; begünstigt der HErr diese Verehrung seiner Mutter selbst hier nicht, wo sie sich in so bescheidenen Grenzen bewegt, welch ein Urtheil wird er dann wohl fällen über das neue Dogma von Pio Nono, auf welches eine ganz neue Mariologie (Marialehre) gebaut ist! (v. Oosterzeeh · · « « Jn ihren Hauptzügen ist die Geschichte, wie sie in Matth 12, 22——50 u. Mark. Z, 20—35 vollständiger und zusammenhängender vorliegt, hiermit abgethan; an dieser Stelle, wo sie die Lücke ausfüllt, welche durch die Uebergehung des Aufenthalts Jesu iii Jerusalem zum Laubhütteik und Kirchweihfest des J. 29 in dem Laufe der Begebenheiten entstehen mußte, ist sie eine wenigstens mittelbare Andeutung dieses gruiidsätzlich nicht erwähnten Aufenthalts, insofern die Obersten der Juden hier lüstern, wie dort am Laubhüttenfest (Joh. 7, So; 8, 48), uiid der HErr im Grunde ge- nommen schon dasselbe sagt wie dort (Joh. 8, 44): ,,Jhr seid von dem Vater, dein Teufel, uiid nach eures Vaters Lust wollt ihr thun« Da nun aber in dieser kurzen, gedrängten Darstellung die Zeichensorderung der andern Klasse der Gegner Jesu gleich in die läster- liche Rede der ersten Klasse zu einem Gesainmtbilde verwebt worden, ohne sie von ihr der geschichtlichen Aufeinanderfolge gemäß zu trennen und dem wirk- lichen Thatbestande entsprechend noch besonders zu widerlegen (Matth.12, 38——42), so holt unser Evange- list im nunniehr folgenden Theile des Abschuitts dies nach, jedoch so, daß er diese Verhandlung mit den Zeichenforderern im Vergleich mit dem Bericht des Elliatthäus durch einen Abschnitt aus der Bergpredigt erweitert, während dagegen bei dem ersten Evangelisteii die Verhandlung mit denen, die Jesuin des Besessen- seins vom Teufel beschnldigt hatten, Ankläiige aic die Bergpredigt enthält. Dieses scheinbar willkürliclie Ver- fahren der Evangelisten, womit sie die Worte des HErrn bald hierhin bald dorthin gestellt haben, hat darin seinen Grund, das; Jesus gewisse Gedanken und Sprüche zu verschiedenen Zeiten und an verschiedene Zuhörerkreise gerichtet und ihnen je nach dem Zusamineik hange auch eine etwas verschiedene Bedeutung aufge- prägt hat; alle einzelnen Gelegenheiten zugleich, wo sie gesprochen find, und alle mannigfachen Beziehungen, die sie zulassen, konnte ein und derselbe Evangelist nicht aufführen, ein jeder beschränkte fich iinmer nur auf einen bestimmten Fall, wie der Plan, welchen er mit Abfassung seines Evangelium verfolgte, ihn an die Hand gab. Aber daß nun eben die Evangelistem bei aller Uebereinstimniung in der Hauptsache, doch in Ptittheilung der Reden Jesu mehrfach von einander abweichen, ist ein Beweis, daß sie keineswegs, wie Ellianche behaupten, von einander abgesihrieben, sondern ein jeder iinter derjenigen Leitung des heil. Geistes, wie sie gerade ihm zu Theil ward, gearbeitet haben. »Jeder der vier Evangelisten hat die hohe Erscheinung Jesu von einer besondern Seite aufgefaßt; Ntatthäiis hat besonders zweierlei im Auge, zuerst zn erweisen, daß Jesus der im alten Bunde verheiszene Gesalbte, der Stifter und König des Reiches Gottes sei, sodann den Begriff des Reiches Gottes zu geben, ioie er ans Jesu eigenen Reden, Gleichnisfen und Gesprächen hervorgeht; Markus schildert Jefum als den Held in göttlicher Kraft, mächtig in Thateci und Worten, der nimmer rastet, dem weder Menschen noch Dämonen, weder Natur noch Tod widerstehen können, als den, der fich bekundet hat als berufen, Herrscher der Welt zur Rechteii Gottes zu fein; Lukas sucht aus allen Quellen, die ihm zu Gebote stehen, die Züge zu- sainmen, aus denen das Bild der Persönlichkeit Jesu so anschaulich als inöglich hervorleuchten mag, um der Wißbegierde seines Theophilus zu genügen, der Den ganz kennen will, den er zu lieben angefangen. Johannes aber will nicht nur die Ueberzeugung sichern, daß Jesus der eingeborne Sohn Gottes, der verheißene Gesalbte ist, sondern auch aus dem Schatze seiner Erkenntniß und Erinnerung die Einsicht in Jesu inneres Verhältnis; zum Vater den empfänglichen Seelen mittheilen. Vtatthäus schreibt zunächst für den Jsraeliten, Markus für den Römer, Lukas für den Griechen, Johannes für den sinnigen Afiaten, der das Geheimnis; des Sohnes Gottes zu erforschen strebt; aber Jude und Römer, Abendländer und Morgenländer sollen allzumal Einer werden in Christo, jeder foll den ganzen Jesus kennen und haben, darum die vier Evan- gelisten in Einer Sammlung, daß ein Evangelist zum andern führe-« Was nun die oben bemerkten Wieder- holungen aus der Bergpredigt oder doch die Anklänge an dieselbe betrifft, so war diese ja im Gegensatz zu den Pharisäern und Schriftgelehrteti dem äußeren Anschein nach hinter deren Rücken vor den Jüngern und dem ver- fammelten Volke gehalten; der HEry indem er jetzt seinen Widersachern in der Hauptsache dasselbe in’s Angesicht sagt, befolgt selber den Grundsatz, den er gege1i die« Jiinger ausspricht (Kap. 12, 2 f.; Niatth.10, 26 f.): ,,es ist nichts heimlich, das man nicht wissen werde, und was ihr höret in das Ohr, das prediget auf den Dächern« 736 Evangelium Lucä 11, 29—37. 29. Das Volk aber drang hinzu sals die, von welchen in B. 16 die Rede war, nach der Abweisung der Andern V. 15 ein Zeichen vom Himmel forderten, weinend, er werde ein solches auch thun, und neugierig es zu fsehen wunschends Da fing er an und sagte: Dies ist eine arge Art, sie begehret ein Zeichen; und es wird ihr Bin Feicheg gegsiebem denn nur das Zeichen des rap eteii Jana . 30. Denn wie Janus sdurch das, was an ’l · .2,1 « Z’ w d iliiliiiiiilteisionalsa wiiiieischdaeY sitenscleilecilieltSahiir dem, was an ihm in einer damit verwandten Weise geschehen wird Kapz 18, 33]’ seit! diesem Geskhlecht [nur daß das Zeichen, so iiberzeugungs- kraftig es auch an sich· ist, an demselben nicht ausrichten wird, was senes des Jonas an den Niniåiltenlcätisgeristet khabts , b h H d . ’on je er a en ja ü er aupt ei en sich empfänglicher fiir Gottes Offenbarung be- wiesen, als gerade das hochbeguadigte Israel; desto schwerkres Gericht wird»aber dieses trefseii.] Die Königin· vaii Mittag wird austreten vor dein Ge- ruht mit den Leiiten dieses Geschlechts, und wird sie verdammen; denn sie kam von der Welt Ende, zu horen die Weisheit Salomonis. »Und siehe, hie ist mehr denn Salomo [1. Kon 10, i; 2. Chr. 9, I; åd2atth. 12, 42]. 32. lSolche Zeugen wider Israel werden denn auch die Niniviten sein-J Die Leute vol! Vinive werden austreten vor dem Gericht mit diesem»Geschlecht, nnd werden es verdammen; denn sie thiiteiHVuße nach der Predigt Janus. zljieidttksieheg hzenist mehr denn Janus-X« [Jon. Z, 5; a . , . 33. Nienlijaudl zhiiiidez ein Licht aii nnd setzt es an einen eimi en rt [etwa in ein abseits gelegenes Gewölbe, wo niemand hingeht], auch nicht unter einen Scheffel [wo sein Schein dann nicht wahrzunehmen wärejz sondern auf den Leuchter, aiif daß, wer hinein gehet sin das Zimmer], das Licht sehe lseines Scheines gcnieße]. 34. Das Auge ist des Leibes Licht soder das Organ, dnrch welches das Licht sich dem Leibe mittheglts ckfsesuii un; äeiii AugeseiufihltliLg ge, wie e na einer e immung ein o , e- schafseiq sein wird, ·so ist« dein ganzer Leib lichte [m»it dein ihiii nöthigen Lichte verseheii]. So aber ikiskAåiiå ikifikiiik siiiiikfåißkmmilUEULYTLTDH cl ck cl c l c entbehrt, weil er ja kein anderes Lichtwerkzeug besitztL · 35. »So schaue darauf, »daß nicht das Licht m dir ldie zu. einer Leuchte dir gegebene Vernunft und das Gewissen] Fuisternisz sei. 36. Wenn niin dein Leib sdein vollständiger Mensch] ganz lichte ist, daß er kein Stück von Finsternis) hat [so beschaffen, daß er nirgends, auch nicht in einzelnen Richtungen oder Partieem dein Eindringen des Lichtes verschlossen ist]; so wird er [iveil er ganz dem Lichte sich öffnet, auch] ganz lichte sein, und wird dich erleuchteii wie ein heller Blitz« finit feinem alle Nacht durch- brechenden Schein]. V) Jona, nachdem er deiii Reiche Jsrael die letzte Gnade Jehovcks oerkündigt hatte (2. Stdn. 14, 25), wurde uach Winde, der heidnischen Weltstadt gesandt, und während Jsrael nicht erweicht wurde durch Je- hova’s Gnade, that Ninive, in Folge der Strafpredigt Jona’s, Buße in Staub und Asche, und weiter verfiel das Reich Jsrael dem Untergang, und der Vollstrecker des Gerichts über Jsrael war Assur, der feinen Haupt- sitz in Ninioe hatte» Der Inhalt des Zeichens Joiials ist also der Uebergang der göttlichen Gnade von den Juden zu den Heiden. (Bauingarten.) Mit Beziehung hierauf paßt unser Nachtrags-Stück ganz an diese Stelle, wo der Evangelist mit seinem Reisebericht ein Vorspiel von dem Uebergang des Reiches Gottes von den Juden zu den Heiden geben will. «) Die hier entwickelten Gedanken kommen theil- weiseBmehrfach vor; der Jiihaltdvon V. 33 schon in der » ergpredigt (Matth. b, 15), anii wieder nach der Auslegung des Gleichnisses vom Säemann (Kap.8,16; Bearb 4, 21), der Inhalt· von B. 34—Z6 findet sich gleichfalls in der Bergpredigt (Matth. B, 22 f.,). Schon die vielfache Anwendvarkeit der hier ausgesprochenen Gedanken macht begreiflich, daß diese Sätze bei ver- sihiedenen Anlässen und »in verschiedener Anpassung an den Zusammenhang sich finden. Hier nun ist oon einem Lichte der Erkenntnis; die Rede, welche Der anzu- zünden gekommen ist, welcher mehr ist als Salomo und Jana; wer aber die ihm gewordene Erkenntnis; unterdrückt dadurch, daß er sie nicht leuchten läßt, der verkennt ihren Zweck cV. 33), und iver sie gewinnen will, hat darauf zu achten, daß das Organ, mit dein sie aufgenommen werden muß, gesund sei (V. 34 n. 35); in dem Maße,L als dies der Fall ist, wird auch die Wirkung des ichts auf ihn eine völlige oder eine mehr oder weniger gehinderte sein (V. 36.) Es ist klar, daß das Wort Licht oder Leuchte in oerfchieden ge- wendetem Sinne gebraucht wird; in V. 33 ist das angeziindete Licht die im Geist aufgegangene Erkennt- niß, die nicht unterdrückt, sondern gebraucht werden soll; in 34 ist das Licht gemeint, vermöge dessen der Leib siehet, der Sache nach also das Organ, durch welches sich das Licht dem Leibe mittheilt Das Auge ist dem Lichte verwandt (»sonneiihaft«, wie sich Göthe ausdrücktx dadurch fähig, das Licht aufzunehmen und dein Leibe damit zu dienen, ihn hell zu machen; somit hängt aber von der Beschaffenheit des Auges die Erhellung die Erleuchtung des ganzen Leibes ab. Der Satz in V. 35 ist so gestellt, daß er die Besorgiiiß ausdrückt, bei den Zuhörern inöchte wirklich diese Verdunkelung eingetreten, das Licht in ihnen inter- niß geworden sein. Jn V. Zödriickt der Vädeiksatz die Bedingung, der Nachsatz die Wirkung aus; wo dem Eiudringeii des Lichtes kein Hindernis; im Wege steht, da folgt, daß alles licht wird, wohin sei» Stkahk trifft; die Wortsiellung im Gruiidtext»zeigt, daß im Vordersatz der Nachdruck aiif ,,ganz«, im Nachsatz aus ,,licht« liegt, und als wichtige Lehre ergiebt sich aus Jesus, von einem Pharisäer zu Tisch geladen. diesem Satze, daß auch Stücke Finsterniß, d. h. dunkle Partien im Menschen vorhanden sein können, welche dem Zugang des Lichtes sich verschließen, Leiden- fchaften, die seinen Blick verdunkeln, geheime Liebe der Sünde, die dem Lichte ausweicht, fleischliche Vorurtheile, die eigensinnig festgehalten werden u. dgl. Das sind eben so viele Hindernisse der Erkenntnis; und trüben das Auge des Geistes, daß es nicht klar und richtig sehen kann; nur wenn diese Hemmungen vor der redlichen Hingabe an die Wahrheit schwinden und sich von ihr überwinden lassen, kann der Strahl des Lichtes mit seinem vollen Glanze eindringen und bewirken, daß der Leib, welcher vermöge der zu Grunde liegenden Ver- gleichung des Auges mit der geistigen Empfänglichkeit für den ganzen Ellienschen hier gefetzt ist, weil er ganz dem Lichte sich öffnet, auch ganz licht wird. (v. Burger.) Das Zeichen vom Himmel, welches Gott in die Welt hineinglänzen läßt, ist Christus; diese Leuchte hat Gott nicht angezündet, um sie in einen dunkeln Winkel verweisen zu lassen, er wird sie auf einen Leuchter stellen, damit sie vor Aller Augen scheine, und zwar wird er dies thun durch die Auferweckung Aber es ist mit diesem Zeichen in Beziehung zu unsrer Seele ebenso wie mit einer Lampe in Beziehung auf unsern Leib: dem draußen leuchtenden Licht muß in dem Men- schen das Organ entsprechen, wodurch dasselbe aufge- nommen werden soll und welches daher sozusagen die innere Leuchte ist. Auf den Zustand dieses Organs kommt es an, wie viel oder wie wenig Licht wir von der äußeren Leuchte empfangen und wirklich genießen. An dem Leib ist dieses Organ, welches aus dem äußeren Licht für den ganzen Leib, siir Hände, Füße u. s. w. Licht macht, das Auge; deshalb hängt alles von dem Zustand dieses Organs ab. Für die Seele ist es — Jesus sagt es nicht, er läßt es uns errathen — das Herz; dies ergiebt sich aus Matth. 6, 21 f. Der Ver- stand, der Wille, das ganze geistige Wesen wird durch das göttliche Licht erleuchtet, welches das Herz ausnimmt nnd dein ganzen Gemiith mittheilt; darum hängt alles von dem Herzenszustand ab. Wären die Juden auf- richtigen Herzens, so würden sie das ihnen vor Augen gelegte göttliche Zeugniß so leicht, ja leichter erkennen, als die Königin von Mittag und die Niniviten; aber ihr Herz ist verkehrt, dies Organ ist krank, darum strahlt das Zeichen vergeblich vor ihren Augen, und so wird es auch bleiben — das äußere Licht wird nicht Licht in ihnen. Wenn das Auge nicht licht ist, so ist ja kein Glied des Leibes licht, der Fuß, die Hand be- wegen sich nur in dicker Finfterniß; ebenso die Kräfte der Seele, wenn das Herz vom Guten abgewendet ist. Jn welchem Gegensatz dagegen steht der Zustand dessen, der sein Herz der Wahrheit, sein geistiges Auge dem Strahl der von Gott selbst angezündeten Leuchte ganz öffnet! »Wenn vermöge der Klarheit deines Auges dein ganzes Wesen von Licht durchdrungen ist, so daß nicht die geringste Spur von Finsterniß mehr in dir ist, dann wird es bei dir innerlich so stehen, wie wenn dein Leib in die Strahlen eines Lichtheerds hineingestellt ist« (Offenb. 12, 1): offenbar will Jesus sagen, von dem Inneren des vollkommen geheiligten Yienschen strahle ein Lichtglanz, welcher den äußeren Menschen verkläre, wie wenn er von außenferleuchtet wird; es ist dies die Herrlichkeit als Wirkung der Heiligkeit (Hes 47, 1 ff.). Von der Anklage und dem Verlangen der Widersacher einerseits und dem begeisterten Ausruf des Weibes andrerseits nimmt also Jesus die Ausgangspunkte zu den beiden entgegengesetzten Bildern, in welchen er uns die zunehmende, bis zu gänzlicher Finsternis; führende Verblendung und die allmälige, bis zur vollkomme- DächsePs Bibelwerb V. Band. L. Aufl. nen Verklärung führende Erleuchtung vor Augen stellt. (Godet.) Das hellste Licht geht verloren, wenn es entweder unter einen Schessel gestellt oder mit kranken Augen angesehen wird. II. V. 37—54. (§. 56.) blüht unmittelbar an die vorige Gesktsirhte von der Pharisäer und Sltniftgelehrteli Läste- rung und Jeichensorderustg schließt die hier folgende sich an, denn damals wurde Jesus vom ttleereggestade von den Seinigen nach Hause geholt; er hielt dann am kluch- mittag noch eine Seepredigt in Gleilhnissen und begab sich Tage darauf nach Nazareth. Wohl aber, als er non hier nach Jüapernaum zurückgekehrt war, befand er suh Tags darauf wieder, wie neulich, in dieser Enge, daß er am Ufer des Meeres bei tbelhsaida zu dem Volke sprach, während die von Jerusalem geliommenen Schriftgelchrteii inc Verein mit den elnheimisrtzen Schriftgelehrletc ihn lauernd beobachtet-en; auf ihre Veranstaltung tritt denn jetzt einer aus ihrer Mitte an Sesnm heran und ladet ihn zu Tische, um so unmittelbar den Zunftgetiosseti die Gelegenheit in die Hände zu spielen, daß man von der ihm Schuld gegebenen Unterlassung der in den Jlufsiitzeki der Jleltesten vorgeschriebenen rjändewasctzuligetl vor dem Essen fuh selbst til-erzeuge und ihn deshalb zur Rede sehe (itlaith. 16, 1 Blum. 2). Der Hatte, indem er das heuchletlsche Wesen in dieser iiußerlikhelt teeinhali tnng selbst der biß— und Trlnligesäßm wobei man den( Terimonialgeselz in der peinlirhsteu Weise genügt, um das Sittengeseh desto leichtßmitger iibertreten zu können, tu scharfer Rede belian1pft, geht alsbald zu einein Jlngriss auf das ganze Thau und Treiben der Pharisäer und Schriflgelehrteic über, womit er diese freiltkh in hohem Maße wider sich aufbringt nnd so, ohne an dem Mahle Theil genommen zu haben, Tisch nnd Haut; dessen, der ihn geladen, wieder verläßt. (Vgl. Jilatth 15, 1—20; Mark. 7, 1——23.) 37. Da et aber [einst, wenige Tage nach dem Vorfall in V. 14-—36, abermals vor den: Volke draußen am Yieers in der Rede time, bat ihn ein Pharisäer saus dem Kreise derer zu Ka- pernaum, von seinen Genossen und den durch den Hohenrath in Jerusalem abgesandten Schriftge- lehrten eigens zu solcher Einladung veranlaßth das; er mit ihm [in feinem Hause, wo er auch nach andere Gäste finden würde] das Mittags- mahl [genauer: das zweite Frühstück — von der Hauptmahlzeit am Abend Matth. 26, 20 Anm zu unterscheiden, doch der Tageszeit nach unserm Mittagsmahl allerdings entsprechendj Äste. Und er [Jesus, obwohl wissend, daß man’s nicht freund- schaftlich mit ihm meine, sondern nur in Absicht habe, ihn wegen feiner Nichtbeobachtutig der Auf- sätze der Aeltesten in eine Untersuchung zu ver- wickelns ging hinein, und setzte sich sohne erst irgend einen von den in jenen Aufsätzen vorge- schriebenen Gebräuchen Mark. 7, 3 f. zu befolgen] ; zu Tische [denn es kam ihm darauf an, fein Wort in Matth. 11, 30 auch im Gegensatz» zu den schweren und unerträglichen Bürden, rvelche die Schriftgelehrten und Pharisäer den Menschen auf den Hals legten V. 46, vor seinen Jüngern zu bewährens 47 738 Evangelium Lucä 11, 38—52. 38. Da das der Pharisäer [der ihn geladen hatte] sahe, verwunderte er sich ssprach er, die Sache, auf welche man es abgesehen hatte, in subtiler und höflicher Weise an den Mann brin- gend, seine Verwunderung darüber aus], das) er sich nicht sin der für die levitische Reinheit be- stimmten FormJ vor dem Essen gewaschen hatte. Gott hatte dem Volke gewisse Reinigiingeic vorge- schrieben, um bei ihm den Sinn für sittliche Reinheit zu bilden; und nun meinten die Pharisäer, indem sie die Anwendung des Ritus nach Belieben vcrvielfältigteiy dadurch der Reinigung des Herzens überhoben zu sein, die Rabbinen aber setzten das Essen mit nngewascheneii Händen aus gleiche Linie nrit der Sünde der Unzucht. 39. Der HErr aber sprach zu ihm fund den Andern, die nun mit dem beabsichtigten Vorwurf, daß er ja eine neue, die ganze Tradition der jüdischen Kirche umstoßende Schule stifte, wenn « er mit Wort und Exempel seine Jünger anleite, sich so mir nichts dir nichts über die Aufsätze der Aeltesten hinwegzusetzen, hervortraten]: Ihr Phil- risiier haltet [soweit ist es mit euerm Eifer für die Aufsätze der Aeltesten schon gekommen] die Becher und Schiisselii auswendig reinlich, aber euer Intvetldlges swas ihr drinnen habt] ist voll Riiubs und Bosheit IMatth 23, 25]. 40. Ihr Narren, meinet ihr, daß inwendig rein sei lwenn es auch durch noch so große Un- gerechtigkeit erworben wäre], wenn es unswendig rein ist sdurch die levitische Reinigung des Ge- fäßeZJY 4«1. Doch [habt ihr freilich ein Mittelchen bei der Hand, wovon ihr glaubt, euch dadurch mit den Forderungen des Sittengesetzes abfindeu zu können: ihr] gebt Almosen von dem, das da finden Bechern und Schüsseln innnen] ist; siehe, so ist? euch alles rein [von jeglicher Ungerechtig- keit, die urspriinglich daran haftet]. 42. Aber wehe euch Pharisäern, das; ihr« sin ungöttlicher Ucberschätziiiig des Gebots vom Zehnten] verzehutet die Nkiuze und Raiite iind allerlei Kohl [Kap. 18, 12], und gehet vor dem Gericht sder Uebung der Gerechtigkeit gegen den Nächsten nach der zweiten Tafel des Gesetzes] über, und vor der Liebe Gottes [nach der ersten Tafel] Dies swas zur Uebung der Gerechtigkeit gegen Andere und zur Beweisung der Liebe gegen Gott gehört] sollte man [vor allen Dingen und zuerst, als das Wichtigerej thun, und fdarnachs jeiies [ivas zwar in zweiter Linie steht, aber doch nicht zu verwerfen ist] nicht lassen [Matth. 23, 23]. 43. Wehe euch Pharisäern, das) ihr gerne oben an sitzet fwie bei Tische, so auch] in den Schulen, und wollt lals die höchsten Respectspersonen von jedermann] gegrüszet sein auf dem Markt sMatth 23, 6 f.1. 44. Wehe euch Scliristgelehrteii und Phari- säern, ihr Heuchler, das; ihr seid wie die verdeckteu Todtengräbey darüber die Leute sioeil sie oben dem ordentlichen Erdboden ganz gleich sind, ohne allen Arg] laufen, nnd kennen sie nicht sdasz unter ihrer Decke nichts ist als Todtengebeine und Unf1ath, durch dessen Berührung inan sich verun- reinigt Matth. 23, 27]. Jesus durchschaut die Absicht, als der Pharisäer mit seiner Einladung an ihn herautrittz aber weitem- fernt, sich derselben zu entziehen, nimmt er sie an —- die Widersacher sollen ihn kennen, aber freilich auf andere Weise, als sie meinen. Man setzt sich: die Herren mit gar frommen Gesichtern waschen die Hände, und warten schon und schielen begierig hinüber, was Jesus thun wird; sie freuen sich, wie er nun doch nicht wohl anders könne, als des Anftauds halber die Hände ebenfalls zu waschen. Aber das thut er nicht, ruhig setzt er sich hin; da fängt der Wirth, begierig, den ge- wonnenen Streitpunkt auszubauen, sogleich an, seine Verwunderung auszudrücken. Der HErr hatte jetzt den Pharisäern und Schriftgelehrten gegenüber eine doppelte Aufgabe: 1) die allgemeine, ihr Eifern für die Auf- sätze der Aeltesten, welche sie für wichtiger erklärten als die Schrift selber und womit sie diese nicht nur ver- dunkelten, sondern geradezu aufheben, zu bekämpfen; von Seiten dieses Kampfes, den die Gegner mit dem Vorwurf provocirt haben:«,,warum übertreten deine Jünger der Aeltesten Aussätze?« oder: ,,warum wan- deln deine Jünger nicht nach den Aufsätzen der Aeltesten?« stellen denn die beiden ersten Evangelisten (Matth. 15, 3-—9; Mark. 7, 6-—13) die Strafrede Jesu wider sie dar und begnügen sich mit ihrem ersten Theil. Es handelte sich aber auch um ein Zweites, nämlich L) um den besonderen Punkt, den sie mit dem Vorwurf zur Sprache gebracht: ,,sie (deine Jünger) waschen ihre Hände nicht, wenn sie Brod esscn«, oder: ,,sie essen das Brod niit ungewaschenen Händen«; von Seiten dieser andern Provocation kämpft nun bei Lukas der HErr wider die Pharisäer, wendet aber gleich anfangs die Sache so, daß er die pharisäische Heuchelei noch tiefer bei der Wurzel anfaßt und mit dem Waschen der. Hände das Waschen der Becher und Schiisselm in welchen Speise und Trank aufgetragen wird (Mark. 7, 4), zu- sammennimmt Wir haben also hier den zweiten Theil der Strafrede Christi vor uns, somit eine Er- gänzung zu dem Bericht der beiden andern Evangelisten Durften wir nun zu V. 28 bemerken, daß der Jnhalt des vorigen Abschnittes nahe verwandt ist mit dem Jn- halt der Rede Jesu am Laubhiittenfest in Joh. 7 u. 8, so stellt sich eine ähnliche Verwandtschaft heraus zwischen dem hier vorliegenden Abschnitt mit dem Auftreten Jesu gegen die religiösen Leiter des Volks am Kirch- weihfeste in Juki. 9 u. 10; St. Lukas hat also die Lücke, welche er in geschichtlicher Hinsicht zwischen V. 13 und Kap. 13, 1 gelassen, in der That init lauter solchem Stoff ans der Wirksamkeit Jesu in Galiläa aus«-gestillt, welcher mittelbar auf die Auslassiing hindeutet, in- dem sie die Gestalt der in dieselbe fallenden Ereignisse abspiegelt Jndem er aber bei der hier uns beschäf- tigenden Strasrede wider die Pharisäer und Schriftge- lehrten denjenigen Theil derselben wiedergiebh der eine Vorausnahnie ist der Strafrede bei der letzten Anwesen- heit Jcsu in Jerusalem (Matth. 23i, deutet er ebenfalls auf Jerusalem hin; ja, voll von dem Gedanken an Jerusalem nimmt er keinen Anstand, den HErrn schon hier in Galiläa in V. 44 u. 47—51 solche Worte reden Unterlassung des pharisäischen Händewaschens vor dem Essen. 739 zu lassen, die ihrem ganzen Jnhalt nach eigentlich nur für Jerusalem gesprochen sein können — es sind ja aber auch in den von Jerusalem nach Galiläa ent- sendeten Schriftgelelsrten wirklich diejenigen jetzt in Galilcia schon da, denen die Worte eigentlich gelten, so daß es kein Anachronismus (Zeitverstoß), sondern nur eine Anticipation (Vorausnahme) ist, wenn der Evan- gelist sie jetzt schon laut werden läßt, wobei denn wohl zu beachten, daß in V. 49 der HErr sich jetzt, in Galiläa, am Tisch des Pharisäers noch nicht in solcher persönlichen »Majestät zeigt, wie in Matth 23, 34., sondern diese vorerst noch verhüllt. Erst unter dieser Voraussetzung, daß an unsrer Stelle es sich um dieselben Gegner handelt, welche in Matth. 15, 1 u· Mark. 7, 1 ausdrücklich bezeichnet werden, nämlich um die ein- heimischen Pharisäer von Kapernaum einerseits und um die von Jerusalem gekommenen Schristgelehrten andrer- seits, verstehen wir, was im Folgenden weiter erzählt wird; die Ai1sleger wissen sich in das, was wir in V. 45 lesen, wenig zu finden. 4:). Da antwortete eiiier von deii Schrift- gelehrten [die von Jerusalem gekommen und mit bei dem Gastmahl gegenwärtig waren], und sprach zu ihm: Meister, mit den Worten swie du sie eben in V. 44 geredet] schmiihest dn Uns nneh sja, wendest dich jetzt recht eigentlich gegen den Hohenrath in Jerusalem; du magst dich also eines Bessern erklären, sonst werden wir es am gehöri- gen Orte zu suchen wissen]. Offeubar zweigt sich in diesem Sprecher unter denen, gegen welche der HErr redet, ein besonderer Theil ab, der fich dem andern Theil gegenüberstellt und sich als eine eigene, besonderer Achtung und Rücksichtnahme wiirdige Klasse bemerklich macht, die Jesus ausnehmen müsse von seinen Scheltworten und nicht mit den An- dern in Einen Haufen zusammenwerfen dürfe, wenn ihm das nicht solle theuer zu stehen kommen; was aber für ein besonderer Theil dies möge gewesen sein, darüber geben die Erklärer keine befriedigende Auskunft, denn mit der allgemeinen Bemerkung, daß hier die Aristo- kraten oder clerici sich wollten von dem gemeinen Vol! oder den laicis unterschieden wissen, ist nichts gesagt, solange man nicht angiebt, inwiefern denn wirklich ein derartiger Unterschied unter denen, mit welchen der HErr zu verhandeln hatte, vorgelegen habe. Erst dann bekommen wir einen nachweisbaren Unterschied, wenn wir uns an den in Matth 15, 1 u. Mark. 7, 1 ge- gebenen halten, zwischen den einheimischen Pharisäern einerseits, von denen einer Jesiim eingeladen und zu- erst zur Rede gesetzt hatte, und den Schriftgelehrten von Jerusalem andrerseits, die ihre Würde als Mit- glieder und Abgeordnete des Hohenrathes geltend mach- ten und, um nach unsrer Weise zu reden, Jesn wollten zu bedenken geben, daß seine Scheltworte sich ja nicht blos auf gewöhnliche Pastoren, sondern auch auf die Herrn Consistorialen bezögen, denen es ein Leichtes wäre, ihn dafür büßen zu lassen, er solle also wenig- steus in Betreff derer widerrufen, die er nicht als Seinesgleichem sondern als seine geistlichen Vorgesetzten sich gegenüber habe. Anziiglich für diese, ja eigentlich allein ans sie und ihre Collegen in Jerusalem bezüglich war das Wort in V. 44; und so haben wir hier einen recht bestimmten und eutscheidenden Beweis« dafür, daß unsre Geschichte ein und dieselbe ist mit Mattls 15 u. Mark. 7, wie schon zu Matth. 15, 1 Blum. 1 behauptet wurde. 46. Er aber sprach: Und wehe auch euch Schriftgelehrtenz denn ihr beladet smit euern vielen, das Gesetz verschärsenden Satzungen, die ihr von Jerusalem ausgehen lasset] die Hjielifchen mit unerträglichen Lasten sMatth 23, 4; Apostg 15, 1o],· nnd ihr iiihret sie nicht mit Einem Finger un sindem ihr es verstehet, der Beobach- tung euch durch inancherlei Kunstgriffe zu ents- ziehen und dabei doch den Schein euch zu geben, als ob ihr es selber übtet, was ihr von Andern fordert]. 47. Wehe euch; denn ihr bauet srings um Jerusalem her] der Propheten Gräber, eure Biiter aber haben sie getödtet sweatkls 23, 29]. 48. So bezeuget ihr zwar [d. i. fiir gewiß 1. Kein. s, 13 Anm.] und bewilliget in eurer Väter Werk; deiin sie seure Väter] tödteten sie, so bunet ihr [in Fortsetzung dessen, was dieselben gethan] ihre Gräber fund bekennet euch für deren Söhne und Erben Matth 23, 31]. 49. Darum spricht die [in mir wie in Per- son erschienene] Weisheit Gottes sdie schoii im alten Testament sich hat vernehmen lassen, vgl. 2. Chr. 24, 19; Spruches. 1, 2o—31]: Ich will Propheten und Apostel zu ihnen senden, und derselbigeii werden sie etliche tödten und verfolgen [Matth. 23, 34]; 50. Aus daß gefordert iuerde von diesem Geschlecht aller Propheten Blut, das vergosseii ist, seit der Welt Grund gelegt ist, 51. Von Abels Blut an s1. Mos 4, 8 f.] bis auf das Bliit Zachariii. der uiiikiiiii zwischen dein Altar und Tempel [2. Chr. 24, 21 f.]. Ja, ich sage euch, es wird gefordert werden von diesem Geschlecht sMatth 23, 35 H. 52. Wehe euch Schriftgelehrteii, denn ihr den Schlüssel der Erkenntnis; weggenommen, siir euch in Beschlag genommen] hubt fund nun keinen andern Lehrer neben euch dulden, mit dem Unterricht Alleinhandel treiben und dem Volke nur so viel Licht zukommen lassen wollt, als euch beliebt] Jhk konnnt nicht hinein [in das Reich Gottes, zu welchem die Erkenntnis; gleichsam die Thüre ist], und wehret denen, die hinein wollen lJes 32, 6]. Ueber das Verhältnis; dieser Rede zu der iu Beatrix. 23 vgl. Aiim. 2 zu Matth 15, 1. ——- Die Erkenntnis; Jesu Christi, des einigen Heilaudes, ist der Schlüssel des Hiinmelreiilssx diesen Schlüssel hatten die Schrift- gelehrten in der Hand, sie hätten dein Volke die Schrift sollen öffnen (Kap. 24, 32; Apostg 17, Z) und aus den Propheten erweisen, daß Jesus der Christ sei. Aber sie thaten das Gegentheih schlossen iiiit ihren Menschen- und damit das Himmelreich zu. Jn die Fußstapfen dieser Schristgelehrten sind die Priester der römischen 47sp ] lehren vor sich selber und vor ihren Hörern die Schrift i ] 740 Evangelium Lucä 11, 53 u. 54; 12, 1—4. Kirche getreten, welche dem armen Volke den Schlüssel der Erkenntnis; gestohlen haben. (Besser.) 53. Da er aber solches zu ihnen sa te, fingen an die Schriftgelehrteii nnd Pharisgcier hatt auf ihn zu dringen fihu scharf in Obacht zu nehmen], und ihm mit inancherlei Fragen den Mund zn stopfen« lnach besserer Lesart: ihn über mancherlei a"uszufragen, oder: mit mancherlei Fragen ihm zuzusetzen]; 54. Und lanerteii [hernach, als er das Haus verlassen hatte nnd draußen zum Volke redete Kap.12,1] auf ihn nnd suchten, ob sie sin dem, was er da sagen würde] etwas erjagen könnten ans seinen! Munde, das; sie eine Sache zu ihm hätten lderetwegen sie ihn obrigkeitlich be- langen könnten] Ohne Zweifel hat Jesus, als man anfing ihm mit Fragen zuzusetzen, sofort das Gastmahl verlassen und sich an dem eigentlichen Essen nicht betheiligtx wenn bedeutende Handschriften die beiden Verse in dieser Form enthalten: 53. Und als et? von da saus dem Hause des Pharisäers V. 371 herausgegallgen war, fingen an die Schriftgelehrten und Pharisäer gewaltig ihm aufzulauern und mit mancherlei Fragen ihm zuzusetzen; 54. Und legten ihm Fallen, ob sie etwas erjagen könnten aus seinem illiunde 2c., so würden die an den Anfang des 53. Verses gestellten Worte besser am Anfang des 54. Verses stehen, während jener Vers ganz richtig durch die ge- wöhnliche Lesart eingeleitet wird· »Ja großer Auf- regung war das Frühstück hiermit abgebrochen; der ganze Schwarm der Gäste sammelte sich um ihn herum, sie drangen furchtbar auf ihn ein, jeder brachte eine Frage auf, die ihn in einen Vorwurf verstricken sollte, und jedermann (als er schon hinausgegangen war, ihn noch bis vor die Thilr hinaus verfolgend) lauerte und lauschte, ob er nicht ein Wort würde fallen lassen, wo- mit sie ihn zu Schanden niacheu könnten-« Hiernach ist der, gegen die Glaubwürdigkeit unsers Berichts er- l)obene Einwand, daß der HErr mit seiner scharfen Tischrede die Forderungen des Anstandes gegen seinen Gastherrn ganz aus den Augen gesetzt haben würde, wenn er wirklich sich so sollte ausgelassen haben, ein unbegründeterz er ist von Haus aus nicht des Essens, sondern eines Zeugnisses wegen gekommen, und wenn er mit letzterem sich das erstere verscherzt hat, so wird er diesen Verlust wohl nicht weiter bedauert haben, die Einladung selber aber, in so feindseliger Absicht an ihn gebracht, war denn doch eine viel zu zweifelhaste Ehre, als daß man daraus Verbindlichkeiten für ihn herleiten könnte. Anders stellt sich allerdings die Sache, wenn mit Schleiermacher und Andern man annehmen wollte, daß diese Gespräche erst nach dem Mahle gesprochen seien; aber diese Annahme widerlegt sich selbst, wenn man die Veranlassung der Gespräche in’s Auge faßt, die ja vor dem Mahle (V. 37 u. 38) stattfand Von dem, was in leap. 12 folgt, gehört nur Weniges (etwa nur das »k)ütet euch vor dem Sauerteig der Pharisäer, welcher ist Heuchelei-·) in den unmittelbar geschichtlichen Zusammenhang mit dem so eben behandelten Abschnitt; wenn auch das ,,unterdessen«, das dem Anfangstvortc nach dem Grundtext beizufügen ist, einen gewissen Zu- sammenhang bekundet, so weist doch das ,,etliche Viel- tausend«, was alsbald sich auschlieszh auf eine etwas spätere Zeit nnd eine andere, niit der unsrigen zu einem Gesammtbilde vereinigte Geschichte hin, wie zu Yiatth 16, 1 auseinandergesetzt worden. Das 12. Kapitel. You des Gtattlietrs Eigenschaften( und Diudetniffeta I1I. o. 1—59. .(§. 60 u. irr) Jus Jesus das caaekkiayl des toharlsäerg verlassen hatte, von seinen Widersachern bis vor die Ghiir hinaus verfolgt, sah er sah dort gleich wieder von großen toolliehaiifen umringt und redete zu diesen in der weise, wie wir in Lltlatth 15, 10 f. und Mark. 7, 14—16 lesen, bei der lllactjhaiisckitiift aber hatte er noch mit den Jüngern ein Gespräch iiber das, was er vorhin den Pharisäern und Schriftgelehrteti vorgehalieig wie das ebenfalls jene beiden Eoangelifteit näher angeben Glaub. 15, 12—20; Mark. 7, .17—23«). St. Lukas hat diese llllnltätide wohl auch im Auge, indem er jetzt zu erzählen fortfährtz sofort aber verbindet sich ihm damit der toorgang ganz ähnlicher Art, wo der tjGrr wiederum es mit zeichenforderciden Widerfacherti zu thun hatte, wie in Kuh. 11, 16., und wo er wiederum sich veranlasst sah, die Seinen vor dem Sauerteige der religiösen Weiter des Volke; zu warum, und verarbeitet nun beide Geschichten um so bequemer zu einem Ganzen, als er die dazwisiheti liegenden Begebenheiten mit dem cananäifcheic Weibe, von der Heilung der Gaubflitliiliieli und oou der Spcifung der viertausend iibergangetc hat, ja, indem er auch die Hei— tuug des Blinde« bei tzethsaidaiJuliae nicht weiter be- rührt, greift er sogar noch weiter hinaus und zeigt uns Iiefum mitten in diesem Abschnitt tu der Stille bei seinen Iiiiigerly wie er sie hättet, auf den Gag seiner jliiltunft vorbereitet und die Bildung einer neuen Gemeinde sich angelegen sein läßt. Der vorliegende Abslhiiitt zerfällt hiernach in chronologischer thiiisicht in iuehtere Theile, bildet aber iu Hinsicht auf diesAbsicht, dir der Evangelist damit verfolgt, eine geschlosfcne Einheit; er ist wie eilt Abbild dehnt, was dem tijGrru bei seiner Anwesenheit in Jerusalem zum leaubhiiltew nnd Kirchweihfeft wider- fuhn »Wir haben hier — beinrrkt Gadet —- den Höhepunkt des Kauipfee zwischen Slesu nnd der Phari- säiseheu Partei in Galiläaz das Seitenftücti dazu in Judäa bilden die in Seh. 8——10 berichteteu Vorgänge« (lllgl. Many. 16, 1—12; Mark. Z, 11——21.) I. Es lief [unterdessen, während das in Kap.11, 53 f. Erzählte geschah] das Volk zu lnach der Stelle, wo Jesus sich jetzt wieder zeigte], und kamen Daselbst] etliche Vieltaufend [griech. Myriactem d. i. Zehntausende — in den Aus- gaben des neuen Testaments von 1530——40 hat Luther ,,tausend« geschrieben, wie auch die meisten jetzigen Bibelausgaben lesen, später aber die dem Grundtext entsprechendem Lesart wieder hergestellt] zusammen, also, das) sie sdic Leute, indem jeder bemüht war, sich recht nahe an ihn heran zu drängen] sich unter einander traten« Da fing er an nnd sagte zu seinen Jüngern [V. 22, jedoch so, daß auch die Nächftstehenden aus der Menge seine Worte hören nnd in ihren allgeineineren Beziehungen aus sich anwenden kounten]: Zum Jesu Reden an die Pharisäer und Schriftgelehrteiy an die Jünger und das Volk· 741 etsten soder vor allen Dingen] hütet euch vor dem Sauerteig der Pharisäer, welches ist sworunter ich meine] die Heuchelei» «) Dies »unterdessen« müssen wir nach dem Wort- laut des Grundtextes hinzufügen; während also die Schriftgelehrten und Pharisäer in der Kap. 11, 53 f. bemerkten Weise Jesu hart znsetztem sammelte draußen vor der Thiir von des Gastgebers Hause eine zahllose Volksmasse sich an, und ähnlich, wie hier bei Lukas, wendet der HErr auch in Matth. 15, 10 ff. u. Mark. 7, 14 ff. fiel) nach dem Streit mit den Widersaehern an das Volk. Wenn so der Evangelist den Zusammen- hang mit der vorigen Geschichte allerdings für den Augenblick festhält, so hebt er doch sofort diesen Zu- sammenhang selber wieder auf; denn wie schon zu Matth. 16, 1 gesagt, nöthigt der Ausdruck, daß »Mh- riaden« des Volks znsammeugeströnit seien, wenn wir ihn nicht für eine doch allzu starke Uebertreidung er- klären wollen, an einen Vorgang draußen im freien Felde zu denken und die Umgebung des Pharisäerhauses wieder zu Vergessen. Auch weist dann Vieles in der Rede 2 ff. ans eine Specialoerhaudlnng Jesu mit seinen Jüngern hin, die in etwas spätere Zeit sällt (vgl. die folgende Bemerkungl IN) Luther hat das ,,zum ersten« mit einigen Hand- schriften zu den vorhergehenden Worten: ,,er sagte zu seinen Jüngern« gezogen, worin etwa eine Hindeutung läge, wie Jesus in demselben Augenblicke, wo die Pharisäer und Schristgelehrten in blinder Wuth gegen ihn entbrannt waren, doch so ruhig und schonend sich verhielt, daß er nicht zuerst sich unmittelbar an die große Masse wendete, sondern an seine Jünger; indessen hat ja der Evangelist uns bereits noch in eine andere, wenn auch ähnliche Situation versetzt, wo Jesus draußen im Freien von vielen Tausenden umgeben ist, und wenn wir nun verbinden, wie oben im Texte nach der gewöhnlichen Lesart der Bibelansgaben geschehen ist: »Zum ersten hütet euch vor dem Sauerteig der Phari- säer«, so weist das auf die entsprechende Parallele in Niatth 16, 6 u. Mark. 8, 15 hin, wo die Wichtigkeit der Warnung ebenfalls zuvor bemerklich gemacht wird, che sie dann folgt, nämlich durch ein vorangestelltes ,,Sehet zu«. Am Schluß unseres Kapitels, in V. 54——57., begegnet uns aber noch eine bestimmtere Hin- weisnng aus dieselbe Scene, die wir in Matth. 16, 1—4 n. Mark. 8, 11——13 vor uns haben, so daß kaum ein Zweifel sein kann, ans welchen Zeitpunkt im Leben Jesu der Jnhalt unsers Kapitels zugleich Rücksicht nimmt. Vergegenwärtigen wir uns das zu Matth. 16, 1 u. 4 Ben1erkte in der Kürze noch einmal, so ge- stalten die Vorgänge in ihrem Zusammenhang sich fol- geridermaßcm Als Jesus nach dem Kampfe mit den Pharisäern und Schriftgelehrten in Kap. 11, 37-—54 seines Bleibens in Kapernaum nicht mehr hatte, des-» halb in die Gegend von Tyrus nnd Sidon entwichen, nach einer weiteren Wanderung durch den Norden nach der Ostfeite des galiläischen Meeres gekommen und von da in einem Schiffe nach der Gegend von Dalmanutha- Magadan im Südxvesten herübergefahren war (§. 57—59), fand er hier ans seinem Wege von dem ersteren Ort zu dem andern und von diesem wieder zurück zu jenem viel Anklang und Anhang; eine Folge der Begeisteruiig für ihn, welche die Herzen ergriff, war das Ansinnen jenes Piannes, der ihn zum Schiedsrickiter in seinen Erbschaftsatigelegeiiheiten machen wollte, woran denn das Gleichniß von dem Reichen, deß Feld wohl ge- tragen, und die dem entsprechende Wiederholung einiger Sätze aus der Bergpredigt sich anschloß (V. 13—31). Bald aber wußten die mit den Sadducäern und Herodis Anhängern verbundenen Pharisäer ihn aus dieser Ge- gend wieder zu verdrängen; sie traten mit der Forde- rung eines Zeichens vom Himmel hervor, welche Jesus in der V. 54 ff. angedeuteten Weise abwies, nur daß da seine Rede so gefaßt ist, wie sie in ihrer Beziehung aus das ganze Volk sich gestaltete. Er verließ die Ge- gend jetzt wieder und zog sich über den See hinüber in das Gebiet des Vierfürsten Philippus zurück, wo er die nun folgende Zeit der Stille zur Stärkung seiner Jünger und Heranbildnng einer neuen Gemeinde be- unsre; in diese Zeit fallen wohl die in V. 32—53 mitgetheilten Gespräche Auf dieser Rücksahrt über das galiläifche Meer richtete Jesus an die Jünger die War- nung vor dem Sauerteig der Pharisäer; er meint da- mit nicht uninittelbar die Heuchelei selber, wie der Wortlaut unserer deutschen Bibel sich so ansdrückt, son- dern nach dem Grundtext muß der Schluß des obigen Verses lauten: Zum ersten hütet euch vor dem Sauerteig (in den Lehren und Satzungen) der Pharisäer, welcher ist Heuchelei (ihre Lehren und Satzungen sind ihrem innersten Wesen nach nichts als Heucheleis Die Beziehung auf den Vorfall in Kap. 11, 37——54 tritt hier deutlich zu Tage, denn um diese Lehren und Satzungen hatte es sich eben bei Tische ge- handelt; in der damit verbundenen Geschichte Matth. 16, 6 ff. u. Mark. 8, 15 ff. dagegen giebt der HErr keine nähere Bestimmung, welche den Jüngern eine Handhabe für das Verständniß der gleichnißartigen Rede geboten hätte, daher sie sich dieselbe falsch deuten. Ebenso ist in V. 10 deutlich eine Rückbeziehung aus den ersten Abschnitt dieser Nachträge aus der galiläischen Wirksamkeit (Kap. 11, 14 ff.) zu erkennen. Gleichwohl läßt der Zusammenhang mit der vorigen Geschichte sich nicht ungestört festhalten; vielmehr verhandelt der HErr in V. 2—12 auf eine Weise mit den Jüngern, die nicht mit dem Jnhalt von Matth. 15, 12 ff. u. Mark. 7, 17 ff. stimmt, sondern an die Aussendung der Zwölfe in Matth.10 u. Mark. 3 erinnert. Bei der Zusammen- stellung des Lebens Jesu nach den vier Evangelisten werden wir also wohl auf die erste Partie unsers Kapitels (V. 1—12) verzichten müssen; wegen des übri- gen Jnhalts vgl. die Bem. zu Matth. 16, 12. — Z. Es ist über [so daß alles heuchlerische Wesen doch nicht den inneren schlechten Herzens: grund für immer verdecken kann] nichts verborgen, das nicht offenbar werde, nach heimlich, das man nicht wissen werde [Kap.8,17; Mark. 4, 22]. 3. Datum shütet ihr, meine Jünger, euch sorgfältig vor allem Verheimlichenz denn wisset:] was ihr im Finsternis; saget [in der Meinung, es werde verborgen bleiben], das wird man im Licht hören; was ihr redet in’s Ohr in den Kammetn lim traulichen Beisammensein bei ein- ander], das wird man auf den Dächern predigen sdaß es zu jedermanns Kenntniß kommt]. 4. Jch sage euch aber, meinen Freunden [damit ihr durch keinerlei Menschenfurcht euch ab- halten lasset, lieber gleich selber mit dem, was ihr unter einander zu besprechen habt, vor die Oeffent- lichkeit zu treten, wie ich euch in Matth.10, 26 ff. geboten hat-es: Fürchtet euch nicht vor denen, die 742 Evangelium Lucä 12, 5——21. den Leib tödten, und darnach nichts mehr thnii können. 5. Ich will euch aber zeigen, vor welchem ihr euch fiirchteii sollt: Fjirchtet euch vor dem, der, nachdem er getödtet hat, auch Macht hat zu werfeii in die Höllk Ja, ich sage e1ich, vor dem fürchtet euch lnämlich vor Gurts. « is. lHabt aber daneben auch eine recht fröh- liche Zuversicht zu diesem eurem Gott] Verkuuft nian nicht fünf [ogl. V. 521 Sperlinge um zween Pfennige [griech. Aß 2. Mos. 30, 13 Anin.]? Noch ist vor Gott derselbigeii nicht eines ver- gessen. » » 7. Auch sind die Haare ans eurem Haupt alle gezöhlet sdaß nicht Eins derselben ohne Gottes Vorwissen darf umkommen Karg. 2-1, 18]. Datum fiirchtet euch nicht; denn ihr seid besser, deiui viel Sperlinge. » 8. Jch sage euch aber: Wer mich bekennet vor deii Menschen, den wird auch des Menschen Sohn bekennen. vor den Engeln Gottes. 9. Weemich aber verleuguet vor den Wien- schen, der wird verleugnet werden vor den Engeln Gottes sMaitkx 10, 29—33].· · 10. lind wer da redet ein Wort wider des Menschen Sohn, dein es vergeben werden; wer aber löstert den heiligen Geist, dein soll es nicht vergeben werden* [Matth. 12, 31 s·]. 11. Wenn sie euch aber sbei eurer künftigen Ausrichtung des apostolischen Berufss führen wer- den·in» ihre Schulen und vor die sheidnisches Obrigkeit und vor die Gewaltigen [so daß es selbst zu einer Verantwortung vor dem Kaiser mit euch kommen ivird«i, so sorget nicht, wie oder was ihr antworten oder »was ihr sagen sollt. 12». Denn der heilige Geist wird eiich zu derselbigeu Stunde lehren, was ihr sagen solltkk [vgl. Matth 10, 19 f.]. J) Diese Ermahnung hängt mit der vorigen inso- fern zusammen, als sie dazu dient, den Spruch Christi: »wer niich verlengnet vor den Menschen, der wird ver- leugnet werden vor den Engeln Gottes« näher zu be- stimmen. Es giebt allerdings, heißt es hier, eine Ver- leugnung des Menschensohnes, welche noch vergeben werden kann; allein in der Verlästerung des Geistes stellt sich die vollendete Verlengnung Christi dar, welche im jüngsten Gericht vor den Engeln mit völliger Ver- werfung bestraft wird. (P. Lange.) H) Obschon die direkte unmittelbare Hilfe von Oben hier auf das beschränkt wird, was die Jiinger zu ihrer Verantwortung sagen sollten, soversteht es sich doch von selbst, daß diese Verantwortung zugleich ein Zcugniß, eine Verkündigung im erhabensten Sinne des Worts war und daß der ihnen schon für das Geringere verheißene Beistand ihnen für das Höhere noch viel weniger vorenthalten werden sollte. Nicht mit Unrecht wird daher diese Verheißung als einer der stärksten Griinde für das hohe Ansehen betrachtet, worin Wort und Schrift der Apostel steht. (o. Oosterzee.) Der Augspkuch ist ein Zengniß fiir die Wikkiichkeit der-Jn- spiratiom Jesus versichert, daß der Geist Gottes mit dem Geist des Menschen in solche Verbindung treten kann, daß der» letztere nur das Organ des ersteren ist. (Godet.) 13. Es sprach aber sals Jesus etwa in der ersten Hälfte des Monats Juni 29 n. Chr. das Gebiet von DalmanuthæMagadan durchzog Niatth 15, 39 u. Mark. 8, 10 und viel Volks sich zu ihm drängte V. 1] einer ans dem Volk zu ihm: Nkeistey sage meinem Bruder, daß er mit mir das Erbe theileI 14. Er aber sprach zu ihm: Nkensch, wer hat mich zum sSchiedsl Richter sden Sireiipunkt zu entscheiden] oder Erbsehichter sErbtheilungsvoll- zieher, das gefätlte lirtheil auch durchzuführen] iiber euch gesenkt« 15. lind sprach zu ihnen: Sehet zu und hütetreuch vor dem Geiz sdein thörichten Viel: und unersättlichen Mehr-habenwollen, als ihr bedürfen 1. Tiin. e, 6——10s; denn niemand lebet davon, das; er viel Gitter hatt« s5. Mos. 8, Z; Matth. 4, 4]. ’ : d) Es ist das einer von den Vieltausend in V. 1., die Jesu nachzogen, aber während dieser von himm- lischen Dingen redete, iiber irdische nachdachteiu von der Macht der Persönlichkeit des Heilandes getroffen, hatte » er bei sich selbst überlegt, ob dessen Einfluß nicht viel- leicht am besten den schwebenden Familienstreit gliicklich zu Ende führen könnte. (v. Oosterzee.) Mein Bruder, mochte er denken, giebt auf des Meisters Wort viel; so könnte ich ihn und sein Wort ja dazu brauchen, daß ich zu meinem Gelde komme. (Besser.) Aus der Ge- schichte vom verlorenen Sohn (15, 12) fcheint hervor- zugehen, daß der den jiingern Brüdern zukommende einfache Antheil der liegenden Güter (nach jüdischem bürgerlichen Recht bekam der älteste Bruder ein dop- peltes Erbtheil mit der Verpflichtung, die Mutter und unverheirathete Schweftern zu unterhalten) ihnen bis- weilen in Geld ausbezahlt wurde. Dieser Mann nun war vieileicht so ein jiingerer Sohn, welcher mit der ihm angewiesenen Summe nicht zufrieden war. (Godet.) Auch die allerengsten Bande der Blutsverwandtfchast schützen die eigenniitzigen Herzen nicht vor Zwist. (Heubner.) Ei) Der Ausdruck »Mensch« ist eine Aiirede, in der sich die Regung des Uuwillens ausspricht; der HErr weist den Antrag zurück als einen solchen, der mit sei- nem Beruf schlechthin nichts zu schaffen habe. (v. Burger.) Jesus enthält sich der Eingrisfe in äußere Verhältnisse des politischen oder bürgerliihen Lebens durchaus und beschränkt seine Thätigkeit ganz auf die innere sittliche Welt. Ein wichtiger Wink für alle zu geistlicher Wirk- samkeit Berufenel Das Eingreifen iu äußere Verhält- nisse characterisirt das sektirerische Streben, dem es nicht um die Herzen der Menschen, sondern um die Herr- schaft über sie und ihre Beutel zu thun ist. (Olshausen.) Nicht· mit Unrecht hat die Augsbnrg Consessioii in ihrem 28. Artikel dies Wort des HErrn als Beweis angeführt, daß nian die zwei Regimente, das geistliche und weltliche, nicht solle in einander mengen und wer- fen. (v. Oosterzee.) set) Christus konnte und mochte sich nicht in zeit- · Warnung vor dem Geiz. Gleichniß vom reichen Kornbauer 743 liche und weltliche Händel verwickeln lassen; allein auch in diesem Falle blieb er nicht müßig, er beleuchtete den Streit mit dem Lichte des religiösen Geistes, um ihn gründlich zu schlichten. Jn jedem Falle war die Hab: sucht dabei im Spiele, daß diese beiden Brüder um das Erbe haderten, wenn auch der Klagende wirklich der Beeiuträchtigtc sein mochte; darum sprach Jesus: «sehet zu und hiitet euch vor. dem Geiz, denn nicht darin, daß jemand Ueberfluß hat, findet er sein Leben — aus seinen! Güter-Vorrath geht es nicht hervor« Dieses Wort ist ein unendlich tiefer und scharfer Gedanke: es gehört zum Begriffe des Ueberflufses, daß er überflüssig ist, sowie es zum Begriff des inenschlichen Lebens ge- hört, daß es gelebt wird; was also der Menfch tiicht gebraucht, das braucht er nicht, ja, das kann ihn leicht hemmen, hindern, erdriicken, am rneisten kann ihm die Sorge um dasselbe verderblich werden. Nie kann der Vorrath Leben verschaffen; stets aber wird das Leben den Vorrath finden, den es bedarf, weil das Leben höher ist ·als sein Vorrath, sein Nahrungsstoff. (P. Lange) Was die deutsche Bibel mit Recht kurzweg populär ausdrückt: ,,nien1and lebet davon, daß er viele Gitter hat«, ist für den ersten Sinn unmittelbar ein- leuchtend,- obwohl der Grundtext etwas anders lautet: nicht im Ueberfluß jemandes besteht fein Leben von seinen Gütern (feinem Vorhaudenen). Der HErr geht zuvor vom ganz Offenbaren, daß man ge- wiß nicht vom Ueberfluß lebt, aus, um dann ver- stärkend auch das Leben von irgend Vorhandenem zu leugnen, und schlingt in diesem Uebergang des Ge- dankens die zwei Sätze in Einen zusammen: auch nicht einmal von seinen Gütern überhaupt lebt ein Meusch. Zuerst betone man das Viel, um sogleich eingeftehen zu müssen, daß es doch der Ueberfluß nicht thut, daß man ja doch nicht ganze Scheunen voll essen kann. Dann merke man: überhaupt nicht eigentlich aus dem, was man hat, sei es nun wenig oder viel, kommt das Leben: du lebst darum nicht einen Tag länger, daß du noch für einen Tag Brod hast, sondern du mußt leben bleiben, um dein Brod essen zu können. Endlich aber: Gott allein giebt und erhält das L eben in jedem Sinne, wie schon im niederen für den Leib, so vollends das rechte Leben der Seele — Ruhe, guten Muth und Genüge für ihr innerstes Bedürsniß, hier und dort. (Stier.) Man kann die Worte des Grund- textes genau so übersetzen: Nicht darum, daß Einer Ueberfluß hat, kommt ihm sein Leben aus fei- ner Habe. Daß in der Regel und ordentlicher Weise der Mensch von dem lebt oder aus dem seinen Unter- halt zieht, was er hat, wird vorausgesetzt; aber es ist ein Jrrthum, daraus den Schluß zu ziehen, je mehr er habe, desto gesicherter sei ihm sein Leben, denn nicht am Ueberflufse liegt es, daß er von seiner Habe lebt, sondern — dies ist der nicht ausgesprochene Gegensatz, den das folgende Gleichuifz ausdrückt — an Gottes Wohlgefallen, der ihm die Habe zum Leben dienen läßt, so lange und so weit er will. Weil also nicht die Habe an sich, sondern der gnädige Wille Gottes es ist, der uns durch sie das Leben fristet, so giebt auch die Vermehrung der Habe keine größere Sicherheit des Lebens. (v. Burgen) So siehe nun zu, ob du geizig bist; es ist nicht leicl)t zu sehen. Frage dich z. B., worüber du dich mehr betrübst, über einen zeitlichen Verlust oder über einen Sündenfall? worüber du dich mehr freust, über einen zeitlichen Vortheil oder über einen geistlichen Sieg? Jn dem folgenden Gleich- uiß stellt uns der HErr des Geizigen vergebliche, un- ruhige Arbeit und seine betrügliche, kurze Ruhe vor Augen. (Besser.) 16. Und er sagte ihnen [den Leuten, die ihm nachsolgten V. 131 ein Gleichnißl [vgl. Sir. 11, 17——19], und spracht Es war ein reicher Mensch, des) Feld hatte wohl getragen sgenauerx war im Begriff wohl zu tragen]. 17. Und er gedachte bei ihm -selbst fals er im Geiste die reiche Ernte schon Vor fich sah, die ihm dies Jahr zu Theil werden sollte] , Und sprach: Was soll ich thun? Ich habe nicht, da ich meine Früchte hiusamiule lwenn sie nun reif gewordenL 18. Und sprach [indem Ja für den Sinn, mit welchem Er die Frage gethan, die Antwort bald zu finden wars: Das will ich thun; ich will meine Scheiinen abbrechen und größere bauen, und will darein fanuueln alles, was mir gewachsen ist, und [überhaupt] meine Güter» sum sie da alle beisammen zu haben], 19. Und will sagen zu meiner Seele: Liebe Seele, du haft einen großen Vorrath auf viele Jahre; habe nun Ruhe, iß, trink und habe guten Mut «« · 20. Aber· Gott sprach zu ihm: Du Narr, diese Nacht wird man sdenn bei einem, der Den nicht kennt und nach Dem nichts fragt, der da spricht: ,,kommt wieder, Menschenkinder«, kann ich nur so allgemein mich ausdrückem nur auf ein dunkles, unbestimmtes Schicksal deuten] deine Seele von da« fordern; und wes; w1rd’s fein, das du bereitcst hast«« lHiob. 27, 16 ff.]. 2l. Also gehet es sin solcher seelengefährlichen und nichts als Unheil bringcnden Lage befindet sich], wer ihm Schätze sammelt, nnd 1ft nicht reich m Gott-H- [1.Ti1t1.6, 17—19; Pf. 49, 17-—-21; Weish 5, 6 ff.]. V) Einige der Gleichnifse Christi sind kaum Gleich« nisse zu nennen, so sehr stellen sie schon an fiel) selber und ohne Umschweis die Beziehung zu Gott im Beispiel dar: so diese Schilderung des Mannes, der Scheunen bant ohne den Blick ans Gott, oder jene Barmherzig- keit des Samariters, der mit seinem in Liebe thätigen Glauben ohne Wortbekenntniß die Rechtgläubigkeit des Priesters und des Leviten beschämt; so auch die Gegen- eiuanderstellung des Pharisäer-Z, der selber sein Danken für geistliche Segnungen durch ein Lob Gottes, bei dem er vielmehr fich selber· lobt, zu nichte macht, wo- gegen der Zöllner in seiner Zerknirfchung wirklich betet und wirklich gerechtsertigt wird. (Riggenbach.) " VI) Der Mann war zuvor schon reich gewesen und hatte alles genug: nun bekommt er noch eine reiche Ernte von seinem Felde und damit übergenug; war er schon zuvor glücklich und satt, so wird er nun mehr als glücklich und iiberfatt. Schon zuvor hatte er über dem zeitlichen Gute die edle Seele vergessen und war irdisch gesinnt worden: was wird nun aus ihm werden? — Gott hat mit allen Menschen ein und dieselbe Absicht, nämlich sie selig zu machen; nnd zur Erreichung dieser Absicht hat er zwar für alle Menschen nur Ein Mittel, nämlich seine Gnade in Wort und Sacrament, aber er gebraucht doch auch mancherlei 744 Evangelium Lucä 12, 22-—31. Hilfsmittel, wenn man diejenigen Dinge, welche in Verbindung mit dem Worte auf die Seele einen züch- tigenden Und erziehenden Einfluß haben können, mit dem herrlichen Namen »Hilfsmittel des Heils« schmücken darf. Diese Hilfsmittel kann man in zwei große Klassen theilen, deren einer man die Inschrift: ,,Glück«, der andern die Inschrift: ,,Unglück« geben kann. Dem Einen giebt der HErr Glück, dem Andern Ungliick, je nachdem sein allwisseudes Auge dieses oder jenes einer Seele für zuträglicher erkennt. Dem reichen Manne hatte er Glück gegeben; und da er vom Schauen ins Gliick blind wurde für das Licht des ewigen Lebens, überschüttete er ihn vollends mit Glück -— die Absicht war, die Seele mit Erdenglück zu ermüden, durch die schwere Last des Glückes aufzuwecken und nach Dingen fragen zu machen, welche nicht, wie Erdenglück, das Herz belasten, sondern -ohne Sünde fröhlich und ohne Uebersättigung und Hochmuth reich machen könn- ten. Ob nun der reiche Mann Gottes Absicht merkte und ihm sein Herz öffnete oder nicht, das lernen wir aus dem, was der Text weiter von ihm sagt. ist«-«) Der reiche Mann kam durch seine reiche Ernte in Sorgen und in eine Art von Mangel —— aus dem Mangel wuchsen die Sorgen. Die Menge des Guts brachte nämlich Mangel des Raums, so daß er nicht wußte, wie er es unterbringen sollte. Das vergißt der Arme und Elende in seinen Sorgen so oft, daß die Armuth und das Elend nicht allein der Boden für das Unkraut der Sorgen sind, sondern daß auch» ein reichgediingter Acker sein Sorgenunkraut bringt; nicht haben oder haben, es ist beides Qual dem Geiste, der seine Fülle und Genüge nicht aus der Höhe bekommt. Wie sucht oft ein junger Mann aus der Armuth sich emporzuschwingem wieviel Kummer, Sorge, Schweiß hat er! Er meint, wenn er es bis zu einem gewissen Punkte gebracht haben werde, werde seine Qual auf- hören, es müßten doch auch ruhige, stille Tage kommen. Und ist ihm nun sein Wunsch erfüllt, hat er, was er wollte, hat er genug und mehr, so hat er doch wieder keine Ruhe bei Tag und Nacht; das Gut plagt ihn, und es geht ihm wie dem Reichen in unserm Text, vor lauter Schauen in und vor lauter Sorgen für das Jrdische verliert er alles zusammen —— ,,heiligen Muth, guten Rath und gerechte Werke«, und das Brüten über seinem Erdensegen bringt ihm nichts als irdische Ge- danken. Der Reiche sagt zu sich: »das will ich thun, ich will meine Scheuern abbrechen und größere bauen«- Nun ja, das war in der Ordnung; wenn die bisherigen Schatzkammern die Fülle nicht mehr fassen, mußzman größere bauen. Der Anfang der Entfchlüsse geht an, und man könnte den reichen Ernter rechtfertigen; aber wie weiter? »Ich will darein sammeln alles, was mir gewachsen ist, und meine Güter«: das ließe fiel) auch noch vertheidigen, obgleich es Einem ist, als rieche man schon aufgeblasenen, aufgedunsenen Hochmuth, als sähe man den Reichen schon mit seiner selbstzufriedenen Miene hinter den Wagen hergehen, welche in die neuen Scheuern einziehen. Aber nun erst kommen die schlim- meren Dinge: was ist denn nun weiter, wenn die Schätzes in den neuen Speichern find? wird nun der reiche Mann anfangen, in Gottes Namen hauszuhalten für die Armen? Nein, daran denkt er nicht; er hat ein Zwiegespräch mit seiner armen Seele, aus welchem man ganz sieht, daß er alles sein Gut nur im Sinne der schmutzigsten Selbstsucht zu gebrauchen vorhat. Er will nicht wuchern, nicht mehr gewinnen, nicht einmal auf jder bisherigen Bahn vorwärtsstreben — ach nein, er hat genug, er legt seine Schätze zusammen, wie der Hund in der Fabel die Knochen, und legt sich felber davor und darauf, und denkt an gar nichts Anderes, als daß er nun Vorrath auf viele Jahre habe, ruhen, essen, trinken und guten Muth haben könne. Was kümmert er sich um Andere? mögen die selbst zusehen: Er hat nun genug und seines Lebens Zweck ist erfüllt! Und wenn er nur nun die Fülleiund Ruhe und den guten Muth angewendet hätte, um sich jetzt auch mit geistigen und ewigen Dingen zu befassen; aber das ist auch nicht zu erwarten. Er hält den zeitlichen Reich- thum für Seelenspeise, und was sagt er? ,,Jch will sagen zu meiner Seele: liebe Seele, du hast einen großen Vorrath auf visele Jahre u. s. w.« Die Seele soll also den Vorrath haben, sie soll davon Ruhe haben und guten Muth, sie soll davon essen und trinken! So wirft der Mensch seine edle Seele weg, so gering schätzt er sie und so hoch schätzt er die Erdengüter, daß er glaubt, man habe alles, wenn man sie habe, und einem Reichen, der solche Ernten gehabt, fehle gar nichts mehr. f) Und wenn die Seele vom Leibe gefordert werden soll, wie dann? wenn nun die Seele die irdischen Güter verlassen soll und weiter nichts hat? wenn sie vom zeitlichen Gut mit dem Leibe gegessen und getrunken und gute Tage gehabt hat, was fängt sie an, zweun ihr der Leib genommen wird, durch welchen und in welchem sie die jammervolle Einbildung nähren konnte, als lebte sie vom Zeitlichen? Der Leib verwest und wird zu Staub, und bedarf dann nichts mehr; die Seele aber kann außer dem Leibe wallen und leben, bedarf, um zu leben, des Leibes nicht. Wie wird sie nun enttäuscht werden, wenn sie aus dem Leibe gehen muß, wenn ihr das Zeitliche entschwindet und keinen Genuß, auch nicht zum Scheine mehr gewährt, wenn sie nackt, unbefriedigt, bettelarm, ohne Kenntniß der ihr bestimmten Gaben und Speisen, hungernd, darbend zu Dem gehen muß, der sie in unserm Text mit dem grauenvollen Namen: »du Narr« anspricht! wenn sie sich selbst anreden muß: »ich Thor, ich habe des rechten Wegs verfehlt!« wenn von einem Einlenkeru Umkehren, Anderswerden gar keine Rede mehr ist! Und diese schreckliche Aenderung kann doch einer solcheu Narren- Seele alle Tage kommen; und bei Eingang einer jeden Nacht kann es heißen: »diese Nacht wird man dich fordern-«. H) Es wurde schon erinnert, daß das Größerbauen der Scheunen und das Sammeln und Aufspeichern der Früchte an und für sich nicht getadelt wird, da ja Gottes Güter nicht verschwendet werden sollen, sondern werth sind, mit heiliger Achtsamkeit und Sparsamkeit verwendet zu werden. Darum heißt es auch nicht: ,,also gehet es, wer ihm Schätze sammelt-«; sondern es heißt: ,,also gehet es, wer ihm Schätze sammelt und ist nicht reich in Gott«. Der ist mit Sammlung, Besitz und Gebrauch der Schätze ein Sünder, welcher nicht reich ist in Gott; Reich-sein in Gott, das muß dem Reich-sein in Erdengütern vorangehen, sonst ist es jedenfalls gefehlt. Dem Reich-sein in Gott geht aber wieder das Sein in Gott voran; du mußt deshalb vor allen Dingen trachten, daß du in Gott seiest, sonst kannst du nicht reich. sein in Gott und nicht zum rechten, seligen Gebrauch irdischer Güter kommen. (Löhe.) Reich sein, unter seinem eigenen Dache wohnen, von seinem eigenen Felde leben, einen großen Ertrag von seinem Gewerbe haben, einen Vorrath auf viele Jahre sammeln und daraus gestützt mit beruhigter Seele in die Zukunft blicken, das erscheint Vielen als ein be- neidenswerthes Loos und wird als ein Zustand des Gliickes gepriesen, dessen Erlangung die heißesten Wünsche zu erwecken, die augestrengtesten Bemühungen hervor- Warnung vor den Sorgen der Nahrung und Kleidung. 745 zurufen berechtigt scheint. Aber — reich sein und nicht fromm sein, das ist kein Glück; dieser Welt Güter haben, aber der Segnungen des Reiches Gottes entbehren, in feine Scheunen sammeln, einen großen Vorrath auf viele Jahre anlegen, nnd darauf hin seine Seele zur Ruhe verweifen und ihr Muth zusprechen — dieser be- klommenen Seele, die mit gefragt hat: »was soll ich thun?« als der reiche Mann, deß Feld wohl getragen, bei ihm selbst gedachte an alles, was ihm gewachsen war, und nicht wußte, was er mit seinen Gütern be- ginnen sollte —, das ist kein Zustand, den wir zu prei- sen vermöchten. Uns ist vielmehr bange um ein solches Menschenleben, welches dahingeht unter den Sorgen, Reichthum und Wollust dieses Leben; denn niemand lebt davon, daß er viele Güter hat. Wir trauern, daß nur das Ackerfeld wohlgetragen hat, aber nichts ge- wachsen ist, was zu dem Erntesegen als eine Frucht des Geistes käme; denn was hülfe es dem Menschen, so er die ganze Welt gewönne, und nähme doch Schas den an seiner Seele? Ach, die Seele, die gebunden ist von den Stricken der Weltliebe und gefangen genom- men in den Dienst des vergänglichen Wesens, die eitle Seele ist unglückselig hier und dort: was sie bedarf, das kennt sie nicht; was sie sucht, gewinnt sie nicht; was sie gewinnt, behält sie nicht; was sie hat, das braucht sie nicht. Freude, Friede, Liebe, Leben, Selig- keit, das ist um Gold und Silber nicht zu kaufen; und wer diese höchsten und bleibenden Güter nicht gewinnt, der ist in der Fülle seiner Schätze ein armer Mensch und darbt im Uebersluß seines Reichthums. Ja, wer die Frage: »was soll ich thun?« in seinen Gedanken erträgt, und weiß doch nichts Anderes als Scheunen abbrechen und Scheunen bauen, und hat seiner Seele nichts zu zeigen als das gesammelte Gut, und hat ihr nichts zu sagen als: ,,iß und trinkt« —- der ist ein Gegenstand unseres Vedauerns und unsrer Für-bitte; wir möchten nicht mit ihm theilen! (Moll.) 22. Er sprach aber zu seinen Jüngern* fals nach der Wanderung durch das Gebiet von Dul- manutha-Magadan Matth. 15, 39——16, 4; Mark. 8, 10——22 er fiel) mit ihnen östlich hinüber jen- seit des galiläischen Meeres begeben hatte und nun dort dem stillen Aufenthalt bei Bethsaida- Julias zuschritt]: Datum lweil dem, der sich Schätze sammelt und ist nicht reich inj·»Gott, es also gehet, wie jenem Thoren, von welchem ich vorhin dem Volke erzählt habe] sage ich euch swie ich schon vor 3f4 Jahren in der Berg: predigt euch hierzu ermahnt habe Nkatth 6, 25 —33]: Sorget nicht für euer Leben, was ihr essen sollt; auch nicht für euren Leib,,was ihr anthnu sollt. . 23. Das Leben ist mehr,«.;. denn die Speise, und der Leib mehr, denn die Kleidung. 24. Nehmet wahr der Raben fHiob 38, 41; Pf. 147, 9]; sie säen nicht, sie ernten auch nicht, sie haben auch keinen Keller nach Scheune, nnd Gott uähret sie doch. Wie viel aber seid ihr besser, denn die Vögel? z««»,»25. Welcher ist unter euch, ob er schon da- rum sorget, der da könnte eine Elle lang seiner Größe zusehen? [vgl. die Dem. zu Matth. S, 27.] 26. So ihr denn das Geringste nicht ver- miiget, warum sorget ihr für das Andere? 27. Nehmet wahr der Lilien auf dem Felde, wie sie wachsen; sie« arbeiten nicht, so spinnen sie nicht. Ich sage euch aber, das; auch Salomo in aller seiner Herrlichkeit nicht ist bekleidet gewesen, als deren eines. 28. So denn das Gras, das heute auf dem Felde stehet und morgen in den Ofen geworfen- wird, Gott also kleidet, wie vielmehr wird er euch kleiden, ihr Kleingliitcbigeict 29. Datum auch ihr lgleichwie die Vögel unter dem Himmel und die Lilien auf dem Felde], fraget nicht darnach, was ihr essen oder was ihr trinken sollt; und fahret nicht hoch her« fdaß ihr euch zu großen Anspriichen an das irdische Leben versteigen wolltet]. 30. Nach solchem allen fwas das Erdenleben und feine Gitter betrifft] trachten die Heiden in der Welt; aber encr Vater weis; wohl, daß ihr des; bediirfet 31. Doch trachtet nach dem Reich Gottes, so wird euch das alles fwas ihr wirklich für die zeitliche Welt bediirfetJ zufalleu.««" s) Die Worte ,,zu seinen Jüngern« sind der Schlüssel zu dieser Rede; nur zu den Gläubigen kann Jesus so reden. Nicht nur auf den Besitz des Ueberflüssig en darf der Gläubige nicht zielen, auch wegen des Noth- wendigen darf er sich nicht beküminerm als Knechte Gottes dürfen Jesu Jünger auf die freundliche Filt- sorge ihres himmlischen HErrn rechnen. (Godet.) Man werfe nur den heimlichen Gedanken, daß doch der HErr in stets neu-origineller Rede seine Meister-Ehre mehr als der Jiinger Beste-s gesucht haben inüsse, als einen unwürdigen hinweg und öffne sich dafür dem andern, wie genau er selbst seine tiefbedachten Reden im Ge- dächtniß behielt, so wird man sich leicht darein finden, daß Jesus auch längere Redeabschnitte mehr als einmal gesprochen, gleichwie er das mit sprüchivörtlichen und bildlichen Sinnsprüchen gethan. (Stier.) M) Vorzugsweife scheint hier der hohe Flug der Phantasie gemeint zu sein, da man sich eingebildete Be- dürfnisse schafft und aus diesem Grunde doppelt unzu- frieden mit der Wirklichkeit ist, gerade darum aber sich um so leichter zu unglänbiger Sorge verleiten läßt. Je bescheidener die Wünsche, desto leichter giebt sich das Herz zufrieden. bist) Soll ich denn mich"täglich kränken, ängstlich an das Künftge denken? soll ich denn niemals mit Rnh Nachts die Augen schließen zu? Soll es immer vor mir stehen: wie wird’s einst noch mir ergehen? da doch durch mein Sorgen nicht das Geringst wird aus- gerichtä Gott, der mich bisher erhalten, höret noch nicht auf zu walten: oder sollt er jetzt alleiu seines Waltens müde sein? Wohl, ich will das Sorgen lassen und zu ihm Vertrauen fassen; wie er mich auch führen will, meine Seele bleibet still. Wie’s auch in der Welt Inir gehet, er ist’s, der allein verstehet, was mir heilsam ist und gut, oder was mir Schaden thut. Las; ich ihn für mich nur wählen, wird kein wahres Gut mir fehlen; aber eigner Will und Rath wählt oft einen falschen Pfad. Alles sei Gott heimgcgcbem Freud und Trübsal, 746 Evangelium Lucä 12, 32-—40. Tod und Leben; es geschehe, was sein Rath über mich beschlossen hat. Jch will mich nicht länger kränken, sondern dies allein bedenken, daß nach Gottes Gnaden- fchluß Christen alles frommen muß. (Nach Spener.) 32. [Weiterhin, in der Zeit seines Aufent- halts in Bethsaida, da er die Jiinger auf ihre Zukunft vorbereitete, sprach der HErr zu ihnenxj Ftirchte dich nicht, du kleine Heerde svon wegen deiner kleinen Zahl und deiner kleinen Kraft, als mußtest du in dieser Welt, in die du hineingestellt bist und von der du gehassetjwirst Joh.17, 11 u.14., zu Grunde gehensz denn es ist eures Vaters Wohlgefallen, euch das Reich zu geben* [Kap. 22, 29z Ephcf 1 4-—6]. Verkanfeh was ihr habt, und gebet svon den: damit gemachten Erlös] Almosen. Muchet euch Silckel [d. i. Beutel 10, 4J, die, uicht ver- alten, einen Schatz, der nimmer abnim1nt im Himmel; da kein Dieb zukommt, und den keine Niotteii fressen [Kap. 16, g; 18, 22z 1· Tun. S, 19; Spr. 19, 17]. 34. Denn wo euer Schatz ist, da wird auch euer Herz sein» [9Jteatth. e, 19——21]. it) Das »du kleine Heerde« ist wohl eine absichtliche Gegenüberstellung des kleinen Jüngerkreises gegen die Myriaden des Volks in V. 1, zugleich ein Wort des guten Hirten Joh. 10. (v. Oosterzeeh Jn dem Be- griff ,,Heerde« aber liegt hier nicht nur die Andeutung des Verhältnisses Jefu als des Hirten, sondern, woraus das ,,klein« führt, auch des Verhältnisses der Jüuger zur Welt; der Ausdruck erinnert an das Verhältuiß von Schafen und Wölfen (vgl. V. 4 mit Matth 10, 16), und nun zum Trost in den Leiden und Ver- folgungen der Welt verheißt der Erlöser ihnen vom Vater das Reich. (Olshausen.) Der HErr will seine Getreuen in der Spannung mit seinen mächtigen Fein- den, die ihnen so gefährlich werden kann, stärken; sie werden es nun bald finden, daß sie eine kleine Heerde find, obgleich sie vor Kurzem noch von Tausenden um- geben waren, die ihren Meister in oberflächlicher Stim- mung bewunderten (P. Lange.) Nicht das ganze Volk, welches Israel heißt, empfängt das Reich, sondern das für jetzt in ihm bedrängte Häuflein; dem will der Vater das Reich geben. (Stier.) Sie sollen nach dem Reiche trachten (V. 31), und sie werden darein eingehen trotz alles Widerftandes der großen Welt, die voller Wölfe ist, trotz ihrer kleinen Zahl und kleinen Kraft; denn der Vater hat nach dem Wohlgefallen seiner Gnade das Reich ihnen gegeben, und niemand mag sie aus des Vaters Hand reißen: Joh. 10, 29. (Besser.) Jn der Anwendung paßt die Bezeichnuug »kleine Heerde« gar wohl zu allen Zeiten auf das Häuflein der gläubigen Jünger Christi im Gegensatz zu der sie umgebenden und umdrängenden Welt. (v. Burgen) di) Sie dürfen sich jetzt nicht mehr durch das zeit- liche Gut aufhalten lassen, wie früher der in die Erb- streitigkeit verwickelte Verehrer Jesu (V. 13); vielmehr sollen sie den Ueberfluß, der sie belastet, veräußert: und in Milde vertheilem denn für sie geht eine neue Zeit anifj(vgl. Kap. 22, 35 f.). Jn diesem Sinne spricht Christus weiter: ,,Machet euch Vorrathstaschem die nicht ver-alten, und erwerbt euch für dieselben einen un- f verlierbaren Schatz im Himmel, dem kein Dieb sich naht, den keine Motte verdirbt.« So streift die Rela- tion der Ermahnung Jesu wieder an die Tradition der Bergpredigt an und fällt in der Bemerkung: ,,wo euer Schatz ist, da wird auch euer Herz fein« mit ihr zu- sammen. (P. Lange) Das Brechen mit dem irdischen Eigenthum wird hier empfohlen als das Mittel, sich persönlich von einem Bande loszumachem welches den Jünger gehindert hätte, Jesum überall hin zu begleiten, aus seinem Munde die Lehren vom Reich zu vernehmen und sich zu seinem Dienste auszubilden; sodann als eine aus der Liebe, die das ewige Wesen des Reichs ist, hervorgehende Bereitwilligkeit zum Geben. Bei einer solchen Vorschrift nun ist nur der Grundgedanke bleibend; die Form, in welcher Jesus sie aufstellte, war das Ergebnis; der augenblicklichen Gestalt des Reiches Gottes, die Art ihrer Erfüllung ist wandelbau Es giebt Zeiten, wo man, um sich von sich selbst loszu- machen und die christliche Liebe zu üben, alles hergeben muß; andre, wo man, um sich wahrhaft frei zu tuacheu und um so besser geben zu können, behalten und gut haushalten muß. Als Paulus die christliche Pflicht so ausdrückte (1. Cor. 7, 29 ff.): ,,besitzen, als besäßen wir nicht«, hatte er offenbar nur noch die von Jesu em- pfohlene Gesinnung des Losseins und der Liebe im Auge, nicht die vorübergehende Form, in welche seine Bor- schrift sich eingekleidet hatte. Jn den Ausdrückeu des HErrn liegt so zu sagen eine begeisterte Verachtung der irdischen Schätzq in welchen der natürliche Mensch sein Glück zu finden meint: »schafft euch das vom Halse, wechselt es gegen hinnnlische Schätze um; das wird euch Gewinn bringen«. Das heißt: reich sein in Gott (V. 21). Jede aus Liebe gegebene Gabe be- gründet bei Gott, der die Liebe ist, ein im Himmel zahlbares Guthaben; die Liebe liebt den Liebenden und wird es ihm zu beweisen wissen. Durch diese Haud- lungsweise wird der Schatz des Gläubigen von der Erde in den Himmel ver-pflanzt; nun ist ein psychis- logisches Gesetz, daß das Herz dem Schatz nachfolgt: ist also einmal euer Schatz hinaufgehoben und in Gott versetzt, so wird euer Herz sich fortwährend zu Gott hinwendeit (Godet.) 35. Lasset sihr meine Jünger, die ich euch zu Dienern in meinem Hause bestellt habe] eure Lenden umgiirtet sein [Jer. I, 17; 1. Petri 1, 131 und eure Lichter brennen sMatth 25, 1 ff.]; 36. Und seid gleich den Menschen, die auf ihren Herrn warten, wenn er ausbrechen wird von der Hochzeih auf daß, wenn er kommt und an- klopft, sie ihm bald aufthunI 37. Selig sind die Knechte, die der Herr, so er kommt, machend findet. Wahrlich, ich sage euch, er wird fdamit sie nun auch ihrerseits ein Hochzeitmahl genießen] sich aufschiirzen und wird sie zu Tische setzen, und nor ihnen gehen san jeden einzelnen unter ihnen herantretends und ihnen dienen« ldaß es hier zu etwas kommt, was sonst in irdischen Verhältnissen nicht geschiehts 38. Und so er kommt in der andern Wache, und in der dritten Wache, und toird’s also finden: selig sind diese Knechtcsspk « it) Das Bild ist deutlich: der Herr ist auswärts zu Gaste zu einem Hochzeitmahly und seine Diener haben Fiirchte dick) nicht, du kleine Heerde! Lasset eure Lenden umgürtet fein! 7- seine Rückkunft zu erwarten; wie diese sich in solchem Falle zu verhalten haben, daran sollen die Jiinger sich ein Vorbild nehmen. Der Herr kommt nicht zur Hoch- zeit, es ist überhaupt zunächst nicht von seiner Hoch- zeit die Rede, sondern nur von einem aus Anlaß einer Hochzeitfeier stattfiudenden Gastgebote, welchem der Herr beigewohnt; er kommt von der Hochzeit, nämlich der- ienigen, von der ihn die Knechte zu erwarten haben. Das Giirten der Lenden oder Aufs chiirzen ist nöthig, damit der Dieneude nicht durch das herabwallende lange Oberkleid in seinen Bewegungen gehemmt werde (Jer. 13, 11 Anm.); brennend sollen die Lichter sein, damit sie nicht erst angezündet werden müssen, wenn er kommt und anklopft. (v. Burger.) M) Ganz eigenthiimlich ist die Beschreibung des Lohnes der treuen Knechte: der Herr kehrt nämlich das Verhältnis; um, er wird der Diener, sie werden die Herren. Das gewöhnliche Verfahren, daß der Herr den Knecht, wenn er von treuer Arbeit heimkehrt, erst noch zu seinem persönlichen Dienst verwendet und dann erst selber speisen heißt, ohne ihm zu danken für seine Ar- beit, weil er nur that, was er zu thun schuldig war, schildert Lukas in Kap. 17, 7-10 ebenfalls in einer Stelle, die unserm Evangelisten eigenthiimlich ist. Der Contraft der vorliegenden Stelle mit jener wird dadurch erklärlich, daß an letzterer die Absicht besteht, die de- müthige, anspruchslose Geistesstellung wahrhaft treuer Diener des HErrn hervorzuheben, die da sprechen: »wir sind unniitze Knechte«; unsere Stelle hebt dagegen das gnadenreiche, selbsterniedrigende Wesen des Men- schensohns hervor, der seine Knechte nicht nur sich gleich stellt, sondern ihnen sich unterordnet. Während also dort der Ausdruck der Gerechtigkeit über das Verhält- niß der Knechte zum Herrn gegeben ist, spricht hier die Gnade; die Form aber, unter der diese Gnade hier dargestellt wird, ist entlehnt von der Verheißung jenes »Abendtnahls des Lamms« (Ossb. 19, 9), das an der letzten Mahlzeit Jesu, bei welcher er sein Nachtmahl einsetzte, fein Vorbild hat — bei dieser Mahlzeit ver- fuhr der Erlöfer ganz nach dem hier Verheißeiieii (Joh. is, 4 f.), er handelte als Diener und betrachtete seine Jünger als die Herren. Was hier geschah, war ein äußeres Bild dessen, was der HErr einst am Ende der Tage seinen treuen Knechten thun wird. (Olshausen.) Eis) Ofsenbar will der HErr andeuten, daß wirklich zwei Mal Gelegenheit sein wird, wo beim Kommen von der Hochzeit er in seinem Hause es also bestellt findet. Die Ausleger, ganz außer Acht lassend, daß nicht: ,,oder« sondern: »und« hier stehet, fassen die Worte in der Regel so, als ob damit dasselbe gesagt sein soll, wie in Mark. 13, 35., wo alle 4 Nachtzeiten aufgezählt sind und ganz deutlich die Ungewißheit hervorgehoben wird, ob der Herr des Hauses zu dieser oder jener sich einstellt; es ist aber hier ebensowenig »die andere Wache und die dritte Wache« in die All- gemeinheit aller vier Wachen aufzulösen, wie in Matth. «« 8, 11 das ,,vom Morgen und vom Abend« nicht mit den vier Himmelsrichtungen (Luk. 13, 29) zu vertau- schen ist, sondern die Evangelisten haben mit den ver- schiedenen Ausdrücken auch immer eine andere Wenduiig des Gedankens zum Ausdruck gebracht (vgl.Kap.17, 6). Wir können nun mit Hilfe des richtigen Verständ- nisses der Stelle: Offenb. 20, 4—6., wo diejenigen an- gegeben werden, die an der ersten Auferstehung Theil haben sollen, auch unser Gleichniß hier richtig verstehen; es find einestheils die Apostel und die Märtyrer der apostolischen Zeit, anderntheils die Blutzeiigeiy die unter der Herrschaft des Antichrist umkommen. Mit seiner Rückkehr zum Vater ist Christus gleichsam zum Hochzeitmahl gegangen, zu dem er selber geladen w und hat die Herrlichkeit und Seligkeit in Besitz geno wen, die ihm fiir seine Arbeit hier auf Erden qebiilj cPhil. L, 8 ff.); er kommt aber, noch ehe seine le Zukunft stattfinden um nach gehaltenem Gericht ü Lebendige und Todte den Seinen das Freudemnahl « ewigen Lebens anzurichteiy im Verlause der Kirchen schichte selber in sein Hans hienieden, um da es mer zu lassen, daß er der HErr sei: es giebt ein Komu des Heilandes in dem Gericht über Jerusalem und der Zerstörung des Tempels, zu dem haben die Apostel wachend und auf ihren HErrn wartend erfinden zu lass« es giebt aber auch ein Kommen des Verklärten Mensch sohnes zum Gericht iiber den Antictfrist und fein R· (Ossb. 19, 11 sf.), da sind alle diejenigen die wachsan und wartenden Diener, die nicht anbeten das Thi noch sein Bild, und nicht nehmen sein Maalzeicheu ihre Stirn und auf ihre Hand, und darüber ihr Lel opfern müssen (Qfsb.·13,·14 ff; 14, 12 f.).« Jei ist die andere, dies die dritte Wache, das äNahl at das der HErr diesen seinen Dienern als eine »bes- dere Ehrenmahlzeit« (zu unterscheiden von dem groß allgemeinen Mahl der ewigen Seligkeit, wie auch Met anerkennt) bereiten wird, ist die erste Auferstehung1 allen ihren seligen Folgen (Ossb. W, 6). Jn V. hatte Jesus seine jetzige so kleine Schaar der gros Masse des Verstockten Jsrael gegeniibergestelltz er w aber wohl, daß noch einmal, am Ende der Zeiten, g« Jsrael selig werden soll (Röm. 11, W) und daß dem wiederbegnadigten und bewährten Volke (Ossb. 1—6) eine Zeit der Herrlichkeit zu bringen hat (O 20, 1 sf.), die das Vorspiel ist der ewigen Herrlich (Ossb. 21, 1 ff.). Auf diese Zeit will er denn Jiinger vertrösten, die er nach·seiuer Aufsahrt sen? wird wie Schafe mitten unter die Wölfe, aber a diejenigen, welchen es dereinst beschieden sein wird, allerschwerste Trübsal durchzumachen (Matth. 24, 21 Bei dieser Auffassung wird uns auch alles Folge« verständlich werden. Was St. Matthäus (24, 37——.- in hinter einander fortlanfender Rede giebt, hat ( Lukas auf zwei Stellen vertheilt: Matth 24, R— findet sich bei unserm Evangelistett in Kap. 17, 26— mit Hinzunahme von Matth. 24, 17 u. 10, 39; « gegen Matth 24, 43—-51 findet sich an der vorlieg den Stelle. Diese Vertheilung auf zwei Stellen ein bedeutsamer Fingerzeig zur rechten Auslegung. 39. Das sollt ihr aber fin Betreff der ständigen Wachsamkeih wozu ich bei dieser Gelegi heit in euch meine ganze Gemeinde der Zuku verpflichtes wissen, wenn» ein Hausherr wüßte, welcher Stunde der Dieb käme, so machte lfur diese Standes und lief-e nicht m sein Ha brechen les bleibt ihm da nichts übrig zur Abwe als daß er für die ganze Dauer der Nacht c seiner Hut ist; und klug ist derjenige Haushe der also sich verhält]. 40. Darum seid ihr auch swie ein fold kluger Haushery der nicht um das Seine komn will, fiir jede Stunde der Nacht, welche die gar Zeit von meiner Himmelfahrt bis zu meiner Wiedi kunft umfaßt] bereit; denn des Menschen So wird kommen zu der Stunde, da ihrs nicht meu fund so die Weise eines Diebes einhalten, i diejenigen beraubt, die nicht aus ihn sich ges( 748 Evangelium Lucä 12, 41—53. gehalten haben, vgl. die zu Matth. 24, 44 ange- führten Stellen]. Schon zur apostolischen Zeit stand die Gemeinde zu Jerusalem in Gefahr, die Zukunft des Menschensohnes, von der in Matth. 26, 64 die Rede ist, nicht zu mer- ken und und so ihres Heils verlustig zu gehen; sie wäre nach den Verhältnissen, die seit Jakobus« II. Lllrärtyrertode im J. 62 sich für sie entwickelteiy wahr- scheinlich wieder in’s Judenthum zurückgesunken und dann in das Gericht des verstockten Jsrael verwickelt worden, hätte nicht die Epistel an.,die Hebräer noch zu rechter Zeit die Augen ihr geöffnet und ihr so zur Be- reitfchaft auf den Tag des HErrn verhelfen, um dem Gericht zu entgehen. Jn eine ähnliche versuchliche Lage wird die evangelische stirche mehr und mehr zu dieser unsrer Zeit hiueingerathen; die Zustände haben bereits angefangen in einer Weise sich zu enttoickeln, daß nicht wenige Gläubige nach Rom hinüberblicken, als wäre das der Fels des Heils, an welchem die aufgeregten Wogen des Weltmeeres sich brechen müssen, und der Uebertritte werden wahrscheinlich um so mehrere wer- den, je mehr unsere Kirche zu dem Weinberge werden wird, dem sein Zaun zerbrochen ist, daß ihn zerreifzet alles, was vorüber gehet (Ps. 80, 13). Wider solche Gefahr kann aufrichtige Seelen der folgende Abschnitt schützen; merkwürdig, das; derselbe Petrus, dessen Rom sich so sehr riihmt, diese weitere Rede des HErrn her- beigeführt hat, die so sehr wider Rom zeugt, wie schon Vitringa darauf hingewiesen hat! Wir lassen die Ve- zugnahme auf den römischen Clerikalismus, dem in der evangelischen Kirche die Thrannei des antichristlichen Zeitgeistes zur Seite steht (vgl. Anm zu Matth. 24, 51), hier fallen; dem Evangelisten scheinen vielmehr die schlechten Hirten Jsraels, wider die Jesus in Joh. 10 zeugt, vorgefchwebt zu haben, als er dies Stück zur Ausfüllung der oben schon besprochenen Lücke hier ein- fügte. Von hier aus fällt denn auch das rechte Licht auf den Ausdruck «zerscheitern« in V. 46: die Ver- wirklichung zeigt sich in dem furchtbaren Schicksale Jerusalems und des von seinen Obersten bethörten jüdischen Volkes. 41. Petrus aber [auf das, was Jesus in V. 37 den Jüngern in sAussicht gestellt hatte, Bezug nehmend] sprach zu ihm [vgl. Matth. 19, 27]: »Wer, sagst du dies Gleichuiß svon den Knechten, die der Herr bei seiner Ankunft wachend findet und diesjser nun zum Lohn dafür zu Tische, setzt und bei der Mahlzeit bedient] zu Uns [den Zwölfen allein, die wir ja hier bei dir allein sind], oder auch zu allen [die je an deinen Namen gläubig werden, so daß es sich dabei nicht um einen besonderen Vorzug deiner Auserwählten, fon- dern um eine allgemeine, auch allen Andern zu: gängliche Ehrenstellung in deinem Reiche handelt]? 42. Der HErr aber lvon dieser Sache die Aufmerksamkeit der Jünger ablenkend und sie da- gegen auf die Hauptsache, auf den Beruf seiner Diener für die Gemeinde· und die in solche1n Be- ruf zu beweisende Treue und Klugheit hinrichtends sprach: Wie ein grofz Ding ist’s um einen treuen und klugen Haushalter ff. die Drum. zu Matth. 24, 47], welchen der Herr setzet über sein » Gesinde, daß er ihnen zu rechter Zeit ihre Ge- büht [die von ihm festgesetzte Tages- oder Morgen: Partien] gebe! 43. Selig ist der Knecht, welchen sein sauf einmal und ganz unerwartet ins Haus eintretender] Herr findet also thun, wenn er kommt. 44. Wahrlich, ich sage euch, er wird ihn lzum Haushalter] iiber alle seine Güter setzen. 45. So aber derselbige Kuecht sfalls er nicht ein treuer und kluger Haushalter, sondern ein böser Knecht ist Matth. 24, 481 in seinem Herzen sagen wird: Mein Herr verzeucht zu kommen; und fiihet an zu schlagen Kuechte und Llliiigde lim Haufe, um seine vermeintliche Qberherrlich- keit zu zeigen und sie feine Macht fühlen zu lasfen], auch zu essen und zu trinken smit ruder- lichen Genossen, die er auf seine Seite gebracht hat Matth. 24, 49], und sich voll zu sausen, 46. So wird desselben Knechts Herr kommen an dem Tage, da er sich’s nicht versiehet, und zu der Stunde, die er nicht weis; svielmehr noch für sehr fern gehalten hat]; Und wird ihn zer- scheiter1c swörtlicly zersägenh und wird ihm senken Lohn geben mit den Unglätsbigeir sdie der Hölle zugesprochen werden Mark· 16, 16]. Die Frage des Petrus ist für ihn charakteristisch; er hat ein immer wieder sich geltend machendes Be—- wußtsein des Vorzugs, welcher ihm und den andern Aposteln als den erstberufenen Jüngern zukommt. (v. Burgen) Ueber die herrliche, großartige Verheißung überrascht, ist Petrus im Zweifel, ob eiu solcher Lohn allen Angehörigen des Messias bestimmt sei, ober ob sie nicht vielmehr auf diejenigen zu beschränken sei, welche in seinem Reiche eine Stellung als Beamte haben incr- den. Jesus thut, als ob er in seiner Rede fortfahre, ohne die Frage des Petrus zu berücksichtigeiu in der That aber giebt er seiner Mahnung eine solche Wen- dung, daß fiel) daraus eine bestimmte Antwort auf die Frage ergiebt: Alle werden für ihre Treue belohnt, aber herrlicher als alle Andern diejenigen, welche wäh- rend der Abwesenheit des Herrn zur Aufsicht über ihre Brüder gesetzt find, wie dagegen auch der, welcher in dieser hoher! Stellung seine Pflicht versäumt und ver- letzt, viel strenger bestraft werden wird, als die niedriger gestellten Diener. Die Haushalter im Alterthurn waren zwar Sklaven, aber Diener mit höhereni Range, das Gesinde ist die Dienerschaft im Allgemeinen; der Ausdruck entspricht dem »allen« in der Frage des Petrus, wie die Person des Hanshalters seinem »aus« (Godet.) Die Treue ist die erste Eigenschaft der Haus- halter (1. Cor. 4, 2), die Klugheit, daß sie lehrhaftig (1. Tini. 3, 2), zum Himmelreich gelehrt (Matth. 13, 52) seien und recht theilen das Isort der Wahrlieit (2. Tim. L, 15), ihre zweite; vermöge der Treue geben sie den ihnen anvertrauten Seelen ihre Gebiihr, d. l). nicht eigne Weisheit, sondern das lautere Wort Gottes, auf Ldaß sie St. Pauli Zeugniß haben: »ich habe euch nichts verhalten, das ich euch nicht verkiindizst hätte alle den Rath Gottes« (Apostg. 20, 27), vermöge der Klug- heit geben sie jeder einzelnen Seele ihre Gebiihr zu rechter Zeit, d. h. jeder nach ihrer besonderen Noth- durft, auf daß sie rechte Seelsorget seien nnd auch das Wie ein groß Ding it’s um einen treuen und klugen Haushalter! 749 andere Zeugniß Pauli haben: »ich bin jedermann allerlei geworden, auf daß ich allenthalben je etliche selig mache« (1. Cor. 9, 22). Nicht daß sie Haushalter sind, sondern daß sie treue und kluge Haushalter sind, bringt ihnen die Seligkeit ein. Was der HErr sagt: ,,er wird ihn über alle seine Güter setzen«, fängt schon hier auf Erden an: je treuer ein Haushalter ist, desto mehr wird ihm vertrauet, desto mehr Thüren thut der HErr seiner Arbeit auf; im Himmel aber wird er ihn über Güter setzen, deren Fülle auch das größte Maß, das auf Erden zugemessen werden mag, zu Wenigem (Matth. 25, St) macht. Wenn dagegen die Haushalter anfangen zu schlagen Knechte und Mägde — anstatt ihren Gemeinden Gehilfen ihrer Freude zu sein durch treue Seelsorge (2. Cor. 1,"24), sich zu ihren Herren aufwerfen und über das Volk herrschen (1. Petri 5, Z; Hes. 34, 4); wenn sie essen und trinken und sich voll sausen — anstatt von Herzensgrunde und williglich die Heerde Christi zu weiden, schändlichen Gewinn suchen (1. Petri 5, 2), anstatt der Heerde sich selbst weiden, das Fette fressen und mit der Wolle sich kleiden (Hes. 34, 3): so wird der HErr über sie kommen unversehens und wird sie zerscheitern und in der Hölle ihren Lohn sein lassen mit den Treulofen und Heuchlern. (Besser.) Ein ungetreuer Apostel wird nicht besser behandelt wer- den, als ein erklärter Widersacherc (Godet.) Jch kann nicht anders reden, als wie mir’s um’s Herz ist: ich glaube nicht, daß viele Prediger sind, die da selig wer- den, sondern ihrer viel mehr, die verloren gehen. (Chrysostomus.) 47. Der Knecht aber lum es hiermit noch zu rechtfertigen, was ich soeben als Strafe des untreuen Knechts angeklindigt habe: »fein Herr wird ihn zerscheitern und ihm feinen Lohn geben mit den ungläubigen«], der seines Herrn Willen weiß fwie es ja bei jenem Knecht als einem be- stellten Haushalter der Fall war], uud hat sich nicht bereitet ldaß er die Heimkehr des HErrn immer im Auge behalten hätte], auch nicht nach seinem Willen gethan sdaß er während der Ab- wesenheit desHErrn dem Gesinde ihre Gebuhr hätte gegeben zu rechter Zeit], der wird fnach dem nun einmal für Knechte giltigen Rechtsver- l)ii·ltniß] viel Streiche fbei des HErrn HeimkehrJ leiden müssen. 48. Der es aber lwie etwa bei einem solchen der Fall ist, der zum Gesinde gehört] nicht weiß swas der Herr für Anordnungen bei seiner Ent- fernung getroffen], hat Indessen] dach gethan, das der Streiche werth ist [da man auch beim Nicht- wissen sich verschulden kann Z. Mos. 5, 17], wird [mit Ritcksicht auf seine Unwissenheit und seine niedrige Stellungs wenig Streiche leiden, Denn welchem viel gegeben ist, bei dem wird man lnach allem Recht und GeblLhrJ viel suchen ldaß es bei ihm noch da und nicht etwa auf die Seite geschaffk sei]; und· welchem viel befohlen ist, von dein wird man viel szur Rnckgabes fordern. Die Stelle soll von dem Vorzug, der dem Petrus bei seiner Frage (V. 41) im Sinne lag, die ernste Kehrseite zeigen. (v. Burgen) Aus der bestimmten Bemerkung aber, auch derjenige, welcher den Willen des Herrn nicht wisse, aber doch strafbar handle, werde ebenfalls Streiche leiden, wenn auch verhältnismäßig nur wenige, ergiebt sich, daß die Ermahnung in B. 35 ff. in ihrem allgemeineren Sinne für Alle ohne Unterschied geredet war. Jeder Mensch hat ein un- mittelbares Gefühl von dem Willen seines himmlischen HErriy das er in sich ansbilden soll; und wie es schon von vornherein strafbar ist, wenn ein Knecht gar nicht weiß, was sein Herr will, so ist es im gleichen Sinne strafbar, wenn ein Mensch nicht weiß, was Gott will. Die Strafe des Knechtes aber, der wissentlich den Willen seines Herrn Ubert-ritt, wird eine große sein. Nach diesem Maßstab trifft den schlechten Christen eine größere Strafe, als den schlechten Heiden, den schlechten Geistlichen wieder eine größere; und so geht die Stufensolgerung fort bis zu dem schlechten Bischof, und derjenige Knecht, welcher die höchste Stellung in der Gemeinde einnimmt bei der größten Untreiie, wird eben darum ain schwersten bestraft. Die Strafe, ent- zwei gespalten zu werden, spricht den furchtbaren Con- trast aus, der zwischen der höchsten, sorglosesten richter- lichen Anmaßung und dem plötzlichen Erleiden des schrecklichsten Gerichts eintritt. (P. Lange) Vgl. Hes. 28. 49. [Daraus, san einem andern Tage seines stillen Aufenthalts in Bethsaida, sprach der HErr, auf einen mit dem Inhalt von V. 32 verwandten Gegenstand eingehend, zu den Jüngern:] Ich bin kommen, daß ich fdurch das Wort, das ihr in meinem Namen und von meinem Heilswerk pre- digen sollt Jer. 23, 29; Sach. 12, S] ein Feuer anziinde auf Erden? swdrtlichx werfe auf die Erde]: was wallte Ich lim Hinblick auf den geist- lichen Segen in himmlischen Gütern, der damit über das Menschengeschlecht sich ausbreiten wird] lieber, denn es brennete schon! 50. Aber ich ums; mich zuvor sehe es zum Brennen dieses Feuers kommt] taufen laffeu mit einer Taufe fvon Trübfalsfluth wo die Wasser bis an die Seele gehen Matth. 20, 22]; nnd wie ist mir so bange, bis sie vollendet runde» 51. Meiner ihr, daß ich herkommen bin, Frieden zu bringen auf Erden? Ich sage: Nein; sondern Zwietrarhtltll 52. Denn von nun an lwo das Kreuz schon so gut wie aufgerichtet ist, das den Einen ein Aergerniß oder eine Thorheit, den Andern aber göttliche Kraft »und göttliche Weisheit sein wird J« CDL 1, 23 f] werden luin ein concretes Vei- spiel dieser Zwietracht aufzustellen] fünf in Einem Haufe fdie da mit einander zusannnenleben — Vater, Mutter, der verheirathete Sohn mit feinem Weibe und die noch unverheirathete Tochter, —- dennoch unter einander] uneins fein; drei ldie eine Partei bildend] wider zwei, nnd zusei fdie andere Partei ausmachend] wider drei-f. 53. Es wird sein der Vater wider den Sohn, und der Sohn wider den Vater; die Mutter wider die Tochter, und die Tochter wider 750 Evangelium Lueä IS, 54—59. die Mutter; die Schwiegersauutterj wider die Schnur sSchwiegertochter Richt. 19, 10 Anm.], und die Schnur wider die Sehwiegerff lMatth 10, 34—36]. f) Christus vergleicht hier» sein Reich, das er vom Himmel auf die Erde bringt, mit einem Feuer und redet von einem großen Bunde, den er durch dasselbe in der Welt erregen werde; das Feuer entwickelt aber eine dreifache Wirksamkeit: es zerstört, es reinigt, es erwärmt, und in derselben Weise wirkt auch das Christenthum Zuerst kommt das Feuer der Buße; wo das ein Menschenherz ergreift, da stellt sich Selbst- gericht und Selbstverdammung ein, und dies Feuer brennt so lange, bis es alles ungöttliche Wesen in uns verzehrt und allen Widerstand gegen die Wahrheit über- wunden hat, bis wir beichten und unsre ganze Schuld bekennen und unser ganzes Elend einsehen, bis wir brechen mit der Sünde, mit dem Teufel und seinem Reich, und das alte Leben nun niedergebrannt ist. Dar- nach kommt das Feuer des Glaubens; das fchmelzt und wandelt um, das verjüngt und verklärt, es schafft ein reines Herz, das, losgetommen von der Sünde, sich nun ganz dem HErrn und seinem Dienste hii1giebt, es treibt empor und züngelt aufwärts, hininielan, der neue Mensch sucht seinen Ursprung wieder. Zu dritt kommt das Feuer der Liebe und Begeisterung, welche ihre Glnth nicht in sich verschließen kann, son- dern sie auch Andern mittheilen muß. Wo wäre je ein Weiser dieser Welt in weit entlegne, durch Meere getrennte Welttheile ausgegangen, um die Unmenschen in Menschen umzubilden, die Unwissenden zu unterrich- ten, die Kranken zu hüten, die Nackenden zu kleiden, das Band der Eintracht und des Friedens zu knüpfen zwischen feindlichen Völkern? Noch hat es keinen ge- geben; was aber die Weisheit dieser Welt nicht ver- mag, das hat die Liebe Christi vermocht: ohne dieses Feuer gäbe es keine Kirche auf Erden und keine Schule; das Blut der Mensehenopfer flösfe auf unheiligen Alta- ren, thörichte Götter hausten noch in unsern Hainen, kein Glockenklang, der zum Frieden ruft, ließe sich hö- ren, sondern alle Leidenschaften der Wildheit und Grau- samkeit, des Blutvergießens und der Rachsucht gingen noch im Schwange. (Fr. Arndt.) IN) Das Wort: »was wollte ich lieber, denn es brennete schon!« ist eins der erhabensten Worte Christi; er wußte aber wohl, daß das heilige Feuer die Erde zuerst in den Menschenherzeii ergreifen werde mit seiner Hinrichtung, und diese Gewißheit sprach er ganz be- stimmt aus mit dem Wort: »ich muß aber zuvor mich taufen lassen mit einer Taufe, und wie ist mir so bange, bis sie vollendet werdet« Die Zeit war jetzt gekommen, wo sich das Vorgefühl seines Todes schon in heiligen Schauern bei ihm einstellte und wo er sich veranlaßt- fand, die Jünger in geheimniszvollen Andeu- tungen auf jenes ernste Geheimnis; vorzubereiten. Wa- rum aber nannte Jesus das Leiden, welches ihm be- vorstand, eine Taufe? Weil er die Bedeutung der Johannistaufe für sein Leben von Anfang an wohl verstanden, weil er in ihr eine Weisfagung seines Todes gesehen hatte. (P. Lange.) Erst nachdeni der Heiland mit seiner Leidenstaufe getauft worden, konnte das Feuer des heil. Geistes brennen (Joh. 7, 39 u. 16, 7). Die Liebe Jesu Christi zu uns, die ihn zu unserm Schuldopfer, zu unserm treuen Hohenpriester machte, diese Liebe verklärt der heil. Geist in unserm Herzen (Joh. 16,«14) dadurch, daß er sie uns glauben lehrt; und nur die geglaubte Liebe Christi dringet uns dann also, daß wir die sündlichen Lüfte verleugnen, Gott lieben und die Brüder. Dem Heilaude ist bange vor feiner Bluttaufe in Gethsemane nnd auf Golgatha; es ist sein sehnliches Verlangen, zu unsrer Errettung den Kelch des Vaters zu trinken, doch er wünscht, daß es erst überstanden wäre und er rufen möchte: ,,es ist vollbracht!« Es ist ihm bange wie einem schwangeren Weibe, die herzlich gern ihr Kind zur Welt gebären will, aber vor den Wehen zittert: Joh.12,27; 16, 21; Offenb. 12, L. (Besser.) VIII) Der HErr zielt offenbar auf die Täuschung, in welcher die Jünger sich wiegten, die noch auf die Aufrichtung des niefsiaiiischen Reichs ohne Kämpfe und ohne Leiden hofften (Kap. 19, 11); er stellt nicht in Abrede, daß das Endergebi1iß seines Werkes der Friede sein soll, wohl aber, daß er die unmittelbare Wirkung desselben sei. (Godet.) Weil der HErr das Ziel will, so will er auch das Mittel und den Weg zu diesem Ziel; insofern ist er gekommen, nicht Frieden zu brin- gen, sondern Zwietracht, oder, wie es in AJtatth.10,34 heißt, das Schwert. (v. Burgen) Wo das Feuer der göttlichen Liebe entbrennt und der Friede von oben auf Erden einkehren will, da wendet sich’s zunächst durch den Widerstand, welchen die ungläubigen Men- schen entgegeusetzem zur Zwietrachtx das hat der HErr vorausgeseheiy und will es auch, weil es nicht anders zum Frieden geht als durch diesen Kampf. (Stier.) Christus ein Wundermann — Friedensfürst und Friedenstörer zugleich. (Zeifius.) f) Auch hier ist die Erwähnung der Fünf dein Lukas eigenthümlich, wie bei der Angabe der Sperlinge in V. B; sie ist Sinnbild der relativen, wie Zehn Sinnbild der absoluten Vollständigkeit (Kap. 14, 19; 16, 28; Hohel. Z, 10 Anm), hier aber kommt sie be- sonders noch als ungerade Zahl in Betracht. Wo drei gegen zwei, und zwei gegen drei stehen, ist es schon darum um so schwieriger, sie wieder zusammen zu bringen· ff) Der Sohn, die Tochter und die Schwieger- tochter scheinen hier die Seite Christi zu vertreten (bei Vater, Mutter und Schwieger ist zu beachten, daß letztere beide ein und dieselbe Person sind, also die Partei-der zwei bilden); und wohl nicht ohne Grund hat man angenommen, die Ausdrücke seien so gewählt, weil die jüngeren Leute und der weibliche Theil sich noch am ehesten dem Evangelio zuwandten. —- Wir dürfen Christo nichts vorziehen, weil auch er nichts hat uns vorgezogen. (Cyprian.) 54. Er sprach aber sum nach diesem Bericht über die besonderen Verhandlungen Jesu mit seinen Jüngern V. 22——53 wieder in die Geschichte ein- zulenken, die uns oben in V. 1—21 beschäftigt hat Matth. 16, 1 Anm.] zu dem Volk lals nach Abfertigung der Pharisäer er sich nach dem Meere wandte, um wieder über den See zu fahren Mark. 8, 13., der ihn begleitende Haufe aber sich in Folge der an ihn gestellten Forderung eines Zeichens vom Himmel als bereits vom pharisäi- schen Sauerteig angesteckt zeigte Matth 16, 1 u.4 Aum.]: Wenn ihr eine Wolke sehet aiifgeheii vom Abend, so sprekhet ihr bald ssofort vorstehend, was das zu bedeuten hat]: Es kommt ein Regen; iind es geschiehet also. 55. Und wenn ihr jehet den Siidwind wehen, so sprechet ihr: Es wird heiß werden; und es geschiehet also. Christi bevorstehendes Reich und der ungläubigen Juden Unverstand. 751 56. Ihr smit dem Wesen eurer geistlichen Führer angesteckten] Heuchler, die Gestalt der Erde und des Himmels könuct ihr prüfen sriehtig beur- theilend, was die Erscheinungen oben am Himmel und unten auf Erden 9Jkatth. 16, Z; Joh 4, 35 prophezeien; wie prüfet ihr aber diese Zeit [in welcher ihr so spürbar heimgesucht werdet Kap. 7, 16;19, 441 nicht« fund merket zugleich, daß wenn jetzt die Wolke am Abendhimmel aufgestiegen, die den Regen bringen will, gar bald auch der Süd: wind wehen könnte, der euch Hitze bringen wird Jer. 4, 12 Anm.]? 57. Warum richtet ihr aber nicht an euch selber, was techt ist«« [Luther: ,,könnet ihr sehen, wie es an den Kreaturen gehet, warum sehet ihr nicht auch, wo es euch sehlet?« — nach anderer Auffassung, vgl. Joh. 18, 34: warum richtet ihr aber, wenn eure Oberen euch in die Jrre führen wollen, nicht von euch selber, nach eigener Ver- nunft und Gewissen, was recht ist, und kommt so zu der richtigen Einsicht, was meine Zeichen und Wunder zu bedeuten haben]? It) Die Wolke, welche aus dem Westen von der Seeseite aufstieg, wurde für ein Zeichen nahen Regens angesehen (1. sehn. 18, 44), während der Siidwind als ein Zeichen zu erwartender Hitze betrachtet ward (Hiob 37, 17). Gegen den gesunden Menschenverstand dieser Wetterpropheten, der im täglichen Leben alsbald ent- scheidet und seiue Weissagungen auch gewöhnlich in Er- füllnng gehen sieht, sticht nun. auf die traurigste Weise ab die allgemeine Verblendung in Beziehung auf das, was unendlich wichtiger und even so leicht zu erkennen war. (v. Oosterzee.) Das Wetter in der Natur bildet einen Hauptgegenstand sowohl der Beobachtungen als der Gespräche in der Menschenwelt — wer von nichts reden kann, kann wenigstens doch vom Wetter reden; aber warum bleibt ihr dabei stehen? will der HErr sagen. Die ihr soausmerksam seid auf das, was sich in der Natur begiebt, warum seid ihr so unaufmerksam auf das Allerwichtigste, was sich in der Menscheuwelt zuträgt? so reich nach außen, so arm nach innen? Warum fragt ihr niemals, was für Wetter im Geister- reich ist und im Verhällxtiß eurer Seele zum HErrn? ob da erqnickender Regen herrscht und wie es mit dem brennenden Sonnenschein, der bald dahinter kommen kann, werden wird? Oeffnet die Augen siir die großen Zeichen am Himmel dieser Zeit und erkennet, daß es eine Zeit der Gnade ist, in der ihr lebet, eine Zeit, die euch zur Buße und zum Glauben, zur Wiedergeburt und Bekehrung so dringend aufsordert, wie keine frühere; vielleicht aber stehen auch schon Zeichen an eurem Lebens- himmel, die auf das baldige Ende dieser Gnadenzeit hindeuten. (Fr. Arndt.) Er macht ihnen zum Vor- warf, daß sie das beginnende Wehen eines verderblichen Samnm, der das heilige Land verwiisten wird, nicht bemerken. (P. Lange) Die Anrede: ,,ihr Heuchler« soll ihnen zum Bewußtsein bringen, das; sie aus tief- liegender Schuld des unanfrichtigew die gbttlichen Dinge muthwillig verkennenden Herzens nicht inerken, was für eine Zeit durch sein Kommen vorhanden sei; die Heu- chelei ist ja wirklich der Sauerteig oder die Grundliige, welche die Menschen an Erkenntnis; der Wahrheit hin- dert. (Stier.) Diese Einsicht, mit welcher der Mensch begabt ist, das Kommende in dem Gegenivärtigen zu bemerken, stellen sie nicht in den Dienst eines höheren Interesses. Ein Täufer, ein Jesus erscheint, lebt, stirbt, ohne daß sie daraus schließen, daß eine ernste Stunde für sie geschlagen hat; aber nicht das Auge fehlt ihnen, sondern der Wille, es zu gebrauchen. (Godet.) W) Wenn sie die Gestalt des Himmels und der Erde beurtheiltem so thaten sie das von ihnen selber, in un- abhängiger Weise, ohne daß es ihnen erst von Andern vorgesagt zu werden brauchte: so geziemte es ihnen, auch inxandern Verhältnissen den Maßstab eines natür- lichen Wahrheits- und Pflichtgefühls anzulegen, ohne immer vorerst die Eingebung ihrer geistlichen Führer abzuwarten· (v. Oosterzee.) 58. So du aber mit deinem Widersacher sder eine Rechtsklage wider dich hat] vor den Fürsten [Ortsvorgesetzten, SFhieDsrichterJ stehest; so thue Fleiß auf dein’Wege, daß du sein sdurch gütliche Vergleichnngj los werdest, auf das; er sticht etwa dich vor den Richter ziehe sder nach Recht und Gerechtigkeit entscheidet], und der Richter überantworte dich dem Storkuieister [Ge- fängnißaufsehers und der Stockmeister werfe dich iu’s Gefiingni . « 59. Jkh sage dir, du wirst von dannen nicht heraus kommen, bis du deu allerletztett Scherf [2. Mos so, 13 Anm.] bezahlest Die Ausleger wissen meist nicht recht, was sie mit diesem, in der Bergpredigt (Matth. 5, 25 f.) in ganz anderem Zusammenhang stehenden nnd deutlich als eine Anempfehlung der Versöhnlichkeit gegen den beleidigten Nächsten sich kundgebeuden Aussprache an dieser Stelle ansangenfgtsollen. Offenbar ist nun die Meinung des HErrn auch hier: ,,ehe man vor den Richterstuhl kommt, während man noch auf dem Wege dahin ist, muß man sich mit dem Kläger versöhnen; steht man einmal vor dem Richter, so hat die Gerechtigkeit ihren Lauf, alles liegt also daran, diesem verhängnißvollen Augenblick zuvorzukommen«. Offenbar ist ferner der- junge, der hier mit »du« als Beleidiger angeredet und vor den Richterstuhl von dem Widersacher oder Belei- digten geführt wird, das jüdische Volk, mit dem es schon so weit gekommen, daß es bereits im Hingeheu zur Aburtheilung seiner Sache begriffen ist — da soll es denn den Rest des Weges noch schleunig benutzen, seinen Widersacher zufrieden zu stellen, und es nicht auf des Richters Urtheilsspruch ankommen lassen, denn das würde ein Spruch zu schwerer Kerkerhaft werden. Es kann nicht, tvie die Ausleger wollen, Gott der HErr hier Klägen Richter und Stockmeister in Einer Person sein, wohl aber könnte man unter Bezugnahme aus Joh 5, 45 ff. bei dem Kläger an Moses, bei dem Richter an Gott und bei dem Gerichtsvollstrecker an Jesus denken (Matth. 26, 64); indessen haben wir schon zu Matth. 16, 4 eine andere Auffassung angedeutet, wonach der von dem jiidischen Volk Beleidigte der von ihm mit Unglauben, Geringschätzung und schließlicher Verwerfung behandelte Heiland selber ist. Sie, die un.- gläubigen Juden, sind mit ihm schon auf dem Wege zum Fürsten; er gehet nun von ihnen, um sie sich selber zu überlassen, weil er nichts mit ihnen anfangen kann, seine öffentliche Wirksamkeit in Galiläa ist abge- schlossen (Matth. M, 4; Mark. 8, II) und es beginnt die Zeit, da ,er soll von hinnen genommen werden (Kap. 9, 51). Nun ist allerdings ihnen noch eine 752 Evangelium Lucä 13, 1—5. Gnadenfrist in Aussicht gestellt; der beleidigte Heiland, der bei seiner Himmelfahrt wird als ihr Widersacher zum Vater gehen müssen, will ihnen noch Gelegenheit geben, sich mit ihm zu versöhnen durch gläubige An- nahme seines Evangeliums, und ihnen sogar Boten senden, welche die Versöhnung seinerseits anbieten (Kap. 11, 49; Apostg L, 38-—40): was aber wird es bei dem größten Theile helfen? Der wird das Maß der Väter erfiillen (Matth. 23, 32); und da steht denn der Urtheilsspruch in Z. Mos. 26, 25——39 u. 5. Mos. 28, Das 13. Kapitel. Ynßpredigt vom Hglntergang der Galiläetz Jeigenbanim kranken Zdeiba Reiche Gottes, der engen Flotte nnd Zerstörung Jerusalems. I. v. 1—5. (§. se) Zweimal (Joh. s, 59 u. 10, 39) war der tjGrr bei seiner Wirksamkeit in Jerusalem und im Tempel während des tkanbhiiltew und Kirehweihfesteg in großer scebenegefahy das; er sich schliesslich ganz von dort zurückziehen nnd nunmehr naeh denjenigen Städten und Oertern sieh wenden mußte, denen er schon vor einem Vierteljahr seine Jtiilinnft durch die siebzig Sänger: Gan. 10, l; Joh.10, 40) hatte antiiitidigen lassen nnd bei welchen allerdings, wie wir später sehen werden obtain. 15, 1——32; 18, 10——17), eine bessere Aufnahme, nament- lieh auf Seiten der Jsöllner und Sünder, ihm zu Theil ward (Joh. 10, 41 f.); hier nun sehen wir ihn wieder an der Stelle, an welcher wir ihn bei Lukas in san. 11, 1—13 nor seinem Eintritt in die Stadt verlassen haben, inimlich aiu Gelt-rege, nur daß er jeht von Jeru- salem alszieht, wie er» damals einzuziehen im Begriff stand. 1. Es waren aber zu derfelbigen Zeit fwelche in den Hauptabschnitten Kap. 9, 51—11, 13 die maßgebende ist] etliche dabei sals der HErr von Jerusalem wieder hinüberzog in’s Land jenseit des Jordan und etwa den Bach Kidron zu überschreiten im Begriff stand, um nach dem Oelberg sich zu wenden], die. berkülldtgtetl ihn( [als eine Schreckens- geschichte neuester« Zeit] von den Gnliliierth lvelcher Blut fder röinische Landpflegerj Pilatus sammt ihren! Opfer vermischt hatte swelche Pilatus im Tempel hatte niederstoßen lassen, als sie eben ein Opfer daselbst darbrachtenL Die griechischen Worte, welche Luther mit ,,zu der- selbigen Zeit« übersetzt, weisen keineswegs in so be- stimmter Weise chronologifch in diejenige Zeit zurück, welche in Kuh. 12 uns vorlag, wie es bei solcher Ueber- setzung den Llnschein gewinnt; sie haben vielmehr eine blos pragmatische Beziehung und bedeuten: »unter den gleichen Verhältnissen wie vorhin«, und so gehen denn auch, wie Godet trefsend daraus aufmerksam macht, die drei folgenden Ausfpriiche des HErrn in V. 2—9 ans demselben Herzensanliegeii hervor, wie die vorangehenden Lehrredenx Jesus stellt seinen Begleitern und Berichterstattern hier die Nothwendigkeit der Be- kehrung, von der er in Kap. 12, 54— 59 gezeigt hatte, 49—68 schon geschrieben, der Stockmeister aber, der in das Gefängniß wirft, ist auch schon geweissagt in Dan. 9, 26. Fassen wir so unsre Stelle aus, so ist eines- theils der Zusammenhang mit Joh. 7——10 gewahrt, auf welchen es dem Evangelisten bei diesem Nachtrag so entschieden ankommt; anderntheils aber auch die Ueberleitung gemacht zu den folgenden beiden Abschnitten in Kap. 13, 1—9, die chronologisch mit Joh. 10, 39 s. sich zusammenschließen welche Eile es damit habe, recht dringend vor Augen. Ohne Zweifel sind es ebenfalls Galiläer, mit denen er verhandelt (vgl. V. 2), und daraus ergiebt sich denn der pragmatische Zusammenhang mit dem Vorigen; da nun aber einmal der Wortlaut unserer deutschen Bibel dazu nöthigt, die Chrouologie in’s Auge zu fassen, so blieb uns nur übrig, in derjenigen Weise zu erklären, wie oben geschehen ist. — Was die Begebenheit selbst betrifft, so wird uns nirgend etwas darüber berichtet; sie verschwindet unter den mancherlei andern Schreckens- thaten, welche die römischen Landpfleger sich in Judxia haben zu Schulden kommen lassen, wie der bethlehemi- tische Kindermord (Matth. 2, 16) unter den vielen Mordthaten, die Herodes dem Großen zur Last fallen, als eine bloße Kleinigkeit für die Geschichtschreibung Gleichwohl lassen die näheren Umstände fiel) vermuthen. Die Galiläey wie das Exempel des Judas Gaulonites zeigt, waren gar sehr zu aufrührerifchen Volksbewe- gungen geneigt; und vermuthlich war das Kirchweihfest des J. 29, welches eben zu Ende war (Joh. 10, 22), die Gelegenheit zu einem Aufstandsversnch geworden, wie denn an den Festen in Jerusalem häufig Unruhen vorfielen und gerade dieses Fest an die glorreiche Zeit der Maccabäey an ihre Erhebung wider das tyraunische Joch fremder Fürsten und ihren schließlichen Sieg er- innerte (1. Maca 4, 36 fs.). Die Haupträdelsführer nun, so scheint es, hatte Pilatus gefangen gesetz: und ihnen den Proceß gemacht; wir haben schon zu Matth. 27, 18 darauf hingewiesen, wie nahe die Annahme liegt, daß die Drei, um deren Kreuzigung es fiel) zu Ostern des J. 30 handelt (Barabb.1s wurde losgebeten und Jesus an seine Stelle gesetzt, mit ihm aber wur- den zwei andere zur Richtstätte geführt, die des Auf- ruhrs sich schuldig gemacht), eben jene Rädelsfiihrer gewesen seien. Andere bei der Sache Bethciligte hatte aber der Landpfleger in der oben gemeldeten Weise auf der Stelle niederhauen lassen, damit aber war er dem Herodes Antipas zu nahe getreten (Matth. 27, 14 Anm.); vor dessen Gericht hätte er sie, da sie Galiläer waren, verweisen können, er machte aber keine großen Umstände und übte die Justiz sogleich selber in kurzem Verfahren. Ohne Zweifel kannte Jesus den Vorfall schon selber, als man ihm denselben hinterbrachte, er kam ja eben von Jerusalem und kam vom Kirchweih- feste; aber als eine ihm unbekannte Geschichte wollen seine galiläischen Reisebegleiter die Thatsache ihm auch gar nicht melden kim Grundtext steht bei ,,Galiläer« der Artikel, der das Geschick derselben als schon bekannt voraussetztx sie bringen nur das Gespräch auf das Er- eigniß, das ihre Gedanken beschäftigt, nnd wollen ihn zu einem Ausspruch darüber veranlassen. Nun ist es nicht sowohl des Pilatus Gewaltthat, überdie sie sich beschweren: wie die Sachen lagen, konnte von einer Fortsetzung der laufenden Geschichte. Bußpredigt an die ungläubigen Juden. 753 solchen eigentlich nicht die Rede sein. Vielmehr, da nach 4. Mos 15, 30 für eine Sünde aus Frevel kein Opfer gelten, sondern eine also sündigende Seele ans- gerottet werden soll aus ihrem Volk, so betrachten sie wohl die Sache als ein Gottesgerichh das jene Galiläer zu Freolern stempele (vgl. Joh. 9, 2), und weil sie für ihre Person keinen Autheil an dem Aufruhrsversuch genommen, wollen sie das auch bemerllich machen mit dem pharisäischen Hintergedanketu »ich danke dir, Gott, daß ich nicht bin wie andere Leute, Räuber, Ungerechte u. s. w.« (Kap. 18, 11). Dieser Hintergedanle nun ift’s, den Jesus in seiner Antwort anfaßt. 2. Und Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Lliieillet ihr [wie ihr denn wirklich mit solcher Herzensgesinnung, da ihr nicht an euch selber richten wollet, was recht ist Kap. 12, 57., mir die Sache vortragen, das; diese Galiläer vor allen Galiläerri Sünder gewesen sgenauen geworden, d. i. thatsächlich von Gott»hing-stellt] sind, die- weil sie das erlitten haben? Z. Ich sals die Weisheit Gottes Katz. 11, 491 sage, nein; sondern, so ihr euch nicht bessert svon dem bösen Wesen, das bei meiner Wirksam- keit in Galiläa so deutlich an euch hervorgetreten ist Kap.11, 14 —— 12, 59., durch Buße und Glau- ben ablasset], werdet ihr alIe swenn nun das Strafgericht durch die Römer über die ganze Nation hereinbrichts auch also umkommen. Der HErr kennt und bestreitet die Verkehrtheit so Vieler, welche, wenn sie Von öffentlichen Calaniitäten hören, vielmehr geneigt sind, den Blick nach außen als nach innen zu richten; im Gegensatz hierzu giebt er den ernsten Wink, daß das Schicksal Einzelner ein Spiegel für Alle sein soll. Vor seinen Augen stand ganz Gali- läa als schon reif zum zukünftigen Gerichte da, und wie es die Bestimmung der Römer sei, die Btissethat der Messiasverwerfung in entsetzlicher Weise zu rächen: welche Ströme Blutes sollten später in demselben Tent- pel Vergossen werden, in welchem jetzt diese Galiläer bei Gelegenheit ihres Opfer-s umgekommen waren! Aber Judäa und Jerusalem waren schon ebenso reif zum Ge- richt, wie Galiläa, und wie Viele sollten später unter dem Schntt und den Trümmern der Stadt begraben werden! Dies bewegt den HErrm einen ähnlichen Vor- fall hinzuzufügen. (v. Oosterzeeh 4. Oder meiuet ihr fund hier wende ich mich insonderheit an euch unter meinen Beglei- tern, die ihr aus Judäa und von Jerusalem seid], das; die acht ehn [Männer], auf welche swie euch bekannt] der hllrm in Siloha [s. Karte Vlls fiel und erschlug sie, seien schuldig gewesen vor allen Menschen, die zu Jerusalem niohnen state: weil ein so plötzliches Gottesgericht sie betroffen habe]? 5. Ich sage, nein; sondern, so ihr euch nicht bessert [von dem bösen Wesen, wie es gerade jüngst wieder in Jerusalem sich an den Tag ge- legt hat Joh. 7, 11 — 10, 39., in Buße und Glauben euch abwendet], werdet ihr· nllc swenn Dächseps Bibelwerh V. Band. L. Aufl. nun die Stadt wird untergehen und Mauern und Häuser werden zusammenbrechens auch also umkommen. Der Teich Siloah (vgl. zu 2.Sam.17, 17) liegt ini unteren Tyropöon-Thale, welches den Tempelberg von dem Berge Zion trennt, einige Minuten südwärts von der Stadt Jerusalem; im Zeitalter Jesu erstreckte sich die Stadtmauer bis an die Quelle Siloah, welche einige Fuß über dem Teiche liegt und demselben sein Wasser zuführt. Da hat nun der Thurm in Siloah ohne Zweifel zu den Festungsroerken der Mauer an diesem Theile der Stadt gehört; der Ein- sturz erfolgte wohl bei Gelegenheit eines Baues, so daß die achtzehn Mann als die beim Bau beschäftigten Ar- beiter zu denken sind — die Geschichte giebt auch über diesen an sich nicht so bedeutenden Vorfall, der nur als Weisfagung auf den künftigen Untergang der Stadt in’s Gewicht fällt, keinen näheren Ausschluß. Daß aber der HErr von den Galiläern die Rede sofort auf die Be- wohner von Jerusalem lenkt, ist ein unwidersprechlicher Beweis, daß das, was St. Johannes in den oben an- geführten Kapiteln über Jesu Wirksamkeit in Jerusalem am Laubhüttem und Kirchkoeihfest berichtet, unmittelbar vorausgegangen fein muß; damals erst wurde Jerusa- lem reif zu dem auch an dem Messias sich vergreifen- den Prophetenmord (V. 33 u. 34), und von da an erst konnte Jesus von der Zerstörung Jerusalems als einem schon so gut wie unabwendbar gewordenen Geschick der Zukunft reden. Die ganze Herzensstimmung von wel- cher seine Worte getragen sind, zeugt davon, daß ihm noch schwerer, als Galiläcks Unglaube, der von Jeru- salem aus der Seele liegt, und noch schwerer als die Verwerfung, die er in Galiläa erfahren, diejenige, die ihm in der heil. Stadt selber und im Tempel zu Theil geworden; er ist ganz des Eindruckes voll: ,,es thut’s nicht, daß ein Prophet umkomme außer Jerusalemch und darum wird auch Jerusalem der vornehmste Schau- platz des an dem ungläubigen Volke sich vollziehenden Gerichtes sein. So lenkt er denn schon bei dein ,,alle auch also umkommen« in V. L, obwohl er es da noch mit den Galiläern zu thun hat, die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer hin aus diesen Gerichts-Schauplatz; aber damit noch nicht zufrieden, fügt er dem nächsten Gegen- stande des Gesprächs V. 1 sofort einen andern Vorfall aus Jerusalems Bereiche selber hinzu. Mit Jerusalem, der Führerin und Repräsentantin des Volkes, beschäs- —tigt er sich hierauf noch ausschließlicher in dem Gleich- niß des folgenden Abschnittes: da kann kein Zweifel mehr sein, wir befinden uns bei diesem und dem näch- sten Abschnitte nicht mehr in Galiläa, wie die Auslcger meistentheils wollen, sondern in der unmittelbaren Um- gebung der Stadt, am Fuße des Oelberges, auf wel- chem später, am Montage der Leidenswoche (Matth. 2l, 18 ff.), die Verflachung des unfruchtbaren Feigenbauins erfolgt ist. . II. v. 6—9. (§. 82.) Der hist: nimmt Veranlassung, in dein Gletehniß von dem unfruchtbar-en Feigen- baum es noch näher augziispcechety welches der Stand Jerusalems sei in dieser Zeit, wo er die Stadt, die er tu drei Jahren nun jedes Mal an einen! hohen-feste heim— gesuiht hat, um die Früchte der vorbereitenden Gnade Gottes bei Hiiidiiosührsiiig seines ljeilowetlies eiuzucrntem ohne jedoch solch: Früchte vorn-findest, verlassen trink, weil er seines Lebens daselbst nicht sicher in: eigentlich wäre die heil. Stadt schon sprnrhteif zur Vertilgung, aber noch habe er ein Gnadenjaht fiir sie erneuen-tritt, in dem er 48 « Auslegung zur Stelle). 754 denn sein höchstes an ihr thun werde; bleib: auch das srnchtloz so könne nichts mehr das verdiente Gericht ab— wenden. (5. Er sagte ihnen aber dies Gleichnisx Es hatte einer einen Feigenbaunh der war gepflanzet in seinem Weinberge; und kam und suchte Frucht darauf, und fand sie nicht. 7. Da sprach er zu dem Weingärtncn Siehe, ich bin nun drei Jahre lang alle Jahr kommen und habe Frucht gesucht auf diesem Feigenbanm, und finde sie sticht: haue ihn ab, was hindert ei; dns Lnnd sbereitet mir zu dem Verdruß, daß er selber nichts einbringt, auch noch den Nachtheih daß ich den Boden nicht anderweitig verwerthen kann, so lange er dastehtssi 8. Er aber [der Weingärtners antwortete und sprach zu ihm: Herr, las; ihn noch dies Jahr, bis das; ich mn ihn grabe nnd bediinge ihn, 9. Ob er wollte Frucht bringen kund dainit ein ferneres Stehenbleiben sich sichernsz wo nicht, so haue ihn darnach ab. st der Weinberg das ganze Volk Jsrael oder die jiidische Theokratiq wie aus Jes. 5, 1—7 u. Matth. 21,33 ff. unzweifelhaft sich ergiebt, so ist der in diesem Weinberg gepflanzte Feigenbaum offenbar Jerusalem, die heil. Stadt; auf eine solche bevorzugte Stellung innerhalb der Theokratie selber weist schon Jes. 5, 7 hin: »des HErrn Zebaoth Weinberg aber ist das Haus Jsrael und die Männer Juda’s seine zarte Feser« (ge- nauer: die Pflanzung seiner Wonne, vgl. die Jst nun weiter der Wein- gärtner, wie aus dem ganzen Zusammenhange sich er- giebt, der HErr Christus, so sind die drei Jahre auch mit besonderer Beziehung auf Christi bisherige öffent- liche Wirksamkeit zu deuten; und da redet ja in der That St. Johannes in Kap. 2, 13 ff.; 5, 1 ff.; 7, 10 ss. von einem dreimaligen Feftbesuch Jesu, der kein flüch- tiger, vorübergehender sein sollte, sondern ein Versuch, ob nicht aus Zion könne anbrechen der schöne Glanz Gottes, wie geweissagt war (Ps. 50, 2), ob nicht dort soviel Frucht durch die bisherige Heilsanstalt der Theo- kratie an Buße und Glaube gezeitigt sei, daß der jetzt erschienene Heiland eine willkommene Aufnahme fände, und der die Frucht suchte, war der Herr Zebaoth, der Herr des Weinberges, der mit den Worten und Werken dessen, den er gesendet, die Herzen sondirte, wie weit sie empfänglich seien für die Aufrichtung des Mefsias- reichs. Aber alle drei Mal hat sich erwiesen, daß Jesus in Jerusalem keinen Boden fand für seine weitere Wirk- samkeit, vielmehr gerade von dort sich wieder zurück- ziehen-und anderswo sich eine Stätte für seine Wirk- samkeit suchen mußte, wenn er überhaupt sein Werk nicht ganz aufgeben und vor der Zeit ausgerottet werden wollte aus seinem Volk (vgl. Joh. 4, 1—3; 5, 16; 7, 325 8, 59; 10, 39). Nun fallen obige drei Feste in die Jahre 27, 28 u. 29 n. Chr., wie die von uns angenommene Chronologie aufweist; und da das erste das Osterfest, das dritte das Laubhüttenfest ist, so liegt es nahe genug, unter dem zweiten, unbenanut gelassenen Feste das Pfingstfest zu« verstehen. »Da-ei Mal des Jahres soll alles, was männlich ist unter dir, vor dem HErrn, deinem Gott, erscheinen an der Stätte, die der HErr Evangelium Lucä 13, 6——9. erwählen wird; es soll aber nicht leer vor dem HErrn erscheinen«: so hatte der Herr des Weinbergs gesprochen (5. Was. 16, 16 f.) und mit der Gabe eines jeglichen nach Maßgabe des ihm verliehenen Segens, die er von seiner Hand forderte, natürlich auf etwas Geistliches hingedeutet; derjenige nun, der diese geistliche Gabe für den Herrn des Weinbergs von ganz Jsrael an der Stätte, die er erwählet hatte, in Empfang nehmen sollte, das war der Sohn (Kap. 20, 13), und sind nun an jener Stelle ausdrücklich als die drei Zeiten des Ein- forderns genannt: »das Fest der ungesäuerten Mode, das Fest der Wochen und das Fest der Laubhittten«, so brauchte St. Johannes in Kap- 5,1 das dort gemeinte Fest nicht erst zu benennen, die jedem bibelkundigen Leser geläufige Regel in Gottes Haushaltung sagt von selber, daß es das mittlere von den drei Festen ist. Wenn nun ferner schon jetzt, wo Jesus das Gleichniß vorträgt, der Herr des Weinberges spricht: ,,Siehe, ich bin nun drei Jahr kommen und habe Frucht gesucht auf diesem Feigenbaum, und finde sie nicht«, so sagt dies so klar wie möglich, daß das dritte Jahr nunmehr zu Ende ist, daß wir also hinter dem Laubhiittenfest des J. 29 stehen: mit dem Laubhüttenfest des J. 26 hat die öffentliche Wirksamkeit Jesu einschließlich der seines mit ihm zusammengehörenden Vorläufers Jo- hannes begonnen, mit dem Laubhüttenfest a. 29 schließen also die drei Jahre ab, und diese ganze Wirksamkeit hat sich nun als eine fruchtlose erwiesen — wo anders ist der rechte Ort für solches Zeuguiß aus Jesu Munde als bei Jerusalem, und der rechte Zeitpunkt dafür als der Augenblick seines Weggehens von der Stadt, diesem unfruchtbaren Feigenbaum? Er gehet aber nicht hin- weg im Zorne; im Gegentheil redet er dem Herrn des Weinbergs, der ihm, dem Weingärtuer, in Beziehung auf den Feigenbaum schon den Befehl ertheilen will: ,,haue ihn ab, was hindert er das Land?« dazwischen: ,,laß ihn noch dies Jahr, bis daß ich um ihn grabe und bedünge ihn, ob er wollte Frucht bringen«. Wie- derkommen will Jesus noch einmal, nach Jerusalem wird er sich wieder zu Ostern des J. 30 wenden; aber dann kommt er nicht sowohl, um fernerhin als Prophet zu wirken, sondern vielmehr, um als Hoherpriester sich selber zum Opfer zn geben und zu sterben für das Volk (Joh.11,51f.). Das ist es, was er mit dem ,,umgraben« meint: die Predigt von seinem Tode, seiner Auferstehung und Himxnelfahrt soll die harten Herzen erschüttern und die stumpfen Gemüther auflockern, daß sie fragen lernen: »was follen wir thun?« (Apostg. L, 14—41); das ,,bediingen« aber soll geschehen durch Auf- richtuiig einer christlichen Gemeinde in Jerusalem und durch viele Erweisungen des Geistes und der Kraft (Apostg. 2,41ff.; 5, 12ff.; 1. Joh. 5, 6). Aber das ,,ob er wollte Frucht bringen; wo nicht —« deutet schon an, daß an dem Feigenbaum als solchem, an Jerusalem und dem jüdischeu Volk als Gauzem, alle Mühe und Arbeit wird verloren sein. Das erbetene ,,laß ihn noch dies Jahr« umfaßt die Zeit vom Osterfest des J. 30 bis zum Osterfest des J. 62 n. Chr., wo Jakobus II. getödtet ward (vgl. Kap. 11, 49——51), also ein volles Menschenaltey damit auch die neugeborenen Kinder den Segen der Fürbitte des Weingärtners ein vollständiges Heilsjahr hindurch genießen und das Umgraben- nnd Bedüngtseiu des Feigenbaums sich zu nahe machen können; schließlich muß es jedoch zu dem »so haue ihn darnach ab« kommen, und es ist dazu gekommen mit dem Laubhüttenfest des J. 66 n. Chr» wo Jerusalem, indem die Christengenieinde sich zuvor noch retten konnte, dahiugegebeii ward in die Gerichte des göttlichen Zorns. Dies die nächste Bedeutung des Gleichnisses; im Das Gleichniß vom unfruchtbaren Feigenbaunt 755 Folgenden geben wir nun noch die Anwendung auf uns selber. Der Feigenbanm hat süße Frucht und wird in Gottes Wort als einer der vortrefslichsteii Bäume ge- priesen: verdienen wir mit einem solchen Baume ver- glichen zu werden? Viel eher sind wir dem Dornbiisch gleich, der bittere Frucht trägt und mit seinen feind- seligen Stacheln jedermann wehrt, ihm nahe zu kommen; denn Bitterkeit, Haß, Feindschaft und Neid, das ist unsre arge Mitgift von Natur. Gott hat uns aber zu Feigenbäumen gemacht durch fein Wort und seine Sakramente; er hat in das wilde Holz unsrer Natur den edlen Saft seines heil. Geistes gegossen, da ist der arge Baum durch Gottes große Gnade erneuert und ein guter Baum geworden, daß er nun ein Feigenbaum heißen kann. Damit er aber bleibe, was er geworden ist, und heranwachse und gedeihe, so hat ihn Gott in ein fruchtbares Erdreich, in den Weinberg seiner Kirche gesetzt; da lässet er die Sonne seines Lichts zu allerlei Erkenntniß und Erlenchtung auf ihn scheinen, und tränket ihn mit dem Thau seines Evangeliums und den Strömen seines lebendigmachenden Geistes. Er übergiebt ihn dem Weingärtner Jesu Christo, daß er ein sorgfältiges Auge auf ihn haben und ihn nach seiner großen Treue und Liebe pflegen soll. Das thut Der auch und bestellt noch außerdem Hüter, welche die wil- den Thiere des Jrrthnms und die Säue der Gottlosig- keit von ihm fern halten und Tag und Nacht auf ihn achten sollen; er selbst aber ziehet den Baum und schneidet die Wasserreiser weg und wendet alles an ihn, damit er wohl gerathen soll. Er darf wohl sagen: »was soll man doch mehr thun an meinem Feigenbaum, das ich nicht gethan habe an ihm?« Das bedenke, lieber Mensch« Gott hat nichts an dir gespart; du bist nicht unter Heiden ausgewachsen, und du kannst nicht sagen: »ich verstand es nicht besser, ich wußte nichts von Gott, ich habe ihm auch nicht dienen können-« Damit ent- schuldige dich nur ja nicht; du würdest sonst Gott in’s Angesicht lügen und deine iible Sache noch ärger machen — es ist alles geschehen, was zu deinem Heile ge- schehen konnte. (Münkel.) Wie, wenn nun Gott nach allen diesen Vorbereitungen und Segenswohlthaten käme und Frucht bei uns suchte? uns fragte: hast du Buße gethan, bist du in mein Reich eingegangen, hast du alle Morgen von Neuem dich mir übergeben, führst du ein verborgenes Leben mit Christo und kannst du sagen, du seiest wiedergeboren und ein wahrhaftes Kind Gottes geworden? —— Ach, ich fürchte, es wird auch uns gelten, was er im Texte sagt: »ich bin nun drei Jahre lang alle Jahr gekommen und habe Frucht gesucht aus die- sem Feigenbauny und finde keine,« Gott kam zu uns in unserer Kindheit, in den wonnereichftenTagen unsers Lebens, es war sein erstes Gnadenjahr an unsrer Seele: achl er fand einen störrigen Sinn, Eigenwillem Trotz und Uebermuth; das Jahr ging vorüber unter mancherlei Eindrücke» feiner göttlichen Liebe und Treue, aber die Frucht war ausgeblieben. Da kam er wieder in unsrer Jugend: Jünglinge und Jungfrauen, wie redet der HErr zu euch in den hoffnungsreichsten Tagen eures Lebens, wie viel regt er an, welche Welten mäch- tiger Gefühle und heiliger Vorsätze ruft er hervor! — ach, es ist ein zweites Gnadenjahr. Aber es geht vor- über, und das Grundgepräge bleibt Leichtsinn und sinn- liche Lust. Nun kommen die ernsteren Tage des männ- lich en Alters; die Stimmen Gottes zur Buße werden nachdrücklicher, die Lebenserfahrungen erschiitternder — es ist sein drittes Gnadenjahr. Wie, hat es Frucht getragen? Wohl Früchte des Ehrgeizes und des irdi- schen Sinnes, aber nicht der Gottseligkeit. Wie nun, wenn der HErr zu dem Weingärtner spräche: »hane ihn ab, was hindert er das Lands« (Fr. Arndt.) Höre das, Mensch, und fürchte dich: der Krug geht so lange zu Wasser, bis er bricht; was noch nicht gekommen ist, das kann kommen in Einem Augenblick. Soll dich das Verderben plötzlich überfallen? Siehe hinter dich, seine Fußtritte rauschen schon; und hättest du nicht harte Ohren, du hättest schon lange das Rauschen derselben hören können. Weil du nicht Gott hast süße Frucht bringen wollen, so sist dir selbst manche bittere Frucht gewachsen. Was ist dein EhestaUdP das ist ein bitterer Wehestand; mit übler Laune stehet ihr auf, mit Ver- druß gehet ihr nebeneinander her, mit Zank legt ihr euch wieder nieder. Was ist euer Haus-stand? da sind ungehorsam, un erathene Kinder, da ist Untreue, da sind schwere Ver uste und allerlei Unglück. Was ist euer Beruf und Tagen-erst? viel Mühe und wenig Lust, viel Verdruß und wenig Gelingen, viel Feindschaft und wenig Ruhe. Was ist euer Leben? eine Reihe von Hoffnungen, welche mit herben Täuschungen schließen, allerlei Streit und Herzeleid, das euch nie recht froh werden läßt. Und doch könnt ihr dies Leben führen so, wie ihr es führt? und doch kommt euch der Ge- danke nicht, daß ihr den Weg des Friedens gänzlich verfehlt habt und umkehren müßt? Erkennt ihr es denn gar nicht, daß kein Segen Gottes bei euch ist, daß es eitel Betrug ist mit eurem Werk und Wesen? Das alles hat Gott gethan, damit er euch zur Besin- nung brächte, und warnte und herumholte aus dem Verderben: warum seid ihr denn so stumpf, daß ihr das nicht fühlt, und so gedankenlos, daß ihr das nicht achtet? Das hat Gott nun drei, sechs, zehn, zwanzig und mehr Jahre fortgesetzt, und ihr seid nicht umge- kehrt: o wie sehr ist es zu beklagen, daß alle seine Ar- beit an euch verloren ist! Und dann? — ja, dann ist es aus mit euch; die Axt wird schon geschärst, daß sie dem unfruchtbaren Baum an die Wurzel gelegt werde. Oder sollte Gott ihm für immer den Platz gönnen? »Was hindert er das Lands« —- vernehmet es, ihr unfruchtbaren Feigenbäume, ihr seid den Platz nicht werth, da ihr stehet; ihr seid nicht werth, daß euch die Sonne bescheint; ihr seid nicht einmal werth, daß man euch an eurem Orte verdorren und verfaulen läßt. Das ist der Weinberg Gottes, da ihr stehet, das ist die heil. Gemeinde Gottes, wo er seine Gnade und Wahr- heit offenbart und sich herrlich erweifet an seinen Gläu- bigen. Dahin gehört ihr nicht, da ist kein Platz für solche verkehrte, unbußsertige Leute: gehet hin unter die Türken und Heiden, vielleicht wird man euch da wach- sen, mit euren faulen Früchten die Luft verpesten und endlich vermodern lassen; aber in den Weinberg gehört ihr nicht. Da verschattet und dämpfet ihr die jungen zarten Bäume mit euren« breiten Zweigen und nehmet ihnen die Nahrung weg; wer das Unglück hat, in eure Nähe zu kommen, der muß auch von euren schandbaren Sitten leiden. An eurer Stelle könnte besser ein Andrer stehen, und wäre es auch nur ein Heide: wenn der das Wort Gottes hörte und ihm der Weg des Lebens ge lehrt würde, so wäre vielleicht noch Hoffnung, daß er die Miihe vergälte nnd dem Herrn des Weinbergs Frucht brächte. Was soll man denn an euch ferner die kostbare Gnade Gottes verschwenden? hinweg mit euch! fort, fort aus dem Weinberg in’s Feuer! (Mün»kel.) Wir kennen sie, die holde Stimme, die so liebreich bittet für den unfruchtbaren Baum: »Herr, laß ihn noch dies Jahr!« Es ist die Stimme unsers treuen Heilandes, der gekommen ist, nicht daß er die Welt richte, sondern daß er sie selig mache; es ist die Stimme der göttlichen Langmuth und Geduld selber, die nicht will den Tod 48ö 756 des Sünders, sondern daß er sich bekehre und lebe. ,,Laß ihn noch dies Jahr, daß ich um ihn grabe und bedünge ihn, ob er wollte Frucht bringen«: siehe, so heißt’s noch einmal über dich und mich; noch ein Jahr soll uns geschenkt sein, für Manchen unter uns viel- leicht das letzte. Noch einmal will der himmlische Gärtner an uns arbeiten, unsern harten Herzensboden umgraben mit der eisernen Haue seiner ernsten Heim- suchungen, die dürren Wurzeln unsers Lebens düngen mit der reinigendeii und erneuernden Kraft seines Blutes, die milde Sonne seiner Gnade über uns leuchten lassen, den befruchtenden Regen seines Wortes über uns aus- gießen, ob vielleicht noch ein lebendiger Trieb komme in den erstorbenen Baum, ob vielleicht noch Früchte sich zeigen, späte Früchte einer rechtschaffenen Buße, Evangelium Lilcä 13, 10——15. eines lebendigen Glaubens, eines neuen Gehorsam-s, damit es sich nicht endlich doch noch ersülle: ,,ioo nicht, so hane ihn darnach abl« (Gerok.) Wird die Axt ein- s mal an den Baum gelegt, dann Ein Schlag, und mit Stamm und Krone liegt er im Staube. Das ist der Tag, an welchem der Leib hinsinkt, getroffen von dem « Schlage des Todes, nnd wo die Seele vor dem Richter erscheint, der sein Angesicht im Zorn einmal zu ihr hin und dann auf ewig von ihr wegivendet. O ihr, die ihr durch das Erbarmen, das euch so lange trug, dul- s dete, verschonte, nicht gerührt wurdet, zittert vor dem s heil. Gotte, dessen Gerechtigkeit ein verzehrendes Feuer ist und der zu der Stunde, die Keiner weiß, als Er allein, seiner Gnade ein Ziel gesetzt hat, um nun seinen Ernst walten zu lassen. (Theremin.) Zweiter diaihtrag aus der galiläisrhen Wirksamkeit Iesn (Kap. 13, 10—,21.) I« d. 10—17. (§. 33.) Der Evaugeliü versehl uns hier, wie unzweideutig aus der vergleikhuiig des folgenden Abschnitts mit deii parallelstellen bei iilattlzäus und Mariens hervorgeht, abermals, gleichwie in Ray. II, 14 — 12, 59, in die Zelt der galiläischen Wirksamkeit Christi zurück, um so noch bestimmter erkennen zu lassen, daß das mittlere, in san. II, 1—9 enthaltene Stück für sich allein dasteht und zu der in nun. 9, 51 ff. beschriebenes! Reise nach Jerusalem nnd Sludäa als Uotirung der Mai— kehr von dort gehört; wie aber der Ginschub in Karl. It, 14—12, 59 es durchgehends mit der letzten Zeit des öffentlichen Auftretens Jesu in Galiläa zu thun hat (§.53—62), so versetzt uns der indem vorliegenden und in dem nächstfolgenden Abschnitt in die erste Zeit dieser Wirksamkeit, wie deutlich daraus erhellt, daß der Schuls oberste seine Opposition: gegen den tjOrrn noch nicht un— mittelbar geltend macht, wir auch schoii erkannt haben, das; die Gleichnlsse voni Seuflioric und Sauerteig» in die erste Sccpredigt Christi fallen. Es scheint, daß die thei- lung der aehtzehnjäljrigeic Kranken am Sabbath das erste Wunderwerk war, womit Jesus zu Anfang September des J. 28 n. Ehr» nach der von tiapernauin aus gemachten ttuudreise läuft. 4, 42 is) und der dann folgenden Ruhe während der heißen Soiinnerszeih seine Thätigkeit wieder aufnahm; und es scheint, als ob der Sihnlobersttz der dein Volke verwehren wollte, am Sabbath mit Bitten um itjilfe zu Iesu zu kommen, kein anderer war, als derjenige Janus, der einige Tage später selber sich genöthigt sah, des thErrn Hilfe für sein tiitid ia Anspruch zu nehmen (ttap. b, 41 ss.), so daß demnach gleich die erste Regung der von den Pharisäern und Schristgelehrteii hernach so angelegentlirh verfolgten Au- klage Jesn auf Sabbathsbructs durch Gottes Fiigulig in der Seele dessen, der sie angehörte, crstiikt wurde. Um deswillen hat auch die cvangclisclse Tradition, wie sie dutch ttialthüus nnd Markus vertreten ist, unsre Geschichtt lieber bei Seite gelassen, solange Jairas noch lebte; St. Lukas ist oben (ia Rats. it, 14—9, 50) dieser Tradition gefolgt, hier aber bringt er die Gesihiktjte außer der Reihe und auch ohne irgend welihe nähere Angabe des Ortes nnd der Zeit nach, da jene Rücksicht nicht mehr zu nehmen war, gleichwie auch Johannes (18, 10) seiner Zeit den Uamen des tkneihtes nennt, dem Petrus bei der Gefangen- uahnie Jesu das Ohr abhicb, während die evangelische Tradition aus gewissen Uiictisicljten ihn ursprünglich noch verschwiegen hatte. 10. Und er [Jesus, als er noch in Galiläa sein Wesen hatte] lcheete m einer Schule fix: einer von den mehreren Schulen, die es in der betreffenden Stadt, nämlich zu Kapernaum, gab] am Sabbath [Kap. 4« 15 u, 31]. 11. Und siche, ein Weib lvcir da innrer den Zuhörerns das hatte einen Geist der Krankheit achtzehn Jahre swar sei: 18 Jahren mit einem Dämon oder bösen Geist behaftet, der sie krank und schwach machte, daß sie ihre natürlichen Leibeskräfte nicht gebrauchcn konnte], und sie war krumm sindem der Geist der Krankheit sie so voll- ständig zusamnienzog, daß sie niedergebtickt zur ; Erde einhcrgings und konnte nicht wohl [d. i. durchaus nichis aussehen lwar also schlechterdings außer Stande, ihr Haupt nach oben empor zu richten]. »Der HErr ist an einem Sabbath in der Shim- goge, und zwar zum Zweck des Lehrens; auch das kranie Weib hat diese Stätte — nicht etwa, wie die Blut- slüssige in Kap. 8, 43 sf., um mit dem wunderthätigeci Jesus in Berührung zu kommen, sondern um den Sabbath zu feiern —- betreten.« Einerseits kann man s hierin eine Ergebung erkennen, die sich längst in das nun einmal beschiedene Loos gefunden hat und nach Wiedergenesung nicht mehr verlangt, wie denn auch , Jesus sie hernach (V.12f.) aus eigenem Antrieb zu Zweiter Nachtrag aus der galiläischen Wirksamkeit Jesu. Die Sabbathshcilung. 757 sich heran ruft, ihr die Erlösung entgegenträgt und erst durch seine Handauflegung sie dahin bringt, daß sie von ihrer Befreiung Gebrauch machtx andrer- seits aber ist es auch ein Anzeichem daß Christi Lehren in der Schule und sein Wunderthun an den Kranken eine längere Zeit daher stillgestanden hat und man es nicht mehr gewohnt ist, seine Zuflucht zu ihm zu neh- men. Aus diesem Grunde bezeichnen wir diese Geschichte als die Wiederaufnahme seiner Thätigkeit nach einer mehrmonatlichen Pause: er hatte sich nach Kap. 4, 42 bis 44 den Bewohnern von Kapernaum, nachdem er nur eine Woche lang seine Herrlichkeit dort entfaltet, « sofort wieder entzogen, in die Umgegend sich begeben und dann für die Zeit von einem Vierteljahre in die Stille des Privatlebens zuriickgezogen; da wußte man kaum noch von ihm, seine frühere Thätigkeit war ihnen wie ein vom Himmel wieder verschwundenes Meteor, und so mußte er selbstthätig und ungebeten eingreifen, um es die Leute merken zu lassen, daß er sich ihrer wieder annehmen wolle. Wir werden hernach sehen, wie darin etwas Vorbildliches in Betreff der Zukunft Jsraels liegt; daß aber St. Lukas von dem Weibe den Ausdruck braucht, sie habe einen Geist der Krankheit gehabt, und nicht bei einem gewöhnlichen und natür- lichen Nerven- und Riickgratsleiden es bewenden läßt, weist uns mittelbar auf Kapernaum als den Ort der Begebenheit hin, indem er, der frühere Arzt (Col. 4, 14), schon in Kap. 4, 38 ff. uns das Fieber der Schwie- germutter Petri als sehr ernster Natur erkennen und auch sonst merken ließ, daß gerade Kapernaum mit sehr vielen dämonischen Leiden heimgesucht war (Matth. 8, 15 Anm.). Man hat es zwar in Abrede stellen wollen, daß mit ,,Geist der Krankheit« auf einen dämonischen Zustand hingewiesen werden solle; allein in V. 16 redet ja der HErr ausdrücklich von einem Bande, womit Satanas die Frau gebunden hatte, es müssen also mit der Krankheit Zustände verbunden gewesen sein, die auf einen tieferen Untergrund als eine blos leibliche Zer- rüttung deuteten. Eine Krankheit als solche, bemerkt Olshaus en, ward niemals vom bösen Geist hergeleitet, es mußten immer noch anderweite Symptome hinzu- kommen; vielleicht also war das Leiden der Frau mit zeitweiliger Raserei verbunden, oder es zeigte sich an ihr, die vor den 18 Jahren gerade durch besondere Gaben des Geistes sich ausgezeichnet hatte, ein dumpfes, gestörtes, fast thierisches Wesen· Hier können wir nun auch der Frage nach der Vorbildlichkeit der Begebenheit näher treten, und wird sich da zeigen, daß die schrift- stellerische Anreihung derselben an das Gleichniß vom unfruchtbareii Feigenbaum keine rein zusällige, sondern eine vom heiligen Geist, der die biblischen Schriftsteller leitete, beabsichtigte ist. Jn diesem Feigenbaum mußten wir ein Bild Jsraels und in dem ihm gedroheten Ab- hauen ein Bild der Verwerfung dieses Volks als des bisherigen Bundesvolks Gottes erkennen; da bildet nun das von einem Dämon geknechtete, seiner freien Lebens- regung nicht mehr mächtige, zur Erde gekrümmte und des Aufblicks nach oben nicht fähige, aber stumpf und dumpf in seinen Leidenszustand ergebene Weib das gegen- wärtige Jsrael unter Gottes Fluche ab, und inwiefern da wirklich von einem Zustande der Besessenheit die Rede sein kann, wurde schoii zu Matth.12,45 bemerkt. Aber auch die 18 Jahre sind nicht ohne Bedeutung; die 42 Monate= 1260 Jahren, die m Offb.11, 2 für die Dauer der Zertretung Jerusalems angegeben wer- den, sind = 18 X 70 Jahren (vgl. Jer. 29, 14 Anm.), und nun wird auch die Bekehrung und Wiederannahme des Volks den Gesichten in Offb. 11, 11s. und 12, 7—12 gemäß in Folge einer außerordentlichen Wen- dung durch das plötzliche Wiederauftreten Christi, nach- dem er für längere Zeit ,,andern'Städten« gepredigt oder sich in der Stille gehalten hat, geschehen und wie ein selbstthätiges Entgegenkommeu gegen diejenigen sein, die in dumPfer Gelassenheit sich in ihr Schicksal ergeben haben, als wäre nichts mehr daran zu ändern. Vgl. das Sinnbildliche in dem Zsjährigen Kranken am Teiche Bethesda in Joh. 5, 7 u. 16 Anm. 12. Da sie aber Jesus [nachdem er seinen Vortrag gehalten] sahe, rief er lihres Elends in zuvorkommender Gnade sich erbarmEnd Jes 65, 24] sie zu sieh ihm-an] und sprach zu i r sals sie nun, wie ein Thier zur Erde gekrümmt, vor ihm stund]: Weib sei los von deiner Krankheit swelchceine fremd; Macht dir auferlegt hat; die Zeit deiner Gefangenschaft ist nun abgelaufen Kap 4, 18·]; f F. Yeniäqlegte die Hikiigte auf Te svogi sdiieBfee rem en a ,t ie zu ente igen un in a e- reich seiner Macht sie zu ziehen und da sofort mit seiner Lebenskraft zu erfüllen l. Mos. 48, 14 u. Z. Mos. I, 4 Anm.], nnd alsbald [war des Satanas Band zerrissen, und] tichtetc sdemnachj sie auf [als eine völlig Gesunde] und pteisete Gott [wie der Gichtbrüchige, als er sein Bette aufhub und davonging Kap. 5, 25]. 14. Da antwortete der Oberste der Schule [auf die, wie er meinte, eine Zurechtweisung her- ausfordernde That], und war unwillig [im un- verständigen Eifer für die pharisäischen Satzungen, denen er anhing], das; Jesus auf den Sabbath heilete lwas er ihm wohl auch durch einen Blick seiner Augen zu verstehen gab],«uud sprach zu dem Volk smit der Miene eines Mannes von göttlicher Auctorität Many. 23, 2]: Es sind sechs Tage sin der Woche], darinnen man snach dem Gesetzt 2. Mos. 20, 8 ff] arbeiten soll; in denselbigeii kommt und laßt euch heilen, und nicht am Sab- bathtage lfür welchen Tag Ruhe geboten ist, daß niemand da ein Werk thue]. Der Mann fühlte nichts von der Herrlichkeit die- ses Moments, er war nur ungehalten über die Heilung am Sabbath; allein er gehörte noch zu den schüch- ternen Gegnern des HErrn und wagte nur ihm mittel- bar Vorwürfe zu machen, indem er das arme Volk scheltend anfuhr und dabei ganz nach dem damaligen Vorurtheil der Juden redete, das, wo noch Aufschub möglich war, die Krankenheilung am Sabbath unbe- dingt verbot und nur bei ofsenbarer Lebensgefahr eine Ausnahme gelten ließ. (P. Lange) Was hat denn das arme Weib gethan, daß er Aehnliches allem Volk für die Zukunft verbietet? Nichts an ihrem Theil- kein Wort gesprochen zur Bitte, nur hinzugetreten ist sie auf des HErrn Ruf; aufgerichtet hat sie sich, als sie es wieder vermochte. Härte. sie etwa sagen sollen: O nein, HErri heute ist Sabbath, ich bin noch nicht los; morgen erst darf ich mich aufrichten und Gott preisen? Man sieht, der Mann redet in seinem blin- den Eifer baaren Unsinn. (Stier.) 15. Da antwortete ihm der HErr sder ja 758 der mit der schiefen Strasrede eigentlich Ange- griffene war] nnd sprach: Du Heuchler fnach anderer Lesart: Jhr Heuchler, Du und Deines- gleichen, die Pharisäer und Schriftgelehrtenh lösct nicht ein jeglicher unter eiich seinen Ochsen oder Esel vatt der Krippe lobwohl das doch eurem Begriffe nach auch ein verbotenes Arbeiten wäre —- merket nur: auflösen, führen, tränken! was ja in der That ein wirkliches Handthieren und eine nichts weniger als geräuschlos verlciufende Thätigkeit ist] am Sabbath und fiihrct ihn zur Tränke [ohne sich ein Gewissen draus zu macheu]? T IS. [Das thut ihr, weil euer irdisches Jii- teresse dabei in’s Spiel kommt] Sollte aller nicht gelöset werden am Sabbath diese, die doch Abrahams Tochter ist, von diesem Bande sschwerer Krankheit — sie], welche Sntanos gebunden hatte nun wohl fmerket recht auf die Zeit!] achtzehn Jahr? Die Wortstellung im Grundtext lautet hier sehr nachdrücklichx Diese aber, während sie doch eine Tochter Abrahams ist, welche der Satanas gebunden hatte —- siehe — achtzehn Jahre, sollte man nicht lösen am Sabbathe? Sie hebt erst hervor, wie viel iverther schon der Gegenstand der Hilfe gewesen sei in diesem Fall; denn es handelt sich ja um eine Tochter Abrahams ein Glied des Vol- kes Israel, des Buudesvolkes Gottes, worauf sie sonst so stolz waren. Dann waren ihre Bande so viel schmählichey schmerzlicher und — was durch das einge- schobene »siehe« hervorgehoben wird —- länger dauernd gewesen: und dennoch sollte ihr nicht gewährt werden, was jeder seinem Ochsen oder Esel gönnt und für ein Nothwerk ansieht am SabbathcI (v. Burger.) Jesus zieht die ganze Partei, deren Repräsentant der Mann ist, zur Verantwortung; die Schärfe seiner Anrede: »Heuchler« rechtfertigt sich durch die Zusammenstellung der Freiheit, mit welcher sie das Sabbathsgesetz an- wenden, wenn ihre kleinsten Jnteressen in’s Spiel kommen, und der Engherzigkeih mit welcher sie ver- fahren, weiin es sich um die bedeutendsten Jnteressen ihrer Mitmenschen handelt. Der Gegensatz zwischen Ochsen oder Esel und Abrahams Tochter, zwischen Krippe und Satan, endlich zwischen den beiden zu lbsenden Banden, den leiblicheu und geistigen, ist augen- fällig; das Wort ,,achtzehii Jahr« aber, welches ein tiefes Mitleid ausdriickt, ist die köstlichste Krone der Antwort. (Godet.) Die kalten Afterheiligen sprächen vielleicht: nun, wenn sie 18 Jahr gebunden war, kann sie auch noch einen Tag warten; aber er macht gerade das zum Grunde für’s Gegentheil, denn wer den Näch- sten liebt als sich selbst, sagt vielmehr: darum auch nicht einen Augenblick länger, sobald geholfen werden kann! (Stier.) Die ,,Tochter Abrahams« erinnert schon von selbst an den Sohn Abrahams in Kap. 19, 9; das ,,Satan hat gebunden« steht im Gegensatz zu der ord- nuugsniäßigen Gebundenheit des Thiers an die Krippe, die ,, achtzehn Jahre« stehen im Gegensatz zu der ver- hältnisziiiäszig nur kurzen Zeit, während welcher das Thier des Wassers entbehren müßte, und »dieses Band« steht im Gegensatz zu der allenfalls erträglichen Ent- behruug, welche das Thier erleiden müßte, wenn es am Saul-satt) nicht zur Tränke geführt würde. (Stein- Evangelium Lucä 13, 16—23. wehen) Nicht ohne Grund hat der HErr hier von einem Löfen von der Krippe, in Kain 14, 5 aber von einem Herausziehen aus dein Brunnen geredet: an letzterer Stelle droht dem Wasserfllchtigen ja ein Er- stickungstod im Wasser, wie dem Thier im Brunnen, an unsrer Stelle aber vergleicht sich der gekrümmte Zustand des Weibes mit dem Steheii des Thieres an der Krippe 17. Und als er solchcs sagte, innszteii sich fvon der Richtigkeit des Gesagten getroffen und von der Verkehrtheit ihrer eigenen Meinung über: führt] schiiiiieii alle, die svorhin V. 14 dem Ober- sten der Schule in ihrem Herzen beistimmend] ihm sdeui HErrn Jesu] wider ff. v· a. zuwider Jes. Z, 24 Anm. 1] gewesen waren; und alles Volk Dagegen, an der Heilung des armen Weibes von Herzen Theil nehmend] freuete sich iiber allen herrlichen Thateu, die [wie jetzt, fo hernach weiter, seit Jesus nun wieder seine Gottesmacht unter ihnen erwies] von ihm geschahen [denn sie er- kannten wohl, daß solcher Thaten uoch viele folgen würden]. Die rechte Heiligung des Ruhetags hat der HErr dem Volke besonders dadurch gezeigt, daß er eine Menge seiner Heilungen vorzüglich gern am Sabbath verrich- tete, recht als die wahren Sabbathswerkh mit denen er sich der Menschen in ihrem Elend erbarmte und mit denen er sie zugleich von falscher Gesetzlichkeit zu heilen strebte. (Riggetibach.) II. V. 18—21. (§. 34.) Jlnch die als weiterer taachtrag ans der galiliiisctieii Wirksamkeit Christi jeht folgenden beiden Gleithnisse, das vom Sensleorn (v. 18 u. 19) nnd das vom Sauerteig unter denc Mehl (v. 20 n. 21), stehen in uuverltennbarein Zusammenhang mit s dein Gleichntß vom unfruchtbareu Feigenbaiini in d. 6 —9; das erstere erläutert das: »was hindert er das Eaiid?·· und weist darauf hin, daß das von den Juden genoniniene Reich Gottes den Heiden werde gegeben werden, nnd das andere steht im Gegensatz zu dem ,,nitht Frucht - bringen« nnd stellt in Aussicht, daß die Heiden werden Frucht bringen («-triatth. 21, 43). Giuem Jluoleger will es fast unmöglich scheinen, einen Zusammenhang für wieder— hoinng dieser zwei Gleichnisse gerade hier zu finden; aber es handelt sich eben nicht um eine Wiederholung von Seiten (xliristi, sondern nur um eine nachträgliche Heranziehnng von Seiten des Evangelium, der da in Linie. it, 4—2l eine Vermischung der beiden Sees-redigiert, wie bei Jtlatthiins und rrlarlius sie vorliegt, absichtlich vermicdea hat. Wie er nun für die zweite dieser beiden predigten sich ans das Gleichniß vom Sanien auf dem inaniherlei Mir: liesihränlit hat, so bcschränlit er sich hier fiir die erste ans die beiden vorliegenden Gleiihiiissr. cvgl matth 13, 31—33 n. mark. 4, 30——32.) 18. Er sprach aber [als er am anderen Tage nach der im vorigen Abschnitt erzählten Begeben- heit das am Ufer stehende Volk von einem Schiffe aus lehrete Matth. 8, 18»Anm.]: Wem lst das Reich Gottes gleich, uiid wem soll ich es ver- gleichen? » 19. Es ist einem Senskorn gleich, welches ein Mensch nahm nnd warf’s in seinen Garten Zwei Gleichnisse sbei Matth. steht ,,Acker«, bei Mark. »Land«, der ,,Garten« hier aber tritt in bestimmtere Beziehung zu dem ,,Weinberg« in V. 6]; nnd es lvuchs tmd ward ein großer Baum, und die Vögel des Hirn- mels wohnten unter seinen Zweigen. 20. Und abermal sprach er: Wem soll ich das Reich Gottes vergleichen? 21. Es ist einem Sauerteig gleich, welchen ein Weib nahm, nnd verbarg ihn unter drei Scheffel Nichts, bis das; es fganz und] gar sauer ward [vgl. die Bemerk. zu Mark. 4, 30-32]. Das Reich Gottes hat zweierlei Macht: eine Kraft der Ausdehnung, durch welche es allmälig alle Völker I- v. 22——35. (§. 83.) In v. 1— 9 sahcii wir Lesung nachdeiii er sich vor den Uiichslelliingen der Juden ans dem Tempel hatte zurückziehen iniisseitz die Stadt verlassen und unter tlzesprechung mit einer Zltizalsl non ttegleiterin die ebenfalls vom tiirchmeihsest heimliehrtern über den Bach tsiidroii hinüber deni Oelberg ziischreitein Hier nun treffen wir ihn theils auf dem weiteren Wege nach dem nächsten Ziel seiner Reise, theils an diesem Ziele selbst, welchen allem Anschein nach die Stadt Livius in Periia ist«« Die Gedanken, mit denen er von Jerusalem ge- schieden nnd die er im Gleichnisz voiii unfrnchtbaren ilkeigenbauin zum Ausdruck gebracht hat, bewegen sein ihre; noch immer; sie niachcn sich voiic dienen geltend so— wohl in dem, was er einem, der unterwegs ihii gefragt: ,,Hc2irr, meinest du, daß wenige selig werden«-D« zur Flut— wart giebt, als iii seinem Bescheid den Pharisäern gegen· über, die bei seiner Ankunft in Livius ihm den Rath erlheileu, sich von dannen hiuwegziibegebem weil Hrrodes suihe ihn zu tödten. «) Der Ausdruck in Joh- 10, 40: »wieder jenseit des Jordan au den Ort, da Johannes vorhin getauft hatte«, bezieht sich wohl nicht ausschließlich auf Bethabara (Joh. 1, 28), wie die Ausleger meist annehmen, sondern umfaßt vielmehr das ganze östliclse Jordangebiet von Bethabara bis südlich hinunter« an die Ein- niiindung des Flusses in das todte Meer, wie er auch in Joh. 11, 48 nicht von einem einzelnen Ort (Jernfaleiii und dein Tsmfäelx sftoiöåvern nach Luther? richtiger Deutung von dem ganzen » an c« e . 22. Und et« ging lnachdem er in das Land jenseit des Jordan gekommen Joh.10, 40] durch Städte nnd Märkte swie er in Kap. 10, 1 sich vorgenommen hatte], und Iehrete sum sein pro- phetisches Amt nun auch in diesem Theile Palä- stincks wahrzuuehmen], nnd nahm sdabei —- das Ziel, dein seit Kap. 9, 51 sein Lauf immer näher rückte, fest im Auge behaltend] seinen Weg gen Jerusalem lwoselbst er leiden und sterben follte]. Es ist dies von den Einschnittem die Lukas in seinen Reisebericht macht, bereits der zweite; der dritte wird dann folgen in Kap. 17, 11. Zu dieser eigen- thünilichen Eintheilung hat ihn das Wort des HErrn in V. 33 veranlaßt: ,,ich muß heute und morgen und am Tage darnach wandeln Orookiiscttatx denn es thut’s nicht, daß ein Propbet umkomme außer Jeru- Weitere Fortsetzung der laufenden Gcschichte ! i l I i 759 umfaßt, und eine Kraft der Umwandlung, durch ivelche es das gaiize menschliche Leben nach und nach neu schafft; das natürliche Sinnbild der ersteren ist ein Same, welcher in kurzer Zeit ein mit seiner frlthereii Kleinheit nicht in Verhältnis; stehendes Wachsthum er- langt, das der zweiten ein materiell unanfehnliches GährungstnitteL welches aber feine Assimilirungskraft an einer großen Masse beweisen kann. (Godet.) Beide Gleichniffe gehören ganz besonders zu denjenigen, welche einen prophetischeii Charakter tragen: das erstere fand seine Erfttlluiig besonders zur Zeit Constantins des Großen, das zweite im Mittelalter bei der Verbreitung des Christenthiinis in verschiedenen europäifchen Staaten durch den Einfluß der katholischen Kirche; doch erftillen natürlich diese Gleichnisse sich in jedem Jahrhundert des Chriftenthunis in höherem oder geringerem Maße. (v. Oosterzee.) salem«; hier hat das ,,waiidelii« so sehr den bestimmten Begriff eines Reiseris speziell nach Jerusalem zum Leiden und Sterben (vgl. ,,des Menscher: Sohn gehet hin« in Kap. 22, 22, wo im Grundtext das nämliche Wort gebraucht ist), daß ohne allen vermittelnden Zwischengedanken sogleich derSatz mit »denn« ange- schlossen wird, welcher ja unerklärlich bliebe, wenn jenes Wort im allgemeinen Sinne von einem Reisen über- haupt stünde und nicht zugleich Ziel nnd Zweck der Reise mit in sich schlösfe An allen Z Einschiiitten ist nun auch das einmal ausgeprägte Wort im Grundtext streng beibehalten, nur daß hier noch das »Am Jeri1- salem« zu näherer Bestimmung beigefügt, und nicht wie in V. 33 weggelassen ist: sowohl in Kap. 9, 51 als in 17, 11 lesen wir ein Jrogsiixahorr es; Teuern-nährt, an unsrer Stelle aber uiußte das einfache Zeitwort, weil ein esrxrrogsrisro (,,ging diirch«) fchon vorherge- gangen war, umschrieben werden, und da ist denn ab- sichtlich non-Hieri- (11icht säh« Weg) Jroroisxespog fiir diese Uinfchreibung gewählt, um den Ausdruck auch hier zur Geltung zu bringen. Hiernach haben wir deu vor- liegenden Vers nicht als spezielle Ortsangabe für das, was in V. 23 ff. erzählt wird, zu fassen, sondern als Ueberschrift oder näher als Bezeichnung der Kate- gorie, unter welche der ganze folgende, bis Kap.16, 31 reichende und mit dem Nachtrag in Kap. 17, 1—10 schließcude Abschnitt fällt: es ist die nämliche Kategorie, welcher auch der Abschnitt Kap. 9, 52—11, 13 u. IS, 1—9 mit den Nachträgeii 11, 14——12, 59 u. 13, 10 —21 und der Abschnitt Kasx 17, 12——18, 30., welche beide in Kap. O, 51 u. 17, 11 eine ganz ähnliche Ueber- schrift haben, angehören. Die Ausleger verkennen dies Verhältnis; so völlig, daß, wie sie Kap. 13, 1ss. nach Galiläa verlegen, so auch hier an Galiläa denken; aber eben das nagen-Hase« oder Angeln» rrorxzaitnr ei; Ikgooaazsfn weist so bestimmt als möglich darauf hin, daß der HErr von Galiläa nun vollständig sich geschie- den uvd auf den Weg des ,,Wandelns« in dein V. 33 angegebenen Sinne sich begeben hat. 23. Es sprach aber fals er von da, wo die Verhandlung in V. 1—9 vorgefalleii war, seines Weges weiter zog] eitler svon seinen Begleiterm durch den gewaltigen Ernst seiner Rede erschreckt] zu that: »Wer, meinest du, daß wenige selig 760 werden les sind wohl, wie aus deinen Muße- rungen hervorzugehen scheint, wenige, die selig —- in das Messiasreich hinüber gerettet —- werden, im Großen und Ganzen dagegen ver- fällt Jsrael dem Gericht der Verwerfung]? Er aber sprach zu ihnen snicht blos zu dem Frager selber, sondern auch zu feinen übrigen Wander- gefährten]: 24. Ringet darnach, das; ihr durch die enge Pforte ldie jetzt euch noch offen steht, in das Himmelreich] eingehet [Matth. 7, 13 f.]; denn viele werden, das sage ich euch, sgerade von da an, wo diese Pforte nun zugeschlossen ist] dar- nach trachten, wie sie hineinkommen sin das Reich Gottes], nnd werden? [auf ihren eigenen, selbst: geschaffenen Wegen trotz aller Anstrengung] nicht thun kijllnensp [weil das Hineinkommen sich nicht erzwingen läßt, sondern von Gottes Gnade ab- hängt, die ihre Zeit hat, und nur auf dem ein- zigen, von ihm geordneten schmalen Wege ge- fchehen kann] 25. lLaßt mich das in einer neuen Wendung des Gleichnisses, die noch bestimmter sagt, zu wem ihr euch vor allen Dingen aus den rechten Fuß zu stellen habt Kap. 12, 58., euch noch dringen- der an das Herz legen:] Von dem an, wenn der Hanswirth [der, welcher über Einlaß in das Reich Gottes zu verfügen hat und der Hausvater da- rinnen ist Kap. 14, 21 u. 243 Matth 10, 25; 13,27; 2o,11] ausgestanden ist soon seinem Sitz, weil nun die Zeit vorüber, bis zu welcher er auf die Rückkehr der von ihm gegangenen Hausgenossen zu warten sich vorgenommen hatte Kap. 11, 49] und die Thür verschlossen hat sum ferner niemand von denen, die bis dahin sich nicht eingestellt haben, mehr einzulassen], da werdet ihr dann sdie ihr zu spät kommetj ansahen drau- szeu zu stehen, nnd svoll innerer Angst und Pein] an die Thiir klopfen und sagen: HErr, HEru thue Uns auf [wir gehören ja auch in dein Haus Rom. 10, 1f.]. Und er wird antworten und zu euch sagen: Jch kenne euer nicht, wo ihr her seid [so sehr habt ihr eure Abkunft von den Vätern, deren ihr euch rühmet, in’s gerade Gegen- theil Verkehret Joh. 8, 33—44]. 26. So werdet ihr dann lauf eure besondere Zugehörigkeit zu dem Hanswirth der vordem euch so nahe gestanden Rom. 9, 4 f.; Hebr. L, 16., euch berufe-nd] ansahen zu sagen: Wir haben sals du noch aus Erden da warst] vor dir gegessen nnd getrunken, nnd auf den Gassea hast du uns gelehret [da wirst du doch nicht gerade mit uns so hart verfahren; du wirst doch nicht deine Aller- uächsten,«. deine Gesreundte und Landsleute, lassen draußen stehen] Evangelium Lucä 13, 24—31. 27. Und er wird lsie gleichwohl verwerfend und zugleich ihre schwere Sünde des Unglaubens, womit sie vordem ihn verworfen haben, ihnen aufriickend Rom. o, 32 f.] sagen: Jch sage euch lwiederhole mein voriges Wort V. 25 noch ein- mal], ich kenne euer nicht, wo ihr her seid; weichet allc von mir, ihr Uebelthåter.tk 28. Da wird lunter euch, den ursprünglichen Kindern des Reichs, die ihr nun aber draußen bleiben mußt] sein Heulen nnd Zithuklappetr lWehklagen und Verzweiflung Matth 8, 12], wenn ihr sehen werdet Abraham uud Jsaak und Jakob nnd alle Propheten ldie auf Christum gehofst und von Christo geweissagt haben Kap.10, 241 im Reich Gottes [insofern nun wirklich ein Reich Gottes aufgerichtet ist, in welchem ihr Hoffen und Weissagen seine rechte Ersüllung und sie selber ihre Vollendung gefunden Joh I, 45; Luk. 24, 25 ff; Apostg. 10, 43; Hebr. 11, 39 f.], ench aber ldie ihr als deren Kinder und als Erben der Verheißung Apostg 2, 39 vor allen andern Völkern die nächste Anwartschast auf dieses Reich gehabt habt Matth. 15, 24z Röm. 15, s] hinaus gestoßen. 29. Und es werden [im Laufe der Jahr- hunderte, während welcher das Reich Gottes den Heiden gegeben ist Matth. 21, 43] kommen saus allen vier Himmelsrichtungen der Heidenwelt, nämlichj vom Morgen nnd vom Abend, vou Mitternacht nnd vom Mittag [solche], die zu Tische sitzen werden [mit euern Vätern und den Propheten] im Reiche, Gottes lder Güter des- selbigen reichlich genießend Matth 8, 11., unter- deß ihr darben müsset und gar elend daran seid Osfenb. 6, 12 sf.]. i 30. Und siehe, es sind swas die Zulassung zum Reiche Gottes im Verhältnis; zu den ur- sprünglichen Rechtsansprüchen darauf betrifft] Letzte, die werden die Ersten sein [Röm. 15, 9; Ephes 2, 11—-13], nnd sind Erste snämlich die Kinder des Geschlechts Abrahams Matth. 10, S; Apostg. is, 46], die werden die Letzteu sein sindem aller- dings, wenn die Fülle der Heiden wird eingegangen sein, auch an sie noch einmal die Reihe kommt Rom. 11, 25 f.]. «) Das messianische Königreich wird hier dargestellt unter dem Bild eines Palastes, in welchen man nicht, wie es als natürlich erscheinen würde, durch ein groß- artiges Portal eingeht, sondern durch eine enge, nie- drige, kaum sichtbare Pforte, ein Schlüpfthoy die Ein- geladenen weigern sich, da einzugehen, dann wird es geschloss en und sie bitten vergeblich den Hausherrn, es wieder zu öffnen — es bleibt geschlossen und sie ausgeschlossen. Die »enge Pforte« stellt den Glau- ben an den erniedrigten Messias vor; das großartige Thor, durch welches die Juden hätten eingehen wollen, würde, wenn es genannt wäre, die Erscheinung des er- xsjsErix meinest du, daß wenige selig werden? Jesu Antwort auf solche Frage. 761 warteten Messias in seiner Herrlichkeit sein. Das ,,ringet darnach« drückt im Bild die Angst aus, welche durch die Schwierigkeit, durch eine so enge Oeffnung hineinzukommen, verursacht wird, in der Anwendung bezeichnet es die Demüthigungen der Buße, die Kämpfe der Bekehrung. Jesus sagt nicht, ob viele oder wenige selig werden; er versichert nur, daß viele verloren gehen, das allein ist für die praktische persönliche An- wendung von Wichtigkeit, wobei nichts im Wege steht, daß auch viele selig werden. (Godet.) Auf die ähn- liche Frage, die sonst und wiederholt an ihn gerichtet wird: ,,was muß ich thun, daß ich das ewige Leben ererbe?« hat Jesus immer eine klare, entschiedene, un- umwundene Antwort; seine Antwort in unserm Text dagegen trägt ein anderes Gepräge. Woher dies? Das liegt eben in der Verschiedenheit der Fragen. Wo der Mensch fragt: »was muß ich thun, daß ich«selig werde?« da wird ihm Gottes Wort immer und ohne viel For- schen sagen, was er thun soll; wo aber der Mensch fragt: ,,HErr, meinest du, daß wenige selig werden?« da hat Gottes Wort immer zunächst die Antwort: ,,fchaffe vor allem, daß du selig werdest.« Darum fpricht auch der HErrx ,,ringet darnach, daß ihr durch die enge Pforte eingehet«, und weiset mit diesen Wor- ten den, der gefragt hat, wie die, welche um ihn stehen ohne gefragt zu haben, auf ihr eigenes Selbst zurück; er wendet die Frage nach der Zahl der Seligen zu einer Frage nach ihrem eigenen Heil. Damit läßt uns der HErr einen Blick thun in das Christenthum überhaupt. Das Christenthum ist nicht etwas, bei dem dein persönliches Jch nicht betheiligt wäre, sondern es ist etwas, bei dem dein Jch immer zunächst und am meisten betheiligt ist; es handelt sich dabei um Fragen, welche nicht blos die Welt im Allgemeinen, sondern vor allem dich selbst angehen — das Christenthum ist deine wahrste, eigentlichste Lebensfrage. Ob du an den HErrn glaubst oder nicht, ob du dem HErrn oder der Sünde dienst, ob du die Ehre des HErrn suchst oder sie mißachtestx es handelt sich dabei nicht zunächst um den HErrn —- seine Ehre, seine Herrfchaft, seine Herr- lichkeit bleiben ungeschmälert; es handelt sich dabei auch nicht zunächst um das Reich Gottes —- das geht sei- nen Gang, wenn es auch über dick) hinweggehen müßte; es handelt sich dabei zunächst um dich, ob du ange- nommen oder verworfen werden, ob du göttliches Wohl- gefallen oder Mißfallen ernten, ob du der Kindschaft Gottes dich getrösten oder seine Nähe fürchten wirst; es handelt sich dabei zunächst um deine Zukunft, ob ewi- ges Leben oder ewiger Tod sie sei, um dein ErbtheiL ob es das Himmelserbe der Auserwählten oder das Flucherbe der Ausgestoßenen sein wird. Christliches Glauben und Leben ist das Allerpersönlichste, bei dem niemand mehr betheiligt ist, als du selbst es bist; und du bist es nicht nach einem geringen, sondern nach dei- nem besten Theil, nicht nach der Seite blos, daß du dich zeitlich glückliclh sondern vor allem nach der Seite, daß du dich ewig selig fühlst. Das christliche Leben geht aus der Sorge um uns selbst hervor, und in seinen Verheißungen wird die Sorge um uns selbst gekrönt; und während das Christenthum auf der einen Seite die Hin- und Drangabe unsers eigenen Jch verlangt, während es Selbstverleugnung, Selbst- entsagung, Selbstaufopferung fordert, ist es doch auf der andern Seite zugleich die wahrsie, tiefste Sorge um das eigene Selbst. Nicht dadurch unterscheidet sich das Weltleben von dem Christenlebem daß man in dem ersteren nur für sich sorgt und in dem anderen nicht, sondern das ist der Unterschied, daß man in dem einen für sein niederes, irdisches Jch sorgt, in dem anderen aber für sein höheres, ewiges Jch Sorge trägt; daß man in dem einen das Seine sucht ohne Gott, in dem andern das, was Gottes ist, um es zu dem Seinen zu machen. (Brückner·) IN) »Der entscheidende Akt des Hausherrn, welcher von seinem Sitze aufsteht, um die Thüre zu schließen, ist das Sinnbild der Unmöglichkeit aller Bekehrung und aller Begnadigung von diesem Augenblicke an«: so wird von einem Ausleger ganz richtig erkannt; wenn derselbe aber dann auf die weitere Frage: »Welches ist dieser Augenblick« in Abrede stellt, daß es der der Verwerfung und Zerstreuung Jsraels sei, so würde die gehörige Beachtung dessen, was St. Paulus in Röm 11, 7—10 sagt, ihn davon überzeugt haben, daß es kein anderer, als eben dieser Augenblick sei· ,,Klarer — so sagen wir mit P. Lange — hätte Jesus den bald bevorstehenden Abfall der jüdischen Nation von dem Mittelpunkte ihres Glaubens, ihre Ausfchließung aus dem Reiche Gottes und den Eintritt der Heiden von allen Enden der Erde in dieses Reich nicht ver- kündigen können. Freilich hat das Volk Jsrael die innere Bedeutung dieses Verhältnisses nicht mit Klar- heit erkannt, allein in tausend Gestalten hat es den Jammer seiner Ausgeschlossenheit schon mit dunkelm Be- wußtsein geäußert« Jn der ersten Zeit der Verbrei- tung des Christenthums unter den Heiden erfüllte die Juden mit Neid, daß das Evangelium von Jesu Christo, das sie selber von sich stießen, den Heiden sollte gebracht werden (Apostg. 13, 45; 17, 5 u. 13; 18, 12): warum doch das? warum sollten auch Andere nicht haben, was sie selber nicht mochten? Nun, es ist das freilich auch sonst die Art des Neides und der Miß- gunst, sowohl in irdischen als in himmlischen Dingen (Kap. 11, 52); aber bei den Juden hatte er doch noch den besonderen Grund, daß sie recht wohl fühlten, wie dieser "·Jesus von Nazareth, den sie verwarfen, eigent- lich der Jhre sei und wie sie mit Jhin auch das Reich Gottes und das ganze Erbe der den Vätern geschenkten Verheißungen herausgeben müßten. Und dasselbe Gefühl beherrfcht sie heute noch, wenn sie wider das positive Christenthum zu Felde ziehen und alle Kräfte aufbieten, es aus Staat und Kirche derjenigen christlichen Völker, unter denen sie wohnen, herauszuschaffen und eine Hu- manitäts-Religion dafür an die Stelle zu setzen, all ihr Dringen auf Emancipation aber und Gleichftellung mit den Christen ist weiter nichts, als ein Draußen- stehen vor der Thür, ein Anklopfen und Rufent ,,HErr, HErr, thue uns auf!« Es wird umsonst sein, daß sie damit in das Reich Gottes kämen, denn ein civilisirter Staat ist noch kein Reich Gottes und die von sich selbst abgefallene Kirche ist es nicht mehr; daran viel- mehr, daß die Judenmission so äußerst geringen Erfolg hat und daß die Juden ausdriicklich es sich verbitten, sie zu Gläubigen Jesu Christi machen zu wollen, zeigt es sich, daß der Hauswirth die Thür vor ihnen zuge- schloffen hat. Freilich nun soll es nicht so bleiben bis an das Ende der Welt, wie Luther in der späteren Zeit seines Lebens meinte, auch nicht, wie viele christ- liche Theologen der Gegenwart behaupten, bis zu dem entscheidenden Augenblick der Wiederkunft Christi vom Himmel; wohl aber soll es so bleiben, bis die bestimmte Zeit abgelaufen ist und die Mächte des Himmels nun eingreifen, damit an die Stelle des Zornes Gottes die Gnade vom Neuen treten könne. Es wird das anders geschehen, als man gewöhnlich erwartet, und früher eintreten, als man’s zur Zeit für möglich hält. 31. An demselbigen Tage sals der HErr nun gegen Abend am nächsten Zielpunkt seiner 762 Evangelium Lucä 13, 32——35. Reise, in Livius eintraf] kamen etliche Pharisäer sdie von dem Vierfürsten Herodes schon dazu an- gestellt waren, ihn aus seiner Nähe fern zu halten] uiid sprachen zu ihm: Heb dich hinaus saus dieser Stadt] nnd gehe [aus dieser ganzen Gegend] von hinnen; denn Herodes niill dich tödten* fund du weißt ja, wie es vormals dem Täufer hierorts ergangen ist Matth 14, 3 ff.]. 32. Und er sprach zu ihnen: Gehet hin nnd saget demselbigen Fuchs« [diesem Hcrodes von dem ihr zugerichtet seid, was ihr mir sagen sollt, obwohl ihr euch so anftellet, als kämet ihr aus eigenem Beweggrund, indem ihr es mit mir wohlineinteh und der allerdings an meinem Vor- läufer sich als einen Verwüster des Weinbergs Gottes Hohel 2, 15 allbereits erwiesen hat]: Siehe, ich treibe Teufel aus und mache gesund sdie Kranken, die im- Glauben mir zugeführt werden] heute lin der Periode meiner Wallfahrt, die ich eben jetzt angetreten habe V. 22 ff. und die mit der Stille in Joh. 11, 54 als ihrer Nacht schließtj nnd morgeii sin der weiter fol- genden Periode von meinem, Aufbruch in Ephrein an bis zu dem Abschluß am Dienstag der Leidens: woche Matth 24, 1], iuid am dritten Tage [dar- nach, der vom Gründonnerstag bis Himmelfahrt reicht Kap. 22, 7—24, 511 werde ich [allerdings, wie Herodes wünscht] ein Ende nehmen swenn auch in anderem Sinne, als er gedenkt]. 33. Doch list darum Herodes es nicht, der sozusagen die Ehre genießt, daß ich durch Jhn ein Ende nehme, vielmehr wird er sich’s schon müssen gefallen lassen, daß ich zu dreien Malen sein Residenzgebiet durchziehe und in seiner un- mittelbaren Nähe mein Arbeitsfeld nehme Kasx 14, 1—24; 15, 1——16, 31; 18, 15—30., ohne daß er das irgendwie abzuwenden vermöchte; nach Gottes Rath] muß ich [nachdem ich in Galiläa mein Werk vollbracht habe, auch noch diese Zwischentouy die nun einmal mich mehrmals « hierher führt, machen iind] heute Und morgen und am Tage darnach wandeliiiw sin drei ver- schiedenen Absätzen 9, 51; IS, 22 U. 17, 11 hin- aufreisen gen Jerusalem, um daselbst mein Ende zu finden V. 22 Anm.]; de1iu es thut’s nicht sgeht nicht an], das; ein Prophet umkoninie außer Jerusalem-f [bis dahin möge er denn sich gednlden, wenn ihm an meinem Ende soviel gelegen ist, und in Jerusalem wird er ja auch Gelegenheit haben, sich dabei zu betheiligen Kap. 23, 6—12., vgl. die Bein. zu I. Kön. 22, 15 u. Matth 16, 28]. 34. Jerusalem, Jerusalem, die du salso auch in Beziehung auf inich die entsetzliche Ehre dir nicht wirst nehmen lassen, daß du —-— und sonst niemand, als nur in dir und mit dir] tiidtest die Propheten und steiuigest, die zu dir gesandt werden: wie oft habe ich wolleii deine Kinder [unter meine Pflege und Obhut] versammeln, wie eine Henne ihr Nest [die Schaar ihrer vorhin im Nest ausgebrüteten Küchlein, die sie nun auch zu nähren, zu wärmen und wider den raubgierigens Geier zu schirmcn sich getrieben fühlt, versammelt] unter ihre Flügel; und ihr habt nicht gewollt! 35. Sehet, ener Haus [vgl. Matth. 23, 37 —39] soll euch iuiiste gelassen werden. Denn ich sage euch: Ihr werdet mich svon da an, wo ich mich nun ganz von euch abwenden werde V. 25 —29; Offenb. S, 17] nicht [eher zu euch wieder- kehren] sehen, bis das; es [mit eurem endlichen Gläubigwerden zur bestimmten Zeit Offenb. 11, 11 f.] komme, das; ihr sagen werdet: Gelobet ist, der da kommt in dem Namen des HErriiH swie das jetzt schon in vorbildlicher Weise in Kap. 19, 28—38 geschehen wird]. E) Wir wissen, wie tief es den Herodes berührte, als er kurz nach der ihm abgedrungenen Hinrichtung des Täufers seinen Sitz von Livias nach Tiberiassveik legte und nun dort von dem gewaltigen Propheten hörte, der in Galiläa sein Wesen habe; unter den mancherlei Volksansichtem die über denselben im Schwange gingen, faßte er sogleich die als die seinem Gemüthszustand am meisten entsprechende auf und ward deren haupt- sächlichfter Vertreter, die Jesum für den wiedererstan- denen Johannes hielt, ja es geschah wohl mit in der Absicht, sich für diese Ansicht Gewißheit zu verschaffen, daß er begehrete, Jesum einmal zu sehen (Matth. 12, 14 u. 14, 2 Anm.). Dies Begehren nun ward ihm natürlich nicht erfüllt, vielmehr verlief sich bald her- nach die Sage von Jesu so gut wie ganz, er hörte weiter nichts Neues von diesem Propheten, der mehr und mehr aus der Oessentlichkeit seines galiläifcheii Wirkens sich in die Stille und Verborgenheit zuriickzog (vgl. §. 47—68). Als der Vierfiirft nun aber nach 8—9 Monaten wieder Lust und Piuth bekam, sich nach Livias in Peräa umzuquartieren, trat ihm hier die Kunde von Jesu aus’s Neue entgegen; die 70 Jünger hatten daselbst jene Teufelaustreibung vollbracht, die sie selber in’s Erstaunen setzte (Kap. 10, 17) und die jedenfalls die dortigen Pharisäer in um so größere Auf- regnng brachte, als die Jünger ja auch das künftige persönliche Auftreten Jesu in dieser Gegend anzumeldeu hatten (10, 1). Einer solchen persönlichen Erscheinnng glaubten sie denn auf alle nur mögliche Weise vor- beugen zu müssen; sie wendeten sich an Herodes und fanden an diesem einen von gleichem Jnterefse beweg- ten Bundesgenossen. Derselbe wußte bereits aus Er- fahrung, was es bedeute, einen Prophetenmord auf dem Gewissen zu haben: er hatte nicht Lust zu einer neuen Gewaltthat, aber vielleirht gelang es, Jesum einzuschückk tern und ihn dadurch von diesem Ort und überhaupt von ganz Peräa fern zu halten, daß man ihm Angst einjagte. Es geschieht also im Einverständnis; mit He- rodes, ja in seinem bestimmten Auftrage, was die Pha- risäer hier dem HErrn sagen, wie ganz klar daraus sich ergiebt, daß der HErr ihnen wiederum einen Auf- trag zur Antwort giebt (V. 32). Allerdings beträgt der Weg von Jerusalem über Jericho und den Jordan bis Livias über 6 Meilen; aber nehmen wir an, daß Jesus in V. 1ff. frühmorgens von Jerusalem aufge- Jesu Bescheid aus die Warnung der Pharisäer vor den Nachstellungen des Herodes 763 brochen ist, so kann er bis zu Abend das Ziel seiner Reise recht wohl erreicht haben, wenn er einmal in einem einzigen Tagemarsch bis Livias kommen wollte, und bedenken wir, daß die Pharisäer dort aus seine Ankunft schon gefaßt waren und sich jedenfalls auf Kundfchaft legten, um gleich bei seinem Eintritt in die Stadt ihren Rath, an dessen Befolgung ihnen auch um ihretwillen soviel gelegen war, bei ihm anbringen zu können, so hat es nichts Befremdliches, daß· sie noch an demselben Tage zu ihm kamen. Wer aber weiß, daß er auf Gottes Wegen geht und einen bestimmten gött- lichen Auftrag zu vollbringen hat, der läßt sich nicht hinwegfüchselm das sollte Herodes mit seinen Phari- säern auch sogleich erfahren. W) Die Pharisäer hatten sich verstellt, als meinten sie es mit Jesu wohl, als wären sie im Hinblick auf Johannes den Täufer um sein Schicksal besorgt, als hätten sie in seinem Jnteresse sich auf Kundschaft ge- legt, ob der Vierfiirst ihn wohl hier leiden würde, und hätten da Gefahr für ihn gewittert; aber Jesus läßt sie sofort merken, daß, als sie bei Herodes in seinem Palast sich befanden und von ihm instruirt wurden, der HErr im Himmel Augen- und Ohrenzeuge von allem, was da heimlich abgemacht worden, gewesen ist (1. Kön- 21, 19 Anm.) und daß des Menfchen Sohn ein folcher sei, dem der Vater alles zeigt, was er zu seinem Heils-« werk wissen muß (Joh. 5,20). Er läßt sie auch wissen, wie wenig er sich vor dem Machthaber, der hinter ihnen steht, fürchte, und giebt ihnen eine an diesen un- mittelbar selbst gerichtete Antwort. Der Titel ,,Fuchs« nun, den er dem Herodes ertheilt, bezieht sich jeden- falls zunächst auf dessen schleichende List: klug genug war der ganze Plan berechnet, und wie die Anlage, so war auch die Ausführung, wenn man es mit einem gewöhnlichen Menschen zu thun gehabt hätte, gewiß ein Meisterstück der Schlauheit; daneben aber nimmt der Titel unzweifelhaft auch Beziehung auf des Herodes Uebelthat an Johannes und giebt zu erkennen, daß er sich allerdings einmal schon als einen Zerstörer des Weinbergs Gottes bekundet habe, um ihm ein Vor- haben von der Art, wie es ihm hier nachgefagt werde, zuzutrauen (Hef. II, 7 Anm.), nur daß ihm dies Mal das Vorhaben nicht gelingen folle, selbst wenn er es im Ernste betreiben wollte. Man hat es anstößig ge- funden, daß Jesus von dem Fürsten seines Volks, der doch eigentlich auch s ein Landesherr war, mit so wenig Ehrfurcht rede; indessen steht doch überhaupt bei rein seelsorgerlichen Akten Amt gegen Amt, und ein Pro- phet Gottes hat es da nicht mit dem Fürsten, son- dern mit dem Mens ch en zu thun (Mark. S, 18;1.Sam. 15, 23ff.; 2. S. 12, 7 ss.; 1.Kön.14, 7 ff.; 18, 18; Jer. 22, 19). Hier nun vollends steht dem anmaßendeu Men- schenkinde, das seiner Macht sich überhebt, Gottes Sohn, den der Vater gesendet hat, und dem Nach- kommen eines Mannes, derdurch Fuchses-List sich in das Regiment über Gottes Volk eingefchlichen hat, während er doch von Haus aus ein Fremder ist (5. Mof. 17, 15), der rechtmäßige Erbe des Thrones Davids (Kap. I, 32) gegenüber; dies Verhältniß aber muß mit Rücksicht auf das, was später geschehen soll (Kap. 23, 11), vorab zur Geltung kommen. »Es) Mit dem ersten Theil dieses Ausfpruches (V. 32) ist dem Sinne nach verwandt, was der HErr in Joh. 11, If. zu den Jüngern sagt, um ihre Be- sorgniß für sein Leben niederzuschlagem dort nennt er die Zeit, da er nach seines Vaters Willen ungehindert lehren und Wunder thun kann, seinen Tag, dessen 12 Stunden auch nicht um eine einzige ihm gekürzt werden dürften; erst wenn sie vollftändig abgelaufen, werde die Ncicht folgen, da er den Feinden in die Hände falle. Auch hier nun hat es für ihn mit den Rachstellungen des Herodes, selbst wenn sie ernstlich gemeint wären, keine Noth: es ist ihm für seine öffent- liche Wirksamkeit (,,ich treibe Teufel aus und mache gesund«) ein heute und morgen bestimmt, und erst am dritten Tage kann fein Opfertod, in welchen er ein Ende nimmt, statthaben. Dieses Wort hat so, wie es dasteht, den wehmüthigen und klagenden Sinn: ,,ich breite heute und morgen Segenshände aus über ein Volk, das übermorgen mich tödten wird-«; es nimmt aber offensichtlich zugleich Beziehung auf die Stelle Hof. 6, L: ,,er macht uns lebendig nach zween Tagen, er wird uns am dritten Tage aufrichten, daß wir vor ihm leben werden«, an deren Verheißung Christus als die Krone Jsraels auch sein Theil hat. Für ihn ist der Leidensstand der zween Tage die Zeit feines öfsentlichen Wirkens, da er durch Mühe und Arbeit, durch Kampf und Versuchung, durch Schmach und Ver- folgung hindurchgehen muß; die Aufrichtung am dritten Tage dagegen beginnt mit seinem Leiden und Sterben, dadurch er vollendet und darnach er durch Auferstehung und Himmelfahrt verklärt wird bei dem Vater mit der Klarheit, die er bei ihm hatte, ehe die Welt war (Hebr. L, 9f.; 5, 9). Jn der That kann denn auch das Wort, welches Luther mit: ,,werde ich ein Ende nehmen« übersetzt, bedeuten: ,,werde ich voll- endet-«. Jndeffen kann man doch bei diesen Erklärungen des Ausspruches in V. 32 nicht stehen bleiben; wie aus dem folgenden, mit einem »doch«, das der Bedeu- tung des im Grundtext dafür gebrauchten Wortes (Kap. 22, 21 Anm.) gemäß einen starken Gegensatz ausdrückt, beginnenden 33. Verse hervorgeht, giebt der HErr ihm auch eine zeitgeschichtliche Beziehung und stellt sozusagen ein Programm auf in Beziehung auf das, was für ihn ,,noch hinterstelliger Zeit im Fleisch is « (1. Petri 4, 2), um die Pharisäer und mit ihnen den Herodes ganz genau das Stundenglas Gottes und die Bedeutung des eben jetzt angetretenen Abfchnittes seiner Wirksamkeit wissen zu lassen, wobei er denn aus dem ,,heute und morgen treibe ich Teufel aus und mache gesund« ein ,,heute und morgen und den Tag darnach muß ich wandeln« macht. Nach der von uns aufgestellten Chronologie läßt sich das sehr wohl ver- stehen, während die Ausleger meist in großer unklar- heit sich darüber befinden. T) Warum ist Jerusalem die einzig passende Stätte für das Todesleiden des HErrniI Hieronymus und Augustinus berufen fich auf das oorbildliche Opfer des einzigen rechten Sohnes Abraham auf dem Berge Morija; andere Kirchenoäter knüpfen daran an, daß das gelobte Land als das Land der Mitte und Jeru- salem als der Mittelpunkt der ganzen Erde anzusehen sei. Es läßt sich aber auch sagen: Jerusalem ist die Hauptstadt des Landes, ist der Sitz» der höchsten geist- lichen und weltlichen Behörden, ist der Centralpunkt des ganzen israelitischen Volkslebens; sollte nun das Heil der Welt von den Juden kommen, so mußte das Lamm Gottes, welches der Welt Sünde trägt, auch in Jerusalem, der Hauptstadt des Judenvolkes, sich zur Schlachtbank führen lassen, um so mehr als nur dort das oorbildliche Passalamm durfte geschlachtet werden. (Nebe.) Das freie Walten Gottes bindet sich überall an Zeit und Ort; und ohne das freie Thun der Men- schen aufzuheben oder zu beeiuträchtigem muß es doch die ewige Ordnung Gottes vollziehen. Freiheit und Nothwendigkeit durchdringen sich in der biblischen Ge- schichte, ohne eins das andere aufzuheben. Den Phari- säern als denen, die sich die Vertretung der Theokratie 764 Evangelium Lucä 14, 1. L. angemaßt hatten, konnte iibrigens nichts Stärkeres ge- sagt werden als dies: eure Hauptstadt mit Tempel und Altar ist die Mörderin aller Knechte Gottes, gleichsam Ein großer Altar, auf dem die Heiligen als Opfer fallen — Klagel 4, II; Ossb. S, 9 ff. (Olshausen.) Der gewöhnliche Einwand gegen dies Wort des HErrn, daß ja doch nicht alle Propheten zu Jerusalem getödtet worden seien, unter andern auch Johannes nicht, wird am besten durch die Bemerkung widerlegt, daß dieser letztere nicht als ein Schlachtopser des Unglaubens der Juden gefallen war und daß der HErr hier keine Statistik, sondern eine allgemeine Regel geben will; überdies kommt es hier weniger auf die örtliche Lage, als auf die symbolische Bedeutung Jerusalems als Haupt- stadt des theokratischen Staates an. Jeder von den Juden verübte Prophetenmord ging doch mittelbar oder un- mittelbar von den Volksführeru aus, die dort ihren Sitz hatten, wie z. B. die Greuel der Schreckensherrschaft am Ende des 18. Jahrh. im Süden von Frankreich aus Paris als dem Centrum ausgegangen waren. (v. Oosterzee.) H) Wenn das Gemüth von einem Gefühl erfüllt i ist, so giebt alles, was von außen aus das Gemüth wirkt, einen Anstoß, das Gefühl auszusprechen; daher ist es in dem Augenblicke, wo Jesus ganz besonders mit der Zukunft seines Volkes umgeht (V. 1—9; L3 —30), keineswegs auffallend, daß dies Gefühl auch hier zum Ausdrnck kommt. (Godet.) Die Erwähnung Jeru- salems weckt die tiefste Wehmuth in dem Herzen Jesn über den Unglauben der Stadt; die Propheteumörderin sollte in ihren Kindern zur Heerde Gottes gesammelt wer- den, aber diese wollten nicht! (Olshausen.) Wie willst du geheilt werden, die du alle Aerzte von dir stößt? wie soll ich heilen deine Krankheit, die du alle Arzenei mit Füßen trittstP Meiner Heiligen habe ich nicht verschont, auf daß ich deiner, o Sündenstadt, schonen möchte; jener Leben habe ich für nichts geachtet, auf daß ich deinen Tod nicht sehen möchte. Alle Aerzte deines Seelenschadens sind in dir umgekommen, und du bist nicht geheilt; unheilbar ist dein Elend, denn es hat die göttliche Kunst zu Schanden gemacht. Hätte ich Gefallen gehabt an deinem Tode, nimmer hätte ich meine Propheten zu dir gesandt; hätte ich dein Ver- derben gewollt, nimmer wäre ich selber zu dir gekom- men. Was soll ich aber an dir thun? wie soll ich dich erretten vom Tode, wenn du nicht leben willst? (Augustin.) Wer unter den Flügeln der Henne nicht Schutz suchen will, fällt dem Adler als Beute in die Klauen. (v. Oosterzeeh Vor Jesu inwendigem Auge steht das Volk, wie es unter dem Fluche der Ver- stoßuug hinwandelt bis an’s Ende der Zeiten; aber noch einmal will der HErr, der alle Wüsten Zions tröstet (Jes. 51, 3), übersein armes Volk sich erbarmen; er will sich endlich doch von ihm sehen lassen, und alle Geschlechter des Volkes sollen, Vom Geiste der Gnade und des Gnadenflehens getrieben, ihre Sünden bewei- nen, und der Born der Vergebung soll auch ihnen sich aufthun, also daß sie rufen: ,,gelobet ist, der da kommt in dem Namen des HErrnl« (Besser.) Das 14. Kapitel. You! Zdassersitchtigein Christi Hasivtedigh großen Abendmahl nnd seiner wahren Yachsolga II. v. 1——24. (§. 84.) way! uns; is: de: nennen; de- herodeg, in welcher wir den ihGrrn im vorigen Abschnitt mit etlikheu Pharisäern verhandeln sahen, gesihiehet re, daß ein Oberste: der Pharisäer ihn zu Tische ladet ans einen Sabbathlag: diese ihm so feindselige Partei, die eo nicht vermocht hat, ihn von ihren Grenzen sernznhalten und unter die unmittelbare Jtiifsicht des tjohenratheo in Jerusalem znräctiznsagem damit er so desto früher seinen Untergang finde, scheint vielmehr durch einen Sendling von dort, mie wir zu V. 11 näher entwielreln werden, den Auftrag empfangen zu haben, Just-sehen, wie sie eine Sache zu ihm finden möchte, nnd es ist nun wieder dae schon von den Kunstgenossen in Galllcia versuchte Mitte! zu seinem Sturz, dessen man auch hier in periia sieh bedient, nämlich ihm seine ürautienheiluligen anc Sabbath zu einem todeowürdigeli Verbrechen (4.iklos.15, 32 ff) zu machen. Indem man für die Anwesenheit eines wassersüastigen Menschen, dessen dioth sein Erbarmen herauofordern soll, gesorgt hat, hat man ihm eine Fuß— angel gleich siie sein Eintreten in das Gaftjimmer gelegt; er aber zerreißt dao sieh ihrer Bosheit, indem er thut, wao rekht ist, und darnakh ihnen eine Frage stellt, darauf sie niiht antworten können. dlachdem er so Sieger ge- worden über ihre Krglist (v. 1—6), wird er bei dem hierauf folgenden Siasniederlassen zum Strafredner wider ihre tjosfart (v. 7—11) nnd zum Mahnrediier im Dienste der uneigennützigen Eiebesäbnng (v. 12——14); nachdem aber einer ano ihrer Mitte dao Gespräch auf das Mahl im Reiihe Gottes gebracht hat, wird er auch zum pro— zweien, der ihnen den Ausschluß von diesem Mahlsund die Berufung ganz anderer Gäste, von denen sie ev am wenigsten glauben, weissagt (v. 15—24). (Evangelium am 17. Sonntage nach Trinitatis.) Zur rechten Heiligung gehört auch die rechte Feier der Tage, die der HErr nach seiner Gnade zu seinem besonderen Dienste ausgesondert hat. Wir lernen die rechte Sabbathfeier von Christo, er heilt am Sabbath Kranke und lehrt; das ist uns eine Erinnerung, daß auch wir den Tag des HErr durch Werke der Barm- herzigkeit und durch Lehren und Hören des Worts feiern sollen. (Diefsenbach.) Wozu ist der Sonn- tag da? l) wohl auch zu des Leibes Erquickung, L) vor allem aber zu der Seele Seligkeit. Die rechte Sonntagsseier: I) der HErr muß in dem Hause sein; L) alle miisseu vor ihm stille schweigen; Z) zur Hochzeit muß geladen werden; 4) und die Geladenen müssen sich demlithigeu (Nebe.) Auch läßt sich in Betracht ziehen: I) die Sonntagsruhe, L) die Sonn- tagsandachh 3) die Sonntagsarbeit, 4) das Sonn- tagsverguügeu (Couard.) Nachdem die Kirche in den Evangelien der letzten 4 Sonntage die Früchte des neuen Lebens, wie sie in der barmherzigen Liebe gegen die Brüder, in der Dankbarkeit gegen den HErrn, in der Sorglosrgkeit des Herzens und im Trost unter dem Unglück sich entfalten, dargelegt hat, handelt sie nun vom Wachsthum der Kinder Gottes in der fort- schreitenden Heiligung. (Fr. Arndt.) Der Christ in der Welt, aber nicht von der Welt: 1) gleich seinem HErrn meidet er nicht allen Umgang mit den Weltkinderm L) läßt aber in ihrer Finsternis; sein Licht leuchten in Worten und Werken. (von Biarowskyh Jesus an des Pharisäers Tisch oder der Got- tesmensch in der Weltgesellschaftt I) unter den Zerstreuungen der Welt bewahrt er seine innere Sammlung; L) gegenüber den Meinungen der Welt behauptet er seine heil. Ueberzeugung; Z) mitten unter Jesus auf dem Gastmahl eines Obersten der Pharisäer. 765 den Anfechtungen der Welt verfolgt er feine himm- lische Bestimmung; 4) unter den Rangftreitigleiten der Welt bleibt er eingedenk seiner wahren Stellung. (Gerok.) Die hohe Kunst eines Christen, I) alter Welt Trotz zu bieten und 2) doch überall in Befcheiden- heit .zurückzutreten. (Palmer.) Von der Erniedri- gung, die zur Erhöhung wird: l) wie diese Er- niedrigung vor Gott bei uns angefangen wird; L) wie der Nienfch sodann sich selbst zu erniedrigen hat; s) wie aus der Erniedrigung die Erhöhung kommen muß. (Caspart.) 1. Und es begab sich kwohl schou am 31. Dezember a. 29], dasz et« lnoch dort in Livias Kap. 13, 31 ff.] kam in ein Haus eines Obersten der Pharisäer auf einen Sabbath, das Brod zu essen« san der Mahl- zeit Matth. 15, 2·, zu der man ihn eingeladen, Theil zu nehmen]; Und sie hielten ans ihn« [hatten die ganze Sache so angelegt, daß sie etwas auf ihn bringen könnten Katz. S, 7]. Z. Und siehe, da War [gleich beim Eintritt in’s Gastzimmer ihm in die Augen fallend] ein Mensch vor· ihm [denn seinetwegen war derselbe da hiugestellis der war wafscrsüchtigisssr fund sie rechneten nun mit Bestimmtheit darauf, daß er ihn auch heute, obwohl es Sabbath war, heilen wiirde]. i) Ein Oberster der Pharisäer war ein Mann, welcher von den Vorstehern dieser Sekte dazu bestellt war, in einem gewissen Umkreis des Landes die Auf- sicht über die Anhänger der Sekte zu führen und sie durch Ermahnungen und allenfalls auch Bestrasungen dazu anzuhalten, daß sie sich den Regeln ihrer Seite gemäß bezeigtenx Die Juden nun pflegten auf ihren Sabbath sich gern zu besuchen und Gastmahle unter einander zu halten (Neh. 8, 10), was um so leichter ohne Verletzung des Sabbathsgebots geschehen konnte, weil sie kein Feuer anziinden ließen, um Speisen zu kochen, sondern diese schon den Tag vorher hatten zu- bereiten lassen. (Starke.) Den Morgen hat der HErr vielleicht draußen aus dem Felde unter freiem Himmel zugebracht iu ftillem Gebet und frommer Betrachtung; am Vormittag hat er vielleicht in der Synagoge ge- lehrt und eine jener Predigteii gehalten, von denen es heißt: ,,er predigte gewaltig und nicht wie die Schrift- gelehrten« Gern hätte er nun wohl geruht und Gottes Tag in stillem Frieden beschlossen, sei’s im Kreise seiner Jünger oder in einem befreundeten Hause; aber da kommt die Einladung des Obersten der Phari- säer. Er schlägt die Einladung nicht aus, denn sein Grundsatz ist: »ich muß wirken, so lange es Tag ist, ehe die Nacht kommt, da niemand wirken kann-«; als der weitherzige Ellienfchenfreunw der sich gerne finden läßt von Allen, die ihn suchen, tritt er mit einem Her- zen von Liebe hinein in eine ihm fremde, ja widrige Gesellschaft. (Gerok.) Er wollte aufs Neue bewähren, was er vorhin (Kap. 13, 34) gesagt:«»wie oft habe »ich deine Kinder wollen versammeln, wie eine Henne ihr Nest unter ihre Flügel«, und wollte, wie St. Paulus sFicht (Apostg. 20, 26), rein sein von Aller Blut. ( ) efser. «) Der Gastsreiheit der Pharisäer lag also die- selbe verrätherische Gesinnung zu Grunde, wie vorher us, El) ihrer anscheiiiend wohlmeinenden Warnung. Man könnte nun sich darüber verwundern, daß eine solche Einladung noch um diese Zeit vorkommt, da die Spannung zwischen Jesu und den Pharisäern schon so weit gediehen war (ogl. Kap. 11, 37 ff.); allein es ist zu bedenken, daß der HErr sich hier auf einem neuen Arbeitsfelde, nicht mehr in Galiläa, sondern in Peräa befindet, es also mit andern Personen zu thun hat. Auch diese Pharisäer haben ohne Zweifel, wie jene in Galiläa, die Jnstruktion zu auflauernden Maßregeln gegen Jesum von Jerusalem her empfangen, denen sie sich nicht entziehen können; so leidet es denn auch ferner keinen Zweifel, daß sie den waffersüchtigen Sllienfchen geflissentlich in das Gastzimmer gezogen und so postirt haben, daß er Jesu sofort beim Eintritt in die Augen sallen mußte. Seinerseits hat der Mensch nicht gewußt, daß er nur als ein Mittel zum Zioeck verwendet wurde; ihn in das Geheimniß einzuweihen, hat man sich sicher- lich gehütet, vielmehr mag man ihm, der vielleicht am Vormittag mit in der Shnagoge gewesen und dort Jesu Predigt gehört hatte, vorgespiegelt haben, bei Jesu werde er Heilung finden, er solle sich nur zur rechten Zeit einstellen Diese Pharisäer halten aus Jefum, ob er den Sabbath heilig halte — welche Heuchelei! Sie wollen sich überzeugen, daß Er ein Sabbathsschänder ist, und sind selber die allerärgsten Sabbathsschänder; oder wäre nicht dieses Auslauern, welches den Nächsten verderben will, ein Teufels-merk, mögen sie noch so sehr sich einfinden, ein Gotteswerk damit zu vollbringenii (Joh. 16, 2f.). Gewiß kannte der HErr die Absicht, in welcher man ihn geladen hatte (Joh.2, 24f.); aber obgleich er die Bosheit der Phari- säer kannte, so ward er doch, wie Chrill sagt, ihr Gast, daß er den Gegenwärtigen niitze durch Wort und Wunder. IN) Das ,,siehe« zu Anfang des Verses zeigt für den Leser auf die Falle hin, welche die Pharisäer dem HErrn Jesu gestellt haben, in Betreff Jesu aber mar- kirt es den Augenblick, wo die Falle sich seinem Auge enthüllt; denn das hat er wohl gewußt, daß mau ihn geladen habe, um ihm aufzulauern, wie jedoch man ihm eine Schlinge legen würde, sollte er erst jetzt durch das, was er vor sich sah, erfahren —— das will der Text durch die ganze Art, wie er erzählt, uns zur An- schauung bringen. Es war nun eben so sehr eine That des Muthes, daß Jesus die Einladung annahm und in das Haus kam, als eine That seiner Sanftcnuth; letz- teres haben wir am Schluß der Anmerkung unter »« betrachtet, auf ersteres richten wir denn nunmehr unsere Andacht. —— ,,Es war in der That ein nicht geringer Muth dazu erforderlich, daß Jesus, so oft er auch den Zorn seiner Feinde über feine Krankenheilung am Sab- bath zu erfahren gehabt hatte (und das vor Kurzem auch mehrfach wieder in Jerusalem: Joh. 7, 19 fs.; 9, I ff.), doch dadurch niemals sich abhalten ließ, auch am Sabbath fein Liebeswerk zu vollbringen. Jn unsrer Textgeschichte konnte er darüber keinen Augenblick im Unklaren sein, daß die Anwesenheit des Wasfersüchtigen nicht zufällig, sondern eine Schlinge war, um ihn darin zu sahen, und ebensowenig war ihm unbekannt, daß sein ganzer Ruf als Prophet auf dem Spiele stand, wenn er so beharrlich und bei jeder Gelegenheit sich über das pharisäifche Sabbathgebot wegsetzte So oft er auch darauf hinwies, wie unvernünstig es sei, eine Heilung als gemeine Handarbeit anzusehen, ein Liebes- wert, mit Gottes Wundertraft ausgeführt, darum zur Sünde zu machen, weil es an dem Tage geschah, den derselbe Gott heilig gesprochen, dem Barmherzigkeit besser denn Opfer gefällt -— es half nichts; so einge- wurzelt war das Vorurtheih so fest verwachsen mit dem 766 Evangelium Lucä 14, 3—11. ganzen Bewußtsein des Volks seine blinde Ehrfurcht vor blinden Führern, daß immer wieder die alte An- kluge über ihn erhoben, das alte Aergeruiß an ihm ge- nommen wurde. Woher kam ihm nun der Muth und die Entschlosseuheih über alles das, soviel Haß, Ver- achtung und Hohn es ihm auch von denen eintrug, die in Jsrael das große Wort führten, sich hinwegzu- setzen und jedesmal das zu thun, woraus sie eine Waffe wider ihn zu schmieden nicht säumen? War es etwa nur ein Geist des Widerspruchs, ein eitles Besserwissen, die Neigung, den Vorurtheilen der Menge gegenüber den Aufgeklärten zu spielen, dessen Gewissen nicht mehr eingeschnürt sei in die Fesseln altväterischer Meinungen? Ja, deren sind freilich nicht wenige, die es für Volkswahn und Priestervorurtheil achten, daß überhaupt ein Sabbath soll heilig gehalten werden; die einen ordentlichen Kitzel verspüren, recht zur Schau zu tragen, wie wenig sie uach solchen Geboten fragen, die darum des Sonntags eine Hälfte zur gemeinen Arbeit, die andere zum Wohlleben des Fleisches verwenden, so daß fiir den lieben Gott und ihre arme Seele auch nicht ·eiu Endchen davon übrig bleibt. Das sind die- selben, die, wie mit dem Sonntag, so auch mit allem Andern, was dem Glauben heilig ist, mit Bibel und Kirche, mit Wort und Sacrament, mit Furcht und Hoffnung, mit Gott und der Ewigkeit fertig sind. Wer es soweit gebracht hat, der mag vor Seinesgleichen sich rühmen; aber nicht wagen soll er es, sich auf den HErrn und die Stellung zu berufen, die dieser gegen die Pharisäer eingenommen. Jesus hat der Welt Trotz geboten im Namen Gottes, seines himmlischen Vaters; sie aber bieten nicht der Welt Trotz, sondern sind selber Herolde und Schildknappen der Welt und bieten dem Trotz, was als ewige Wahrheit und Gerechtigkeit, als Zuchtsund Gericht zu ihrem eigenen Heil an sie heran- treten will. Wer in dieser leichtfertigen Weise meint, seine christliche, seine protestantische Freiheit geltend machen zu müssen, der wisse, daß, während er sich frei zu machen wähnt, er vielmehr in immer tiefere, schmach- vollere Knechtfchaft verfällt, denn was ihm als eine Fessel erschieu, wie die Sonntagsfeier, wie überhaupt alle christliche Ordnung und Zucht, das ist vielmehr für den, der es verstehen und sich zu nutze machen will, gerade ein Schutz und Schirm, daß ihn der Dienst des vergänglichen Wesens nicht vollständig gefangen nehmen kann; was ihm wie die Mauer eines Gefängnisses vor- kommt, das ist in Wahrheit vielmehr ein fester Damm, ohne den seine Seele von den Wogen des Weltsinns, der Weltlust und der Weltsorge überfluthet würde. Das, was den HErrn zu jenem Widerstande trieb uud befähigte, war etwas ganz Anderes, als die Lust des Uebermuths, über die Schranken wegzusteigen, vor denen das Volk in auerzogener Scheu noch stille hielt; für ihn war die Frage einzig diese: «ist’s auch recht?« Z. Und Jesus antwortete smit Beziehung aus die Forderung, die sie damit an ihn stellten, daß sie ihm den Wassersüchtigen so unter die Augen gebracht hatten], Und sagte zU den Schriftgelehrten und Pharisäern sdie eben- falls zu Tisch geladen waren] nnd sprach: Jsks auch recht aus den Sabbath heilen swie ihr mir das hier so nahe gelegt habt]? 4. Sie aber« lda sie kein Nein zu antworten wagten, wie sie es nach den Grundsätzen ihrer Schule eigentlich hätten thun müssen] sthiviegcn stille. Und et« ldesto entschiedener ein thatsäch- liches Ja gebend] gkiss ihn an sstatt mit einem bloßen Wort sich zu begnügen, weil er der Phari- säischen Schristauslegung, die ein solches An- greisen zu einem am Sabbath verbotenen Werke stempelte Kap 6, 2., einen heiligen Trotz ent- gegensetzen wollte], UUd heilece ihn Und ließ ihn gehen; 5. Und antwortete nnd sprach zu ihnen: Welcher ist unter euch, dem sein Ochse oder Esel [nach anderer Lesart: sein Kind oder RiiidJ in den Brunnen fällt, und er nicht alsobald ihn heraus zeucht svgt die Schluß- dem. zu Kap. 13, 161 am Scibbathtagels 6. Und sie konnten ihm darauf nicht Wieder Antwort geben lweil ihr Gewissen sie übersührte, daß sie allerdings in dergleichen Fällen über ihre Satzung in Betreff der Sabbathsheili- gung sich selber hinwegzusetzen pslegten]. So, wie sie dasteht, hat die Frage: »ist’s auch recht?« zunächst nur den Sinn: ift’s wohl auch am Sabbath erlaubt zu heilen? ist’s keine Sünde, wenn ich’s thue? Daß er es als erlaubt erkannte, bewies er alsbald mit der That; er wartete nicht erst ab, bis ihm die Erlaubniß von irgend wem gegeben ward — er trug sie in sich selbst, darum griff er zu, und erst als die That geschehen war, schuitt er die Einwürfe und Vorwürfe, die seiner warteten, durch ein scharfes Wort ab, dem seine Widersacher ebensowenig etwas entgegenzusetzeic hatten, als sie die That selbst hatten hindern können. Die Pharisäer waren streng in ihrer Satzung, und dennoch machten sie eine Ausnahme, wenn sich’s um ihren Ochsen oder Esel, also un: ihren eigenen Besitz und dessen Verlust handelte; das hieß dann ein Nothwerh das war erlaubt. Ganz ebenso treffen wir häufig auf Christen, die in ihren Grundsätzen nnd Lebensansichteu überaus strenge sind, und doch daneben, je nach ihrem Belieben, merkwürdige Ausnahmen machen, nämlich zu Gunsten ihres eigenen Vortheils, ihres Wohl- seins, ihrer Bequemlichkeit und Gewohnheit. Deshalb Inüssen wir einen Schritt weiter gehen und erkennen, daß die Frage: »ist’s auch recht?« im Sinne Jesu nicht blos heißt: ist’s wohl erlaubt? sondern: ist es recht und gerecht vor Gott? Was aber recht ist vor Gott, das ist mir niemals blos erlaubt, blos freigestellt, son- dern ich soll und muß es thun; und wenn ich’s nicht thue, so sündige ich. So hat der Heiland, indem er den Kranken heilte, sich nicht blos eines tltechtes be- dient, auf das er allenfalls aus Riicksicht auf die öffent- liche Meinung auch hätte verzichten können, sondern er hat gethan, was der Wille seines Vaters, was sein Beruf war; dazu war er gesandt, dazu ausgerüstet mit Kraft aus der Höhe, daß er heile die zerstoßenen Her- zen, daß er den Gefangenen die Freiheit, den Blinden das Gesicht, den Kindern des Todes das Leben bringe. Gleichermaßen hat er auch hernach, da er zu Tische saß bei dem GastmahL sich’s nicht blos erlaubt, den Gästen ihren kindischen Wettlauf um die Ehrenplälze zu verweisen; er nahm sich damit nicht blos eine Freiheit heraus, sondern er that abermals, was seines Amtes war, zu zeugen von der Wahrheit, um durch solches Zeugniß diejenigen zu retten, die noch zu retten waren. Das laßt uns bedenken und in’s Gedächtnis; prägen, Die Heilung des Wassersüchtigen Vom Obenamsich 767 daß es für den Christen, je mehr er in die Fußtapfen seines Meisters tritt und dessen Sinn sich aneignet, um so weniger blos Erlaubtes giebt, sondern immer mehr nur die einfache Wahl zwischen Recht und Un- recht, zwischen Gut und Böse; und diejenigen, die so eifrig und sorgsam darauf halten, daß ihnen doch ja niemand in das Gehege eintrete, innerhalb dessen so vieles liegt, das sie für erlaubt erklären, doch wenig- stens ihnen in ihren Verhältnissen erlaubt sein soll -— sie mögen zusehen, daß sie nicht mit diesen ihren ver- meintlichen Rechten und mit den hundertsachen Aus- nahmen, die sie jeder Regel anzuhängen wissen, einen immer tiefer gehenden Riß machen in Gottes heiliges Gebot, der zu einem Riß in ihrem eigenen Gewissen, ja zu einer klafferiden Todeswnnde wird! Denn selbst im Genuß aller der Gaben, die uns Gottes Güte dar- reicht für Leib und Seele, im Genuß alles dessen, was den in die Menschennatur gelegten Bedürfnissen Be- friedigung gewährt, auch hierin giebt es, sobald wir es ernster nehmen und schärfer zusehen, nichts blos Er- laubtes, nichts, was blos eine Ausnahme wäre von der Strenge des Gesetzes — auch darin wird sich ein erleuchteter und auf rechten: Grunde stehender Christ stets von dem Bewußtsein leiten lassen, daß für ihn die Frage nicht ist: was darf ich alles thun? sondern: was soll ich thun, damit ich Gott gefalle? Auch wo kein äußerer Gesetzesbuchftabe sein Thun und Lassen, sein Genießen und Entbehren regelt, sagt ihm doch das edlere und tiefere Gefühl, wie es unter der Zucht des heiligen Geistes sich bildet, ganz genau, was sich ziemt und was nicht, was mit seiner ganzen Stellung als Kind Gottes, als Bürger des Himmelreichs zusammen- stimmt und was derselben widersprichy und wie er ienerseits einer falschen Gesetzlichkeit gegenüber seine Freiheit, sein Recht zu wahren weiß, so ist dieses Recht, von der andern Seite betrachtet, immer zugleich eine heilige Pflicht, es ist etwas für sein Heil, für das Ge- deihen und die Gesundheit feiner Seele Nothwendiges 7. Er sagte aber sindem es jetzt zum sich Niederlassen auf die für die Mahlzeit hergerichteten Polster Matth. 26, 20 Anna. kam] ein sauf die Weisheitslehre in Spr 25, 6 f. Bezug nehmendes] Gleichnisz zu den Gästen, da er merkte, wie sie erwählten obenan zu sitzen, und sprach zu ihnen: 8. Wenn du von. jemand geladen wirst zur Hochzeit, so setze dich nicht obenan, dasz nicht etwa ein Ehrlicherer sVornehmerer Spr. 19,11 Anm.], denn du, von ihm ge- laden sei; 9. Und so dann lonimt, der dich und ihn geladen hu! fund nun als unparteiischer Wächter über die rechte Ordnung an seiner Tafel nachsieht, ob dieselbe auch inne gehalten worden Veatth.22,11], spreche zn dir: Weiche diesem; nnd dn müssest dann sweil alte Zwischenplätze bereits richtig befetzt sind und um deinetwillen Frist etwa verändert werden] mit Scham unten-in c en. 10. Sondern wenn du geladen wirst, so gehe hin und setze dich nntcnan swo du niemandem im Wege bist und niemandes Rechte verletzest, nnd wo dir auch keine Beschämung drohen, auf daß, wenn da kommt, der dich geladen hat, spreche zu dir: Freund, rücke hinauf lin meine Nähe, wo der Ehrenplatz sich befinden. Dann luirst du Ehre haben vor denen, die mit dir zu Tische sitzen. 11. Denn wer sich selbst erhiiheh der soll erniedriget werden; und wer sich selbst erniedriget, der soll crhöhet werden sKan 18, 14]. Uns allen steckt es im Blute, hoch hinauf zu wollen, so sehr, daß selbst ein hoher Rang uns nicht zufrieden stellen mag, solange es einen noch höheren giebt; wohin daher des HErrn Auge ausblickt in der Welt, in die Vergangenheit oder in die Gegenwart, in große Reiche oder kleine Länder, überall sieht er dasselbe eitle, thörichte Schauspiel, daß die Gäste, die doch alle Platz hätten am Gastmahl des Lebens, erwählen obenan zu sitzen. Und was ist die Folge dieses allgemeinen und unaufhörlichen Wettlaufs? Die ganze Weltgeschichte ist voll davon, daß, weil deren allezeit viele sind, die obenan sitzen wollen, es auch allezeit Zusammenstöße giebt nnd des Streites und Haders, ja des Blutver- gießens kein Ende ist. So oft es aber auch irgend Einem gelingt, die Andern zu überholen, ist’s darum Friede in seinem Herzen? geht dann nicht die Angst und Sorge von vorne an, daß Neid und Haß sich nun von allen Seiten gegen ihn wenden, daß irgend ein Anderer auf denselben Wegen an dasselbe Ziel gelange und nun das Schicksal vielleicht« in sehr nnsanster Weise ihm gebiete: ,,weiche diesem!« O wie kommt es auch in den kleinsten, alltäglichsten Verhältnissen des Men- schenlebens dem Christen so wohl zu Statten, daß es ihm nicht sauer wird, sich unten an zu setzen, mit Wenigem zufrieden, aber auch in dem Wenigen treu zu sein, weil und solange der HErr ihm diesen Platz« an- weist! wieviel Verdruß und Noth, wieviel Siinde und Gewissensqital ist ihm erspart, weil er sich selber nichts nehmen will, sondern erwartet und dankbar empfängt, was ihm gegeben wird vom Himmel; ja, wie steht er darum gerade als ein freier Mann der Welt gegenüber, wie hat sie gerade darum so wenig Macht über ihn, weil er nicht mit ihr die Rennbahn betriit, sich mit ihr nicht dadurch gemein macht, daß er um ihre Ehren und Genüsse sich mit ihr streitet, vielmehr die Anbeter der goldenen Kälber sich unter einander zanken läßt, ohne sich einzumischen, und für seine Person vergnügt ist mit dem, was sein Vater im Himmel ihm schenkt und aus ihm macht! Wir alle haben den Ruf: «Freund, rücke hinauf» so wir anders Gottes Kinder sind, be- reits vernommen; er hat uns schon hinaufriicken lassen aus dem Jammer eines Daseins ohne Gott, aus der Pein des bösen Gewissens zum Frieden Gottes, ans dem Elend des verlorenen Sohnes, der Schweine hütet, an das Herz des Vaters, der ein Freudensest anstellt um des Wiedergefundenen willen, aus der Gefangen- schast zur Freiheit. Wer aber solche Gnade, solchen Stand recht erkennt und darum festen Fußes durch die Welt schreitet, unangefochten von ihrer Schmähung unangesteckt von ihrer Eitelkeit, dessen wartet noch ein anderes, glorreicheres Hinausriickem das auch die Welt mit ansehen muß und das sie nicht hindern kann: Freund, riicle hinauf aus der Erde dunklem Thal zur lichten Höhe des Hinuuels, hinauf vom schmerzenvollen Krankenlager zur seligen Ruhe, die kein Leid noch Ge- 768 Evangelium Lucä 14-, 12——14. schrei mehr stören darf, hinauf von Sarg und Grab zur Krone des ewigen Lebens! Das ist der ehrende Ruf, den wir im Glauben von fern her schon verneh- men: kann da demjenigen, der solcher Hoffnung gewiß ist, noch viel daran gelegen sein, ob die Menschen an ihren Tafeln ihn oben- oder untenansetzewk Ein Kind Gottes mag sitzen, wo es will, immer und überall sitzt es oben; der Platz, den es einnimmt, ist eben dadurch ein Ehrenplatz, daß ein Gotteskind ihn einnimmt. (Palmer.) » » « Für das richtige Wort- und Sachverständniß im Einzelnen haben wir zu unserm Abschnitt noch folgende Bemerkungen beizubringen. Nach Kap. 20, 46 gehörte es zu den charakteristischen Untugenden der Schrift- gelehrten und Pharisäer, daß sie gern oben an saßen in den Schulen und bei Tische; das äußerte fiel) nicht blos, wenn sie es mit Leuten aus den andern Klassen der biirgerlichen Gesellschaft zu thun hatten und da im Dienste der Hierarchie den Vvrrang zu behaupten such- ten, sondern auch, wo sie unter sich allein waren, seh- ten sie sich nicht etwa durcheinander als gleichberechtigte Brüder, sondern ein jeder wollte seinen Platz gemäß dem von ihm in Anspruch genommenen Range inner- halb der Kaste haben und drängte sich dem darnach ihm gebührenden Platze zu. Diese Untugend war dem HErrn wohl schon früher anfgefallen, als er in Kap. 7, 36 ff. u. 11, 37 ff. vermöge feiner Anwesenheit bei pharisäischen Gasimählerm dazu man ihn geladen, Ge- legenheit hatte sie zu beobachten; jetzt aber richtete er mit bewußter Absicht seine Aufmerksamkeit darauf, wie das Wort des Grundtextes in V. 7, welches Luther mit. ,,merkte« übersetzt, genauer besagt. Er hat vorhin die Wassersucht an jenem Menschen geheilt, den man ihm als· eine Versuchung zum Bösen nach pharisäischer Absicht in den Weg gestellt hatte, die er aber zu einer Versuchung zum Guten sichwerden ließ: jetzt greift er an seinen Tischgenossen eine Sucht an, die noch schlim- mer ist als die Wassersuchh nämlich ihre Ehrfucht. ,,Ein Wassersüchtiger ist ja übel daran; aber das wilde Feuer in den Gliedern, das die Ehrfucht entzündet, ist wie ein Feuer aus der Hölle, welches der Seele nim- mer Ruhe läßt. Den Ehrgeizigen stachelt es unauf- hörlich, daß er höher hinaus muß; sein unauslöfchlicher Durst ist auf Ehrentitel, Ehrenbäiidey Ehrenplätze und Ehrenämter gerichtet, aber jeder Tropfen der Ehre, der auf seine heiße Zunge fällt, regt seinen Durst nach Ehre nur noch mehr auf. Er opfert Gott und Gesundheit, um seines Herzens sehnlichsten Wunsch zu erreichenz es läßt ihn nicht schlafen, wenn er die Schwierigkeiten sieht, die sich ihm in den Weg stellen; er zählt mit ängstlicher Erwartung die Tage und Stunden, da ihm sein Loos sallen soll; er ist endlich bereit, feine Freunde, seine Ueberzeugung, sein Gewissen zum Opfer zu bringen, wenn er nur seine Zunge mit dem Labetrunke kühlen kann, denn er leidet Pein in der Flamme seiner Ehr- sucht.« Da gehört es ohne Zweifel zu den Amtswerken dessen, der gekommen ist, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist, daß er es nicht bei dem Angreifen und Heilen des Wasserfüchtigen bewenden läßt, sondern daß er nun auch diese Ehrsüchtigen angreift und mit freundlich-ernstem Wort ihre Heilung versucht. Man wird· ihm da nicht den Vorwurf machen dürfen, daß er die gesellschaftliche gute Sitte und die Gesetze der Höflichkeit verletzt habe, wenn er so seinen Tischgenossen einen Vorhalt machte: er hatte eben zu wirken die Werte deß, der ihn gesandt hatte, und zu vollenden sein Wert, ehe es Nacht für ihn ward; und nicht um des Gastmahls willen ist er gekommen, sondern als die Weisheit Gottes (.5iap. 11, 49), die spezielle Seelsorge üben will an denen, die stch für zu vornehm halten, ihre Stimme zu hören, wenn sie draußen aus den Gassen, in der Thür am Thor, vorne unter dem Volk sich vernehmen läßt (Spr. l, 20 ff.; 8, l ff.). Es läßt sich auch wohl erkennen, was der HErr zuvor gethan hat, ehe er sein Gleichniß anbrachte: indem er merkte, wie die Gäste erwähleten, oben an zu sitzen, und jeder ängstlich ward, den untersten Platz zu bekommen, hat er gewiß sofort diesen Platz fiir s ich in Besitz genom- men— ,,er setzt sich hin, wohin er nach seiner heiligen Demuth als Stellvertreter und Siindenträger der Welt freiwillig allezeit und in allen Stücken trat« (Kap. L, 7; 22, 27; Phil 2, 6ff.). Von diesem Platze aus hat er denn gepredigt; und von da aus hat seine Predigt, welche das eigene Exempel zur Unterlage hatte, wohl auch nicht ganz des Eindruckes verfehlt. Daß nun der HErr mit seiner Weisung es nicht darauf abgesehen hat, den Gästen an des Pharisäers Tisch einen ver- ständigen Rath weltlicher Höflichkeit zu geben, geht schon daraus hervor, daß der Evangelist schreibt: ,,cr sagte ihnen ein Gleichiiiß,« welcher Ausdruck deut- lich zu erkennen giebtFwie Jesus nur den durch das Benehmen der Geladenen gegebenen Anlaß ergreift, um eine Wahrheit tieferen sittlichen Gehalts unter dem, durch den Augenblick gerade nahe gelegten Bilde aus- zusprecheny Jn dem Rathe der Klugheit für den welt- lich Ehrgeizigen soll der geistlich Demüthige sich spiegeln und an dessen, für s einen Zweck berech- netem Verfahren (,,daß nicht« V. 8 und »auf daß« V. 10) sich ein Exempel nehmen für das ihm ziemende Verhalten: was jenen die weltliche Klugheit lehrt, soll er sich gesagt sein lassen im geistlichen Sinne als eine Regel der Klugheit der Gerechten (1, l7). Es wird nun aber anch bestimmt genug angedeutet, für welches Mahl der HErr seinen Rath ertheilt, indem es in V.8 heißt: »wenn du von jemand zur Hochzeit (Matth. 22, 2 u. "4) geladen wirs «, und in V. I« u. 10 dieser einstweilen noch unbestimmt gelassene ,,Jemand« näher . als ein Gastgeber characterisirt wird, der seine Gäste anders zu rangiren vermag, als sie es selber gethan haben, was in menschlichen Verhältnissen ja ohne Be- leidigung nicht geschehen kann. Es tritt damit derselbe Gastgeber in den Vordergrund, den wir auch in Matth 22, 11 ff. vor uns haben, wie denn überhaupt dieses letztere Gleichniß in dem hier vorliegenden eingeschlossen ist und hernach in V. 16-—24 anch in seiner anfäng- lichen Grundlage erscheint, ehe es bei Matthäus an der angeführten Stelle in einer neuen, noch andere Gesichts- punkte umfassenden Gestalt wiederkehrt (vgl. die Aus- lassungen Lange’s am Schluß der Bemerkungen zu V. 14)· Gleichwie nun das Gleichniß vom ungerechten Haushalter (Kap. 16, 1 ff.) die Verwirklichung der in ihm enthaltenen Lehre an dem Oberzöllner Zachäns hat (Kap. 19, 8), so das unsrige von dem Untenan-sich- setzen an dem Apostel Paulus, der vordem ein Phari- säerschüler gewesen und mit seinem Zunehmen im Judenthum über viele Seinesgleichen und mit seinem Eisern über die Maße unt das väterliche Gesetz (Gal. l, 14; Apostg. B, 1f.) erwählete, an der Pharisäer Tisch oben an zu sitzen, hernachmals aber mit seinem Selbstzeugniß (1. Cor. 15, 9): »ich bin der« geringste unter den Aposteln, als der ich nicht werth bin, das; ich ein Apostel heiße«, und mit dem andern (1, Tim. 1, l5): »ich bin der vornehmste unter den Sündern« in dem Reiche Gottes und in dem Apostelkreise Jesu Christi sich unten an gesetzt, aber nun auch den Spruch zu hören bekommen hat: »Freund, rücke heraufl« (Apg. 9, l5; l. Tor. l5, 10). An ihm hat die Gastpredigt Jesu an des Pharisäers Tisch auch sonst ihre Frucht Uneigennütziger Liebe verheißt der HErr reichste Vergeltung. ebrachtx denn was der HErr in V. 12—14 sagt, ehrt in kurzer Summa wieder in dem von ihm auf- behaltenen pruch (Apostg.20,35): ,,Geben ist seli er denn nehmen«, und was das Gleichiiiß vom gro en Abendmahl in V. 23 u. 24 meint, das ist das gött- liche Recht seiner apostolischen Wirksamkeit unter den Heiden (Gal.2,7—-10), zugleich aber die Ursach seiner schweren Verfolgungen, denen er zuletzt auch zum Opfer fiel (Apostg.·22, 21 s.).· Es dürfte da die schwieri. e Frage einigermaßen ihrer Lösung näher zu führen sein: woher hat St. Lukas die Nachricht von dem, was auf dem Gastmahl des Obersten der Pha- risäer vorgefallen und geredet worden ist? denn die Zwölfe waren keinenfalls mit zu Tische geladen, wie es allerdi1igs in Kap.11,37 ff. der Fall gewesen (vgl. Mark. 7, 2), und daß der HErr hernachmals ihnen alles erzählt habe, dürfte wohl auch nicht an- ginehmen sein. Aus 2. Cor. 5, 16 nun, obwohl die telle in der Regel nicht dahin gedeutet wird, s eint denn doch hervorzugehen, daß Paulus den H rrn Jesum bei dessen Lebzeiten von An esicht gesehen und von Person gekannt hat; auch in postg. 9, 3 ff» als ihn plötzlich ein Licht vom Himmel umleuchtet und er zu Boden stürzt, Bat er in der Lichterscheinung offen- bar einen ihm äu erlich schon Bekannten erblickt und seine Frage: ,,HErr, wer bist du?« ist nicht die Frage eines eigentlichen Nichtwisfens, sondern die Anrede giebt schon zu verstehen, daß er weiß, mit wem er es zu thun hat, und bereit ist, sich i m zu unterwerfen, denn das Wort: »was verfolgest u mich«? es wird dir schwer werden, wider den Stachel lecken!« (Apostg· 26, M) hat den Bann, der bisher auf seiner Seele gelegen, auf einmal aufgehoben und den geheimen in- neren Kampf zu -einer glücklichen Wendung gebracht. Um das J. 30 n. Chr., bei welchem wir mit unsrer Geschichte stehen, war Paulus gewiß schon 20 Jahr alt; nun wissen wir (Kap. 2, 42), daß die Unterwei- sung eines hebräischen Knaben in den väterlichen Satzungen mit dem 12. Jahre begann, und daß auch Paulus in diesem Alter von seinen Eltern 1iach Jeru- salem gebracht worden, läßt sich mit ziemlicher Sicher- heit aus seinen eigenen Worten in Apostg. 26, 4 f. chließem Da sind recht wohl folgende Umstände denkbar: Als Jesus in Joh. 10, 39 seinen Wider- sachern aus ihren Händen entging, haben sie gewiß ich nicht ferner um ihn unbekümmert gelassen, sondern irgend welche Laurer ihm nachgesendet, und wie leicht konnte erade ein solcher eifriger und geschickter Jün - ling, wie dieser Paulus, ihnen als das geeignet te Werkzeug erscheinen, um Jesii auf seinen weiteren Wegen nachzuspiiren und den Pharisäern an dem- jenigen Orte, wohin er sich wenden würde, Jnstruc- tionen zugehen zu lassen! Ein Jüngling konnte sich am leichtesten unter den Zug der Begleiter Jesu von Jerusalem bis nach Peräa hinüber mischen, ohne die Pharisäer und Schriftgelehrten zu compromittiren; und wie nun die Einladung in Kap. 11, 37 ff. ein von der Deputation des Hohenrathes nach Galiläa angestelltes Manöver war, so wird auch die Einladung des Obersten der Pharisäer hier im Texte nichts an- deres gewesen sein, und der Sendling Paulus war dann jedenfalls auch mit beim Gastmahl gegenwärtig. Der HErr erkannte wohl, was man mit ihm vorhabe, als man ihm einen Laurer nachsendete, und er hat ihm mittelbar das in Kap. 13, 4—9 u. 33 —35 Ge- sagte als eine Predigt für Jerusalem auf den nach- heri en Heimweg mitge eben; er erkannte aber im Gei te zugleich, daß gera e in diesem Pharisäerschüler sein himmlifcher Vater einen Er aß ihm wolle zu- richten für denjenigen unter den wblfen, welcher zu D ä chseks Btbelwctb 769 den Pharisäern und Hohepriestern übergehen und zum Verräther an ihm werden würde (Joh. , 70 f.), und was er nun auf dem Gastmahl des Obersten der Pharisäer sagt, das ist der erste Stachel, den er dein Jüngling in’s Herz drückt, der seine Wirkung s «on thun wird, sollte gleich an den übrigen Tischgeno sen sein Heilands-Werk verloren sein. Für jetzt freilich hat Paulus die gerade gegentheili e Wirkung vom Gast- mahl mit inweg enomm"en; esus ist ihm wohl in dem Wun erwer am Wassersiichti en, das er trotz des Sabbaths vollbrachte, als der ksalschen Prop eten einer erschienen, auf welchen das Gebot in 5. of. 13, 1——5 Anwendung leide, wie er ja von diesem Vorurtheil schon durch seine Lehrmeister eingenommen war, und es hat sich sein Dienteiser für die Obersten seines Volks mehr und mehr zu einem Zeloteneifer gegen die grundtürzende Häresie, wofür er Jesu Lehre erkennen zu müssen glaubte, umgewandelt. Aber das hinderte doch nicht, daß in den geheimsten Falten einer Seele sich ein Eindruck von der Freundlichkeit und Leutseligkeit Gottes des Heilandes, die in dem ganzen Wesen dieses Jesu von Nazareth sich abspie- gelte, und von der göttlichen Kraft und göttlichen Weisheit, die aus allen seinen Worten sprach, festsetzte, der nicht völlig verwifcht werden konnte, bis er dann auf einmal mit ganzer Gewalt zum Durchbruch kam. Wer weiß, ob nicht das Pergamen, dessen Mitbrin- ung von Troas der Apostel in Z. Tim. 4, 13 dem- imotheus aufträgt, sozusagen das Protokoll über die hier erzählten Vorgänge und Reden enthielt, das er vormals zur Berichterstattung für die Obersten in Jerusalem aufgesetzt hatte und das nun für das Evangelium St. Lucä verwendet werden sollte. 12. Er sptach auch sals nun die Mahlzeit ihren Anfang nahm und er bemerkte, was für Gäste außer ihm hier versammelt waren] zudem, der ihn geladen hatte: Wenn du ein Mittags- oder Abendmahl [Matth. 26, 20 Anm.] machest, so lade nicht deine Freunde, noch deine Brüder, noch deine Gefreundten, noch deine Nachbarn, die da reich sind; auf daß sie dich nicht etwa wieder laden, und dir [damit von ihnen selber] vergelten werde swas du ihnen zu gut gethan]; 13. Sondern wenn du ein Mahl machest, so lade [wie schon das Gesetz dich dazu anleitet 5. Mos 14, 28 f.; 16, 11; 26, 11 ff.] die Armen, die Krüppel, die Lahmen, die Blinden [Tob.4,7]: 14. So bist du selig; denn sie haben es dir nicht zu vergelten, es wird dir aber vergolten wer- den in der Auferstehung der Gerechien Damit, daß auch du nun an Gottes Tafel sitzen darfst]. Die gewöhnliche Voraussetzung, in der man einem Vornehmen eine Mahlzeit giebt, nämlich seinerseits eingeladen zu werden, stellt der HErr hier als etwas dar, das weit e er zu vermeiden, als ängstli zu suchen sei; es steht dem «seinen Lohn da in ha en« (Matth. 6, 5) gleich, nur da, wo man ni t aus all- täglicher Gewinnsucht, sondern aus uneigennü iger Liebe etwas thut, verheißt der HErr die reichste er- geltung. Wenn er dabei der ,,Auäerstehun der Ge- rechten« gedenkt, so würde der» usatz erechten vo kommen zwecklos gewesen sein, wenn er an die allgemeine Auferstehung gedacht ätte, die er z.B. in Joh. 5, 28 f. beschreibt· er unter cheidet vielmehr, wie Pauius (1. Cur. 15, 2å) und Johannes (Offo·20,5f.) R. T. I. 49 770 Evangelium Lucä 14, 15——21. gwischen einer ersten und zweiten Auferstehung und rückt dadurch dieser oft widersprochenen Lehre den Stempel seines eigenen untrü lichen Wortes auf. (v. Oosterzee.) Wie die Gäste fich selbst erniedrigen sollen durch die Wahl des niedrigsten Platzes, so soll der Gastgeber sich selbst erniedrigen durch Einladung der Niedrigften; das Verbot ,,lade nicht« steht auf leicher Linie mit dem Wort in V.«26, es soll das- fielbe nur die Nothwendigkeit der Aufhebung des blos Sinnlichen und Natürlichen in der Liebe anzeigen —- erst die höhere, in der Wiedergeburt geschenkte Liebe adelt alle natiirlichen Liebesverhältnisse (Olshausen.) Nicht als verböte uns der HErr, unsre Freunde und Verwandten einzuladen; aber dies beides verbietet er uns: 1) für eine sonderliche Liebe das auszugeben, wenn wir Diejenigen traktiren, die wir nach dem Fleische lieb haben (Kap. 6, 32 ff.), und 2) in der Absicht, Andern wohlzuthun, daß sie es uns vergelten möchten. Doch liegt wohl auch dies in seinen Wor- ten: wenn ihr die Speise, worauf die Armen von Gott angewiesen sind, nach eurem Belieben an eure Freunde austheilt, so rühmet euch nicht der Liebe. — Ach, da möchte Einem bei manchem Schmause bange werden! (Besser.) Jesus zeigt den Pharisäern in 3 Gleichnissen, wie mißlich es mit ihrem Verhältniß zum Reiche Gottes stehe; die beiden ersten Gleichnisse trägt er ihnen vor in der aufgelösten Form der Er- mahnung, die Juden verstanden sich aber zu wohl auf die varabolische Lehrweise ihrer Rabbinen, als daß die Gäste in diesen Tischreden Jesu eine unzeitige Anstandslehre oder eine hyperbolisch ausgedriickte An- preisung der Wohlthätigkeit hätten finden sollen, wie neuere Ausleger das so leicht thun. Als die Gäste Jehovcks hatten die Pharisäer und Schriftgelehrten in seiner Theokratie sich obenan gesetzt, das bewiesen sie deutlich auch durch ihr Verhalten gegen Jesum; da- rum giebt er ihnen zu verstehen, es könne dazu kom- men, daß sie von dem Herrn des Festes von den hohen Sitzen würden fortgewiesen werden auf die un- tersten Plätze und daß ein Anderer, der sich bescheiden unten an gesetzt habe, als der vertraute Frund des Hausherrn würde anerkannt und hoch über sie empor gerückt werden auf den ersten jener Sitze, welche sie eingenommen. Ferner luden die Pharisäer nur ihre Geistesgenossen zu Gaste, d. h. nur diesen wandten sie ihre Gunst, ihre Freundlichkeih ihre Generosität zu, und dafür wurden sie denn regelmäßig wieder einge- laden und auf gleiche Weise bewirthet; sie luden aller- dings die Menf en ein zum Mitgenuß der Güter der Theokratie, der erheißungen Jehovcks — aber welche? nur ihre Befreundten und Verwandten, gleichgestnnte pharifäische Juden, oder etwa auch reiche Nachbarn, vornehme Proselyten. Nur diese allein sollten mit am Reiche Gottes Theil haben; die Armen dagegen, die Zöllner, San1ariter und Heiden wollten sie nicht bei diesem Gast1nahl sehen. Was wird nun aber nach dem Worte Christi die Folge dieser Engherzigkeit sein? weil sie das große Reich der Liebe verleugnen, um die kleine Societät der wechselseitigen pharisäifchen Freund- und Gevatterschaft, so werden sie auch nicht Theil haben an dem reichen Feste der Liebe, wie es in der Auferstehung der Gerechten, im neuen Himmel- reich gefeiert werden wird. Einer der Tischgenossen gab es nun deutlich zu erkennen, daß er die Bezie- hung der Ermahnungsreden Jesu auf das Reich Gottes wohl erkannt hatte. (P. Lange.) 15. Da aber solches hbrete einer, der mit zuTische saß, sprach er zu ihm: Selig ist, der das Brod isfct [Theil nehmen darf an der Mahl- zeit V. 1; Matth.15, 2] im Reich Gottes [und auf solche Theilnahme dürfen doch wohl wir Pharisäer und Schriftgelehrten, die vor allen andern geladenen Gäste, uns mit Zuversicht Rechnung machen]. Was dem Manne vorschwebh ist das hergestellte Reich des Messias in seiner Herrlichkeit und Seligkeit; von demselben Reiche handelt das nun folgende Gleich- niß, und zwar unter Beibehaltung des nämlichen Bildes, um dem Manne, der den Ausruf gethan hat, zu zeigen, wie wenig sein Verhalten und das seiner Standes- und Gesinnungsgenossen eben jetzt, wo die Aufforderung und Einladung an sie er ehe, dazu an- gethan sei, daß sie der von ihm gepriexfenen Seligkeit auch wirklich theilhaftig würden. Das Gleichniß ist verwandt, aber nicht gleich mit dem in Matth. 22, 1 —14., welches letztere später gesprochen wurde und eigenthümliche Beziehungen enthält, die unser Gleich- niß noch nicht mit aufgenommen hat. (v. Burger.) Durch die Aeußerung Jesu: ,,es wird dir ver olten werden in der Auferstehung der Gerechten« wird in dem Gemüth eines der Gäste die liebliche Ahnung der himmlischen Freuden geweckt; oder vielleicht ist es für ihn nur eine Gele enheit, Jesu eine Falle zu stellen und ihn zum AusJprechen einer Ketzerei über diesen Gegenstand zu verleiten. Die ernste Tenden des Gleichnisses könnte diese zweite Erklärung begiin tigen; jedenfalls beweist die Aufzählung in V. 21 vgl. mit V. 13 (,,die Armen und Krüppel und Lahmen und Blinden«) die enge Verbindung, welche wischen beiden Theilen der Unterredung stattfindet. » awohl selig l« erwiedert der HErr; ,-,darum gieb nur Acht, daß du diese Seligkeit nicht von dir stößeft, eben indem du sie rühmst.« (Godet.) Das große Abendmahl: 1) die Geladenen verachten es; darum 2) werden die Verachteten geladen. (Münkel.) (Euangetiunk am T. Sonntag nach Crinitatis.) Im Gleichniß vom großen Abendmahl lernen wir, wie der HErr nach seiner Barmherzigkeit die Völker durch seine Knechte zum Reich feiner Gnade beruftx Viele verachten aber die Berufung des HErrm weil ihr Herz an der Welt hängt. So that Israel, darum hat der HErr seine Boten zu den Heiden gesendet; dieselbe Erscheinung wiederholt sich immer wieder. Des geil. Geistes Berufmsis ergeht fort und fort durch das ivangelium an die enschen, aber Viele nehmen sie nicht an; es erfüllt sich immer wieder das ernste Wort: ,,Viele ind berufen, aber Wenige sind auser- wählen« (Die enbach.) Was die Evangelien in der ersten Hälfte des Kirchenjahres uns wieder verkün- digt haben von der Ankunft des eingeborenen Sohnes Gottes im Fleisch bis zu der Erweckun des großen Hirten der Schafe von den Todten und is zu seinem Abschied von der Erde und zur Sendung seines heil. Geistes, das ist alles Ein roßer Preis der Hirten- treue unsers Gottes und unfers Erlösers (Ps. 23). Es ist uns dadurch die köstlichste Seelenweide bereitet worden, durch welche uns Gutes und Barmherzigkeit zu Theil werden soll unser Lebenlang und wir gestärkt werden sollen zum ewigen Leben. Aber wir dürfen nun auch unsre Herzen der Gnadenfülle nicht ver- schließen, welche unser Gott nach seiner Weisheit und Liebe so freundlich uns aufgeschlossen hat: das ist die ernste Mahnung, welche in dieser zweiten Hälfte des Kirchenjalgrs an uns ergeht. Gleich an ihrem Ein- ·ange sin wir durch die Worte, welche der HErr an gfiikodemus richtet, aufgefordert worden, in lebendigem Das Gleichniß vom großen Abendmahl. 771 Glauben unsern Erlösey der ja das wahre Brod des Lebens ist, aufzunehmen, damit wir durch seine heilige und lebendige Gotteskraft wiedergeboren werden zu dem neuen Leben der seligen Gotteskindschaft und zum Bürgerthum seines himmlischen Reichs. Das Evang. des vorigen Sonntages hat uns dann an dem Beispiel des reichen Mannes gezeigt, wie flüchtig und trügerisch auch die reichsten Güter dieser Erde sind und wie der arme Lazarus in Wahrheit der reiche Mann gewesen ist, weil er bei all’ seiner Armuth verstanden, reich zu werden in Gott. Und wä rend uns so die Wahl vor- ehalten worden ist zwichen dem flüchtigen Genuß ieses zeitlichen Lebens und der Seligkeit es ewigen Lebens, so ergeht nun im heutigen Evang. an uns die freundliche Einladung unsers Gottes zu dem gro- ßen himmlischen Abendmahl, welches er zu unver- änglichem Genuß allen denen bereitet hat, die seinem use mit willigem Herzen folgen. O so laßt uns doch auf die Stimme des guten Hirten hören und aus der Wüste der gottentfremdeten Welt uns sammeln unter seine treue Hut! Laßt uns aufgeben die alten schlech- ten Entschuldigungem womit wir uns weigern, seiner Einladung zu folgen, und unsre Weigerung vor ihm und vor unserm eigenen Gewissen zu beschönigen suchen! Laßt uns darnach trachten, daß wenn unser irdisches Haus dieser Hütte zerbrochen wird, wir bleiben mögen in dem himmlischen Hause unsers Vaters immerdar, in welchem Raum ist für alle seine Kinder! (Baur.) Zum ewigen Abendmahl zu kommen, wo an der Brust Abrahams der arme Lazarus liegt, ist uns am vorigen Sonntag als höchste Angelegenheit des Menschen dargestellt worden; wie uns der HErr zu diesem ewigen Abendmahl bringen will, das zeigen nns viele Texte Auch das heutige Evang. redet von einem Abendmahl Gottes in der Zeit, welches mit jenem Abendmahl der Ewigkeit zwar nicht ein und dasselbe, aber doch ein Vorhof und Uebergang zu demselben und deswegen wichtig genug ist, um von allen denen mit großem Ernst betrachtet z1i werden, welche zu den Freuden des ewigen Abendniahls koni- men wollen. (Löhe.) Das Gleichniß bei Lukas ist die Puppe, aus welcher sich später das Gleichniß von dem Hochzeitniahl bei Matthäns entwickelt hat: hier steht so usagen iioch alles in den Anfängen, dort ist das En e gekommen; hier ein Abendmahl, dort ein Hochzeitsmahh denn der Gotteskne t hat allgemach seine niederen Hüllen abgelegt und ich als deii ein- ebornen Sohn vom Vater geofsenbart; hier ein Ent- slchuldigen und ein Nichtkonimew dort — denn die Gleichgiltigkeit hat der Feindschast Raum geinacht — ein Höhnen und Tödten; hier die Verkündigung, daß keiner jener geladenen Männer das Abendmahl schme- cken werde, ort die Nachrichh daß die Mörder um- gebracht seien; hier abgebrochen mit dem Auftrag: ,,nöthige sie hereinzukominen«, dort ein Besehen der Gekommnen, ein Richten unter den Gästen. Unser Gleichniß hat es nur mit derBerufung zu thun; jenes schließt bedeutsam: ,,Viele sind berufen, aber wenige sind auserwählt« Wir haben hier den Anfang der Wege Gottes, dort den Ausgang der- selben: wer muß nicht den überaus feinen Takt der Kirche bewundern, welche unser Lukas-Gleichniß in den Anfang und das Matthäns-Gleichniß in den Ausgang der Trinitatiszeit legt? Wer wird des HErrn Abendmahl schmecken? 1) wer die welt- lichen Lügte verleugnet, Z) wer eine geistliche Armuth erkennt, ) wer in das Haus ottes kommt. (Nebe. Das Gleichniß vom großen Abendmahl: l) die Güte Gottes in der Einladung, L) die Thorheit der Menfchen in der Verachtung, s) der Ernst der Liebe in der endlichen Ausrichtung. (P. Müller.) Die große Mahlzeit im Himmelreich: 1) freund- lich zubereitet, Z) dringend angeboten, J) undankbar verworfen, 4) noch immer offen stehend. — Die Ent- chuldigungem l) zahlreich an Menge, Z) nichtig an Werth, Z) verderblich in den Fol en. (v.Oofterzee.) Groß ist in der That das gro e Abendmahl: 1) große Gnade hat es bereitet, 2) großer Welt- sinn verschmäht es, Z) großer Eifer will es voll haben, 4) großes Gericht führt es mit sich. 16. Er. aber sprach zu» ihm: Es war ein Mensch, der machte ein groß Abend- mahl [Matth. 26, 20 Anm.], Und lud [in dem langen Verlauf der alttestamentlichen Heilsanftalt Kap. m, 24z Hebr. 1, 1] Viele dazu. 17. Und sandte seinen Knecht [Jes. 49,6] ans nr Stunde des Abendmahls, zu sagen den eladenen: Kommt, denn es ist alles bereit [Matth. 3, 1 f.; 4, 17]. 18. Und sie singen an alle nach einan- der sals hätten sie schon sich unter einander verabredet, wie sie der Einladung begegnen woll- ten] sich zu entschuldigen [Matth. 21, 28—.32]. Der erste sprach zu ihm:· Ich habe einen Acker gekauft, nnd muß hinaus gehen und ihiich besehen; ich bitte dich, entschuldige M! . » 19. Und der andere sprach: Ich habe funf sKap. 12, »Es; 16, PS] Ioch Ochsen gekauft, und ich gehe ietzt hin, sie zu besehen; ich bitte dich, entschuldige mich. · 20. ·Und der dritte sprach: Ich habe ein Weib genommen, darumkann ich snach dem Recht, welches das Gefetz einem Neuverhek ratheten gewährt Z. Mos. 20, 7 Anm.] nicht kommen. 21. Und der Knecht kam, und sagte« das seinem Herrn wieder. Da ward der Hans- herr zornig, und sprach zu seinem Knechte: Gehe aus bald auf die Straßen und Gassen der Stadt, und fahre« die Armen und Kriippel und Lahmen und Blinden herein. An den Ausruf eines der Mitgäste in V.15 knüpft der HErr sein Gleichniß an. In jenem Ausruf sprach sich nicht eine Bitte um das Reich Gottes aus, sondern das Vollgefühl schon darin zu sein; da will nun der HErr dem Sprecher und den übrigen Gästen zu Ge- müthefü ren, daß sie das Brod noch nicht ini Reiche Gottes essen, daß sie vielmehr die Einladung, welche jetzt an sie ergeht, hören und kommen müssen. · Der Mensch, welcher das große Abendmahl macht, ist der HErr unser Gott, und nicht der menschgewordene Gottessohn; es ist der Sohn wohl auch an und für sich als der zu denken, welcher das. Mahl, d. i. das Himmelrei zurüstet, da aber das Himmelreich eben erst als Reich Gottes bezeichnet ward und der» Sohn hernach (V. 17) als Knecht auftritt, »so ist hier bei Gott dem Vater stehen zu bleiben. Ein Abendmahl veraiistaltete dieser Mensch: das Himmelreich wird in dem alten Testament schon mehrfach mit einer» Mahl- N« 772 Evangelium Lucä 14, 21 Anm. zeit verglichen (Spr. I, 1ff.; Jes. 25, 6., vgl. Matth. s, 11; W, 29); dieser Ver leich ist außerordentlich zu- treffend. In jeder Men chenseele ist ein Abgrund, welcher nur durch den lebendigen Gott ausgefüllt werden kann; der von Gott und zu Gott geschaffene Mensch hat einen Hunger nach Gott, nach dem leben- di en Gott. Um diesen seinen Hunger na Gott zu sti en, fährt der Mensch mit seinem Den en hinauf gen Himmel, aber er kann Gott nicht erfassen; rin t er mit aller seiner Kraft nach der Gerechtigkeit, welchxe Gott wohl efällig ist, aber sein Ringen führt ihn nicht zum « ielex ver enkt er sich in sein Gefühl, aber auch hier findet er den HErrn nicht. Das Brod, welches der Welt dasLeben giebt, kommt vom Him- mel erab: Gott bereitet für den Gotteshunger der Men chheit, für die seufzende Kreatur das Abendmahl, er will sie mit den Gütern seines Hauses sättigen. (Nebe.) Das Gastmahl des großmiithigen Mannes ist die Seligkeit des christlichen Glaubenslebens, Jehova der Gastgeber; er hatte die Gäste schon früher ge- laden, längst waren die Jsraeliten auf das große Gastmahl vorbereitet und hatten die Einladung ange- nommen. Man muß von der ersten Einladung ie spätere Ansage unterscheiden, jetzt sei das Mahl be- reitet; diese Ansage fällt mit der Erscheinung und Wirksamkeit Christi zusammen. Aber nun fangen die Geladenen an, wie verabredet, vom ersten fort, sich zu entschuldigen. Diese Eittschuldigungett erscheinen von vornherein als nichtig, ja geben ihren Wider- spruch in ich selber kund; denn nicht das zeitliche und weltliche Thun an sich verhindert den Menschen, ein Gast im Himmelreich zu werden, sondern die Unfrei- heit, die leidenschaftliche Verworrenheit, womit er’s betreibt, der Schwindel des irdischen Sinnes, wie er in allen erdenklichen Formen auftritt. Der irdische Sinn in seinen verschiedenen Gestalten macht die Menschen unempfänglich für das Geistesleben des Himmelreichs, namentlich als Lust an dem Güterbefitz, den hier der Acker repräsentirt, an dem herrfchastlichen Walten, welches dadurch versinnlicht ist, daß die Peitsche über 5 Paare oder Gespanne von Ochsen ge- schwungen werden soll, und endlich als unfreie Sinn- lichkeit nnd als unfreie Hingebung an Menschen in Liebe und Furcht, Verkehrtheitem welche hier die Ver- hinderun durch das Eheweib bezeichnet Auch die subtilen ormen des» Widerspruchs gegen das Evan- gelium, wie sie z. B. dem HErrn im Pharisäismns und Sadducäismus entgegentraten, sind überall von diesen verschiedenen Elementen des irdischen Sinnes beseelt. Die Verschuldung egen den Gastgeber liegt darin, daß das gegebene ort der Zusage ihm ge- brochen und daß er unter nichti en Einwänden gerade in seinem schönsten Leben, in einer Huld verachtet wird. Allein er befriedisx dennoch seinen Drang, das Freudenfest zu stiften. an kann nicht umhin, unter den Armen, Krüppeln, Lahmer» Blinden, die er von den Straßen und Gassen der Stadt geschwind zu Gast bitten läßt, zunächst im Gegensatz gegen die Pharisäer die Zöllner und Sünder zu verstehen; und wenn dann der Knecht vor das Thor geschickt wird, um die Leute, welche an den Landwegen und an den Zäunen gela- szert sind, einzuladen (V. 22 ff·), so muß dies wohl im egensatz gegen die Juden im All emeinen auf Sa- mariter und Heiden hindeuten. ( . Lange.) Das Gnadenreich des neuen Testament-s, das droben sich Zum Reich der Herrlichkeit vollendet, wenn wir das ugesicht Gottes in Gerechtigkeit schauen und nach seinem Bilde etwaigen werden, stellt der HErr unter dem Bilde des gro en Abendmahls dar: ein großes nennt er es, weil der große Gott, der Selige und allein Gewaltige, der König aller Könige und Herr aller Herren (1.Tim. 6, 15), es für die große Menge aller Menfchen bereitet hat und einen nnausforschlichen Reichthum von Gaben dabei frei und umsonst aus- theilt. Es ist eigentlich nur Eine Unaussprechliche Gabe, welche der ewigreiche Gott an seiner Gnaden- tafel für uns arme fiindige Menschen bereit hält, aber eine Gabe, in welcher die Fülle der Gottheit leibhaftig wohnt, alle Schätze der Weisheit und Erkenntnis; ver- borgen lie en und alles das beschlossen ist, was dem einzelnen enschenkinde wie der gesammten Mensch- eit für Zeit und Ewigkeit noth thut. Diese Gabe ist Jesus Christus, für uns von Gott gemacht zur Weisheit, zur Gerechtigkeit, ur Heiligung und zur Erlösung (1. Cor. 1, 0). arm« ist erschienen die Liebe- Gottes ge en uns, daß Gott seinen eingebornen Sohn gesandt at in die Welt, aß wir durch ihn leben sollen; wer an den Sohn glaubt, der hat das ewige Leben; wer Jhn,hat, der hat alles satt und ist aus aller Noth. Wer Jhn hat, der hat Gnade: sie ist das tägliche Brod am Tische Gottes; was hülfe uns die ganze weite Welt mit allen ihren Schätzen, wenn wir die Gnade unsers HErrn Jesu Christ: nicht hätten? Wo aber die Gnade Christi-ist, da ist auch Gerechtigkeit, die vor Gott gilt und aus der Ver- gebung der Sünden kommt; denn bei dem HErrn ist die Gnade und viel Erlösung bei ihm. Wo aber Ge- rechtigkeit ist, da ist auch Friede mit Gott—- Friede, den die Welt nicht kennt, denn die Gottlosen haben keinen Frieden, Friede im Herzen und im Gewissen. Wo aber Friede ist, da ist auch Freude, Freude am HErrn, der unsre Stärke ist, Freude im HErrn alle- wege, Freude im heil. Geist, durch den die Liebe aus- gegoTen wird in unser armes Herz, und mit ihr Kraft n eben, ewiges Leben schon hier in der Zeit und felsenfeste Zuversicht, die da mit Paulo sprechen lehrt Röm. 8, 38 f.): ,,ich bin gewiß, daß weder Tod noch eben . . . uns scheiden ma von der Liebe Gottes, die in Christo Jesu ist, un erm HErrn-« Von dem Gastgeber in unserm Text lesen wir, daß er Viele zu dem großen Abendmahle lud. Den Kindern Abra- hams hatte Gott durch die Pro beten, die von der zu- künftigen Gnade geweissagt ha en, von Alters her ver- heißen, daß er sein Reich unter ihnen aufrichten wolle, darin sie, erlöset aus der Hand ihrer Feinde, ihm dienen sollten ohne Furcht ihr Lebenlan in Heiligkeit und Gerechtigkeit, die ihm gefällig ist ( p. I, 70—75). Zur Stunde des Abendmahls aber, als die von ihm zuvor bestimmte Zeit erfüllet war, sandte er fei- nen Knecht aus, zujsagen den Geladenen: ,,kommt, es ist alles bereit!« gErst kam Johannes, der Engel vor dem HErrn her, i m den Weg zu kbereiten mit der Predigt: ,,thut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbei gekommen«; darnach kam der eingeborene Sohn des Vaters voller Gnade und Wahrheit, um die Kin- der Jerusalems zu sammeln, wie eine Henne ihre Küchlein sammelt unter ihre Flügel, und lud ein«: ,,kommt her zu mir alle, die ihr nciihselig und beladen seid, ich will euch erquicken! wen da dürstet, der komme zu mir und trinke; ich bin dasBrod des-Lebens, ich bin gekommen, daß sie das Leben und volle Genüge Raben« endlich, nachdem das uns uldige und unbe- eckte Lamm Gottes sein theures lut am olz des Kreuzes auf Golgat a vergossen, eine ewige rlösung erfunden und sterben bezeugt hatte: »esitvollbracht«, es bedarf nun nichts mehr, als daß i r Menschen- kinder kommt und nehmt aus der Fülle ottes Gnade um Gnade! da luden die heilssåpotel drin ender denn Je in der Kraft des heil. »eites die inder Juda zum großen Abendmahl und riefen (Apstg. 2, AS; Offenbarung der verschiedenen Herzenszustände in der Ablehnung der Einladung. 773 5, 25 s.): ,,euer und euer Kinder ist diese Verheißung, ihr seid des Biindes Kinder, welchen Gott gemacht hat mit euren Vätern, euch zuvörderst hat Gott auf- erwecketsein Kind Jesum und hat ihn zu euch gesandt, euch u segnen, daß ein jeglichergich bekehre von sei- ner os eit.« (Werkenthin.) erufen werden zu allererst ie Geladenen, also diejenigen, welche wußten, daß Gott der HErr vorhabe ein großes Abend- mahl zu halten und daß sie daran Theil bekommen sollten; das waren denn freilich keine Heiden, denn die Heiden waren fremde von den Testamenten der Verheißung Man kann auch nicht einmal sagen, daß alle Juden zu den Geladenen gerechnet werden kön- nen; denn ein großer Theil der Juden war, wie ge- genwärtig ein großer Theil der E risten, sie wußten nicht, wie große und reiche Verhei ungen ihrem Volke egeben waren, kümnierten sich auch wenig darum, ebten ein eitles, weltliches, nur zeitlichen Bestrebungen gewidmetes Leben. Zu den Geladenen kann man nur diejenigen Juden rechnen, welche, wie die Hohenpriestey Pharisäer, Schriftgelehrten die Weissagung kunnten und in den Zeichen der Zeit, iii dem Auftreten Johannis nnd des HErrn selber Aufforderung genug finden konnten, die Fülle der Zeit und die nahende Aufrich- tung des göttlichen Reichs wahrzunehmen. Diese ge- ladenen, der Verheißung und des göttlichen Gnaden- rathes kundigen Juden erscheinen in unserm Gleichniß als der Mittelpunkt des Volkes Jsrael und der ganzen Welt, von denen aus die himmlische Berufung Gottes in Christo Jesu seinen Lauf nimmt und alle Lande erfüllt Zwar lesen wir nicht, daß ihnen Gottes Ruf zu seinem Abendmahl mit besonderem Fleiß zugetragen wurde; aber sie vernehmen die schallenden Stimmen, die zum Mahle riefen, wie Andere immer, und sie konnten dieselben gründlicher versteäew Jhnen vor allen mußte sich die frohe Kunde, da nun das Mahl bereitet sei, in’s Herz prägen; weil sie die meisten Vorkenntnisse hatten, verstanden sie zuerst, was es gilt; weil sie geladen waren, begriffen sie zuerst die erusung. Die zweiten, welche zur himmlischen Mahl- Zeit berufen wurden, waren die Mensckzem welche mit en ersteren die Straßen und Gassen erselben Stadt bewohnten, oder ohne Bild zu reden, die andern Juden, welche zwar die Weissagungund Ladun des HErrn im alten Testamente nicht wie die erste lasse der Berufenen verstanden, aber doch zu dem Volke Gottes gehörten, welches von allen Völkern auser- wählt war und durch die Wahl der Gnaden das erste Anrecht auf das Abendmahl Gottes hatte. Ge- genüber der ersten Klasse waren diese Zweiten Arme, ahme und Krüppel an Weisheit und Verstand; aber es wird ihnen nichts destoweniger die himmlische Be- rufung zuT eil, und ob sie schon hinter jenen zurück- standen, so amen sie ihnen dennoch gleich und vielen vor.—Was nun die Geladenen vom Gehorsam gegen Gottes Ruf abhielt, das hält auch heute noch bei uns so gar Viele ab: der Mensch vergißt sein Ziel, zu welcheni er berufen ist, und hat er das vergessen, ist es ihm entrückt oder gering geworden, dann kann er allerlei Dinge für Zweck und Ziel achten, welche nur Durchgangspunkte und nur Wege oder Mittel zum Ziele genannt werden sollten. Als Gott den Menschen im Paradiese gegen die Anfechtung des Satan sicher stellen wollte, gab er ihm Herrs aft über die Thiere und trug ihm auf, das Land im aradiese Fu bauen; und damit er nicht einsam dem ewigen Le en entge- gen in e, gab er ihm eine Gehilfin zu, die ihn, wie er ie, ördern und niemals hindern sollte. Das ist auch jetzt noch des HErrn Wille: indem der Mensch sein -zeitlich Tagewerk an Vieh und Land vollbringt, stößt sich die Anfechtung; indem er sich mit seinem Weibe verbindet, wird es ihm desto lieblicher, Gott zu dienen; indem seine Seele nat? Gottes Willen gerin- gere Werke vollbringt, stählt ie sich zu höheren und gößerem und die Liebe des zweiten Grades zu den einen hindert nicht, sondern fördert die Liebe vom ersten Grade, die Liebe u Gott. Wie schrecklich ist es nun, wenn sich das a es verkehrt, wenn das Zweite zum Ersten, der Durchgangspunkt zum Wohnort und zur Bleibstätte, die Fremde zur Heimath und jedes von Gott verordnete Förderungsmittel Izu einem Fall- strick und zur Versuchung wird, in er man fälltt Man soll vor allem und am ersten nach dem Reiche Gottes und seiner Gerechtigkeit trachten, das Andere soll als unbedeutenderes Lebensgut zufallen: und nun wird das durch Gottes Gna e zufallende Kleine zur Hauptsache, darüber man das höchste Gut verliert, und um ein Linsengericht verkauft man die Erstgeburt, welche ein Anrecht auf weit aussehende, ewige Verheißungen giebt. Welch eine Täuschung, welch ein Selbstbetrug, welch ein Jammer, ehe man ihn einsieht und. fühlt, und welch eine Leere, welch eine Eitelkeit der Seele, wenn nun Weib und Habe dahinfährt, ein jedes seine Straße, und die arme Seele inne wird, daß sie Gottes Ve- rufung um Vergängliches ausgeschlagen und das Einzige, was ewig bleibt, schnödevon sich gewiesen Blut! (Löhe.) Jesus begnügt sich nicht niit· der bloßen ngabe, daß alle Geladenen sich einmuthig entschul- digt hätten, er giebt ihre Entschuldigungem ihre Aus- flüchte näher an; er mußte hier so in’s Detail ein- gehen, um mit seiner Parabel den Pharisäern ·recht an’s Herz heranzudringen. Diese wiegten sich ja in dem Wahne, daß sie der Einladung Gottes Folge ge- leistet hätten und an dem· Tisch» des Himmelreichs süßen; sie müssen also aus ihrer sicheren Ruhe aufge- schreckt und bedenklich gemacht werden. Der Erste sprichtnunx ,,ich habe einen Acker ekauft und muß hinausgehen und ihn besehen«; der cker ist gekauft, aber er muß nun auch seine weiteren Anordnun en treffen, dieser Umstand, der ihm selbst ärggrlich zu ein scheint, läßt es nicht zu, daß er kommt. er Andere schließt seine Rede mit denselben Worten wie der Erste, und doch spricht er schon aus einem anz anderen Tone; er läßt es durch seine Antwort hin urchleuchten, daß er auch zu anderer Zeit die Och en sich besehen könnte, allein es ist nun einmal dies sein Vergnügen, sein Wohlgefallen, sein Entschluß. Der Erste kann nicht, der Andere mag nicht kommen; es scheint, daß er schon auf dem Gange zu den Ochsen ist, er will sich nicht stören lassen in seinem weltlichen Vorhaben. Beim Dritten Zeigt sich recht, wie die Entschuldigungen in absteigender inie verlaufen: man macht je län er desto weniger Umstände niit dem Kne t. ·Da er Erste sich entschuldigt hatte, ist der weite schon muthiger geworden; da Zwei sich entschuldigt haben, meint der Dritte, er könne sich kürzer und derber fassen. Er beruft sich auf das Recht in 5. Mos.»24, 5; er meint, er habe, wenn der HErr sein Gott ihn zu seiner Fahne ruft, auch das Privilegium, daheim zu bleiben und sich mit seinem Weibe zu ergöken — er dürfe nicht kommen. Es offenbaren sich o in den drei Entschuldigungen verschiedene Herzenszuständu es giebt solche, wel e gezwungen, aber auch solche, welche willig, un solche, welche entschiedenaii der Welt hangen; den einen ist dieser Weltdienst eine Last, ein Joch, den andern ihre Lust und Freude, den dritten ihr Ein und Alles. Aber andere Unter- schiede treten noch hervor: der Erste wird von den Dornen der Sorge, der Zweite von den Dornen 774 des Reichthun1s, der Dritte von den Dornen der Wollust dieses Lebens festgehalten; bei dem Ersten wiegt das hoffärtige Leben, bei dem Zweiten die Augenlust und bei dem dritten die Fleischeslust vor. (Nebe.) Der tiefste Grund der Verachtung der himmlischen Güter liegt bei allen diesen Leuten nicht in dem Acker, den Ochsen und dem Weibe: sie haben keinen Hun er, sie spüren keine Sündennoth (V. 21), das n1acht sie so unlustig; das hält sie ab, ihren Acker mit Kartoffeln zu vergessen und den Acker mit dem verbor enen Schatz zu kaufen, ihre fünf Joch Ochsen am P uge stehen zu lassen und ihre Hand an den Pflug des Reiches Gottes zu legen, um ihres Weibes willen zu gedenken: ,,nun muß ich zwiefach kommen« und sammt ihr sich vertrauen zu lassen dem rechten Manne; das macht sie blind zusehen, daß mit Jesu sich? wahrlich besser ackern, pflugen und haushalten laßt, als ohne Jesum. (Besser.) Von denen, welche hernach (V. 21) an ihrer Stelle geladen werden«, waren keine derartigen Entschuldigungen zu fürchtenx der Blinde hatte keinen Acker zu besehen, der Lahme konnte nicht hinter seinen Ochsen hergehen und der Krüppel hatte keine Frau, die ihn verhindert hätte zu kommen; nur das Gefühl der Armuth hätte sie zurückhalten können, aber auch diese Schwierigkeit ver- schwindet, da sie von dem Knechte freundli müssen Zherein geführt« werden. (v. Oosterzee.) ie drei ründe sind eigentlich nur ein ein iger: was den Einen zurückhält, das hindert auch en Andern und Dritten, nur daß es ein jeder aus seine Weise aus- drückt — es ist die zeitliche Sorge für diese Welt —- der HErr Jesus hat aber diese drei zusammengestellh um an ihnen u zzijgew wie das weltliche Wesen immer weiter greift, en . enschen immer mehr umstrickt und die Schlinge endlich fest zuzieht, daß der Mensch nicht wieder loskommen kann. Der Erste hat einen Acker ader Meierhof gekauft; er ist ein Anfänger, der seine Wirthschast erst einrichtet nnd seinen eigenen Heerd haben will. Der Zweite hat schon sein Landgut, worauf er wirthschaften will; er schafft sich fünf Joch Ochsen an, zu pflügen, zu ernten und das Gut zu bestellen. Dem Dritten dagegen fehlt nur das Weib; er hat Geld und Gut, er muß auch eine Familie gründen, er muß eine Wirthschafterin im Hause haben und Kinder groß ziehen, so hat er seines Lebens Ziel erreicht. Sehet da der Weltmenschen Leben und Streben: sie kennen nichts Höheres, als einen glück- lichen, geehrten Hausstand zu begründen! Jhr ganzes Leben wird davon aufgezehrt, als ob es ihr ewiger Beruf wäre. Die kostbaren Jahre der Jugend werden ausgefüllh um zuerst die wichtige Kunst des Erwerbens und Verdienens zu lernen, denn die Hauptsorge ist, wie man zu Brode kommt; darüber wird bald ver- gessen, was man vielleicht von Gottes Wort gelernt hats und die heilsamen Eindrücke desselben müssen andern Eindrücken weichen, die von unten her sind. Nun ist aber die sehnsüchtig erwartete Zeit vorhanden, wo man sich einrichten und seinen eigenen Heerd grün- den will; es muß ein Acker gekauft, ein Haus gebaut, ein Geschäft angelegt werden —- wieviel giebt es da u bedenken! Es ist eine unruhige Zeit, wo man alle seine Gedanken zusammen nehmen muß, wenn man sich nicht selber im Lichte stehen will. Der Knecht des HErrn klopft an, er bittet, daß man ihm auf einige Zeit Gehor- gebe; Znan ist höfltch genug, ihn nicht vor der Thur abzusert1gen, denn man will auch Achtung vor der Religion bezeigen. Er redet davon, daß man auch eine Seele hat und daß die Seele mit himmlischer Speise versorgt werden muß, wenn sie nicht verhungern soll; solche Reden läßt man sich bisweilen in der Kirche Evangelium Lucä 14, 22—25. esallen, aber mitten im Geschäft sind sie höchst störend. ch kann nicht, antwortet man: siehe, wie ich mit Sorgen beladen bin; ich muß sogleich hinaus und dies und das in Augenschein nehmen; es thut mir sehr leid, daß mir meine neue Wirthschast so wenig Zeit läßt, ich bitte dich, entschuldige mich. Nun ist endlich die Wirths aft» e1ngerichtet: wird jetzt Zeit sein auf das Wort ottes zu hören und an das ewige Abend- mahl zu denken? Sorgen gebären neue Sorgen, und die neuen sind größer als ie alten. Nun muß das Geschäft erweitert werden, es müssen neue Ankäufe gemacht werden, um einen größeren Gewinn zu er- zielen; mit dem Gewinn wächst die Gier nach dem Gewinne, und wer tausend Thaler hat, glaubt sich ni t schlafen legen zu können, wenn er sie nicht auf Ze ntausend erhöht hat. Der Knecht des HErrn klopft wieder an und bringt seine alten Reden vor, er glaubt, daß nun endlich wohl eine freie Stunde gekommen sein wird — ach, man ist jetzt noch viel tiefer in das weltliche Wesen gerathen! Vorhin war man noch so artig zu sagen: ,,ich muß hinausgehen, den Acker zu besehen; ich wollte recht gern auf dein Wort hören, aber es ist mir nicht möglich.« Jetzt heißt es schon weniger artig: ,,ich « ehe jetzt hin, die Ochsen zu be- sehen«; du siehst, da? ich mitten in meinen Geschäften bin, sei so gut und störe mich nicht. Wie mird es ehen, wenn erst das Weib in die Wirthschast kommt! a gehen die Sorgen erst recht an; ein Häuflein Kinder macht Ta und Nacht Unruhe, sie müssen etwas lernen, sie müFen aus esteuert und standesgemäß untergebracht werden. m ihretwillen knüpft man vortheilhafte Verbindungen an, man macht ein Haus und verthut sich weiter als gut ist. Der Knecht des HErrn klopft zum dritten Mal an: ,,ach, wäre er zu Hause·geblieben!« Man läßt es ihn jetzt deutlich fühlen, daß man Seinesgleichen nur ungern sieht; er ist ein lästiger Aufseher, den man doch zu nichts gebrauchen kann, man sagt ihm kurz und ohne alle Höslichkein ,,ich habe ein Weib genommen, darum kann ich nicht kon1men«, in meinem Stande kann ich keinen Gebrauch von deinen Rathschlägen machen, ich habe wichtigere Dinge vor, ich muß erst für die Meinigen sorgen, die auch leben wollen nnd von vielem Beten nicht satt werden. (Miinkel.) Wenn die Kirchenglocken am Tage des HErrn rufen und laden, der ewigen Bestimmung eingedenk zu sein und Manna zu sammeln zur Nahrung für die Seele, wiederoholt sich da nicht immer wieder, was der HErr im vangelio geschildert hat? Die Einen gehen dem irdischen Gewinn, dem Handel und der Handthierung, die Andern dem Vergnügen nach; bald ist es die ungelegene Zeit, bald sind es nöt ige Geschäfte, bald die Sorge für die leibliche Gesund eit, bald dies, bald jenes, was zum Vorwand dienen muß, um der Ladung des HErrn aus dem Wege u gehen. Gälte es, einen irdischen Gewinn zu ma en, eine Ehre, ein Vergnügen zu erjagen, einem sterblichen Menschen sich gefällig zu erweisen — die Zeit wäre nicht ungelegen, der Weg nicht zu weit, die Anstrengung nicht zu groß, das Opfer nicht zu schwer. Und was so an einzelnen Sonntagen sich ereignet, das zieht sich leider, leider! bei Vielen durch ihr ganzes Leben hin- durch. Sie haben immer so viel zu thun nnd zu sor- gen und zu schaffen für ihr Fortkommen, für ihr Amt, für die Geselligkeit, sie sind so befriedigt und glücklich in ihren Besitzungem Vesch ästi ungen, Genüssen ; alle die vie erlei Dinge, welche zur rweiterung ihres Vermögens und Ansehens oder zur Verschönerung und Erheiterung ihres Lebens dienen, nehmen sie so völlig in Anspruch, daß sie gar nicht dazu kommen, ernstlich an das ewige Heil ihrer Seele, an den Weg zum Nach der Verstockung der Juden ergeht die Einladung an die Heiden. 775 Himmel zu denken. Ja, dieErde mit ihren Freuden und Genüssen kommt ihnen so schön und lieblich vor, daß sie gar kein Verlangen enipfinden nach der ver- heißenen himmlischen Seligkeit. Und so wenden sie sich denn, die Einen mit Bedauern und höflichen Ent- schuldigungen, die Andern— mit trotziger Miene und schnöden, verächtlichen Worten, die Dritten mit lachen- dem Muthe, hinweg von denen, welche sie hinweisen auf das, was droben ist, da Christus ist; und darüber vergessen sie ganz und ar die zerschneidende Wahrheit jenes Worts: ,,loas hülse es dem Mensclzem ob er die ganze Welt gewönne und nehme Sehn en an seiner Seele P« Und es kommt die Stunde, in welcher sie die Augen zuthun müssen, mit welchen sie sonst ihre Lust sahen; und der Welt Gut und Lust verläßt sie für immer, um sie arm und leer einem ewigen Darben zu überliefern — ,,ich sage euch, daß der Männer keiner, die geladen sind, mein Abendmahl schmecken wird«. Und dabei bleibt kein Trost mehr übrig; a1ich der Trost wird ausdrücklich abgeschnitten, mit welchent der Leichtsinn der Weltmenschen sich zu trösten pflegt, der Trost nämlich, daß ja doch der barmherzige Gott seine Seligkeit nicht umsonst bereitet haben könne und daß am Ende doch auch noch Raum sein werde für die Spätkommenden (P. Müller.) Der Eine Knecht, welcher hier ladet, repräsentirt zusaminenfassend alle Ladungen, ist gleichsam die rufende Stimme Gottes in seinen Boten an sich; aber so freundlich er seinen Auftrag ansrichtet, die Bitte: ,,entschuldige mich« eht über seine Jnstruktion und Macht, die nicht ommenden entschuldi en kann er nicht, er kann höchstens einfach dem H rrn wiedersagen und berichten, was man zu ihm gesat hat. (Stier.) Der HErr läßt die Gnadentafel ni t" abdecken, eilend ladet er andere Gäste ein; denn er hat sich also gerüstet, sagt Luther, daß er muß Leute haben, die essen, trinken nnd fröhlich sind, sollte er gleich sie aus Steinen machen. Die Armen, Krüppel, Lahmen und Blinden, die er nun laden lasset, sind die Zöllner und Sünder, die Jünger sammt dem kleinen Häuflein aus dem Volk Israel, das zu dem tHeiland sich gesammelt hat. (Besfer.) Vgl. Kap. 10, 21. · 22. Und der Knecht sprach: Herr es ist geschehen, was du befohlen hast, es ist aber noch Raum da. 23. Und der Herr sprach zu dem Knechte: Gehe aus auf »die Landstraßen, und an die Zaum, und nothige sie herein zu kommen, auf daß mein Hans voll werde. 24. Ich» [der HErr V. 16·] sage euch aber, daß der Manner keiner, die· geladen sind, mein Abendmahl schmecken wird. Von den Juden aus geht die Berufung zu denen, welche nicht mehr zu derselben Stadt gehörten, sondern draußen auf den Landstraßen und an den Zäunen ihre Hausung hatten, welche gegenüber den Juden wie eine arme verkommene Schaar von Landstreichern er- schienen, unter denen kein Geladener war, deren keiner von dem Reiche Gottes, das da kam, etwas Rechtes verstand, deren keiner sich träumen ließ, in der ewigen Gottesstadt ein Bürgerrecht und einen Theil am ewigen Abendmahl zu haben· Hiermit werden nicht undeut- lich die Heiden bezeichnetx während nun ans die Gelad en en zur Zeit der·Berufung die geringste Mühe gewendet wurde, da ihnen schon zur Zeit der Ladung eine so treue Aufmerk amkeit und ein so großer Fleiß gewidmet worden, daß es ganz einfach mit der Botschaft gefchehen ist: ,,kommet, denn es ist alles bereit-«, während mehr Mühe und Fleiß schon den Armen, Krüppeln, Lahmen und Blinden zugewendet ward, welche in der Stadt herumwohntem daß sie nicht blos gerufen, sondern auch zum Abendmahl hin eingeführt wurden, wird den Heiden die größte Mühe gewidmet: sie werden nicht blos gerufen, iiicht blos geführt, sondern genöthigt zu kommen. Je größer die Unbekanntschait mit dem Gnadenrathe Gottes, desto dringender die Berufung, das springt in die Augen; jedoch erweist sich die Gnade nicht blos in dem Maße dringender, in welcher die Blindheit, die Unwissenheit, der geistliche Mangel größer ist, sondern wir bemerken auch, daß die berufende Gnade Gottes mit der größeren Willigkeit der Berufenen Schritt hält. Die weiiigste Mühe der Berufung wird auf die Geladenen ewendet, und sie sind es gerade auch, welche dem ’use am ungescheutesten und undankbarsten widerstreben; die Zahl gelehrter Juden, welche zum Abendmahl kamen, war am geringsten. Schon zahl- reicher waren die andern, geisti weniger bedeutenden Juden, die Armen, Krüppel, zahmen und Blinden; und siehe, sie werden ehrenvoll hineingeführt. Die Heiden aber, welche an den Zäunen und auf den Land- straßen der Welt wohnen, kommen in Schaaren, und sie werden mit aller Freundlichkeit und Leutseligkeit hineingenöthigt, und der Ruf des Evangeliums ergeht an sie so stark, als wäre es hauptsächlich und vor allem auf sie mit dem ganzen Abendmahl abgese en Ywesew (Löhe.)« Wie V. 21 der Text für den erPten heil der Apostelge chichte ist (Kap. 1—12: Bekehrung der Juden), so V. Zu. 23 der für den zweiten (Kap. 13—28: Bekehrung der Heiden), ja für die ganze gegenwärtige Oekonomie (Godet.) Jn V. 24 verräth der HErr plötzlich, wir möchten fast sagen unwillkür- lich seine Absicht und spricht unverhohlen sein Selbst- bewußtsein aus, wie es der Parabel zu Grunde lag. Beim Blick aus die Berufung der Heiden eröffnet sich vor seinem Geiste die herrlichste Aussi t; um so schmerzlicher berührt ihn dagegen Jsraels erstockun , so daß er den Schleier, der bisher noch in den Glei - nißworten die Wahrheit verhüllte, plötzlich fallen läßt. Es ist, als ob die Wahrheit dem HErrn zu mä tig eworden, um sie länger in Bildersprache zu hü en; so wird zu leich die ganze Tischrede mit einem merk- würdigen elbstzeugniß Jesu in würdiger Weise ge- schlossen. (v. Oosterzee.) III« U. 25—-35. s§ 85.) Von Livius begiebt sich jetzt der HErr weiter und) den übrigen Städten nnd Märkten, denen er seine Zukunft durch die 70 Iünger hatte met- den tasseiigtniid gelangt so bis Belhabnra Geh. l, 28), der nördlichen Grenze derjenigen Gegend der Jordan- niederung, da Johannes ,,vorhin« getauft hatte (Ioh. 10, 40). Er erfüllt auf diesem Wege sein Wort in than. is, IV: »in) treibe Teufel ans nnd inache gesund heute«, und Viele kommen zu ihm und glauben an ihn, wie wir in Steh. 10, 41 f. lesen; aber er vertraut sich daruni ihnen nicht ohne weiteres, denn er kannte. sie alle Geh. L, 24), redet vielmehr desto eiusihneidender und schärfer, -se mehr die Menge seiner Nachfolger wächst (v. 25—27), berechnet aber nuch sowohl bei den beiden Gleichiiissein deren er zur Herimrhebsing dessen, was zu seiner Iiingersctjast gehöre, sich tiedieiit (v. 23——33) als beiwiederhotiing eines friihcr schon zweimal den Zwötfku gesagten Wortes über das Loos solcher, die ans ihrer eigenen Festung entfallen (v. 34 n. 35), die gerade seiner Gemeinde aus Israel drohende besondere Gefahr. 25. Es ging aber sauf der in Kap. 13, 22 angegebenen Wanderung] viel Volks mit ihm. 776 Evangelium Lucä 14, 26—33. Und er wandte sieh [als er eines Tages auch wieder große Schaaren hinter ihm drein ziehen sah, die da unter einander sprachen: ,,Johaiiiies that kein Zeichen, aber alles, was Johannes von diesem gesagt hat, das ist wahr« Joh. 10, -41], und sprach zu ihnen: 26. So jemand zu mir kommt [um fich mir als Nachfolger anzuschließenL und. hasset nicht seinen Vater, Mutter, Weib, Kinder, Brüder, Schwestern [5. Mos 33, 9f.], auch dazu sein eigen Leben [Joh. 12, 25]; der kann nicht mein Junger sein. 27. Und wer [noch darüber hinaus] nicht sein Kreuz trägt und mir nachfolgt; der kann nicht mein Jünger sein [Matth. 10, 37——39]. Da Jesus die große Menge sieht, erkennt er, daß da ein Mißverständniß stattfindetx denn richtig ver- standen kann das Evangelium nicht Sache des großen Haufens sein. Er nimmt also das Wort, um die falsche Auffassung aufzuklären: ,,Jhr ziehet da mit mir; aber wißt ihr auch, was das heißt, fich an mei- nen Fug anziischließen? das heißt, allem entsa en, was Einem das Liebste ist, ja seinem eigenen Le en, und auf fich nehmen, was das Schmerzlichste ist, das Kreu «. Nicht nur Zuneigungen muß man in der Nachsolge Jesu zum Opfer bringen, sondern auch Lei- den fich gesallen lassen. (Godet.) Wäre es Jesu um großen Zulauf und einen mächtigen Anhang zu thun ewesen, und nicht vielmehr um treue, zuverlässige Jüngey er hätte dem Volke den Zutritt zu ihm leicht emacht und fich dieses Andrangs iiiniglich gefreut; Ftatt dessen macht er ihnen die Nachfolge schwer, warnt sie vor übereilten, unüberlegten Schritten, will lieber gar keine Jünger haben, als solche, die blos ihre eitlen, irdischen Messiashoffnungen befriedigt wünschten, Genuß, Wohlleben, Macht und Ehre bei ihm suchten. (Fr. Arndt.) Schon von vornherein spricht es für die tiefe Menschenkenntniß des HErrn, daß er das Volk, das im eigentlichen Sinne des Worts hinter ihm her- kommt, so daß er sich umwenden muß, um sie anzu- sprechen, als Leute behandelt, die den ersten ent- scheidenden Schritt zu ihm no? keineswegs gethan haben, sondern im günsti sten alle auf dem Wege ind, diesen Schritt nun erst zu thun. (v. Oosterzee.) Jn milderer Gestalt hatte Jesus den Satz von der rechten Liebe zu ihm früher fchon in der AposteFJnEtrUetioU ausgesprochen; hier nun fand er sich veranla t, dem- selben Gedanken eine stärkere Fassung zu geben und den Satz in seiner vollen Schärfe hervorzukehren, um eine Sichtung unter dem oberflächlichen, gedankenlosen Volkshaufen zu bewirken. Seine Nachfolger konnten denken: wenn wir auch unsre Verwandten und uns selber in dem alten Sinne fortlieben, an dieser anzen alten Welt unsrer Glückseligkeit mit unserm erzen hangen, so hindert uns das nicht, mit ihm zu ziehen, das Reich mit ihm einzunehmen, und dann unsre ganze Verwandtschaft Theil nehmen zu lassen an diesem Glück; aber nein! fpri t Jesus, wollt ihr mir nach- folgen, so müßt ihr iesen alten Kreis eurer natür- lichen Liebe verlassen. —- Wohl! konnten sie denken, wir müssen unsre Verwandten und uns selber zurück- sehen, wenn es fich um seine Ehre handelt, wir müssen jene weniger lieben als Ihn; auf diese Weise werden wir ihm» anhangen und jene dennoch nicht aufgeben, wenn wir sie auch»verlassen: auch das genügt ni t, spricht der HErr, ihr müßt ihnen absagen. »— ir müssen ihnen absagenl konnten sie -dann mit Seufzen denken —— wohlan, wir wollen es versuchen, sie uns aus dem Sinn zu schlagen, sie zu verge sen, um das Himmelreich zu gewinnen; aber noch einmal spricht Jesus, auch das ist ·nicht genug: has sen»miißt ihr sie, ja auch euer eigenes Leben. Der Junger muß also bereit sein, die Liebsten zu verlassen, wenn Christus ruft; und wenn sein Herz dann in Gefa r ist, sie dem HErrn vorzuziehen so muß er sie Lin diesem Gegensatz zu rücksetzenz und wollen sie ihm durch ihre Einreden oder durch die Einreden seines Herzens diese Ordnung schwer machen, so muß er sie fich aus dem Sinn s lagen; vertreten sie ihm aber dann den Weg als idersacher Christi, so muß « er sie in diesem Moment ihres Widerspruchs hassen, er muß sie verleugnen und streng hinausgehen über sie und über alle hemmenden Gefühle und Sehnsuchten seiner Seele. Und dies alles soll er der inneren Ent- scheidung nach in Einem Bewußtsein vollziehen mit« der Hingebung an Christum: er soll aufhören, die Seinen und fich selber zu lieben außer Christo, soll alles, was er in falscher Weltbeziehun liebt, nach dieser Beziehung mit Ernst anslöschen in seinem Geiste, um es in Christo und durch ihn in der rechten Lebens- beziehung wieder zu lieben. (P. Lange) Wie das ,,hassen« gemeint sei, und wie natürlich nicht, das konnte der Willige gerade wegen des aufsallenden Ausdrucks leicht merken; denn Eltern, Weib und Kind und Geschwister zu hassen ist ja an fich unrecht, gar fich selbst hassen unmöglich (Ephes. 5, 29). Man be- merke das bedeutsam ervorhebende »auch dazu«; denn wer alles sonst ha te und verließe, ohne darin das eigene Leben zu hassen und zu verleugnen, dem wäre es dennoch nichts nütze. (Stier.) Vater, Mutter, Weib, Kinder 2e., ja sogar das eigene Leben, sofern dessen Erhaltung Ziel und Gegenstand des Trachtens ist, werden als Hindernisse des bediiiglosen Anhangens an Jesnm gedacht und sind somit von den zween Herren, denen niemand zugleich dienen kann (l6, 13), der eine unberechtigte, daher die stark ausgedrückte Forderung, jenen ,,einen« zu hassen, um »den andern« so, wie sich’s gebührt, zu lieben. (v. Burgen) Das »und mir nachsolgt« in den Sa vom Kreuztrageii (V. 271 will sagen: wer ohne ein reuz- träger sein zu wollen, mir doch nachfolgt, der folgt mir vergeblich nach. (Besser.) Mit dem wider die Obersten und Pharisäer gerichteten Wort in V. 24 hat der HErr bereits in die letzte Zeit des jüdischen Staats und auf dessen schließlichen Untergang hinaus- geblicktx diejenigen, die von Herzen an ihn gläubig gewordenaus dem Volke, sollen dann in seine Kirche hiniibergerettet werden, aber es wird zuvor für sie «elten, zu thun iiach dein, was er hier sagt, und. die eit, in welcher der Hebräerbrief verfaßt worden, zeigt uns nun au denselben Evangelistem der uns hier Christi Rede erichtet, die Anwendung davon "auf die Verhältnisse der Gemeinde zu Jerusalem machen. 28. Wer ist aber unter euch, der einen Thurm bauen will, und sitzt nicht zuvor, und ubersehlagt die Kosten [Luther hat hier die Einheitsform: die Kost, den Aufwand Apostgz 21, 24; Esra 6, 4], ob er es habe hinaus zu fuhren? 29. Auf daß nicht, wo er »den Grund gelegt hat, nnd kann es nicht hinaus fuhren, alle, die es sehen, ansahen seiner zu spottenz » 30. Und sagen: Dieser sthörichte und un- bedachtsame] Mensch hub an zu bauen, nnd kann Ueber die besondere Gefahr, welche der aus Jsrael gesammelten Gemeinde droht. 777 es [wie sich nun an seinem Liegenlassen des an- gefangenen Werkes zeigt] nicht hinaus fuhren. 31. Oder, welcher König will sich begebenin einen Streit wider einen andern-Wenig, und· sitzt nicht zuvor nnd rathskhlagt [mit seinen Kriegs- obersten], ob er könne swie es unter Umständen ja allerdings möglich ist] mit zehntausend [Mann] begegnen dem, der uber ihn kommt mit zwanzig Tau end? « » 32. Wo nicht ssalls er sich dessen nicht ge- trauen darf], so schult er Botschaft, wenn jener noch ferne ist, und bittet um Friede lder ihm frei- lich nur unter schweren Bedingungen zugestanden werden wi·rd]. « 33. Also auch sweil, wer sich in meine Nachfolge begeben will, damit einen Bau beginnt und in einen Streit sich einläßt] ein jeglicher unter euch, der nicht absagt allem, das er. hat, kann nicht mein Junger sein [denn nur so ist es mögl1ch, den Bau auch bis zu Ende durchzuführen und iu dem ungleichen Kampfe den Sieg zu behalten]. Nach dem, was wir am Schluß der Bemerk. zu V. 27 andeuteten, blickt der HErr hier hinaus auf die Zukunft feiner Gemeinde in Jerusalem, wie es dann um sie stehen wird, wenn man nun vom jüdischen Tempel und Gottesdienst sie ausschließt, wie das nach der Ermordung desJakobus ll. zu Ostern a. 62 n. Chr. wirklich geschah (vgl. Anhang Il.): sie erschien da wirklich wie der Mann, der den beabsichtigten Thurmbau nicht hinauszufiihren vermochte und nun ein Gegenstand des Spottes wurde, nnd wie der König, der seinem mächtigeren Widersacher nicht im Streit zu begegnen vermochte und des alb um Frieden bat; denn es war nahe daran, aß die Gemeinde ihr Ehristenthum wieder ausgäbe und in den Schooß der jüdischen Theokratie zurückkehrte. Woher das? weil man nicht haßte Vater, Mutter, Weib &c» dazu auch sein eigen Leben, und nicht das mit dem weiteren Bekenntniß zn Christo verbundene Kreuz auf sich nehmen wollte, wie seiner Zeit bei der Betrachtung der Epistel an die Hebräer uns .das noch näher zum Bewußtsein kommen wtrd. Die Wirksamkeit des vor- gin genannten Apostels war der letzte, mit der höchsten raftanstrengung der Liebe unternommene und mit allen nur möglichen Opfern und Selbstentsagun en ausgeführte Versuch, Israel als Gesammtheit in a en seinen einzelnen Gliedern für Christum zu gewinnen; aber nachdem man auch diesen Gerechten umgebracht und damit die Weissa ung von dem in Kap. 11, 51 emeinten Zacharias ssch ersüllt hatte, war die Zeit Für Christi Bekenner aus Jsrael vorüber, ihre Brüder und Gefreundten nach dem Fleis noch ferner beibe- halten zu wollen. Retten und elig machen wollten diese durchaus sich nicht lassen, sondern vielmehr Christum mit Stumpf und Stiel ausrotten, da galt es fortan, sie zu hassen: wer sich dazu nicht entschließen konnte, mußte wieder Jude werden, und stand nun da mit dem Thurmbau seines bisherigen Christenthums als einer, der die Kosten nicht zuvor überschlagen, ob er es auch habe hinauszusühren Und auch das andere Gleichnifz trifft zu: die Christen in Jerusalem, noch unter der geistlichen Obrigkeit des Hohenrathes stehend und doch mit dem Evangelio wider denselben zeugend, waren wie der König, der mit zehn Tausend begegnen sollte- dem mit zwanzig Tausend; sie hätten das in Christo allerdings vermocht, aber weil die Liebe zu der alttestamentlichen Theokratie bei den Meisten stärker war als die Liebe zum Heile-in Christo Jesu, standen sie in großer Gefahr, den a11gefangenen Feldzug auf- zugeben und sich wieder unter das knechtische Joch des Pharisäismus zu stellen. Was hätte da aus der Ge- meinde werden sollen? Die folgenden Verse sagen es: das dumm gewordene Salz hätte müssen weggeworfen werden; die Christen, wieder Juden geworden, wären mit diesen in dem Straf· ericht über Jerusalem zu Grunde gegangen. Diese Zukunft seiner Kirche sieht dem HErrn vor Augen, als er die Hausen Volks mit einer ewissen Anhänglichkeit an ihn, aber doch ohne feste ntscheidung und klare Ueberzeugung ihm nach- folgen sieht, und er schärft nun in V. 26 s. seine ernsten Mahnungen aufs Höchste und malt in V. 28 —32 das Bild der jerusalemischen Kirche, das dieselbe in schlimmer Zeit darstellen wird, auf’s Deutlichste, um dann in V. 33 dem ,,absagen allem, das er hat« für jeden seiner Jünger den schwersten Nachdruck zu geben; aber er hat auch unter denen, die seine Jünger bereits ge- worden, Einen, der in Kap. I, 61 f. schon alles das, was er hier verlangt, an sich selber hat durchmachen müssen, und der soll denn das Salz jener Kirche im entscheidenden Augenblick bewahren, daß es nicht dumm werde. Nachdem wir so über die zeitgeschichtliche Be- deutung der vorliegenden Stelle uns klar geworden sind, wobei wir unsern eignen Weg verfolgen mußten, weil die erkömmlichen Auffassungen der Ausleger nicht zum iele führen, könnten wir für die Tage der Gegenwart, die uns ja einer großen Krisis entgegen- bringen, manche Nutzanwendung machen; wir lassen aber nachstehend lieber Andere mit dem, was sie aus unserm Texte sich abgenommen haben, zu Worte kommen. Der unbesonnene Baumeister: dieser Bau ist das Bild des christlichen Lebens von seiner positiven Seite angeschaut, die Gründung und Entwickelung des Werkes Gottes im Herzen und im Verhalten. Der Thurm, ein hohes Gebäude, welches von fern in die Augen fällt, stellt eine Lebensweise dar, welche gegen die des roßen Haufens absticht und die all e- meine Aufmerksamkeit auf sich zieht. Die neuen e- kenner gefallen sich oft in dem, was sie be timmt von der Welt unterscheidetz aber Bauen macht Kosten, und das einmal angefangene Werk muß um jeden Preis vollendet werden, sonst setzt man sich dem allgemeinen Gelächter aus. Deswegen ist es hochnöthig sich zum Voraus seinen Anschlag zu machen und sich auf den gang an seinem Kapital vorzusehen. Ebenso läßt sich das Werk Gottes nicht bis zu seiner Vollendung durchfiihrem ohne daß man das, was das natürliche Glück des men chlichen Herzens ausmacht, ganz oder zum Theil zum Opfer zu bringen hat, namentlich die in V. 26 erwähnten, so tief gegründeten natürlichen Gefühle; ege man daher als Bekenner auftritt, muß man diese onsequenz berechnet haben und entschlossen sein, diese fortwährenden Verleugnungen bis zu dem Punkt dnrchzuführem bis zu welchem eine standhafte Treue sie nothwendi macht. »Sieh hinsetzen, über- schlagen« sind Sinnbilder dieser Akte der Ueberlegung und des vorgängigen Entschlusses. Das hat Jesus in der Wüsteszetham ohne das geht es so, wie er sagt und viele eispiele beweisen, der neue Bekenner, der unbesonnen vorgegangen ist, weicht zurück vor den Folgen, die die neue Stellung mit sick bringt; er blei t vor dein Opfer des natürlichen Lebens stehen und durch sein sich selbst widersprechendes Thun fordert er die Verachtung und den Spott der Welt heraus, welche in ihm, der ihr so laut abgesagt hat, nun doch 778 Evangelium Lucä l4, 34. 35; 15, 1. wieder nur einen der Ihrigen findet. Nichts bringt dem Evangelium mehr Schaden als diese Rückfällq welche gewöhnlich die Folge von übereiltem Bekennt- niß sind. Der unvorsichtige Kriegsmann: dies ift das Sinnbild des christlichen Lebeiis von seiner negativen, polemifchen Seite betrachtet. Der Christ ist ein König, aber ein in Kampf verwickelter, und zwar mit einem materiell stärkeren Feinde; ehe er ihm also durch eine Kriegserklärung, durch das offene Bekenntniß des Evangeliums Trotz bietet, muß er mit sich selbst Rath halten und wissen, ob er entschlossen ist, die letzte Eonsequenz dieser Stellung einzugehin sein Leben hinzugeben, wenn es gefordert wird, wie diese Bedingun in V. 27 ausgesprochen ist. Ware es nicht ein ahnsinn von Luther gewesen, seine Thesen vnzuschlagen oder die Bulle zu verbrennen, ehe er in seinem Innersten das Opfer seines Lebens dargcbracht hatte? Es istsgeldenmüthig für eine ge- rechte, heilige Sache einen amps zu wa en, aber nur unter der Bedingung, daß man den od als das Ende dieses Weges erkannt hat und sich in denselben zuin Voraus ergeben hat; sonst ist es bloße Prahlerei. Auch diese Vorschrift entnimmt Jesus aus seiner eigenen Erfahrung: in der Wüste hat er das gethan, was er hier von den Seinigen fordert. (Godet.) Wie der unvorsichtige Bauunternehmer damit, daß er den Bau muß unvollendet liegen lassen, zum Gespött der Leute wird, so bereitet sich der uiivorfichtige Kriegs- unternehmer Schmach und Erniedrigung damit, daß er sich von dem heraus eforderten Gegner nun die Friedensbedingungen muß vorschreiben lassen. Man hat diesen Zug der beiden Gleichnisse vielsach als eine Aufforderung des HErrn an halbherzige, unent- schiedene Nachfolger gedeutet, lieber von dein Bekennt- niß zu ihm und von der Ritterschaft unter ihm abzu- stelzem als sich in solcher Halbheih Unbesonnenheit un Oberflächlichkeit ihm anzuschließem ,,liek·)er ein Jude bleiben, als ein untreuer Egrist werden, lieber in Bälde sich dem Hohenrath wie er unterwerfen, als erst unter Jesu Fahne treten und dann kampfesfluchtig werden«; und allerdings hat der HErr sowohl in Frau. I, 57 f. einen Schriftgelehrten,· als in Kap. 18, 18·ff. einen Obersten von sich abgewiesen» Aber er»hat dies doch nicht so sank; know, ohiie weitere Umstande ge- than, sondern sie nur genöthigt, zuvor die Kosten zu überschlagen und zu rathschlagem ob sie den Bau würden hinausführen und dem Widersacher im Streit begegnen können, und andererseits nicht verschwiegen, was es für einen Schaden bringt, wenn man es vor- zieht, den Bau gar nicht erst zu unternehmen und sich nicht erst in den Streit einzulassen —— man geht dabei seiner Seligkeit und des Himmelreichs verlustig. Der Thurm muß ja gebaut, der Streit muß gestritten, das Himmelreich muß um jeden Preis und vor allem gesucht werden; wenn aber die schwere Forderung der Selbstverleugniing und das Aufnehmen des Kreuzes den Sünder zu dem Bewußtsein seiner ei enen Ohn- macht gebracht hat, dann giebt uns das Evangelium die Beruhigung, daß der HErr alles, »was er fordert, auch selbst geben kann, und daß, was bei den Menschen unmöglich ist, bei Gott stets möglich bleibt: Joh. 1, 17; Matth. 19, 26. Unter Umständen kann ein Königmit zehn Tausend sehr wohl eine doppelt so große feind- liche Macht besiegen, und. »wenn in· dem»Kcimpfe· init der Welt der Christ sreilich allezeit· weit weniger Waffen und Kampfesmittel hat als sie, so stehen ihm dafür auch weit stärkere und machtigere Waffen zu Gebote; also bemühe man sich, statt» um Frieden zu bitten, um den rechten Bundesgenossen und begebe sich in den Streit mit der Welt nicht mit den nam- lichen Waffen, die sie führt, sondern lasse sich von seinein Bundesgenossen ausrüsten. Und was den Bau betrifft, zu dem man selber die KoLten nicht hat, so giebt es ja einen reichen HErrn, er das Vermögen dazu vorstreckt und rückt es hernach niemand aus (Jak. 1, 5), Ha fordert es nie zurück, sondern hilft felber dazu, aß demjenigen, dem er etwas vorgestreckt hat, dasselbe um bleibenden Ei enthum werde. Somit find V.28—3· , wie der Schlu in V. 33 zeigt, ,,eine erweiternde Fortsetzunq der in V. 26 f. ausgesprochenen Gedanken und nicht sowohl eine Ermahnung, lieber von der Nachfolge Jesu wegzubleiben, als vielmehr eine desto stärkere Aufforderung, den Entschuß zu ihr mit dem vollen Ernst zu fassen, den sie erheifcht, indem man sich die Schwierigkeiten derselben nicht verbirgt, damit man nicht hernach mit Schanden zurückbleibe oder unterliege« 34. Das Salz ist ein gut Ding [denn es hat treffliche Eigenschaften und kann ganz heil- same Wirkungen hervorbringen]; . wo aber das Salz [von dem man seiner Natur nach das nicht erwarten sollte] dumm wird, womit wird man Wurm? 35. Es ist weder auf das Land sum dieses unmittelbar damit zu düngen], noch in den Mist [um in Verbindung mit demselben es zum mittelbaren Düngungsmittel zu verwenden] nahe; sondern man wird’s wegwerfen [Matth. 5, 13; Mark. 9, 50; Hebr. S, 4———8]. We: Ohren hat zu horeii, der hore [Kap. 8, 8 Anm.] Wenn P. Lange daran erinnert, daß ganz-Jsrael ein Salz der Erde sein sollte, und nun meint, Jesus wolle hier wohl darauf hindeuten, wie dem großen Haufen des Volkes Jsrael es bald bevorstehe, als ein salzloses Salz hinausgeworfen zu werden auf die großen Straßen der verachteten heidnischen Welt, so hat er übersehen, daß der HErr es hier nicht« mit Jsrael üb er- haupt zu thun hat, sondern allein mit denjenigen, die aus Jsrael sich ihm als Nachfolger und Bekenner anzus ließen im Begriff standen; Jesus hat also viel- mehr ie künftige judenchristliche Gemeinde im Auge, die nach der oben angeführten Stelle des Hebräerbriefs zu der in der vorigen Anm. befprochenen Zeit wirklich in Gefahr sich befand, wie ,,dummes Salz« zu werden und mit den ungläubigen Juden die Verwerfung zu theilen. Wenn dagegen Olshausen behauptet, es werde hier die ernste Mahnung wieder. aufgenommen, die in den ersten Versen dieses Abschnitts liege, lieber zurückzutreten von dem Vorhaben der Nachfolge Jesu, als mit getheiltem Herzen in dieselbe einzugehen, so Bat dieser seinerseits übersehen, daß der HErr den euten etwas ganz Vergebliches gerathen hätte; denn das: ein ungläubiger Jude bleiben und die Verbindung mit den Obersten festhalten, führte ja, nur auf anderm Wege, zu demselben Ziel des Dummwerdens und Zuqrundegehens wie aus Lange’s Bemerkung sich er- giebt. Und so ist der Rath noch immer ein übel an- gebrachter, lieber ein Kind· der Welt zu bleiben, als ein Kind Gottes werden zu wollen, aber hernach aus der Art zu schlagen: das eine ift so s limm wie das andere, nur das andere fchmählicher un widerwiirtiger als das erste; immer kann nur zu dem Einen gerathen werden, was vor dem Verlorengehen bewahrt und zu dem Seligwerden hilft. ,,Christi Jünger sollen das Sal der Erde sein, d. h. sie sollen die nach dem Fleifch dahinlebende Welt mit dem heil. Geist durch- Christi Gemeinde soll das Salz der Erde sein. 77 würzen und vor dem Verderben bewahren, gleichwie das Salz das Fleisch vor der Fäulniß bewahrt; aber wenn sie’s nicht ganz ernftlich meinen, allem Eigenen absagen und den ganzen Christus ergreifen, so sind sie dem dummen, kraft- und saftlofen Salze zu ’ver- gleichen, das wohl weiß aussieht, aber zum Würzen nicht taugt, ja nicht einmal zum Gängen, sie werden dann weggeworfen werdentt Das 15. Kapitel. Preis giittlieher Barmherzigkeit durch Hleiehnissiu IV. v. 1—32. (§ se) or: streut-sonnen, die we: n: Bau. 15 n. 16 vor uns habest, bilden osseubar ein zu— sammengehöriges Ganze, sie liehren aber ihre Spitze vornehmlich wider die Pharisäer; schon hiernach ist es am wahrscheiulikhstein daß ninit mehr Bethabara der Schandtat; der darin enthaltenen Vorgänge und Reden Christi ist, wie im vorhergehenden dritten, sondern viel- mehr civias, wie im ersten und zweiten Jlbsehuittdiesesk Theils des dieiseberichts Zur vollen Gewißheit wird uns das von Nov. 16, 14 an, wo nicht nur die Gr- mähnung des Täufers, sondern auch das Wort über die Ghescheidung bestimmt auf diese Stadt hinweiset, so daß darnach auch das Gleichniß vom reichen Manne und armen ttazarus nach Veranlassung nnd Jlbzwektinng nun— mehr in das hellste Licht tritt. Was speziell den hier vorliegenden vierten Abschnitt betrifft, so steht er in der engsten Beziehung zu dein zweiten in Nov. 14, 1—-—24: sehen wir dort den lijGrrn auf dem Gasimahl eines Obersten der sllharisiiey so hören wir hier den Vorwurf wider ihn laut werden: »diese: nimmt die Sünder an nnd isset mit ihnrn«; sagte dort das Gleich— niß vom großen Abendmahl, daß, weil die dazu Ge- ladenen den Ruf: ,,lioinmt, denn es ist alles bereit« mit nichtigen Vorwänden ablehuten und darum der Knecht auf die Straßen und Gassen der Stadt gesendet wurde, um die Jtrmen nnd Krüppel nnd ttahmen nnd Blinden hereinznsührem so vollzieht sieh hier dieses Hereinsiilireti und wird gegen die, die ßeh dawider auflehnen, in den drei Gleiehnissen vom verlorenen Schaf, ver- lorenen Groschen nnd veelorrnenSohn gerecht— sertigt -— das erste zeigt die Barmherzigkeit Gottes des Sohnes gegen die armen Sünder, das zweite die Barmherzigkeit Gottes des heil. Geistes, und das dritte die Barmherzigkeit Gottes des Vaters. Evangelium am Z. Sonntage nach Crinitatis.) Das Evangelium stellt uns die gnadenreiche Be- rufung und die darin sich knndgebende Liebe und Barmherzigkeit recht lebendig vor die Seele: wie ein Hirte einem einzelnen verlorenen Schäflein nachgeht und suchet, bis das er’s finde, so ist der HErr, der gute Hirte, der verlorenen Menschheit und jeder ein- elnen Seelenachgegangerh sie zurückzurufen in seine Friedenshürdeiy so geschieht es noch heute durch die Diener des HErrn und durch das Wort, darin der Geist wirket. Wir sollen uns dabei recht lebendi erinnern, daß wir verlorene Schäflein find und daß der HErr viel Mühe und Sorge, ja sein thener Blut an uns gewandt hat, um uns zu erretten, auf daß unser Elend und sein Erbarmen uns bewege, der Be- rufung zu folgen. Jnsbesondere erinnert uns das Evangelium auch daran, daß der HErr uns immer wieder zurückruft, wenn wir uns von ihm verirren; das Gleichniß vom verlorenen Groschen deutet uns an, wie der heil. Geist in der Kirche dies Amt des treu Hirten fortsetzt und übt. (Dieffenbach.) Wenn tr Von einer Ordnung des Heils reden und innerha ihrer von ewissen Stufen, so ist nicht die Meinuu daß eine tufe nach der andern ganz in derselb- Weise müsse zurück elegt werden, wie bei einer natü lichen, aufwärts führenden Treppe, wo man die nächs Stufe füglich nicht eher erreichen soll, als bis m( die vorige erstiegen und sie damit überwunden ha die Stufen der Heils-ordnung sind zwar allerdings v« der Art, daß man die zweite oder dritte nicht erreiel ehe man die erste unter den Füßen gehabt hat; ab man würde das Gleichniß von einem Stufengang do zu weit treiben, wenn man die Behauptung aufstelli wollte, man werde mit einer jeden vollständig fert und iiberwinde sie ganz, ehe man die nächste beschreil Man wird erst berufen, und dann erleuchtet, und da: gerechtfertigt, und dann geheiliget im rechten einig· Glaubenx aber die Berufung ist nicht zu Ende, wer man anfängt erleuchtet zu werden, die Erleuchtu1 hört nicht mit der Rechtfertigung auf, sondern im G gentheil — Berufung und Erleuchtung gehen auch i Zustande der Heiligung fort, und selbst der Heiligs auf Erden vernimmt die Berufung alle Tage wiede solange noch ,,Stücken Finsternis-« im Menschen sin hat er noch einen Fuß in der Welt, welchen vorwär zu setzen er berufen wird. So geht also die Berufui nicht blos immer zu, indem sie sich immer an ande Menschen wendet, sondern sie ist ein immer schallend Wort auch an dieselben Personen, welche sie einm vernommen haben; wenn aber das Leben zu sein Grenze gekommen und der letzte Hauch verwehti wenn es stille wird in der Brust des Sterbende dann schweigt auch sie, dann wird auch sie still und in der Ewigkeit giebt’s keine Berufung meh (Löhe.) Die Berufung der armen Sünder zur Gna und Seligkeit ist eine sortgehende: das stellt uns d« Gleichniß vom Weibe vor die Seele; damit ist abg bildet, wie die heil. Kirche auf Erden das Werk d« HErrn fortsetzt in der Kraft des ihr geschenktenhe Geistes. Es sucht die Braut nach dem verloren· Groschen ihres Bräutigams, indem sie die Leuchte d- göttlichen Worts anzündeh damit leuchtet sie hinein «- alle Finsterniß der Welt und des Herzens; sie keh das Haus durch die ernste sucht, und also sucht s mit Fleiß, ohne Ermüden, bis sie das Verlorene find( und wenn sie es gefunden hat, ist ihr Herz der Freul voll. (Dieffenbach.) Kennst du die zwei Angel die über dir wachen? Es ist 1) das Auge d· HErrn, des guten Hirten, und es ist 2) das Au; der Kirche, des treu besorgten Weibes. — Sünde liebe ist Christenpflichtt 1) Christus, der gu Hirt, ist unser HErr, und wir sind seine Jünge- 2) die Kirche, das fleißige Weib, ist unsre Mutter, ur wir sind ihre Kinder. (Nebe.) Jn unserm Evangel stehen drei Worte, wichtige und bedeutungsschwer die eine ganze Unendlichkeit voll Wonne oder vr Wehe in sich schließenzi es sind die Worte: a) ve1 loren, b) gesucht, o) gefunden. Das erste ist ei Nothschrei, ein Angstruf aus der Tiefe; das zwei ein Liebeston, wie wenn die Henne ihre Küchlein lod wie wenn die Mutter dem vermißten Liebling« nad geht; das dritte ist, als thäte sich der Himmel a1 und wir vernahmen Freudenpfalmen und Jubelchöi der Heerfchaaren droben, deren Klänge im Menschei herzen wiederhallen. (Carus.) I. Es naheten aber zu ihm sals er i1 Laufe des Januar a. 30 ·n. Chr. das Land jer seit des Jordan durchzog, Teufel austrieb un 780 gesund machte, vor allem aber das Evangelium von der heilsamen Gnade Gottes, die allen Men- schen erschienen sei, verkündigte und die Müh- seligen und Beladenen zu sich rief] allerlei Zöllner Und Sünder [Schlußbem. zum 1. Maccabäerb. Nr. 9 , a. Zus., in immer größer werdendem ZudraiigL daß sie ihn höreten swie das früher schon in Galiläa, wenn auch da nicht in so außerordentlichem Maße, geschehe1i war Kap. 5, 27 ff.; 7, 37 ff.; Joh. 10, 40—42]. 2. Und die Pharisäer nnd Schriftge- lehrten sals er, gegen Ende des Monats wieder nach Livias, seinem Ausgangspunkt Katz. 13, 31 — 14, 24 zurückgekehrt, eines Tages nun auch seinerseits eine Einladung, wie vormals die des Zöllners Levi Kap. 5, 29 ff., annahm] murreten [einer gegen den andern ihren Unwillen in Ge- genwart des Volkes äußernd," indem er eben im Begriff stund, nach dem Hause, dahin er geladen war, abzugehen, » über solches sein Vornehmen] und sprachen sin ·verächtli»cher, »geringschatziger Weise]: Dieser nimmt »die Sünder an und isset mit ihnen lgestattet ihnen Zutritt zu seiner Person und läßt sich sogar m Haus- und Her- zensgemeinschaft mit ihnen ein, obwohl er doch ein Prophet sein will und· also wissen müßte, was das für Leute sind, mit welchen er sich ab- giebt Kap. 7, 39]. Dem großen Haufen, der sich in Kap. 14, 25 an Jesum angeschlosseii hatte, hält dieser die ernst mah- nenden Worte V. 26—35 entgegen; denn es war an- zunehmen, daß der größte Theil von ihnen sich keine ernstliche Rechenschaft von dem gab, was er that, son- dern nur dem Strome folgte, von einem unbestimmten Interesse angetrieben und gezogen; Anders ist es bei den Geringsteii und Verachtetsteu im Volke, den hier genannten ,,Zölliiern und Sündern«: ihnen, den von aller Welt Zurückgestoßenem tritt in Christo eine neue Erscheinung entgegen, wie sie· ihnenin ihrem Volke noch nicht begegnet war; sie bringen einen personlichen Zug des Verlangens und eigenes Heilsbedürfniß mit und bestätigen das Urtheil, das Jesus schon in Kp. 7, 29 f. über ihr Ver alten und das ihrer Gegner· aus- gesprochen hatte. lle Zöllner und Sünder heißt es eigentlich nach dem Wortlaut des Grundtextes (Luther: ,,a1lerlei«); es ist das eine ähnliche Zusammenfassung wie »in Kp. 7, 29: ,,alles Volk«, weil die Bewegung beschrieben wird als eine solche, welche die ganze Masse derselben ergriffen hatte, ·ohne daß daraus zu folgen ist, daß sie auf Jeden Einzelnen sich erstreckt habe. (v. Burger.) Was diese Sünder zu Jesu hin- zog, war, daß sie bei ihm nicht die hochmiithige,«weg- werfende Gerechtigkeit fanden, die sie von den Pharisäern abftieß, sondern eine mit der herzlichsten Liebe ver- bundene Heiligkeit. Die Zölln er und Sünde: hatten mit der levitischen Reinheit und dem israeliti- schen Anstand gebrochem die einen durch ihre Bes af- tigun , die andern durch ihr Leben; sie standen au er dem esetz in Israel. Aber waren sie darum ent- schieden verloreiie Menschen? Allerdings ware der normale Weg, mit Gott in Gemeinschaft zu kommen, der theokratische Glaubensgehorsam gewesen; aber durch das Kommen des Heilandes war ein andrer z Evangelium Lucä 15, 2—7. für diejenigen aufgeschlossen, welche sich durch ei ene Schuld den ersteren verschlossen hatten. Das Eben ärgerte die Eiferer für die levitischen Satzungetugxtatt in ihm Den zu erkennen, der den gnädigen ath Gottes erfüllte, wollten sie lieber sein mitleidsvolles Verfahren mit den Sündern auf Rechnung seines« Wohlgefallens an der Sünde schreiben. ,,Annehmen« bezieht sich auf das freundliche Verhältniß im Allge- meinen, daß er sie zu sich ließ, nicht von sich zurück- wies; das ,,essen mit ihnen« geht auf die nach da- maligen Sitten entscheidende Handlung, durch welche das Verhältniß zu besiegeln Jesus sich nicht scheuete. (Godet.) Jesus hätte das Murren der Pharisäer und Schriftgele rten mit Stillschweigen übergehen können, wie er ja ieles hörte, ohne es zu besprechen; aber dazu war er zu sehr Süiiderheiland und sein Wunsch, auch die Pharisäer und Schriftgelehrten von der Straße des Verderbens ab und auf den Weg des Heils zu rufen, war zu heiß und tief, als daß er« ihnen nicht hätte eine Vertheidigung seines Thuns «e enüber halten sollen, die, wenn sie nur nicht bös- haxft widerstrebten, sie von ihrem hochmüthigen Irr- thum heilen und zur Verehrung seiner Wege bringen konnte. (Lö e.) Wenn es möglich wäre, daß das ganze neue estament verloren ginge und das Eine 15. Kap. des Lukas würde gerettet, so könnte man sagen: der Kern des Evangeliums ist gerettet. Und wenn es sich fügen würde, daß bei einem Schissbruch Wind und Wellen das Eine Blatt der Bibel, worauf das 15. Kap. des Lukas gedruckt steht, auf eine heid- nische J1isel trügen, und es fände sich jeniand, der’s den Leutlein dort könnte lesen und auslegen, so wäre damit in das Heidenland ein Samenkorn «esäet, das Früchte bringen müßte hundertfältig, also daß ein Glaubensbote, der später an selbiges Ufer käme mit der ganzen Bibel in der Hand, das Land schon ge- flügt, ja das Feld schon weiß fände zur Ernte und sast nichts mehr zu tsgun hätte, als die Garben zu schneiden. Das 15. ap. des Lukas enthält nämlich in dem ewigen Kleeblatt seiner drei Gleichnisse das ganze Evangelium im Auszuge, die ganze Heilslehre im Kleinen, und zwar so, daß in den beiden ersten Parabeln vom verlorenen Schaf und verlorenen Groschen dargestellt wird, was von Seiten Gottes geschie t zu der Menschen Heil, nämlich: ,,des Men- schen ohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, das verloren ist«; in dem dritten Gleichniß aber vom verlorenen Sohn wird das hervorgehobem was der Mensch zu thun hat, um des göttli en Heils theilhaftig zu werden, nämlich Buße thun, ist; aufmachen und zu seinem Vater gehn. (Gerok. Etliche Ausleger meinen, gleichwie unter dem Bilde des Hirten der HErr Jesus, Gott der Sohn, und hernach unter dem Bilde des Vaters, der zween Söhne hatte, Gott der» Vater uns vor Augen estellt werde, so hätten wir an dem Weibe ein Bild ottes des heil. Geistes, der ja das Wort der Bekehrung ini Herzen des Sünders, erleuchtend und auskehrend, mit allem Fleiß aiifange und vollende, sich nicht abschrecken lasse durch die widerspeiistige und verkehrte Art des sinsteren und unreinen Herzens, gerade wie das Weib vom Suchen sich nicht abhalten lasse durch den Staub, den sie beim Kehren des Hauses einzuschlucken hat. (Besser.) Eines Christen kurzer Lebenslauf: 1) mit Treue gehütet und verloren, 2) mit Fleiß ge- sucht und gefunden, 3) mit Freuden getragen und ge- borgen. (Nebe.) Es macht einen lieblichen Eindruck auf uns, wenn wir den Heiland mit Wunderbarer Freundlichkeit unter den Kindlein sehen und ihn spre- chen hören: ,,lasset die Kindlein zu mir kommen, denn Das Gleichniß vom verlorenen Schaf. 78I solcher ist das Himmelreich-«; wir erkennen da die Wahrheit des Wortes: ,,wie hat er die Leute so liebt« Aber wieviel Wunderbarer erscheint uns seine Freund- lichkeit, wenn wir ihn hier unter solchen Ntenschen sehen, welche die ehrlichen Leute sich schämten als Jhresgleichen anzusehen, wie er für diese verachteten und bescholtenen Leute eine freundliche Rede hat und ein freundliches Herz, wie er mit ihnen redet, mit ihnen zu Tische sitzt und ißt und in seinen Gleichnissen sie Worte der Liebe hören läßt, dergleichen sie wohl schon lange nicht mehr gewohnt waren, und wie er nichts darnach fragt, ob die Welt ihn höhnisch und argdwöhnifch darum ansiehet und i n einen Zöllner- un Sündergesellen darum nennt. r ist der Sünde Feind, aber der Sünder Freund. Die Sünder- liebe des Heilandesu I) wie groß sie sei, Z) was ihn dazu bewegt, Z) wozu sie uns bewegen soll. (Caspari.) I. Jesus nimmt die Sünder an, wenn sie zu ihm kommen, II. er sucht sie, noch e e sie zu ihm kommen. (Palmer.z Jesus nimmt die ünder an: wie wunderbar! ie dieses Wort zuerst gesagt Eben, sie haben es murrend, haben es als einen adel und Vorwurf wider den HErrn gesagt; worin Tausende schon ihren Frieden gefunden als in einem süßen Trost- und Rechtfertigungsworh das ist seinem ersten Sinne nach als ein Schmähwort erschollen, das zum Gericht ausschlug für die, so es redeten. Stehet geschrieben: ,,aus dem Munde der jungen Kinder hast du eine Macht zugerichtet«, so können wir hier sagen: aus dem Munde der Feinde hast du ein Lob dir be- reitet. Das Wort 1) soll sein ein entehrendes Schmähwort, 2) ist aber in Wahrheit der höchfte Lobspruch, Z) und für uns wird es zum beseligend- sten Trostwort — Das Wort ist I) je gewißlich wahr, 2) und ein theuer werthes Wort (1. Tim· I, l5). Man kann wohl sa en, daß das ,,Jesus nimmt die Sünder an und igsset mit ihnen« die Summe des Glaubens und Bekennens unsrer evangelischen Kirche sei, gleichwie es auch die Summe des Evangeliums ist; denn was ist das Evangelium anders als das theuer-werthe Wort, daß Jesus Christus in die Welt gekommen ist, die Sünder selig zu machen — eine Gotteskraft selig zu machen alle, die daran glauben? Gott Lob, daß wir das mit voller Gewißheit sa en und glauben dürfenk was wäre außerdem unser Le en und Sterben? Aber der Anstoß an der Sünderliebe Jesu, den einst die Pharisäer und Schriftgelehrten nahmen und damit ihn zu einer Rechtfertigung seines Verhaltens in diesen Gleichnissen veranlaßten, ist noch lange nicht besiegt; es giebt noch immer vornehme und selbstgerechte Leute genug, denen es mit jenen fast unerträglich ist, Jesum in so herablassender Liebe mit Zöllnern und Sündern verkehren zu sehen — es wäre doch seiner würdiger, die Frommen aufzusuchen und mit seiner Gemeinschaft zu ehren; es ist ihnen überhaupt ein harter Anstoß, daß das Evangelium so gar viel von armen verlorenen Sündern redet und sie mit ihren Sünden zu Jesu kommen heißt, der die Sünder selig machen will. Ja diese Lehre von der Gnade Christi, dieses Seligwerden der Sünder ohne Werk und Verdienst allein aus Gnaden, es dünkt ihnen das eine recht bedenkliche Lehre, egen die sie gar vieles einzuwenden haben, am meisten dies, daß sie der Sittlichkeit gefährlich sei und den Menschen in der Sicherheit und rägheit bestiirke; so hören wir’s· nicht blos aus dem Munde katholischer Christen, sondern auch von Gliedern unsrer eigenen Kirche Dieser Tadel aber ist völlig ungegründet· das: Jesus nimmt die Sünder an, ist eine Wahrheit, welche I) dein äußeren Anschein nach der Sünde Vorschub thut, aber Z) in der That die Sünde richtet und straft, Z) dem Sünder, der von ihr sich richten läßt, den einzi möglichen Weg zur Seligkeit eröffnet, und 4) ihm ie Kraft eines neuen Lebens zur Ueberwindung » der Sünde schenkt. (Thomasius.) s. Er sagte aber zu ihnen dies Gleich- iiiß snoch einmal aufnehmend, was er in Matth. 18, 12——14 schon den Jüngern vorgehalten, jetzt aber es noch weiter ausführend und eindring- licher gestaltend], und sprach: 4. Welcher Mensch ist unter euch, »der hundert Schafe hat, und so·er der eines verlier-et» der nicht» lasse die neun und neunzig m der Wuste [auf der Weidetrifh wo sie einstweilen sicher geborgen sind l. Sam. 1«7, 28], und hingehe nach dein verlernen, bis daß er’s finde? Z. Und wenn er’s funden hat, so« legt er’s sdasselbe des weiteren Selbstlaufens über- hebend] auf seine Achseln [mit Nachdruck zu sprechen: seine Achseln, es verschmähend, sich fremder Hilfe zu bedienen] mit Freuden. · s. Und wenn er heim kommt, ruft» er seinen Freunden und Nachbarn und spricht zu ihnen: · Freuet euch mit mir; denn ich habe mein Schaf funden, das verloren war. . 7. Ich sage euch: »Also iinrd auch Freude im Himmel fein uber Einen Sau: der, der Buße thut, vor neun und neiiiizig Gerechten [d. i. mehr als über 99 Gerechte], die der Buße nicht bedürfen. » Der Eiferdes Hirten, sein Schaf zu suchen, at nicht den persönlichen Nutzen zum Beweggrund: in Schaf von hundert ist ein zu unbedeutender Verlust, der in jedem Falle in keinem Verhältniß zu der Mühe steht, die er sich macht; der Beweggrund, der ihn treibt, ist also das Mitleiden. Jn der That giebt es im Thierleben kein hilfloseres, beklagenswertheres Wesen als ein verirrtes Schaf; es fehlt ihm zu glei- cher Zeit an den Mitteln, sich zu vertheidigen, und an dem nöthigen Jnstinct, um den Weg wieder zu finden — es verdient recht eigentlich den kamen ,,verloren«. Das Mitleiden des Hirten zeigt sich l) in seiner Be- harrlichkeih er sucht, bis daß er findet; 2) an sei- ner liebenden Sorgfalt: er nimmt es aus seine Achseln; Z) an der Freude, mit welcher er diese Last auf sich nimmt, und diese Freude ist so groß, daß er sie auch seinen Umgebungen mitt eilen will und ihre Glückwünsche zu empfangen bege rt· (Godet.) Schon diese Ausführungen, wenn ihr nhalt recht ernstlich enommen würde, könnten vor vielen falschen Aus- assungen, die herkömmlich geworden sind und meist in Predigten ihren Ausdruck finden, bewahren und zur rechten Auslegung hinleiten, sie liegen aber bei dem- jenigen Ausleger selber noch vor, dem wir die Worte entlehnt haben. Gehen wir zunächst aus die Frage ein: wer sind die ,,neun und neunzig Gere ten, die der Buße nicht bedürsen?« Der Evangelit hat im Grundtext für ,,nicht« dasjenige Wort gebraucht, wel- ches objektiv oder gegenständlich verneint (o15); ent- schieden falsch also ist es, wenn man folche Leute ver- tehen will, welche der Buße nicht zu bedürfen glaub en, 782 Evangelium Lucä 15, 7 Anm. wie Pharisäer und Scgristgelehrte deråäeichen Leute waren, denn dann mit te ein anderes ort lau) e- braucht sein, welches der Grieche da seht, wo es ich um eine subjektive oder persönliche Verneinung han- delt. Nun versuchen diejenigen Ausle er, welche diesen Fingerzeig für das rechte Verständniß wohl erkennen, doch aber mit ihren Gedanken von den Pharisäern und Schriftgelehrten nicht loskommen können, als müßten diesedurchans gemeint sein, sich damit zu helfen, daß sie sagen, Jesus rede hier allerdings ge-- genftändlich, er lasse die Gefetzesgerechten auf ihrem Standpunkte wirklich als solche gelten, ohne weiter auf ihre innere Herzensbeschaffenheit einzugehen, wie er das auch in Kap. 5, 32 thue; allein nach Matth. 9, 13 hat er doch bei jener Gelegenheit zu- gleich deutlich genug ans« esprochen, wie es mit dieser Gerechtigkeit eigentlich besztellt sei, und erst nachdem er den Pharisäern gesagt: «gehet aber In und lernet, was das sei: ich habe Wohlgefallen an« armherzigkeit und nicht am Opfer«, stellt er sie den Sündern, welche zur Buße zu rufen er gekommen sei, als Fromme und Gerechte gegenüber. Mit jener Mahnung hat er doch wahrlich sie eindringlich genug ebenfalls zur Buße gerufen; sie aber wollen nicht Sünder sein, die der Buße bedürfen, sondern Gerechte heißen oder, wie es vorhin hieß, Gesunde, und da hat er allerdings als Arzt der Kranken und als Seligmacher von den Sünden mit ihnen nichts zu schaffen. Ueber solche Leute ist doch im Himmel sicherlich gar keine Freude, sondern» als über verstockte Herzen, denen schlechterdings nicht zu helfen ist,«1ener Schmerz, wie er in den letzten Reden Jesu seinen herzzerschnesp denden Ausdruck gefunden (Matth. 23, 3 ff.; Joh.15, 22 sf.) — wie in aller Welt soll es da denkbar sein, daß der HErr hier auf sie geblickt hätte, wenn er sagt: ,,es wird Freude im Himmel fein über Einen Sünder, der Buße thut, mehr als über neun und neunzig Gerechte, die der Buße nicht bedürfen?« Die Annahme einer Jronie ist »änzlich unstatthaft; ebenso auch die, daß die 99 Geresten nicht speziell die Pha- risäer und Schriggelehrten bezeichneten, sondern über- haupt das dem esetz getreu gebliebene theokratische Volk nach seiner Mehrzahl, während das verlorene Schaf denjenigen Theil des Volkes meine, welcher mit den gesetzlichen Vorfchriften gebrochen hatte und nun ein Spielball seiner Leidenschaften geworden war, denn wie der HErr über dies theokratische Volk in seiner Mehrzahl urtheilete, geht aus dem »diese böse und ehebrecherische Art« (Matth. 12, 397 16, 4) sattfam hervor. Alle diese Auffassungen, dessen follte man doch sich bewußt werden, ertödten den Nerv des Gleich- nisses, indem sie da, wo es seine Spitze erreicht, den HErrn etwas sa en lassen, was er nicht im ganzen vollen Ernst so ann gemeint haben, wie er es ausge- sprochen hat: nein! gerade hier muß er sein Heilands- herz in seiner ganzen Tiefe uns aufschließen und den Heilsrath Gottes in seiner ganzen Größe und Herr- lichkeit enthüllen, und da muß er auch wahr, objektiv und allseitig wahr reden, sonst geht die Kraft seiner Rede verloren —- jede Auslegung, die ihn in sol er Höhe nicht erreicht, hat seinen inn nicht getro en und muß sich gefallen lassen, da sie heimgeschickt werde. Darnach müssen wir auch uther’s Erklärung abweisen, der die 99 Gerechten in denjenigen findet, die bereits durch Buße und Glauben gerecht geworden und nun in der Gnade Gottes stehen; auf diese ist das »die der Buße nicht bedürfen« ebenfalls nicht an- wendbar (vgl. die erste von Luther’s eigenen 95 Thesen: ,,da unser HErr und Meister Jesus Christus spricht: thut Buße 2c., will er, daß das ganze Leben seiner Gläubigen auf Erden eine stete und unaufhörliche Buße sein soll«). Man könnte also öchstens an solche denken, die schon überwunden un die Krone des Lebens empfangen haben; aber da die 99 Gerechten offenbar dieselben sind, die in V. 4 als die 99 Schafe bezeichnet wurden, welche der Befitzer der hundert in der Wüste gelassen hat, um hinzugehen na dem einen verlorenen, so bekäme das ganze Glei niß etwas Schiefes und Verworrenes. Jener Gedanke würde nur dann richtig sein, wenn von, hundert Schafen die Rede wäre, die alle verloren waren, von denen aber bereits neunundneunzig wieder zurückgekolt sind nach der Weidetrift und dort sicher unterge racht, so daß es sich nur noch um das letzte hundertste handelte; doch was würde da für eine Verkehrtheit herauskom- men! Jndessen sind wir mit dem Gedanken an die Vollendeten der einzig zulässigen Deutung schon sehr nahe ekommen: man denke nur nicht an die aus dem MenFchengeschlecht in den Himmel hinüber Gerei- teten, man denke vielmehr an die heil. Engel, die nicht mehr fallen und fündigen können, also auch in Wirklichkeit der Buße ni t bedürfen. Daß bei Gott im Himmel mehr Freude ein soll übers Einen Sünder, der Buße thut, als über die 99 Gerechten, als über die tausendmal Tausend und zehntausendmal Zehn- tausend, die vor ihm stehen und ihm dienen (Dan. 7, to; Matth.18, 10), scheint freilich ein ungeheuerlicher Gedanke, denn er geht über all unser Ver tehen und Vegreifen hinaus; doch es greift auch hier Platz, was Luther mit Beziehun auf diejenigen Gerechten sagt, die er seinerseits im inne hat: »das Verlorene macht allezeit größere S merzen, Traurigkeit und Beküm- merniß, und das iedergefundene geliebt, erfreut und tröstet viel mehr, denn das noch übrig und unverloren ist. Eine Mutter, die viel Kinder hat, die sind ihr alle lieb und wollte nicht gern eins unter ihnen ent- rathen; wenn sich’s aber begiebt, daß eins krank wird, da macht die Krankheit einen Unterschied zwischen den andern Kindern allen, daß das kränkste nun das liebste ist und die Mutter sich keines mehr annimmt noch fleißiger wartet, denn des kranken. Wer nun da der Mutter Liebe urtheilen wollte nach der Wartung der müßte sagen: die Mutter hat nur das krane Kind lieb , die gesunden hat sie nicht lieb. Diese Art nun, spricht unser ·lieber HErr Christus, habe J auch-« St. Lukas kommt selber für das Verftändni unsers Gleichnisses uns zu Hilfe, wenn er in Hebr.2, 14—16 schreibt: ,,Nachdem nun die Kinder Fleisch und Blut haben, ist er’s gleichermaßen theilhaftig worden, auf daß er durch den Tod die Macht nähme dem, der des Todes Gewalt hat, das ist dem Teufel, und er- lösete die, so durch Furcht des Todes im ganzen Leben Knechte fein mußten; denn er nimmt nirgend die Eng el an sich, sondern den Samen Abrahams nimmt er an sich.« Hier haben wir die Erklärung dafür, was das in V. 4 Gesagte meint; es ist damit aus das kündlich große gottselige Geheimniß (1. Tim. 3, 16) von der Menschwerdung des Sohnes Gottes hinge- wiesen, und mit ihrem Wort: ,,diefer nimmt die Sün- der an und isset mit ihnewggaben die Schriftgelehrten und Pharisäer wider ihren illen eine eben so tiefe Wahr eit ausgesprochen (v l. Kap. II, 26), wie her- nach aiphas mit feinem ort (Joh. 11, 50— 52): ,,es ist uns besser, Ein Mensch sterbe, denn daß das Mnze Volk verderbe« Jesusift in Wahrheit der «) ensch, der hundert Schafe hatte; denn durch ihn ist alles gefchaffen, das im Himmel und auf Erden ist &c. (Col. l, 16), und die En» el im Himmel droben gehen eben owohl auf seiner eidetri t, wie die Menschen am nfang, da sie nach Gottes ilde gemacht waren. Die Freude im Himmel über Einen Sünder, der sich bekehrt, mehr als über 99 Gerechte 783 Die ,,hundert Schafe« begreifen also die Vollzahl (100 = 10 X 10: Matth. 19, 29; Pred. 8, 12) der esammten gottesbildlichen Creaturen in sich, wie das chon viele er berühmtesten Kirchenväter richtig er- kannt haben; die ,,neunundneunzig«, die in der Wüste gelassen werden, sind die Engel, deren der Sohn Gottes eine kleine Zeit gemangelt hat (Hebr. 1, 6 ff.), das Eine verlorene Schaf aber ist der Mensch über-· haupt oder das Nienschengeschlecht in seinen einzelnen Gliedern (Jes. 53, 6). So oft nun auch nur Ein Sünder Buße thut und auf den Achseln des guten Hirten bis in den Himmel hinübergerettet wird, hat Gottes Heilsrathschluß und Christi Erlösungswerk an der Menschheit eine Frucht getragen, ist die Mensch- heit wieder in einem ihrer Glieder gerettet und das in V. 5—7 Gesagte erfüllt sich auf’s Neue. Diejenigen aus dem menschlichen Geschlecht, die nicht Buße thun und sich nicht retten lassen oder wiederum verloren gehen, zählen für die Gesammtsumma des Einen Schafes eben so wenig, als die abgefallenen und zu Teufeln gewordenen Engel bei der Gesammtsumme der neun- undneunzig Schafe in Betracht kommen; es zählen am letzten Ende für Gottes Reich überhaupt nur diejeni- gen, welche Gott zuvor versehen, darnach ver-ordnet, berufen, gerecht gemacht und schließlich herrlich ge- macht hat (Rom. 8, 29 f.), von den Andern heißt es (Jer. 17, 13): ,,alle, die dich verlassen, müssen zu Scganden werden, und .die Abtrünnigen müssen in die Er e geschrieben werden-« Das Heimkommen dessen, der das verlorene Schaf gesucht und wieder gefunden hat und der nun seine Freunde und Nachbarn zusam- menruft und zu ihnen spricht: ,,freuet euch mit mir«, erstreckt sich von der Zeit der Himmelfahrt Christi an durch alle Jahr underte hindurch bis zum jüngsten Tage, wo die erechten in das ewige Leben gehen. Bei der Himmelfagrt sind die Freunde und Nachbarn zunächst nur noch ie heil. Engel, von denen es in einem Liede heißt: ,,es holen Jesum ein die lautern Cherubinen, den hellen Seraphinen muß er willkom- men sein« und deren Freude zumeist noch die über die objektive Vollbringung des Erlösungswerks ist, doch auch schon anfängt auf die subjective Aneignung desselben sich zu erstrecken, z. B. in Betreff des be- gnadigten Schächers (Kap. 23, 43) und der aus ihren Gräbern erweckten Heiligen (Matth. 27, 52 f.); im Laufe der Zeiten kommen dann zu diesen Freunden und Nachbarn aus dem Menschengeschlechte alle die Hinzm die nun selber eingegangen sind zu ihres HErrn reude und bei und mit ihm jauchzen über alle Siege, die hier auf Erden sein Reich davonträ t, und über jede einzelne Seele, die er für dies« eich gewinnt, Fig, dann einmal am jüngsten Tage,,der ganze Himmel a t«. Bei den Mittheilungem die wir zur Verwerthung des Gleichnisses im praktischen Gebrauch zu machen haben, sehen wir uns gar sehr beschränkh da meisten- theils die oben von uns widerle ten irrthümlichen Auffassungen den Anwendungen zu runde liegen und nur selten einmal ein Prediger von der richtigen Aus- fassun ausgeht; doch stehen uns wenigstens einige Auslasssungen von Gewährsmännern zu Gebote. — Fragst du, ob es überhaupt Unverlorene, also Ge- rechte, die der Buße nicht bedürfen, giebt, so antworte ich: auf Erden giebt es keine; denn auch die gerecht geworden sind durch den Glauben, bedürfen täglich er Buße und bleiben in dem Gebet: »Gott sei mir Sünder gnädig« Aber im Himmel giebt es mehr als neunundneunzig, nämlich die Menge vieler tausend Engel; und die gerade ließ der HErr C ristus da- hinten, kam herunter zu dem Wohnort der erlorenen und kehrte nicht eher wieder heim, bis er eine ewige Erlösung erfunden hatte und, den Erstling der wie- dergefundenen Schafe, den Schächer auf seinen Achseln, einging zu seiner Herrlichkeit. (Besser.) Obwohl es 100 Schafe sind, die »der Mensch« besitzt, er vermißt auf der Stelle das eine, das sich verloren; er hat ge- nau sie alle gezählt, er kennt sie mit Namen, an jedem einzelnen ist ihm viel, unendlich viel gelegen, und um es wieder zu erlangen, scheut er keine Mühe und Be- schwerde, läuft er durch Dornen und Gestrüpp ihm nach und läßt kein Opfer sich verdrießen. Wer ist dieser Mensch? —- Gott ist es, der HErr Himmels und der Erden, der die Weltkugeln in seiner Hand hält, der, angethan mit Herrlichkeih unter den tausend- mal Tausenden wohnt. Er hat die Sterne gezählt und führt ihr Heer bei der Zahl heraus, daß es nicht an einem fehletx aber obwohl der Himmel wie ein Prachtsaal von tausend Welten schimmert, obwohl Millionen von Geschöpfen, Cherubim und Seraphim sichihres Gottes freuen und des Anschauens seiner Seligkeit ungestört genießen: ein Schäflein vermißt er im Chor der Lobpreisenden, das ist die Erde mit ihrem Beherrscher, dem Menschen, es ist das Geschlecht Adams. Jhm, dem HErrn, und seiner Herrlichkeit schadete es nichts, daß das arme Schäflein sich verlor, er bedurfte unser nicht zur Seligkeit; aber ihn jam- merte unser, und darum faßte er den Rathsch aß, die verlorne Welt zu erlösen und wiederzubringen. Und siehe, er machte sich auf, der heilige, selige, allmächtige Gott! Da er den Adamskindern nicht anders bei- kommen konnte, als wenn er sie in ihrer eigenen Natur und Gestalt, in ihrem eigenen Fleisch und Blut aufsuchte,» so machte er sich auf und ward Mensch. Welche Liebe, welche Herablassungl Herablassend ist es schon, daß hier im Gleichniß Gott ein Mensch ge- nannt wird, daß er uns unter diesem Bilde sich dar- stellen läßt; aber nun geschieht es nicht blos im Gleichniß, daß Gott Mensch wird, nein! es ist wirk- lIche-,-Gesch1chte, wikkiichg Thatjache Gott ist wahr- haftig Mensch geworden in Christo Jesu: üpft euch nicht das Herz dabei vor Freude und Be chämung? ist es nicht, als inüßtet ihr vor Anbetung und Rüh- rung gleich in die Kniee sinken und Hallelujcks stam- meln, wenn ihr euch das große gottselige Geheimniß vorstellt, daß Gott geoffenbaret ist im Fleisch? Wirk- lich hat er den Ekel, den er nach seiner Heiligkeit vor dem sündigen Fleisch und Blut hegen mußte, über- wunden, hat-die Einöde nicht gescheut, um den Schäf- lein nachzugehen, nicht den Kreuzesdorm der ihn zum Tode verwundete, hat, um zu suchen und selig zu machen, was verloren ist, fein Leben gelassen für die Schafe und sein eigenes Herzbliit Vergossen. Aber nicht blos so in’s Allgemeine hinein vermißt und sucht der» HErrdas verlorene Menschengefschlechn nein! er geht jeder einzelnen Seele nach mit be onderer Liebe und Treue; es ist, als ob er für jede an apart da ware und Mensch geworden wäre. Er suchet dich, inich, uns alle mit einander auf’s Emsigste und Eis- ri sie; und wie er dies thue, deutet das andere Gleich- nixß noch näher» an — vom Weibe, das den Groschen su t. Erstaunlich groß wäre schon die Gnade Gottes un ers Heilandes, wenn er uns erlaubte uiid sagte: du darfst wiederke·hren, du armes verlorenes Men- schenherz,» es foll dir unverwehrt sein; aber dies nicht allein, nein! er suchet selbst nach dem Verlorenen mit schmerzlichen Opfern,.er locket und liittet, es ist sein eigenes dringendstes Sehnen, es wieder zu haben. Und auch hiermit no nicht genug: nein! wenn eins, kommt nnd läßt sich ·nden, und wird aus einem Kind des Verderbens ein Kind der Gnade, so empfindet er 784 Evangelium Lucä 15, 8——10. eine Freude, als gewönne er selbst dadurch einen Zu- wachs von Seligkeit, und fordert die Engel im Him- mel auf, feiiie Wonne zu theilen. Wir blicken hier in ein seliges Geheiinniß hinein (Ephes. Z, 10; l. Petri I, 12); ich mache i1icht den Versuch, die Seligkeit die- fes Findens zu beschreiben — es ist eine Freude, an welche die menschliche Schilderung nicht hinanreicht. (Carus.) Wahrhaftig! theuer und kostbar muß in den Augen des HErrn Himmels und der Erden die Seele des Menschen, unsre Seele sein, da nicht nur die Augen und die Dienste einer ganzen Geisterwelt auf uns gerichtet sind, da vielmehr unser Abfall auch Schmerz in allen Höhen, unsre Rettung namenlose Wonne in allen Weiten und Fernen des unermeßlichen Gottesreichs verbreitet. Der Himmel beweist uns mehr Theilnahme und Sorge, als wir uns selbst be- weisen: Engel wissen, was wir mit der Buße und dem Glauben an Christum gewinnen, was wir mit der Uubußfertigkeit und dem Ungla1iben verlieren. (Fr. Ariidt.) Jn verwegener Form, aber mit tiefsin- niger evangelischer Einficht drückt Angelus Sile- sius das Verlangen Gottes nach der Versöhnung des Menschen aus mit den Worten: ihm ist soviel an mir, als mir an ihm gelegen. (P. Lange.) 8. Oder welch Weib ist, die zehn Gro- schen [griech. Drachmen, a 772 Gr. = 272 Thlr. 2. Mos. 30 , ·13 Anm.]· hat, so sie der Einen verlieret, die nicht ein Licht anzuiida und kehre das Haus und suche mit« Fleiß, bis daß sie ihn finde? 9. Und wenn sie ihn fanden hat, ·riifet sie ihren Freundinnen und Naihbarinnen sdaß sie doch zu ihr hertreten möchten iind mit ihr beschauen], und spricht: Freuet euch mit mir, ·dcnn ich habe meinen Groschen fanden, den ich verloren hatte? · · 10. Also auch, sage ich euch, wird Freude sein vor den GngelirGottes [d. i. angesichts der Engel ,· so daß diese daran Theil nehmen und »sich mit freuen Pf. IS, U] über Einen Sünder, der Buße thut. Der HErr leitet das zweite Gleichniß mit »einem ,,oder« ein; daraus geht hervor, »daß es der Haupt- sache nach dieselbe Wahrheit ist, die er in diesem wie im ersten Gleichniß darstellt, nur daß er natürlich nun neue «Seiten an derselben eröffnet und andere Beziehungen hervorkehrt, die vorher noch nicht zum Ausdruck kommen konnten. Für die im Wesentlichen gleiche Bedeutung des zweiten Gleichiiisfes mit dem ersten spricht ferner die im Wesentlichen so gleichk mäßige Gestaltung beider Parabeln, nur« daß a) bei der Gesammtsumme der Groschen nicht wieder die mit sich selbst multiplicirte, sondern die einfache Voll- zahl (1. Mos. 31, 7 u. Pf. 150, 5«Anm.) verwendet wird, wie es der Natur der Sache entspricht, denn während bei den Schafen die Zehn noch nicht den Begriff einer Heerde gegeben hätte, würde bei den Groschen die Hundert den Eindruck eines U eb erflus s e s emacht haben; und daß b; in dem Anwendungsspruch sei dem ,,über Einen Sün er, der Buße thut« das »vor 99 Gerechten, die der Buße nicht bedür en« weg- fiillt, denn hier sind diese 99 Gerechten unmittelbar vorher schon genannt init den Worten: »vor den Engeln Gottes« Sie sind die sich Freueiidem »und da war es nicht angemessen, ihre Freude mit der über sich selbst in Vergleich zu bringen, weil einestheils eine Freude über sich selbst nicht süglich ihnen beige- legt werden kann, anderntheils aber auch eine Freude über den Einen bußfertigen Sünder, die größer sei als die über sich selbst, in gewisser Hinsicht ein Unge- danke sein würde; indem a er so die Engel Gottes in V. 10 das parallele Glied bilden zu den neun und neunzig Gerechten in V. 7 und die Erklä- rung dazu geben, wird zugleich angedeutet, daß die En el zu der Freude Gottes über Einen Sünder, der Bu e thut. wenn sie ge en denselben derer zu ver- efsen scheint, die der Buße nicht bedürfen, so wenig scheel sehen, daß sie vielmehr folche Freude neidlos und leidlos von ganzem Herzen theilen. Hieriiach muß denn- nun auch unter dem ,,Weibe« derselbe ge- meint sein, der vorhin unter »ein Mensch« zu ver- stehen war, wie das schon die älteren Kirchenlehrer richtig erkannt haben; es begegnet uns damit derselbe Fall, den wir schon in Matth. 13, 31— 33 in den beiden Gleichnisfen von dem Senfkorn und dem Sauer- teig vor uns hatten, wo gleicherweise bei dem Sens- korn es eißt, daß ein Mensch, bei dein Sauerteige aber, da ein Weib dieselbigen nahm. Ueber diese Darstellung des Sohnes Gottes unter dem Bilde eines Weibes dürfen wir uns nicht wundern; sie liegt an sich schon darin begründet, daß, der bei»Joh.» 1, 1 ff. der Logos (Luther: »das Wort«) heißt, im alten Testament als die Weisheit (Luk. 11, 49) erscheiiit (Sprüchw. 8, 3 Anin.). Wenn nun in Spr. 9, I von der Weisheit gesagt wird: ,,sie baiiete ihr Haus und hieb zu demselben ihre sieben Säulen aus«, so leitet das über zu dem Begriff eines Gottesftaates, einer eil. Thedkratie, deren Stiftung, Erhaltung und ollendung das Werk des Sohnes Gottes ist niit Hilfe der Gaben, Kräfte und Thätigkeiten des heil. Geistes und in der alle Dinge unter Ein Haupt ver- fasset werden, beide das im Himmel und aus Erden ist (Ephes.1, 10); während also bei dem ersten Gleich- niß mehr das Werk des Sohnes Gottes nach dem, was er für seine Person ethan, indem er vom Himmel herniederkam, Mensch wurde und nach Aus- führung des göttlicheii Heilsrathschlusses wieder en Himinel fuhr, in Betracht kommt, tritt in die em zweiten Gleichniß mehr seine Thätigkeik in der Kirche hervor, die er durch die Sendung des heil. Geistes schafft und in welcher er ein Amt feiner Diener hat (1. Eor. 4, 1), also diejenige Thäti keit, durch die er das, was er zum Heil der Menschheit gewirkt hat, den einzelnen Seelen auch aneignet un dieselben heiligt, um das Ziel der endlichen vollkoinmenen Her- stellung des Himmelreichs zu erreichen. An diesem Ende wird der Begriff eines in die Welt hineinge- baueten und von ihr abgesonderten Hauses Gottes, wie es bald von Anfang der Welt an bestanden hat (1. Mos. 6, L; 4. M. 12, 7) und bis dahin fortbe- steht, wo das Gericht sowohl die zu demselben behal- tenen bösen Engel, als die Ungerechten unter den Menschenkindern aus der Welt ausscheidet und sie dem feurigen Pfuhl, welcher der andern Tod ist, überant- wortet, sich decken mit dem Begriff eines die ganze Welt umfassenden Hauses Gottes, wie das Recht der Schöpfuiciög ihn an die Hand giebt (O enb. 11, 15; 19, 6). ehr bezeichnend ist in unserm ext der Aus- druck ,,Gro chen«« es ist verkehrt, wenn man die Be- schassenheit des Metalls dabei in Betracht gezo en und nun die Verschiedenheit des zweiten Gleiiknifses von dem ersten dahin hat bestimmen wollen, da dort unter dem verlorenen Schafe der thöricht irrende, Pier aber unter dem verlorenen Gros en der einer elbst ganz unbewußte Sünder zu ver tehen sei, um Das Gleichniß vom verlornen Groschen. 785 dann in dem weiter folgenden Gleichniß von dem ver- lorenen Sohne einen bewußt freiwilligen Sünder geschildertsein zu lassen, vielmehr kommt der Groschen von Seiten seines Bildes und seiner Ueberschrift in Betracht und kann schon das Wort C risti in Matth- 22, 19-—21 zu der Einsicht leiten, da es sich aber- mals bei den 10 Groschen um die gesammten gottes- bildlichen Ereaturen, Engel und Menschen handelt, bei dem Einen verlorenen Groschen aber um das seiner Gottesbildlichkeit beraubte, durch die Sünde entstellte nnd im Dienst des vergänglichen Wesens beschmutzte und bestäubte Nienschengeschlecht Nachdem wir so das richtige Verständnis; im Allgemeinen uns gesichert haben, lassen wir nun noch einige Aussprü e von andern Ausle ern folgen. — Wer ist der Gro chen? Es ist die eFallene Menschheit, die ohne das Erlö- sungswerk esu Christi für Gott und sein Reich ver- loren ist; es sind die gefallenen Seelen in und außer- alb der Christenheit, die sich von der Quelle des ebens verirrt haben in Wüsteneien der Gottlosigkeit und Sünde. Das ist der verlorene Groschen: er selbst weiß nicht, daß er verloren ist, fühlt auch nicht, was er verloren hat, sondern liegt eben kalt und todt auf der Erde, ob ihn jemand bemerken und aufheben werde; es weiß es kein verlorener Sohn, wie tief er gefallen ist, es fühlt keiner, was er verloren hat, bis ihn jemand aushebt und zum Hause des Vaters zu- rückbringt. Wer sich aber auf den verlorenen Groschen verstünde, würde immer noch den Groschen in ihm er- kennen und immer noch etwas von seinem Gepräge entdecken, wie verstaubt und verblichen es auch wäre: wie schade, wenn er unbemerkt liegen bliebe! wie schade, wenn sich niemand zu ihm bücken würde, um ihn aufzuheben, und er müßte in dem Staub und Unrath, der ihn umgiebt, verloren gehen! (Rieger.) Der Sünder ist in den Augen Gottes nicht blos, wie - das Schas, ein leidendes Wesen, mit dem er Mit- leid hat, er ist ein kostbares Wesen, das er nach seinem Bilde geschafsen, dem er in der Ausführung Leines Reichsplanes eine Stelle bestimmt hat; indem er Mensch sich in’s Verderben stürzt, entsteht ein leerer Platz in Gottes Schatz oder in seinem Haus- halt. Mit welcher in’s Kleine gehenden Sorgfalt nun sind die Bemühungen des Weibes beschrieben, welches liebliche Bild des häuslichen Lebens stellt sich in ihrem beharrlichen Suchen dar! Sie ündet ihre Lampe -an, denn im Orient bekommt das Jmmer nur durch die Thür Licht; sie stellt jedes Möbel weg und kehrt die schmutzigsten Winkel aus — das ist das Bild Gottes, wie er in der Person Jesu in die Gesellschaft der ärgsten Sünder sich herabläßt und ihnen mit dem Licht der göttlichen Wahrheit bis in den untersten Winkel der Theokratie nachgeht» Das Bild von dem Schaf be ieht sich mehr auf die Zöllner, das vom Groschen «ndet seine Anwendung mehrauf die zweite der in V. 1 genannten Klassen, auf die Süuderoder die in’s Laster» versunkenen Menschen. Bei der Schil- derung der Freude des Weibes steht an Stelle des Aktiv’s in V. G: ,,er ruft zusammen« im griech. Grundtext das Medium: ,,sie ruft zu sich her« —. hier hat nicht das Verlorene .den Genuß von dem Gelingen des Suchen-s, wie in dem vorigen Gleichniß, sondern das Weib selbst, welches gefunden hat, und ihr soll man Glück wiinscheir Ebenso ist es mit einem andern leichten Unterschied in der Form; denn statt des Ausdrucks in V. 6: ,,ich habe mein Schaf wieder- gefunden, das verlorene«, wodurch die Aufmerksamkeit auf das verirrte gezogen wird, sagt das Weib hier: ,,ich habe meinen Groschen gefunden, den ich verloren hatte«, was das Jnteresse auf sie zieht. (Godet.) Dächseps Bibelnserc Der Groschen kann in die dunkeln Winkel, unter die Schränke und Bänke gerathen sein, es gehört also ein Licht dazu, um ihn wiederzufinden; das ist das Licht des Evangeliums, welches aus ehet von der Klarheit Christi — wo dies Licht nicht sgcheinetz ist keine Seele auf den Weg des Lebens zu bringen· Doch das Licht allein bringt den Groschen weder aus dem Winkel noch aus dem Schmutze hervor, das Weib muß den Besen zur Hand nehmen und das Haus kehren, damit der Groschen an das Licht gebracht werde. Der Besen ist die Zucht und Strafe, welche über den Sünder kommen muß; es wäre übel gerathen, wenn man dem Sünder allein das Evangelium predigen wollte. So- viel Winkel und Ritzen in der Stube, soviel Entschul- digungen und Ausflüchte weiß der Sünder für seine Jrrwege; es kommt ihm sauer an, daß er sich ohne Rückhalt soll demüthigen, seine Sünde gestehen und sich selber schuldigen und verdammen. Aus dem Grunde muß der HErr die Zucht des Besens ge- brauchen, womit er den verlorenen Groschen aus dem Schmutze herausarbeitet. Er übt da an ihm zunüchst die. äußerliche Zucht, womit er den Boden seines Her- zens zubereitet, daß er dem strafenden Worte zugäng- lich wird; dann kommt die innerliche Zucht hinterher, daß ihm das Gesetz Gottes vorgehalten wird, damit er daraus die Schande und den Fluch des Gesetzes kennen lerne. Aber gefunden ist der Sünder noch nicht, wenn der HErr an ihm inwendig und auswendig mit seiner Zucht arbeitet und ihm das Licht des Evan- gelii leuchten läßt; gefunden ist der Groschen erst, wenn der Besen ihn aus dem Schmutz hervorgearbeitet hat und das Weib ihn im Scheine ihres Lichtes blin- ken sieht, das Bild Gottes muß also wieder an dem Sünder zu sehen sein und der HErr ihn in seinem Licht als den Seinen erkennen. (Münkel.) Wie der Hirt und das Weib vor und mit ihren Freunden, so freuet sich Gott vor den Augen der Engel über die Bekehrung des Sünders; wie aber die Freunde und Nachbarn sich mit dem Weibe und dem Hirten freuten, so können wir uns auch die Engel als an dieser gött- lichen Freude Antheil nehmend denken· Was so der HErr von der Freude im Himmel über das Wieder- gefundene auf Erden erklärt, verdient eine der tref- fendsten Offenbarungen der Geheimnisse des Jenseits genannt zu werden. Dem HErrn ist die Engeltvelt mehr als ein dichterischer Traum, mehr als eine ästhetische Form; sie ist ihm ein Verein selbstbewußtey vernünftiger und heiliger Wesen. Diese sind bekannt mit dem, was in der sittlicher Welt auf Erden ge- schiehtz sie nehmen lebhaften Antheil an der Rettung des Sünders, sie freuen sich, so oft in dieser Hinsicht die Arbeit der Liebe gelingt. Diese Freude entspringt daraus, daß sie wissen, wie auch durch die Bekehrung nur Eines Sünders die Ehre Gottes erhöht, das Reich Christi ausgebreitet, die Seligkeit der Menschheit ver- mehrt, die künftige Wiedervereiniguug des Himmels und der Erde näher gerückt wird. Der HErr über- läßt dabei unserm Glauben die Berechnung, wie ihre Freude seit der Gründung des Reiches Gottes auf Erden schon gestiegen sein müsse und welche Höhe sie - einst erreichen werde, wenn alle bekehrten Sünder ganz vollbereitet und geheiligt sein werden. (v. Ov- stergeeJ Wenn mir Einer sagen würde, der Himmel da roben drehe sich um mich, und mir zu Gefallen schienen Sonne, Mond und Sterne, mir se: die Pracht der Erde vom Frühling bis zum Winter vermeint, so würde ich ihn wie einen Menschen ansehen, der mir unbändigen Hochmuth zuschriebe und sich entschlossen hätte, mein Laster zu nieiikeni Unheil zu nähren; denn was ist der Ntensckx der Staub, gegen Hinnnel und N· T« I. 50 786 Evangelium Lucä 15, 11 »—- 13. Erde! Und nun höre ich Größeres: wenn mich mein Heiland findet, freut er ich mein —- Der freut sich mein, vor dem sit? Erd und Himmel neiget; und die heil. Engel, die errlicher sind als Sonnen, kennen mich als arm, mein Heiland und mein Gott thut ihnen meine Bekehrung kund, und ich Staub, ich Sünder werde eine Ursach, daß sich um den Thron des Hirten und Königs aller Welten ein Freudenpsalm erhebt; ich, der ich niemand hienieden Freude machen kann, ich Thränensohn, ich Schmerzenskind, ich kann den Him- meln Freude machen, wenn ich mich retten lasse! Jch weiß, wie sich der Satan und sein Heer, ich weiß, wie sich die Rotte der Verlorenen, die sich nicht mehr fin- den zu lassen sich entschlossen haben, wehren, euch ziehen u lassen, wie sie mit Spott und Hohn, mit Lieb und Leid euch von dem Einen abzuhalten fuchen, daß ihr euch von Jesu finden lasset, Buße thuet und sein Eigenthum werdet; was achtet ihr aber auf die, welche euer ewiges iUnheil wollen? warum solltet ihr nicht vielmehr auf die achten, die euer ewiges Heil begehren? Habt ihr kein Ohr für den Zurus Jesu, der euch er- kauft hat mit seinem heiligen, theuren Blute, kein Ohr für die» Stimme der heil. Kirche, die von eurer Em- pfängniß an für euch gebetet und gesorgt hat? wißt Ihr nicht, daß der Himmel eine Freude von euch sor- dern kann, eure Bekehrung, daß die Engel schon die Schalen voll Rauchwerk, die Aeltesten des Himmels fchon die Harsen bereit halten, daß alle Auserwählten schon begierig sind, eure Namen im Himmel ange- schrieben zu sehen? (Löhe.) Wen meint der HErr unter dem Bilde des Weibes mit diesem sorgfältigen Geiste? wen anders als die Kirche mit dem in ihr waltenden heil. Geiste, dem Geiste Jesu Christi? Zündet jene Frau ein Licht an und leuchtet damit in alle Ecken und Winkel hinein, ob sie nicht etwas von dem Groschen schin1mern sähe —— nun eschieht nicht das- selbe in der Kirche und von der irche? Was sind die Predigten, die hier erschallen, was sind die Lieder, die wir singen, die Sprüche und Verse, die in deinem Gedächtniß haften, was sind sie anders als die Fackeln, womit der Geist Christi hineinleuchtet in die Sünden- winkel deines Herzens, womit er über deine Schuld und Unseligkeit und über den Weg des Heils dich auf- klären will? (Earus.) Das Licht, welches Gott der Kirche anvertrauet hat, ist sein heiliges Wort; will sie nach dem Verlorenen fuchen, so hat sie das Wort auf einen hellen Leuchter zu stellen, so muß sie mit dem Worte suchen gehen, muß Gottes Wort rein und lauter, aber auch warm und lebendig predigen. Das Weib, hatte in der einen Hand das Licht, in derandern Hand den Besen, mit dem kehrete sie das Haus; auch in der Kirche, wo so Viele aus- »und eingehen, bleibt nicht alles sauber nnd reinlich, sondern aus der Welt wird viel Schmutz mit hineingebracht, die Kirche muß also Zucht ausüben, sie muß aber diese Zucht nicht anfangen wollen an den Verlorenen, sondern an sich selbst, in ishrem eigenen Hause. Der Groschen liegt auf dem oden, wer da suchen will, muß sich bücken und beugen; die Kirche kann nur fuchen, indem sie vor dem HErrn sich demüthigt und beugt, indem sie zu den Berlorenen sich herniederhältund hinneigt (Nebe.) Leuchten, kehren, suchen: drei Momente, die nicht ohne Bedeutung erwähnt werden; man diirste wohl sagen, das erste dem Diener des Wortes an sich, das an- dere seinen Helfern und Aeltesten, das dritte auch der ganzen Gemeinde zugewiesen. Wo es so zugeht, da wenigstens ist ein Leben lebendiger Gemeinde. (Stier.) "Der Groschen ist die Pienschen eele, die nach dem Ebenbild Gottes ausgeprägtcy im Weltgetrieb abge- grcssene, im Staub der Sünden verlorene, aber auch ! so noch von Gott werthgeachtete und aufgesuchte Menschenseelet dies ist nnd bleibt dieeigentliche Be- deutungsdes Groschen-Z; heute aber, am Reforma- tions,est, wird uns erlaubt sein, von diesem ver- lorenen Groschen noch eine andere Anwendun zu machen. Das Kapital, das der HErr seiner irche hinterlassen, damit hauszuhalten und zu wuchern bis an’s Ende der Tage, das ist der Schatz der ewigen Heilswahrheiten, ausgeprägt in Gottes Wort; die Hauptstücke und Hauptartikel unsers christlichen Glau- bens, das sind die l« Groschen, dem Weibe gegeben, darin ihre ganze Habe bestelt. Es war aber diese Habe verloren gegangen. ir wollen jedoch mild urtheilen; wir wollen nicht sagen, die Kir e hatte alle ihre Habe verloren, es waren alle chritliche Heils- wahrheiten abhanden gekommen, sondern zunächst nur Ein Groschen verloren. .Noch glaubte man auch in den finstersten Zeiten an Einen lebendigen Gott, Schöpfer Himmels und der Erden; noch nannte man Jesum einen HErrn und Christ, noch kannte man Gottes heil. Willen und Gebot, noch hoffte man auf ein ewiges Leben nach dem Tode, noch gab es Seelen, die mit Geduld in guten Werken trachteten nach dem ewigen Leben. Aber Ein Groschen war verloren, ein unentbehrlichen ein unersetzlichey ohne den das ganze Glaubenskapital nimmer vollzählig und giltig war; der Groschen, der auf der einen Seite das Bild zeigt desguten Hirten, welcher das verlorene Schaf aus der Achsel heimträgt, auf der einen Seite die Aufschrift hat: »aus Gnaden seid ihr selig worden«(Ephes.2,8), des ganzen Evangeliums Kern und Stern, die Wahr- heit von der freien Gnade Gottes in Christo Jesu und vom allein seligmachenden Glauben war verloren ge- gangen. Sie lag im Winkel, ihres Glanzes beraubt, mit Staub bedeckt, mit Füßen getreten, kaum da und dort noch von einer einzelnen Seele schüchtern geahnt. Ein Groschen war verloren, nur Einer von zehn; aber der Schaden war groß, denniohne diesen Einen konn- ten auch die andern nicht gelten. Mit dem Kern und Stern der evangelischen Wahrheit drohte allmälig fast das ganze Evangelium verloren zu gehen, und was man an seine Stelle setzte, das falsche Geld der Prie- stersatzungem das Flitterwerk eitler Eerimonieem die selbstgepriigte Münze menschlicher Verdienste, es waren gleißendeRechenpsennige, die kein Herz trösten, keine Seele erlösen, keinen Himmel erkausen konnten. Ein Suchen nach dem verlorenen Groschen nun, ein Sehnen nach evangelischer Wahrheit und Freiheit und evan elischem Frieden war auch während der finstersten eiten in der christlichen Kirche zu spiiren; der aber, als die Stunde des HErrn kam, nach langer Finsterniß das Licht anzündete so hell, daß kein tückischer Hauch aus Menschenmund es mehr ausblasen konnte, und der mit diesem Grubenlicht als ein ächter Bergmannssohn hinabstieg in die verschiitteteii Schachte, um nach dem verlorenen Groschen der seligmachenden Wahrheit zu suchen, das war unser theurer Dr. M. Luther. O ein seliges Licht, das ihm selber dort ausging in den düstern Klostermauern zu Erfurt, als er Gottes Wort fand und las und es ihm wie Schuppeu von den Augen fiel! ein seliges Licht, das durch seine Arbeit ausging in viel tausend blinden Augen, in viel tausend sehnen- den Herzen, als nun das alte lautere Gotteswort wieder ward auf den Leuchter gesteckt, als das lang verschollene Bibelbuch wieder auf die Kanzeln, in die Schulen, in die Häuser, in die Hände und Herzen kam! Freilich auch ein Licht, bei dem viel Wust und Schutt zu Tage kam und viel hundertjähriger Unrath auszufegen war; aber nun freuen wir uns des wieder- gefundenen Groschens, und unsere evangelische Kirche Das Gleichniß vom Verlornen Sohne. 787 möchte heut auch ihren Widersachern zurufen: ,,freuet euch mit mir, denn ich habe meinen Groschen gefunden, der verloren war!« Sehet ihn doch genauer an, diesen verachteten Groschen unsers evang. Glaubens, ob er nicht doch gute Münze ist, ob er nicht doch mehr Silbergehalt hat, als ihr ihm zutraut, ob er nicht doch Bild und Ueberschrift trägt von unserm und eurem König Jesu Christo, ob er nicht doch mehr wiegt für ein heilsbegieriges Herg hienieden und mehr gilt an der Himmelspforte dro en, als alle Schätze und Reichthümer menschlicher-Werke und Verdienste. Freuet euch mit uns, und wenn ihr das nicht könnet und wollet, wenn ihr von uns nichts lernen und nichts nehmen möget, o so gönnt uns unsre Freude; lasset die arme Nachbarim die sich mit eurem Glanz nicht messen kann und will, im Frieden neben euch hausen und ungekränkt mit ihren Kindern ihres Glaubens leben. Du aber, theure evangelische Kirche, freue dich deines Groschens, von deinen Vätern dir ererbet, durch Gottes Gnade dir bewahrt, und hüte sein und wahr ihn wohl, daß du ihn nicht abermals verlierest oder hergebest um die falsche Münze menschlicher Satzung oder um die blinkenden Rechenpfennige einer eitlen Tagesweisheit (Gerok.) 11. Und er sum in einem dritten Gleich- niß der Freude Gottes V. 7 und der Freude seiner Engel V. 10 « gegenüber noch die Scheel- sucht der Pharisäer und Schristgelehrten V· 2 näher zu charakterisiren V. 25 ff., und dabei im Grunde das nämliche Sachverhältniß beleuchtend, wie hernach in dem Gleichniß Matth. 21, 28—32., wenn auch von einer andern Seite] sprach: Ein Mensch hatte zween Söhne. 12. Und der jüngste unter ihnen sprach zum Vater: Gieb mir, Vater, das Theil der Güter, das mir gehört [mir als väterliches Erbe von Rechtswegen zukommt Kap. 12, 13], Und er theilete ihnen das Gut [vgl. 1. Mos. 25, 6]. 13. Und nicht lange darnach sammelte der jüngste Sohn alles zusammen und zog ferne über Land sum dort auch noch über die letzten Schranken sich hinwegsetzen und ganz nach seinem Gelüsten leben zu können]; und daselbst brachte er sein Gut um mit Prasser sin einem ausschweifenden Lebenswandel V. So; Sprüchtxx 29, 3]. Man hat das 15. Kuh. im Lukas eine weite Thür in’s Paradies genannt; und man hat Recht daran gethan. Wie Viele sind schon eingegangen in’s Reich Gottes durch diese Thüri Wie viele verlorene Schafe sind wohl schon von dem guten Hirten durch diese Thür in das Himmelreich getragen, von dem Tage an, da er am Kreuzesstamm neigte sein Haupt und trug den Schächer auf seinen Schultern heim in’s selige Paradies seiner Auserwählten, bis zu diesem Tage heute und zu dieser Stunde! wie viel beschmu te und befleckte Gros en, auf denen nicht mehr das epräge und das Bil niß ihres HErrn, das Ebenbild des lebendigen Gottes zu sehen war, auf denen nicht mehr die Ueberschristt »du bist mein« leuchtete, sind, nach- dem er sie dur das Blut des Lamines im heil. Bade der Wiedexgeburt rein gewaschen, durch diese Thür hineingetragen in denKönigsschatz seines Gnadenreiches! nsie viele verlorene Sö ne und verlorene Töchter, die zu Anfang wähnten, die Thüre sei ihnen verschlossen für immer und sie müßten draußen bleiben in der Ferne und in der Fremde für alle Ewigkeit, sind durch diese weit offene Thür eingedrungen in das ersehnte Vaterhaus und haben Frieden gefunden an seinem Liebesherzenl Wie werden wir dereinst im Himmel staunen, wenn die Gnadensonne in ihrer ganzen Wahrheit und Klarheit uns aufgegangen ist, ob der matten Funken und des dunkeln Dämmerlichtes daran wir unten uns freuten und wähnten, wir hiitten es schon ergriffen und hätten sein Werk erkannt und eine Reichsgedanken erfaßt! (Schulze.). Um den Sünder von dem Verderben herumzuholen, ist der anze Himmel in Bewegung: der Sohn Gottes ist vom gimmel herabgekommen, das Verlorene zu suchen und selig zu machen; der heil. Geist ist in der Kirche thiitig und geschäftig, mit dem Lichte des Evangeliums zu leuchten und mit der Predigt zur Buße das Haus zu kehren, um den Verlorenen herauszufinden, und die heil. Engel, nachdem sie hilfreiche Hand Lgeleistet haben, freuen si hoch, wenn die Gnade ihr erk vollbracht hat an inem, der verloren war und nun wieder- efunden ist; daß diese ganze Bewegung aber ur- prünglich von dem Vaterherzen Gottes aus eht, das dem ußfertigen Sünder voll Mitleid und barmen entgegenschlägt, kommt in. diesem dritten Gleichniß noch hinzu. (Deichert.l Wie äottmenschlich ist diese Parabel des Gottmenschenl in Evangelium im Evangelium, ein Universal-Predigttext, worin »der liebe HErr fast gegen seine sonstige Weise zugleich so rührend— für die Empfindung spricht, weil feine zärtliche Liebe dies Mal wirk ich insonderheit die härtesten Herzen wo möglich rühren und brechen will. (Lavater.) Das Gleichniß ist aus zwei Gemälden, welche zusammen gehören, zusammengesetztx vom jüngeren (V. 1l—24) und vom älteren Sohne (V. 25—32); durch das zweite kommt Jesus völlig auf die in V. 1 f. gegebene Sach- lage zurück, und damit hat die Darstellung ihren Ab- schluß. (Godet.) Um die Entwickelung und den Ver- lauf der Sünde, die Entwickelung und den Verlauf der Buße, die Freude Gottes darüber und das Ver- hältniß des Gesetzesgerechten zu dieser Freude noch mit besonderer Ausführlichkeit und mit aller Lebendig- keit der Kontraste zu veranschaulichem fügt Jesus dies dritte Gleichniß hinzu, das durch psychologische Fein- heit und malerische Wahrheit in Darstellung der mensch- lichen Zustände und Affekte, wie durch klares und tiefes Eindringen in die göttliche Gesinnung gleich ausgezeichnet und vollendet ist — unter den Lehrstücken Jesu, welche uns nur durch Lukas ausbe alten sind, die Perle, und unter allen Parabeln die önste und ergreifendste. (Meher.) Es giebt nur zwei ichtungen, in denen der Mensch sich bewegen kann: die eine ent- fernt ihn von Gott, die andere fügrt ihn zu Gott zurück; auf der einen sinkt er von ünde zu Sünde, von Elend in Elend, und kann, wenner nicht umkehrt; in ewige Verdammniß gerathen, auf der andern er- hebt er sich von einer Vollkommenheit, von einer Seligkeit zur andern, bis er, wenn er treu bleibt, die ewige und über alle Maße wichtige Zierrlichkeit der Kinder Gottes ererbt. Diese beiden ichtungen in ihren vornehmsten Stufen hat uns der HErr darge- stellt in dem Gleichniß vom verlorenen Sohn: I) die Stufen des Abfalls von Gott, a. der Stolz, b. die Entfernun , o. die Knechtschaft und d. das Ver- derben; Z) die tufen ber Vereinigun mit Gott, a. die Demuth, b. die Annäherung, o. die Freiheit und d. das Leben! (Theremin.) Nach einigen Auslegern bezeichnet der ältere Sohn das Volk der Juden, der jüngere die Gesammtheit der Heiden, mithin wären beide Söhne eine bildliche 504 788 Evangelium Lueä 15, 14——16. Bezeichnung des ganzen Pcenschengeschlechts, welches sich, als der HErr auf Erden erschien, in diese zwei großen Massen theilte, Gott aber ist Schöpfer, Ge- ieter und Vater aller (Röm. Z, 29; 1. Tor. 8, 6). Und allerdings- kann Israel für den älteren Sohn, der im Hause des Vaters bleibt, angesehen werden: Abrahams Nachkommen waren Gottes Hausgenossen, sie standen unter seiner Zucht und Leitung, bewahrten sein Gesetz und unterhielten allezeit eine— gewisse Ge- meinschaft mit ihm, erfreuten sich aber auch seines Schutzes und seiner besonderen Fürsorge; die Heiden dagegen hatten sich, gleich dem jüngeren Sohn, von ihrem Schöpfer losgesagt und allen Greueln des Götzendienstes ergeben, hatten alle Gemeinschaft mit Dem aufgehoben, der doch auch ihr HErr und Gott war, und waren dahinge angen in allen Lüsten des Fleisches, zu thun, das ni ttaugt (1. Mos. 11, 9 Anmm Allein die eigentliche und nächste Meinung des HErrn trifft diese Auslegung nicht; sie ist nur eine Anwen- dung des Gleichnisses, nicht die durch den Zusammen- hang an die Hand gegebene Erklärung. (Couard.) Die drei Personen, aus welchen die Fatnilie besteht, stellen Gott und das ganze Haus Jsrael vor; der ältere Sohn, als Träger des Geschlechts und fester als der jüngere an den Boden des väterlichen Guts efesselt, personifieirt in sich die levitisch untadelhaften sraeliten, besonders die Pharisäer, der jüngere dagegen, der in weniger enger Verbindung mit dem Vaterhause steht und eben deswegen der Versuchung, mit demselben zu brechen, mehr ausgesetzt ist, ist das Bild derjenigen, welche auf die jüdische Gesetzmäßig- keit verzichtet haben, der Zöllner und der Leute von verdorbenen Sitten. Er verlangte, daß sein Vater schon vor der Theilung ihm den Betrag seiner Erb- portion in Geld einhändige, wonach das ganze Gut nach dem Tode des Vaters dem älteren zufallen mußte. Zweierlei treibt ihn dazu: die Luft des väterlichen Hauses liegt zu schwer auf ihm, die Gegenwart des Vaters drückt ihn; dann zieht ihn die Außenwelt an, er will genießen —- dazu braucht er Freiheit und Geld. Das ist das Bild eines von der Lust beherrsch- ten Herzens: Gott ist ihm ein Hindernis» und die Freiheit alles zu thun erscheint ihm als eine Bedingung des Glücks. Jn der Einwilligutig des Vaters in das unbefugte Verlangen ist ein sehr ernster Gedanke aus- gedrückt —- das ahingeben des Sünders an die Ge- lüfte seines eigenen Herzens (Röm. l, 24 ff.), das » Auf ören des Kampfes des göttlichen Geistes gegen die Leidenschaften eines verdorbenen Gemüths, welches d11rch nichts mehr geheilt werden kann als durch die bitteren Erfahrungen der Sünde. (Godet.) Der jüngere Sohn heißt nicht darum der verlorene, weil er durch fremde Schuld verloren worden ist, sondern weil er sicl selbst verloren hat: der Vater hat ihn nicht von sitt; hinausgestoszem auch nicht einmal durch Härte und Lieblosigkeit ihm das Vaterhaus bekleidet, sondern er hat sich selbst aus freien Stücken —- und wir dürfen annehmen, nicht ohne inneren Kampf —- vo11 dem Vaterherzen losgerissen. Je mehr ihm das Herz ge- bt, je länger es Zeit gebraucht hat, bis der Ent- schlußckn ihm zur Reife kam, desto größer war seine Schuld; nnd wahrlich, es muß ihm schwer geworden sein, die Bande alle, womit ein liebender Vater sein Kind ums lungen hält, zu zerreißen! Schon das uatürliche and zerreißt so leicht nicht; denn wer hat jemals sein eigen Fleisch gehasset? Wie, wenn der Vater nun auch in treuer Sorge seines Kindes Heil und Wohlergehen Tag und Nacht auf dem Herzen ge- tragen und auch unter seinen Ziichtigungen es seine Liebe hat erfahren lassen, muß es dann dem Kinde nicht sehr schwer werden, einen solchen Vater zu be- trüben und nun wohl gar durch bösliche Verlassung seine grauen Haare mit Herzeleid in die Grube zu bringen? Der Anfang der Sündenwege ist ja nie so gebahnt, wie der Fortgang; den ersten Anfang hat der barmherzige Gott dem Menschen soviel als nur mög- lich noch verbaut und vermauert. Auch der breite Weg führt über Berg und Thal, und die ersten Berge sind immer am schwersten zuerklimmen; die ernsten Mahnungen des Gewissens, die Erinnerung an die er- fahrene Liebe und die Menge unverdienter Wohl- thaten, die er von seinem Vater empfangen, die letzten Reste von Gottesfurcht, guter Sitte und kindlicher Ehrerbietung umgeben wohl auch diesen Undankbaren Sohn noch mit einem Bollwerk gegen die andringende Macht des Versuchers Jst a er einmal der erste Schritt.gethan, dann geht’s schnell weiter, und tiefer in die Sünde hinein; nachdem die Lust empfangen hat, gebieret sie die Sünde, und sind nun die Geburts- schmerzen überstanden, dann geht es lustig in das Sündenlebeti hinein, in ein Wohlleben mit Prassen. (Dei ert.) Auch wir können kraft der erbarmenden Gna e Gottes reden und rühmen von einem kindlichen Zuhausesein beim Vater, von einem Vaterhause; die heil. Taufe ist der Schlii-ssel, der uns dieses Vaterhaus aufgeschlofsen hat, und wer nun noch in seinem Tauf- bunde steht, wer seinem Gotte dient in u11gefärbtem Glauben und einfältiger Liebe, wer nichts anderes sein will, denn ein Kind seines Vaters im Himmel, der ist noch im Vaterhause. Was ist es do für eine Seligkeit, noch ein Kinderherz zu seinem ater im Himmel zu haben, sagen zu können: »du bist allezeit bei mir, ich bin allezeit bei dir!« Du kannst mit ihm reden, wie die lieben Kinder mit ihrem lieben Vater reden; es ist nichts Großes und ist nichts Kleines, das du ihm verhehltest; es sind die seli sten Stunden, wenn wir ihm am Morgen, wo die onne hergeht wie ein Bräutigam aus seiner Kammer, oder am heißen Tage unter unsrer Arbeit oder am Abend auf unserm Lager unsre Noth vorklagen, ihm alle unsre Freude mittheilem unser ganzes Herz vor ihm aus- schütten. Es ist keine Scheidewand zwischen uns »und ihm, denn alles, was uns von ihm geschieden, hat der Durchbrechey der vor uns hinführt, weggeräumt, daß wir zuni Thore aus- und einziehen; da erhält das Wort erst seine volle Bedeutung: »in ihm leben, weben und sind wir«. (Ahlfeld.) Nach dem Lauf dieser Welt geht aber leider die Taufgnade bald verloren; gerade nach der Zeit der Einsegnung, wo Gott der HErr durch die Hand der siirche die Kinder mit himmlischen Gütern zu segnen sich auf1nacht, muß man von den allermeisten Consirmirten sagen, was hier vom ver- lorenen Sohne geschrieben steht. (Besser.) Es ist Vielen zu eng in des Vaters Hause, hinaus wollen sie in die Fremde; ,,lasset uns zerreißen seine Bande und von uns werfen seine Seile«, so sprechen sie und ziehen ferne über Land, wo sein Wort sie nicht erreicht, wo sie seinem Blicke nicht bege· neu, wo sie sich frei fühlen von den Schrankenseines esetzes, wo sie, unabhängig von seiner Herrschafh nur nach ihrem eigenen Willen leben. Da, in der Ungebundenheit der Welt, da ist ihnen wohl; da winkt die Freude, da lacht der Genuß, da finden die Sinne, was ihnen schmeichelh und im Taumel des Vergnügens überhören sie die Stimmen der Pflicht; da geht das Andenken an Gott und die Liebe zu ihm unter im Dienste der Sünde. (Couard.) So groß wird miser Abfall von Gott, daß die Sünde, die uns von Natur Allen anklebt, nicht etwa blos ein Zurücktreten Gottes in unserm Andenken und in unsrer Erinnerung, eine vorübergehende Gottes-ver- Des Lasterhaften crniedrigeude Abhängigkeit von der Welt. gesfenheih sondern daß sie eine gänzliche Gottlosigkeit ist, eine Entfernung und Entfremdung von Gott, ein stetes Entweichen und Entflieheii aus seiner Nähe, eine unaufhörliche Empörung ge en ihn; so groß wird unser Abfall, daß unsre Vernunst nichts mehr wissen will von göttlicher Offenbarung, unser Herz nichts mehr wissen will von einem gebietenden göttlichen Gesetz, unser Wille nichts von einem vor eschriebenen Ge- orsam, daß wir alle Bande zerrei en, die uns an ott knüpften, die Gemeinde der Kinder Gottes fliehen, dagegen die Gen1einschaft der argen Welt und der ungöttlichen Pienschen suchen und jede Mahnung an Gott, Gericht, Tod uiid Ewigkeit hassen und fiirchten. (Fr. Arndt.) Das ,,ferne Land« ist die Vergessenheit Gottes. (Augustin.) Daß jenes Land im Gleichniß ein Heidenland ist, zeigen die Säue in V. 15; das be- deutet aber, für Juden gesprochen, eben das Land der Unreinigkeih in dessen Schmach der Sohn eines ganz anderen Vaterhauses als Sauhirt Versinken muß. (Schulze.) Er fand dort, was er suchte, alles, was die Sinne kitzelte, in reichem Maße, und ließ nun seiner Lust die Zügel-schießen. Wie lange es dauern würde, das kümmerte ihn wenig, denn der Weltmensch ist leicgtsinnig; er genießt, so lan e er hat, und je mehr abei aufgeht, desto wohler ist es ihm. Wenn man nur des Fleisches Willen thun kann, so rechnet man weder mit dem Geld, noch mit den Kräften des Leibes, noch mit den Gütern der Seele und des Geistes; das Vermögen verzehrt sich unter den Händen, die Gesundheit schwindet, die Seele wird matt, der Geist wird leer, aber man achtet’s nicht, man thut, als ob Einen das alles nichts angehe, bis mit Einem Male ein Windstoß kommt, der das ganze Kartenhaus von Lust und Glück und Glanz über einander wirft. (Lechler.) Jiidem der Vater zunächst das Gelüsten des Sohnes mit Erhörung straft, geht er dennoch darin den Weg eben so barmherziger als weiser Langmuth mit unsrer anerschaffenen Freiheit, die er darum an seinen Kin- dern auch in ihrer Verirrung väterlich, ja mit einer göttlichem jedes Bild weit unter sich lafsenden Väter- lichkeit respektirt. Derselbe aber, der uns wandeln läßt unsre eigenen Wege, hat schon dafür gesorgt, daß sie mit Dornen ver äunt sind (Hos. Z, 6): wer sich den Himmel schon aus rden fordert und vorweg nimmt, oll ja gewiß sein Fegefeuer finden. (Stier.) 14. Da er nun alle das Seine verzehret hatte, ward eine große Theiierung [4, 251 durch dasselbige ganze Land, »und er [auf den-es hier vornehmlich ankommt, indem das nämliche Loos natürlich auch Andere-betraf] sing an zu darben. 15. Und ging hin und hangete sich Ldemfelben geradezu sich aufdrängend] an einen Burger des- selbigen Landes; der schickte ihn auf seinen Acker, der Saue zu huten » · 16. Und et begehtete sda ihm für seinen Hirtendienst von dem geizigen Bürger nur eine ganz geringe Beköstigung zu Theil ward] seinen Bauch zu fullen mit Trabern [S»choten des Jo- hannisbrodbaumsh die die Saue aßenz und niemand gab sie ihm lwenn die Schweine, nach Hause getrieben, von andern Dienstleuten ge- füttert wurden, war er selbst auf diese Viehkost hungrig, doch kümmerte sich niemand um den Hungrigen, daß man ihm auch ein Theil davon abgegeben hätte]. 789 Das Hereinbrechen der T eurung trifft mit dem Zeitpunkte zusammen, da sein ermögen zu Ende war. Und Er, heißt es mit Nachdruck, fing an zu darben: eben jetzt machten sich ihm die Folgen seiner ausschweifenden Lebensweise fiihlbar. (v. Burger.) Das ,,Darben« bezeichnet die vollständige Leerheit des Ge- müths, welches alles dem Vergnügen geop ert hat und dem dann iiichts mehr bleibt als das Leiden. Man kann wohl nicht umhin, in der schmählichen Abhängig- keit von einem heidnischen Herrn, in welche der jüdische Jüngling fällt, eine Anspielung auf die Stel- lung der Zöllner zu finden, welche im Dienst der römischen Macht beschäftigt waren; aber die eigentliche Idee, die darin liegt, ist die erniedrigende Abhängig- keit von der Welt, in welche der Lasterhaste sich immer zuletzt versetzt sieht —- er suchte das Vergnügen und hat Schmerzen ckgefundem er wollte die Freiheit und- fällt in Knechts aft. Der Ausdruck: ,,er hängete sich an einen Bürger desselbigen Landes« hat etwas Verächtliches; der Unglückliche hängt gleichsam an einer fremden Persönlichkeit »Die Säue hüten« — das schmählichste Handwerk für einen Juden. »Den Bauch füllen«, d. i. einen leeren Raum ausfüllen; ,,sich sätti en« würde bedeuten, ein Nahrungsmittel mit Wohl ehagen genießen — alles bis aus’s Kleinste hinaus ist lebensfrisch in der Schilderung. Aber die Schweine, die man theuer verkaufen will, werden für kostbarer gea tet als Er: ein Bild der Verachtun und Vernachlä sigung, mit welcher der Lasterhaste selbst von der Welt behandelt wird, welcher er die heiligsten Gefühle geopfert hat. (Godet.) Das Einzige, was ihn mit seiner entehrenden Beschäftigung noch hätte versöhnen können, die Befriedigung seines rasenden Hungers, sah er sich gleichwohl vorenthalten. (v.Oo- sterzee.) Das ist der Sünde Bild, die viel verspricht und von allen ihren Versprechungen nichts erfüllt, weni giebt und alles nimmt; Jammer und Elend ist ihr old, Noth und Tod ist ihr Ende. Kein Tyrann macht seine Sklaven so elend als der Sündent rann, welcher ist Satan; er spielt ihnen nur eine eile auf, um zu tan en, aber eine Ewigkeit, um zu heulen. (Thie .) Die Welt ist wie Absalom’s Maulesel: zur Zeit der Noth läßt sie die, welche auf ihr reiten, am Baume hängen, und« läuft unter ihr weg. (Nitsch.) Die Sündenlust gleicht einem bren- nenden Licht, das, indem es brennt und leuchtet, auch verbrennt uud verze rt wird; sie gleicht eineni hellen Blitzstrahh der ras verlöscht und nur· die finstere Nacht nachher noch finfterer und schauerlicher erschei- nen läßt, während die rollenden Donner des Vor- wurfs im erwachten Gewissen nachh»allen. Aber ob- schon so der Mensch dahingegeben wird nach der Ge- rechtigkeit, ist er doch nicht aufgegeben nach der Barm- herzigkeit; der Vater, der so willig den Sohn freige- lassen, will ihn doch nicht verloren gehen lassen, bleibt unerkannt ihm Vater, Pfleger, Regierers er sendet Leid und Elend dem irrende-i Schaf ais Boten nach und su t, bis daß er es finde. Noth und Sünde sind zu ammengeordnet: darin kündigt sich uns laut und vernehmlich die Barmherzigkeit Gottes an, der- unser Heimathsrecht nicht auslöscht bei sich und läßt uns nicht eingebürgert werden in der kalten, fremden Welt. Er zerbricht das srchere Schiff, daß, die darauf sind, an den Strand schwimmemund Rettung suchen; er sendet die Strafe, daß sie, wie Gregor der Große spricht, die Au en öffne, welche die Schuld ges lossen. Er hat viele feile, die über das Haupt weg ie en, aber auch andere genug, die das Herz todtlich tre en ; die Alten sagten (verba, verbot-a, vu1nern): Gott lockt im Guten, dann straft er mit Ruthen und 790 Evangelium Lucä 15, 17——24. schlägrauch wohl bis zum Blüten. (Schulze.) Aber, möchtest du fragen, warum kehrte denn der verlorene Sohn nicht gleich um, als sein Darben anging? wa- rum kommen denn die verlorenen Söhne gewöhnlich erst wieder, wenn sie sich nicht mehr am Tage in ihre Stadt trauen, sondern sich am Abend mit errissenem Rock und Schu en in ihre Stadt und in’s lternhaus einschleichen? «ch will es dir sagen: der Teufel ist ein gar arger Feind unsrer Seelen; vor der Sünde nimmt er uns die Scham, daß wir uns der Sünde nicht schämen, nach der Sünde giebt er sie uns wie- der, daß wir uns des Bekenntnisses und der Buße schämen. Daher ist’s mit dem von Gott und mensch- lichen Vorgesetzteu abtrünnigen Menschen gewöhnlich wie mit dem Acker; wenn dieser im Herbst hart und dürre daliegt, so wird er erst wieder locker, so trägt er erst wieder, wenn er erst recht durchgefroren ist. So muß der verlorene Sohn auch erst durch den ganzen Frost der Trübsal hindurch: in diesem muß das stolze Gewächs des Hochmuths und der falschen Scham erst mit ersrieren (Ahlfeld.) Von den schweren und den leichten Herzen; wir sehen 1) wie die leichten Herzen zuvor schwer werden müssen, damit dann L) die schweren Herzen leicht und froh werden können. (Maier.) 17. Da schlug er in sich [wörtlich: kam er zu sich selbst, ging in. sich hinein] und sprach: Wie viele Tagelöhner hat mein Vater, die Brod die Fülle haben, undsJch Dagegen, der ich noch ein Kind seines Hauses sein könnte, wenn ich mich nicht muthwillens von ihm losgerissen hätte] ver- derbe shier in fremdem Lande, wo sich niemand um mich kümmert und man auch die schlechteste Nahrung mir versagt] im Hunger. 18. Jch will mich ausmachen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe gesündiget in den Himmel [Gott, der dort wohnt, und die heil. Engel, die bei ihm sind, aufs Schwerste beleidigend und die Strafe, die von dorther kommt, auf mich herabziehend] nnd vor dir sals ich so trotzig vor dich hintrat und so frevelhaft dir-den Rücken kehrte V. 12 u. 13]. 19. Und bin [hm-] fort nicht mehr Werth, daß ich« dein Sohn heiße; mache mich als einen deiner Tagelöhner lweise mir lediglich eine solche Stellung in deinem Hause an, als ob ich einer deiner Tagelöhner wäre]. Als er anfängt zu darben, da gehet er hin, sich an den Bürger zu hängen; als aber das Darben zur äußersten Noth geworden, da gehet er den besse- ren Weg in sich hinein. Man sehe schon in 5.Mos. ZU, l die Weisung, und vgl. I. Kön. 8, 47; Jes.46,8. (Stier.) Der Sünder muß erst in sich selbst zurück- kehren, will er sich wahrhaft zu Gott bekehren; der bisher glei sam außer sich selbst gewesen war, muß aus dem raume erwachen. (v. Oosterzee.) Der Sünder, während er noch sündigt, befindet sich in einem Taumel und Rausch, ist ohne klare Einsicht, wie es eigentlich um ihn stehe, in einem Zustande fort- währender Lüge und Selbsttäuschungx die einfachsten Wahrheiten sind und bleiben ihm unbekannt, fern ist’s von ihm, einmal über seine Lage, über sein Treiben, über ein Ende nachzudenken, er betäubt unauf örlich sich selbst — erst mit der Buße geht ihm die ahr- ",,wenn du so sortfiihrsh mußt du im heit der Verhältnisse aus. (Fr. Arndt.) Das in sich, Gehen ist ein schwerer Gang: drinnen sieht es so wüst, so unheimlich aus; da stiert nur Schuld und Schande uns an, da verklagen uns die verträumten Stunden, die versäumten Gebete, die übertretenen Gebote, die durchschwärmten und sündbefleckten Nächta Das ganze Elend ist ja auf seiner Kehrseite eine gewaltige Schuld, die uns vor dem allerheiligsten Gott schwer verklagt; Selbsterkenntniß ist also eine Höllenfahrh darum aber kommen auch die meisten Menschen nicht gern zu sich selber, meiden ängstlich die stillen Stunden des Be- sinnens auf sich selber, des Alleinseins mit sich selber, der ernsten Selbstprüsung, wo es inen klar wird: unger verderben und elend untergehen. (Schulze.) Wie sich ein schlechter, lüderlicher Wirth nicht in sein Haus trauet, weil er drinnen alles voll Unordnung findet, so trauet sich ein Mensch, der lange aus der breiten Sünden- straße gewandert ist, dessen Herz verwildert und ver- wüstet ist, nicht hinein. Mit einem kühnen Schritt in Gottes Namen ging jedoch der verlorene Sohn über die Schwelle seines Herzens; er sahe drinnen Greuel der Verwüstung, es war wie eine verstörte Stadt, in der Kirchen und Häuser mit Feuer verbrannt sind, in« der die Raubthiere ihre Wohnung aufgeschlagen haben, aber er war nun doch zu Hause. Mein Christ, wenn du so tief in Sünde und Schande versunken bist, daß du dich nicht mehr in dein Herz trauest, daß du dich nicht nach Hause trauest: thue du auch diesen kühnen Schritt! Jch weiß es wohl, man fürchtet sich oft, den Stand des eigenen Herzens zu erforschen, man will mit seinen Gedanken lieber draußen bleiben in der Welt; aber dein Herz ist dein Eigenthum, wenn auch ein armes, perwiistetes Eigenthum -—· gehe in dich, schlage in dich! ·(·Ahlfeld.) Das Herz ist aber zugleich auch Gottes He1ligthum: wer in sich selbst geht, muß nothwendig Gott be egnen. (Godet.) Dem verlorenen Sohne geht ein Li )t auf über seine Lage, in welchem er seine ganze« Schuld, aber auch den »ein igen Weg der Rettung klar erkennt« das Bild des ängst ver- gessenen, schwer gekräukten Vaters tritt vor seine Seele, ·nicht mehr als eines lästigen Mahners, der dem Genusse seines vermeinten Rechtes und seiner Freiheit hinderud im Wege steht, sondern die Erinnerung er- greift ihn, wie gut er es bei ihm hatte — ja nicht blos Er, sondern alle, welche seinem Hause ange- hören —, und das Gedächtniß der väterlichen Güte überführt ihn von der Größe seiner Schuld, weckt aber zugleich in ihm einen Strahl der Hoffnung, welcher er sofort bei sich selbst Ausdruck giebt. (v. Burger.) Die Tagelöhner sind nicht von dem Vater entstammt; wenn wir sie nicht als blos allegorische Figuren be- trachten wollen,» woran der Umstand hindert, daß ihr— Glück einen so tiefen Eindruck auf den Unglücklickzen macht, so bezeichnet ihr Friede wohl den Frieden er Schöpfung, uamentlich der vernunftlofen Kreatnrem wie er dem in sich zerrissenen Sünder zum Spi gel seines Elends und eine Mahnun wird, sich zu e- kehren (P. Lange) Wie ergreit es uns oft so mächtig, wenn wir die Blumen auf dein Felde ansehen, und hören die Vögel unter dem Himmel, und merken auf die Tausende und aber Tausende von Geschöpfen in Wald und Flur — sie säen nicht und-ernten nicht, sie sammeln nicht in ihre Scheuren, und der himmlische Vater nähret sie doch: nicht ihr Vater, sondern unser Vater, desgen Kinder sie nicht werden können, nach dessen Bil e sie nicht erschaffen sind; aber sie alle freuen sich doch seiner Güte und genießen der Fülle seines Reichthumsl Nur der sündige Mensch darbt im Elend: er säet und erntet, und wird doch deß nicht Der verlorne Sohn thut Buße. 791 froh; er sammelt in die Scheuren und zerquält sich doch mit Sorgen der Nahrung; er arbeitet im Schweiße seines Angesichts, und hat doch daran keine Frucht, die das Herz sättige und den innersten Jammer stille; er hascht und rennt nach dem und dem, aber es ist alles eitel! Das innerste Herz bleibt wüste und leer, und während die Tagelöhner Brods die Fülle haben, verdirbt der Sohn des Hauses im Hunger! Ja, es hält uns die Heimath wie mit unsichtbaren Fäden und erweckt uns in der Fremde sehnsüchtiges Heimweh. Vermag schon das irdische Vaterland unser Ferz in der Art zu ergreifen, wie der Dichter (H0m. dyss. IX, 35) singt: ,,nichts giebt’s Süßeres, traun, als Vaterland und als die Eltern«, und kann schon das irdische Heimweh besonders im Elend und in der Noth die Seele mit einer unwiderstehlichen Macht er- fassen, wie sollte nicht vielmehr die hinimlische«Hei- math, der wir angehören, uns mit unzerreißbaren Fäden gebunden halten, wieweit wir uns auch von ihr verirren! (Schulze.) Was ist der Gnade Locken nach dem Verlornen Sohn? von alten Heimathglocken ein halbverwehters Ton! Was macht dein Auge rin- nen, wenn duin Reue meinst? ein schmerzliches Be- sinnen — ach! —- aus ein selig Einst. (Gerok.) Was fällt uns auf an den Worten des verlorenen Sohnes? Nun dies, daß er sagt: «z11 meinem Vater-« So wagt er ihn Zu nennen, da er doch so viel Stolz, so viel Trotz un eine so große Entfernung gestellt hat zwischen sich und ihn? Er muß ihn so nennen, er muß glauben, daß er es sei, denn wie würde er sonst sich entschließen, zu ihm zurückzukehren; aber wie kommt er dazu? Und du, o Mensch, der du von Gott abgefallen bist, der du ihn durch deine schreck- lichen Sünden beleidigt, der du die Zuchtruthe seines Zornes empfunden, der du einen Vorschmack der Ver- dammniß gehabt hast— du wagst es, zu Gott aufzu- blicken und zu sagen: ,,mein Vater«? Du mußt es Jungen, sonst bist du verloren und bleibst es ewiglich; aber was giebt dir diesen Muth? Wäre nicht der Sohn Gottes herabgekommen auf die Erde, wäre er nicht, beschwert mit allen deinen Sünden, am Kreuze gestorben, um ihre Strafe zu vertilgen, wärest du nicht erweckt worden zum Glauben an diese größte That der Ysttlichen Liebe, du hättest niemals vermocht, aus den iefen des Abgrunds Gott als deinen Vater an- zurufen, und die Rückkehr zu ihm wäre dir unmöglich gewesen. Ein unerbittlicher Richter hätte uns immer gleich trotzig gefunden und die Sünden, die er uns nicht hätte vergeben wollen, die hätten wir ihm nie- mals bekannt; aber nun, wenn dem verlorenen Sohne in dem Lande des Hungers das Angesicht des Vaters vor die Seele tritt, dies ernste und doch so milde An- äeksichh wenn dem Menschen in seinem schrecklichen lend die Ahnung aufgeht von der göttli en Barm- herzigkeit, dann wird er weich, Thränen üllen seine Augen. Warum, denkt er, solI ich es noch länger ver- schweigen? es ist ja wahr, so will ich’s denn auch ein- gestehn. Nein, meine Thaten sind nicht, wofür die Welt und mein eigener frevelhafter Leichtsinn sie aus- ab» sie sind nicht verzeihliche und von keinen Strafen edrohte Schwächenx sie sind Uebertretungen deines heil. Gesetzes mein Gott, das Himmel und Erde regiert und das über seine Verächter die furchtbarsten Strafen verhängt, welche nur das vergossene Blut Jesu Chriti abwenden kann. Erlaß mir um seinet- willen die e Strafen; erlaß mir nur die größte unter ihnen, die ewige Trennung-von dir, die ewige Ver- dammnißl Verscherzt ist wohl mein Glück in diesem Leben, auch wohl die größere Herrlichkeit in dem zu: künftigen; aber auch unter den schmerzlichen Folgen meiner Vergehungen, die ich hier erdulde, kann ich noch immer dir angehören, auch als der Letzte unter Allen kann ich dort noch ein Mitglied deines Reiches sein (vgl. die zu Matth. 20, 7 angeführte Grabschrift des Kopernikus: ,,Nicht die Gnade eines hohen Apostels2e. begehre ich«). O nimm mich nur wieder auf, unter welcher Bedingung es sei; nimm mich nur wieder auf und verfahre mit mir wie du willst! (Theremin.) Noch Eins gefällt uns an dem verlorenen Sohn gar sehr: er siehet seine Kleidung nicht an; wie er ist, will er sich auf den Weg machen. Er denkt nicht: ,,ich will erst warten, bis ich mir einen neuen Rock ver- dienthabe«; er schämt sich nicht, seinem Vater in dem Habit, in dem er die Säue gehütet, unter die Augen zu treten. Wir aber, wenn wir die Tiefe unsrer Sünde kennen lernen, kehren wir auch gleich um? Nein, wir wollen uns dann gewöhnlich erst ein besse- res Kleid anschaffen; wir sprechem ,,ich bin zu weit abgekommen, ich muß mich erst wieder innerlich ein wenig aus dem Groben herausarbeiten, dann will ich es thun.« Du Thorl wenn sich der verlorene Sohn erst hätte aus dem Groben herausarbeiten wollen, wäre er nun und nimmermehr zu seinem Vater ge- kommen; und wenn du dich erst aus deinen eigenen Kräften soweit bessern willst, daß du mit eigenem Anstand und Selbstbewußtsein vor deinen Gott treten kannst, du wirst nun und nimmermehr zu ihm kom- men. (Ahlfeld.) 20. Und er [auf den Vorsatz alsbald die Ausführung folgen lassend] machte sich auf [wo- bei er wohl von seinem Herrn V. 15 sich heim- lich wegstehlen mußte] und kam [nach einem für ihn sehr beschwerlichen Marsche, zu dem kaum noch die Kräfte hinreichen wollten] zu seinem Vater. Da er aber noch ferne von dannen war, sahe ihn sein Vater lals hätte er wartend nach ihm ausgeschaut 1. Mos. 24, 63] und jammerte [Jammer und Erbarmen ergriff] ihn, lief nnd fiel ihm um seinen Hals und kussete ihn [2·-Sam. 14, 33]. 21. Der Sohn» aber sprach zu ihm: Vater, ich habe gesundiget in »den Himmel nnd vor dir; ich bin fort nicht mehr werth, daß ich dein Sohn heiße. 22. Aber der Vater sihm die Antwort auf solches Bekenntniß durch die That ertheilend, so daß er zu der beabsichtigten Bitte gar nicht kommen konnte] sprach zu seinen Knechtem Bringet das beste Kleid hervor und thut ihn skteidet ihn damit] an, und gebet ihm einen Fingerreif an seine Hand und Schuhe an seine Füße; 23. Und bringet ein gemästei Kalb sgenauerx das gemästete Kalb, welches für einen etwaigen Festtag schon in Bereitschaft steht] her und schlachtet es; lasset uns essen und frbhlich sein. 24. Denn dieser mein Sohn war"todt und ist wieder lebendig worden; er war verloren, und ist funden worden. Und fingen an [noch ehe die Mahlzeit gehalten werden konnte, da diese erst noch zuzurichten war] frdhlich zu fein [indem jetzt Wechselgesang unter entsprechender musikalischer 792 Begleitung und damit verbundenen Reigentanz erfolgte 2. Mos. 15, 20 f.; Richt. 11, 34]. Dem Vorsatz folgt sofort die Ausführung, aber jede Erwartung wird übertroffen durch die Aufnahme, die derheimkehrende Sohn erfii rt: in der That, kein Wohlverhalten hätte einen sol en Er uß väterlicl er, erbarmender Liebe und überwallender Zärtlichkeit er- vorrufen können, wie hier die Rückkehr des schuldbe- ladenen, aber reuemüthigen Sohnes! Das Bekennt- niß, welches der Sohn sich vorgenommen hat, spricht er auch aus, die Bitte, die er sich vorgesetzt, ist ihm vom Vater theils schon abgeschnitten durch den Em- pfang, den er ihm gewährt hat, theils wird sie gehin- dert durch die sofort erfolgenden Befehle des Vaters, der ihn mit allen Abzeichen des Sohnes wieder schtniickt Das beste Kleid soll zum Ersatz für feinen abgerissenen Anzug dienen, Ring und Schuhe ihn als Sohn des Hauses schmücken; ein größeres Freudenfest steht nach dem Urtheil des Hausvaters nicht in Aus- sicht, darum läßt er auch das zu irgend einer festlichen Gelegenheit aufgesparte Kalb, wie auf jedem Hofe immer ein solches vorhanden war, herbeiholen. (v. Burger.) Der Vater scheint das Warten auf den Sohn nie aufgegeben zu haben; er erblickt ihn von ferne schon, dann läuft er ihm entgegen. Gott merkt auf den schwächsten Seufzer eines besseren Verlangens, das sich in dem verirrten Herzen regt; und sobald das Herz Einen Schritt gegen ihn hin thut, thut er ehn ihm entgegen nnd sucht ihm etwas von seiner siebe bemerklich zu machen Es ist ein bedeutender Unterschied zwischen dem Bekenntniß, das der ver- lorene Sohn jetzt ausspricht, und dem, welches ilm vorhin das äußerste Elend aus-gepreßt hatte: dies war ein Schrei der Verzweifelung aber jetzt ist die Noth vorüber, jetzt ist es der Schrei der reuigen Liebe. Die Ausdrücke sind dieselben, aber wie verschieden ist der Ton! Luther hat das tief gefühlt; die Entdeckung des Unterschiedes zwischen der Angst-Buße und der Liebes-Buße ist das eigentliche Princip der Refor- mation geworden. Er kann nicht zum Schluß kom- men; schon die Gewißheit der Vergebung hindert ihn, vollends zu sagen, wie er sich vorgenommen: ,,1nache mich als einen deiner Tagelöhner« Die Verzeihung zieht die Wiedereinsetznng nach sich —- keine demüthi- gende Probezeit, kein Hinhalten in niedrigeren Stel- lungen; die Wiedereinsetzung ist eben so vollständig, als die Reue aufrichtig und der Glaube ernstlich ist. Mit den Worten: »und fingen an fröhlich zu sein« kommt dann das Gleichniß gerade auf dem Punkte an, auf welchem man stand, als das Murren der Pharisäer V. 2 anfing und Christus das Gleichniß aussprechen mußte. (Godet.) Der Vater will in dem Aussprnch: ,,dieser mein Sohn war todt 2c.« nicht nur sagen, der Sohn sei fiir ihn todt gewesen, son- dern daß er an sich in sittlicher Beziehung aus dem Zustand des Todes zu einem neuen und höheren Leben erstanden sei; was er vor dem Vater gewesen und jetzt ist, einst verloren, jetzt gefunden, wird in dein zweiten Gegensatz, ausgedrückt. (v. Oosterzee.) Die Buße ist jener Teich (Joh. S, 2), in welchen der Engel herabfährt und das Wasser rührt, so daß ge- heilt wird, wer schnell hineinsteigt (Bonaventura.) Bei dem verlorenen Sohne geht es sogleich ur Ausführung seines Entschlusses; mischen dem Wi en und der That steht nur das örtlein ,,und«, dies Wörtlein bindet sie beide zusammen; bei uns steht gemeiniglich zwischen dem Willen und der Ausführung das Wörtlein ,,aber«, wir hatten es uns vorgenom- 1nen, aber — es wurde nichts daraus. Er machte es« Evangelium Lucä I5, 25—27. sich auf: mag er wohl Abschied von seinem Herrn genommen haben? wir wissen es nicht, hat er ihn aber genommen, so ist er sicher kurz und wenig zärt- lich gewesen. Mein Christ, wenn du dich aus der Sünde herausarbeiten willst, wenn du di von deinen Sündenglenossen losreißen willst, hüte ich vor den langen bschieden! wer sich erst noch einmal mit der Welt und an der Welt letzen will, ehe er herausgeht, der bleibt in ihr hängen; wer sich noch lange umsieht nach dem untergehenden Sodom, aus dem ihn Gott erretten will, der wird zur Salzsiiule wie Lot’s Weib. O diese Salzsäulen, die dann nie zum Leben kommen, die zum Schrecken dastehen, für die es kein Zoar giebt! hast du schon eine gesehen? —· Ob wohl Ie- mand dem verlorenen Sohn das Geleit gegeben hat, als er sich aufniactåte von seinem Herrn un aus sei- nem Dienst? gewi kein Mensch! Wenn ein wüstes Kind, das dem Vater den Gehorsam aufkiindigt, aus seiner Stadt auszieht, dann inden sich wohl etliche Buben, die es eben so gemacht haben; sie wandern mit bis zu der niichsteii Stätte, wo sie den Taumel- kelch der Welt noch einmal mit einander leeren und dann von einander gehen, jeder in feine Sünde hin- ein. Wer aber begleitet solch arm verloren Kind, wie dieses war? wer bringt es auf den Weg, daß es den rechten Weg treffe? wer giebt ihm ein Herz, daß es wacker zuschreite? Ein Geleite von Menschen hat ein solcher Umkehrender selten, er geht einsam seinen Weg; aber die Engel Gottes sind recht dazu da, einen sol- chen Pilger nach Hause zu geleiten. Es ist Freude unter den Engeln Gottes über einen Sünder der Buße thut: er spürt sie ur Rechten und zur Linken, und initten im Herzen; sie ziehen und schieben vor- wärts trotz aller Hindernisse. «(Ahlfeld.) Hatte er gleich einen weiten Weg zurückzulegen, war auch mit Mühseligkeiten seine Reise verbunden, droheten ihm auch unterwegs Gefahren niancherlei Art, mochte auch die Schain sich in ihm regen, nicht in einem solchen Zustande heimzukehren in das Vaterhaus das er so ganz anders verlassen hatte, dennoch eilte er vorwärts; es drängete und trieb ihn zu seinem Vater, er ruhte und rastete nicht, bis er die Heimath wieder erreicht hatte: ,,er machte sich auf und kam zu seinem Vater« (Thieß.) Solcher, die sich aufgemacht haben, sind nicht so wenige; solcher, die angekommen sind, sind nicht viele. Das sind ja seltene Seelen, bei denen sich fester Wille, Entschiedeiiheit und entschlossener Sinn zeigen; der Meisten Herz schwankt kränklich und schwächlich, hinfällig nnd matt zwischen Schlafen und Wachen, zwischen Steigen und Fallen, zwischen Laufen und Liegen, der Meisten Herz läßt sich jämmerlich abschrecken durch die Drohungen der falschen und un- barmherzigen Welt, die unsers Vaters Weise nicht be- greift, die uns bange niachen will, unsre Geheimnisse zu verrathen, in deren Besitz sie ist, und Schande und Strafe iiber uns zu bringen. Die früheren Freunde und Genossen der Sünde müssen ja nothwendig Feinde werden: sie verlieren ein schätzendes, zählendes Beispiel des Lasters, das die Sprache ihres eigenen Gewissens dämpfen half, verlieren einen Förderer ihres Genusses, einen Diener ihrer Befehle und Be- gierden; es empört und entrüstet sie, daß aus ihrer Niitte hat ein freies Gericht über ihre Thaten und Gesiunungen hervorgehen müssen, das freilich nicht aus ihrer Schule ist. O, es ist ein weiter Weg aus jenem Lande der Fremde bis zum Haus des Vaters, ein Weg, bezeichnet mit vielen Erinnerungen, aber mit Todesdeiikmalen vielmehr als mit Sieges- trophäen. Wie viele sind auf die em Wege zu neuem Fall gekommen, zu wiederholtetm gefallen für immer! Der ältere Bruder des verlornen Sohnes. 793 wie viele sind bald nach dem Anfang wieder umgekehrt zu dem Lande, das sie verlassen! wie viele schmählich W Schanden geworden in den Kämpfen, die hier den anderer erwarten, in den vagirenden Ströniungen der Zeit, die Satan ebiertl Nur wenige stehen fest: ,,Gott vor Augen un mein Ziel, mag alles Andre gehen, wie es will!« (Schulze.) Der Vater wußte alles, er kannte des Sohnes elende und trostlose Lage, kannte die leisesten Regungen seines Inneren zum Bessern hin, hatte ihn auch in der Ferne nicht aus den Augen gelassen (,,des Vaters wunderbares Seh- nen war schon ein Ziehen —— es trieb den Sohn im Herzen: der Vater sieht mich als Vater«); und jetzt, wo er ihn zurückgekehrh reuig, bußfertig vor sich er- blickt, denkt er nicht einen Augenblick mehr an den Kummer, den er ihm gemacht, denkt nicht daran, daß er seiner Liebe so unwürdig ist, er sieht im Sohne nur den Sohn und nimmt ihn liebevoll in seine Vaterarme auf — der Wiedergefundene, wie elend und verdorben er auch sei, ist ihm in diesem Augen- blick mehr werth als alles Andre, nie Verlorene (,,er ekelt sich nicht vor dem anklebenden Schweinegeruch, daß er ihn nicht küssete, zieht sich nicht vor dem lumpigen Bettler zurück, daß er ihn nicht auf osfener Straße umhalsete«: Stier). Diese Liebe bricht dem Sohne das Herz: so groß hatte er sie nicht erwartet; sie ist ihm völlig unverdient, sie macht ihm das Bekenntniß leicht, das er unter heißen Thränen sund lautem Schluchzen ablegt. (Fr. Arndtg Wär noch so Lgroß die Missethah Gott dennoch grö re Gnade hat. enn Wasser wieder geht bergan, dann kann der Sünder Gnad empfahn: wenn’s nämlich still und unbezeu t vom Her en zu den Augen steigt. Gar leise iflie t solch Wasser aus, und doch hört’s Gott durch der Himm’l Gebraus; die Zähre, die vom Auge quillt, hat mancher Sünde Gluth gestillt. —- Hier so wenig wie im Gleichniß vom großen Schuldner (Matth. 18, 23 ffäg ist ausdrücklich erwähnt, wie des Vaters Liebe auf ersöhnung ruht, wie die Gnade durch Gerechtig- keit herrscht, wie die Schulden nicht blos geschenkt, sondern durch ein Lösegeld getilgt werden. Ein Gleichniß kann nicht die ganze Wahrheit erschöpfen; bei der Geschichte des verlorenen Sohnes aber kann man sagen, daß der Heiland und» Mittler in dem Kasse verborgen sei, welchen der Vater dem Sohne giebt. (Riggenbach.) Das ,,mache n1ich als einen deiner Tagelöhner« ist durch das Benehmen der väterlichen Liebe zurückgedrängt; der gerührte Sohn kann diese Worte solcher Vaterliebe gegenüber nicht über die Lippen bringen. (Meyer.) Er kann den Vater nicht mit diesem inönchischen oder knechtischen Seufzer des Mißtrauens beleidigen; der Vater aber setzt ihn feierlich in seine Kindeswürde wieder ein. (P. Lange.) Die drei Gaben, welche der Vater dem Wiederausgenommenen reichen läßt, sind fast all» emein von jeher gleich gedeutet worden: das Kleid ür den in Lumpen und Blöße Gekommenen entspricht der ersten Rechtfertigung (Jes. Eil, 10), der Ring als A zeichen des vornehmen Mannes (Jak.2, 2) bezeich- net den Geist der Kindschaft und Freiheit, die Schuhe meinen die letzte, zur Wiederherstellung nöt ige Gna- dengabe, die Kraft des neuen Wandels un Gehor- sains. Das Festmahl dient zum Ausdruck der aus- freude, zu der entsprechend dem in V. 6 u. 9 esag- ten alle Diener und Wohner des Hauses geladen werden; den rechten Festhymnus stimmt der Vater so leich selbst an in den so feierlich erhabenen, wie PPalmemParallelismus erklingenden Worten des 24. Verses, womit er seinen Knechten gleich als Freunden das heilige, wohlbegründete Recht seines Thuns kund zu machen sich herabläßt, damit sie teilnehmend wissen, was ihr Herr jetzt für Freude hat( oh.15,15), worauf dann der Freudenreigen zur Eröffnung des Frendenniahls als Verwirklichung des «Freude vor den Engeln Gottes« (V.10) folgt. (St·ier—.) War die Buße des verlorenen So nes, wie sie in V. 18f. sich aussprichh so recht das ild eines bußfertigen Zöll- ners, wie wir ihn hernach in Kap. 18, 13 vor uns haben: was für einen Eindruck mußte auf die, bei unserm Gleichniß anwesenden Zöllner die treue Sch1l- derung ihrer vergangenen und gegenwärtigen Erfah- rungen in V. 12—20 machen! wie tief aber mußte vollends ihre Gemüt sbewe ung sein, wenn sie nun Jesum in V. 20—2 die esinnungen und das Ver- fahren Gottes selbst gegen sie darlegen hörten! (Godet.) 25. Aber der älteste Sohn war swährend die in V. 20—-24 geschilderten Vorfälle sich er- eigneten] auf dem Felde, und als et [nun, jetzt von dort zurückkehrend] nahe zum Haufe kam, hbrete er das Gesänge und den Reigen [die von Musik und Tanz begleiteten Wechselgesänge V. 24]« 26.’ Und tief zu sich der Knechte einen, und fragte, was das wäre swas das zu bedeuten hätte Apostg. 10, 17]. 27. Der aber sagte ihm: kommen, und dein Vater hat szur Veranstaltung eines Freudenfestes für das ganze Haus] »ein ge- mastet Kalb gefchlachtet, Darum] daß er ihn ge- siind wieder hat» , Nicht unmöglich ist es, daß bei der dritten Andeu- tung desselben Hauptgedankens, wie sie in V. 23 u. 24 vgl. mit V. 7 u. 10 vorliegt, der HErr auf Seiten seiner pharisäischen Zuhörer einen sichtbaren Wider- willen bemerkte und er sich nun um so mehr ange- trieben fühlte, ihr schon in V. 2 kundgegebenes Ver- halten nun ganz ausführlich in dem Bilde dieses älteren Sohnes darzustellen. Der älteste Sohn: 1) wieviel besser er erscheint als der jüngste: a. der jüngste verließ den Vater, er blieb; b. der jüngste verpraßte des Vaters Gut, er bewahrte und vermehrte es; c) der jüngste suchte die Gefellschast der Huren, er ftellt sich mit seinen Freunden auch ohne Böckchen zufrieden; d) der jüngste kommt so eben von den Schweinen, er von dem Acker. Z) wie jäm- merlich verloren er ist: a. er dient dem Vater im- knechtischen, nicht im kindlichen Sinn; b. er hat des Vaters Liebe genossen und beklagt sich, daß er keinen Lohn bekommen; c. er behauptet, nie ein Gebot über- treten zu haben, und hat noch nie eins erfüllt;sci. er rühmt sich seiner Tugend, und in demselben Augen- blick vergrößert sich seine Uebertretung. Z) wie grenzenlos elend er wird: er ist auf dem Wege, a. die Liebe des Vaters, b. das Herz des Bruders, c. die Freude in der elterlichen Wohnung, d. ja selbst den Ruhm seiner scheinbaren Tugend zu verlieren. Michaelis meint, man möchte das Bild so fortsetzem er verließ mit Unwillen seinen Vater, ging in ein fremdes Land, ward da viel unglücklicher, verachteter, lasterhafter, als je sein Bruder gewesen, ward wie ein Sklav gehalten und endlich mit Diebesbanden gefan- gen. (v. Oosterzee.) Während das Haus sich freut, ist der ältere Sohn an der Arbeit: das ist das Bild des ari äers, der mit der Beobachtun seiner Gebräuse beschäftigt ist, während die buß eriigen Dein Bruder ist— 794 Evangelium Lucä 15, 28——32. Sünder sich an den ersten Strahlen der Gnade er- freuen. Aller freie, freudige Aufschwung ist dem ab- gemefsenen Wesen des Pharisäers zuwider; statt ge- radezu in’s Haus zu gehen, erkundigt sich dieser ältere Sohn lieber zuerst bei einen: Knechte — er fühlt si im Hause nicht daheim, vgl. Joh. 8, II. (Godet.) Der um die Ursach befragte Knecht erzählt, was sich begeben hat, die Rückkehr des verloren gewesenen Sohnes· »Daß er ihn gesund wieder hat«, sagt er — in welchem sonstigen Zustand der Sohn gekommen ist und was sich mit ihm begeben, verschweigt er mit der Bescheidenheih die dem Knechte geziemt, daß er auf die inneren Vorgänge der Familie sich nicht ein- läßt, sondern nur das erzählt, was davon Allen offenkundig vorliegt. (v. Bur er.) Auch dieser Zug gehört zu den Feinheiten diesier Geschichta (Meyer.) 28. Da ward er zornig, und wollte nicht hinein gehen. Da ging sein Vater heraus, und bat ihn sdaß er doch möchte hereinkommen und an der allgemeinen Freude Theil nehmen]. 29. Er antwortete aber und sprach zum Vater: Siehe, so viele Jahre diene ich dir, und habe dein Gebot noch nie übertrctenz und du hast mir nie sauch nur] einen Bock [1. Mos. 38, 17] gegeben, daß ich mit meinen Freunden fröhlich ware. 30. Nun aber dieser dein Sohn svon dem man nur verächtlich reden kann und den ich nicht mehr für meinen Bruder anerkenne] kommen ist, der sein snach der hergebrachten Lesart im . Grundtext: dein] Gut mit Huren verschlungen hat, hast du ihm ein gemcistet Kalb geschlachtet. II. Er aber sprach zu ihm: Mein Sohn [genauer: mein Kind], du bist, alle Zeit bei mir und alles, was mein ist, das ist dein swie magst du da dich beschweren, daß ich dir nie einen Bock gegeben]? · 32. Du solltest aber swenn du deines Vaters Herz verstündeft und seine Gesinnungen als sein rechter Sohn theilteft] fröhlich Und gutes Mttlhs sein snach richtigerer Lesart heißt es blos: Das fröhlich und gutes Muthes sein aber, wie du es von meinem Hause her vernimmst und worüber du so ungehalten bist, gebührte sich gar wohl]; denn dieser dein Bruder war todt, und ist wieder lebendig worden; er war ver- toten, und ist wiedergefunden [und haben daher -auch alle übrigen Hausgenossen meiner Freude V. 24 zugestimmts Wie in dem ,,er ward zornig und wollte nicht hin- eingehen« das Bild der Pharisäer ·und Schriftgelehrten uns entgegentritt, wie sie oben in V. 2 dem HErrn murrend gegenüberstanden, weil er die Sünder an- nehme und mit ihnen esse, so sehen wir das ,,da ging sein Vater heraus und bat ihn« sich erfüllen in der Unterredung, welche der von Gott gekommene Heiland erade jetzt mit ihnen in dem Vortrag der drei äileichnisse hält. Der HErr hatte schon oft um die arten Herzen der werkgerechten Pharisäer geworden; hier wendet er si noch einmal mit einer so heiligen Liebe, mit einem o innigen Erbarmen an sie, wie wir es in so vollen warmen Zügen fast nirgend in seinen Reden wiederfinden. Er hat ihnen zuerst gezeigt, warum ihm, dem vom Himmel gekommenen Sohne Gottes, soviel an der Rettung verlorener Menfchen- seelen gelegen —- er erfüllt damit seinen eigentlichen Heilandsberuf zur Ehre des Vaters und zur Freude des Himmels; nun läßt er sie auch fühlen, wer die eigentlich seien, deren er sich annehme — ihr Bruder, ihr einziger Bruder, ohne den ihr eigenes Leben ja arm und freudenleer sein würde. Jndem er aber dann den ältesten Sohn seinen Groll ausschäumeu und sich über seine Stellung zum Vater, sowie über seine ge- heimen Herzenswünsche rückhaltlos aussprechen läßt, deckt er ihnen ihren ganzen armseligen, in anderer Hinsicht tief verlorenen Herzenszustand auf. »So viele Jahre diene ich dir«: das ist die Sprache eines Her- zens, hinter dem nicht ein Kind, sondern nur ein Lohn- knecht steht —- seine ganze bisherige Frömmigkeit war nur Arbeit, es war ihm eine Last, nicht eine Luft, Gott zu dienen; in den Augen des Pharisäisnins ist ja auch wirklich Gutesthun eine Mühe, für die man bezahlt sein will; man versagt sich’s, diese oder jene Sünde zu genießen, weil man die Strafe dafür fürch- tet, aber als ein Genuß erscheint Einem die Sünde doch, und man-beneidet im Stillen die darum, die den Genuß haben, und weil man ihn nicht auch haben kann, wünscht man nun jenen unnachsichtige, schonungslose Strafe, die auch nicht durch Buße und Umkehr soll abge- wendet werden können. ,,Jch habe noch nie dein Ge ot übertreten«: hier giebt sich ein Herz zu erkennen, das weder versteht, was Sünde ist, noch weiß, was wahre Gerechtigkeit heißt. Aeußerlich freilich ,ist der Phari- säer mit Seinesgleichen in seinem gesetzlichen Wohl- verhalten untadelhaft, aber innerlich ist doch auch Er nicht mehr beim Vater; er hat schon lange ein ver- bittertes Gefühl gegen denselben, er sieht sich nicht nach seinem vermeintlichen Verdienst belohnt, er weiß nichts davon, daß das Gut des Vaters sein ist —- unter seinem ganzen bisherigen Wohlverhalten lag eine innere Verlorenheit verborgen, die jetzt unge- schminkt zu Tage tritt, ja die, da jetzt das verheißene und lange vorbereitete Freudenfest des Hauses zur Ausfü rung kommt, nichts davon wissen mag, sondern einen ock verlangt, um mit Freunden auf eigene, Hand sich verluftigen zu können, wider den Bruder aber die wegwerfendsten und gehässigsten Reden führt. »Welche grauenvollen Tiefen im Gemüth des älteren Sohnes macht uns seine Antwort offenbar! wie lodert so düster hervor das heimlich verborgene Feuer seines Herzens, das unter dem Aschenhaufen seiner todten Orthodoxie, die aus dem Glauben ein Geschäst macht, sein zerstörend Wesen trieb! Er nennt seinen Vater, der ihn doch Sohn heißt, nicht ein einzig Mal Vater, hat auf dessen Bitte nur das Wort des bitteren Vorwurfs und der kalten Abrechnnng; und der Aerger und Neid und Kainssinn hat ihm so die Augen verblendet, daß seines Vaters Freude ihm zu schlecht dünkt und des Nehmens nicht werth, weil sein Bruder dieselbe Gnade genießt, denselben Groschen empfängt, den Er allein verdient zu haben wähnt. O solch arme Seelen, die sich vermessen —- denn das Maß ist immer ein falsches —, daß sie fromm sind und besser als »die andern Leute! Sie zählen sich gar gern zu den neunundneunzig Gerechten, die der Buße nicht bedürfen, vergessen aber, daß diese ganz wo an- ders zu suchen sind. Sie sind keine rechten Kinder des Vaters, ob sie schon nie von ihm gegan en und Jahr aus, Jahr ein des Tages Last und itze getragen haben; sie sind keine verlorenen, aber auch keine wie- dergefundenen Söhne. (Schulze.) Der HErr sagt am e loreii und —bin wieder gefunden-« Warnung vor Selbftgerechtigkeit und Bruderhaß. 795 Schlusse des Gleichnisses nicht, wozu der ältere Sohn sich entschlossen hat: die Pharisäer selbst sollten durch khlr gVexfiäheliejztudåe FrageGeiätseckzeidieLikyung di; Frzaslk n ro anien. oe. ieaeraenie gie Frage esgtsgzie etndunz ecgschGlieechniß vezollstgw i . —- a ag ie e ite ervom eist es Pharisäismus beherrschten Juden in den Tagen des Apostel Paulus, als die Heiden Christen wurden; sie gleäIliZimdikiyinGihäemhGHoltlt aus-f Vateågagsch ne te« na ei r e ung e eier e. . ange. Jch habe einmal Bruchstücke aus einer katholischen Hlsjsredegtåyellesem wochder Sfssigesteiö uäiser glecihchniß von ddeie ei e o nen au au ie ei en ir en anwen e und — freiliih auf seine Weise — im verlorenen Sohn Znsäe evagigelisstekzh in; älteieeiis Bruder seine rgmische ir e in e . ir ne nien ie e eutung an, a er au Znsckere Weise: »Mir·sehen im jlüngeren Sohn ugisre ir e, a er ni in em ver oren umherirren en sondignhin dem eiörch Buße» zur Fnadde angenomisnckeY nen o n« wir e en im ä teren ru er die rönii e Bruderkirchz aber nicht eben als eine Musterkirche Was lehren uns die zwei Brüder im Text auf’s 9;eforniatlieck1)isfåst? I) der jiängere Zahäit uns an en evangei en eilsweg — urch u e zur Glns3de;AF) der ältege wigntlkufis vorchdemkum evangei en weg — er e t ere ti eit und des Bruderhasses. (Gerok.)g Als an. Krummacher (weil. in Elberfeld) einmal in die Ver- sammlungddår dBrüeeie ErhBesprechuäig der hFrgge am, wer o er ätete o n ei un manin a- mit anging, Bescheid darauf zu geben, sprach er: ,,das weiß ich nun, das habe ich gestern gelernt!« und be- kannte dann, wie es ihn gestern so verdrossen habe im Herzen, eine sehr schlechte Person bei seinem Besuch ploo reichdibxegikecxidigt lzu Lenden. · Gdtiersh ist n imer a e ie ie in en ari aern und Schriftgelehrten sing «eärgert hat, wenn sie sah, daß ein Sünder von eu angenommen ward, die Hishi-Eis«""Zi31FIspFkFLJT«mt« wies? sehdas Yåsebmi : ,, uug i era ten« i ar todt uiid bin wieder lebendig worden, ich ivar ver- Ein Murren des Hasses, ein Murren der Verachtung, das hat zu allen zeigen; dkije Zllgelg Sünder, W rsgich Jestu riåahßt n ver ie, ei ie, ie e,ni ei, weder was Sünde, noch was Gnade ist. ie weiß nichts davon, wie die Sünde Abneigung, Widerwille gegen Gott und sein heil. Gesetz ist, wie sie Flucht vor Gott ist, wie tief sie sich verwebt hat mit unsrer ganzen Natur, wie es uns in dem Zustande, den» wir esse? tnctiturslzickxzen nefiingif so ·ls)chwer,l»se) unnahturlich r m , o zu ur en, inzu ieen, im zu vertrauen; sie weiß nicht, wie es diese Sünde ist, die bald ausbricht in einer einzelnen frevelnden Handlung, bald unter einer iiußerlich schuldlosen Oberfläche das igierzssugekztkriifizgtoueidsvzrgifteyhsie haSte daruiäi aklch ein e arm, Heu i zu na en. ie wei a er auch nichts von der Gnade, die soviel mächtiger ist als die Sünde, von der Gnade, die Rechtfertigung bringt, die Tod und Teufel überwindet und aus der Fülle s öpferischer Kraft neues Leben, schöpferisches Leben s· afft; sie kennt nicht» das Geheimnis; des Evange- liums, dessen liebstes, sußestes Wort eben dies ist, wo- gegen sie· mutet: ,,dieser nimmt die Sünder an und isset mit ihnen. (Ehrenfeuchter.) Der verlorne Sohn (7 Betrachtungenx I. Das Vaterhausz II. des Sohnes Fortgang; ll . des Sohnes Untergang; IV·des Sohnes Einkehrz V. des Sohnes Umkehr; VI. des Sognes Aufnahme; Vll. der iiicht verlorene; aber au nicht wiedergefundene Sohn. (Schulze.) Das 16. Kapitel. Mißbrauch des Reichthunis v. U. 1—13. (§. 87.) »Der ijErr hatte tm vorigen Eeapitet die Jänner, die siih zu ihm gedrängt und Ruhe sur ihre Seele bei ihm gesucht hatten, gegen dte selbst— gerechten nnd dort) so neidischen und unbarniherzigen Pharisäer in Schuh genommen; in den Gleichnissen vom verlorenen Sihafe, vom verlorenen Groschen, vom ver- lorenen Sohne hatte er frei seine Liebe zu den Verlore- nen iind wiedergesnndenen bezeugt und allen armen Sündern eine weite Thür der Gnade geöffnet. Vainit nun aber ja kein Pharisäer und liein Jölluer aus den Gedanken kommen inöctite, als sorge der HErr blos für die Seligkeit der arnien Sünder, als set ihm deren Heiligung gleiihgiltig, wendet er sich vor den Augen nnd Ohren der Zöllner und der Pharisäer zu seinen Jüngern und sprikht dag Gleiihnisi vom iingereiip ten Haut-haltet, welkheg durih skharfe Wahrheit deiniithigend, sowie durch Ermunterung zuin Guten tröstltch mlt doppelter Gewalt in die Seelen der armen Sünder drang und ihnen die dringende Uothweiidigkeih aber auch die Möglichkeit der Heiligung tief ins: Ge- däthtntß prägte-« Ist das Gleichnik wie wir annehmen, tn Eioiag gesprochen, so erklärt sich wohl, wie sehon nakh etwa Sjtlouaten Baitjäiio in Ieriiho soleheiruitst davon in seinem Erben auszeigen konnte, als er ln Ko. is, s thut, denn Seritho liegt nicht weit ab non Livius; nnd is! der Kern dieser Xruiht im Erben deg Juchäno dieser, daß einer, der in der Zelt seiner Ungerechtigkeit sich iingerekhten Mammon zu versehassen gewußt hat, diesen in kluger Weise sich wieder vom hats: schasst nnd den Armen iind Zetrogenen aushilfh so liegt es nahe genug, das Gleichnih welches die Frucht hervor- gebracht hat, an dem Punkte, wo eg um seine eigent- ldlaie Echte zur Gottseligliett siih handelt, auch richtig zu en en. (Eoiingeliuin am 9. Sonntage nach Crinitatiss Des heil. Geistes Erleuchtuzijg (vgl· die Eint. zum Evang. am 6. Sonnt. n. Tr. atth. 5, 20 ff.) zeigt uns am ungerechten Haushalter die rechte Klug- eit: die Kinder dieser Welt sind klüger, denn die inder des Lichts in ihrem Geschlecht. Geistliche, wahrhaftige Klugheit ist es, die kurze Gnadenfrist recht zu nützen, nach den ewigen Gütern und Schätzen zu trachten und sich Freunde im Himmel zu machen. (Dieffeiibach.) Wenn wir sonst eins von den Gleich- nissen unsers HErrn lesen, so pflegt die einfache Lieb- lichkeit des Bildes, die künstlerische Vollendung der Erzählung, die Durchsichtigkeit des Gesäßes, das den himmlischen Weisheitsiiihalt umschließt, uiis sofort Bewunderung abzu ewinnen —- bei diesem Gleichnisse ift’s anders: es besremdet und verwirrt uns au den ersten Blick, und fast scheint es. als wäre dem HErrn hier einmal seine Zeichnung mißrathen Was für eine ungerechte, unwürdige und ganz gemeine Handlun s- weise ist es, die der HErr uns hier schildert, und ie wird von dem Hausherrn im Gleichniß gelobt und von dem Heilande selbst uns zum Vorbilde hin estellt? Allerdings gelobt, allerdings zum Vorbild aufgestellt, aber freilich nicht um ihrer Sittlichkeih um ihrer Ge- rechtigkeit willen, der HErr nennt vielmehr den Haus- halter, von dem er erzählt, ausdrücklich einen unge- rechten; sondern darum allein wird der Haus alter elobt, daß er Jlüslich gethan hatte« (vgl.1edo das hernach zu V. 1 f. emerkte). Nicht feine Treue, nicht 796 Evangelium Lucä IS, 1—8. seine Gere tigkeit, sondern allein seine Klugheit ist der Punkt er Vergleichiing, ist der Gegenstand der Vorhaltung, wie der HErr es ausdrücklich hervorhebt in den Worten: »denn die Kinder dieser Welt sind klüger in ihrem Geschlechh als die Kinder des Lichts« Jn ihrem Geschlecht, d. h. in ihrer Art, nach Art iind Maßstab der Weltkinder; daniit macht uns der HErr noch zum Ueberfluß aufmerksam, daß ja freilich die Klugheit, die er empfiehlt, erst aus der Art der Weltkindey aus der an sich gewissenlofen, gottlosen weltlichen Gattung in die geistliche, in die selbstver- ständlich gewissenhafte und gottesfürchtige Art u1id Gattung der Kinder des Lichts übersetzt werden müsse, uui angewandt und ausgeiibt werden zu können. Wenn doch ein Weltmensch das, was ihm das Höchste ist, Geld und Gut, hinwerfen kann, weil er klug ist, weil er über dem gegenwärtigen Ntoment die sicher- stellende Zukunft nicht vergißt —- wie beschämend ist das für dich, der du ein Kind des Lichtes sein willst und doch in der irdischen Gegenwart vom Mammon nicht loskommen kannst, anstatt dir durch ihn für die ewige Zukunft einen Schatz zu bereiten! (Ber)schlag.) Zu den schwierigeren Stellen der heil. Schrift gehört das Evangelium auch noch um eines andern Anstoßes willen, den es so leicht geben kann; das ist die räth- selhafte Ermahnung am Schluß: ,,machet euch Freunde mit dem ungerechten Mammon, auf daß, wenn ihr nun darbei, sie euch aufnehmen indie ewigen Hütten« Das könnte wie ein Widerspruch aussehen gegen die Grundlehre des neuen Testaments, daß der Mensch ggrecht und selig wird aus Gnaden, allein durch den lauben; lasset uns indessen getrosten Muths an die Auslegung unsers Textes gehen, er wird aiich über diese dunkle Stelle das nöthige Licht verbreiten und uns überdies eine Reihe der wichtigsten Belehrungeii über Mißbrauch und rechten Gebrauch der irdischen Güter gewähren. (Thomasius.) Die Klugheit des Christen in Betrachtung und Behandlung seines zeitlichen Besitzes; 1) er täuscht sich nicht über die Gefahren, die an diesem Besitze haften; L) er bleibt eingedenk der Unsicher- heit desselben und der gewissen Rechenschaft, der wir dafür entgegengehenz 3) er weiß durch rechte Verwendung des zeitlichen Besitzes eine bleibende Frucht aus ihm zu ziehen. (v. Burgen) 1. Er sprach aber auch snachdeni er bis- her hauptsächlich zu den Pharisäern»und Schrift- gelehrten geredet] u seinen Jungern sum diesen, unter denen sich so manche bekehrte Söll- ner und Sünder befanden, eine Anweisung zu geben, wie sie den Ernst und die Aufrichtigkeit ihrer Jüngerschaft vornehmlich auch in dem Punkte, in welchem sie vordem so gewissenlos gewesen, zu beweisen hättenjt Es war ein reicher Mann, der hatte einenHaushalterz der ward snachdem er lange Zeit-sich den An- schein zu geben verstanden, als tvirthschafte er gut, auf eininalJ vor »ihm beruehtigeh als hatte er ihm seine Guter umgebracht [gen.: bringe er sie ihm durchs« s. Und er forderte ihn, und sprach zu ihm: Wie höre ich das von dir [auf den ich so großes Vertrauen gefetzt habe und zu dem ich mich nimmer eines solchen Verhaltens versehen hätte]? Thue Rechnung von deinem Haus- halten sbevor du ·den Platz räumeft]; denn du kannst hinfort nicht sspäter ist noch ein »Mehr« hinzugesetzt worden, was nach dem Grundtext sich wohl rechtfertigen laßt) Haushalter sein. Gerade Leuten, die mit deni Mammon in mannig- fachster Weise zu siindigen gewohnt waren, lag es nahe vorzuhalten, daß sie ihre Buße, die Aenderung ihres Sinnes vor allem in der veränderten Weise, mit dem irdischen Gut umzugehen, beweisen inüßtem und welches diese Weise sei, wird in dem Gleichniß bildlich gezeigt und die darauf folgende Erklärung jedem Mißverständnisse entrückt. (v. Burger.) Das Gleichniß stellt die Zöllner als ungerechte Haushalter dar, welche ihres Herrn Güter umgebracht hätten. Gleichwie der ungerechte Haushaltey der selbst nicht soiiiel hatte, um zu leben, wie·er’s begehrte, in die Sackel seines Herrn griff und mit dem fremden Eigeii- thum umging, als wäre es sein, so hatten auch die Zisllner nicht selbst die Güter, welche sie gern gehaht hatten, um zu prassen, darum griffen sie durch betru- gerifche Forderungen, die ffie an die Leute in i reni Berufe stellten (Kap. Z, 13), in fremde, d. i. im Grun e in des HErrn, ihres Gottes, Säckel und ftahlen ihm das, was er ihnen nicht gegeben hatte noch geben wollte — sie wurden wohlhabend durch Betrug und praßten vom Raub. Sie waren dem ungerechten Haushalter im Erwerb und in der Anwendung ihres Reich- thums gleich; deslalb verdiente auch das ganze vor- malige Leben der öllner die Vorwürfe der Pharisäer, sowenig auch diese selber damit erechtfertigt waren, und wenn es« dem HErrn unter P enschen, die Zöllner und Sünder gewesen waren und ferner Zöllner uiid Sünder bleiben wollten, gefalle1i hätte, so hätten frei- lich die elenden Pharisäer mit ihrer Verwunderung übkijrbitmszhlumJeg und icikzit Sijhexem NFurren Recht e a . ö e. er rei e ann it ein in der Hauptstadt lebender Vornehmer, welcher die Besorgung seiner Läudereien einem Verwalter anvertraut hat; dieser ist nicht blos ein Sklave, wie in Kap. 12, 42, sondern ein Freier, ein Mann Von einem gewi en Rang»(vgl. V. 3). Er hat eine sehr ausgedehnte e- fugniß, er szsainmelt und herkauft den Ertrag des Guts nach Gutdunlem er schließt Pachteontrakte auf eine lai1gere Reihe von Jahren in Vetresf derjenigen Län- dereien ab, ie er nicht selber bewirthschaftet, und die einmal abgeschlofsenen Contrakte behalten ihre Giltig- keit für die ganze einmal festgestellte Pachtzeih ohne daß der Herr sie ividerrufen oder abändern könnte, der Pachtziiis aber besteht in eiiier bestimmten Na- turalleistung (vgl. Anm. 3 zu Hiob I, 3), die an den Gutsherrn jährlich abzuführen ist und die dessen Verwalter dann verkauft oder sonst verwert et. Ley- terer niin weiß seinen Vortheil hauptsächli dadurch wahrzunehmen, daß er bedeutend hö er verpachteh als er in den Rechnungsbüchern über iiinahme uiid Ausgabe in Ansatz bringt, und den Mehrbetrag unter- schlagtz er legt sich von dem, was er damit gewinnt, nicht eine eigene Sparkasse aii, sondern bringt es durch, und gerade der Umstand, daß er üppi er uiid ausgelassener lebt, als der ihni für seine Dienste voni Herrn bewilligte Jahresfgehalt dies niöglich gemacht hatte, erregt und begruiidet den Verdachtgegen ihn, daß er ein· untreuer . aushalter sei, wobeues dahiii gestellt bleibt, ob es reindeAngeber sind, die ihn bei seinem Herrn ubel beruchtigem oder ob diesen die eigenen Beobachtungemiind Schliisse die Entdeckung inachen lassen, daß er ubervortheilt werde. Es fällt sofort eine bedeutende Schwierig eit,-um wel er willen man das Gleichniß anstößig gefunden hat vgl. oben Das Gleichniß vom ungerechten Haus-haltet. 797 die Auslassuiigen von Beyf By, hinweg, wenn man unter »den Schuldnern in .5sf. nicht, wiege- wohnlich gesghiehh »Handler versteht, welche ihre Verkaufsvorrathe bei dem Verwalter auf Credit ent- nehmen, um erst zu bezahlen, nachdem sie verkauft haben, sondern vielmehr Pächter von der oben be- schriebenen Art; ja das Gleichn1ß wird nunmehr erst recht ein Bild der Zöllner in dem vorhin von Löhe bemerklich gemachten Umsange, wenn man diese zweite Ausfafsutåg zum Ausgangspunkte der Betrachtung macht. llerdings muß das Wort ,,Schuldner« in Fiap. 7, 41 in jenem ersteren Sinne verstanden wer- den; aber damit ist doch nichts darüber bestimmt, ob es sich an unsrer Stelle um eine Geld- oder eine Naturalleistung als Schuld handelt. Z. Der Haushalter sprach bei sich selbst sals ihm solches Urtheil angekündigt worden war]: Was soll ich thun sum meine Zukunft sicher zu stellen]? Mein Herr nimmt das Amt von mir fund da ncuß ich an einen neuen Lebensunterhalt »denken]; graben mag [d. i. vermag oder kann Rath 4, 6 Anm.] ich nicht, o schäme ich mich zu betteln [Sir. 40, 22 ff.]. 4. [Nach rafcher Ueberlegung fuhr er aber alsbald sort:1 Ich weiß wohl, was ich thun will [mit solchen, auf deren Erkenntlichkeit ich mich verlassen kann], wenn ich nun von« dem Amt gesetzt werde, daß sie [alsdann, die ich hier im Sinne habe] mich in ihre Häuser nehmen. 5. Und er rief [in der kurzen Zwischenzeit, die ihm bis zur Rechnungsleguiig nur noch gelassen schienJ zu sich alle Schuldner seines errn, und sprach zu dem ersten: Wie viel ist du sals jährlichen Pachtzins] meinem Herrn schUldkll s. Er sprach: Hundert Tonnen [hebr. Bath e« 1775 Berl. Quart] Oels. Und er sprach zu ihm: Nimm deinen Brief sden ich dir hiermit zuriickstelle], setze dich und schreib flugs [d. i. schnell, geschwind einen an- dern, der die Angabe enthält:] funfzig sTonnen oder Bath 2. Mos. 29, 40 Anm.]. 7. Darnaih sprach er zu dem andern: Du aber, wie viel bist du schuldig? Er sprach: Hundert Malter [hebr. Kois geh» pr. Scheffel] Weizen. Und er sprach zu ihm: Nimm deinen Brief, und schreib achtzig [Malter 2. Mos. IS, 36 Anm.]. 8. Und der Herr soder reiche Mann, von dem in V. 1 die Rede war] lobte den unge- rechten Haushalter [als welchen er fich vor- dem bewiesen V. I; Kap. 7, 37; Matth.26, 6], daß er [jetzt, wo ihm seine Ungerechtigkeit eine schlimme Lage zu bereiten drohte] klüglich ge- than hätte [indem er so gut berechnete, auf was für Leute er seine Hoffnung setzeu müßte und auf welche Weise er sie am ineisten für sich gewinnen könnte; in Wahrheit hat er ja auch sich trefflich zu helfen gewuß»t]. Denn die Kinder dieser· Welt siud kluger, denn die Kinder des Lichts, in ihrem Geschlecht [wag dasjenige Lebensgebiet betrifft, auf dem sie nun einmal sich bewegen, während sie freilich für das höhere, himmlische gar keinen Sinn haben] Die herkömmliche Fassung des Begriffs dieser Schuldner, da sie solche Leute fein sollen, welche100 Tonnen Oels oder 100 Malter Weizen auf ihre Rech- nung entnommen haben, für welche sie den Geldbe- trag noch zu leisten hatten, wird von so unglaublich vielen Schwierigkeiten gedrückt, daß man gar nicht be- greift, warum sie fort und fort feftehalten wird, ob- schon doch darin, daß das Gleichnisz weder hier noch dort einen Geldbetrag nennt, sondern ganz bestimmt eine Naturalleistung angiebt, eine gar deutliche Hinweisung auf das eigeutliche Sachverhältniß ent- halten ist. Gegen die gewöhnliche Fassung sträubt sich mit aller Gewalt Folgendes: I) ist der Schulderlaß in beiden Fällen, wenn es sich um eine einmalige Geld-Erleichterung handelte, kein so bedeutenden daß der Haushalter die Schuldner fich damit in sol- chem Maße verbindlich gemacht hätte, Jvie es nöthig war, um sich eine lebenslängliche Versorgung zu sichernx Z) mußte, wenn die Handlungsweise des Haushalters eine so niederträchtige Fälschung von Schuldbriefen gewesen wäre, wie ina11 annimmt, dies auch die Schuldner, fallsnoch irgend ein Recht- lichkeitsgefühl bei ihnen vorhanden war, doch geradezu empören, und wenn sie auch eigennützig genug gewesen wären, von der Niederträchtigkeit Vortheil zu ziehen, so würden sie wohl sich klüglich gehütet haben, einen ,,solchen Kunden« in ihre Häuser zu nehmen; Z) bleibt es in jedem Falle, man sage, was man wolle, eine allzustarke Zumuthung an den Herrn des Hanshalters, daß er diesen wegen seiner klugen Handlungsweise noch belobiqen sollte, wenn er zu guter Letzt in so frech r Weise von ihm betrogen worden wäre, daß nicht als eine Schurkerei übrig bleibt, bei der von Klugheit keine Rede mehr sein kann, zumal nach dem vorhin Gesagten das Mittel, seine Zukunft sicher zu stellen, zugleich so prekärer Natur gewesen wäre. Viel eher läßt sich erwarten, daß der Herr gesagt hätte: »der Thorl bildet der wirklich sich ein, es habe mit ihm fortan keine Noth? die Schuldner werden freilich den ihnen ngewendeten Gewinn ohne Bedenken in die Tasche treichen, aber ihre Häuser werden schwer- lich dem Schurken als einem ihnen lieb gewordenen Freunde sich öffnen« Wie steht’s nun aber, wenn wir die Sachlage so auffassen, daß der Haushalten so lange er noch im Amte war, eine doppelte Buch- fül)rung unterhielt? Mit den beiden Schuldnern atte er einen Pachtcontrakt abgeschlossen, der auf eine Jahresleistung von100 Tonnen Oels, b . 100 Malter Weizen lautete; davon wußten sie aber nichts, daß sie dem Herrn der gepachteten Ländereien laut des diesem gegenüber vom Haushalter aufgestellten Rechnutigsbucgs zu bedeutend weniger, zu blos 50 Tonnen bez. 0 Malter verpflichtet waren. Er hatte sie nur zu seinem eigenen Vortheil so hoch geschraubt und wenn er jetzt, wo er vom Amte kommen sollte, nicht selber die Megrforderung nachgelafsen und das dem Herrn gegenii er bestehende eigeutliche Rechts- ver ältniß hergestellt hätte, wären sie auch ferner an die iehrforderung gebunden ewesen; denn daß dieser dasMehr aus besonderer roßmüthigkeit gestrichen hätte, ist in solchen Fällen, wo ein reicher Gutsbesitzer 798 Evangelium Lucä 16, s. darauf ausgeht, seine Güter möglichst hoch auszu- deuten, keineswegs etwas Selbstverständliches — man lält sich da an das formelle Recht ohne weitere Riick- ssicht, wie es zu Stande gekommen, und weiß sich leicht gegen Gewissensbedenken zu verwahren· Da- gegen war das Verfahren des Haushalters ganz ge- eignet, diesem die Herzen der Schnldner zu gewinnen: daß er sie früher bedrückt hatte, verziehen sie ihm gern, hatte er sie doch im letzten Augenblick noch von einer viel größeren Leistung errettet, als diejenige war, die sie bisher über das eigentliche Recht hinaus gethan; denn höchst wahrscheinlich war der Pachtcon- trakt auf ihre ganze Lebenszeit abgeschlossen. Und wie nun so ihre eigene Zukunft von dem Haushalter ge- sichert worden, so konnten sie wohl sich veranlaßt fühlen, den Mann nicht verhungern zu lassen, sondern ihm das Gnadenbrod zu geben; der Herr dagegen, zuerst vielleicht sich in etwas ärgernd, daß ihm die formell zu Recht bestehende Mehrforderung entgangen war, mußte gleichwohl erkennen, daß der Haushalter klüglich gethan, und sprach solche Erkenntniß auch offen aus — er gab damit nur einem natürliche Ge- fühl in der Ueberraschung des Augenblicks Aus ruck- Die hier entwickelte Auffassung entspricht nun zunächst ganz der Lage der Zölluey mit welchen der Heiland bei Aufstellung seines Gleichnisses es zu thun hat. ,,Fordert nicht mehr, denn gesetzt ist«, so hatte Jo- hannes schon den Zöllnerm die zu seiner, Taufe amen, auf ihre Frage: ,,Meister, was sollen denn wir thun?« um Bescheid gegeben (Luk. 3, 12 f.)«; darin also be tand ihre besondere Standes-Sünde, daß sie ganz wie jener Haushalter sich verhielten, indem fiedurch Mehrforderungen, die sie in eigenem Jnteresse ausstellten, die Leute bedrückten und sich selbst dieMittel zu einem üppigen Leben verschasfteih schon mit der Bußpredigt des Johannes aber, und dann vollends mit der Heils-predigt Jesu Christi waren sie auch ganz wie der ungerechte Haushalter, da er vor seinem Herrn berüchtigt ward, als hätte er ihm seine Güter umgebracht, in die Lage ekommen, daß zu ihnen gesagt ward: ,,wie höre i das von dir? thue Rechnung von deinem Haushaltem denn du kannst hinfort nicht Haushalter fein« — mit dem bisher be- triebenen Zöllnerunwesen hatte es für sie von nun an ein Ende. Indessen konnten sie damit, daß sie thaten," wie Johannes ihnen befohlen, und ferner in nicht mehr forderten, denn gesetzt war, nur den rnst und die Aufrichtigkeit ihrer Buße bezeugen und einen An- fang mit der Bekehrung machenr als wiedergeborene Kinder des Lichts, als nunmehrige Jünger Jesu Christi erwiesen sie damit sich positiv noch nicht, dazu gehörte vielmelgr noch ein Weiteres, Höheres. Nach den Grund- sätzen er Pharisäer und Schristgele rten nun hätten sie ihren ganzen Stand aufgeben un alle Verbindung mit den heidnischen Römern, denen sie als Zollpächter dienten, abbrechen müssen; sie hätten dann ihr unge- recht erworbenes Gut behalten und davon weltförmig fernerhin leben mögen, soweit es reichte, die Phari- säische Sinnes- und Handlungsweise (V.14) verwehrte ihnen das durchaus nicht, aber der HErr ivill sie mit seinem Gleichniß eines Andern belehren. HOer Haus- halter wird nicht sofort seines Amtes enthoben, son- dern darf darin noch eine Zeit lang fortwirthfchaftenz und nun wartet auch er seinerseits, bis die Stunde kommt, da er von dem Amte esetzt wird. So sehen wir denn hernach (Kap. 19, IF) den Zachäus eben- falls noch in seinem Dienst; in diesem Amte aber handelt er so, wie er sich ans dem Gleichniß unsers Textes an dem Vorbild des Haushalters es abge- nommen hat: »siehe, HErr, die Hälfte meiner Güter gebe ich den Armen, und so ich jemand betrogen habe, das gebe ich vierfältig wieder.« Es ist das keine Ostentation von ihm, keine Schaustellung seiner Tugend- leistungen, wie die des Pharjsäers in Kap. 18, Z, sondern vielmehr eine Anfrage bei Jesu, ob er dessen Meinung mit dem, was er hier in V. 5——7 von dem Haushalter erzählt hat, richtig getroffen habe, und die Einkehr des HErrn bei ihm ist die Antwort auf seine Frage; bei einem Zöllner, der sich als einen so e- lehrigen Schüler erweist und seines HErrn Wi en nicht blos weiß, sondern auch thut, kann des Menschen Sohn sogar übernachten, ohne sich an das Murren der Reisebegleitey die sich schon an die beabsichtigte Einkehr in dessen Hause gestoßen haben, zu kehren. Was Zachäus zu zweit nennt, die Wiedererftattung des unrechtmäßig Erpreßten in vierfältigem Betrage, . das war ihm von seinem eigenen Gewissen eingegeben; es konnte nur in höchst seltenen Fällen, nur ein und das andere Mal in Ausübung gebracht werden — wie konnte ein Zöllner alle die wiederfinden, die er an seiner Zollbude vorübergehen gesehen und die er bei Gelegenheit der Zollerhebung betrogen hatte? — es handelt sich da mehr um eine Bereitwilligkeit zu thun, als um eine thatsächliche Ausführung. Aber was er zuerst nennt — die Hälfte seiner Güter für die Armen —, das ist in die That umgesetzt, was der HErr mit den Worten verlangt, womit er sein Gleich- 11iß beschließt: 9. Und ich [an jenes Lob des Herrn im Gleichniß als euer HErr und Meister mich an- fchließend und eure Gedanken von dem irdischen Lebensgebiet auf das himmlische hinüberlenkend] sage euch smeinen Jüngern, die ihr als Kinder des Lichts euch erweisen sollet] auch: Macht euch Freunde mit dem ungerechten Mammon [Matth. S, 24 Anm., indem ihr desselben euch als eines Mittels dazu bedient], auf daß, wenn ihr nuzt darbei [wenn es mit euch ausgehet, d. i· mit dem Leben auch alles, was dessen bis- herigen Bestand gebildet hat, euch genommen wird], sie sdie ihr euch zu Freunden gemacht habt, nä1nlich die Armen, denen ihr wohlgethan Kap. 18, 22] euch aufnehmen in die ewigen Hütten lJoh. 14, 2J. Es List zwar ganz richtig , was der weise Salomo (Spr. 22, Z) sagt: ,,Reiche und Arme müssen unter einander sein, der HErr hat sie alle gemacht;« aber eben so gewiß ist, daß der Mammonsdienst der Menschen den Unterschied in’s Ungeheure vergrößert und zu einem entsetzlichen Uebermaß ausdehnt. Nur mittelbar hatte der ungerechte Haushalter sich auf Kosten seines reichen Herrn bereichert, unmittelbar hatte er’s auf Kosten der armen Pächter gethan, denen er 100 Tonnen Oels statt fünfzig und 100 Malter Weizen statt achtzig auferlegt hatte, um die andern 50 Tonnen und 20 Malter für sich selber zu Gelde zu machen; er hätte nun, da er vom Amte gesetzt werden sollte und die Aussicht auf darbende Armuth vor sich hatte, derer, die er durch seinen Aufschlag an einen sehr geringen Gewinn von ihrer Pachtung ge- bnnden hatte, so daß sie nie aus ihrer dürftigen Lage sich hätten emporarbeiten können, vergessen mögen, von Menschen nöthigte ihn niemand, das ordentliche Rechtsverhältniß zu dem Gutsinhaber herzustellen und damit die Lage der Pächter bedeutend zu verbessern. Aber das eben ist bei der Ueberlegung, die er in V. 3 an- Von dem richtigen Gebrauch des irdischen Guts. 799 stellt, der glückliche Gedanke, der ihm von feinem irdischen Herrn ein Lob einträgt, an welches der himmlische HErr im vorliegenden Verse mit den Worten: »und Jch sage euch auch« ohne Bedenken seine Mah- nung an die, welche seine Jünger geworden, anschließen kann, daß er die Freundschaft der geringenPächter sich zu sichern sucht. Er hätte ja eben so leicht den Gutsherrn können in das Geheimniß seiner vorma- ligen Betrügerei einweihen und diesem mittheilen, wie er ihm einen weit größeren Ertrag von den verpach- teten Ländereien in den Pachtbriesen gefichert habe, als die Rechnungsbücher nachwiesenx es ließ sich da wohl mindestens eben so wahrscheinlich voraussehen, daß der Gutsherr ihn ferner auf seinem Posten be- lassen hätte, als er jetzt seine Wahrscheinlichkeits-Rech- nung auf die Dankbarkeit der Pächter setzt — aber nein! er zieht es vor, den ungerechten Mammon, der in den 50 Tonnen Oels und in den 20 Malter Wei en steckt, den geringen Leuten zu gute kommen zu lassen und derer Noth sich damit anzunehmen. Andrerfeits war es ihm doch wohl auch möglich, in der Zeit der ihni no gelassenen Amtsverwaltung noch einmal den v ollen Ja resertrag der Pachtungen einzuziehen und seinen Ueberschuß der 50 Tonnen Qels bez. 20 Malter Weizen zu einem Nothpfennig zurückzulegen; aber nein! er vermag es über sich zu bringen, so- fort si des ungerechten Mammons zu entschlagen, zu Gun ten derer, denen seine Ungerechtigkeit ihn ab- genommen hatte, ohne weitere Speculationen darauf zu gründen, und das »flugs« in V. 6 soll zweifels- ohne mehr diese sofortige und riickhaltlose Selbstent- sagung markiren, als daß, wie man gewöhnlich an- nimmt, eine Hast darin verborgen liege, die Sache mit den Schuldnern abzumachen, ehe der Herr dazu käme. Jedenfalls ist diese·Lossagung von demjenigen Gewinn, den er sich selbst gesichert-hatte, diese Entschlossenheih mit dem un erechten Mammon selber zu brechen und seine Zukunxst vielmehr durch»Wohltqhun, als durch Zurücklegen sich zu sichern, derjenige unkt, auf wel- chen es dem HErrii mit seinem Gleiihniß hauptsächlich ankommt. Und damit ist denn der Haushalter aller»- dings ein Exempel geworden, aus welchem die Zöllner ich eine bessere Lehre entnehmen konnten, als wenn ie die Pharisäer und Schriftgelehrten um Rath ge- ragt hätten, was sie in ihrer Lage thun sollten. Jndem diese, wie schon oben bemerkt, ihnen jedenfalls esagt haben würden, sie sollten mit Verla sung ihres öllnerpostens und durch Abbruch aller eziehungen zu den römischen Oberherren sich eine Stufe im Him- mel bauen, aber die Verwendung der unrechtmäßig erworbenen Güter zu weiterer üppi er Lebensführung ihnen gern belassen hätten, weil sie fgelber geizig waren und nicht darnach fragten, ob das Jnwendige ihrer Becher und Schüfseln voll Raub und Bosheit war, wenn dieselben nur auswendig reinlich gehalten wurden (Kap; 11, 39), hätten sie ihnen eine Handlungsweise empfohlen, wie die des Haushalters ewesen sein würde, wenn derselbe die ungerechten Usachtcontrakte .in ihrer Giltigkeit hätte fortbestehen lassen, um ent- weder feinen Herrn · ich zur Dankbarkeit zu verpflichtem oder noch einmal einen Vortheil für sidåzfelber daraus zu ziehen. Was der Haus-haltet den ä tern zuge- wendet, das ist nach unsrer ganzenAu assung des Sachverhalts nicht Eigenthum seines bisherigen. Herrn; nach den in den Büchern gehenden und allein dem Herrn gegenüber giltigen ontrakten» hat dieser nur 50 Tonnen Oel und 80 Malter Weizen zu fordern, dagegen die HO Tonnen Uebersatz und die 2(·) Malter Aufschlag wurden, wenn er ferner in· seiner fru- heren Amtsverwaltung verblieben wäre, ihm selber zugefallen sein, er entschlägt sich also seines Eigen en, wenn er es den Pächtern für die Zukunft erläßr. Allerdings war es mit» Ungerechtigkeit erworben, er Fratze mit fremdesn Kigiiltg spxiålirt und dhatteGarmen r eitern einen eträ ti en eil von em ewinn ihres, Arbeit abge wackydabes wasV er nun so sich gr- wor en war ni t min er ein erwägen, wie ie Finanzmänner der Gegenwart ja das als ihr Ver- mögen mit Recht betrachten zu können vermeinen, was sie aus Börsenspeculationen und industriellen Anlagen z»i1»gewiii»nen«wissen. »Daß es noch nicht in seinen Hunden ist, ja» daß die bevorstehende Amtsentsetzung ihm einen Strick, durch diejkiechnung macht», kommt nicht weiter in etrachtx wie jedes Gleichniß etwas Fingendesås hhath Jtvo ess nichtstvölligjt mist der åbzgbix en en a r ei zu ammen imm , o au ie · überdies aber ist über den Termin der Entfernung aus dem Amte nichts gesagt, so daß also dieser ausdrücklich außer Bereich der Betrachtung gestellt ist. Will man aber gleichwohl von dem Gedanken, daß der Haushalter um der demnächst ihm bevorstehenden Amts- entsetzung willen von seinem Gewinnst für sich selber keiZen unmigtsellharen Gebraugh mehr fma en kann, ni tganz a e en: nun woh, er hat ür iejenigen, denen das Gleichniß zunächst ge agt ist, allerdings sdeine Æeståtzihmklisi Bdedeutsung XDF Fmnen vsocthi em ei u en ie mi cren rre ungen i verschafft haben, für den eignen Vortheil und Genuß auchkeinen Gebrauch mehr machenx ihre Bekehrung zu- Christo verhindert das, daß sie fernerhin davon wohlleben und sich gute Tage bereiten, sie stehen unter dem Zwange ihres christlichen Gewissens, sie sind innerlich abgesetzt von ihrem lucrativen Geschäft.. So erscheint bei der von uns vertretenen Auffassung des Sachverhältnisses alles in klarem, hellem Lichte. Hätte dagegen die gewöhnliche Vorstellung Re t, wo- nach es bei den Schuldnern sich um Gelds uldner handeln soll, die zu einer Fälschung ihrer Schuld- briefe zuni Nachtheil des Herrn von dessen Haushalter verführt werden: welche Blöße hätte Jesus seinen Widerfachern, den beim Vortrag des Gleichnisses gegen- wärtigen Pharisäern und Schriftgelehrten gegenüber sich damit gegeben, daß er eine solche Handlungsweise überhaupt zu seinem Gleichniß verwendet hätte! Schon einer christliihen Genieinde gegenüber will es einem Predigcr des göttlichen Worts auch mit den allerbesten Verwahrungstnitteln und den blendendsten Redekünsten nicht recht gelingen, das Gleigniß bei jener Auf- fassungsweise als würdig des H rrn zu rechtfertigen; es bleiben immer selbst bei denen, die ihre Vernunft unter den Gehorsam des Glaubens gefangen nehmen, mächtige Zweifel zurück, ob denn wirklich die Art und Weise eines so ungerechten Menschen in die Art und Weise eines Kindes des Lichts sich übersehen lasse. Was würden nun aber erst die Pharisäer und Schrift- elehrten dem HErrn und seinen Zöllnern haben für chmähungen können angedeihen lassen, wenn ein solches Spiegelbild hier vorläge, wie die Ausleger es sich vorftellen! Vielmehr muß ein solches vorliegen, das den Widerfachern auf ihrem Standpunkte des Geizes und der Habsucht eine Handhabe bietet, des HErrn zu fpotten (V.14); und für solche Herzen ist allerdings ein Haushalter, der vortheilhafte Contrakte preisgiebt, um geringe Pächter in ihre Rechte einzu- sehen, und ein Zöllney der die Hälfte seiner Güter den Armen giebt, .ein Gegenstand des Spottes —- für solche Klugheit, sprechen sie bei sich selbst, werden wir uns schönstens bedanken, wir verstehen besser, was Klugheit heißt. Jm Folgenden entnehmen wir nun noch aus Predigten und andern Verwerthungen unsers 800 Evangelium Lucä IS, 9 Anm. Textes denjenigen Stoff, der uns am dienlichsten zur Erbauung sche1nt, werden aber an« der Stelle, wo unsre eigenthümliche Auffassung in Betreff der Schuld- ner eine folche Entlehnung nicht möglich macht, wieder mit eigenen Betrachtungen eintreten. — Die Grund- züge unsers Gleichnisses sind leicht gedeutet: der Haus- halter ist der Mensch in seinem Verhältniß zum irdischen Gut; der H err des Haushalters ist Gott der HErr, der den Menschen über Geld und Gut gesetzt hat. Aber wie Vieles und Großes hat Christus doch chon mit diesen einfachsten Zü en gesa t! Mit Einem Worte hat er das Verhältnis des enschen zum irdischen Gut, wie es in Wahrheit, wie es vor Gott ist, gezeichnet: der Mensch ist nicht Eigenthümer, er ist nur Haushalter über das irdische Gut; der wahre Herr und Eigenthümer ist Gott. Nun ja, denkst du, wie freilich Alles von Gott ist! Nein, nicht nur so, wie Alles von Gott ist, sondern so, daß dir Gott hier nicht einmal schenkt, sondern nur leiht. »Wenn ihr in dem Fremden nicht treu seid, wer will euch geben, das euer ist?« spricht Christus gleich nachher IV. 12); unter dem ,,Eurigen« versteht er geisti"e, sittliche, himmlische Güter — die sind auch nicht un er · von selbst, sie müssen uns gegeben werden von Oben, aber sie werden uns gegeben, um unser, um unser eigen zu werden. Die Anlage und Fähigkeit des Geistes, das Freundes- oder Bruderherz, die Erkennt- niß der Wahrheit, der Friede Gottes, höher denn alle Vernunft, es sind lauter Gaben von Oben, aber Gaben, die dir bleiben sollen, wenn du nur über ihnen treu bist, die, in deine unsterbliche Seele hinein- gepflanzt und hineingesenkh ihr zu eigen bleiben sollen bis in ihre unvergängliche Vollendung in Gottes seli er Gemeinschaft. Mit dem Geld ist’s anders: es leibt dir immer »fremd«, wie der HErr sagt, wie sehr es auch dein heiße; wie auch deine Seele es gierig umklammere mit aller ihrer Kraft, es wird doch nie em Stück von» ihr, doch nie ihr wahres Eigen- thum, es sitzt doch immer lose, so lose, daß es jeden Tag von dir abfallen kann, wenn ein widriger Wind des Geschickes wehet, so lose, daß es einmal jedenfalls von dir abfallen muß wie dürres Laub im Herbste. »Wir haben nichts in die Welt gebracht, heißt es von ·« ihm; darum offenbar ist, wir werden auch nichts hinausbringen«. Das ist freilich eine sehr alte und gemeine Wahrheit, wer wüßte sie nicht? aber obwohl sie Alle wissen, der Wievielte bedenkt sie? Und doch wär’s ein großes, gewaltiges, tiefgreifendes Ding, diese Wahrheit, die niemand bezweifeln kann, in der That zu bedenken! wie müßte das das ganze ge- wöhnliche Verhältniß der Menschen zu den irdischen und den himmlischen Gütern umkehrenl wie müßte das die Gemüther frei machen von den Banden des Mammons und die Gemüther treu — treu gegen den HErrn, der Geld und Gut, aber— noch viel größere Dinge dir anvertraut, und treu auch im Kleinsten gegen die unsterbliche Seele! Aber der natürliche .Mensch bedenkt es nicht, ob er’s auch weiß; er weiß es, und will’s doch nicht wissen, und daraus entsteht sein thatsächliches thörichtes Verhältniß zum irdischen Gut, ein dem wahren, vor Gott giltigen geradezu widersprechendes Verhältniß. Der HErr zeichnet uns dies der Ordnung Gottes schnurstracks widersprechende Verhältniß in den weiteren Zügen seines Gleichnisses. Was thut der Haushalter mit dem anvertrauten Gut? Das gerade Gegentheil dessen, was er als Haushalter thun sollte: ,,er ward vor seinem Herrn berüchtigt, als hätte er ihm seine Güter umgebracht«, und daß er wirklich so gethan, beweist uns des Mannes böses Gewissen, das auf jede Rechtfertigung sogleich ver- zichtet. Also, statt hauszuhalten mit seines Herrn Gütern, hat er sie umgebracht: was heißt das? Das Peißt nicht, er hatte Vieles ausgegeben, anstatt es bei- ammen zu alten; bloßes Beisammenhalten ist des Verwalters ufgabe nicht — er darf vom Ertra e des Gutes getrost den eigenen Bedarf und den edarf seines Hauses entnehmen, darf auch sonst Ausgaben und große Verwendun en machen, wenn es anders nur in seines Herrn ienst und Interesse geschieht. Aber der Haushalter hat seinem Herrn die Güter um- »ebracht, d. h. sie·eben nicht in dessenDienst und nteresse verwaltet, sondern vielmehr für diese Be- stimmung sie todt gemacht, sie rein eigenmächtig nud eigensüchtig vergeudet und verthan, so daß sie für seinen Herrn nichts leisteten, keine Frucht brachten, und am Ende für den leichtfertigen Verschwender selbst nicht. So hat auch dir, o Mensch, der HErr im Himmel ein irdikches Gut vertraut, nicht daß Du’s nicht — nein, da du’s recht gebrauchest; du sollst es verwalten und gebrauchen im Dienste deines HErrn, nach der Ordnung seines Reiches, für dich und die Deinigen, und allerdings nicht minder für jeden, der um Gottes deines HErrn willen einen Anspruch darauf hat, daß du ihn liebest als dich selbst; du darfst und sollst das anvertraute Gut verwenden ohne peinliche Angst, nur daß es Frucht schasfe, Segen stifte, daß überall etwas damit erreicht und geleistet werde, das in Gottes Reicgl zu Recht beste t, worinnen also eine nutzbringende snlage seines uts von ihm erblickt werden kann. Aber das ist ja nicht der Gesichtspunkt und nicht die Art und Richtung, wie der natürlighe Mensch die irdischen Güter gebrau t: weil er mit dem ungere ten Haushalter vergißt, da er nur Haushalter liest, wei er gottesvergessen vom irdischen Gute sagt: es ist mein, ich kann damitmachen, was ich will; es geht niemanden etwas an, wie ich mein Hab und Gut Verwende, so vergißt er ebenso auch Gottes Ordnung im Gebrauch, die göttlichen Absichten und Endzwecktz denen das irdische Gut dienen soll, gebraucht? allein nach der Lust seines eigenen verkehrten Herzens und bringt’s damit um, d. h. schliigks todt, schafft keinerlei Frucht und Segen damit. Er bringt’s um, ob er’s als Geizhals im Kasten verschließt und in die Erde vergräbt, so daß es nichts nützen und wirken kann, oder ob er’s als Verschwender hinauswirft auf die Gasse für nichtige, eitle, vielleicht seelenverderbliche Zwecke, ob er es heimlich, engherzig für sich genießt, oder ob er’s hochher gehen läßt und Andere herbei- ruft zu seinem Leben in Herrli keit und Freuden, ob er’s allein umbringt oder in Ge ellschaft "— umgebracht ist es. Wunderliche Thorheit des 2).)ienschen, der also dem besseren Wissen und Gewissen entgegen sein Herz an das Augenblickliche hängt, ohne jeden bleibenden Gewinn, an das Sichtbare, das doch gewiß vergeht und das, wenn ich’s zum Schifflein ma e, das meine Seele hintragen soll über die Fluthen der eit, in seinen unvermeidlichen Schiffbruch unvermeidlich au die Seele selber hineinziehti Wohl mochte jenen ungere ten Haus- halter manchmal ein unheimliches Gefühl überschleichen: ,,wo soll das hinaus? wie soll das enden ?« denno fährt er fort, weil die Umkehr von Tag zu Tage s werer wird, die Veruntreuutig sich immer höher aufthürmt zwischen ihm und seinem Herrn; und so schlägt er sich’s aus dem Sinn und genießt den Moment mit umso krampfhafterer Gier, solan e es eben geht, und vor der Zukunft, vor dem En e schließt er die Augen. Giebt es größere, giebt es verhängnißvollere Thoren? und doch haben« wir in ihr die ganze Lebens- weisheit von tausendmal Tausenden vor Augen. (Bet)schlag.) »Wie höre ich das von dir?« spricht der Auch von der Verwendung des zeitlichen Guts muß der Mensch vor Gott Rechenfchaft ablegen. 80l Herr des ungerechten Haushalters zu diesem, als er vor ihm berüchtiget wird; selbst gesehen hat er es ja nicht, als derselbe ihm seine Güter durchbrachte, es shabenss ihm Andere hinterbracht. Der Herr ist nicht o gegenwärtig in der Wirthschaft ewesen, daß er alles selbst geleitet hätte; er hat seinem Haushalter das Vertrauen geschenkt und läßt ihn darum auf eigene Hand wirthschaften Das ist es aber gerade, was den Menschen verführt: er steht in seinem Haushalte, geht aus und ein, ordnet und arbeitet, ohne jemand zu sehen, der Acht auf ihn hat oder ihm in den Weg tritt; und weil es ihm niemand wehrt, den Herrn zu spielen, so ist er so dreist, sich selbst zum Herrn zu seyen. Statt das Vertrauen seines Herrn u ehren und um so treuer in allen seinen Wegen zu fein, wird er ein frecher Dieb und Herdurchbringeq je länger desto mehr vergißt er es, daß er Rechenschaft ablegen muß. Wenn die Menschen den Richter nicht sehen, die Ruthe nicht fühlen, so glauben sie auch kein Gericht und keine Strafe; das begegnet ihnen in ihrem irdischen Haushalt am n1eisten: sie geben es zu, daß sie für ihre Sünden Gott müssen Rechenschaft ab- legen, aber es kommt ihnen wie ein Mährchen vor, daß sie auch für ihre zeitlichen Güter Rechenschaft ablegen müssen. Ehe sie das nicht mit Augen sehen, glauben sie es nicht. cMünkelJ Das ,,thue Rechnung von deinem Haus-halten, denn du kannst hinfort nicht Haushalter sein« wird dem Schalksknecht wie ein un- vermutheter Schlag gekommen sein. Vorhin dachte er« bei sich: ,,mein Herr kommt noch lange nicht; darum iß und trink, sliebe Seele, thue dir Gutes und habe uten Muth!« nun aber sieht er mit Einem Male eine ganze Schlechtigkeit an -den Tag kommen, nun wird er zur Rechenschaft gezogen und hat nichts, wo- mit er sich entschuldigen könnte. Und also wird es allen denen ergehen, die ihres Herrn Gut veruntreuet oder vergeudet haben; mögen sie es glauben oder nicht, es wird ein Tag für sie kommen, an dem sie vor ihrem König und Richter erscheinen müssen, um Rechenschaft von ihrem Haushalt zu thun. Das sagt uns sein Wort mit solcher Klarheit voraus, daß jeder Zweifel davor verschwindem jede Läugnung verstum- men muß. Es giebt eine Rechenschaft, und Gott hat die Stunde bereits bestimmt, in der du sie ablegen mußt; wie bald sie aber schlägt oder wie spät, hat uns seine Weisheit verbot en. Wie, wenn sie heute schliige, wenn in der nächften Nacht deine Seele von dir gefordert-würde, wärest du bereit, deinem HErrn Rede und Antwort über deine Haushaitung zu stehen? Es ist schön Mancher abgerufen worden zu einer Zeit, wo er es nicht vermuthet hat, es weiß niemand, wann die Reihe an ihn kommen wird; aber das wissen wir alle, wonach wir gerichtet werden, darüber läßt die heil. Schrift sowenig uns in Ungewißheit, daß fich jeder im Voraus selbst die Rechnung stellen kann — sie sagt: ,,man sucht an den Haushaltern nicht mehr, als daß sie treu erfunden werden; welchem viel ge- geben ist, von dem wird man viel fordern, welchem wvenig gegeben ist, von dem wird man wenig fordern« (Thomasius.) Die Predigten des HErrn von Gericht und Ewigkeit hatten den Zölliiern mit Einem Male den eitlen Selbstbetrug ihres Lebens zerstört; sie kamen zur Erkenntniß, daß es ein Ende mit ihrem zeitlichen Thun nehmen müsse, daß hinter dem Tode eine Frage nach ihrem Wandel gestellt, eine Verant- wortung · efordert, ein Urtheil gesprochen werden würde, und die timme: ,,thue Rechnung von deinem Haus- halten« war aufschreckend, die Stimme: »du kannst hinfort nicht Haushalter fein« war zerknirschend in ihre Seele gedrungen. Die armen Schwelger, die D ä ch s e l« s Bibelweth betrügerischen, ungerechten Zöllner waren in einer Verlegenheit wegen ihrer ewigen Zukunft, wie der ungerechte Haushalter i·ni Gleichniß in einer Verlegen- heit wegen seiner zeitlich en Zukunft war; nun leugne ich nicht, daßszes schlimm ist, wenn man in Verlegen- kommt,·aber ich muß doch auch gestehn, daß die Ver- legenheit eines armen Sunders wegen seines ewigen Heils eine· esefznete Verlegenheit sei. (Lohe.) Nach Gottes Wi en »oll »Unser irdischer Haushalt nur eine Vorbereitung fur einen besseren Haushalt sein; sind wir treu mit dem zeitlichen Gut, so wird»uns »nach unserer Treue gelohnt, und w»ir werden hinaufrucken zu· hohen Ehren und Wurden irrt· Reiche Gottes, find wir dagegen untreu, so wiederfahrt uns, was Jesus in V» 11 u. sagt. Wer mit den betruglichem ver- ganglichen Gutern, welche uns nur für» dieses Leben geliehen sind, nicht. treu nach Gottes Willen umgeht, dem werden noch viel weniger die wahrhaftigen, blei- benden Guter gegeben, die·wir zu eigen haben sollen fur alle Ewigkeit; hrit er srch als ein Herdurchbringer in dein Geringew namlich im» zeitlicheii Gut erwiesen, - i IHchTUILF2-TIZI22DTT2FFFF«UAkkkschssiktsassåiikk AS; Gleichniß erkennt: wird das Amt von ihm genommen, sc; ist er dadurch vor allevWelt gebrandmarkt als ein Betrüger, niemand wird ihm wieder etwas anver- trauen oder ihn in Dienst nehmen. (Münkel.l Die Anrede des Herrn an den Verwalter:·,,thue Rechnung von deinem Haus-halten enthalt nicht eine Aufforderung sieh zu rechtfertiesem es ist schon das Absetzun surthe1l, seine Schuld er cheint als erwiesen; die echnung, welche er aufgefordert wird abzulegen, ist das Inven- tar uber das ihm »anvertraute Vermögen, welches er seinem Nachfolger übergeben muß. Dieser Entsetzung entfpricht der Act,· durch welchen Gott uns die freie Verfügung uber die uns hienieden anvertrauten Güter entzieht, der Tod; das zuvor ausgesprochene Urtheil der Absetzung Fbezeichnet das Erwachen des mensch- Hsiåkåkksekissäkgk EZFKTk2YTHJIZMZZHFVtFZF2 zispkliks ,,er spra«c«l) bei sich· selbst« haben einige Aehnlichkeit mit ,,da schlug er in sich« in Kap. 15,» 17 : es ist ein Akt des Sichsammelns nach einem Leben in L·eichtfinn. (Go·det.) Der Herr setztesernenfHaushalter nicht ohne Weiteres ab, sondern er kundigte ihm nur an: »der Tag deiner Absetzung steht nahe bevor«; er ließ den untreuen Knecht noch eine Zeit lang· »in seinem Amte, od er vielleicht die Gnadenfrist zu seinem Heile noch nuhen mo»chte, und siehe, der Knecht hatte ein feines Ge ühl fur den leisen»Gnadenruf,· er verstand den Sinn der Worte und Fuohrungen seines niit Pecht auf ihn erzurnten Herrn. · r· fuhltesich machtig durch- drungen von» der Gewißheit: »meine Tage und Stun- den sind gezahlt; wenn ich errettet werden will, muß ich fie sorgsam auskaufen«, und verstand den Wink seines Herrn: ,·,die·Gaben, die du solan e gemifßbrauchh noch will rch sie dir eine Zeitlang las en;»deine Kraft hilft dir nicht· aus der Noth, sieh, ob meine» Gnaden- gaben dir· rrrcht ndch die Wege bahnen wogen zum ewigen Heil. (Mullensiefen.) Dei: leichtsinnige Thor wird mit einem Male klug,·das» ist ein bedeutendes Moment in der Parabel. Diese jetzt schnell und löb- lich vom Haushalter gewonnene Klugheit des Ent- s chlus s es wird i»n 3 tufsen des Selbstgesprächs ge- sch1ldert: zuerst die rasche Zliierkenntniß der Noth, der nicht mehr abzuwendenden Entsetzung, in der es gilt »was soll ich thun?« Danwdie Uederlegung wegen allerlei Aushilfen und Aussichtexy die nur Fort- setzung der Noth wären —» »das Eine kann, das Andere will ich nicht«; endl1ch das kluge Treffen: sc. T» I. 51 802 Evangelium Lucä le, 9 Anm. (Fortsetz.) ,,jetzt weiß ich’s, was ich thun, wie ich mir helfen soll«. Und solchem Entschluß folgt, was niit zur Klugheit gehört, ohne viel Zaudern flugs die Aus- führung. (Stier.) Bei seiner Ueberle ung verhehlt fichs der Haushalter nicht, daß er die rast nicht itzt, zu mühseliger Arbeit eines Tagelöhner»s: ,,ich kann mich nicht bequemen, den Spaten in die Hand zu nehmen«, wie Faust bei Göthe sagt« er hat nur Feder und Zügel zu führen gelernt, saure Handarbeit ist er nicht gewohnt. Ebensowenig hat er aber auch Lust, in unedler, erniedrigender. Weise sein Brod vor den Thüren der Leute als Bettler zu suchen. Weil man ihn nach der irrthümlichen Auffassung seiner nach- herigen Handluii sweise für einen Schurken hält, glaubt man meist hier sich berechtigt, weidlich auf ihn als einen ebenso hoffärtigen wie trägen Gesellen zu fchelten: ,,er ist« zu träge und entnervt, als daß er noch arbeiten könnte und wollte, und andrerseits ist er u stolz und hochmüthig, als daß er betteln könnte«. ir müssen aber vielmehr ein Kennzeichen seiner Klug- seit darin erblicken, daß er zur rechten Zeit sich vor- ält, was für eine Zukunft ihm bevorstehen würde, wenn er nicht Vorsorge träfe, sie abzuwenden: es würde nach seiner Amtsentsetzung ihm nichts übrig bleiben, als zunächst sein Brod mit Tagearbeit zu ver- dienen; aber da er hierzu nicht taugt, würde nicht einmal in folchen Dienst jemand ihn dingen, er hätte also nur das Eine noch vor« sich, sich auf den» Bette! zu käm, und dazu mag er nach einem ganz kåereåljtibgtenJ hågesiåhh wie ås in dcekr koben angieåührtåix te e ei . ira zum us ru ommt, i ni entschließen Sein ganzes Herz sträubt sich mit krampf- hafter Angst dagegen; und eben diese Angst macht ihn ersinderisch, einen Ausweg-zu treffen, den sein Zerr nachher selber als einen klugdenß agierkgnnlen ergegenwärtigen wir uns nun, a er . ei an ei seinem Gleichniß in erster Linie die Zöllner vor Augen hat und halso hier deren Lxerlegensekt sclgildcäåhßin dig ie geraten waren, as ie in oge er u - un Erweckungspredigten des Täufers und seines Nach- folgers erkannten, wie es init ihrem bisherigen Lebens- betrieb ein Ende habe, da es sich aber fragte, was für eine Lebensstellung sie sich» erwählen sollten, so rsinrd uns alägs klar wer-send· cgiackhn denhhxådziåiscllzåisi omern zu er zeu en ur ie ne ungi gedient und ihr·an slickzschon ehrlnsesAmt noch dazu im Dienste der eigenen Habfucht schandlich gemißbraucht hatten, waren, was Ehre und Achtung in der bürger- lichben Gfesellsckåifitfh Fu dber sie gehorten(;).Mof.d14k; 4ttf.), an etri t, vo än ig an erott gewor en un a en da ihre· Existenz· so gründlich verdorben, daß sie, auch wenn sie Vermogen genug besaßen, um sorglos und geqifeckint lebfenlznchkönäetxilf gleitchtdnohl innfinosäaligsliilger ini au gei er emi en imjui en er- tsum noch weit schlimmer als bei uns geachteten s ettlerii (Ps. 37, 25; 109, 10; Hiob 20, 10) standen, indem da nur Gebrechliche (Kap. 18, 35; Joh. I, 8; Apostg Z, B) um Almosen ansprachen lnoch heutzutage gsgs ssssknspsshxkgg Essxxkss «» III; VIII« hing; ier er eeerein uei. n andere Banqueroteur dieser Art, der»durch unsittlichen und ausschweifenden Lebenswandel sich um Ehre und Repkntlcftion gelåracht hattxåchtizilißte dvielzkgchtsdamg sigh zu e en a er ein u er er ari aer ur e und fortcin mit desto größerer Strenge die Aufsätze defchAelbtesten Cnnd den väin sdezi ckchckiziftgelehrten vog- ge rie enen eremonien ient eo a tete —- er wur e da in geistlicher ginsicht ein Tagelöhner, wie ja in Kap. 15, 25 die childerung des ältesten Sohnes: ,,er war auf dem Felde« in der That auf den werkdienerischen oder Tagelöhner-Geist des Pharisäismus anspielt; den Zöllnern aber war es wohl chon äußerlich verwehrt, in diesen Orden einzutreten, man hätte niemand von ihnen aufgenommen, so daß das ,,grabcn mag ich nicht« ebenfalls eine Anspielung enthielte. Da ist denn das Verhalten des Haushalters, was er gegen die Schuldner seines Herrn in dem von uns aufgestellten Sinne beobachtet, ein trefflicher Fingerzeig für die Zöllneiz wie sie schon in dieser Welt ihre Ehre wiederherstellen könnten; was Zachäus in Kap. II, 8 sagt, spricht das Bewußtsein aus, daß der Verachtung gegenüber, welche noch immer gegen ihn und sein Haus unter den Leuten sich kund giebt, er doch wohl wieder Anspruch auf eine geachtete Lebensstellung habe. Wenn nun. gleich Pharisäer und Schriftgelehrte und das von ihnen be- herrschte Volk sich niemals dazu verstehen würden, einem olchen Anspruch auch gerecht zu werden, so waren doch Andere da, von denen die Zöllner sich versprechen durften, in ihre Häuser aufgenommen zu werden: das war die Gemeinde dessen, der sich ihrer angenommen, mit ihnen gegessen und wohl auch Herberge bei ihnen esucht hatte (Kap. 15, I; 19, 5), und an Gelegenheit slollte es ihnen jetzt und in Zukunft nicht fehlen, sich dieser Gemeinde nützlich zu machen und ihnen selbst eine gute Stufe zu erwerben und eine große Freudig- keit im Glauben in Christo Jesu (l. Tini. 3,13. Wir können, um uns nicht zu weit auszudehnen, die Gedanken, welche sich bei einer folchen Fassung des Gleichnisses entwickeln, nicht weiter verfolgen, sondern müssen mit diesen Andeutungen uns begnügen; jeden- falls wäre es gut, wenn die Auslegung nicht ferner- hin ihre Kräfte an die Uebersetzung eines schurken- haften Streiches des Haushalters, wie man in V. 5—7 ihn erblicken zu müssen glaubt, in das dem Christen gebührende kluge Verhalten in Betreff des zeitlichen Gutes verschwenden wollte, sondern erkennete, daß sie mit dem herköminlichen Verständniß des in V. 3—-8 Gesagten auf falscher Fährte sich befindet, um künftig ganz neuen Gedankenkreisen sich zu öffnen, in dem nun auch das »der Herr lobte den ungerechten Haushalter, daß er klüglich gethan hätte«, in einem Lichte erscheint, wo die Umsetzung des »Herr« in ein ,,HErr« keine großen Schwierigkeiten bereitet. Jn Betrefs des J, Verses können wir nun wieder Andere reden lassen. Jesus beginnt die Anwendung des Gleichniges mit jener beschämenden Vergleichung zwischen den indern dieser Welt und den Kindern des Lichts (Joh. 12, 367 Ephes. 5, S; l. Thess 5, 5), indem er jenen größere Klugheit beimißt. (v. Gerlach.) Zwischen beiden ist ein Unterschied, wie gwischen Licht uiid Finsternis« die Kinder der Welt sin die, so dieser Welt mit ihrem Herzen angehören und ihre Güter sich zum Götzen machen, dem sie mit ihrer ganzen Liebe dienen; die Kinder des Lichts hingegen sindGottes Kinder, wieder- geboren durch den heil. Geist, Gott angenehm durch . en Glauben an Jesum Christum, Menschen im Dienste Gottes, die der Heiligung nachjagen und mit uten Werken nach dem ewigen Leben trachten. Das ist der Unterschied; aber darin thun es die Kinder der Welt den Kindern des Lichts zuvor, daß sie klüger sind »in ihrem Geschlecht«: sie zeigen mehr Verstand und Eifer im Dienste der Welt, als jene ini Dienste Gottes; sie wenden mehr Mühe und Fleiß darauf, um in irdischen Dingen reich zu werden, als jene, um selig zu werden, mehr Anstrengung und Umsicht, um sich in leiblicher Noth zu helfen, als jene, um ihre Seele von deii drohenden Gefahren der Sünde und des Todes zu retten —- es könnten die Kinder des Lichts Vieles von ihnen lernen. (Thomasius.) Als ein kluger Mann bedachte der Haushalter die Zukunft und benutzte den Rechte Klugheit macht sich Freunde mit dem zeitlichen Gut für die Zeit des künftigen Darbens 803 Augenblick; er wendete nun feine Macht, die ihm noch gelassen war, zum Vortheil Anderer an und wußte, daß zuletzt der tneifte Vortheil davon gerade ihm zufiel. Auch du hast den meisten Segen von dem, womit du Andere gesegnet. (Gerok.) Jn Matth 6, 24 stellt Jesus den Reichthum als einen Götzen dar, der das ganze Herz einnehmen und dem man nicht neben Gott dienen könne, weil dieser auch das ganze Herz in Anspruch nehme; an unsrer Stelle dagegen mahnt er: ,,benutzt das mit vieler Ungerechtigkeit durchflochtene Erdengut dazu, daß ihr es zu Liebeszwecken anwendet, thut den armen Kindern Gottes Gutes — sie können einmal für euch zeu» en«. (Fronn1üller.) Der irdische Besitz trägt —an sich Felber schon den Charakter der Un- gerechtigkeit an sich, nicht erst unser Thun macht ihn ungerecht. Wenn die Mittel des irdischen Vermögens reden könnten, wieviel müßten sie erzählen von Sünden, zu denen sie gedient, von Thränen über bittere Un- gerechtigkeit, die an ihnen hängen, von Stacheln des Gewissens, die sie zurückgelassen in der Hand dessen, der sie besessen, von Unfrieden, den sie gestiftet! Mit — Schrecken nur mögen wir etwa daran denken, zu was die Münze, die durch unsere Hand eht, schon gedient hat: wir sollten sie oft mit dem Schreckensschauer be- rühren, mit welchem wir eine Stätte betrachten, die Schauplatz großer Greuelthaten gewesen. Es liegt eine furchtbare Macht der Versührung in dem Mammon; davon mögen Zeugniß geben die, deren Lebensberuf das Erwerben und Gewinnen im Handel und Wandel ist, wenn sie redlich sein wollen, wie schwer oft der Trug dabei zu vermeiden, wie schwer das Gewissen dabei rein zu halten ist. Aber auch der, welcher nichts sounmittel ar erwirbt, der für einen andern Beruf seinen Lohn als Verdienst empfängt: wie schwer mag es ihm oft werden, in der That mehr feinem Berufe als dem Verdienen zu leben, sich nicht blenden zu lassen durch den Gewinn, daß das Auge seitwärts schiele von dem ei entlichen Ziel und der Aufgabe feines Lebens ab; - nd wenn wir denken, wie auch an dem scheinbar ehrlichften Verdienst sich eine ganze Kette von Gewissensfragen anschließen mag: habe ich auch wirklich verdient, was ich empfangen? habe ich dafür eleistet, was ich fchuldig, was mir möglich war? ift kein Würdigerer hinter mir zurückgestanden? leidet niemand dadurch? — o siehe, da mögen wir wohl sagen: HErr, verzeihe mir die verborgenen Fehler, die an dem ungerechten Mammon hängen; ja, nimm auch den Fluch weg, der aus dem, was ich als Erbe, als Geschenk empfangen, vielleicht mir unbewußt lie en mag! Und wenn wir davon absehen, wie der Bekfitz in unfernHänden sei, auf welchen Wegen er darein ekomment wieviel Anlaß giebt er als Besitz zum falfchem eines,Gotteskindes nicht würdigen Bauen und Trauenl Unabliifsigsgiebt er Gelegenheit, sich in eitler Freude nichtiger eise damit zu beschäftHgen, sich dadurch dem Dienste Gottes zu entziehen. uch liegt eine verborgene, aber tief gewaltige Macht der Verfuchungxdarim sich über seinen Nebenmenschen zu erheben. s ist ein Uebermaß thörichter Hoffahrh um des Besitzes willen, den ich mir nicht selbst gegeben, der mich selbst nicht verändert, sich mehr zu dünken als ein anderer Menschx und doch wird kaum Einer zu finden sein, der davon frei wäre, selbst ein ganz armfeliger Besitz giebt eine Hossahrt, auf den noch Aermeren von oben herab u sehen. Ja, dem unge- rechten Mammon ist ein Gift der Versührung wie ein- gegossen. (Weizsäcker.) Vom ungerechten Mammon redet der HErr, also von jener geheimnißvollen und doch oberflächlichsten Macht, die die Welt regiert, von jenem nichtigsten und doch mächtigften Ding auf Erden, das wir Geld nennen, so nichtig, daß Berge davon dem Wüftenpilger nicht einen einzigen rettenden Trunk Wassers erkausen können, und doch so mächtig, daß der Erdenpilger —- wie oft! — Ehre, Tu end, Ge- wissen, die unsterbliche Seele dafür verkauft. on diesem Ding, das in der Welt zum Mammon geworden ist, d. h. zum ficheren Verlaß, zum Götzen, auf den man sein Vertrauen setzt, redet der HErr; er will uns zeigen, wie dieser allmachtige Mammon dem Gerichte Gottes gegenüber so absolut nichtig ist, wie er aber gleich- wohl in den Händen gottwohlgefälliger Klugheit mächtig werden könne bis in’s ewige eben hinein. Er preist daher uns diejenige Klugheit an, die das irdische Gut hingiebt um einen Schatz im Himmel zu haben, die es freigebig austheilt an die Schuldner des roßen Eigenthümer-s, an die armen, nothleidenden Brüder, weil es so erst wahren, bleibenden Segen zu stiften vermag, weil es, hingegeben in der flüchtigen Gegenwart, dazu helfen kann, hinter Tod und Gericht eine sorgenlose ewi e Zukunft zu fichern. Gerade das Umgekehrte seines rüheren Verhaltens beobachtet der Haushaltert vorher wollte er seines Herrn Reichthnm selber genießen, nun läßt er ihn Andern, die ihn brauchen können, zu gute kommen; vorher, da er nur an sich selbst dachte, hat er sich mit allen diesen Gütern nicht weiter geholfen, als bis zur Absetzung und Ge- richt, nun da er sie freigebig aus den Händen giebt, for t er erst wirklich für sich selbst, indem er sich eine Zu ucht sichert über Absegung und Gericht hinaus, eine freundliche Aufnahme ei denen, die er so reich bedacht, so lan e er’s konnte. Aber wie, wenn der HErr sagt: ,, nd ich sage euch auch, machet euch Freunde mit dem ungerechten Mammon, auf daß, wenn ihr nun darbei, sie euch ausnehmen in die ewigen Hüttenl« ist denn das nicht Werkge- rekhtigkein Verdienst der Werke trotz der panlinische1t, trotz er reformatorifchen Lehre, die sich stets auf die Schrift beruft? ist denn das ni tVermittelnng von Nothhelferm ein in den Himmel ommen durch Für- sprache von Menschen, ganz wie die römifche Kirche es von ihren Heiligen, von ihrer Jungfrau Maria be- hauptet? Nun, der Leser der heil. Schrift wird sich chon daran gewöhnen müsskslh den HErrn kühne und befremdliche Worte reden zu hören, unbesorgt um Mißverständniß und Mißdeutungx er weiß, daß, wer ihm überhaupt sein Herz aufthut, nicht nur eins sei- ner Worte annimmt, um das andere zu verachten, sondern eins an’s andere hält und so, Schriftwort an Schriftwort erklärend, vor Jrrthum und Fehlgang be- wahrt bleibt. Das Evangelium ist ein lebendiges un- zertrennliches Ganze, dies Wort hier aber ist nicht as ganze Evangelium: reißest du es heraus aus dem Ganzen, so muß es dir zum Jrrlicht werden; nimmst du es im Zusammenhang des Ganzen, so offenbart dir’s einen besonderen und eigenthümlichen Strahl der ewigen Wahrheit. (Beyschlag.) Nach dem Ganzen des Evangelii nun ist der Glaube an den HErrn Jesum Christum es alleine, der den Menschen seli macht, aber er wird aus den Werken erkannt, nach den Werken belohnt und gerichtet; denn an den Früchten erkennt man den Baum. Sowie nun der HErr an einem andern Orte (Kap. il, 32) von den Ungläubigen fa t: »die Leute von Ninive werden auf- treten im Geri t mit diesem Geschlecht undwerden es verdammen; denn sie thaten Buße nach der Predigt Jonas’ 2c.«, obwohl er selber der Richter über Lebendige und Todte ist, so sagt er auch hier von den Armen: ,,sie werden euch aufnehmen«, obwo l er allein die Thür ist und allein die Schlüfsel zum im- mel hat. Er will sagen: Wende du dein irdisches Si« 804 Evangelium Lucä 16, 10——I5. Gut nach Gottes Willen zum Dienste deiner Brüder an, so werden sie dir Zeugnis; geben auf denTag des Geri ts; sie werden es gleichsam beweisen, daß dein Glau e nicht todt gewesen ist, deine Liebe nicht blos in Worten bestanden hat, es wird an’s Licht kommen, was du inwendig warst —- und auf solches Zeugnis; hin werden sich dir die Pforten des Lebens aufthun, du wirst aufgenommen werden zum Mitgenossen der Seligkeit derer, an welchen du dein Christenthum durch die That bewiesen hast. (Thomasius.) Der HErr spricht von den Armen als von Freunden, welche in die ewigen Hütten aufnehmen sollen; dies beweist uns, daß der eiche, der sein Gut übel erworben und übel angewendet hat, jedeufalls kein Recht auf das Himmelreich habe, es zeFzt aber auch, daß der Reiche, der sein übel erworbenes ut recht anwendet, deshalb noch kein Recht habe auf die ewigen Hütten— Christi Verdienst bleibt vollkommen und zu unsrer Seligkeit allein giltig; Er ist’s, zu dem sich die Sünder sam- meln müssen, zu dem sich auch die Zöllner gesammelt haben, und erst aus dem Geschenke göttlicher Ver- ebung und himmlischen Friedens geht ein solches hun hervor, wie es in dem Mahnworte des HErrn gefordert wird. So ist denn in Betreff der Freunde, die man sich mit Darangabe des ungerechten Mam- mons erworben, lediglich von einem Ausnehmen und Hinführen der abggchiedenen Seelen in die ewigen Hütten, für die sie s on bestimmt sind, die Rede; man fasse die Worte nur recht treu, und es wird weiter nichts aus ihnen hervorgehen, als daß der ewige König diejeni en, welchen man wohlgethan hat, nachdem man sich be ehrt hatte von Geiz und «absucht, gebrauchen will, un! seine armen, bekehrten« öllner zur Zeit ihres Abscheidens in sein liebes, lichtes Reich und zu seinem Thron einzuführen. Nun sind nicht gerade alle die Armen, sdenen ein gebesserter Reicher wohlgethan hat, zur Zeit seines eigenen Abscheidens schon daheim: etliche können daheim sein, etliche leben noch; wenn man nun die Worte Christi von jenen gan wörtlich u verstehen hat, so muß doch auch eine entsprechende hätigkeit derer, die noch auf Erden leben, angenom- men werden. Was die Abgeschiedenen seliglich erfüllen dürfen, das erbitten die lebendigen Armen: jene füh- -ren ein in die ewigen Hütten, diese bitten darum; diese geleiten ihre Wohlthäter bis zu den Pforten der Ewigkeit diesseits, jene empfangen sie an den Pforten jenseits. (Liihe.) spMit Gold kann man keinen Platz im Himmel kaufen, wohl aber sich einen guten Em- pfang in dem, dem Glauben schon geöffneten Himmel bereiten. «(v. Oosterzee.) Das Gleichniß vom ungerechten Haushalter ertheilt uns l) eine Er- innerung an die Rechenschaft, die wir von unserm Haushalten geben müssen; Z) eine Belehrung über die Natur und die Versührungsmacht des irdifchen Ve- sitzesx Z) eine Ermahnun zu der rechten Treue in seiner Anwendung. sWeizxsäckerh Der ungerechte Haushalter wird uns vom HErrn vorgefiihrt1) zur Lehre, Z) zur Warnung, 3) zur Nachah- niun .- (Thomasius.) Das zwiefache Verhalten des aushalters: l) ein anfängliches thörichtes, das um Gericht führt; L) ein naehheriges kluges, das aus em Gericht errettet. Geyschlajgh Das Kind der Welt ein Meister in der lugheit: l) es übersieht klar die ganze Lage, L) es erkennt scharf den Werth des Augenblicks, Z) es findet gleich die rechten Mittel, 4) es geht entschlossen an das nöthige Werk, b) es sorgt sicher für die Zukunft. (Nebe.) Was ehört zur christlichen Klugheit bei der orge für unser ewi es Heil l) täusche dich nicht über dein Verhältnis; zu Gott; 2) erwäge mit aus, was zu deinem Besten dient. Ernst, was du gewiß zu erwarten hast; Z) entschließe dich schnell, was du thun willst; 4) führe ungesäumt (Couard.l Die rechte Klugheit: l) sie bleibt eingedenk der letzten Rechenschaft, Z) sie hältHaus mit der kurzen Gnaden- zeit, Z) sie macht sich Freunde auf den Tag, da Hilfe noth thut. (Gerok.) 10. lDie alltägliche Erfahrung bezeugt:] Wer im Geringsten treu ist, der ist auch im Großen treu; nnd wer im Geringsten unrecht [unrechtschafsen, treulos] ist, der ist auch im Großen unrecht. 11. So ihr nun sum diesen Erfahrungssatz aus dasjenige Gebiet insonderheit anzuwenden, auf welchem sich meine Rede in V. 1—9 bewegte] in dem ungerechten Mammon salso dem Geringsten] nicht treu seid, wer will euch das Wahrhaftige soder das Große, nämlich die himmlischen Güter] vertrauen? . 12. Und so ihr in dem Fremden snämlich in dem zeitlichen Besitz, der doch nie euer wirkliches Eigenthum wird] nicht treu seid, wer will euch geben dasjenige, das euer ist sdas ewige Erbe]? » 13. lTreu aber in dem ungerechten Mam- mon, in dem Fremden oder Geringsten könnet ihr nur werden, wenn ihr aller Liebe zu deut- selben euch entschlaget und die Liebe zu Gott allein und ausschließlich euch beherrschen laßt; mit einer zwischen beiden Herren getheilten Liebe dagegen geht es nicht, wie ich schon früher euch gesagt habe Matth· S, 24.] Kein Hausknecht kann zween Herren dienen: entweder er wird einen [Gott, den wahren Herrn] hassen, und den andern sden Mammon, diesen falschen Herrn] lieben; oder wird einem suämlich Gott, von ganzem Herzen] anhangem und den andern snäknlich den ungerechten Mammon] verachten. Ihr könnet sieht Gott sammt dem Mammon [gleichzeitig] icllclb Es ist, als sähe der HErr den Einwand voraus, daß er die getreue Verwendung und Verwaltung eines so nichtigen und vergänglichen Guts, wie das irdische, u hoch stelle; um diesen Einwand abzus neiden, führt er in V. 10 einen allgemeinen Grund atz an, den er dann in den folgenden beiden Versen sofort anwenden es ist unmöglich, zu gleicher Zeit im Grö- ßeren wirklich treu, im Kleinen aber untreu zu sein. Die wahre Treue hat ja ihren Grund nicht in der Größe der Sache, an der sie bewiesen wird, sondern in dem gewissenhaften Pflichtgefühl dessen, der sie übt. Wem sie also im Kleineren fehlt, der wird sie auch in wichtigeren Verhältnissen nicht beweisen; wem es wirklich eine Lust ist treu zu sein, der wird ni ts, es sei groß oder klein, gering oder seiner Aufmerk amkeit unwürdig achten, Sir. 5, 18. (v. Ooster ee.) Das Kleine oder Geringste nun, wel es der H rr hier im Sinne hat und es deshalb in . l0 immer voran- stellte, ist das trügeris e, ver ängliche irdische Gut; auch wenn es Rothschil ’sche illionen wären, ist es ja doch nur das Wenigste und Geringxe was einem Menschen anvertraut werden kann (1. or. s, 2 u. 3 Wer im Geringsten treulos ist, der ist auch im Großen untreu. —- in V. 11 f. steht es als ungerechter Mammon gegen- über dem Wahrhaftigen und als Fremdes gegenüber dem, das ,,euer« ist. Worin nun die Treue in diesem ,,Geringsten« besteht, braucht der HErr nicht mehr zu sagen, denn er hat es vorhin gesagt (V. 9): man soll des irdischen Guts sich innerlich im Herzen entledigen und auch äußerlich sich desselben entchlagen, indem man sich damit Freunde für die Annahme in den Himmel erwirbt. Aber gegen eine olche Vorschrift sperrt sich das natürliche Menschenherz mit aller Ge- malt; seinen Gedanken zufolge ist vielmehr zusammen- bringen, zusammenhalten, veras ecurireu und alle Mühe und Fleiß, alle Zeit und rast an dessen Cul- tivirung setzen die rechte Treue gegen das zeitliche Gut, man dürfe auch nicht zu weit gehen in der Verwen- dung für die Interessen des Reiches Gottes und für den Dienst der nothleidenden Brüder, sonst begehe man eine Untreue, eine Verschwendung. Dergleühen Vorstellungen haften nur zu leicht auch gläubigen Christenherzen an; darum hat es der HErr jn V. 11 u. 12 mit der wirklichen Untreue, wie Er sie ver- standen wissen will, zu thun und schildert ihre große Gefahren, um dann in V.13 die Herzen seiner läu- bigen mit Wiederholung eines Spruches aus der Berg- predigt von der Liebe zum Mammon, von der ja alle jene falschen Vorstellungen und verkehrten Grundsätze eingeåkben sind, loszureißen. Jrdisches Gut, so giebt das ort in V. II zu verstehen, ist an sich selbst werthlos, ja, ein bedenklicher nnd efährlicher Besitz; es ist und bleibt ein ,,ungerechter ammon« und darf nimmermehr dem ,,Wahrhafti en« ge enüber sich breit machen: ,,jedes Fünklein geitlicher abe aus Gottes Gnadengabe ist gegen dies Geringste ein Großes-« Jrdifches Gut, so bezeugt dann weiter das Wort in V. 12, ist dem zum ewigen Leben berufenen und nur als Gast und Pilgrim in dieser Welt fhausenden Christen ein »Fremdes«; kein Menfch dar es sein eigen nennen, es ist einem jeden Menfchen nur für eine unbestimmte Zeit eliehen, kann in jedem Augen- blick schon diesseits im plötzlich wieder genommen werden und jedenfalls fällt es bei seinem Sterben von ihmsab, wie Kalt von der Wand. Der Christ dagegen hat etwas, das er sein eigen nennen dar ; davon send die Erstlinge schon hienieden ihm zu Theil geworden, das Vollmaß aber erwartet ihn droben im Himmel als unvergän liches und unbeflecktes und unverwelk- liches Erbe. nrecht und treulos egen seinen Herrn wurde der Haus alter im Gleichnig dadurch, daß er des ungerechten ammons begehrte und das Fremde für sein Eigenes ansah; als es aber mit ihm von der in den Tag hineinlebenden Thorheit zu der voraus- schauenden, die Zukunft sichernden Klu eit sich wendete, da entschlug er sich des ungere ten ammon in den 50 Tonnen Oels nnd den 20 alter Weizen, die er durch Uebersatz sich angemaßt und gab das Fremde an diejeni en zurück, denen er es abgepreßt hatte. Dadurch is er ein Vorbild geworden für die Treue im Geringsten, um das es hier sich handelt, für die Treue im Geringsten, der dann auch das Große kann anvertrauet werden. ,,Gleich einem reichen Vater, der seinem Sohne ein Landgut von geringem Werthe übergiebh um ihn auf die Verwaltung seines Erbguts vorzubereiten und seinen Charakter auf die Probe zu eigen, setzt Gott aus Erden sichtbare, äußere Güter den tausenderlei Mißbräuchen unsrer untreuen oder ungefchickten Verwaltung aus, damit ans dem Ge- brauch, den wir davon machen, einmal für jeden von uns die Besitznahme oder die Entziehun des wahren, ewigen Guts sich ergdebz welches unsrer innersten Natur entspricht (Go et.) Wer wollte Einem, »der 805 in der Verwaltung fremden Gutes, wo ihn die Scheu vor dem Ei enthümer sowie eine gewisse Aufsicht des- selben im aum gehalten, nicht treu gewesen, ein großes Vermögen zu eigenem, nnbeschränktem Ge- rauche anvertrauen? Die vergän lichen Güter der Erde nun sind dem Menfchen schon Feine-r unsterblichen Natur nach, vorzüglich aber dem Gläubigen, der dein Himmel angehört, fremdes Gut, welches er auf unge- wisse Zeit nach Gottes Willen in Händen at; jenseits aber empfängt er das seinem inneren eben ange- messene unvergängliche Erbe zu bleibendem Eigenthum. Die rechte Sinnes- und Handlungsweise, die Treue, ist nun dann allein dem Christen mö lich, wenn er nicht dem Fremden, dem Mammon, sich zum Knecht ergeben hat. Der Dienst des Mammon ist es, der an dem rechten Gebrauch desselben am meisten hindert; dieser rechte Gebrauch besteht vielmehr darin, daß man sich seiner im DiensteGottes entäußerh Kap- 12, 33 u. 34. (v. Gerlach.) VL o. 14-18. (§. en) Juden: de: are« i« de: so even dargelegten Weise seinen Jüngern und unter ihnen be- sondere den bußfertig nnd gläubig gewordenen Zöllneric einen heilsamen Unterricht ertheilt, wie fie zu dein un- gerekht erworbenen Mammon hu) Zu flellen nnd nach dem Exempel der ungereehten tjanghaltereg der feine irdische Zukunft litäglich net) zu sckhern wußte, ihre himmlische . Zukunft für die Zeit ihren Jlbfeljeidens von der Welt zu bedenken haben, benierlit er wohl, daß die Pharisäer seiner spalten; denn sie haben ntchttcuh von ihm guten Rath anzunehmen, smd vielmehr fo weltfelig und geld- hungrig, daß sie ganz andere ihr Leben anzustellen ge- denken und ihre eigene Klugheit in Gebrauch des Mam- moug für die rechte schätzen Da wendet er sich denn jetzt an diese Spötter in einigen äusserst-lieu, wtlche be- reits dar Gleikhnisi des folgenden Jlbflhnitte anbahnen; dieses tritt aber, wie wir hernach sehen werden, nitht fogtetth ein, sondern ertt nach einer Ualerbeechnng die ca mit der Frage der Ehefazeidnng zu thun hat nnd bei unsern! Eoangetilien nur durch den an die Sänger ge— richteten Schlußsatz der ganzen Verhandlung uiarleirt ist, während wir diese selbst in Aatth.19,·3——12 n. Mark. 10, 2—12 nachzulesen haben. 14. Das alles swas Jesus in V. 1-—13 zu seinen Jüngern sagte] höreten die Pharisäer auch [denn die ganze Verhandlung geschah ja in ihrer Gegenwart und nahm zugleich mittelbar auch auf sie Bezug], die waren [aber ihrer ganzen Herzens- richtung nach] geizig [Liebhaber des Geldes und Diener des ungerechten Mammon, so sehr sie auch äußerlich sich den Anstrich gaben, als wären sie Verehrer Jehova’s und die eifrigsten Vertreter gesetzlicher Gerechtigkeit] Und spotteten [nun, weil namentlich sein letztes Wort in V.13 mit ganzer Schwerkraft ihr Gewissen traf] fein [indem sie die Nase rümpsten und durch Geberden einander zu verstehen gaben: ,,es ist ganz erklärlich, wenn einer so verächtlich vom Gelde redet, der selber keins hat —- wäre Er auch reich, wie er’s im Herzen gewiß gern wäre, so würde er wohl nie- mandem zumuthem sich feiner Güter zu entledigen nnd sie mit vollen Händen den Armen in den Schooß zu schütten« V. 9]. 15. Und er sprach zu ihnen: Ihr seid-e, 806 Evangelium Lucä 16, 16——19. die ihr euch selber rechtfertiget vor den Menschen [ihr versteht freilich die Kunst, vor den Menschen euch so darzustellen, als wäret ihr ganz recht be- schaffene Leute, wahre Ausbünde von Heiligen, gegen die niemand aufkommen dürfe, und wenn eins meiner Worte euch trifft, so meinet ihr, um eurer hohen Ehrenstellung im Volke willen, das ja eure Tugenden bewundere, euch getrost darüber hinwegsetzen zu können]; aber Gott kennet eure Hetzen«[Pf. 7, 1()., und nach göttlichem Urtheil geltet ihr für das gerade Gegentheil von dem, was ihr äußerlich zu sein scheinet, so daß es um eure hohe Ehrenstellung im Volk ein gar miß- liches Ding ist]. Denn was hoch ist unter den Menschen sdieses ganze, vor den Menschen mit einem so blendenden Schein umkleidete, aber in-i nerlich hohle und Unwahre Wesen, darauf ihr euch so viel zu gute thut], das ist swie ich euch bezeugen muß] ein Greuel bot Gott. Its. [Und nun ist auch die Zeit eurer an- gemaßten Größe und Herrlichkeit, da ihr auf Mosis Stuhl sitzet Matth. 23, 2., allbereits im Verfchwinden begriffen, wie die alttestamentliche Haushaltung der ihr angehört und über die ihr nicht hinauswollh selber fchon angefangen hat, seiner andern das Feld zu räumen] Das Gesetz nnd die Propheten [so habe ich fchon damals in Galiläa, als der Täufer seine Laufbahn nun vollenden sollte, gesagt Matth. 1l, 12 u. is] lveissagen bis auf Johannes sdaß von diesem ab die neue Ordnung der Dinge eintreten werde]; undswie sie geweissagt haben, so geschieht es jetzt in der That:] von der Zeit an [wo Johannes erschienen und alsbald an seine Stelle Der ge- treten ist, auf den er über sich hinausgewiesen hat Kap. Z, e. 16 f.; Joh. 1- 26 f.] wird das Reich Gottes dnrch’s Evangelium smit der frohen Botschafh daß es nunmehr herbeigekommen sei] gepredigeh nnd jedermann sbis auf die Geringsten und Verachtetsten im Volk herunter, ja vor allen Andern gerade diese Klasse der Zöllner und Sünder] dringet mit Gewalt hinein [Kap. 7, 29; 15, 1., dagegen bleibet ihr, wie jener ältere Sohn, murrend draußen stehen Kap. l5, 25 ff.; 7, 30., damit aber werdet ihr den Verlauf der Dinge nicht aufhalten, vielmehr wenn die gesetz- liche Ordnung, auf die ihr euren Thron in Jsrael gestellt habt, vollends zusammenbricht, unter ihren Trümmern begraben werden]. 17. Es ist aber [was ich da von einem Zu- sammenbruch der alttestamentlich-gesetzlichen Haus- haltung sage, nicht so gemeint, als sollte das Gesetz selber aufgelöst und außer Geltung gesetzt werden; was ich gleich zu Anfang meiner evan- gelischen Heilspredigt zu meinen Jüngern gesagt habe Matth. 5 , 17 f., das wiederhole ich jetzt euch gegenüber ausdrücklich, um falsche Beschul- digungen eurerseits abzuweisen: es ist] leichter, daß Himmel und Erde vergeben, denn daß Ein Titel vom Gesetz [auch nur ein einziges Häkchen oder Strichlein von den Buchstaben seines Wort- lautes] falle [Röm· 3, 21., und nun ist es gerade die fortdauernde Giltigkeit des Gesetzes, was das Gericht der Verwerfung und Vernichtung über euch heraufführt Joh. h, 45 ff.]. Bis hierher eht die Rede des HErrn wider die Pharisäer und chriftgelehrten, so daß die mit Kap- 15, l beginnende Verhandlung vorläufig ihren Abschluß erreicht hat. Die Widersacher zogen sich wohl für jetzt zurück, hatten aber bald eine versu liche Frage ausfindig gemacht, auf welche sie eine ntwort von ihm erwarteten, dadurch er seiner eigenen Erklärung in V. 17 zuwider das Gesetz auflöse; es ist das die Frage, die in Matth. 19,2; Mark. 10,? an ihn gebracht wird: ,,ist’s auch recht, daß sich ein Mensch scheide von feinem Weibe um ir end eine Ursach?« denn da sie seine Auslassung in atth. 5, 31 f. wahrscheinlich fchon kunnten, gedachten sie, wenn er abermals damit hervortrete, ihn des Widerspruchs mit 5. Mos 24, 1 zu zeihen. Sie greifen nun. auch, da er auf I. Mos. 1, 27 sie verweist, um die Unauflöslichkeit der Ehe » ihnen als die rechte Lehre der Schrift ihren Satzungen gegenüber zu beweisen, auf jene Gesetzes-Stelle zurück, müssen jedoch von ihm abstehen, als er ihnen erklärt: ,,um eures Herzens Härtigkeit willen Bat euch Moses ugelassen, einen Scheidebrief zu schrei en und sich zu scheidem aber von Anbeginn ist es nicht also gewe en·« Aus Mark. 10, 10 wissen wir, daß das Wort, welches Lukas hier weiter folgen·läßt: · 18. Wer sich scheidet von seinem Weibe und freiet eine andere, der bricht die Ehe; und wer die Abgeschiedene von dem Manne [die von ihrem Manne mittels eines Scheidebriefs Entlassene] freiet, der bricht auch die Ehe. nicht ebenfalls zu den Pharisäern geredet ist, sondern i zu den Jüngern, als Jesus mit ihnen daheim war und die Angelegenheit der Ehescheidung nun weiter besprochen wurde; es ist auch in der That kein Grund- fah, der die Pharisäer undSchriftgelehrten auf ihrem alttestamentlich-gesetzlichen Standpunkte persönlich an- ging, sondern der neuen Gemeinde galt, die Christum u ihrem Haupte hatte anstatt des Mose. Indessen sägt doch unser Evangelist den Ausspruch der obigen Rede an als ein Exempel der neutestamentlichen Heils- lehre, die sowenig das Gesetz auflöst, daß sie vielmehr dasselbe erfülltx auf die Veranlassung dazu, die von der versuchlichen Frage der Pharisäer ausging, und auf die Verhandlun mit diesen wollte er nicht näher eingehen, um möglichst bald das nachstehende Gleich- niß vorführen zu können, das seine besondere Bezie- hung zu den Pharisäern im Zusammen ang mit den- jenigen Vorhaltungen hat, die der H rr ihnen in V. 5—- 17 macht, und solcher Zusammenhang durfte dem Auge des Lesers nicht durch jene Zwischenvek handlung verdeckt werden. VlL v.19—31. (§. so) S» ehe« hats-su- mii v»- pharisäera über die Ehrsnieidauggfrage in drr bei Matth. II, 3—8; Mark. 10, 2——9 angegebenen weise verhandelt, da » gelangt an ihn, notti ehe er mit den Jüngern nach Hause sitt) begiebt und diese dort mit ihm sich nach ferner über Ghesaajen bereden Matth. II, 9 —12; mark. 10, 10—12; kalt. Its. W, die Botschaft der beiden Schwestern Maria nnd Marthe: von sethaiiieu Was hoch ist unter den Menschen, das ist ein Greuel vor Gott. Gan. til, 38 ff.): ,,tl)tlirr, siehe, den du lieb hast, der liegt krank« (Ioh. 11, l sf.). Ver Bote hat vom Ort seiner Sendung bis hierher nach ltivias eilten Weg von reichlich 5 itleilen zuriiotztilegen gehabt, mittlern-eile ist der Kranke schon verschieden nnd nach jüdisklzer Sitte auch vor Abend noch begraben; die Botschaft kommt also zu spät, und anrh ein Wort zur Heilung in die Ferne, wie Jesus es früher einige mal gest-rothen (Sloh. 4, 50; Rauh. s, l3), ist nicht mehr an der Bett. Das alles siehet der tjilirr im Geist nnd verstehet sofort die Meinung seines Vaters im Himmel, daß er ihn hier in besonderer weise verherrlikhen wolle, da kurz vorher die Pharisäer die tlase über ihn geriiitipft haben (V.l4) und er sich vor ihnen beweisen musz als den Abschluß der alten Zeit und den Begründer: eines neuen Lebens (v. t6); es handelt sich also nm eine Wiedererwerliiiitg vom Tode, und zwar nm eine solche, die noch! viel sin- nenfiilliger und wunderbarer ist, als die beiden Todten— erwecknngeii in Galiläa Man. s, 41 ff,; 7, ll sf.). Oder tjciirr nun redet im Spriichworh wenn er den Schwestern sagen läßt: »die Krankheit tfl nicht zum Tode«, sie aber haben an dem, was die Wirklirlskeil bietet, Anhalt genug, um in die geislliehe Bedeutung seines Worts einst- weilen suh hineinzulebem bis er kommt, das biälhsel ihnen vollends zu lösen —- wie dagegen steht es mit den Jüngern einerseits und mit den Widersathern andrer- seitst Müssen Die nicht das Wort im bnchstäblictsen Sinne fassen? und müssen sie nicht an der Gottesherr lichkeit Christi irre werden, wenn derselbe nun zwei Tage noch an bemittelt, wo er die Botschaft empfangen, bleibt — in der guten Meinung, wie ke nicht anders denken können, es habe mit der Krankheit des tkazarns keine Gefahr? blau kann den Jüngern allerdings der lhErr späte: noch sagen, wie es eigentlich Acht, und er thnt’s nach Ablauf der zwei Tage (Soh. 11, 7 sf.); doch auch den sbharisaerm so lange Jesus sie noch um sieh hat, muß ein Fingerzeig gegeben werden: ,,l3azarus ist gestorbentc So sehen wir denn den hErrn dem Gleich— niß, das er seinen Widersaehern noch vorzutragen hat, ehe die mit san. l5, l f. begonnenen Verhandlungen völlig zum Abschluß kommen, wirklich diese tlotiz ein- sleehten, indem er denjenigen, von dem er zuerst zu er- zählen hat, daß er starb (v. 22), den Uamen Eazarus beiiegt, welcher tlaine freilich zugleich eine sinnbildliche Bedeutung für das Gleichniß selber hat. Was es nun mit diesem Gleichuiß vom reichen Mann und arm en Eazarns seiner eigentlichen Jlbsicht nach auf sich hat und wie eng es mit dem vorigen Abschnitt zusam- menbringt, darüber können wir erst bei der Erklärung desselben uns näher auslnssen. Evangelium am i· Sonntage nach Ctinitaiis.) Das Evangelium zeigt uns in der Erzählnn vom reichen Mann und armen Lazarus das En e in. seiner zwiefachen Gestalt; wir sollen uns beides vor die Seele stellen, damit wir nicht durch die Welt und ihre Lust uns fangen lassen, sondern die in der Taufe an uns ergangene und dur das Wort Gottes fort und fort an uns ergehende ernfnng treulich befolgen, daß wir das ewige Leben erlangen, denn dazu hat uns Gott berufen. Unsre Schuld ist es, wenn unser Theil einst bei dem reichen Manne ist. (Dieffenbach.) Damit wir nicht vergessen, was uns zu werden und zu thun Ybühre in dieser Zeit, wer- den wir erinnert an eine ergeltung nach dieser Zeit; die Parabel unsers Evangeliums zeigt uns eine solche Vergeltung des gegenwärtigen im zukünftigen Leben, und zwar nach allen Seiten hin, wie der hier Glück- liche dort gepeinigt, der hier Leidende dort beseligt 807 werde. Die Peinigung des Glücklichen ist aber nicht eine Folge seines Gliicks, sondern eine Strafe seiner Gottesvergessenheit und Schuld im Glück; die Beseli- gnug des Leideuden ist ein Se en nicht sowohl seiner Leiden, als seiner Gotterebengeit und seines Gott- vertrauens im Leiden. s ie Manche, die in harter Noth, unter bitteren Entbehrungen oder schweren Krånkungeu durch diese Welt hingehen müssen, aber Gott vor Augen und im Herzen behalten, haben sich schon getröstet mit dem Bild des armen Dulders, der nun in Abrahams Schooße sitzt! Wie viel Mehrere, welchen es hienieden allzdusehr nach Wunsch ergeht, sollten sich das andere Bil zum warnendeu Exempel nehmen: die Qual des reichen Mannes, und war: 1) die Ursach, 2) die Art und 3) die Wirkung seiner Qual. (Grüneisen.) Der Zusammenhang des Jenseits mit dem Diesseitsx 1) das glei e Geschick des Todes, welches Alle im Diesseits tri t, führt die Einzelnen zu einem verschiedenen Geschick im Jenseits ein; Z) das berschiedene Geschick im Jenseits entscheidet sich nach dem verschiedenen Ver- Blten des Menschen im Diesfeits. (Thomasius.) ir sollen das Leben dieser Zeit betrachten lernen im Licht der künftigen Entscheidung, damit wir l) richtig urtheilen über Werth oder Un- tverth dieses Lebens, Z) fcharf erkennen, wieviel von der rechten Benutzung dieses Lebens ab ringt, und Z) es schätzen lernen, was für ein hohes ut uns Gott geschenkt hat in seinem Wort, das uns hinweist auf das andere Leben. (v. Burgen) 19. Es war aber [um besonders euch Pharisäern, die ihr mein spottet V. 14, an einem aus eurem eigenen Lebensbereich entnommenen Falle zu zeigen, wohin der Re1chthum führe, wenn er nicht m der V. 9 angegebenen Weise verwendet wird, was das Darben zu bedeuten habe nnd wie schlimm es um diejenige Seele stehe, die keine Freunde sich erworben, die sie aufneh- men in die ewigen Hütten] ein reicher Mann [in Israel, dem Volke Gottes, welches Mosen und die Propheten hat, aber sowenig dieselbigen hören will V. 29 u. 31], der kleidete sich [aus Prachtliebe und HoffahrtJ mit Purpur ["mit theuren, aus Tyrus in Phönicien bezogenen purpurfarbigen Oberkleidern 2. Mos. 12, 34 u. Jos. 11, 2 Arm] und köstlieher Leinwand saus femstem egyptischen Vyssus 2. 9Jios. 25, 4 Anm. gewebten Unterkle1dern], Und lebte sals einer, dessen Grundsatz war: wie etwas Gutes auf den Leib, so auch etwas Gutes in den Leib! und der überhaupt des Fleisches Lust zu seinem Theil erwählet hatte, vgl. Weish L, 1—9] alle Tage» [als ob· es ewig so fortgehen sollte] herrlich und m Freuden lindem er es an nichts fehlen ließ, wonach das Herz begehrte) Hier haben wir zuvörderst falfche Beschuldi nngen zurtickzuweisein wei es mit dem Manne im urpur ein so granenvolles Ende nimmt, hat man allerlei Anklagen wider ihn zusamtnengerasft, die das strenge Urtheil Gottes iiber ihn erklären und rechtfertigen sollen. Bald muß er ein Räuber und Un erechter heißen, der sein Gut mit Wittwen- und War ent rä- nen nnd dem Flnche geschindeter Leute beladen; ald macht man ihn zum saddueiiischen Freigeist und 808 Evangelium Lucä 16, 20. 21. Spötter; bald zum wüsten Hurer, Schwelger und Trunkenboldx bald klagt man ihn des hartherzigsteiy schmutzi sten Geizes gegen die Armen an. Von all diesem ösen weiß die heil. Geschichte nicht; sie, die alle Dinge bei dem rechten Namen nennt und in allen ihren Zeugnissen Wahrheit ist, tastet die bürgerliche Rechtschaffen eit und Züchtigkeit des reichensMannes mit keiner ylbe an; ja vielmehr berechtigt sie uns zu dem Schlusse, daß es in den Gemächern des vor- nehmen Hauses ebenso ehrbar als prächtig, ebenso an- ständig als fröhlich hergegangen. Der Bewohner dieser Gemächer schätzt den Reiz und Zauber einer verfeinerten Sinnlichkeit viel zu hoch, um sich ihn mit den Ausbrüchen eines groben Lasterlebens zu zer- stören. Aber freilich, darauf beschränkt sich denn auch alles, was zu seinen Gunsten zu sagen; in diesem Ge- nusse einer verfeinerten Sinnlichkeit geht sein Leben und sein Lieben auf, denn er ist sleischlich gesinnt. Fürstliche Kleider, Purpur und feine Leinwand, zu jener Zeit dem Golde gleich geachtet, zahlreiche Die- nerschaft, schöne Landsitze, kostbare Tafel, weiche Pfühle und Teppiche, ausgesuchte Pferde, prächtiges Haus- geräth, das war sein Stolz, sein Schuh, sein Himmel- reich; und dies alles auf die feinste Weise genießen, das arme Erdenleben mit einer möglichst großen Summe von Erdenfreuden ausschmücken, sich in den Formen des Anstands der großen Welt bewegen, An- muth, Schönheit, Schicklichkeit zur Regel des ganzen Hauswesens machen, in Zuvorkommenheit und tausend kleinen Aufmerksamkeiten alles Störende aus dem ge- selligen Umgange fern halten» alle erschütternden Aus- brüche der Leidenschaft, alles verderbliche Uebermaß des Genusses vermeiden, sich allezeit so freuen, daß man sich morgen wieder freuen könne, und einen Tag um den andern mit abwechselnden Reizen schmücken, auch den Sinnengenuß des Gaumens durch gefällige Formen und die damit verknüpften mehr geistigen Er- götzuiåsen des Auges und des Ohrs, des Kunstsinns, -des itzes und der Unterhaltungsgabe veredeln — mit Einem Worte: aus dem reich vorhandenen äuße- ren Gottessegen sich ein Paradies in den Dornacker der Welt hineinhauen und alles, was an den Verlust des ersten Paradieses und die bösen Dinge dahin- ter, Tod, Gericht und Ewigkeit, erinnern kann, von sich ferne halten, darin stand ihm des Lebens Kunst und wahre Weisheit. Wohl mochte es dabei in seiner Bibliothek an kostbaren Handschriften der Thora, des Psalters und der Prophetenbücher nicht fehlen; aber wenn er sie ja zur Hand nahm, so war es nur, sich an den Schönheiten des Styls, an der Tiefe der Ge- danken u ergö en, ohne ihrem Jnhalt weiteren Ein- fluß auf sein eben zu gestatten. Wohl brachte er reiche Opfer an Stieren, Widdern und Lämmern dem HErrn, aber von dem Opfer eines zerschlagenen Her- zens wußte er nicht; wohl hatte er Priester und Le- viten unter seinen Freunden, aber nicht, um ans« ihrem Munde das Gesetz des HErrn und seine Furcht zu lernen, sondern um sich von ihnen auf eine feine Weise über seine, des hochgestellten Mannes, Recht- läubigkeit und Frömmigkeit als einer Zierde des gauses Abrahams preisen und in seinen Reichthümern die greifbaren Segensspuren des göttlichen Wohlge- fallens aus 5. Mos. 28 nachweisen zu lassen. Wohl hat er kein boshaftes, gall-, zank- und proceßsüchtiges ondern bei glücklicher Mischnng seiner Säfte ein von Hause aus wohlwollendes und friedfertiges Gemüth — wie könnte er sonst alle Tage so srözlich sein? — aber die höhere Liebe und Freude in ott kennt er nicht, wie er Gott selbst nicht kennt. Wohl ist sein Herz kein Nabals-Herz, vom sparenden Geiz umstrickt, es kann freigebig sein mit dem Ehrenpfennig, splendid für öffentliche, wohlthätige Zwecke, und auch den La- zarus da, den Andere an seiner Stelle um des un- ästhetischen Anblicks willen längst weggetrieben hätten, duldet er, in seinem Gewissen gehalten, vor seiner Thür und läßt ihn von den Ueberbleibselnseiner Tafel sich sättigen —— dieses Bettlers Daliegen ist nur eine neue Art von Decoration für das reichgeschmückte Haus, nämlich das Zeichen, daß hier ein Mann wohnt, bei dem für solche Elende täglich etwas abfällt; aber weiter auch kann er für die eigene Person auf ihn und seine Nothstände sich nicht einlassen, das würde auf sein verwöhntes Auge widrig wirken, das würde seine reizbare Phantasie mit ekelhaften Bildern oder sein Herz gar mit Mahnungen an eine vergeltende Ewigkeit nach der Prüsungszeit des irdischen Lebens erfüllen, bei denen der Scheinfriede desselben übel we«käme. (Rosfhack.) Was ist dem Manne damit Schlechtes nachgesagt, wenn es von ihm heißt: er kleidete sich mit Purpur und köstlicher Leinwand und lebte alle Tage herrlich und in Freuden? Auf den ersten Blick gar nichts Schlechtes —- nicht daß er ein blutsauender Wucherer, nicht daß er ein Peiniger seiner ntergebenen, nicht daß er ein Sklave gemeiner Lüste, auch das eigentlich nicht, daß er ein unbarm- herziger, herzloser, geiziger Mensch gewesen; zunächst ist blos gesagt, daß er des irdischen Lebens Glanz, Pracht und Herrlichkeit gehabt und — daß er’s auch genossen habe. Jst also kein Tadel über ihn ausge- sprochen? doch — aber in diesen Worten nur ein ganz leiser, einer, den man nur sieht, wenn man genau zu- sieht. Er ,liegt in den Worten ,,alle Ta e« »— er lebte alle Tage herrlich und in Freuden. enn alle Tage des Lebens nur in Genuß hingehen sollen, wenn kein Tag ernstlicher Einkehr in sich selbst, kein Tag des Besinnens über -sich selbst und den Zweck des irdischen Lebens, kein Tag, an dem man sich Rechenschaft giebt über sich selbst und sich demüthigt, kein Tag, an dem man Zeit findet, sich einmal zur Noth eines armen Lazarus herab zu lassen, die Tage des Genusses un- terbricht, seien es die Tage des gemeinen Sinnenge- nusses oder der verfeinerten Genüsse der vorne men, gebildeten Welt, so ist das allzuviel. Das Leben, welches sich so wie das des reichen Mannes in’s Kurze zusammensassen läßt, das kein anderes Ziel gehabt hat, als das Leben von Tag zu Tage so viel als möglich zu genießen, das ist das Leben eines Un- seligen, und auf das folgt die Verdammniß, auch wenn es nicht mit Verbrechen und grober Unthat be- fleckt wäre; denn wer den Sinn verloren hat für den Ernst dieses Lebens, der hat ganz gewiß auch den Sinn verloren für die Güter des ewigen Lebens. (Easpari.) Wenn der HErr das Leben des reichen Mannes damit abthut, daß er sich prächtig gekleidet, ut gegessen und getrunken hat, so erinnert das an ie ebensbeschreibung, welche man von manchem Menschen machen kann und gemacht hat: er ward ge- boren, nahm ein Weib, aß, trank und starb. Mehr sollte von einem Menschen, der eine Seele, eine un- sterbliche Seele hat, nicht gesagt werden können? mehr sollte Jesus nicht sagen, wenn noch mehr und Besseres zu sagen wäre? Das ist nicht möglich; daß er nicht mehr sagt, beweist, daß nicht mehr zu sagen ist, und das ist ein sehr Bartes Urtheil, das stillschweigend ge- sprochen wird. er Mann ehört zu dem unabseh- baren Heer der Leute, die gar nicht zu wissen scheinen, daß ein Gott ist und daß sie eine Seele aben, und daß sie mit dieser ihrer Seele vor Gott ers einen und Rechenschaft ablegen müssen; so wenig ie von der Kunst selig zu sterben halten, so eifrig treiben sie die Das Gleichniß vom reichen Mann und armen Lazarus. 809 Kunst lustig zu leben. Nun hat Gott Vielen sreilich gewehrt, daß sie nicht so weit greifen können, find sie aber darum besser? bist du besser, wenn du Tag und Nacht keine höheren Sorgen kennst, als durch diese Welt zu kommen? bist du besser bei deinem schmalen Einkommen, wenn du den reichen Prasser um nichts mehr beneidest, als daß du es ihm nicht nachthuu kannst, oder. daß du ihm dienen mußt, da du lieber mit ihm zu Tische säßest? (Münkel·) Die Leute preisen ihn glücklich und selig, und Viele sehen neidisch an seinem Palaste hinauf. (Stier.) 20. Es war aber sneben dem Reichen und in seiner unmittelbaren Nähe] ein Armut, mit Namen Lazarus [hebr. Eleasar 4. Mos. 20, 23 ff., zu deutsch: Gott ist Hilfe oder Gott- hilf], der lag [genauer: war hingelegt, von solchen nämlich, die das Erbarmen dessen, der hier aus- und einging für ihn erwecken wollten] vor seiner Thur voller Schwaren [wie einst Hiob mit bösen Schwären geschlagen war von der Fußsohle bis auf seinen Scheitel, nur daß es hier keine Aussatzgeschwiire waren, und war so dem reichen Manne die Mahnung zugleich mit der Gelegenheit gleichsam in die Hand gedrückt, sich Freunde zu machen mit dem ungerechten Mammon V. 9], » 21. Und sdieser Arme] begehrte sich zu gttigen vvn den Brosaiiiem die von des eichen Tische fielen sseinerseits weiter keinen Aiispruch auf dessen Wohlthätigkeit erhebend]; doch swenngleich ihm auch wirklich von Seiten des Reichen nichts weiter, als die hinausgewor- senen Brocken gewährt wurde] kamen die Hunde [mit denen er sich darein »zu theilen hatte] und leckten ihm seine Schwarm. ,,Der Reiche kann nicht sagen, es lägen ihm zu viel Arme auf dem Halse, denn der Arme ist allein; oder er sei zu weit von ihm, denn er liegt vor seiner Thür; oder er wisse nichts von seinem Elend, denn er sieht es täglich vor Augen; oder der Arme könne arbeiten, denn das Elend nöthigt diesen zum Siegen; oder er sei so Ungestüm, denn der Arme sagt nicht ein Wort; oder er begehre zuviel, denn derselbe war mit den Brocken zufrieden; oder seine Diener warteten seiner, denn es nahm kein Mensch sich des Unglück- licheu an; oder er begreife nicht, was er sonst noch ätte thun sollen, als ihm die Brocken lassen, denn die unde zeigen es an mit ihrem Exempel« Der Reiche wagt es nicht, den Armen von seiner Thür wegschasfen zu lassen, wie er vielleicht gern gethan hätte, wenn er nicht das Urtheil der Leute, die ihn dorthin gebracht, damit er wenigstens nicht verhungere, gefürchtet hätte: das ist seine ganze Tu end, die aber nichts weiter zu bedeuten hat, als da Gott durch diese Fügung der Verhältnis e ihn wider seinen Willen zu einein mittel- baren, nothdürfti en Versorger des Armen gemacht at, bis er denselben dieser Welt entrücken wollte. er aus Kap. 15, 16 entnommene Zusatz in einigen Handschriftem den die Vulgata bei den Worten: ,,er begegeete sich zu sättigen von den Brosamen, die von des eichen Tische fielen« auf enommen- hat: »und niemand gab sie ihm« wäre fal ch, wenn mananein eigentliches Vorenthalten, Verweigern wie dort denken wollte; er ist aber richtig in dem Sinne, daß man nicht einmal die übrigen Brocken dem Armen als eigens für ihn bestimmt aus dem Hause hinausreichte, dieser nahm sich nur von dem, was hinausgeworfen wurde, soviel er erreichen konnte, und wurde mit den Hunden auf gleiche Stufe gestellt. Noch jetzt laufen in den morgenländischen Städten die Hunde herren- los umher, verzehren die hier oder da herumliegeuden Thiergerippe und haben gewissermaßen die Ausräu- mung des Weggeworfenem wozu auch die Absälle von der Speisetafel gehören, zu besorgen. Es giebt wohl auch Stubenhündchen, die unter dem Tische selber ihren Platz haben (Matth. 15, 26s.); aber an diese ist na dem Wortlaut des Grundtextes (0i »He-«,- und nicht m »in-etwa) bei den hier erwähnten Hunden, in deren Gesellschaft der Arme sich befindet, nicht zu denken. Es fragt sich nun, wie ist das Lecken der Schwären von Seiten dieser Straßenhunde zu verstehen? ist es eine Vermehrung der Plage des Lazarus, der sol- cher u willkomnienen Gäste sich nicht erwehren kann, oder z deuten, wie Luther will: »die unvernünftigen Thiere kommen und erbarmen sich über den armen Menschen— sie thun, was sie vermögen, nehmen das beste Glied, das sie haben, nämlich ihre heilsame Zunge, damit lecken sie seine Schwören und wischen ihm den Eiter ab«? Die für die erste Auffassung sich entscheiden, berufen sich darauf, da hier ,,doch· in unsrer deutschen Bibel dem griech. Wortlaut nach « es genauer heißen sollte: aber auch, und le en das nun so aus; »aber (anstatt gesättigt zu werden kamen auch (ni;ch) die· Hunde u ·s. w.« Indessen, da, wie oben gesagt, eine Verweigerung der rosamen von des Reichen Tische nicht im Sinne des Textes liegt, so kann auch das »aber« nicht in diesem inne ge- nomnien werden; wir werden vielmehr erklaren mussen: »aber (nicht blos die nöthige Nahrung gab ihm Gott auf mi»ttel»bare, von dem guten Wi en des Reichen unabhängige Weise, sondern es) kamen auch (zu einiger. Linderung seiner brennenden Schmerzen) die Hunde und leckten ihm seine Schwären (oder Eiterbeuleiy die nicht geheftet· noch» verbunden noch· mit Oel gelindert wurden). Die ivildewund fraßgierigen Hunde, die nach Lage der Din« e ihm sonst nichts von den Ab- fallen wurden gelas en haben, wurdendurch ihre Natur auf eine Beschaftigung hingelenkt, die ihm nicht nur Zeit ließ, sich nothdiirftig ·zu sättigen, sondern auch eine kleine Erleichterung seiner Plage verschaffte Eine weitere Frage ist die: haben wir es bei unserer Er- zählung mit einer bloßen Erdichtung oder mit·eine»r wirklich vorgefallenen Geschichte zu thun? Gleichwie bei dem Gleichniß von dem barmherzigen Samariter (Kap. 10, 29 u. 37 Anm.) müssen— wir auch hier, da derselbe Grund Platz greift, uns sur die letztere An- nahme entscheideiu wollte der HErr das Her seiner Gegner, die ja seiner spotteten und mit Hohn ich über seine· Lehre und Mahfnun hinivegsetztem mit unwider- ste licher Gewalt»tre en, ·aß sie wenigstens schweigend un o ne Naserunipfen sein Wort hinnehmen mußten, wenn sie es auch nicht zu ihrer Besserung und Büch- tiguzig in der Gerechtigkeit annehmen wollten» so durfte er ihnen nicht mit einem bloßen Phantasie emalde begegnen, sondern nur mit einem wirklichen ebens- bilde, das er aus ihrem eigenen Lebenskreise ent- nommen. Sehr beachtenswerth ist es daher, wenn ein neuerer Ausleger die Vermuthun ausgesprochen at, daß der reiche Mann mit seinen 5 rüderii(V.28) ein Andere: sei als der Hohepriester Kaiphas mit seinen 5 Schmägerm den Söhnen des Hannas, welche hernach sammtlich das Hohepriesteri um ebenfalls be- leidet haben lSchlußbem znm I. accabäerb. Nr. a, Zusaw und alle, gleichwie Kaiphas selber, durch ihre 810 Evangelium Lueä IS, 22. 23. schlechte Amtsverwaltung den kranken Lazarus im geistlichen Sinne des Worts, nämlich das ihrer Pflege befohlene und doch so elende Jsrael (Joh. 5, 8 f.), in ihrem Elend verderben ließen, während sie sich selber gute Tage verschasften (Jes. I, 23). Allerdings findet die Zahl ,,füns« an und für sich schon eine Erklärung darin, daß, wo die Zahl der Vollständigkeit, die Zehn, zu groß wäre, um ein Vollmaß oder ein Ganzes zu beschreiben, sie auch sonst (vgl. Kap. 12, 6 n. 52; 14, 9; 19, 18; Joh. 4, 18; 2. Cor. 11, 24) auf die Hälfte zurückgebracht wird, gleichwie"da, wo sie für jenen Begriff zu klein erscheint, sie mit sich selbst multiplicirt wird (Kap. 15, 4); indessen dürfte sie hier doch einen wesentlichen und significanten Zug des Gleichnisses bilden. Und wenn ferner Kaiphas mit seinen 5 Schwägersleuten gleich nicht zu den Pharisäern, son- dern u den Sadducäern zählte, so standen doch die Pharizfäer bei aller Verschiedenheit der Religions-An- sichten in praktischer Lebensweise mit den Saddueäern auf gleicher Linie; jene sadducäische Gesinnung, wie sie in Weish. 2 ihren Ausdruck findet, war es Ja, was beide Sekten dem Heilande gegenüber zu Freunden und Verbündeten machte und bei Johannes (Kap. I, 19 Anm.) in den gemeinsamen Begriff der ,,Juden« auf- ehen ließ, und sie war es auch, welche in V. 14 über Zesum und seine Unterweisung spottete. Jm letzten Grunde ist es freilich die ganze, von einem Kaiphas und feinen Gesinnungsgenossen, von pharisäischem Geiste auf der einen, und von sadducäischer Lebens- richtung auf· der andern Seite beherrschte, Mosen und die Propheten nicht örende und dage en an die Au en- Inst, Flei cheslust un das hosfärtige eben hnäege ene Judenfchafh welche in dem reichen Manne ihr piegel- bild hat, und ihr ge enüber deutet der arme Lazarus aus die unter dem amen ,,Ebioniten« hernach soviel verspottete christliche Gemeinde zu Jerusalem, der die mit dem Bilde der ,,Hunde« berücksichtigten Heiden- christen in ihren leiblichen Nöthen zu Hilfe kommen mußten (Apostg. 11, 29 f.; Gal. 2, l0); aber im Vorder- grunde ste t doch zunächst er selber, dieser Kaiphas, dessen dia olischer Jngrimm gegen Jesum und den von ihm anferweckten Lazarus, wie er in Joh. 11, 49 ff. u. 12, 10 sich zu erkennen giebt (vergl. aus Matth. 26, 63 sf.), wohl an unserm Gleichniß no seinen besonderen Grund hat. Gerade weil er der Hohepriester war, hatten die Leute den Armen vor seine Thiir elegt, er war ja der von Amtswegen berufene Verforgey und um seines Amts willen konnte er nun auch nicht wagen, sich des i m gewiß sehr unbequemen Gastes zu entledigen, er mu te die mittelbare Versorgung schon geschehen lassen, bis der Tod mit dem Elenden ausräumte ,,Wunderlich« können wir es mit Stier nicht finden, wenn Jesus noch bei Lebzeiten des Kaiphas sein Schicksal nach dem Tode hätte erzählen wollen; er hat auch in Kap. 11, 51 in die zukünftige Geschichte die er Hohepriefterfamilie hinausgegrifsen, wie wir gesehen haben, und wir halten es vielmehr für ,,feelsorgerlich«, daß er seinen ärgfteu Widersachern das Ende ihrer Wege mit prophetischem Lichte beleuchtet hat, wie er es an dem Judas, seinem Verräther gethan (Joh. 6, 70; Matth. 26, 24) — es gehörte das eben zu seinen: Heilandsberufe, wenngleich er wußte, daß er damit nur die Herzen zu verstockter Bosheit und zu teuflischem Hasse gegen ihn reizetex er mußte es dieser ganzen Klasse von Widersa ern noch einmal, ehe das Gericht der Verstockung ber sie kam, vorhalten, 1) wie nichtig ihr Vertrauen auf Abraham, 2) wie efährlich ihre Neigung zu sleisch- lichem Wohllebem « )»wie verkehrt ihre Vorstellung von einem irdichen Messiasreich und 4) wie gegentheilig gegen den wirklichen Sachverhalt ihre Meinung sei, als wäre schon das diesseitige Leben eine Zeit des Gerichts Gottes. Mit Annahme einer besonderen ge- schichtlichen Wirklichkeit, die der Erzählung des HErrn zu Grunde liegen möchte, verliert diese natürlich nichts von ihrem parabolischen Charakter, den sie für alle Zeitalter hat; gehen wir denn jetzt näher darauf ein! — Lazarus ist der Name des Armen vor der Thür des Reichen; dieser Name bezeichnet sogleich seinen äußeren und inneren Stand. »Lazarns«, das kann einmal soviel sein als 10-eze1-, d. i. keine Hilfe (,,Ohne- hilf-U, denn keine Hilfe war für ihn aus Erden zu finden, tief, tief unten im dunkeln Thränenthale ging sein Weg, arm, elend, krank, mit schmerzenden Wunden und eiternden Geschwüren bedeckt, ohne einbefreundetes Herz, ohne ein pflegende Hand lag er, das klaglichste Gegenbild des reichen Mannes an der Straße, vor seiner Thür, einen Stein zum Kopfkifsen und Hunde zu seinen Aerzten und Tröstern. Aber er hieß ,,Lazarus«, nnd das bedeutet zum Andern s. v. a. Gotteshilsez denn seine Hoffnung stand zu dem HErrn, seinem Gott. Was hätte er auch sonst seines Leidens- wegs für Gewinnst gehabt? Die äußere Armuth konnte ihm ja so wenig eine Anwartschaftaus den Himmel verschaffen, als den Reichen sein Reichthum an sich verdammlich machte; aber er hatte unter der- selben, wenn nicht schon früher, die innere Noth er- kannt nnd die innere Heilung gefunden. Als ein Sünder, der sich selbst nach allen Geboten des Gesetzes schuldig und verloren geben muß, ergriff er dürstend die Verheißung, die Gott Abraham ge eben; er glaubte an den Christ, den König Jsraels, en Heiland und Erlöser armer Sünderherzem der da kommen sollte, und wartete aus sein Heil und tröstete sich der zu- künftigen Stadt, die da Gründe hat, so wardGott selbst in Christo sein höchftes Gut und Theil. Giebt uns denn nicht sein Ende nur, sondern auch schon die Geschichte seines Erdenwallens Blicke davon? Aller- dings, wenn wir genauer aufmerken wollenl Zwar von Werken kann sie nichts Besonderes berichten, denn Leiden war jetzt sein Geschäst nnd Leiden auch sein Gottesdienst; hat er aber nicht doch selbst leidend mehr als der Mann in Purpur mit allen seinen Groß- thaten gewirkt? ist nicht seinshiobsmäßiges geduldi es Daliegen in Armuth, Schmerz und Verlassenheit für Tausende nach ihm zum beschämenden, erweckenden, tröstenden Schriftbilde geworden und hat gar viele Wohlthäti keitsanstalten, zum Theil selbst nach seinem Namen » azarethe« genannt, mit helfen in’s Dasein rufen? Doch noch einen näheren Fingerzeig über den Stand seiner Seele iebt uns das Wort: ,,er begehrete sich zu sättigen von en Brofamen, die von des Reichen Tische sielen«, besonders wenn wir die folgenden Worte von den Hunden, die das kamen und leckten ihm seine Schwären, dazunehmen. Das erstere Wort ,,er be- gehrete« enthält keine Anklage für den Reichen, als ob es ihm der versagt, sondern es ist eine Be eugung seines eigenen, in Gott vergnügten Sinnes: ott legt ihn in dieser äußeren Verlassung vor eine Thür, wo die Welt all ihr Gutes und Schönes, ihre Pracht und Lust und Seligkeit vor seinen, des Bettlers, Augen vorüberschimmern läßt; aber er läßt sein Auge und Herz nicht davon gefangen nehmen — Brofamen für den Hunger, mehr braucht, mehr begehrt er von der sichtbaren Welt nicht. Er kann ohne Murren und auch ohne Richten, ohne Neid und Streit ihre Schätze dem Manne drinnen überlassen, denn er hat an seinem Gott genug und ist als Fremdling auf Erden mit ihm ufrieden; Ja, er findet noch Stoff in solcher Lage zum Zoben und Bewundern feines guten Gottes, der nicht Der Arme stirbt und seine Seele wird getragen in Abrahams Schooß. äu; dtas ßHerz diese? gieiclgånsttxisllig nåacghf ihn ohne e er ru zum tä i en eia en un ot iinger zu ,behalten, sondern ogar auch den Hunden, dijesen sonst auf Bsegler iliicgt ggnstig lickendhien Thieres, Bdefeläl tut, i miteii erzu zu ma en un im ur Ieinikgung und Tefeisichtungl sseiner Fanden heilsafme ran enwärter - ien te zu ei ten. ch, in was ür wunderlichen Umständen übt Gott sein Volk, und wie weiß er es für die kleinste Gabe dankbar zu machen! Wer, der hier vorüberginlg hätte wohl vermuthet, in Ziesem wie; Geschwüreilil ckedepcktend Bettler einen der ieblin e ottes zu er i en. un doch war er es in dem Buße, daß seht, nachdem das Urtheil Gottes offenbar geworden, ein König gerne Krone und Seepter ZJFATTZ LTYTM ZJZFFTLJTZRZL Jst-TM« Fkkscksökg war, der vor seiner Thüre« lag, hätte siehet; die· Welt und sich selbst auf einmal mit anderen Augen ange- ge« II« dszkwsiigszkxjkinssch »gut«-O; sskrsgkzskiss em ngere en , ni n ea · nun aber Yht er welttrunken und weltselig an deni vor seiner hür gepflanzten Gotteszeichen vorüber, bis s Gott die Rechnung abschließt und die innere Scheidung zwischen dem Stande dieser beiden Menschen mit ihrem ode sich zur unübersteiglichen Kluft erweitert. (Ross- hack.) Was das Leben diesseits ist und nicht ist: l) es ist nicht eine Zeit des Genusses, sondern die Zeit, in der wir uns zum Genuß der ewigen Seligkeit tüchtig machen sollen; 2) es ist auch nicht eine Zeit des Gerichtes, sondern eine Zeit, in der wir dem ewigen Gerichte entgegenreifem (Nebe.) 22. Es begab sich aber [nach einiger Zeit], daß der Arme starb [Sir. 4I, 3 f.], und ward [der Seele nach] getragen von den Engeln [Hebr. 1, 141 in Abrahams Schooß [Weish. 3, 1——9; 4,7——14; 5, 16f., während um seinen Leib wie um sein Sterben sich niemand kümmerte Jes. 57, 1f.; Weish 4,15——17]. Der Reiche aber [ohne daß es mit ihm noch zu Buße und Bekehrung gekommen wäre Weish. 4, 18-—20] starb auch [nach einer längeren Reihe von Jahren], und ward [dem Leibe nach, der bei ihm ja immer die Hauptsache gewesen 12, 18., in pomp- haster, prunkvoller Weise] begraben. Nach der jüdischen Theologie haben die Engel das Amt, die Seelen frommer Jsraeliten zu empfangen und in die ihnembestimmte Abtheilung des Hades (Hiob 7, 9 u. Matth. 27, 53 Anm.) zu ringen. Der ,,Schooß Abrahams«, ein ebenfalls bei den Rabbinen gewöhnliches Bild, bezeichnet entweder im Allgemeinen die innige Verbindung (Joh. 1, 18) oder specieller den Ehrenplatz (Joh. 13, 23) bei dem zu erwartenden Fesztmahl des Messiasreiches, wo die heil. Er väter un Propheten als zuerst berufene Gäste den orsitz führen; zu i nen werden dann die nachfolgenden Gäste versammelt ( up. 13, 28 f.), und der öchste Ehrenplatz für solche ist der, an Abrahams Brut zu liegen, des Vaters der Gläubigen und des Hauptes der ganzen alttestamentlichen Theokratie. Er wird dem Lazarus eingeräumt zum Ersatz für seine Leiden, die er hienieden zu erdulden hatte (V. 35); dagegen ist seiner Beerdi- ung nicht gedacht, weil sie ohne alle Feierlichkeit e- sjchehen oder vielleicht auch gar nicht, denn mö licher Weise wurde der Leichnam, nach dem niemand ragte, den Hunden gelassen. (Godet.) Der arme Lazarus liegt vor des Reichen Thiir, und ist niemand, der sich 811 seiner annimmt; aber die lieben heil. Engel sitzen da und sehen auf i n, weil der reiiZe Mann nicht auf ihn sehen will. er Text sagt, da nicht einer, son- dern viele Engel auf Lazarus gewartet haben, bis ihm die Seele ausfiihre O wie übel ist dem Manne ge- schehen auf Erden, daß er niemand hat, der sein war- tet; nun aber kzat er viel Engel, die auf ihn warten. Er hat nieman auf Erden, er ihn herrlicgl begräbt; aber er wird von den Engeln getragen in brahams Schooß — solche Kindermägdlein möcht ich auch meine Seele gerne tragen lassen. (Luther.) Lazarus hatte in diesem Leben keine Freunde, nunmehr sind die Engel Gottes seine Freunde und Diener; die Menschen werfen ihn hin, die Engel tragen i n aus i ren Hän- den und legen ihn in den weichen chooß brahams; er lag hier und hungerte, nun lie t er dort und ge- nießt und sättigt seine Seele mit ohlgefallem Der Reiche starb und —— ward begraben: dieser Zuscätz ist nicht ohne Bedeutung, er malt nicht blos aus; die hre, welche ihm bei seinem Begräbniß zu Theil wurde, ist die letzte Ehre gewesen, die ihm widerfuhr, er hatte aber davon keinen Gewinn oder Genuß, die Seele war vielmehr unterdeß schon an dem Orte der Qual. (Nebe.) Mancheszin unsern Tagen haben sich Mühe egeben zu beweisen, daß die Seele im Sterben noch Zeit habe sich zu entscheiden, daß man auf der Schwelle zwischen Zeit und Ewigkeit noch einholen könne, was « man im langen Leben versäumte; sie haben den Zu- stand des Sterbens ans edehnt und gesucht, ihn aus einem— Thale des Todesschattens in eine stille Abge- schiedenheit der Seele zu verwandeln, während deren die Krä te des heil. Geistes mächtiger eindringen und wirken könnten. Wir begehren nun die Hand des Allmächtigen nicht zu verkürzen, wollen auch gar nicht leugnen, daß er den Einen oder Andern im Todesthal aufhalten und auf dem Scheidepunkt zwischer hier und jenseits ur Befinnun bringen könne; aber wir haben keine Ursach, solcher Fälle viele zu machen und unsre armen Seelen mit vergeblichem grundlosen Hofsnun en aufzuhalten. Es ist am besten, man sieht von a en Ausnahmen, die Gott machen könnte, völlig ab und bleibt ei der gemeinen Wahrheit, welche Keinen be- trügt. Und da legt es unser Text nahe genug, daß der Tod ein Augenblick, ein kurzes »Nun« sei, ein rascher Schritt zwischen Zeit und Ewigkeit, eine dunkle Kluft, über die man durch eine gewalti e Hand hinüber- eführt wird, und daß, wie jenseits ein Ort der Ent- cheidung mehr ist, so auch keiner auf der Schwelle wischen hier und dort. (Löhe.) Der Abschied vom eben und seiner Herrlichkeit wird dem reichen Manne schwer genug geworden sein: ihr habtga au wohl schon solche Leute sterben sehen, die nicht los ommen konnten von den Dingen dieser Welt, an denen ihre åcinze Liebe hing, und die sich noch in ihren letzten tunden wie krampfhaft daran geklammert haben. (Thom»cisius.) Wenig ist daran gelegen, ob man hier lebt wie der ·Reiche oder wie Lazarus, h. glucklich oder unglucklich, wenn man nur selig stirbt wie La- arus, und nicht im Tode verdirbt wie der reiche ann. (Theremin.) Jst unser Leben kein Sterben, dann ist auch unser Sterben kein Verderben. (Moll.) 23. Als er nun in der Hölle [dem Hades oder am Orte der abgeschiedenen Seelen i. Kön 1, 35 Anm.] nnd Dort] in der Qual war [indem er ja zu den »Geistern im Gesäng- niß« gehörte, die da aufbewahrt werden zum Gericht der ewigen Verdammniß 1. Petri Z, 19], hab er seine Augen auf lhinüber nach der 812 Evangelium Lueii IS, 24—27. Stätte der selig Abgeschiedenen], Und sahe Abm- ham von ferne und Lazarus in seinem Schvoß [so daß ihm nunmehr offenbar wurde, gaas ZeJr vorhin nicht hatte beachten wollen Weis-h. , T« ; 24. Rief und sprach: Vater Abraham, erbarme dich mein und sende Lazarum daß er das Aeußerste feines Fingers in’s Wasser tauche und kühle meine Zunge; denn ich leide Pein in dieser Flamme. 25. Abraham aber sprach: Gedenke Sohn, daß du dein Gutes [hinweg-] empfan- gen haft in deinem-Leben fPf 17, 14], und azarus dagegen hat Böses empfangen; nun aber swo nothwendig das umgekehrte Verhältnis; eintreten muß] wird er fim Befitz des ihm rück- ständig gebliebenen Glückes] getrösteh imd du Dagegen, für den nichts Gutes mehr rückständig sondern nur Qual und Jammer noch übrig ist] wirft gepeiniget 26. Und über das alles [selbft wenn wir von dieser Gerechtigkeit und Billigkeit des nun- mehrigen Standes der Dinge absehen wollten] ist zwischen uns und euch eine große Kluft befefti et, daß, die da wollten von hinnen hinab ahren zu euch, können nicht, und auch nicht von dannen zu uns heruber fahren [so daß also eine Erfüllung deiner Bitte schlechter- gings unmöglich ist]. Nach Luther’s Uebersetzung: ,,als er nun in der Hölle und in der Qual war«, könnte man Hölle und Qual als gleichbedeutend oder doch als nothwendig usammen ehörig nehmen; aber der Grundtext ver- indet bei es nicht o, sondern es heißt: Und im Indes, als er feine Augen aufhub, da er in Qualen war, sahe er Abraham von Weitem und Lazarum in seinem Schooß. Es wird also, daß er in Qualen war, davon, daß er im Hades war, durch die Wortftellung und den Satzbau unter- s jeden; denn im Hades waren Beide, nur der reiche ann m Qualen, Lazarus dagegen in Abrahams Schooß. (v. Burger.) Die Seelen der alttestament- lichen Todten, und zwar der im Glauben an Gott den Erlöser Verstorbenen nicht minder als der Gottlosen, kamen in- den Hadesx die Seelen jener waren zwar mitten im Hades in Gottes Hand, aber doch in einem Zustande der Zornh aft und der Erlöfungsbedürftigkeir ielleicht darf man unsere Parabel als Bestätigung des damals im jüdifchen Volke verbreiteten Glaubens ansehen, daß der ades in einen Ort für die Frommen und einen Ort ür die Gottlosen gefchieden sei. (Delitzsch.) Das hebr. scheoh das griech. Hader, das lat. Juferi bezeichnet einfach den Aufenthalt der Todten, im Gegenfatz gegen die Erde, das Land der Lebendigen, ohne Unterfcheidung der verschiedenen Zustände, die er enthalten kann; das Paradies ebensowohl als die Ge- hdenna (l2, s) ge ören dazu, deswegen kann auch der eiche aus seiner ual eraus Abraham und Lazarus er- schauen, die Jdee des eidens liegt erst in den Worten: »als er in der Qual war«. Die durch unbeschränkte Befriedigung entzündeten und genährten Begierden verwandeln sich nämlich in Qualen für die Seele, so- bald die ihnen eentfprechende äußere Welt und der Leib, durch welchen sie mit derselben in Verbindung tritt, ihr genommen sind. Die Art, wie Abraham und der Reiche redend eingeführt werden, erinnert an die Todtengefpräche der Alten und namentlich der Rabbinen; die Anrede ,,Sohn« in Abrahams Munde ist da noch einschneidenden als die ,,Vater Abraha1n« in des Reichen Munde, Abrahaiii erkennt damit die Wirklichkeit feines Rechtsstandes an, und dennoch ist und bleibt er in der Gehenna, das «gedeiike« ist darnach der Mittelpunkt des Gleichnisses, es bildet die Verbindung zwischen den beiden Auftritten auf der Erde und im Hades ,,Gedenlst du an den Contrast, den du auf der Erde ungelöst gelassen haft . . . ., so wirst du begreifen, daß der entsprechende jetzige Contraft nicht ohne Ungerechs tigkeit gemildert werden könnte; du hast die Zeit, dir aus Lazarus einen Freund zu machen (V. 8 f.), ver- streichen lassen, jetzt kann er nichts für dich thun. Ge- setzt aber auch, man könnte vom Standpunkte der Gerechtigkeit in etwas nachgeben, so liegt ein anderer Grund vor, der alles kurz abfchneidet, die Unmög- lichkeit«. Die Rabbinen stellen die beiden Theile des Hades dar als durch eine Mauer gefchieden; Jesus setzt dafür eine tiefe Kluft, welches Bild zu dem ganzen Gemälde besser paßt — es ist das Sinnbild des un- abänderlichen göttlichen Befchlusses (Godet.) Spricht der HErr auch zu Juden, stellt er sich deshalb mitten in die jüdischen Vorstellungen hinein, so sind wir doch nicht berechtigt, Alles, was er hier über das Jenseits uns sagt, für damalige Zeitansichten auszugeben, welche der eigentlichen Wahrheit entbehrten; Jesus hat diese Vorstellungen getheilt und hat sie in unserm Gleich- nisse, das ja noch vom Standpunkt der alttestament- lichen Rüstzeit aus geredet ist, als der Wirklichkeit entsprechend bestätigt, bis dann sreilich durch seinen Tod, Auferstehung und Himmelfahrt sich der ganze Stand der Abgesckiedenen dahin geän ert hat, daß sowohl für die vo endeten Gerechten des alten wie für die entschlafenen Gerechten des neuen Testaments Bleibeftätten als Wohnungen in dem Haufe des Vaters bereitet ind (Joh. 14, 2). Der HErr hat da die Pro- pheten, önige und Erzvä1er, welche seinen Tag sehen wollten, mit sich ineingenommen in seine Herrlichkeit (Matth. 27, 53 Lnm.); er hat durch seine Höllenfahrt den sogen. limbus patrum Aufenthaltsort der noch unvollendeten Väter des alten Testaments Hebr- 11, 40) Yleert (Ephef. 4, 8), und hinfort kann das Reich der odten die Seelen derer in irem Lauf nach dem HErrn nicht aufhalten, die mit em Apostel ein herz- liches Verlangen haben, daheim u sein bei ihm (2. Tor. 5, 8; Phil. I, 23), sondern ie wandern durch dieses stille Land ohne alles Hemmniß und ehen ein zur Freude ihres HErrn in die ewigen riedenss Wohnungen. Jesu Christi Erfcheinung ist also in der GesIichte des Hades ebenso epochemachend als in der Ges ichte der Welt: wie diese Welt durch ihn ein neues Angeficht erhalten hat, so ist auch der Hades durch ihn vollständig reformirt worden. (Nebe.) Es ist fchwer zu erkennen, wie weit die Beschreibung der Dinge nach dem Tode ein bloßes Gleichniß sei, wie weit dagegen wirkliche Belehrung von buchftäblicher Giltigkeir (Riggenbach.) Die Hölle an diesem Ort kann nicht fein die re te Hölle, die am jüngsten Ta angehen wird, auch ann das Gefpräch kein leiblich Gespräch sein, sinteinal ihr Beider Leib in der Erde begraben liegen; darum achten wir, diese Hölle sei das böse Gewigen und sei alles in dem Gewissen so zugegangen. er Reiche Bat in seinem Gewissen e- fühlt, daß er ewiglich da at ein sollen; darum ruhet er nicht, er sucht allent alben ilfe im Himmel und in der Hölle, das; er au den allergeringsten Trost an- Der Reiche stirbt, wird begraben und leidet die Qual der Hölle 813 nähme, und kann ihm doch nicht werden, uletzt fühlt er, daß ihm gesagt wird, es sei eine große Kluft re. — Das sind die Gedanken der Verzweiflung. (Luther.) Der ganze Inhalt unsers Abschnitts ist eine bildliche Einskleidiliåig deåcsttiådlaisikeiäsg uäiechpcckkgiikgisnlsds unt; ebeigso tro-a aui oa ia eenei er nicht bedacht hat zu dieser seiner Zeit, was zu seinem ssFriedenß Jene; so alåer strsig sich die ButlzwilligebVer- äumni es von em rrn in . gege enen Rathes, solche Folgen zieht der Mamnioiisdienst nach sich, wenn die Zeit kommt, wo· es mit· ihm »aus ist. (v. Burgen) Hier auf Erden giebt es viele Täuschun- Zåki Zöisfs"å«åfå«"ååks Tifkch ZTZEPLHIJTML FZTUYTTFTE Manne indem Ort der Qual; sgiii Leben liegt vor Im wie ein fertiges und aufgeschlagenes Buch, seine chuld wird ihm klar. Was ihn zur Verdammniß geführt hat, erkennt er im Licht, und es durchdringt ihn såine Szieilie udnik seinekStrafeMdersicZiaßeisi inLder inner en ee e, a er einem en en ein oos gönnt und jegliche Gesellschafh soviel an ihm ist, ab- wehrt (Löhe.) Seine Qual bestand aber darin, daß dZe suijiodlächen ssliegiefrdezl in ihkm wge Fläilmfiiiån jhranåitcig o ne a er ie erie igen onne. u r en a e gr dlgs geheixiegeuszgn seine;- Hceåzens zziach Eicslösung, ie eginnen e ua eines, en orn ottes püren- den Gewissens ertränken können im Genusse der Lust der Welt; nun war alle Lust der Welt, aller Purpur und kostliche Leinwand , alles Essen und Trinken, Tanzen und Spielen, kurz Alles, worin seine Seele ijch strgxrskszsgis Gesetze.Ussrkikssichssen: renn i . e »azar m in Abrahams Schooße und åtxixrsltleljset wohl, daß derselbige dort geträn et wird mit ’o ut als mit einem Strom (Ps. 36,·9); da ruft er dem V»ater der Gläiibigeih zu dessen Kindern er sich auch gezahlt hatte, zu, er mochte durch Lazariim einen Tropfen Wassers zur Kühlung« ihm senden, aber ,,kein Tropfen der göttlichen Barm- hzerzigkeih sagt Ehrysostomus, vermischt sich mit der erdamniten Weltdürste (Befser.) Nicht die Sünde an sich, sondern nur die traurige Folge der Sünde ist es, die ihn aii’s Schreien bringt, und, statt sich in Traurigkeit nach Gott vor Gottes Gericht zu beugen, beharrt er iii seiner falschen Religion und ruft die Heiligen an, durch sie und ihre Verdienste Erlösung zu finden von seiner Qual. (Roffhack.) So liefert er das einzige, wenig dazu ermunternde biblische Beispiel von Anrufung eines Heiligen, Hiob 5, 1. (Stier.) Der Reiche ist dergestalt ohne Gott, daß er nicht ein- mal Gottes Namen nennt und daß er in Aiigelegeii- .heiten, die nur von Gottes Willen abhängen, sich nicht mehr an ihn, sondern an Abraham wendet: darin be- stand zunächst seine Qual. Dann rief er: »ich leide Pein i1i dieser Flamme«, denn das göttliche Wesen ist ein eiit- zückender, erquickender Strom, durch den das Herz, in das er sich ergießt, von la1iter frommen und seligen Empfindungen grünet und blühen; aber die Trennung von Gott, das ist die lodernde, glühende, die Seele von allen Seiten niiiwogende Flamme, die allen Wech- sel der Empsiiidiingeuiii ihr ertödtet und nichts als ein immerwährendes, grauenvolles Aechzen in ihr zurückläßt. (Thereniin.) Zweierlei entgegnet Abraham dem Reicheiu l) daß seine Bitte ungerechtfertigt, Z) daß ihre Erfüllung unmöglich ist. Ungerecht- fertigt ist seine Bitte, denn in dem, was jetzt geschieht, vollzieht sich nur das Urtheil der göttlichen Gerechtig- keit. Du haft dein Gutes in deinem Leben hiiigenommen, sagt Abraham; ,,dein Gutes«, heißt es, denn er hat ja in Wahrheit iiicht nach ande- rem getracl)tet, er genoß, was er hatte, mit vollen Zügen als das ihm zukommende gute Theil, außer welchem er selbst nichts mehr begehrte —- »du hast es hingenoinnien« heißt es in demselben Sinne, wie in Matth O, 2 2c·: ,,sie haben ihren Lohn dahin«, du hast dir nichts· vorbehalten nnd für die Zukunft be- wahrt, dii hast es völlig aufgezehrt. Ebenso hat La- zarus das Böse hingenommen, so » daß dessen· Maß uber ihn voll ausgegossen und erschopft ward; xetzt ist sur diesen die Zeit der Erquickun , für dich die der Qual gekommen. (v. Burgen) Der Rei e hat sein Gutes vorweggenommen als seine Selig eit und in diesem un eheuren Wahn den Grund gelegt zii seinem künftigen ersinken in die Feuergual unauslöschlicher Begierden und verzehrender Zustande; der Andere hat sein Boses, sein fchweres Geschick angenommen und ist durch diese Hingebung in das verhängte Gottes-leid seligkeitsfähig geworden, er kann feiernd in Abrahams Schooß, in der Stille schon einen Himmel finden, während jener in seiner fürchterlichen Aufregung Himmel und Erde in Bewegung setzen inöchte Stehen so die beiderseitigen Geschicke einander parallel gegen- über, so kreu en sie sich auch: der Reiche hat das irdische Gut ohne Barmherzigkei gegen »den Armen für gch behalten, er hat den Ueberfluß sich selber zum luche gemacht, welcher jenem ein Segen werden sollte; der Arme dagegen hat in seinem arben mit Er- gebung die Not der Welt, auch die Noth des Reichen mit, getragen, enii der .wahre»Arnie ist barniherzig in der Art und Weise, daß er neidlos und still in Gott die Last der Welt, ihre Verftummung trägt; und darum wird ihm Barmherzigkeit zu-Theil. (P. Lange) Aber die Gewährung des vom reichen Mann Erbeteneii ist auch unmöglich; eine große Kluft scheidet die beiden Gebiete des Hades, es findet keinerlei Uebergang mehr von dem einen in das andere statt, und die Kluft ist befestigt, d. h. unabänderlich festgestellh und gegenseitige Erleichterungen undDienste sind da- mit nn edin t abgeschiiittein (v. Burgen) Abraham nennt ihn ,, ohn« und ist dennoch in Gottes Willen, daß er verdammt werde, vollständig ergeben: jenseits hört die fleischliche Anhänglichkeit der Verwandten auf, sie lieben wie Gott liebt, sehen alle Dinge an wie Gott sie ansieht, und seine Gerichte stören ihre Selig- keit sowenig als die Gottes. (v. Gerlach.) Namentlich wieder. in unsern Tagen reden Viele von drei Orten der Ewigkeit, von einem Orte seligen Friedens, von einein Orte der Qual iind von einein dritten, wo die- jenigen zur Entscheidung kämen, welche hier gestorben sind, ohne für Himmel und Hölle reif zu sein; sie werden durch dieses Evangelium vollständig widerle t, welches nnr von zwei rteii weiß, voni Schoo e Abrahams nnd vom Orte der Qual. Im Schooße Abrahams ruht der fromme Arme, im Ort der Qual befindet sich ders gottvergessene Reiche: zwischen den beiden Orten ist eine Kluft, die von niemand bewohnt, für die Seligen wie für die Verfluchten gleich unüber- steiglich ist«. ist diese Scheidung des Aufenthalts aller abgeichiedeiieii Geister um so bedenklicher für alle Liebhaber eines dritten Orts, als gerade der Relcbe gar nicht wie ein ausgesuchter Bösewicht, son- dern als ein Mensch geschildert wird, dem man allen- falls gerne den dritten Ort, wenn es einen gäbe, an- weisen würde. (Löhe.) 27. Da— sprach er: So bitte ich dich, Baker sivenn denn für niich selber keine Linderuiig der Pein mehr möglich ist] daß du ihn fendest m meines Vaters Haus [gleichwie Samuel deiii Saul erscheinen mußte l. Sam. 28, 12 sf.]; 8l4 Evangelium Lucä 16, 28—31. 17, 1——4. 28. Denn ich habe noch fiinf Brüder, daß er ihnen bezeuge swie es Jetzt um mich steht, und daß es also in Wirklichkeit eine Hölle giebt, was jene nicht glauben wollen], auf daß sie ferschrecken in ihrem Sündenleben und, nachdem sie Buße gethan und sich bekehret haben] nicht auch kommen an diesen Ort der«Qual. 29. Abraham sprach zu ihm: Sie haben Mosen und die Propheten [Apstg.15, 21]; laß fie diefelbigen hören sdenselbigen Gehör geben]. 30. Er aber sprach: Nein, Vater Abraham [das ist noch nicht ausreichend zum Seligwerden, daß man Mosen und die Propheten hat]; sondern wenn »eincr von den Todten zu ihnen ginge, so wurden sie Buße thun. 31. Er sprach zu ihm: ören sie Mosen und die Propheten nicht, o werden fie auch nicht glauben [oder zur Buke bewogen werden], ob jemand von den Tod en aufer- iinde. st Wenn in dem ersten Bilde (V. 19—21) die Sünde des Reichen, im zweiten (V. 22—26) seine Bestra- fung geschildert wird, so legt Jesus hier nun (Vz 27 ——31) noch die Ursach des jenseitigen Elends seinen Zuhijrern vor Augen, die Unbußfertigkeit, und für diejenigen, welche es benutzen wollen, das Mittel, dem Schicksal zu entgehen, welches i nen von der Stunde des Todes an droht, nämlich osen und die Pro- pzeten anders als bisher zu· Herzen zu nehmen. ( odet-)« Der reiche Mann giebt sich mit dem Be- scheide Abrahams zufrieden; er erkennt an, daß Hilfe Für ihn unmöglich ist, für ihn ist eine große Kluft be- estigt. Aber —- noch nicht für seine 5 Brüder! Die nun sind seine Brüder nicht blos dem Fleische, son- dern auch dem Geiste nach, und er hat sie am Ende zu demselben Sündenleben verführt. Es ist ja für die Verdammten kein Trost, Unglücksgenossen zu haben, vorzüglich nicht solche, an deren Verderben sie selbst mit die Schuld tragen; diese klagen sie vielmehr an, verwünschen und verfluchen sie. ( ebe.) Es zeigt sich zwar an diesem Verdammten etwas scheinbar Gutes, indem er an seine 5 Brüder denkt, die ebenso dahin lebten wie er, und für sie bittet, daß sie nicht auch möchten an diesen bösen Ort kommen; aber zugleich zeigt sich bei ihm auch aller Mangel an Selbsterkennt- niß und wahrer Reue. Er stimmt in das Urtheil Gottes nicht ein, er giebt sich noch nicht schuldigx er meint vielmehr, wenn es ihm zur rechten Zeit gesagt worden wäre, so hätte er sein Leben geändert und wäre nicht an diesen Ort gekommen —- indem er seine Brüder entschuldiah will er sich selbst entschuldigen und Gott den HErrn tadeln, der sie alle nicht enug Ilvarnt hätte. (Thiersch.) Dünkt auch heutiges ages ielen, daß Gottes Wort zur Seligkeit nicht hinrei- chend sei, daß man Geistererscheinun en und Gesichte von Todten haben müsse, um Bu e zu thun und Hiläubig zu werden, so sind das nur die rechthaberischen achfolger des reichen Mannes, die nach den Todten fragen und den lebendigen Gott darüber verlieren. Saul hatte eine Todtenerscheinung, und stür te sich unbußfertig in sein eigenes Schwert (1.Sam.2 u.31); der Hoherath sahe jenen andern Lazarns, den Jesus zu Bet anien auferweckt hatte, und doch wollte er beide, azarnm und Jesum tödten (Joh. 11, 47 ff.; 12,10f.). Ein neues Herz und einen neuen Sinn schafft nur der Glaube aus Gottes Wort und der hl. Geist, der mit und bei dem Glauben ist: das kann keine Todtenerscheinung schafseuz wenn’s hoch kommt, schafft sie Glauben, der auf das Sichtbare geht und sich an das Sichtbare hält, wie ihn der reiche Mann in der Hölle jetzt auch hatte, ohne daß er darum sei- nen Sinn änderte. (Münkel.j . Dritter Yakhtrag aus der galiläiseheu Wirksamkeit des HErrn Iesu. (Kap. 17, 1-—10.) Das N. Kapitel. Rom Aergerni[z, Versöhulicljlieii. glauben und Werken, non zehn liu8säi3igen. und Zukunft des Jieiches Hatt-es. I. V. l——4. (§. 67 u. bit) Uaih der zu Many. 19, 2 gegebenen ilebersicht über die Jeitfolge der Begebenheiten haben wir uns Sesnnn als er das Gleichniß vom reichen stlannxnud armen kazarus gestern-nen, von Eioias aus nnu weiter über den Jordan und die Stadt Sericho nun) sethanien ziehend zu denken znr Jiufrrwekliiing des Damens, des Bruders der Maria und Marthe. St. kanns geht nach der Anlage seines Evangeliums auf diese Gesihichte nicht ein, maast aber doch die abertnalige käme in seinem Reisebeeicht (vgt. Lan. U. 14 —.12,59; II, l0-21) durch eine Ginskhallung bemerlilicth die deut- ltch auf die. Wirksamkeit iu Galiläa zurücke-tm. denn was in unserm Abschnitt uns vorliegt, schließt sich on— oerlkennbar an die angführtichek mitgetheiltcn verhand- lnngen an, die wir lesen in Jltlatth is, 1——35« Mark. 9, 33—50 und bei tculias selber in san. 9, 4(i——50. 1. Er sprach aber zu seinen Jüngern [da bei Gelegenheit des in Kuh. 9, 46-——48 erzählten Vorfalls er sich veranlaßt sah, von dem Aerger- nißgeben zu reden]: Es ist unmöglich [ist eine Voraussetzung die ganz unannehmbar wäre], daß nicht Aergernisse kommen; wehe aber dem, durch we chen sie kommen ldenn ihm selber gereicht das zu keiner Entschuldigung, daß dieselben, wie die« Welt nun einmal ist, unvermeidlich sind]. 2. Es wäre [vielmehr, was die Schwere der ihn erwartenden Strafe betrifft] ihm Unser, daß man einen Mühlstein an seinen Hals hängen, nnd würfe ihn in’s Meer, denn daß er lwie für den Zweck am Leben bleibe, damit er] dieser. Kleinen Nachtrag aus der galiläifchen Wirksamkeit Jesu. 815 einen ätgere sin Matth. 18, 6 u. 7 sind die bei- den Aussprüche umgestellt]. Z. Hutet euch [denn vor allem, wodurch ihr irgend einem Mitbruder Anstoß geben könntet; und das kann gerade dann am leichtesten ge- schehen, wenn ein Anderer zuerst euch ein Aer- gerniß gegeben hat und ihr nun nicht das richtige Verfahren ihm gegenüber einhaltet; ich will euch aber das richtige Verfahren für solche Fälle in eine kurze »Lebensregel fassen]. So dein Bruder an dir sundiget, so strcise ihn; und so er sich bessert, vergieb ihm. · · 4. Un»d wenn er siebenmal des Tages an dir siindigen wurde, und siebenmal des Tages wieder- lame zu dir, und sprach« Es reuet mich; so sollst du ihm vergeben [Matth. 18, 15 u. 21 f.]. Anders gestaltet sich die Sache, wenn die Beleidi- gung nicht sowohl die Person, als vielmehr den sitt- lichen Beruf betrifft; und da in den meisten Fällen der Beruf von der sittlichen Persönlichkeit untrennbar ist, so kann der beleidigte Christ allerdings in den Fall kommen, als Vertreter eines sittlichen Berufs für die Beleidi ung gerechte Genugthuung zu fordern, gegen den «) eleidiger strafende Gerechtigkeit zu üben. Ein Vater darf von dem Sohne sich nicht ungestraft beleidigen lassen, der Lehrer nicht von dem Schülerx und wer Vertreter eines gesellfchaftlichen Berufes oder Standes ist, muß die Ehre desselben gegen jede Ver- letzung in seiner Person bewahren, muß auf sühne1ide Genugthuung dringen, auch wenn er persönlich dem Beleidiger ver iebt. Aber da sich diese strafende Ge- nugthuung au den Beruf oder Stand bezieht, darf sie auch nicht einen rein persönlichen Charakter tragen, sondern muß von der in der beleidigten Person be- leidigten Gesellfchaft selbst aus esprochen, vollzogen oder gefordert werden. Die Entixcheidung des bürger- lichen Gesetzes reicht hierzu allerdings nicht immer aus, denn die Ehre ist von zarterer Art, als daß sie in dem Buchstaben des Gesetzes in allen Fällen eine hinreichende Schutzwehr hätte. Es bedarf also Zur rechten Lösung des Zusammenstoßes oft auch es Ehrengerichts er Standesgenossen, welches nicht nach einem geschriebenen Gesetz, sondern nach dem in der Gesammtheit des Standes lebenden Ehrenbewußtfein die in der Beleidigung liegende Anklage untersucht und darüber entscheidet; erklärt dasselbe die Beleidi- gung für grundlos, so ist die verletzte Elre des Be- leidigten in der Anerkennung der Gefellsrhaft wieder- hergestellt und er hat keinen sittlichen Grund mehr, gegen den Beleidiger feindlich vorzugehen, dies ist nun Sache der sittlichen Gesellschaft Erklärt er aber die Beleidigung für begründet, so ist des Beleidigten Ehre durch den Ausspruch der Gesellfchaft selbst ver- loren, und nicht durch irgend welche feindselige Hand- lnn egen den Beleidiger kann er sie sittlich wieder- erFte en, sondern allein durch wahre Besserung. Der weikampf, in der vorchriftlichen Welt nur als eine für einen bestimmt verabredeten Fall geltende Kriegs- entscheidung (1. Sam. 17, 8ff.; Z. S. 2, 14 ss.), nicht als Genugthuung für beleidigte Ehre vorkommend, ruht auf einer unklaren und jeder Klärung widerstre- benden Mischung christlicher und heidnischer Elemente: christlich ist der hohe Werth, der auf die Persönlichkeit und ihre Ehre gelegt wird, an welcher durch schnöde Beleidigung ein geistiger Mord begangen wird; heid- nisch der Gedanke, aß durch den Zweikampf die Frage über Recht oder Unrecht entschieden werde, daß er also ein Gottesgeri tsei. Waltet dieser letztere, geschichtlich allein zuläs ige Gedanke nicht vor, so hat der Zweikampf überhaupt keinen irgend verständi en Sinn; denn darin, daß etwa der durch grundlose Be- leidigung Frevelnde den, an dem er gefrevelt, noch niederschießh liegt kein sittlicher oder auch nur ver- ständiger Gedanke, und weder die Ehre des Beleidig- ten noch die der Gesellschaft kann dadurch irgend etwas gewinnen. Die Gottesgerichte des früheren Mittel- alters aber, auf denen die Zweikämpfe ruhen, gfind nicht aus christlicher sondern aus heidnischer Au as- sung entstanden, aus dem Gedanken, daß das zeitliche Schicksal des Einzelnen auch sein Gericht sei. Jst dieser Gedanke bei dem neueren Zweikampf nirgends mehr vorhanden, wird der viel niedrigere an die Stelle ge- setzt, daß der Beweis des persönlichen Muthes die an- gefochtene Ehrenhaftigkeit bewähre, so hätte der Zwei- kampf nur in dem einzigen Falle einigen Sinn, wenn die Beleidigung auf Feigheit lautete; in jedem andern Falle kann er die verletzte Ehre unmöglich herstellen, denn es kann jemand viel persönlichen Muth haben, der in anderer Beziehun durchaus unsittlich, also ehr- los ist, und gerade der orwurf der Feigheit, der doch verständiger Weise nur auf Grund von Thatsachen emacht werden kann, läßt sich durch ehrengerichtliche Entscheidung für die öffentliche Ehre am leichteften be- fingen, bestätigt aber das Urtheil ·der sittlichen Ge- ellschast diesen Vorwurf, so kann er durch keinen Zweikampf, sondern nur durch Bethätigung wirklichen Muthes in dem sittlichen Berufe entfernt werden. Der Zweikampf ist also schlechthin unchristlich, sowohl dann, wenn er auf dem Gedanken ruht, daß die Entscheidung über Recht oder Unrecht in der EntsJeidung der Waffen liege, weil dies ein widerchristli er Gedanke ist, als auch dann, wenn er die völlige Unverträglich- keit des Daseins zweier Personen neben einander aus- spricht, weil dies aller christlichen Sittlichkeit wider- spricht und unpersönliche Rachgier bekundet; gemildert nur, aber nicht entschuldigt kann derselbe werden durch ein in Vorurtheilen befangenes Bewußtsein des Stan- des, welches den, der des Zweikampfes sich weigert, für ehrlos und ausgestoßen betrachtet, während es die näherlie ende Pflicht solches Standes wäre, den sich an der hre eines Andern unrechtmäßig vergreifenden Beleidiger von sich auszufchließen. Selbst in solchem Falle ziemt dem Christen der Muth des Bekenntnisses gegen diesen Wahn, ein höherer Muth als der, welcher der Spitze des Degens gegenüber gezeigt werden kann; und lieber wird der Christ um des Zeugnisses für die Wahrheit willen die Schmach der bethörten Welt auf sich nehmen, als sich an Christo verfündigen, und lieber aus einem Berufe fcheiden, der ihm etwas Wider- christliches zumuthet, als aus dem Stande eines fei- nem HErrn gehorsamen Christen. (Wuttke.) II. V. 5 — 10. (§. litt) In dieselbe Zeit uilt den ini vorigen Abschnitt beigebrachten Kussprüchen Christi fällt die hier niitgetheilte Verhandlung mit den Jüngern, nämlich iic die Zeit von den Vorgängen bei Eiisarea philippi bis ziini Jliifbruih aus Galiläa; wir werden ihren Zusammenhang mit dem, wag uns sonst nng dieser Zeit berichtet wird, nachher nachweisen (vgl. die Kein. zu eUatth.18,35), eine eigentliche sharallelsielle liegt aber weder bei matthäug noch bei »Anmu- vor, sondern wir haben es hier mit einer Ergänzung zu beiden Evan- geliüen nnd zu dem, was Entm- selber in Nah. 9, 18 ——58 im Aiisihlnsi aii die herliöninilikhe evangelisihe Verkündigung erzählt hat, zn thun. 816 Evangelium Lueä 17, 5—11. d. Und die Apostel sprachen zu dem HErrn: Stärke foder vermehre] uns den Glauben. s. Der HErr aber sprachx Wenn ihr Glauben habt als ein·Senftorn, und sagt zu diesem Maul- beerbaum [wohl s. v. a. Maulbeerseigenbaum 1. Chron. 28, 28 Anm.]: Reise dich aus Und vetseYe dich in’s Meer; so wird er euch gehorsam ein. 7. Welcher ist unter euch, der einen Knecht hat, der ihm pfliiget oder das Vieh weidet, wenn er heimkonmit vom Felde, daß er zu ihm sage: Gehe bald hin und sehe dich zu Tische? 8. Jst es nicht also, daß er zu ihm saget: Nichte zu, das ich zu Abend esse smeine Abendmahl- zeit halte], schiirze dich und diene mir, bis ich esse und trinke; darnach sollst du auch essen und trinken? El. Daukei er auch demselben Knechte, daß er gethan hat, was ihm befohlen war? Jch meine es nicht. 10. Also auch ihr, wenn ihr alles gethan habt, was euch befohlen ist, so sprechet: Wir sind Unnutze [verdienstlose] Knechte; wir haben [nur] gethan, das wir zu thun schuldig waren. » «) Es wird von dem heil. Evangelisten nicht an- egeben, was die Zwölfe bewogen hat, durch einen precher aus ihrer Mitte auf einmal mit dem Anlie- en an den HErrn heranzutretem daß er zu dein aß des Glaubens, das ihnen schon gegeben sei, aus seinem Rei thum ilånen ein voll, e rückt, gerüttelt und überslüsig Ma hinzuthun wo e, damit sie die Fülle hätten; gleichwohl läßt sich erkennen, daß in jener Zeit der zweiten Hälfte des September a. 29 n. Chr. von dem, was der HErr mit ihnen verhan- delte, das Herz der Jünger in zweierlei Hinsicht tief bewegt und zu roßem Ernst gestimmt worden ist. Einestheils hatte esus sie mehrmals so nachdrücklich auf sein bevorstehendes Leiden und Sterben und fei- nen Weggang aus dieser Welt hingewiesen (Matth. 16, 21 f. 27 f.; 17, 9. 12. 22 f.), daß, wenn sie sein Wort gleich nicht verstunden, ie doch einer gewissen Niedergeschlagenheit und des indrucks sich nicht er- wehren konnten, es stehe i nen eine Zeit bevor, wo sie ohne den Meister ihre traße weiter durch die Welt ziehen müßten; anderntheils hatte er ihnen ge- sagt, daß sie dann sein Reich würden aus Erden zu bauen Toben, zwar dafür eine hohe geistliche Macht- befugni besitzen würden, aber auch mit schweren in- dernissen würden zu kämpfen haben (Matth. 16, I f·; 18, 18 ff.; 17, 24 ss.). Da fühlten sie denn einer Stärkung ihres Glaubens sowogk zur Ertragung der ihrer wartenden Nöthe als zur usrichtung des ihnen aufgetrageneii Werkes sich bedürftig, und sie sol en nun dem Winke, der ihnen in dem Wort gege en war: ,,wo zween unter euch Eins werden auf Erden, warum es ist, das sie bitten wollen, das soll ihnen widerfahren von meinem Vater im Himmel«, und sprechen eine Bitte aus, wie sie ihnen durch den Vor- fall mit dem besessenen Knaben, den sie nicht hatten heilen können, an sich schon nahe gelegt war, außer- dem aber auch noch besonders dur das Wort des Vaters jenes Knaben (Matth. 17, 14 .; Mark. 9, 24). Was nun der HErr auf ihre Bitte erwiedert, ist eine Verkündigung dessen, was sie im Glauben noch ein- mal vollbringen würden; denn der Wortlaut dieser Erwiederung spricht ihnen zwar für jetzt den ächten und rechten, den erleuchteten ui1d mit Herzenserneue- rung verbundenen Glauben noch ab, giebt aber doch zu erkennen, daß sie denselben noch einmal besitzen werden, und dann werde dieser gleich in seinem ur- sprünglichen Maße so mächtig sein, um in einer be- stimmten Beziehung eine ganz unbeschränkte Macht auszuüben. Wir haben u Mark.11,23 uns darüber ausgesprochen, wie das ort in Matth. 21, 2l., das dem in Matth. 17-, 20 eine spezielle Beziehung giebt, gemeint sei: der Feigenbaum, den die Jünger werden verdorren machen, ist das ungläubige Judenvolk, der Berg aber, dem sie besehlen werden, daß er sich aus- ebe und in’s Meer stütze, ist das ausgeartete theo- ratische Judenthum, das seine Stelle nicht mehr in Jerusalem, sondern in der Wüste der Völker (He . 20, 35) haben soll. Aber schon Markus hat es mit dem Feigenbaum weniger zu thun, was aus dem werden -soll; es kommt ihm mehr auf die Aufhebung der aus- gearteten jüdischen Theokratie, die der Ausbreitun des Reiches Gottes unter den Heiden solange hinderli im Wege gestanden, auf den Sturz des Berges in das Meer an. Da geht nun Lukas noch einen Schritt weiter: der HErrhatte gegen die Jün er, wie von einem Feigenbaum, der verwirren, un von einem Berge, der sich aufheben und in’s Meer stürzen solle, so auch von einem Maulbeerbaum geredet, der sich aus dem Boden, da er bisher seine Wurzeln gehabt, ausreißen und in’s Meer — ni t stürzen, sondern versehen oder verpflan en olle. Unter diesem Maulbeerbaum ist ohne weifel das Reich Gottes emeint und der Sinn der gleichnißartigen Rede der- elbe, wie wenn der HErr in Matth. 21 , 43 zu den Juden sagt: »das Reich Gottes wird von euch enom- men und den Heiden gegeben werden, die seine Früchte bringen» Den: Gehilfen des großen Heidenapostels, der mit seiner Missionsthätigkeit in der That die Aus- reißung des Maulbeer aums aus jüdischem Boden und seine Verpflan ung auf das Terrain der Heiden in Vollzug gvesetzt hatte, war der dahin zielende Aus- spruch» Christi so wichtig, daß »er»·unsre Geschiehte uber das hinaus, was die bisher iibliche evangelische Ver- kündigung von den ähnlich lautenden Aeußerungen des HErrn aufbewahrt hatte, noch in einem eignen Nach- trag beibringen mußte. . its) Auch diese Rede Christi hängt mit den Ver- andlungen während der oben angegebenen Zeit aufs ngste zusammen; sie hat ihren Bezug auf den Ran ·- streit der Jünger in Matth. 18, 1; Mark. 9, 33 Luk. 9, 46· Das Gleichniß, welches der HErr hie vorbringt, ist dies: »Ein Knecht konimt Abends heim, nachdem er den ganzen Tag mit Pflügen oder Vieh- hüten beschäftigt ewesen —- komml nun etwa sein Herr« mit außeror entlichen Beweisen seiner Zufrieden- heit ihm entgegen? Nein! von der Tagesarbeit muß der Knecht sich weiter zu der des Abends wenden, dem Herrn sein Mahl bereiten und bei Tische ihm auf- warten, solange es demselben gesällt z1i tafelnx dar- nach erst darf auch er sein beseheidenes Mahl zu sich nehmen«. Man kann bei praktischer Behandlung unsers Textes dieses Gleichniß mit Hereinziehen in die Sache, um die es sich in den beiden vorhergehenden Versen handelte, und den Bescheid des HErrn um Stär- ung des Glaubens in Erwägung nehmen; derselbe wäre dann ein zwiefachem I) brauche mit freudilger Entschlossenheit, was dir von Glauben schon ge e en ist, so wirst du nehmen, daß du die Fülle habest (Matth. is, 2); 2) warte in Geduld und Entsagung deines Amtes, bis das Tagewerk völlig zu Ende ist, dann sollst du auch das Ende des G aubens davon Vom Glauben und von den Werken. bringen, nämlich der Seelen Seligkeit Eine andere Zusammenfassung beider tücke, aber von dem letzteren ausgehend, ist diese: Was ist der Sinn und Geist eines ächten Gottesknechts? Zweierlei haiiptsächliils gehört dazu: 1) der tiefe Demuthssinm der nichts aus sich selber macht; Z) der hohe Gla1ibensmuth, der alles in dem HErrn vermag. (Gerok.) Wir sind unnütze Knechte: das ist ein hartes Wort, empörend für den Stolz des natürlichen Menschen; wer entschließt sich dazu? und dennoch ist es die natürliche Pforte, durch die wir hin- durch müssen. Der HErr würdigt uns wohl an andern Stellen, daß er uns seine Mitarbeiter heißt, er redet wohl von einem Lohn (aus Gnaden freilich) im Him- LL Petri l, 5 ff.). I- o. 11—19. . (§ ei) J» usw. is, 19-31 isqiic eakas die fortlausende Geschichte big dahin initgcttikilh nio Jesus nun von: Ort seiner bisherigen Wirksamkeit jen- seit des Jordan zur Zinferwektisiiig des Eazarug nach Bethaiiieii ausbrach, nnd tritt hier der Bericht in Loh. It, 7——54 ergiinzend ein. Dieser zeigt am Schlusse uns den iljGrrn in stiller Zursiktigezogcnlieit zu Gnhreim als daher die Zeit kam, wo er wie ein gatiliiisiher Fest— pitgcr aufs Qstersest reisen wollte, siihrte ihn sein weg ans dem nördlichen Theile vou Jud-in durch Saniaria nach dein südlichen Theile von Galitäm Hier ereignete es ach, daß zehn aussätzige Männer seiiiehilfe in Jlusprnch nahmen; unter ihnen befindet sich auch ein Samariter, und gerade dieser» der Fremdling ist es, der seineni Helfer den schnldigeii Dante absinttet, während die Andern alle die Wohtthat der Heilung wie einen Raub dahinnehinen nnd ihres Wohlthiiterg nicht gedenken. Evangeliuin am til. Sonntag nach Criniliitis.) »Wie der eine unter den zehn Aussätzigen nach dem Bericht des Evangeliums umkehrt und dem HErrn für seine Gnade dankt nnd Gott die Ehre giebt, so müssen auch wir, so wir anders die Gnade Jesu Christi er- fahren haben und der Rechtfertigung gewiß sind, ihm Lob und Dank sagen. Der heil. Geist, der den Ge- rechtfertigten Zeugniß giebt, daß sie Gottes Kinder sind, erfüllt ihre Herzen auch mit seliger Freude und treibtsie an, ihr ganzes Leben als ein heilig Dank- opfer Dem darzubringen, der sie vom Tode errettet hat. (Dieffenbach.) Auf das Evangelium von dem barmherzi en Saniariter folgt nun das Vom dankbaren amariter. Das Werk der barmherzigen Liebe entwickelte sich vor unsern staunenden Augen, wir sehen aber nichts von der Fruchh welche die Barin- erzigkeit in den Herzen der Elenden zeitigtz dieser ext holt das Ver äumte nach: vder Unfegen des Un- danks zei t sich an Nennen; aber damit die Dankbar- keitauf rden nicht ganz ausgestorben sei, erscheint wenigstens Ein Dankbarer. Bei diesem ist die Dank- barkeit das beseelende und beseligende Princip, dasselbe soll sie bei allen Christenmenschen sein; das neue Leben, welches in Worten und Werken sich zu entfalten hat, wurzelt in der Dankbarkeit, denn es ist die noth- wendige Folge des Heils, welches in Christo uns er- schienen ist und sich an uns erwiesen hat als eine Kraft Gottes. (Nebe.) Was gehört dazu, um von seiner Lebenserfahrung einen Segen zu haben?· Ein gutes Gedächtniß l) für das Wehe, 2) für die geistlichen Wohlthatem Z) für die guten Vorsätze (Caspari.) Wie die Noth wohl beten, aber der Glaube erst danken lehrt. » (Lehmus.) Von dem engen Zusammenhang des Glaubens D ä ch s el’s Bibcliverc 817 melz aber wenn sich’s um Ansprüche handelt, wenn es sich fragt, ob er uns für unsre Leistungen irgend etwas schuldig sei, da heißt er uns bekennen, wir sind unnütze Knechte, denen er nichts schuldig ist, die ihin alles schuldig sind, die er nicht braucht, die aber Jhn brauchen. So sollten wir schon sagen, wenn wir sogar alles gethan hätten, was wir schuldig waren; wie aber erst, wenn wir — und wer mißt es, wie weit! — zurück eblieben sind? Soll er etwa uns danken, daß wir a es, was wir sind und haben, von« ihm ange- nommen, daß wir im besten Fall ihm zurückgeben, was wir empfangen haben? soll er uns danken, daß wir es nicht ärger, als leider gefchehen, gemißbraucht haben? (Rigget»ibach.) mit der Dankbarkeit: 1) der Boden, aus dem sie entsteht, 2) die Aeußerung, in der szsie sich kund giebt, z) der Segen, den er HErr ihr» zuspricht (v.·Burger».) Was ist der Glaube, der»in Wahr- heit seliginachende Kraft hat? »Ein» Glaube, der 1) demüthig im Bitten, Z) freimuthig im Herznnahen, Z) frohlichnm Danken ist. —- Wer em- pfangene Gnade ehrt, ist großerer . Gnade werth- (v. Oosterzeeh Unser Leben·muß«ein bestand» gzeszBiten und Danken» sein: I) »ein Bitten in eziehung auf unsre Bedürfnisse, 2) ein Danken in Beziehung auf» die gottlichen Gnadenwohlthatem (·Couard.) Wo sind aber di»e Neune? eine schmerz- liche Klage des HErrn auch uber uns« 1) an un ern Undank uns zu mahnen, 2) nach seinen Ursa en uäs zik fragen, Z) vor seinem Unfegen uns zu warmen. ( ero «) 11. Und es begab sich [in der zweiten Hälfte des März a« 30 n. Chr.], da er. svon Ephrem, wo er mit denJüngern etwa 40 Tage in der Stille zugebracht hatte Ioh.11, 54., nun aufbrechend] reisete lin dem zu Kap. 13, 22 angegebenen Sinne] gen Jerusalem, vg er lseinen Weg zunächst hinauf nach» ethsean nehmend, um nach der Sitte der galiläischen Fest- pilger .jenseit dieser Stadt über den Jordan nach Peräa sich zu wenden] mitten durch Samaria Und Galilåa [in der letzteren Landschaft wohl dieselbe Straße einschlagend, die er schon in Kap- 9, 57 von Ginäa aus sich erwählete, nachdem die Samariter ihni den Durchzug durch ihr Ge- biet verweigert hatten]. Der Wortlaut des Grundtextes könnte auch be- deuten: ,,er zog durch die Mitte von Samaria und Galiläa«, d· i. zwischen beiden Ländern auf der Grenze durch oder der Grenze entlang zwischen Samaria und Galiliia hin, also von Westen nach Osten ans den Jordan zu; diese Auffassun vertreten denn diejenigen Chronologen, welche, wie . Lange und Lichtenstein, unsere Stelle mit Kap. 9, 57 zusammenfallen lassen, wonach St. Lukas freilich gegen sein Verspregen in Kap. 1, 8 sehr unordentlich und verwirrend ges rieben Bitte. Weit ungezwungener ist dagegen eine andere eiitung, wie wir sie bei Luther Vor uns haben und wie des Evangelisten eigener Sprachgebraiich (vgl. Kap. 4, 30) sie an die Hand giebt; da nun hiernach Jesus aus dem Süden von amaria gekommen sein muß, wenn er erst durch Saniaria und dann durch das nördlich davon gelegene Galiläa zog, so ergiebt N. T· I. 52 818 Evangelium Lucä 17, 12—19. sich, daß Ephrem im Norden von Judäa der Punkt gewesen ist, von welchem er zur Reise aufbrach, wie unsere EvangeliewHarmonie dies näher darlegt. 12. Und als er in [besser: an] einen [auf dem Grenzstrich zwischen beiden Landschaften gelegenen] Markt kam, begegnetcn ihm [un- mittelbar vor seinem Eintreten in den Ort] zehn ansfåtzige sdurch Gemeinschaft des Leidens mit einander verbundene und in Einer Hütte draußen beisammen wohnende L. Kön. 7, 133 15, b] Männer [so daß die sonst zwischen Juden und Samaritern bestehende Nationalfeindschaft Jol). 4, 9 nicht mehr bei ihnen galt], die stunden swie das Gesetz in Z. Mos. is, 45 f. es so vor- schrieb] von ferne, 13. Und erhaben saus dieser Ferne] ihre Stimme und sprachen: Jesu, lieber Meister, erbarme dich unser sdenn da Jesus vor etwa einem Jahre sich in dieser Gegend aufgehalten und die Kunde: ,,es ist ein großer Prophet unter uns ausgestanden und Gott hat sein Volk heim- gesucht« sich überall hin verbreitet hatte Kap. 7, 11—-—50., so wußten sie jedenfalls bereits von seiner großen Wundermacht, obwohl er jetzt so eben erst in ihre Nähe kam] 14. Und da er sin Folge ihres Rufens sich nach ihnen hinwendend] sie sahe [und alsbald auch sein Erbarmen ihnen zu Theil werden ließ], sprach er zu ihnen [nicht sowohl: »Seid gereiniget und gehet nun hin und zeiget euch den Priestern« Kap. 5, 13 u. 14., sondern um ihren Glaubens- gehorsam auf die Probe zu stellen, blos dies]: Gehet hin und zeiget euch siiach Vorschrist des Gesetzes 3.Mos.14, 2 ff.] den Priestern [gleich als wären sie schon gesund, obwohl sie doch für den Augenblick noch mit dem Aussatz behaftet blieben]. Und es geschah, da sie [seinem Wort, das ihnen Heilung verhieß, wirklich trauend und ohne Einwand dem Befehl sofort Folge leistend] hingingen, wurden sie [nachdem sie nur erst eine kurze Strecke Wegs zurückgelegt hatten] rein [wie sie an dem plötzlicheii inneren Wohlbefinden und an der äußeren Wandelung ihres Fleisches bemerken konnten Z. Mos. 13, 3 u. 5. M. 28, 27 Anm.; ·2. Kön. 5, 14]. Unter den Zehn befindet sich, wie wir aus V. 18 erfahren, ein Samariter oder ein auf gleicher Stufe mit den Beiden stehender Fremdling; wurde nun gleich vor den euten dies erst nachher bekannt, so dürfen wir doch nicht annehmen, daß der HErr sozu agen aus Versehen auch diesem seine Wohlthat habe zu heil werden la sen, vielmehr steht er allewege unter Leitung seines himmlischen Vaters. Und da ist denn dieser Vorfall ein Zeichen, daß iiunmehr die Zeit herbeige- kommen ist, wo die Schranken, die Jesus noch in Matth. 10, 5 f.; 15, 24 so streng beobachtete, fallen sollen, wie denn auch die Undankbarkeit der Neune dem Verhalten dieses Einen gegenüber darauf hinweist, daß Jsrael sogar durch seinen Unglanben nnd seine Ver- achtung des Heiles in Ehrsto J sn s· l« ßlich ganz uni das Reich Gottes brinlgen neiird l( 13, 46— 48). Es wäre nicht m»ö lich- gewesen, daß das Volk Israel sich hinreißen ließ, über Jesum das ,,kreuzige, kreuzi ei« zu rufen, es wäre unbegreiflich, daß vor Pfing ten sich nur die geringe Schaar von 120 Seelen im· Glauben an Christum zusammenfand (Apostgz 1, 15), waren nicgt Schaareii von solchen, die er geheilt, un- dankbare eelen gewesen, und darum wieder von ihm ewichcn. Der älteste Geschichtschreiber der Griechen åßerod I, 144) erzählt von 6 qriechischen Stiidten in ’leiiiasien, die unter sich ein ündniß hatten, auch einen emeinsamen Tempel und bei demselben gemein- same ettkämpfez in diesen Kämpfen gewann der Sieger einen Kranz, aus grünen Zweigen geflochten, außerdem ein schön gearbeitetes ehernes Geräth, das durfte er aber nicht nach Haufe nehmen, sondern mußte es im Tempel dem Gott als Dankgeschenk darbringen· Nun geschah es, daß ein überniüthi er Sieger seine Beute nach Hause trug, und da er sie nicht heraus- geben wollte, bei seinen Mitbürgern Unterstü ung fand; a vereinigten sich die 5 andern Städte un schlossen die Stadt dieses Frevlers vom Bündniß und vom Tem el aus — sie wollteii lieber das Band zerreißen, das ündniß schwächen, als daß sie es unter sich ein- reißen ließen, das; dem Gotte nicht mehr Dank und Ehre gebracht würde. (Riggenbach.) 15. Einer aber unter ihnen, da er sahe, daß er gesund worden war, kchrete er sohne erst den Weg zu den Priestern weiter fortzusetzen] Um [zu Jesu] und reisete sals er zu ihm kam] Gott mit lauter timine ses vor allem Volk verkündigend, was ihm aus Gottes Macht Großes geschehen sen, · 1·6. Und fiel [auch Jesu die Ehre gebend, die ihm als Segensvermittler und Heilsspender gebührte] auf sein Angesicht zu seinen Fußen sihn anzubeten Kap. 5, 12; Matth. 8, 2], iiud dankete ihm smit solcher Ehrenbezeigung, die er wohl auch mit einigen Worten begleitete] Und das war· swie die Umsteheiiden erst jetzt aus seiner Kleidung erkannten] ein Samariter. .17.» Jesus »aber antwortete und sprach: Sind ihrer nicht Zehn rein worden? sich weiß ja doch, daß durch mein Wort ihnen allen die gleiche Hilfe gescheheii.] Wo sind aber die Nenne [was hält sie ab, daß sie nicht ebensalls sich hier eingestellt haben]? 18. Hat sich sonst »keiner fundeii, der wieder umkehrete und gabe Gott die Ehre, denn dieser seinem Heiden gleich geachtetes Fremdling [Jes. J, 2 u. 3]? Mit dem Worte »Eehet hin und zeiget eitel) den Prietern« atte der H rr den Samariter zu seinem Prieter au Garizim, die übrigen Neun aber zu den Prietern in Jerusalem gewiesen; wie er nicht gekom- meii, das Gesetz und die Propheten aufziilosem so war es auch nicht sein Absehen, hier aus einem Sa- mariter einen üdischen Proselhten zu machen, wie denn auch die J den die Reinsprechungen der samari- tanischen Priester für vollständig genügend erachtetein Die aussätzigen Männer iiuii bestehen ohne Ausnahme die Glaubensprobe, die darin liegt, daß Jesus sie nicht Die Heilung der zehn Aussätzigen 819 zusehends rein macht, sondern sie gehen heißt, da sie noch aussätzig sind, aber in diesen seinen Befe l die Verheißung seiner Hilfe einflicht; es ist das, wie uther sagt, auch »die Weise, die Gott an uns Allen braucht, den Glauben zu stärken und u probiren, daß er mit uns also fährt, daß wir’s ni t wissen, wie er’s mit uns machen will, welches er nur darum thut, damit der Mensch sich selbst ihm befehle und sich auf seine bloße Güte ergehe, nicht weifelnd, er werde das geben, was wir begehren, o er ein Besseres, und nun desto stärker von ihm halte. Während jedoch die Zehn bis dahin, wo sie wirklich rein werden, äußerlich und innerlich einen und denselben Weg gehen, scheiden sich von da an ihre Wege — neun bleiben dahinten und nur einer kommt wieder zum Vorschein. Der Sama- riter, da er umkehrt, hat nicht die Absicht, seinen Gott um das Opfer zu bringen, welches nach der Rein- sprechung dargebracht werden sollte, er folgt nur dem Drange seines Herzens, der hier anz richtig ist: wer dem, durch welchen Gott ihm hat Heil widerfahrn lassen, nicht dankt, wie kann er Gott danken, den er nicht siehet? Um recht zn danken, kehrt dieser Sa- mariter um, denn die Dankbarkeit ist in ihrem tiefsten Grunde eine Umkehr zu dem Wohlthäten der Dank- bare behält diesen fort und fort vor Augen und im Herzen, er erinnert sich seiner, kehrt mit seinen Ge- dan en immer und immer wieder zu ihm zurück und webt und schwebt mit seinem innersten Sinne um ihn Tag und Nacht. Es ist aber nicht so leicht, wie man gewöhnlich denkt, zu danken, es fällt dem natürlichen Menschen gar schwer, es ist ihm unbequem und lästig. Schon das Bitten, das Flehen geht schwer an, die Noth jedoch ist ein trefflicher Dränger; wenn sie ihren Stecken erhoben hat und uns empsindlich schlägt, dann läßt sich auch ein stolzes Herz am Ende herbei zu flehen. Jst dagegen die Noth gewendet und geendet, dürfen wir das Haupt wieder erheben, nach langem, schwerem Druck, so wird der Nacken leicht wieder steif und die Stirne frech; wir wollen nichts mehr davon wissen, daß wir m großen Nöthen waren, wir schämei1 uns, daß wir zu schwach und ohnmäch- tig gewesen, uns nicht selber helfen zu können, und mögen es nicht über uns gewinnen zu danken, mit lauter Stimme in der Gemeinde dem Namen des Allerhöchsten zu lobsingen — wer danken, wahr- haft danken will, muß sich beugen und verleugnen. (Nebe.) Jndem Jesus den Samariter vor sich sieht, fühlt er sich tief ergriffen von dem Unterschied zwischen diesem einfältigen Gemüth, in welchem noch das natür- liche Gefühl der Dankbarkeit erklingt, und den, von pharisäischem Hochmuth und Undankbarkeit gan ver- rosteten xüdischen Herzen; sogleich mag au das S icksal seines Evangeliums in der Welt sich seinem Blick dargetellt haben, aber er begnügt sich, den vor- liegenden ontrast in’s Licht u stellen. (Godet.) Den Samaritern war das Herz urch Hochmuth noch nicht so verhärtet, wie es bei vielen Jsraeliten der Fall war, die sich für die ächten Söhne des auser- wählten Volkes hielten; darum hat jener barmher- zige Samariter (Kap. 10, 33 ff.) ein Herz gehabt für die Noth des bedrängten Nächsten und hat Barmher- gigkeit an ihm gethan; und darum hat auch dieser ankbare Samariter ein Herz für die Liebe, welche Barmher igkeit an ihm get an und ihn von seiner eigenen oth befreiet hat. ( aur.) Der Samariter empfindet die erfahrene Hilfe als eine Wohlthat, auf die er keinen Anspruch noch ein Recht sie? beimißh die ihm aus freier unverdienter Güte wider ahren ist, die ihn beschämt und beugt als eine Gabe, deren er sich selbst unwerth und zu gering dünkt; die Andern ken- nen dies Gefühl nicht. Daß sie geheilt sind, scheint ihnen billig und ganz in der Ordnung; als amc Abra ams, wie sie sich achten, finden sie darin nur die Erfii ung eines gerechten Anfpruchs, nichts Außer- ordentliches, Sonderliches, nichts, was sie verpflichten · müßte, sich aufzuhalten und erst noch einen Umweg u machen, denn an wem könnte der HErr seine elfermacht passender erzeigen und würdi er verwen- den als an ihnen, den Gliedern seines s olks! Der platte Dünkel anspruchsvoller Selbstzufriedenheit ist bei den Einen der Grund, weswegen sie nicht danken; die aufrichtige Anfpruchsloigkeit und Demuth geist- licher Armuth ist bei dem ndern der Boden, dem der Dank entsprießt Das aber ist derselbe Boden, aus dem der Glaube an die im Evangelio uns vor- gehaltene Gnade aufwächstt die Hoffärtigen verschmä- en sie und gehen unbewegt in Gleichgiltigkeit und Kälte an ihr vorbei; der geistlich Arme, der demüthi- gen Geistes, der gebrochenen Herzens ist, faßt sie auf wie das lechzende Erdreich den erquickenden Thau von Oben, wie der Hun rige die Speise, der Durstige den Trank. (v. BurgerF 19. Und er [Jesus, nachdem er Jene Frage und Klage in das umstehende Volk hineingeredet, sich nunmehr an den Mann selbst wendend] Brach zu ihm: Stehe aus«-gehe hin, dem lanbc [der anderer Art ist, als der bloße Nothglaube der Andern, der mit der Noth ent- steht und verschwindet] hat dir [völl1g und wahr- hastig] geholfen lKcip- 7, 50; s, 48]. Was sagen diese Worte des HErrn anders, als: ,,Stehe auf— liege nicht länger zu meinen Füßen; ich habe den Sinn eines Thuns erkannt und deinen Dank angenommen. Ge e hin —- nicht länger ver- säume den Weg zu den einen, welchen deine Ge- nossen in der Genesung vielleicht schon vollendet haben, ehe hin und freue dich mit den Deinigen: deine reude ist gesegnet, sie ist eine Freude im ·Errn. Dein Glaube hat dir geholfen — er fa te die öttliche Hilfe und bringt nun die gute Frucht des ankes; solcher Glaube wie deiner, welcher nicht todt sein läßt im Guten, hilft wohl aus Nöthen«? Die glänzendste Krone auf dem Haupte des Samariters wäre so schön nicht als das Wohlgefallen des HErrih welches sich in diesen seinen Worten ausspricht; das- selbe ist ein Heiligenschein um das Haupt des Mannes, vor welchem Abendstern und Morgensonne erbleichen. Wenn man eine That in vielen tausend Menschenlie- dern besänge, so würde sie sammt diesen Liedern, sammt allen ehernen Gedenktaseln und Monumentem die sie hätte, an jenem großen Tage doch nur in ewiges, stummes Schweigen versinken; dagegen wird dann erst, wenn Himmel und Erde untergegangen, im Lichte erscheinen, was für ein ewiger Ruhm die Er- zählung seines Dankes für den seligen Samariter seiii wird. (Löhe.) Den neun Juden hatte ihr unvollen- deter Glaube nur zu des Leibes Genesung geholfen; dem Samariter allein half fein dankender Glaube gut: Heilung noch von einem andern Aussatz. Ja, ie Sünde ist auch ein Aus-sah, eine Verderbniß un- srer besten Säfte und Kräfte, ein nagender Tod im Leben, und wenn sie ausbrichh ein Ekel und eine An- steckung für unsere Nächstenx von diesem Aussatz der Seele hilft allein der Glaube, welcher dankend dem HErrn die Ehre giebt. (Riggenbach.) Der Samariter allein hat in einer Heilung die Wirkung jenes Worts, welches derH «rr zu allen Zehn gesprochen hatte, in’s Auge gefaßt und durchgeschaut; er wurde inne, daß 527 820 Evangelium Lucä 17, 20——30. es die Kraft des HErrn ist, der sein Uebel gewichen war, darum ke rt er um zu dem HErrn und preist ihn als den ohlt äter, dem er die Genesun zu danken hat. Er wei , kein Zufall, kein Unge ähr, keine Wirkung der Natur, kein menschlich angeivandtes Mittel, auch nicht sein Gehorsam, mit dem er auf des HErrn Geheiß sich aufgemacht hat, zu den Priestern hinzugehn, sondern der HErr allein hat ihn gesund gsmachts darum erhebt zu ihm sich seine Seele, Jesu ort, em er gefolgt ist gleich den Andern, hat in ihm den Glauben angezün et, den sein Dank beken- nend aussprichh während die Andern an der Wirkung sich genügen lassen und zu der Ursache, welche sie her- vorgebracht hat, stolz und träge ihre Sinne nichtser- heben mögen. Nun liegt wahrhaftig viel daran, daß wir den Einen aus den Zehn uns zum Muster neg- men, nicht die Neune, daß wir durch Gottes Lie e und Treue, die auch wir in unserm Leben so reichlich erfahren, uns das Herz gewinnen lassen und seine nach uns ausgestreekte Hand darin erkennen, daß wir inne werden, wie seine Güte uns zur Buße leiten will und zur Erkenntniß des Einen, der ein Meister ist zu helfen (Jes. 63, 1), Jesu Christi. DerHimmel, den man so häufig nennen hört, wo Jesu Name, wo der Name Gottes ausgesprochen werden sollte, der kann uns nicht helfen; auch die Vorsehung hilft nicht, denn sie ist ja selbst nichts, als Gottes ausge- reckter Arm und offenes Auge, und erstreckt sich darum über alles, reicht bis in die Hölle, ordnet auch die Strafen der Verdammten. Aber der Gott und Vater unsers HErrn Jesu Christi, der die Welt also geliebt hat, daß er seinen eingeborenen Sohn für sie dahin gab, der will nicht, daß jemand verloren werde, son- ern daß alle, welche an ihn glauben, das ewige Leben haben; darum ieht uns der Vater zu dem Sohne durch seinen Geiszt nnd sein Wort und brauchet Ernst und Güte, um dem Worte bei uns Bahn zu machen, läßt es an Wohlt at und an Züchtigung nicht fehlen, ob wir seine timme hören möchtein Selig, wer mit dem Samariter ein offenes Ohr für sie gewinnt, wen Gottes Liebe zu Jesu Füßen wirft, ·aß er von ihm Genesung erlange für seinen Unsterb- lichen Geist und das Geschenk gewinne nicht blos des leiblichen, sondern auch des ewigen Lebens! (v. Burgen) Der Samariter ist nun kein Fremdling mehr, sondern ein Bürger mit den Heiligen nnd ein Hausgenosse Gottes, die Juden aber sind zu Fremdlingen gewor- den. (Crüger.) II. v. 20—37. (§. ge) nachdem Jesu» jckiskn de: Stadt Bethsean den Fluß überschritten hat, führt ihn sein Weg disreh die öslliche Jordanniedcrnng an der Stadt pelta vornher (vgl. tiarte VI); die an ihn ge— richtete Frage der Pharisäer fiher die Zeit der Er— scheinung deo Reiches Gottes, welche er heilt-txt, die Gedanken der xlirager von außen nach innen zu richten, giebt ihm zugleich Gelegenheit, seine Sänger ans die bevorstehende Zukunft nnd die seiner Erscheinung vorangehenden Zeichen nnd tliustiinde aufmerksam zu Inaehen, wag er denn in Worten thut, die hernach in seiner großen Rede von den lehlcu Dingen, wie wir. sie bei itialthäiig Lan. 94 n. 25 lesen, wiederlcchcein Die Jünger atmen da wohl, daß er von Sachen rede, die sich im heil. Lande selbst ereignen könnten, und fragen ihn aiiodriicliliclz wo denn dao geschehen solle, was er ihnen als die Sihreiiieiiggestalt der zuliiiiiftigen Tage vor Kugel! gemalt hat, worauf er auch durch eine sprüchivörtliclie ttcdenoart sie wirklich auf Jerusalem hin- weist. Eg scheint nng von Wichtigkeit, die 0erllichlieit, woselbst diese Gespräche gefiihrt worden sind, so zu fassen, wie wir vorhin angedeutet haben; ninu halte daran, als eo nun an der Zeit war, von Jerusalem hinivegznslieheii,» einen xtiiiigerzeig, wohin die Flucht geschehen sollte; und wer weiß, ob nicht gerade die vorliegende Stelle dem Willens, welcher nach unsrer Ilnsiiht die ttebersiedelsing der jerusaleiiiischeii Genieiiide nach pella tin J· 66 n. Chr. vermittelt hat (i’tlatth. U, 20 2liiin.), ihre guten Dienste geleistet, um die an sich so schwache und uiiuersiändlge Genikiiide für diese Zusliictltsstiitle zu gewinnen. 20. Da er aber sbei seinem Eintreten in das Land jenseit des Jordan, nachdem schon größere Schaaren des Volks sich um ihn gesammelt Matth. 19, 1 f.; Mark. 10, 1] gefragt ward von den Pharisäern sdie ja in dieser Gegend etwas freundlicher gegen ihn gesinnt waren, als anderwärts Kap. 7, 36 ff.]: Wann kommt das Reich Gottes? antwortete er ihnen nnd sprach: Das Reich Gottes kommt nicht [wie ihr meinet] mit außerlichen Geherden smcht so, daß man es äußerlich beobachten oder mit Blicken verfolgen könnte, weil es von Umständen, die in die Sinne fallen, begleitet wäre]. 21. Man wird auch nicht sweil es ferner auch nicht auf einen bestimmten Raum beschränkt, an einen einzelnen Ort gebunden ist] sagen: Siehe hie oder da ist es. Denn sehn, das Reich Gottes ist inwendig in euch [in den Herzen derer, die da glauben Ephes 3, 17 u. Röm. 14, 17]. ,,Wann kommt das Reich Gottes?« so fragten den HErrn die Pharisäer; die Sadducäer hätten es nicht gethan, denn sie fragten überhaupt nicht nach dem Reiche Gottes, es lag ihnen nichts daran, sie glaubten wohl, eigentlich zu reden, gar nicht daran. Die Pha- risäer aber halten fest an der Erwartung, der Messias werde kommen, ein von Gott gesalbter König; der werde Jsrael erlösen, über alle Widersacher trium- phiren und auch die Todten auserwecken, daß sie an seinem Reiche theilnehmen. Und diese Hoffnung der Pharisäer bestreitet Jesus nicht, sowenig als er die Jünger tadelt, wenn sie bei der Himmelfahrt fragen: ,,wirst du anf diese Zeit wieder ausrichten das Reich für Jsrael?« Er sagt ihnen freilich: »Seit oder Stunde gebühret euch nicht zu wifsen«; wer aber nur Zeit oder Stunde zu bestimmen sich weigert, der be- stätigt ja, wenn auch für eine ungewisse Zukunft, die Sache selber. Also auch für uns Christen ist es ein Königreich, auf das wir zu warten haben: sollen wir hinter den Aposteln Christi, ja sollen wir sogar hinter den Pharisäern in dieser Glaubenshosfnung zurück- bleiben? Nein, das Kommen des Reiches Got- tes ist das große Ziel des Christenglaubensi 1) Es ist ein Königreich, aus das wir zu warten haben; aber sreilich 2) es kommt nicht, wie die Pha- risäer meinten, von außen herein; 3) es wächst vielinehr von innen heraus allmälåg der Offen- barung entgegen. (Riggenbach.) Welche eweggründe es gewesen seien, die die Pharisäer zu ihrer Frage veranlaßten, ob der Unglaubw der es wagte, den HErrn zu versuchen, o er der Halbglau e, der über den Zweifel, ob das Reich Gottes in Christo wirklich gekommen sei, sich nicht zu erheben vermochte; ob die Ungeduld, welche die Zeit des Reiches Gottes nicht erwarten konnte, oder der Hochmuth, welcher den HErrn zu einer augenscheinlicheren Offenbarung seines Raths nnd seines Werks heraussordern wollte Von der Erscheiuuiig des Reiches Gottes auf Erden. 821 — welcher von diesen Beweggründen die Pharisäer zu ihrer Fragegetrieben habe und ob nicht vielleicht alle zusammen, das wissen wir nicht. Aber das wissen wir, daß sie bei ihrer Frage eine sinnliche, äußerliche Vorstellung hatten von dem göttlichen Reiche Die menschliche Schwachheit hat zu allen Zeiten das Reich Gottes mit Sinnlichkeit umgeben; so war es zu Zeiten Jesu auch, ja insbesondere —— in weltlicher Pracht und Herrlichkeit sollte der Messias hervorbre en, ein König mit dem Schwert in der Hand, den ieg an seine Fersen geleitet, seinem Volke zur Errettung, allen Heiden zum Schrecken. Daher die mannigfachen An- stöße, die man an der Person Jesu nahm: er kam ja scheinbar als Knecht, und als König nicht, kam als Der, welcher nicht hatte, wo er sein Haupt hinlege, und nicht auf einem Thron, kam in Armuth und Niedrigkeit, von wenigen Getreuen, die er sich er- wählte, gefolgt, und nicht mit einem kriegsgerüsteten Heer. Daher der Unglaube auf feine Rede: ,,das Reich Gottes ist nahe herbeikommen«; man sehe es ja nicht! Daher bei denen, die anfingen zu glauben, hinter den Wundern, die seine Macht verriethem die Versuche, iPn zum König auszurufem daher elbst im Jiingerkrei e noch Streit über den Vorrang im Reiche Gottes und Bitten wie die der Mutter der Kinder Zebedäi (Matth. 20, 20sf.). Diese sinnliche, äußerliche Vorstellung vom Reiche Gottes ist es auch, welche die Pharisäer in unserm Texte leitete bei der Frage nach der Zeit der Ankunft des Reiches, einer Frage, hinter welcher die Voraussetzung sich verbirgt, daß das Reich noch nicht gekommen sei. Und was antwortet ihnen der HErrTD Von außen weiset er sie nach innen: »das Reich Gottes kommt nicht mit äußerlichen Geberden«, spricht er nnd damit kündigt er die Art an, wie es kommt; »das Reich Gottes ist inwendig in euch«, da- mit schließt er und darin kündigt er ihnen den Ort an, wohin es kommt. Man hat gemeint, daß der HErr mit dieser Antwort die Frage nach der Zeit, wann das Reich Gottes kommt, habe umgehen wollen, und es wäre dies denkbar, denn Zeit und Stunde hat der Vater seiner Macht vorbehalten; indessen liegt, richtiger angesehen, -in der Antwort des HErrn zu- gleich auch die Antwort auf die Frage der Pharisäer nach der Zeit mit— das Wann? ist erst zu erkennen, wenn wir über das Wie? gewiß geworden, und da- rum müssen wir dem Gange unsers Textes rückwärts nachgehen. Das Kommen des Reiches Gottes: l) wohin, 2) wie, Z) wann kommt das Reich Gottes? (Brückner.) Mit den Worten: »denn sehet, das Reich Gottes ist inwendig in euch« will Jesus die Pharisäer anweisen, das Reich-Gottes in der Tiefe ihres inneren Wesens zu suchen (Joh. Z, 3 .); es ist eine Sache der Jnnerlichkeih nicht der Aeu erlichkeit, wie ihr meinet, eine gottmenschliche Herzenserscheinung nicht eine außermenschliche Lichterscheinung; es steigt mitten aus der Tiefe eures geistigen Lebens empor, während ihr erwartet, daß es wie ein fliegendes Ding unter äußerlichen Zeichen, Formen und Geberden aus dem Lufthimmel hervorbrechen soll. Und nun ist es in seiner positiven Kraft allbereits für euch vorhanden in Dem, der den gehcimnißvollen Mittelpunkt eures öffentlichen Lebens bildet, es ist schon in eure Mitte eingetreten (Joh· 1, 25) in Dem, der der König des- selben ist (Kap. 11, 20). Der HErr macht mit dem ,,inwendig in euch« die Pharisäer noch nicht zu Glie- dern seines Reiches, sondern läßt ihnen nur die Mög- lichkeit offen, in dasselbe einzutreten, und ladet«sie freundlich dazu ein — es ist dies Wort die heim- lichste, erztreffendste, sreundlichste Spitze seiner Ant- wort. us demselben ergiebt sich der Sah: das Reich Gottes in unsrer Mitte hilft uns nicht, wenn es nicht in unser Herz kommt. 22.- Er sprach aber zu den Jüngern [im weiteren Sinne des Worts 16, 1., die mit den Pharisäern begonnene Verhandlung durch Mit- theilungen an sie jetzt weiter führend]: Es wird die Zeit kommen-daß ihr werdet begehren zu sehen einen Tag [genauer: .Einen der Tage] des Menschensohnes [so bange und sorgenvoll wird diese Zeit für euch sein]; und werdet [gleichwohl] ihn nicht sehenk [so lange nun-einmal die Zeit seiner Wiederkunft und der Aufrichtung seines Reiches in Herrlichkeit noch nicht da ist]. 23. Und sie [die Leute dieses Geschlechts, die sich an falsche Messiasse hängen] werden zu euch sagen: Siehe hie, siehe da sist der Messias, auf den ihr wartet; kommt und schließt euch mit uns ihm an]. Gehet nicht hin [so sage dagegen Jch euchL Und folget auch nicht seinem solchen Betrüger]. 24. Denn wie der Blitz oben vomsHimmel blitzt nnd leuchtet über alles, das unter dem Himmel ist; also wird des Menschen Sohn an seinem Tage sein [ein auf Erden auftretender Messias kann also niemals der rechte Christus sein Many. 24, 27]. 25. Zuvor aber muß er sdes Menschen Sohn, ehe er zum Himmel erhöhet werden kann, um dann an seinem Tage vom Himmel wieder zu kommen] viel leiden, nnd verworfen werden von diesem Geschlechtkt [Kap. 9, 22]. 26. Und swas nun den Tag des Menschen Sohnes von Seiten der ihm vorangehenden Zu- stände in seiner Kirche auf Erden betrifft, so merken] wie es geschah zu den Zeiten Noah, so» wird es auch geschehen in den Tagen des Menschen- sohnes. 27. Sie aßen, sie tranken, sie freieten, sie ließen sich freien, bis aus den Tag, da Noah in die Arche ging, und kam die Sündsluth und brachte sie alle um [Matth. 24, 37—39]. 28. Desselben gleichen, wie es geschah zu den Zeiten Lot sbei den Leuten zu Sodom und Go- morrha]: Sie aßen, sie tranken, sie lauften, sie verkaustem sie pflanzten, sie banetenz 29. An dem Tage aber, da Lot aus Sodom ging, da regnete es Feuer und Schwefel vom Himmel, und brachte sdieses Gottesgerichh sie alle um lohne daß sie die ihnen ertheilte Warnung im Geringsten sich hätten zu Nutze gemacht und sich dadurch aus ihrer sorglosen Sicherheit auf- schrecken lassen I. Mos. 19, 25 Anm. 2]; 30. Auf diese Weise wird es auch gehen an dem Tage, wann des Menschen Sohn [nun bald] soll osfenbarel werdens-«« 822 Evangelium Lucä 17, 3 1—— 37. 18, 1—5. «) ,,Das Verlangen, einen der Tage des Men- schensohns zu sehen, kann fich beziehen auf das wehmüthige Vermissen der Gemeinde bei der Erinne- rung an das während einer Gegenwart auf Erden genossene Glück (Kap. 5, 4 f.), oder aber auf die Sehnsucht nach irgend einer Kundgebung von Oben, welche endlich das Nahen feines Tages ankündige: im Grunde führt die erste Bedeutung auf die zweite, wie das Vermi sen auf das Verlangen; aber die zweite ist nach dem Zusammenhangl diejenige, welche vorherr- schen muß. Wenn die postel oder ihre Nachsolger in Abwesenheit ihres HErrn eine lange Zeit auf der Erde zugebracht haben, wenn ihr Pre igen und ihre apologetischen Beweise erschöpft sind und um sie her der Sceptieismus, der Materialismus, der Pantheis- mus mehr und mehr die Oberhand bekommen, dann wird in ihren Gemüthern ein fehnsüchtiges Verlangen entstehen nach dem HErrn, der ich verbirgt; sie wer- den eine, auch nur Eine göttliche Kundgebung wie in den alten Tagen begehren, um ihr Gemüth zu erfri- schen und die hinsterbende Kirche aufrecht zu erhalten, a er es wird bis an’s Ende heißen: ,,im Glauben wandeln — ihr werdet nicht sehen« (Joh. 20, 29). — Es ilt dies besonders auch für unsre Zeit, die eine Ertfxüllung des in Osfenb. 11, 7—10 Geweissagten ist. »Wenn aber der HErr mit Schmerzen vermißt und mit fehnlichem Verlangen erwartet wird, bleibt er auch (wenigstens mit einer tnerkli en Kundgebung von Oben) nicht mehr lange aus«: O fb. 11, 11—13. ») Der Aufregung der Erwartun bei den Gläu- bigen werden die verführerischen Au orderungen der Lüge entsprechen; aber daß die Anpreisungen von einer Erscheinung des Reiches Gottes in Herrlichkeih wie sie zu der Zeit der Drangsal der wahren Ge- meinde im Schwan e gehen, falsch sind, ergiebt fich von selbst aus der rt, wie die Wiederkunft Christi zur Aufrichtung feines Reichs gefchehen wird — näm- lich plö lich und allgemein, vom Himmel her aus dunkler acht aufleuchtend und alles er ellend. Dies ,,vom Himmel her« erfordert denn reilich für die Tage der Gegenwart, in welcher Christus hier zu den Jüngern redet, ein »zum Himmel hin« auf demjenigen Wege, den er schon 1n Kap.9, 51 angetreten und von dem er nunmehr fchon ein beträehtlich Stück zurück- elegt hat, so daß er nun bald (Kap.18, 31 die wölfe noch näher an fich wird heranziehen müæsen IN) Man hält gewöhnli dafür, in dem Verhält- niß, in welchem fich die rundsiitze der Humanitäh Bildung, Freisinnigkeit u. s. w. stets weiter verbreiten, werde die Welt immer weiser, besser, glücklicher wer- den: der HErr eröffnet uns hier einen ganz anderen Blick auf die vorletzten Zeiten. An Cultur und fal- schem Schein der äußeren Weltverklärung wird es dann gewiß ebensowenig, als in den Tagen Noah’s und Lot’s fehlen; aber anstatt daß nun die große Masse stets besser und ernster werden sollte, haben wir da egen nach dem Wort des HErrn eine Zeit der Sorglosiigkeih der Verhärtung und der fleischlichen Sicherheit zu erwarten, gerade wie die war, welche dem Untergang der ersten Welt und der Zerstörung Sodoms vorlerging: l. Petri 3, 19. 21; Z. Pet. L, 5—9; Judä ; Offb. 11, 8. (v. Oosterzee.) 31. An demselben Tage [den ich, so oft ich von der Zukunft des Menschensohnes rede, alle- mal mit in’s"Auge fassen muß, nämlich an dem Tage, wo nun das Gericht über Jerusalem sei- nen Anfang nimmt Matth. 26, 64 und es da gilt, schleunigst aus dieser gottlosen Stadt zu fliehen l. Mos. v19, 12 ff.], wer auf dem Dache ist, nnd sein Hausrath Dagegen] in dem Hause, der steige nicht hernieder, dassclbe fwas alles er im Hause zurückgelassen] zu holen» Deffelbigcn gleichen, wer auf dem Felde ist, der wende nicht um nach dem, das hinter ihm ist [Matth. 24, 16 sf.]. 32. Gedenket an des Lots Weib [wie es dieser erging, weil sie hinter fich sah l. Mos. 19, 26]. 33. lUnd gedenket auch an das Wort, das ich in Beziehung auf meine Nachfolge in Kap. O, 24 gesagt habe; es gilt auch in Beziehung auf eure Errettung aus dem Gericht:] Wer da suchet seine Seele zu erhalten sindem er am Alten hän- gen bleibt], der wird sie verlieren; und wer sie verlieren wird [indem er alles, was er bisher besessen, preisgiebt], der wird ihr zum Leben helfen. Dieser Abschnitt kann offenbar, da er von der Flucht aus einer dem Gericht verfallenen Stadt han- delt, zunächft nur aus die Flucht der christlichen Ge- meinde aus Jerusalem (Anh.1l. zum 6. Bande, unter l) und d) fich beziehen; aber bei der, unsrer Zeit un- mittelbar bevorstehenden Erfüllung von Ossb. 11, 7——10 iebt es allerdings im geistlichen Sinne auch eine Flucht, wie es geistlich eine Sodoma giebt und eine Stadt, da unser HErr gekreuzigt it s— möchte man nur auch recht verstehen, welches diese Stadt sei und worin das Fliehen besteht! 34. Jch sage euch: Jn derselbigen Nacht [wo mit dem beginnenden Gerichtstag zugleich eine Scheidung der bisher durch gleiche äußere Lebensstellung mit einander Verbundenen nach Maßgabe ihrer inneren Herzensstellung zu des Menschen Sohn fich vollzieht] werden zween ans« Einem Bette liegen; einer wird angenommen, der andere wird verlassen werden. 35. Zwo [weibliche Personen, nämlich Dienst- mägdes werden mahlen mit einander; eine wird angenommen, die andere wird verlassen werden. 36. Zween werden auf dem·Felde sein; einer wird angenommen, der andere wird verlassen wer- den [Matth. 24, 41 u. 40]. Am Schluß der Bem. zu Matt . 24, 44 haben wir die vorliegenden Worte des H rrn in ihrem hauptsächlichsten Sinne auf die Zeit der Bekehrung der Juden bezogen, denn es ist von einem Angenommen- und einem Verlassenwerden die Rede; erst wenn die Erfüllung des in Offb. 11, 11 f. u. 12, 13 —-16 Ge- weissagten kommt, werden sie in ihrer eigentlichen Meinung ganz klar werden, und wird dann auch das »in derselbi en Nacht«, was zu der Nacht des Aus- Ztgs aus gypten in Bezie ung steht, sieh rechtfertigen. er HErr, nachdem er in . 31 —- 33 die Zeit der Verwersung Jsraels vor Augen gEhabt hat, lenkt so- fort den Blick hinüber nach dem age der Wiederau- nahme (Röm. 11,15), wo es in Betreff des ,,ganzen« Israel, das da selig werden soll (Röm. 11, 2b), nicht etwa so fich ereignen wird, daß alle einzelnen Per- sonen darin beschlossen wären, sondern nur die Ver- Von der Zerstörung Jerusalems. 823 siegelien (Offb.7, 1—8) bilden dies gan eJsrael, und es eschieht nun eine große Scheidung erer, die da versiegelt find, von den Andern, die verlassen werden. Vorgebildet wurde aber diese Scheidung schon zu der Zeit, da die christliche Gemeinde im J·66 n. Chr. sich von dem damaligen Jerusalem trennte und inüber nach Pella floh als in eine rettende Wüste (O b. l2, 14); darum kann der HErr die Jünger bei ihrer im folgenden Verse hervortretenden Frage auf die Zeit des Gerichtes über Jerusalem, die ja für sie zunächst von Jnteresse war, zurücklenken Für die christliche Kirche haben die dreimal wiederkehrenden Paare von wei mit einander bisher durch gleiche La e und Be- schäftigung eng verbundenen Personen für ie,,Nacht«, um die es sich in Offb. 11, 11—13 handelt, eine nahe- liegende Bedeutung, die sich aus unsrer Deutung des Gleichnisses von den 5 klugen und 5 thörichten Jung- frauen in Matth. 25, 1—12 ergiebt. 37. Und sie sdie Jünger, an welche Jesus V. 22 sich wendete] antworteten nnd sprachen zu ihm: HEry wo da [wo wird ein solches ent- scheidendes Gericht eintreten, da es gilt, sich von den Andern zu scheiden, um nicht mit in das Gericht verflochten zu werden]? Er aber sprach zu ihnen: Wo das Aas ist, da sammeln sich die Adler sheißt es im Sprüchwort nach Hiob 39,30., und nun sind schon in Hab. 1, 8 die Adler zum Gleichniß gebraucht für die Gerichtsvollstrecker über eine zum Aas gewordene Nation; welche die ist, das wißt ihr ja, und so verstehet ihr auch; was für eine Scheidung nothwendig werden wir . , ,,ät3o das Aas ist, da sammeln si die Adler« ist eine in Bild und Sprichwort gefaßte harakterisirnng des Orts, wo die Katastrophe des Strafgerichts ein- treten wird; sie wird da eintreten, wo ihr Gegenstand sichjxndet Das Aas (oder der Leichnam Kap.17, 37) est eld des Abgestorbenen, aus dem das Leben ent- wichen ist, an dem nur noch die Verwesung ihr Werk haben kann. So gewiß die Adler, unter denen auch die großen Aasgeier inbegriffen sind, ihren Raub wittern und nicht ausbleiben, wo das Aas sie lockt, so ewiß wird das Gericht da einschlagen, wo das Maß sündhaftes: Verhärtung voll nnd thatsächlich erwiesen ist, daß auch die fort esetzte Langmuth Gottes kein Fünklein geistlichen Lehens mehr erwecken und anfachen würde. (v. Burgen) Das 18. Kapitel. Rom gebet und Buße, Kreuz nnd Leiden. IIl. v. 1—o. (.s. es) hatt: v« he« is: v. 22 da: Jüngern Tage in Knssiehi gestellt, wo die Angst ihnen bis an dir Seele gehen nnd doch das verlangen nakh irgend einer Knndgebnug non Oben ihnen nicht erfüllt werden würde, Tage, wie sie denn zu einer bcflimmteii Zeit in der Entwirlielnngggesrtsietste seiner Kirche auch wirlilias tu ganz besonderem Maße eintreten werden t0sfeJnb. Z, 14—22; 11, 7—10), so mußte er nun auch ihnen sagen, wie sie in denselben dennoch sich anfrekht halten nnd schließlich doch noch eine Offenbarung der Herrlichkeit Gottes herbeiführen könnten; er sagt es ihnen in der hier vorliegenden Ermahnung zum nn- ablüfsigen Beten und dem Gleichniß vom unge- rethten Richter, der den tiitteu einer von ihrem Widersacher bedrängten Wittwe zuletzt nachgiebt, um endlich einmal ihr Jtutaufrn los zu werden. Das Gleichnih hat viel Jlrhnlictslkeit mit dem in Ku.1l,5—lk norgetrageneu, hat aber gleichwohl seine besondere se— deutuug für sieh: nimmt jenes, von dem zudringlietsen Freunde, mehr Beziehung auf den einzelnen Christen in seinen persönlichen Uölhen nnd Bedürfnissen, so geht dieses, non der, dem vor Gott und Menschen sich nicht fürchtenden iiichter so viele silühe machendeitwittwtz ans die zu der Zeit, welche der tJErr im Sinne hat, des Reiches Gottes wie beraubt rrscheinende nnd von ihrem Widersacher mit Wegnahme auch ihrer letzten habe be- drohele Gemeinde der Glünbigem Die Auserwähl- ten, die Gott erretten wird in einer Kürze, sind eben die, welche keine Kirche mehr haben, nachdem der thEer die Eaodiceasüirtlse hat « ausspeien müssen ans seinem Munde, sind die, welche das Jengenthum schmerzlich ent- hehren müssen, während die auf Erden wohnen sitt) freuen über die als Xeichname auf der Gasse der großen Stadt nun daliegendrn, von dem Thier aus dem Abgrund ertödteten zween Zeugen und wohlleben nnd unter ein- ander Geschenlie senden; die Errettung aber ifl die, welche durch den Fall des zehnten Theilen der Stadt und die Ertödlnng der siebeutausend ilameu der Men- schen in der Erdbebung herbeigeführt wird und mit dem »die Jlndern erschraken und gaben Ehre dem Gott des Himmels« beginnt (tldffb. 11, 13), um in der Erfüllung des in käm. 11, 15 u. tief. 47, 8—ll Grweissagten sich herrlich zu vollenden. 1. Er sagte ihnen aber [in weiterer Fort- setzung der vorhin mitgetheilten Rede] ein Gleich- niß davon, daß man allezeit beten, und [nament- lich auch dann, wo nach dem in V. 22 Gesagten: »und werdet ihn nicht sehen« das Beten gar nichts zu helfen scheint] nicht laß [oder müde S. Cor. 4, I] werden sollte; 2. Und sprach: Es war ein Richter in einer Stadt, der fürchtete sich nicht vor Gott, und scheuete fuh szugleich] vor keinem Menschen swährend sonst manche Gewalthabey denen die Gottesfurcht fehlt, doch aus Rücksicht auf Men- schen sich noch in den Schranken einer gewissen Rechtschasfenheit und Gerechtigkeit halten]. .. Z. Es war aber [neben ihm auch] eine Wittwe in derselben Stadt, die kam zu ihm szu wiederholten Malen] und sprach: Rette mich Von meinem Widersacher sindem du mir Recht ver- schafsst wider das, was er gegen mich vorhat]. 4. "Und er wollte takes nicht. Darnach aber dachte er bei sich selbst: b ich mich schon vor Gott nicht fürchte, noch vor keinem Menschen scheue salso sonst keinerlei Rücksicht im Leben kenne« die mir etwas abzugewinnen vermöchte]; »5. Dieweil aber mir diese Wittwe so viele Muhe macht, will ich sie retten, auf daß sie nicht zuletzt komme und übertäube mich [da bei der Zungenfertigkeit der Weiber sich nicht voraussehen läßt, wieweit sie noch gehen möchte, wenn man sie zum Aeußersten treibt]. 824 Da stellt uns der HErr einen ruchlosen Mann vor Augen: er kennt keine Furcht vor Gott, keine Scheu vor Menschen, er schließt sein Ohr und sein Herz vor dem Geschrei der betrübten, geängstigten Wittwe zu; endlich aber giebt er nach — warum denn? Etwa, weil das Recht auf Seiten der Wittwe ist? daruach fragt er ja nicht! Oder weil ihn das Elend des armen Weibes rührt? geåen solche Empfindungen ist ja sein Herz verhärtet! r sagt es sich sörmlich vor, daß es solche Beweggründe nicht sind, die ihn zum Erretten treiben — nun, was treibt ihn denn? »Auf daß sie nicht zuletzt komme und übertäube mich«, spricht er bei sich selbst; er hätte freilich auch davor sich sicher stellen und seinen Knechten Befehl geben können, die zudringliche Schreierin nicht wieder vor- zulassen, aber das thut er nicht, die Macht der Bitte hatte ihn gebunden, jeder Nothschrei der Wittwe war ihm wie ein Faustschlag unter die Augen (denn das bedeutet das Wort des Grundtextes, das für »Über- täuben« steht, eigentlich) gewesen. Er, der weder vor Gott noch vor Menschen sich fürchtete, fürchtete sich vor der Bitte dieses ohnmächtigen Weibes wie vor einem empfindlichen Schlage ins Angesi t: in der Bitte liegt eine geheimnißvolle Macht. (Bes er.) Die Lage der Gemeinde ist hier der einer Wittwe ähnlich, und zwar einer ihres Rechtes beraubten Wittwe. (Godet.) Die Kirche, welche ihrem Wesen und ihrer Bestimmung nach die Braut Christi ist und seiner festlichen Er- scheinung entgegenharrt, erscheint uns hier in der Ge- stalt einer Wittwe: es hat den Anschein, wie wenn ihr verlobter Gemahl gestorben wäre in der Ferne. Unterdeß lebt sie in einer Stadt, worin sie von einem harten Widersacher stets bedriickt wird; da sie aber stets Gott um Hilfe anrust, kann es ihr unter Um- ständen so scheinen, als ob er zum ungerechten Richter über sie geworden wäre, weil er sie immer und immer wieder nicht von dem Widersacher befreien will. (P. Lange.) Jesus vergleicht die Lage der Seinen auf Erden mit der einer verlassenen und einsam dastehenden Wittwe, die in dem Tode ihres Mannes nicht nnr die Erinnerung an eine bessere Vergangenheit, sondern auch ihre Stütze,- ihre Kraft, ihren Versorger und Er- nährer verloren hat. Da steht sie nun allein, mit Nahrungssorgen beschwert, von Kummer und Gram verzehrt da: jedes Plätzchen im Hause, jedes Bedürf- niß des Leibes und des Geistes erinnert sie an ihren schweren Verlust und preßt ihr bittere Thränen aus; an Einschränkung ist sie überall gewiesen —- ach, und oft will es bei der genauesten Einschränkung doch nicht gehen, überall thut sich Mangel und Entbehrung auf,- und noch düsterer als die Gegenwart erscheint ihr die Zukunft. Was soll noch werden ans ihr und ihren kleinen unerzogenen und unversorgten Kindlein? wo ist das Freundesherz, das sich ihrer mit Rath und That annehmen und ihre kummervolle Lage einiger- maßen erleichtern wird? Die Noth der armen Wittwe steigt indessen noch durch den Umstand, daß sie einen Widersacher hat, der die Trümmer, welche sie aus demS issbruch ihres früheren Glücks gerettet, an sich zu rei en und sie gänzlich zu Grunde zu richten trachtet; schon hat er den Prozeß gegen sie eröffnet, und bei seiner großen Bekanntschaft und den ihm zu Gebote stehen en Mitteln ist alle Wahrscheinlich- eit, daß er ihn gewinnen wird. In der That, die Lage der armen Frau kann nicht bejammerns- würdiger sein; und ist ihre Noth jetzt schon groß, noch größere Bedrängnisse drohen in Kurzem über sie hereinzubrechem Tag und Nacht hat sie keine Ruhe, Thränen und Seufzer sind ihre Speise, jeder Anblick ihrer Kinder vermehrt ihre Herzensangst, wie ein Evangelium Lucä 18, 6—8. Feuer brennt es in ihrem Jnneren —— kennt ihr den Widersacher mit dem sie es zu thun hat? Nun giebt es einen Richter in derselbigen Stadt, der sie retten könnte: sie gehet sofort hin zu« ihm, die Noth giebt ihr Flügel; um Worte ist sie nicht verlegen, das Herz läßt sie reden. Sie spricht zu ihm: ,,rette mich von meinem Widersacher-« Freilich , es ist ein harter Mann, in der ganzen Stadt berüchtigt als ein solcher, der weder Gott fürchtet noch sich vor einem Menschen scheuet, der sich über alles Heilige hinwegsetzt, dem Gewalt vor Recht geht und Willkiir und Laune die Stelle des Gesetzes vertritt; aber das schreckt sie nicht ab, sie vertrauet ihrer gerechten Sache, sie klopft an sein Gefühl und Mitleiden, sie ist entschlossenz sich nicht abweisen zu lassen und dem harten Manne mit Bitten und Thränen solange zuzusetzen, daß er sie zuletzt anhören und ihr Recht verschaffen muß. Arme, ge- täuschte Wittwe, in deinen Hoffnungen so kühn, in der grellen Wirklichkeit so betrogen! »Er wollte lange nicht«, heißt es: was fragte er nach Gerechtigkeit? was gingen ihn ihre Kinder, ihre Sorgen und Thrä- neu an? Was hier im Gleichniß der ungerechte Rich- ter ist, das fcheint nicht selten Gott zu sein gegen seine Auserwählten; es giebt Zeiten, wo ihnen sein Vaterherz hart wie Stein und kalt wie Eis zu sein fcheint und der Himmel wie verrammelt und verriegelt ist gegen ihre Gebete. Keine Antwort kommt auf ihre Fragen, kein Liebesblick erweckt zu neuem Muthe, kein Gnadenzeichen hält wach und« aufrecht; der HErr schwei t, daß die bange Seele fragen möchte (Psalm 77, 8 .): ,,wird denn der HErr ewiglich verstoßen und keine Gnade megr erzeigen? ist’s denn ganz und gar aus mit seiner üte und hat die Verheißung ein Ende? hat denn Gott vergessen gnädig zu sein, und seine Barmherzigkeit vor Zorn verschlossen?« (Fr. Arndt.) Das ,,er wollte lange nicht« bezeichnet die- jenige Zeit, wo Gott der HErr die Seinen von dem guten oder vielmehr bösen Willen den Menschen ab- hängig sein läßt, wo er sich seines Regiments begeben zu haben fcheint und die Gewaltigen der Erde schalten und walten läßt nach den Eingebungen ihres eigenen Herzens, wo die Welt über die Gemeinde herrscht und diese gar nicht zu Recht kommen kann mit dem, was ihr doch gebührt: sie steht da wirklich unter einem ungerechten Richter. Aber da soll sie nicht vergessen, daß hinter dem ungerechten Richter doch ihr Gott und HErr steht, und mit ihren Bitten nicht nachlassen; zule t wird sich’s wenden, der ungerechte Richter wird bei sseite geschoben und der rechte und wahre HErr tritt in den Vordergrund — es kommt zu dem ,,ich will sie retten«- D1e Rettung, um die es sich hier handelt, geschiehet auch nur mittelbar; es treten Er- eignisse und Verhältnisse ein, die der Lauf der Dinge auf Erden mit sich bringt, und darum bleiben im Gleichniß der zuerst nicht wollende und der dann doch wollende Richter ein und dieselbe Person. Aber der den Lauf der Dinge auf Erden regiert und die Er- eignisse und Verhältnisse eintreten läßt, der die Thor- heit der Menschen zn Schanden werden läßt und die Gewaltigen in der Welt zur Besinnung bringt, das ist ja doch der Gott, der Gebete erhört und das Schreien seiner Kinder zu Herzen nimmt. Er läßt sich’s ge- fallen, vorher der ungerechte Richter zn scheinen, der lange nicht wollte, weil er seine Auserwählten anders in der Gebetsschule nicht« üben kann; aber er hat auch schon diesem ,,lange nicht« sein Ziel bestimmt nnd erntet nun desto größeren Lobpreis ein, wenn er auf einmal zu dem Richter wird, der da spricht: ,,ich will sie retten«. — Will man von der Bedeutung des Gleichnisses für Christi Gemeinde absehen und dasselbe Gott wird seine Kirche erretten von ihrem Widersacher. vielmehr auf den eiiözelnen Christen beziehen, wie ja das im öffentlichen ebrauch des Textes auf der Kan- zel kaum anders geht, so läßt sich (nach Gerok) be- trachten der Gang des Christen durch die Schule des Gebets: l) die Noth, die vor Gottes Thür führt, Z) der Glaube, der an Gottes Thür anklopft, Z) die Geduld, die vor Gottes Thiir wartet, 4) die Erfahrung, die zu Gottes Thür eingeht. s. Da sprach der HErr snun die Anwendung von dem Gleichniß machendsx Höret hie, was der angereihte Richter sagt fdaraus geht ja klar her- vor, welche Macht das unablässige Bitten selbst über verhärtete Nienschenherzeii hat]. 7. Sollte aber Gott [der doch tvahrlich ein ganz Anderer ist als solch ein Mensch] nicht auch retten svon ihrem Widersacher] seine Anserwahltem die zu ihm Tagund Nacht rufen, nnd sollte Geduld daruber haben [solches ihr Rufen geduldig anhören, ohne darüber unwillig zu werden, bis er endlich auch darnach thut]? » 8. Jch sage ench: Er wird [vielmch«r] sie erretten in einer»Kurze fzu einer Zeit, wo sie, die ja nach dem äußeren Anschein urtheilen, sich dessen am allerwenigsten versehen) Doch wenn des Menschen Sohn kommen wird, nieinest du, daß er auch werde Glauben finden aus Erden? sJch sage: Leider nein! vielmehr wird ein großer Theil seiner Christenheit sein, der sein Kommen, von welchem ich hier rede, nicht versteht und Fliegen] sein Heil sich verschließt Matth. 25, 4 Um. . Jn der Anwendung stellt der HErr dem ungerech- ten Richter Gott, den gerechten Richter und Gott alles Trostes, gegenüber: schon dann, wenn Gott diesem Richter ähnlich wäre, würde er dem beharrlichen Ge- bete der Gemeinde nicht widerstehen; wie viel weniger wird er das thun, da er das gerade Gegentheil von jenem ist, da es seine Lust und Liebe ist, seine Aus- erwählten, sein Eigenthum zu behüten, zu segnen und u erretten! Ja, er wird sie erretten in einer Kürze; enn »wenn die Stunden sich gefunden, bricht die Hilf mit Macht herein; und dein Grämen zu beschämen, wird es unversehäns sein« (Gott will’s machen —- V. 10). Jst die rüfung vollendet und von uns be- standen, ist der Augenblick, den Gott von Ewigkeit dazu bestimmt hat, gekommen, dann in einer Kürze, dann schnell und unaufhaltsam bricht die Ersiillung herein; und wie die Wasser gegen Mittag trocknen (Pf. 126, 4), wie die gewaltigen Bergströme vor den Sonnenstrahlen versiegen, so ist aller unsrer Noth durch die gewaltige Hand Gottes ein Ende gemacht. (Theremin.) - S. wierigkeit bereiten die Worte des Grundtextes, die Iuther mit: »und sollte Geduld darüber aben?« zumal hier verschiedene Lesarten vor- liegen. ach der herkömmlichen Lesart würde es sich am besten empfehlen, den Satz so zu fassen: »wenn auch (vgl. Apostg. 7, 5; Hebr. Z, O) er über ihnen (seinen Auserwählten) Geduld hat (mit den Unter- drückerm daß er nicht sofort gegen letztere einschreitet, um erstere zu rächen 2. Petri 3, 9). Luther hat das ,,Geduld haben« auf das geduldige An ören (Apostg. 36, Z) gedeutet und dem persönlichen usdruck »Über 825 ihnen« eine. sachliche Wendung gegeben: ,,darüber«, d.' i. über ihrem Rufen zu Tag und Nacht, was jedoch der griech. Wortfügung weniger entspricht und einen Gedanken einführt, der weder da, wo s on von der Rettung die Rede, noch an rechter Stelle ist, noch mit dem Jnhalt das Gleich11isses sich deckt, indem vielmehr der Richter die Geduld verlor, das Rufen und Schreien der Wittwe immer und immer wieder hören zu müssen. Was den Schluszsatz betrifft: »Doch wenn des Menschen Sohn kommen wird, meinest du, daß er auch werde (den) Glauben finden auf Erden fder sein Kommen erkennt und ihn willig aufnimmt)?« so kann sich derselbe unmöglich auf Christi Wiederkunft zum letzten Gericht beziehen, sondern nur auf eine solche Zukunft, wo es gilt, hier auf Erden aufs Neue ihn im Glauben auf- zunehmen und die eintretende Epoche in der Ent- wickelungsgeschichte seines Reiches hinieden recht zu würdigen und zu gebrauchen. Hat doch der HErr in Kap. 17, 22 von niehreren Tagen des Menschen- sohnes geredet; in Zeiten der Angst und Bedrängnisz nun sehnen sich seine Bekenner, einen von diesen Tagen zu sehen, eine Kundgebung von Oben, das; er noch bei« seiner Gemeinde sei nnd das Schifflein seiner Kirche sicher durch Sturm und Wellen dem Ziel ihrer Be- rufung entgegenfiihre, aber merkwürdig! — wenn nun wirklich diese Kundgebung erfol t, wenn das Sehnen erfüllt wird, dann wird von o Vielen dasjwas er thut, nicht verstanden: so war es bei seiner Mensch- werdung (Joh. I, 11) so bei dem Gericht über Jeru- salem, wo die Christengemeinde daselbst nahe daran war, sich mit in dies Gericht zu verwickeln und erst eigens durch eine Epistel (an die Hebräer) zum Verständnis; des Kommens des Menschensohnes gebracht werden mußte, so war es im Zeitalter der Reformation, wo so Viele dahinten blieben, die doch auch die Noth- wendigkeit einer Kirchenerneuerung längst empfunden hatten; und so wird es nun wieder sein bei demjenigen Tage des Menschensohnes, den wir zunächst zu er- warten haben, wo er durch Herbeiführung dessen, worauf St. Paulus in Röm. 11, 23 hinweist, seinem- Reiche auf Erden eine ganz neue Gestalt geben wird. Die Glä11bigen verrennen sich nur gar zu leicht in bestimmte, selbstgeschaffene Vorstellungen von der Zu- kunft, ohne tie genug auf die Schrift einzugehen und von dieser sich durchgreifend beherrschen zu lassen, und gerade die Bedrängnisse uud Aengste der jeder Ent- wickelungsepoche vorangehenden Zeiten erzeugen gar zu viele Sonderinteressen und Privatmeinungem daher denn, wenn des Menschen Sohn kommt, er nicht den Glauben findet, der ihn so aufnimmt, wie er seinem eigenen Wort gemäß sich giebt — man hat sich’s eben anders gedacht, darum siehet man ihn nicht in dem, was da geschiehet. Und gerade diejenige Kirche, welche der Christen am meisten zählt und stolz darauf ist, fiel) die ,,allgemeine« zu nennen, befindet nach ihren ganzen Grundsätzen und Einrichtungem Ansprüchen und Einbildungen sich vor allen andern in der Gefahr, bei der Wiedereinpropfung Jsraels in den Oelbaum die parallele Rolle zu derjenigen zu spielen, die vor- mals die Juden bei der Ausnahme der Heiden in das Reich Gottes gespielt haben (Offenb. 16, 13). 1V. v. 9—14. (§. 93.) Im g. imd Z. arise-»in hatte« wir den Heim! vor uns, wie er nach feinen! litt-ergange- üher den Jordan ini nördlichen Theile non per-in an pella vorübergeht: alg er nun bei Bethalsara angelionk wen war, nahm er wohl wieder seinen Weg durch die- jenigen Städte nnd Lklärleteg die cr schon einmal, vor 9—10 Wochen, licsuchl hatte (Kao.14, 25—35), mn dann schließlich wieder bis nach kioiag zu gelangen, 826 Evangelium Lucä 18, 9—-- 13. und so finden wir ihn iin vorliegenden! Jtbsihnitt niit Pharisäern nnd Schriftgeielzrten ganz in ähnlicher Weise verhandeln. wie in Lan. l5. l—32 n. its, i4——31: er trägt ihnen das Gleiihniß vom Pharisäer nnd jiiiltner im Tempel vor nnd zeigt denen, die sich selbst rechtsertigten var den Menschen, wie sie also auch sich rechtfertigen wollten vor Gott, aber eben damit der wirtilictien tteihiscrtigniig verlustig gingen. Eine äußere Veranlassung znm Vortrag dieses Gleich· nisses ist nicht angegeben; desto mehr aber hat Jesno . innere Veranlassung dazu: er isi nun ehon iin dritten Stadium selueo Wundelng nach Jerusalem begriffen Man. 9,51; is, W; 17, l1) nnd wird bald den Jordan von Osten nach Westen überschreiten, nni den weg ein- znsehlagem der ihn unmittelbar znm Leiden und Sterben stillt-i, ohne daß er noch weitere Bwischenstalionen zurück— zulcgen hätte (v. 31fs.). Wenn wir nun das Gesicht des heil. Sehers von dem großen rothen Drachen in Qffenb 12, 3——5 richtig verstehen nnd uamentlirh anch den ,,dritten Theil der Sternets den derselbe mit seinem schweife hinter sieh nachzieht and vom Himmel ans die Erde wirft, sachgeiiiiiß zu deuten wissen, so werden wir es uns anch zu erklären wissen, warum der Heiland immer und immer wieder dem viersiirsten chetodes in seiner Residenz nnd den Pharisäern nnd Sairiftgelehrien dieser Gegend so nahe kommt: er will sie bewahren, wo es niögtich wäre, daß sie von dem Schweif des großen rothen Drachen sieh nicht erfassen lassen; denn die geist- lich: and weltliche otlacht in Israel bildet den ersten nnd zweiten Theil jener Sterne, den dritten Theil aber das both, ans weichein wirklich er ihrer etliche retten liana znr Seligkeit, wenn auch die große Masse verloren geht. Es ist jetzt wieder die Zeit, hinauszugehen in den Tempel nnd zu beten, denn das Ofierfest ist nahe; aber wie macht die vharisäisitse Selbstgerechiiglieit gerade dies Mal des HErrn sethans zu einer Mördergriibe nnd führt seinen schiießlicheii Untergang herbei (Kp.22,66fs.)l Evangelium am it. Sonntage nach Crinitiitis.) Der heil. Geist, der uns berufen hat (Trinitatis- sonntag —- 5. n. Trin.) und erleuchtet (6.—10. n. Tr.), wirket auch in denen, welche dem Rufe folgen, »herz- liche Reue und Buße um der erkannten Sunden willen und treibt uns an, daß wir die Vcrgebun und den Frieden bei dem HErrn, unserm Heiland» fuchen und seine Gnade im Glauben ergreifen; so wirket er, wenn wir ihm nur Raum geben, die Bekehrung (l1.—— 14. n. Trin.). Wer also, wie schon angedeutet, durch des heil. Geistes Erleuchtung die Größe ferner Sünde und die Nichtigkeit der eigenen Gerechtigkeit er- kannt hat, der wird durch denselbigen Geist ange- trieben, sich n demüthigen und wie der Zöllner im Evangelio dieses 11. Sonntags n. Trin. an seine Brust zu schlagen mit dem Rufe: »Gott sei mir Sünder giiädigltt Solche demüthige Reue und Buße ist· der erste Schritt auf dem Wege zum Leben: wer· diesen Schritt nicht thut, kommt nie weiter und erreicht nie das Ziel; die pharisäische Selbstgerechtigkeit ist das größte Hinderniß der Bekehrung. (Diefsenbach.) Das Gleichiiisz von denen, die sich selbst vermessen, daß sie fromm seien: 1) wie sie dazu kommen? a. sie vergleichen sich mit den offenbaren Sündern, um eine grün liche Selbstprüfung sich zu ersparen; b. sie nehmen sich allerlei leichte Dinge vor, um ihrer Tu- genden si zu rühmen; 2) was sie davon haben? a. sie ver chließen sich den Weg zur Buße, b. der offenbare Sünder kommt ihnen zuvor. — Warum wird der Pharisäer nicht gerechtfertigt, wohl aber der Zollne·r? l) weil jener nur zu beten vorgiebt, dieser aber in Wahrheit betet; Z) weil jener nur seine Gerechtigkeit rühmt, dieser aber seine Sande bekennt; z) weil jener nur Gottes Lohn fordert, dieser « aber Gottes Gnade sucht. (Nebe.) Der Pharisaer und der Zöllnert l) der eine dankt so, daß er das Beten vergißt, und der andere betet so, daß er hernach danken kann; 2) der eine vergleicht sich mit andern Menschen und ählt seine Tugenden her, der andere betrachtet sich fzelbst im Spiegel des Gesetzes und kann seine Sünden nicht zählen; 3) der eine behält bei allen seinen Tugenden doch sein böses Gewissen, der·andere empfängt bei all seinen Sünden die volle Versicherung der Freisprechung (v. Oosterzee.) 9. Er sagte aber zii etlichen, die sich felbst dermaßen ldas Vertrauen zu sich selbst hatten], daß sie fromm [oder gerecht Sprüchw. 12, 2 Anm·] waren, und verrichteten die Andern lvon denen sie das Gegentheil annahmen P. 11], ein solch Gleichniß [darin sie ihr eigen Bild noch von einer andern Seite sollten kennen lernen, als in Kap. 15, 25 sf.]: · 10. Es gingen zween Menschen hinauf iu den Tempel zu beten» [Kap. 1, 10; Apostg. 3,»1]; einer ein spharisaeiy der andere ein Zollneix » 11.» Der Pharifaer stund [d. i. trat dar, stellte sich hin Kap. 19, s; Matth. 6, 5] Und betete bei· sich selbst sAndere verbinden so: stellete sich für sich hin und betete] also [und zwar laut genug, damit die Andern in seiner Nähe hören könnten, was er sagte]: Ich danke di1»;, Gott, daß ich nicht bin wie andere Leute, Nauber [die mit offner Gewalts Ungcreehte [die mit Betrug und List Andern das Ihre nehmen], Ehebrecher [die aus ihrer Ehe heraus- und in fremde Ehe hineinbrechen], oder auch wie dieser Zöllner [der mir als Exempel solcher Leute dicht zur Seite steht]. .. 12. Ich faste zweimal in der Woche l3- Mvs 16, 31 Anm und gebe den Zehnten von Allem, das ich habe [Matth. 23, 23]. 13. Und der Zöllner [nicht wagend, weit vorzutretens stniid von ferne [wie wir sagen würden: ,,an der Kirchthiir«, —- die Knie beugte er nicht, um es nicht sehen zu lassen, was in ihm vorgehe], wollte auch seine Augen nicht aufheben gen Himmel, sondern schlug an seine Brust, und sprach: Gott, sei »wir [dem] Sunder [1. Tim. 1, 15] gyqdig [Ps. 5I, 3]. » · · Das Gebet des Pharisäers ist nicht sowohl ein Dankgebet an Gott gerichtet, als ein Glückwunsch, den er sich selber darbringt. (Godet.) Kurz, aber anschauich genug wird uns der Pharisäer in der eigenthümlichen Grundrichtung seines Herzens ge- schildert. Wir hören uerft von ihm: er stellte sich, nachdem er in den empel eingetreten war — für sich selbst hin, um zu beten, d. h· an einen sonder- lichen Platz, für sich allein, aber nicht etwa suchte er ein stille-s, einsames Plätzchem um de to gesammelte: und ungestörter in seinem heil. Geschäft zu sein, son- Das Gleichniß vom Pharisäer und Zöllnen 827 dern deshalb sonderte er sich ab, sweil er nicht den« Anschein haben wollte, als sei er dem Andern gleich, der mit ihm die heil. Stätte betreten s— mit dem Zöllner uammengestellt zu werden, das wollte er ghon da urch verhüten, daß er auch äußerlich jede erührung mit ihm auf’s Geflissentlichste vermied. Doch deutlicher noch erhellt sein Sinn aus dem Gebete selbst, das er allda verrichtet. Was sollen wir sagen zu seinem: ,,Jch danke dir Gott, daß ich nicht bin wie andere Leute!« war es nicht recht, daß er Gott dankete, und zwar ihm dankte nicht etwa- für ein irdisches Glück, das ihm widerfahren, sondern dafür, daß Gott ihn vor so manchen schweren Sünden be- wahrt habe, in die er viele seiner Volksgenossen gefallen sieht? Wenn er in der That die hier genannten Sünden nicht in derselben Weise begangen, wie so viele Andere oder etwa auch wie dieser Zöllner, wenn ihm die Menschen in Wahrheit weder Raub noch Unge- rechtigkeit noch Ehebruch oder desgleichen etwas zur Last legen konnten —— wie, durfte er denn dafür nicht auch besonders seinen Dank gegen Gott aussprechen, und ist es nicht sogargöchst erfreulich an ihm, daß er die große Wohlthatgöttli er Bewährung erkennt und preist? Ja, das wäre freilich recht und gut, wenn sein Gebet ein solches Danken gewesen wäre, ein Danken dafür, daß Gottes freie, unverdiente Gnade i n so freundlich geleitet und vor so vielen Sünden un Schanden be- wahrt hat. Aber war es denn dies auch wirklich? ist denn das der eigentliche und wahre Sinn seines Ge- bets? Ach nein, davon ist er weit entfernt! wir hören nichts von gnädiger Bewahrung Gottes, nichts von einem Lob auf den treuen und gütigen Gott; vielmehr knüpfen sich all seine Gebetsgedanken an das ,,ich bin«, und sein ,,ich danke dir, Gott«, ist nichts als eine leere Redensarh dadurch er Gott zu blenden wähnt. Und wie er der Gnade Gottes nicht gedenkt, so weiß er auch nichts von eigener Sünde, der fromme Mann spricht im Ge entheil sich feierlich von Sünden los vor seinem ottz weil er vor den Menschen kein Räuber u. s. w. ist, so meint er dies ebensowenig vor Gott zu sein. Der arme Verblendete! anstatt in dem reinen Spie el des vollkommenen Gesetzes seine Ge- stalt zu bes auen, betrachtet er sich nur in dem trüben und schmutzigen Spiegel des Sündenlebens Anderer, und da findet er freilich sein Atzgesicht schön, merkt aber nicht, wie er mit seinem ebet in die schwere Sünde fällt, über seine Mitmenfchen ein liebloses, hartes Gericht auszusprechen. Der Grundton seines Gebets ist stolze Verachtung der andern Leute, und am schlimm ten nimmt sich sein Gebet darin aus, daß er selbst den Zöllner persönlich verurtheilt in demselben Augenblick, wo dieser seine Versöhnung feiert mit Gott. Nachdem er dann seinem Gott vorerzählt hat, was er alles für Böses unterlassen, hält er hierauf weiter ihm vor, was er alles für Gutes gethan. Da er nach dem Gesetz jährlich nur ein Mal zu fasten und nur von den Früchten des Feldes den Zehnten zu geben hatte, so glaubte der thörichte Mann den entse lichen Mangel an innerem Lebensgehalt durch zwei eher- treibungen einer äußeren Vorschrift ersetzen zu können und damit mehr gethan zu aben, als er eigentlich Gott fchuldig sei. (Bechtel.) äre nur der Pharisäer, von dem der HErr spricht, so gewesen, so könnten wir fröhli sein, sein Beispiel föchte dann uns nicht an; aber der H rr will nicht das Andenken eines einzelnen SelbstgerechDten verewigen, sondern er will durch die mißfällige arstellung Eines Beispiels eine ganze, nie aussterbende Klasse von Menschen heilsam erinnern und durch seinen Tadel zur Erkenntniß bringen. Ja, was sage ich — er will das menschliche Herz in seiner angebornen, sich täglich neu erweisenden Eigenthüm- lichkeit schildern; nicht Einer von uns, wir Alle sind von Natur so, wie der Pharisäer. Wir sehen anderer Leute Sünden sehr scharf, unsre eigenen, oft dieselben welche wir an Andern tadeln, vergessen wir auf eine unbegreifliche Weise. Wehe dem, der uns, wie Nathan dem König David, sagen würde: Du thust selbst, um dessentwillen du Andere für unwerth achtest zu leben! Das Gute, will sagen Scheingute, welches wir in unserm Leben auffinden können, betrachten wir mit demselben Wohlgefallem mit welchem ein eitles Weib einen etwa entdeckten schönen oder geistreichen, d. i. schön oder geistreich sein sollenden Zug ihres Ange- sichts im Spiegel studirt. Ja mit einer so unbilligen Verehrung unser selbst betrachten wir unsre vermeinten geistlichen Schätze und Vorzüge, daß uns wie lauteres Gold und Silber erscheint, was wir bei einer nüchter- nen Beurtheilung als pures Kupfer oder gar als pure Scherben erkeunen würden. Dazu belügen wir uns nicht allein durch Uebertreibung, sondern unser alter Mensch übt noch eine schlimmere Kunst; denn wir finden im Grunde doch zu wenig Gutes an uns, als daßwir zufrieden sein könnten. Da muß das Böse gut genannt werden oder es muß durch Einbildung ersetzt werden, was in Wahrheit mangelt — oder nennt man nicht das Böse gut, wenn man den Betrug Klugheit, den Gei Sparsamkeit, Hurerei und Unreinig- keit eine menschliche Schwachheit, wohl gar eine ver- zeihliche Jugendluft nennt und so viele andere Laster mit dem Namen der gegent eiligen Tugenden schmiickt? Und wenn wir uns einbil en, Christen zu sein, weil wir’s nicht sind, und uns für vortrefflich halten, während in der Tiefe der Seele ein unrnhiger, nicht zu beschwichtigender Zeuge die Erinnerung an unsre Sünden schärft, gleichen wir nicht dem armen Narren, der mit dem Strohkranz eine Braut und in Lumpen mit dem kaiserlichen Purpur angethan zu sein glaubt? Ach HErr, ach HErr, laß uns erschrecken über uns selbst! und unser Stolz zerbreche, wenn dein Geist das Wort»Pharisäer« in uns ausspricht und über uns ausspricht wie ein Richter, der den Stab bricht! (Lohe.) Es ist nicht anzunehmen, der HErr habe in dem Zöllner nur den ersten Anfan der Bekehrung, die Buße schildern wollen; dieser öllner ist- schon ein Beter, und zum Gebet geht er hinaus in den Tempel u Jerusalem. Allein er hat kein anderes Gebet am Ziele seiner frommen Wallfahrt, als das Gebet um Gnade, indem er beschämt die Augen vor Gott niederschlägt und mit dem Schrrerz der Reue an seine Brust schlägt. Mit diesem lebendigen Gefühl der Demuth tritt auch der« gereifte Gläubige hinein in das Haus des Heils, tief gebeugt und beschämt in der Gegenwart seines Gottes unter dem Gefühl seiner Sünden, aber auch mit der vollen Freudigkeit des Glaubens an die Gegenwart der Gnade. (P. Lange.) Der Zöllner wagt nicht, sich unter den Haufen der- jenigen zu mischen, welche zum Hause Gottes gekom- men sind anzubeten; er teht von ferne als ein Un- reiner, der ausgeschlossen ist von der Gemeinde Gottes. Er wagt es nicht, seine Augen zu Gott zu erheben, denn seine schweren Sünden treten zwischen ihn und Gott und verklagen ihn hart in Gottes Gericht. Er schlägt an seine Brust und spricht selbst das verdammende Urtheil über sich aus. (Münkel.) "« Was wollte er mit den zur Brust gesührten Schlägen? was ist’s, das in ähnlichen Nöthen auch unsre Hand hebt? Soll’s ein Zeugnis; sein, daß es innen in der Brust schlägt und unruhig ist? ist der Schlag der Hand nur ein äußeres Zeichen von dem inneren Herzens- und Gewissensschlag? 828 Evaiigeliuni Lucä 18, 14——27. Kann sein, doch sind die Schliisge des Zöllners zu stark geführt und durfte wohl iii ihnewnoch etwas Anderes ausgesprochen sein«, es durften diese Schlage eine Andeutung von Selbstgericht sein, das; der Zoll- ner sich der Schläge Gottes würdig achte, dürften ein Vollziehen des Urtheils sein, dessen er sich iin Himmel bewußt ist, ein Vorspiel dessen, was kommen wird, durch die eigne Hand vollfuhrh Ach, ein wahrer Handschliig, den Tausende seitdem geführt, den auch ich führe vor dir,»o Gott, und xanimernd spreche: »meine Schuld, meine ganze Schuldsp JOoch so·er- greifend die Geberden des reuemuthigen Sunders sind, in denen er vor Gott steht, so ist dorh uber den Ge- berden der Erguß seines Bekenntnisses in Worten nicht zu vergessen. Es muß ein starkes Gefuhl der Sünden in ihm gewesen sein, ein uberschwaiigliches Bewegen iii seiner Seele; deiin er fi1idet zwar iiicht Viele Worte, aber Worte ceiitnerschwey die, seit- dem sie gesprochen uiid voin HErrn geschildert, die Christenheit iiicht inehr vergessen. konnte, iii welche viele tausend tiefgebeugte Sunder ihr gepreßtes Herz ergossen, die sozusagen zu einer Art von Generalbeichte erhoben worden sind. Ach mit diesen Worten, lieber Vater, mit dem Bewußtsein, deiii Geiste dieser Worte laß uns beichteii; denn wer das kann, der hat ent- weder aus Einer erkannten Sünde solche Erkenntiiiß seines Herzens genommen, daß er weiter keine anzu- schauen braucht, oder er hat den· Zustand seines Her- zens so erkannt, daß es auf einzelne Sünden nicht mehr ankommt —- er hat Buße, wie sie sein soll! (Löhe.) Bei aller Buße doch Glaube! »Wie Muth dazu gehört, den Stab der Verdainniniß uber sich zu brechen und seiiien angebornen Stolz so sehr zu ver- leugnen, daß man seiiieSunden wederszleugnet iioch verkleinert, noch entschuldigt, sondern sie in ihrer gan- zen Größe und Strafbarkeit erkennet und zugiebh wie Muth dazu gehört, alle»Fallstricke·der Eigenliebe zu zerreißen iind aufalles eigene Verdienst und Werk zu verzichten, so gehört auch Muth dazu, Vertrauen zu fassen, trotz seiner Sünden, zur Gnade Gottes und in der tiefsten Seelennoth nicht zu verzweifelt» Muth dazu, aus Gnaden selig zu werden. Sunde und Gnade sind die Angeln, um die sich alles imReiche Gottes dreht: ich· ein Sünder, der HErr giiadig, das sind, wie die zwei Hauptlehren im Christenthum so die beiden Hauptempfniduiigen und Erfahdwiiiigen ini Leben der Kinder Gottes. (Fr. Arn»d·t.) »Hm griech. Text stehen die Worte» in einer trefflich schonen Ord- nung: Gott, sei gnadig mirSunderl — Gott oh» an, sich unten an, und die Gnade Gottes, die uns im Messias soll widerfahren, iii der Mitte: wer diese Kunst kann, der ist ein unverdorbener Mann. Denn gleichtvie zwei Bretter durch einen guten Lekm so fest an einander gefugt»werden, daß sie ·eher im Ganzen brechen, als daß sie in der Fuge reißen» soll- ten, also wird der gerechte Gott und ein ariner Sunder, die so weit von einander sind als Himmel und Erde, so fest aneinander gelöthet durch die Gnade, daß ihre Freundschaft nimmermehr kaiiii getrennt werden. (Herberger.) » » » 14. Ikh sage euchx Dieser ging hinab gerechtfertigt in sein Haus vor zciiem is· l· mehr als jener, der sich selbst rerhtsertigte Kaki. 13, 2 u. 4; 16, 15., wahrend »der Zollner die Rechtfertigung vor Gott Rom. »O, 28 u. 30 mit nach Hause nahni]. Denn [wie ich schon neulich gesagt habe Kap. 14, 11·] wer sich selbst er- höhet, der wird erniedriget werden, und wer sich selbst erniedrigen der wird erhöhet werdejn [Matth. 23, 12; 1. Petri 5, b; Jes. es, 2. Wenii der Pharisäer aiif seinem Sinn geblieben ist, dann ist er ungerechtfertigt, wie aus dem Tempel in sein Haus, so aus dem Hause in das Grab gegangen; der Zöllner dagegen, desseii Gebet Gott mit Freuden gehört und deii er iuit den Augen seiner Gnade an- geschaut, hat iiachher gewiß nicht mehr betrogen oder die Leute gedrückt —- wcn1 seine Sünde auf dem Ge- wissen gebrannt, der fürchtet sich, sein Sündeiileben weiter fortzusetzeii«—, fund wie· er jetzt aus dein Tem- pel gerechtfertigt ist hinab in sein Haus gegangen, so ist er bei seinein Sterben gerechtfertigt in den Himmel gegangen. Luther besuchte eiiist in Wittenberg einen sehr kranken jungen Mann und fragte, was er Gott wolle mitbringen, wenn er nun von dieser Welt ab- scheide. O alles Gutes, sagte der junge Mann, alles Gutes, ehrwürdiger Vater! Wie kaiinst du ihm etwas Gutes mitbringen, antwortete Luther, da du doch ein armer Sünder bist? Jch will, spricht der fromme Jüngling, Gott ein demüthiges, bußfertiges Her mit- bringen, das mit den theureiiBlutstropfen Jefu hristi besprengt ist. Meinst du es so, sprach Luther, in Gottes Namen fahre hin, mein Sohn; du wirst wohl ankommen und Gott dem himmlischen Vater ein- will- kommener Gast im Himmel sein. (Caspari.) Beson- ders diese unsre Stelle deckt den sittlichen Jnhalt des öfter vorkommenden, auf Hes. 17, 24 u. 21, 26 sich gründenden Ausspruchs auf, und das vorangehende Exempel des Zöllners zeigt, daß die Selbsterniedrigung des Demüthigen keine auf bewußter Berechnung ruhende ist, sondern der einfache und lautere Ausdruck seiner wahren Gesinnung. (v. Bürger) Der Mensch mißt die Berge nach der Sohle des Tdales, in welchem Verhältniß diese zur Meeresfläche teht: je niedri er sie ist, desto höher sind die Berge; der nun, wel er sich selbst erhöhen will, kanii es au nur so vollbrin- gen, daß er den Nächsten möglicht herabdrückt und erniedrigt. (Nebe.) Der Brief an die Römer ist die eonsequente Entwickelung des evangelischen Hauptge- dankens, der in der Parabel voin Pharisäer und Zöll- ner niedergelegt ist, nnd die Reformation der Triumph der Zöllnerdeinuth über die pharisäische Selt-stgerech- tigkeit, die in dem Pelagianismus der römisch-katho- lischen Kirche zu einem sörmlichen System geworden war. (v. Oosterzee.) V« V. 15——30. (§. 9-1.) Uiiiiiiirhr hat das dritte Evan- grliiini drnjciiigeii piiiitit erreicht, wo dasselbe, iiathdcni rg seit Kaki. s. 51 seinen rigriicn srlbststiiiidigrii weg gegangen und nur diirih den Giiiskhiib dreier Uachträge aiig der galiläisilicii Wirksamkeit Christi den Ziisaiiiiiirik hang iiiit den ticidrii ersten Giiaugrlicn einigermaßen festgehalten, diesen wieder parallel läuft. Es ist dtc Geschichte von drrscgiiuiigdrrüindrr iind von drin rrikhrn Jüngling, womit wir ro hierzu thnii haben: da die Abschnitte U. ii.lll. (Ap.17,22——18,tt) eigentlich Ein Ganzes bilden iiiid ooii iiiis niir der leich- trrcn Behandlung wrgrn getrennt gehalten worden und, so schen wir den Gvaiigkltltkn mit drin vorliegenden Ab— schnitt aiirh wieder in srtiie frühere Weise Gan. Z, 17 Ztniii.), iiaih der Vlcrzalst sriiic Erzählungen zusammen— zuordnen, ci)nlcnticii. (dgl. Matth 19, tät-ZU; Mark. , « 15. Sie fdie Leute zu Livius, hier speziell die Mütter daselbst] brachlen auch lgleichwie sie Geschichte von der Segnung der Kinder und von dem reichen Jüngling. 829 selber zusz Jesu kamen Kap. 15, I] junge Kindlein zu ihm, daß er sie sollte anrühren sunter Hand- anflegung für sie beten und sie segnen]". Da es aber die Jünger sahen, bedriiueten sie die swelche das thaten, und gaben ihnen die Weisung, mit Kindern sollten sie zurückbleiben Mark. 10, 14 Anm.]· 16. Aber Jesus rief sie [die in denen, die sie trugen, znrückgewiesenen Kinder] zu sich und sprach [zu den Erwachfeneiy sowohl zu den Jün- gern als zu den Müttern]: Lasset die Kindlein zu mir kommen und wehret ihnen nicht, denn sol- cher ist das Reich Gottes. 17. Wahrlich, ich sage euch, wer nicht das Reich Gottes nimmt als ein Kind, der wird nicht hineinkommen [darauf nahm er die Kinder auf seine Arme, herzete sie und segnete .sie]. Hatten die Jünger gerneinh daß Kinder weniger als irgend jemand in Jeku Nühe gehörten, so giebt er ihnen zu erkennen, da er mehr als viele Andere gerade diese in seiner Umgebung zu haben wünscht; dachten die Zwölfe, daß diese Kinder erst wie sie werden müßten, um» das Interesse des HErrn auf sich zu ziehen, so giebt ihnen der HErr in: Gegentheil die Versicherung, daß sie erst werden müssen wie die Kinder, wollten sie seines Wohlgefallens theilhaftig werden. (v. Oosterzee.) Es liegt in den Kindern eine doppelte Empfänglichkeih eine negative und eine positive — die Demuth und das Vertrauen; zu diesen, dem Kinde natürlichen Gesinnungen müssen wir durch eine Arbeit an unserm Herzen zurückko1nmen. (Godet.) 18. Und es fragte ihn [bei1n Weggehen von der Stadt Livias] ein Oberster sder Schnle], nnd sprach: Guter Meister, was muß ich thun, daß ich das ewige Leben ererberitt 19. Jesus aber sprach zu ihm: Was heißest Eh itnich gut? Niemand ist gut, denn der einige vt - 20. Du weißt [nun, was deine Frage be- trifft] die Gebote wohl [die du halten sollst, um durch solchen Gehorsam das ewige Leben zu er- erben Kap. 10, 28; Z. Mos. 18, 5]: Du sollst nicht ehebrechcii [Matth. 19, 19 Anm.]. Du sollst nicht tödten. Du sollst nicht stehlen. Du sollst nicht falsches Zeugniß reden. Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren« 21. Er aber sprach: Das habe ich alles ge- halten -von meiner Jugend auf smeine Frage vor- hin zielte auf ein besonders gutes, außerordent- liches Werk, das mir bisher noch gefehlt und das ich nun noch über das Gesetz hinaus thun will, um des ewigen Lebens mich desto versicherter halten zu können]. 22. Da Jesus das hörte, sprach er zu ihm [seinerseits bereit, ihn in die Zahl seiner eigent- lichen Jünger zu berufen]: Es fehlt dir noch Eins. Vetkaufe alles, was du hast, nnd gieb es den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben [vgl. Kap. le, 9z Matth. 6, Los; und komm, folge mir nnchkisi 23. Da er aber das hörte, ward er traurig; denn er war seht reich fund weil er nun von seinen Gütern nicht lassen mochte, gab er lieber die Nachfolge Jesn auf]. 24. Da aber Jesus sahe, daß er traurig war worden fund Unmuths von dannen ging], sprach er: Wie schwerlich werden die Reichen in das Rcich Gottes kommen. 25. Es ist leichter, daß ein Kameel gehe durch ein Nadelöhr, denn daß ein Reichcr in das Reich Gottes kommen— 26. denn selig werden swenn du den Eingang in das Reich Gottes so sehr vermagst, daß doch eigentlich niemand hindurch kann]? 37. Er aber sprach: Was hei den Menschen unmoglich ist, das ist bei Gott rnoglichH sund da gebe sich Einer nur recht willig und rückhaltlos an Gottes Gnadenwirkung hin, so wird er schon durch die enge Pforte hindurchkommens V) An Anregung und Vegeisterung fehlt es dem jugendlichen Sprecher ebensowenig, als an Wortreich- thum und Ehrerbietung vor Jesu; er ist besser als die gewöhnlichen Werkheiligen aus jener Zeit, bei deren Selbstgerechtigkeit nicht selten Heuchelei mit unterließ aber er steht weit unter den Gottesfürch- tigen des alten Testaments in deren Herzen bei der strengsten Gewissenhaftigkeit immer noch das Gefühl der Versöhnungsbedürftigkeit lebendig blieb. Was er sucht, ist nicht Gnade, sondern Lohn; das ewige Leben, woran er, vermuthlich ein Glied der Sekte der Pharisäer, glaubt, will er durch eigene Tugend erer- ben. Doch noch immer sagt ihm ein dunkles Gefühl, daß der Schatz seiner guten Werke noch nicht groß genug sei; er will zu feiner Gerechtigkeit noch etwas ganz Außerordentliches hinzufügen, um dann mit vollkommener Gewißheit seiner Seligkeit versichert sein zu können—ehe der HErr weggeht, will er noch von ihm die Antwort auf die große Lebensfrage hören. So steht er vor uns als ein Mann voll guten Willens, aber ohne tiefe Selbstkenntniß, als einer, der seine Lust hat an Gottes Gesetz, aber zugleich -auch Gefallen an sich selbst, dessen Worte seine Gedanken nicht nur ausdrücken, sondern in gewisser Hinsicht ihnen selbst vorauseilen, mehr liebenswürdig als be- neidenswerth, · ein wunderliches Gemisch von Redlich- keit und von Iämmerlichem Selbstbetrug Erst wenn man ihn ans diesem Gesichtspunkte betrachtet, ist es möglich, die Weisheit und Liebe, womit der HErr ihn behandelt, ganz zu verstehen. (v. OosterzeeJ · «) Jesus hält diejenigen, welche an ihre eigene Kraft glauben, keineswegs von ihrem Wege ab, son- dern spornt sie an, denselben bis an’s Ende zu ver- folgen, da er wohl weiß, daß sie, wenn sie aufrichtig sind, durch das Gesetz dein Gefetz absterben werden, Gal. 2, 19. (Godet.) — IN) Jn diesen Worten offen- barte sich dem Jüngling das höchste Gut, wovon der HErr vorhin (V. 1 , vgl. Niattlx 19, 17 Anm.) mit ihm verhandelt hat; hätte er nun sichüberwinden können, dieser Offenbarung Glauben zu schenken und alles zu verlassen, um Jesu folgen z11 dürfen, so wiirde ihm ein Licht aufgegangen. sein, daß der einige Gott Da sprachen, die das hörten: Wer kann· 830 Evangelium Lucä 18, 28—43· kein ferner, ihm unerreichbarer sei, vor dem er sich äukerlich mit guten Werken zu schmücken habe, sondern da er ihm unaussprechlich nahe ei, indem er sich vor ihm» im Sohn, in ihm im eist we entlich ge- osfenbaret abe. (Qls ausen.) — L) Die forte zum Himmelrei ist für a e enge, für ie Reichen aber ist F; so enge wie ein Nadelöhr; die Bekehrung eines eichen also ist ein doppelt anbetungswürdiges Wun- der -— das werden die gläubig gewordenen Reichen selber am besten wissen. (Besser.) —- «H) Das bewührte ich denn etliche Jahre später in der Bekehrung des aulus, der, wenn auch nicht gerade an zeitlichen Gütern, doch in anderer insicht auch ein Reicher war; er trat gleichsam als rsatz ein für diesen Jüng- ling, den der HErr zu seinem Jünger hatte berufen wollen, denn er besprach sich nicht mit Fleisch uud Blut, sondern fuhr alsobald zu, da es Gott gefiel, ihn zu berufen durch seine Gnade (Gal. I, 16). Es wäre ein eigenthümliches Zusammentreffen, wenn das zu Kap. 14, 11 von uns Bemerkte der geschichtlichen Wirklichkeit entspräche, da ja jene Vor änge auch um Livias sich bewegten, wie der, mit welchem wir es hier zu thun haben· 28. Da [Matth. 19, 271 sprach Petrus: Siehe, wir haben alles verlassen und find dir nachge- fvlgt [was also, da. du dem Jüngling einen so reichen Schatz im Himmel versprachest, wenn er seine irdischen Güter verlassen würde, wird uns dafiir?]. 29. Er aber [nachdem er den Jüngern eine besondere Verheißung ertheilt hatte Matth. 19, 28 Anm.] sprach [dann weiter, als für alle seine Nachfolger giltige Zusages zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch: Es ist niemand, der ein Haus verläßt, oder Eltern, oder Brüder, oder Weib, oder Kinder, um des Reichs Gottes willen, 30. Der es nicht vielfältig wieder empsahe in dieser »Seit sMarr 10, 31 Anm.], und m der zuiunftigen Welt das ewige Leben [1.Tim. 4 8]. «Die den Aposteln insbesondere und ausschließlich geltende Zusagex Matth. 19, 28 berichtet unser» Evan- gelist erst bei der Wiederholung derselben in Einv- 2»2, 8—30»; dort ist denn«aueh blos gesagt »aus Stuhlen «, ohne die Zahl »zwvlf beizufu en, was» mit Rucksiche auf den Verrather Judas geschie t,» der sein ,,Bisthum (Apostg. 1, 20) verwirkt hatte, wahretid in Matth.19, 28 die Zahl noch dabeistehh denn Jetzt wollte der HErr den Verräther, obwoh er schon einmal eine Hindeu- tung auf dessen Unthat gegeben tJoh 6, 70 f.) ,» von seiner Verheißun noch nicht ausschließem — Mit-dem vorliegenden Ab chnitt s ließt die Reise Jesu, die er in Kap. I, Hl antrat, in ojern ab, als esim folgen- den Abschnitt nun wirklich zu dem Leidens- und Sterbens ange mit dem Ueberschreiten des Jordan kommt. »ie beiden ersten Evangelisten haben aus dieser Reise durch Peräa nur drei Geschichten uns ausbehalten,· die samintlich vom»H aus e Zandeln (die erste uber »die Ehe, die zweite uber die iiider und die dritte uber den weltlich en Besitzx Matth. 19, 3—1-2; 12—15· 16—3o u. 20, 1—16; Mark. 10, Z— 12. 13-—16. 17—31), St. Lukas dagegen hat uns einen ganz· ausführlichen Beri t darüber ge eben, weil er seiner eigeneii Lebenser ahrung gema wie auch um des Apostel Paulus und der paulinischen Rechtfertigungslehre willen ein besonderes Interesse gerade sur diesen Theil der Lehfrthätigkeit Jesu alte; doch hat· er, so sehr er auch die beiden ersten van- gelisten in Betrefs jener Reise ergänzt, immer noch eine Stelle freigelassen für ein viertes Evangelium, das des Johannes, welches sein Absehen hauptsächlich aus Jesu Wirksamkeit in Judäa und Jerusalem ge- richtet hat. I. v. 31—43. »(§. 96 u. on) Es ist iisiieskm Ja«- sihiiitt die tceid·eiisverliiiudigung, die der hErr beim blebergang uber den Jordan seinen Jüngern macht, indem er sie in seine uninlttelbaredlähe zieht, gleichinit der Jlniiunft in Serieho und dem durchzog durch diese Stadt, bei welche: Gelegenheit die iiliiidenheiluiig erfolgt, verbunden, ohne daß die dazwischen liegende Geschichte von der Bitte der Mutter der Söhne Zebedäi (.Matth· M, 20—-28; Mach. 10, 35-—45) ebenfalls mit- getheili würde; denn St. Lukas zieht es vor, dafür lie- ber den ganz ähnlichen Vorfall bei dem passainahl Gan. W, 24-—27)» beizubringen, welchen die beiden au- drru Gvangelislea ubergangen haben, wie er denn gleikh darauf Man. W, sit-sit) auih dasjenige! Wort (.iUatth. 19, M) iu der Fassung, wie es der tiefer bei seiner Wiederholung gesprochen, einfügh das er zivtscheu V— 28 U· 29 unsers Kaoitelg beiseite gelassen. (.u1atth. A)- l7—19. 29——34; starb. 10, 32—34. 46——52·) (Eviinget"inni am Sonntag vor der Fasten, Quinquw gesimae oder KstomjhiJ » Wohin die kirchliche Zeit jetzt ihr Angesicht wendet, zeigt uns das Evangelium »dieses Sonntags, welcher auch den Namen Estomili tragt nach dem in der katholischen Kirche ublichen ntroitus (Ps. 3l, 3 Anm· 2): ,,siehe, wir gehen hinauf en Jerusalem«, so ruft der Err nun aus und tritt szeinen Gang zur Passion an. Als er dann zu dem Thore von Jericho gelangt, sitzt dort ein blinder Mann: wer erkennt nicht die wun- derbare Weisheit Gottes, welchegier so lieblich spielt, so geheimnisvoll deutet! Ein linder an dem Ein- Häng der heil. Passion,· was kann das sagen als: das » ort vom Kreuz ist ein Mysterium für; den natür- lichen»Menschen, den Juden ein Aergerniß, den Hei- den eine ThorheitP Der HErr aber niacht den Blin- den sehend, weil er sehend werden wollte —— wahrlich, die »chris·tliche Kirche konnte für diesen Sonntag, der sie in die eigentliche Leidenszeit einführt, keinen besse- ren Text wählen. Ein Blick dur das Portal der heil.Passion: l) sehet da das ammGottes, welches der Welt Sünde trägt; Z) sehet da die Blind- heit· der Welt, welchedas Wort vom Kreuze nicht vernimmt; 3) sehet da die Bitte der Heilsbegie- rigen, welche das Siegel des Geheimnisses löst; 4) sehet da den Dank der Begnadigten, welcher Gott, dem Vater unsers HErrn Jesu Christi, gebührt. Sedeh wir gehen hinauf gen Jerusalem! Die er Gang zei t uns 1) den Weg der Heilsberei- tung, L) den eg der eilsaneignung Warum verstehen wir »die gassion des HErrn so schlechtsl Weil wir I) Gottes Wort nicht verstehen, 2)»Gottes Licht nicht erstehen, Z) Gottes We e nicht gehen. (Nebe.) Das Leiden Jesu Chri ti ein der Welt verschlossenes Geheimnißx 1)warum Ist es uns allen von Natur ein solches Geheimnis? z) wie wird es uns aufgeschlossen und verständlich? (Fr. Arndt.) 31. Er nahm aber sals er diesseit des Jordan bei der zu Matth. 20, 19 beschriebenen Die Leidensverkündigung und die Blindenheilung zu Jericho. 831 Stelle ankam, s. das Kärtchen zu 1. Sam. 9, 51 zu sich die Zwölfe svon denen einige hinter ihm zurückgeblieben waren Mark. 10, 32], und sprach zu ihnen: Sehet, ·wir gehen hinauf gen Jerusalem, und· es wird alles vollendet werden, das [z. B. m 1.Mos. IF, is; .12, 3 ff; Pf. 22z Jes. 50 u. 531 geschrieben ist durch die Propheten von des Menschen Sohn sdaß es an ihm thatsächlich soll erfüllt werdeii]. 32. Denn er wird iiberantwortet wer- den [von Judas den Hohenpriestern und von diesen] den Heiden; und er·wird verspottet, und geschmahet, und verspeiet werden; » 33. Und sie werden ihn geißeln und todten; uiid am dritten Tage ivird er wie- der auferstehen [Kap. 9, 22]. 34. Sie aber vernahmen der [Dinge] keins swovon der HErr zu ihnen redete], nnd die Rede [obwohl ihrem Wortlaut nach doch so klar] war ihnen verborgen [indem sie alles nur für ein Bild oder Gleichniß hielten], und wuß- ten nicht, was das gesagt war [Kap. 9, 44 u. 45]. « Indem Jesus dje früher schon einige Mal ausge- sprochene Leidensverkündigung wiederholt, sucht er das Aergerniß zu vermindern, das ie an seinem Leiden nehmen werden, ja ihnen eine tütze ihres Glaubens daraus zu machen, wenn sie später diesen Umschlag mit den Reden zusammenhalten würden, durch welche er sie darauf vorbereitet hatte (Joh. is, 19); aber ,,für alles, was dem natürlichen Willen entgegenläuft, bildet si in dem Herzen eine Verblendung, welche nur ein under heilen ann. (Godet.) Der Jünger Gedanken von Jesu stunden also: Gott ist zu wohl an ihm, der wird ihn nichts leideii lassen; daß aber seine Worte lauten als rede er, wie er leiden und sterben soll, das wird eigentlich eine andere Deutung haben. Das ist der lieben Apostel Einfalt ewesen: Vernunft, Fleisixund Blut kann’s nicht verstehen noch fassen, das; die chrift davon sagen sollte, wie des Menschen Sohn gekreuzi twerden mußte, viel weniger versteht sie, daß solches Ein Wille sei und er es gerne thue; denn sie glaubt nicht, daß es uns noth sei, sie will selbst mit Werken vor Gott handeln. (Lutl)er.) Die Menschen wollen nicht sehen, wenn auch das Licht von Jugend auf sie umleuchtet und Christus oft genug ihnen vor Augen gemalt wird; sie wollen sich nicht be ehren lassen von Dem, welchen Gott uns ur Weisheit gemacht hat, sondern nur ihren ei enen e- danken nachwandeln; sie wollen Gottes illen nicht thun und Chriti Wege nicht gehen, die durch viel Kampf und ühsal führen; sie wollen sich auch nicht strafen noch richten lassen für ihre bösen Werke, sie fürchten das Licht, das iF arges Wesen an den Ta bringt, und haben die insterniß lieber. Aus die em Grunde bleiben sie blind und verstehen es nicht, wie in Christo Leben und Seligkeit ihnen eosfenbaret ist; aus eigener Schuld, wegen ihrer Unlut zur Buße und Bekehrung, kommen sie nicht an das Licht. Und das ist, wie ihre Sünde, so auch ihre Strafe; die Blinden, die nicht sehen wollen, die chlägt der HErr mit Blindheit, daß sie auch nicht sehen können. Wer sich beharrlich verschließt gegen das Milde, segnende Leuchten des Evangeliums, dem verfinstert und verstockt endlich der HErr sein Herz, de? ihm ewig uiiverstan- den bleibt, was ihm eilsame ehre sein könnte, daß ihm ewig als Thorheit erscheint, was ihm zum Trost und Frieden dienen könnte. (Christa.) 35. Es geschah aber sum die Geschichte von der Bitte der Salome hier zu übergehen], da er nahe zu Jericho [an den nordöstlichen Thoreingang der Stadt] kam, saß ein Blinder am Wege, und bettelte [Matth. 20, 34 Anm.]. 36. Da er aber hörete das Volk, das durchhin ging lund aus dem Getümmel schloß, daß etwas Aiißerordentliches hier vorgehen inüsse], forschete er, was das wäre [ob es ihm viel- leicht eine Gelegenheit biete, ein ganz besonderes Almosen dies Mal davon zu tragen]. 37. Da vcrkiindigten sie ihm, Jesus von Nazareth [der Prophet mächtig von Thaten und Worten 24- 191 ginge vorüber. 38. Und er [da er früher schon von ihm gehört und daraus die Erkenntniß gewonnen, derselbe sei mehr als ein großer Prophet, nämlich der Messias selber Matth. s, 27 ff.; 15, 22] rief und sprach: Iesu, du Sohn Davids, erbarme dich meiner! 39. Die aber vorne an gingen sin dem Zuge und eben» in seiner Nähe sich befanden, als er so rief] bedraiieten ihn, er sollte schweigen sdenn espasse sich für ihn nicht, so denjenigen anzuschreiem der in der Mitte des Zuges unter festlichem Geleit einherschreite]. Er aber schrie viel mehr: Du Sohn Davids, erbarme dich meiner! 40. Jesus aber [als er, nachdem er schon aus der Ferne den Blinden hatte rufen hören, bis an ihn herangekhinmen war] stund still und hieß ihnzu sich fuhren. Da sie ihn aber nahe ei ihn brachten, fragte er ihn, » 41. Und sprach: Was willst du, das ich dir thun» soll? Er sprach: HErr, daß ich seheii moge. . 42. Und· Jesus sprach zu ihm: Sei sehend! Dein Glaube hat dir geholfen. 43. »Und alsobald ward er sehend, und folgte ihm nach lindem er sich ebenfalls dem Feftzuge anschloß] und pries Gott. Und allcs Volk, das solches sahe, lobte Gott swelcher Jubel dann sich mehrete, als bei dem südwest- lichen Thorausgang noch die gaiiz ähnliche Hei- lung des blinden Bartimäus hinzukam Mark. 10, 46 ssix Matth 20, 29 ff. Jesus aber gestattete der Menge, ihren Gefühlen freien Lauf zu lassen, denn die Zeit der Rücksichten war nun vorbei] So einfach diese Geschichte ist, so viele beachtens- werthe Zuge enthalt sie, Zuge, die auf unser inneres Verhaltniß zu Christo, insbesondere auf die Art, wie wir zur Theilnahme an seiner erlösendeii Macht ge- langen, ein bedeutendes »Licht werfen. Jn dem Zu- stand e d es B lind en spiegelt sich uns der des Nienschen 832 Evangelium Lueä II, 1—6. ab, der noch geblendet ist vom irdischen Schein; in dem Ausdruck seines Verlangens nach Hilfe er- kennen wir unsre eigene Sehnsucht nach der Theil- nahme an der Erlösung wieder; der Empfang, den die Welt dem Bekenntniß seines Verlangens und seines Glaubens bereitet, es ist derselbe, den wir in ähnlichen Fällen noch heuteersahrenz die Macht des HErrty womit er den Blinden von seinem leiblichen Uebel befreiet, sie wirkt im Wesentlichen auf dieselbe Weise, unter denselben Bedingungen, wie seine den Geist erlösende Macht; die segensreichen Folgen des großen Ereiguisses für das innere Leben des Blinden, wie sie unser Text uns ahnen läßt, sie er- innern uns an die heilsamen Früchte, welche die Theil- nahme an der Gnade Jesn Christi auch in unserm Leben tragen soll. So ist die Geschichte der Hei- lung des Blindenbor Jerieho Zug für Zug ein Spiegel der geistigen Genesung des Men- chen. (J. Müller) Dieser Blinde bedeutet den geist- lich Blinden, welcher ist ein jeglicher Mensch von Adam geboren, der das Reich Gottes nicht siehet nocl er- kennt; aber das ist eine Gnade, daß er seine lind- heit fühlt und erkennt und derselben gern los wäre -— das sind die heiligen Sünder, die ihren Fehl füh- len und nach Gnade seufzen· Wir wollen nun kürzlich des Blinden Gla1iben-ansehen. Zum Ersten hört er von Christo sagen, daß er vorüberginge, hatte auch zuvor von ihm gehört, daß Jesus von Nazareth em gütige: Mann wäre, der jedermann hülfe, wer ihn nur anriefe; aus solchemHören war ihm der Glaube und Zuversicht gegen Christum gewachsen, daß er nicht zweifelte, er werde ihm auch helfen. Solchen Glauben aber im Herzen hätte er nicht haben mögen, wo er’s nicht von ihm gehört noch gewußt hätte; denn der Glaube kommt nicht ohne durclys Hören (2)iö1u.10,14). Zum And ern glaubt er fest und zweifelt nicht, es sei, wie er von ihm hört, wiewohl er doch Christum nicht sieht noch kennt, und ob er ihn gleich kennete, doch nicht sehen könnte, ob Christus Herz und Willen hätte, ihm zu helfen; aber er glaubt stracks, wie er von ihm gehöret hat. Zum Dritten, dem Glauben nach ruft er auch an und bittet, wie St. Paulus in Röm. 10, 13 f. diesen Orden beschreibt. Zum Vierten be- kennt er auch frei Christuni und scheut niemand; dazu bringt ihn seine Nothdurfh daß er nicht fragt nach Andern, denn das ist auch des rechten Glaubens Art, daß er bekennt Christum für den, der helfen könne und wolle, daß sich die Andern schämen und« scheuen vor der Welt. Zum Fünften kämpft er nicht allein mit seinem Gewissen, welches ihn ohne Zweifel hat gerührt, daß er solches nicht werth sei, sondern auch mit denen, die ihm dräueten und hießen ihn stille schweigen, welche damit sein Gewissen wollen chrecken und blöde machen, daß er seine Unwürdigkeit und Christi Würdigkeit ansehen sollte und verzagen; denn wo Glaube angeht, da geht auch Kampf und Streit an. Zum Sechsten stehet er fest, dringet durch und gewinnt, läßt sich alle Welt nicht von seiner Zuversicht reißen, auch sein» eigen Gewissen nicht; damit lehrt uns der Evangelist eine sehr gute bettlerische Kunst, daß man vor Gott wohl geilen lernen und sich nicht soll scheuen noch schäineiy von ihm zu bitten, denn wer so lange warten will, bis er’s würdig wäre, daß ihm Gott etwas gebe, der wird sreilich nimmermehr ni»ts bitten. Solch Gebet, das fest anhält und sich nicht läßt abschreckeiy ihn anzurufen, gefällt Gott wohl, wie wir hier am Blinden sehen: sobald er anfähet zu bitten, flugs fordert der HErr ihn zn sich, und muß jedermann aus dem Wege weichen; und er, der Blinde, schämet sich auch nichts, läßt sich weder seine eigene Unwürdigkeit, noch der Andern Bedräuen abwenden. Da fragt ihn der HErr alsbald: »was willst du, das ich dir thun soll?« als wollte er sagen: bitte, was du willst, es soll dir widerfahren; der Blinde säumt auch nicht lange, sondern spricht: ,,o HEry ich bitte, daß ich sehen möge«, und der HErr antwvrtet: »ja, du sollst sehen«- Das heißt ja unverschämt gebeten, aber sehr gnädig erhört: »so geht es Allen, die nur fest am Worte Gottes halten, t un Augen und Ohren zu gegen den Teufel, Welt und ich selbst, achten’s gerade, als wären sie und Gott allein im Himmel und aufErden. Hier sehen wir, wie Christus uns zum Glauben reizt mit Werken und Worten: mit Werken, daß er sich des Blinden so hart annimmt nnd läßt sich merken, wie wohl ihm der Glaube gefällt, daß er sich gleich damit sahen läßt, steht und thut, was der Blinde in solchem Glauben begehrt; mit Worten, da er seinen Glauben preist und spricht: ,,dein Glaube hat dir e- holfen«, wirft also die Ehre am Wunderwerk von sich und giebt sie dem Glauben des Blinden. Summa — der Glaube ist gewähreh was er bittet, und ist dazu unsre große Ehre vor Gott. Zu1n Siebenten folgt er Christo nach, d. i. er ge t aus dem Wege der Liebe und des Kreuzes, daraus hristus geht, thut recht- fchafsene Werke und ist in gutem Stand und Wesen, geht ni t mit Narrenwerk um, wie die Werkheiligen thun. um Achten da1iket er und lvbet Gott und thut das rechtschafsene Opfer, das Gott gefällt (Ps. 50, 2I-3). Zum Neunten macht er, daß viele Andere auch Gott an ihm loben, denn ein Christ ist nützlich und besserlich jedermann, dazu auch Gott löblich und ehrlich aus Erden; wenn er ist sehend, worden, ist all sein Werk und Leben Gottes Lob und Ehre und folgt Christo mit Freuden nach, daß alle Welt sich wundert und bessert. (Luther.) Wer Jesu Leiden nicht ver- stehen und genießen lernt im Leben, ist doch umsonst geboren, eine Fehlgeburh aller Thränen der unglüc- lichen Mutter werth; wer im Leben Jesu Leiden nicht verstehen lernt, lebt, lernt, leidet, stirbt umsonst, des Lebens«Zweck ist versäumt, der Gewinn des Lebens verloren. (Löhe.) Das 19. Kapitel. Von Zachäiis, veriiauten Pfund-zu. Christi Einzug zu Jerusalem, trauriger Weissagung und ernstlichen« Tliesormaiioin II. b. l—- 28. (§. 99.) Juden! Jesus« durch Jerilho dnrehzieht, sucht der daselbst alisiissige Qberzdlliter Zachiiiig Gelegenheit, ihn, der schon mit seinem Wort und Evangelium ans der Ferne her rin Gelöset von der Siinde nnd Helfer zum ueitcn Erben ihn! geworden ist (t"iap. is, 9), auch einmal von person zu sehen; da er wegen seiner Kleinheit seine Jtlisiiht nicht dadurch erreiihesi lianu, daß er neben dont-Brig: hergehl, eilt rr deuiselben voraus nitd besteigt einen iUanlbeerfelgelibantii. Dort uuu gewahrt ihnjesno alsbald bei seinen: vor— übergehen und tilnnict bei ihm Quartier für den übrigen Theil deg Tages; und die naihfolgcnde Mehl, muß aber nun freilich seit-verhalten gegen diejenigen rechtfertigen, die, in pharisäiscticn borurllseileu befangen, daran Anstoß nehmen (J.-l. 1—·10). Indem er hieraus den Weisung, den er wegen feiner dlinlichr nach Ierictjo nun nicht weiter begleiten kann, entläßt, kündigt er diesen Leuten, die da meinen, er gehe jetzt nach Jerusalem, um das Reich Gottes dort anfznriihtcm in dein Gleichniß von Der HErr kehrt bei dem Oberzöllner Zachäus ein. dein Edlen, der ferne in ein fand zog, daß er ein Rein; elanähme nnd dann wieder käme, an, daß dies allerdings ges-heben würde, aber anders ala fle nieinelen, nnd verbindet daniit eine sehr ernste Mahnung nnd Warnung. Evangelium am Tage der Rirchweihunw V. 1——10.) Kirchweihung ist zunächst derjenige Akt, wodurch eine neuerbante Kirche zum gottesdienstlichen Gebrauch übergeben und übernommen wird, was nicht blos eine rechtliche, sondern eine religiöse Handlung sein muß, da sich die Jdee des Eultus im Gebäude selbst ver- körpert, dasselbe ein heiliger Ort ist; so lange daran gebaut, darin gezimmert und gehämmert wird, ist er dies nicht, er muß erst heilig esprochen, muß Zieweihet werden, wozu wir Evangelis en weder einer eliquie noch eines Schutzheiligen bedürfen, sondern an Gottes Wort und Gebet genug haben. Gewöhnlich versteht man indessen unter Kirchweihung die jährliche Ge- dächtnißfeier der Einweihung einer Ortskirche. Dies Faktum ist solch einer Feier wohl Werth, weil eine Anzahl von Christen erst von da an eine Gemeinde ist, wenn ein Gotteshaus für sie dasteht; die Einwei- ung des elben ist gleichsam die Hochzeit der Gemeinde, ie Kir weih ist ein uralter, aber auch schon frühe, weil man an der Stelle heidnifcher Festlichkeiten diese christliche Feier im Volke einheimisch zu machen ge- dachte, mit Schmausereien verbundener Gebrauch — einer der Punkte, wo die Momente des kirchli en Lebens, die ja allerdings auch Momente des Vo ts- lebens werden sollten, umschlugen und, statt edle Volks- sitte zu werden, zu maßlosen, sich stets als heidnische Erbschaft ausweisenden Volkslnstbarkeiten wurden. (Palmer.) Zwar hat es im Anfanzdes Christenthums und zu den Zeiten, da unser H rr zur Gründun seines Reiches auf Erden war, wie sich das von selbt versteht, noch keine christlichen Gotteshäuser gegeben, und man konnte deshalb für die Kirchweihtage der späteren Gemeinden keinen Text aus dem neuen Test. wählen, welcher genau und dem Wortlaut nach zur Feier paßte; aber jene große Weisheit, welche das Alterthum bei den Textwahlen im ganzen Kirchenjahr bewies, zeigt sich nichts desto weniger besonders in der Wahl des heutigen Textes glänzend, denn was in aller Welt könnte für den Kirchweihtag passender, was tiefer aus dem Herzen der feiernden Gemeinde ge- sprochen sein, als die Worte des HErrn: ,,ich muß heute zu deinem Hause einkehren«? Aber wir können der Frage noch näher treten: Was hat dies Haus, unsre liebe Kirche und ihre Weihe, mit dem Hause· Zachäi und· dem ·Besuche Jesu in Zachäi Hause gemeint) Es ist I) von eben solchen Händen erhärtet, wie das Haus Zachäh und so sind auch die Besitzer, die in beiden Häusern ein- und aus- ingen oder gehen, einander gleich; aber 2) Zachäi aus wird von Jesu bemerkt, und der HErr will vor demselben nichtvorübergehen, sondern einkehren, damit der Besitzer Zeit ewinne, den großen Propheten be- quemer als vom iaulbeerbaum nach Herzenslust zu schauem dazu will er nicht leer kammen, sondern es soll dem Zachäus und seinem Hause Heil widerfahren, er will ihn und die Seinigen suchen und selig machen — und auch da steht unser Gotteshaus nicht zurück . hinter Zachäi Hause. (Löhe.) In der Geschichte von der Einlehr Jesu in Zachäi Haus bietet sich ein Drei- faches un rer näheren Beachtung dar: 1) die auf der Watte stehende Sehnsucht nach dem HErrm 2) die gnadenreiche Heimsuchung von Seiten des HErrn, Z) ie wunderbare Verwandlung durch die Gnade des HErm (Roffhack.) D ä ch s e l’ s Bibelweeh 833 I. Und er zog hinein [in die Stadt] nnd ging durch Jeticho sbis er eine kleine Strecke jen eit des Orts an die m V. 5 bezeichnete Stätte kam]. « · 2. Und siehe, da war ein siüdisched Mann, genannt Zachaus [d. i. Reiz: 2. Mace 10, 19], lårfwazr elinAObegster der Zollner, nnd war reich o . um. . « 3. «Und stvas sein Dasein gerade an dieser Stätte betrifft, so] begehrete set] Jesnm zu sehen, wer er ware, nnd konnte nicht swie er voraus-sah] vor dem Volk szum Ziele kommen], denn er lvar klein von Person sweshalb er nicht über die An- dern hinwegzusehen vermochte]. 4. Und er lief ldaher in kluger Berechnung] vorhin sdem Zuge voraus], nnd stieg auf einen Maulbeerbaum [1. Chron 28, 28 Anm.]·, auf daß er ihn sahe; dennchallda sollte er gveil der Weg von Jericho na der bis gen ethanien sich erstreckenden Wüste an diesem Baum vorüber- führte] dnrchkommen. 5. Und als Jesus kam an dieselbige Stätte saheher arg ists) wfird seinerd ghewahrz unt; sprags zu i m: a ae teig eilen etnie er« enni muß heute zn deinem Hause sbehufs Naihtherberge Joh· 1, 39] einkehren [Matth. 20, 34 Anm.]. 6. Und er stieg eilend hernieder, nnd nahm ihn auf mit Freuden [d. h. begab sich zu bereit- williger Aufnahme des HErrn zu ihm hin — zur eigentlichen Einkehr in sein Haus, das in der Stadt lag, kam es erst später, nach V. 11—27]. · Jericho hieß vorszAlters die Palmenstadh und kaum eine Stadt im xudischen Lande war choner gelegen, als dies uralte Jerieho zwischen seinen immergrünen Palmenhainen und füßduftenden Rosengärtenx aber schönkr als halle ifiedstglzen Hsalmgi Såeridchogsftdie ä ausge auen in , auern er a a e ie u en- deltjig erichorosen, die lange schon verblüht haben, steht ein niedriger Baum zu Jericho. An der sonnigen Stsaßcå dort ist er ztccßarf nicht mkehr zu fgidem abes nnicht ar grünt er no ort, trei neue weige un britdigt ginge, åiBßestFrüchted hservkitr åoon sahst, zu Fahr er ir e rii — a i er au eeraum ldlxs Pzachäust Dsort in äeinem Jgatten ist gutf woh- en, ort un er einen weigen auen wir au ewig tdenlieblichem Willkomm zwischew menschlicher Heils- begier und gottlicher Gnade, zwischen dem Sünder, der den Heiland sucht, und dem Heiland, »der den Sünder sucht. (Gerok.)» Jericho war vor vielen an- dern eine Stadt der Priester und der Zöllnen Den xriestesicnhmtgchåe es Fefalxemdhieær lin dker des en i re an e uner er ame, ie a ym- boelgihres Landes war, ein besxhauliches Stilllebeii zu führen; da »die Stadt aber im Eontrast gegen»ihre zahlreiche riesterschaft ebenfallsviele Zollner za lte, wurde durch die Handelsverhältnisse des Landes er- beigefliiihrt gdab nlilcht nur ddeswegecn hser vie dzu v o en, wei ie mgegen von eri o, in er aII die åliglsanSistazide tFuKTSvielß erzFeugteI soisidlern ,wei ie ta t au er tra e von eruaem Titel; Peräa nicht weit von einer Furt des Jordan lag. (P. Lange) Mitten durch Jericho, die von der älte- Iks c« I. 53 834 Evangelium Lucä 19, 7——10. sten Geschichte her anrüchige Stadt, nimmt der Heiland einen Segensweg, begleitet von einer großen Menge olks, welches so eben vor den Thoren der Stadt von der Wunderheilung des Blinden staunender Augen- zeuge gewesen; die Geschichte aber richtet unsre Blicke von dem Getümmel des Volkes hinweg auf einen Mann, an melchem sich die Gnade des HErrn Jesu nun auch im Geistlichen verherrlichen will. Es ist ein Mann, auf den wohl niemand im Voraus vermuthet Bitte, Zachäus, der geistliche Enkelsohn jener Hure ahab im alten Jericho (Jos. 2, 1 sf·); zwar ist er kein Heide wie diese, und wohnt nicht im abgelegenen Winkel auf der Stadtmauer wie sie — sein Name, ar prächtiglautenw ,,Rein«, bezeichnet ihn als ein lied des olkes Gottes, und seine äußeren Verhält- nisse sind glänzend genug. Er bekleidet in der durch ihre Datteln und Valsamgärten berühmten Handels- stadt unter römischer Auctorität das bei den Römern sehr an esehene und zugleich höchst einträgliche Amt eines-O erzolleinnehmers und hat sich bereits ein be- deutendes Vermögen erworben. Aber ach, in diesen Verhältnissen liegt ugleich eine Verstrickungx an sei- nem Vermö en hasten die Flüche der Kinder seines eigenen Vol s, über welches ihn eine fremde Zwing- Perrschaft zum Treiber und Gelderpresser bestellt; und ein Amt, welches ihn außer andern Versuchungen vielfach mit Heiden in Berührung bringt, hat ihn auch heidnische Sitte gelehrt und von dem Gotte Js- raels und seinen Wegen also entfremdet, daß er von allen auf Religion haltenden Leuten, im Widerspiele seines Namens, als ein Verpesteter gemieden wird. Gewiß, wir würden in der Palmenftadt unsre eigenen Namen aus’s Spiel setzen, wollten wir uns ein auch nur in etwa vertrauliches Verhältniß zu dem Manne im Oberzöllner ause merken lassen. Wie kommt nun ein solcher zu Jesu? Ja, wir mögen wohl so fra en, selbst die Verniuthung zugegeben, die der spätere er- lauf der Geschichte zur Gewißheit erhebt, daß Zachäus seines Sündenlebens bereits müde und nach dem Licht und Leben aus Gott begierig geworden. Was dürfte es uns Wunder« nehmen, wenn ein so strenges Ab- sperrungssystem wie es die frommen Leute zu Jericho gegen ihn beobachten, verbunden mit dein Banne des Gesetzes, der ohnehin auf seinem Gewissen lag, seine Seele in eine völlige Muthlosigkeit und Verzweifluii an der Möglichkeit ihrer Rettung verstrickt hätte. Aber siehe, er hat ein Wort von dem HErrn Jesu (als dieser vor 2—-3 Monaten nicht weit von Jericho drüben in Livias sein Wesen hatte Kp.15, l—- 16, 13) gehört (indem seine Mitzöllner von dort es ihm hin- terbracht haben), welches wie ein leiser Hoffnungs- schimmer in seine umnachtete Seele gefallen — das Wort von einem Heilande, der, anders als die Pha- risäer und Schriftgelehrten, sich zu Zöllnern und Sündern kehrt, das Wort von einer Offenbarung Gottes, die nicht wie die auf Sinai in schreckender Klarheit flammt, sondern der in Sünde und Jammer versunkenen Menschheit mit lauter Wundern der Er- barmung zu Hilfe kommt. Und da er nun selbst, der Heiland, zu Jerichcks Thoren einzieht, da heißks in ihm: »du mußt ihn sehen!« Was er eigentlich damit wollte, das würde er wohl selbst uns kaum zu sagen wissen. Bloße Neugier war es nicht, am wenigsten jene leidige, profane, in welcher der Propkzetenmörder Herodes nach lang gehegtem Wunsche, Jeu ansichtig zu werden, den zuletzt in der Leidensgestalt zu ihm Hereingeführten mit frechen Blicken mustert, gespannt darauf, ein Zeichen von ihm zu sehen; nein! Zachäus hat ein Herzensinteresse bei der Sache. Zwar sich hineinzustellen in das Licht seines Angesichts, das muß er auf den fernen zukünftigen Ta verschieben, wo er von der Sünde, die ihn im Gewisgsen schilt, sich ganz wird los emacht haben: das würde er jetzt nicht wagen! eiß er gleich von andern, vielleicht in sei- nem eigenen Dienst stehenden Zöllnerm daß sie vor Jesu Augen Gnade gefunden — ,,ach!« denkt er, »du bist schle ter, denn alle, Oberster der Zöllneh Ober- ster der ünderlll und das Bewußtsein seiner Schuld will ihn von der Gemeinschaft des Heiligen fernen. Dennoch aber treibt ihn auch wieder ein geheimes, glückweissagendes Verlangen zu Jesu hin, und er möchte ihn wenigstens einmal sehen, wer er wäre, ob denn wirklich sein Aufzug und Wesen so muthmachend für die Elenden, wie jene Andern sagen; ob sein An- gesicht so holdselig und auf demselben noch eine Spur von dereinsti em Erbarmen auch für einen solchen, wie Er ist, zu le en. So mischt er sich denn unter die den Heiland umgebende Volksmenge, aber umsonst; das Gedränge ist zu groß und er sieht überall gegen fremde Schultern an, denn er war klein von Person. Da erfaßt ihn plötzlich ein seltsamer Gedanke; wir sehen ihn sich aus dem Gedränge wieder heraus- arbeiten, er läuft durch eine Seitengasse dem Zuge zuvor, athemlos langt er auf der Hauptstraße an, wo Jesus durchkommen sollte; da steht ein Maulbeer- Feigenbaum, und siehe, er besinnt sich nicht, erklettert hinauf und schwebt als eine wundersame Frucht in den dickbelaubten Zweigen. Wie, Zachäe, Oberzolleiw nehmer, schickt sichs denn auch für dich, so den jungen Knaben gleich, wenn sie ihre Schaulust befriedigen . wollen, über die Köpfe der Großen hinwegzusteigen? fürchtest du nicht, auf solchem Wege Stand und Amt vor allen Leuten nun vollends zu prostituiren und dich ihrem Gelächter preiszugeben? Doch Zachäus hat kein Ohr für unsre Fragen: er kann jetzt weder an Ehre noch an Schande denken; er steht auf der Warte, einzig von dem Verlangen hingenommen, Jesum zu sehen. (Roffhack.) Wie er HErr es fühlte, daß jenes Weib ign ungerührt (Kap. 8, 46), so fühlt er auch hier, da ein armer Sünder in der Nähe ist, der seine Kraft mit Gewalt an sich zieht; und wie er um den Nathanael weiß und was seines Herzens Ver- langen sei, da er unter dem Feigenbaum sitzt (Joh. 1, 48), so weiß er auch um den Zachäus auf dem Piaulbeerbaum und ruft ihn mit Namen, Jes. 43, l. (Besser.) Daß Jesus ihn kannte und mit Namen rief, darf uns nicht Befremden: der HErr, wel er wußte, was in seinem Herzen war (,Joh. 2, 24 ·), konnte» auch seinen Namen wissen, wenn er von ihm Gebrauch machen wollte. ,,Jch muß heute zu deinem Hause einkehren«, sagt er — das »heute« hat den Nachdruck (V. 9), denn dieser Tag war dem Zachäus zum Heil bestimmt; das ,,muß« aber ist dasselbe, wie in Katz. 22, 37 u. a·, nämlich das Muß des göttlichen Berufs und der aus ihm hervorgehenden Pflicht. Den Grund- satz des göttlichen Willens, welcher hier in Erfüllung geht, spricht Maria in Kap. 1, 53 aus: »die Hungri- gen füllet er mit Gütern-« (v. Burger.) Je us hat in ihm, eben aus seinem lebhaften Verlangen, ihn zu sehen, den Wirth erkannt, der ihm in Jericho von seinem Vater bestimmt ist: es ist hier ein verlornes Schaf zu finden; es ist dasselbe fortwährende Bewußt- sein seiner Sendung, wie in der Begegnung mit der Samariterin. Welche unbedingte Hingebung an das göttliche Werk, und welch unbeschränkte Unabhängig- eit von der menschliihen Meinun ! (Godet.) Jericho war berühmt durch die in ihrer itte einst blühende Prophetenschule und durch die errlichen Gottesthaten, welche die Propheten Elias un Elisa da verr1chtet; es muß aber damals nicht gut wohnen gewesen sein » lieb allda«. Des Menschen Sohn ist kommen, selig zu machen, das verloren ist. 835 in ihren Mauern, sonst hieße es in V. 1 nicht: ,,er zo hiisizizeiiti und ging dsurch Jerich Wage ess ein « s ’ w , w t r u « Ztikirieteme tlsiiliitlietivizikdee laukemrarek zog: hlineeineliiliid · Doch über den gedankenlosen Volks- hausen, der ihn umgab» erhaben, erblickt Jesu Auge auf einmal eine heilsbegi»erige Seele,»die nach der Ge- äechendkäiiJZPLIHFIEZFTHUUTIZH skidkitehxihkIIe Eis-XVI; figddliielfer Seele terzlich bangeöiommJ d? hsie nicht ver« e« s i nu ··m: i mu ierein- kehriknsehe nach Ferueslciljem weiter geht. (Deichert.) 7. Da sie [die den Reisezug bildenden Fest- pilger, in deren Gesellschaft der HErr seit V.31 u. 55 mit den Jüngern gegangen war] das sahen mnrretcn sie alle, daß er bei einem Sünder sals Gastfreund] einlehtete [und dafür ihre Genossen- schaft hintenansetztes denn nun sollten sie weiter ohne ihn ziehen, de’n sie ja ais messianischen König in Jerusalem einzuführen gedachten V.11;Matth. 20, 34 Anm.]. 8. Zachiius aber trat dar sstellte sich, der Be- zeichnung ,,Sünder« gegenüber, mit offener Frei- müthigkeit hin 18,11] und sprach zu dem HErrm Siehe, HEry die Hälfte meiner Gitter gebe ich den Armen, und so ich jemand betrogen [durch falsche oder gehäfsige Anzeige Kap. 3, 14 in Schaden gebracht] habe, das gebe ich [dem Gesetz geinaß Moscsp 22, 1; 2. Sam. 12, 6] vier- faltig wieder Des. 58, 6——8]. 9. Jesus aber sprach zu ihm loder in Be- ziehung- auf ihn]: Heute ist diesem Hause Heil widerfahren, fiiitemal er auch [so gut wie jeder andere Jude] Abrahams Sohn ist [und also dem Geschlecht angehört, dem das Heil in dem verheißenen Messias zugesagt worden Matth. 15, 24]. 10. Denn des Menschen Sohn ist kommen, zu suchen nnd selig zu machen, das verloren ist fund hat da keinen Unter- schied nach Maßgabesphacrjsäischer Vorurtheile zu U le c 1 Magen tådqecsititclsw Jsfiisilclis vsrztlib sglusleger ni t reZht in den Zusammenhang? und die Bedeutung die es Abschnitts zu finden. Zunächstlassen sie da- durch, daß es in B.6 schon hieß, Zachäus habe Jesum mit Freuden ausgenommen, sich zu der Annahme ver- leiten, als habe die Verhandlung hier entweder im Hause des Zöllners, etwa des Abends bei Tische oder aber am andern Morgen beim Weggehen ,Jesu, statt-» efunden; auf letzterer Ansicht beruht z. G erok’s hema: Jesus und Zachäus oder wie mensch- licher Wille und öttliche Gnade so schön zu- sammentrifft ans dem Bekehrugspfadw wir betrachten I) den Willkomm unter’m Maulbeerbaum oder den Ansan , 2) die Einkehr unter’m ·Zöllner- dach oder den Fortgang, Z) den Abschiedsgruß unter der Hausthür oder den Ausgan der Bekeh- run sgeschi te. Allein offenbar sind die Murrenden in 7 ni t die Jünger des HErrn, sondern »die Glieder der Festearavane, mit wel er er in Jerieho eingezogen und durch die Stadt hin urchgegangen ist, von welcher er aber nunmehr als von Leuten, denen er entweichen will (Joh·6,15), sich trennt, um wieder umzulenken und bei Zachäus Herberge zu nehmen: zu diesen redet»auch Jesus keine Worte mit auf den Zachäus (7sa0e wissen« —- uther: »du ihm-«) inge- richtetem Blicke —- wie soll da beijener Anfi t der Bin eVorgang sich irgendwie vorstellig machen lassen? ie mehr bringt der Evangelist in V.6 die Erzählung zu einem vorläufigen Abschluß, um von V. 7 bis 27 eine längere Verhandlung nachzutragem die zwischen die beiden Momente: ,,er stieg eilend hernieder« und ,,nahm ihn auf mit Freuden« in die Mitte kfällh so daß wir die letzteren Worte für den Sachzu ammen- hang nur in dem oben bei der Erklärung in Parm- these angedeuteten Sinne verstehen können; es ist dies dieselbe DarstellunJweise, die uns schon in Kap.1,46 im Verhältniß zu . 67—79 und in Kap. 11, 16 ini Vergleich mit V. 29—36 bege nete und die auch der alttestamentlichen Ges ichtschrei ung eignet, daß die Geschi te nach der isher vorherrschenden Richtung hin ert bis zu Ende geführt und dann an einem ge- wissen Punkte wieder aufgenommen wird, um andere Seiten hervorzukehren, die vorhin noch nicht in Betracht gekommen sind, weil ihnen nocsh eine besondere Auf- merksamkeit gewidmet werden ollte (vgl. 1. Mos. 1, 26 —3l mit Z, 4 —,25). Demnächst glaubt man das Wort des Zachäus in V.8 als ein Gelübde oder eine Zufage fassen zu müssen, die er dem HErrn zu Dank für die von ihm einpfangene Gnade und zur Befolgung der aus seinem Munde gehörten Unter- weisungen gebe; aber an sich schon lautet das Wort so, daß Zachäus nicht erst etwas zu thun ver pricht, sondern auf etwas hinweist, das er schon in ebung zu bringen angefangen und sich zur Regel seines Ber- haltens gemacht hat, und außerdem wird sein, mit offener Freimüthi keit der verächtlichen Behandlung der Murrenden Cizegeniibertreten nur dann erklärlich, wenn er sich bewußt ist, als einen Jünger Jesu Christi, der die Vorschriften seines Meisters gewissenhat zu Herzen genommen, sich bereits aus ewiesen zu haben, so daß er nicht mehr der vorige ünder ist, wofür die Leute ihn noch halten, sondern Einer, der von seinen Sünden sich gründlich bekehrt und vermöge der seligmachenden Kraft des Evangelii ein neues Leben angefangen at. Wie nun aber das möglich sein soll, das it den uslegern unerfindlich, und deshalb eben verfa en sie auf jene falsche Auffassung; allerdings läßt sich die Mögli keit auch nicht erklären, wenn man über den Reiseberi t unsers Evangelisten in Kap. 9, 51—18, 30 in solcher Unklarheit sich befindet, daß man die Vorfälle in Kap. 15, 1- - 16, 31 ebenso wie die in Kap. 17, 1—10 nach Galiläa verlegt und Kap- 17, 11 ff. mit Kap.9,51 ff. zusammenschließt, dage en wird bei der von uns aufgestellten Ehronolo ie a es klar und verständli . Jn Livias drüben, as von Jericho nur 2—3 eilen entfernt liegt, hat Zachäus durch seine Standesgenossen, mit denen er auch amt- li in enger Beziehung stand, von Jesu und seinen G eichnissen gehört — die von dem verlorenen Schaf, verlorenen Groschen und verlorenen Sohne sind ihm innerlich eine Kraft der Wiedergeburt geworden, und das vom un erechten Haushalter hat er sich zu einer Re el und ichtschnur für seinen Wandel in Christo Jeu gesetzt, zu dem sein bisheriges Verhältniß noch dasjeni e gewesen, das der Apostel in l. Petri I, 7f. beschrei t, bis ihm nun heute auch das Glück wider- fahren ist, ihn von An eicht zu Angesicht zu sehen, was denn sein Her erfüllt mit unaussprechlicher und herrlicher Freude. r steht also mit seiner Bekehrung und Lebenserneuerung da als eine Weissagung auf die 53·« 836 Evangelium Lucii 1"9, ll——27. Berufung der fernen Heiden, die nicht zum Heiland sagen können: »wir haben vor dir gegessen und ge- trunken, und auf den Gassen haft du uns gelehret,« aber doch zu Tische sitzen werden im Reiche Gottes Hain. is, 23 ff.); auf diese Heiden, denen· das Veich ottes gegeben werden soll, daß sie feine Fruchte bringen, blickt denn der HErr im folgenden Gleichniß hinüber, während er Jsrael um der Verwerfung willen, womit sie ihm zu begegnen gerade jetzt im Begriff stehen, nur-die eigene Verwerfung und die Wegnahme des Reiches Gottes von ihnen zu verkün- digen hat, so daß dies Gleichniß der Sache nach dasselbe enthält, was die beiden Gleichnisse von den bo en Weingärtnern und den anvertrauten Pfunden in Matth. 21, 33——44; 25,14—30 in Ver- bindung mit einander. 11. Da sie nun znhbreten sdurch das, was er so eben gesagt hatte, mit ihrem Murren V. 7 zum Schweigen gebracht], sagte er weiter [mit Beziehung darauf, daß er durch sein Bleiben in Jericho sich von ihnen trennte] ein Gleichniß saus welchem sie die in Wahrheit ihrem Volk bevor- stehende Zukunft sich abnehmen follten], darum, daß er nahe bei Jerusalem war, und sie meineten, das Reich Gottes sollte alsobald geosfenbaret werden ses aber, wie er ja wußte, ganz anders kommen würde, als sie fich einbildeten], 12. Und sprach: Ein Edler zog fern in ein Land, daß er ein Reich einnühme sfür sich aus den Händen dessen, der es zu verleihen hatte, in Empfang 1iähme], und dann wiederkäme [um nun auch als rechtmäßiger König seine Herrfchaft aus- zuiibens II. Dieser forderte zehn seiner Knechte lzehn ihm gehörige Knechte, die in seinem Dienst schon stunden] nnd gab ihnen zehn Pfund, nnd sprach zu ihnen: Handelt sein jeder mit feinem Pfunde], bis das; ich wiederkomme. 14. Seine Bürger aber waren ihm feind, und schickteu Botschaft nach ihm [genauer: hinter ihm drein] und ließen ihm sdies Wort ,,ihm« steht nicht im Grundtexte, richtiger wäre: »dem, der das Reich zu verleihen hatte«.«] sagen: Wir wollen nicht, daß dieser über über uns herrsche [sondern gieb uns einen andern Regenten]. 15. Und es begab sich, da er wiederkam, nachdem er das Reich eingenommen [einbekommen, trotz der Gegenrede seiner Bürger in Besitz er- halten] hatte, hieß er dieselbigen Knechte fordern, welchen er das Geld gegeben hatte, daß er wüßte, was ein jeglicher gehandelt hätte. 16. Da trat herzu der erste, und sprach: Herr, dein Pfund hat zehn Pfund erworben. 17. Und er sprach zu ihm: Ei du frommer Knecht, dieweil du bist im Geringften treu gewesen, sollst du Macht haben über zehn Städte. 18. Der andere iam auch, nnd sprach: Herr, dein Pfund hat funf Pfund getragen. 19. Zu dem sgrach er auch: Und du sollst sein über fünf Stä te [vgl. Matth. 25, 20—23]. » 20. Und der dritte kam und sprach: Herr, siehe da, hie ist dein Pfund, welches ich habe im Schtgilßtugchbefliicizetntze m·ch v dir d du b·st . c l VI? cUU I ein higteehsriecksichtsloslerg Manns; dti teimuidsy dgis u ni t in- gelegt at un erntet as u nicht gesaet hast keignest die an, woranf du kei- nen Anspruch hast, und willft gewinnen, wo du keine Anlage gemacht]. 22. Er sprach zu ihm: Aus deinem Munde richte icth Ich, dubSchalkH Wdußteskh du, daß! ich ein ar er ann in ne me, as i nicht ge eget habeägind Ernte, dnhsfichdnichdt gesciet halzsezd ch . arum at n enn mein el ni t in die Wechselbank gegeben? Und wenn ich kom- men ware« hatte ich-s mit Wucher erfordert. 24. Und er sprach zu denen, die dabei stun- den sseinen Trabanten]: Nehmet das Pfund von ihm und gebers dem, der zehn Pfund hat [vgl. Matth. 25, 24—28]. h 25. Und sie sprachen zu i m: Herr hat er doch zehn Pfund swarum giebst du ihm d«a immer mehr?]. M. Jch sage euch aber swie schon früher einmal Kap. 8, 18]: Wer da hat, dem wird ge- geben werden; von dem aber, der nicht hat, wird auch das genommen werden, das er hat [vgl. die Bemerk. zu Kap. 14, 24]. 27. Doch [um nach dieser Abrechnung mit den Knechten nun noch eine andere vorzunehmen] jene»[Bürger], meine Feinde, die nicht wollten, daß ich nber sie herrschen sollte, bringet sihr Trabanten V. 24] her und erwurget sie vor mir [vergl. V. 43 f.]. Jn der Einl. zu Matth. 20, 29 haben wir schon eine Hindeutuiig darauf gegeben, daß die Heilung eines Blinden vor Jericho und eines solchen hinter der Stadt Jsraeks Bekehrungsgesclzichte zur ersten und zur letzten Zeit des neutestamentlichen Heils symbolisirtx wahrend es·aber dvrt noch hieß, der Durchzug durch Jericho versinnbildliche die Berufung der Heiden zum Reiche Gottes, mussen wir nach dem zu V. 10 Be- Herkkteike nun sghgegy dcgztdgs Sirdinkåild zafük vlielnleehrxpdie merna er a un ie iner ei a- chäus sei. Das Recht zu dieser allegtckrischein Deutung giebt Uns das vorliegende Gleichniw Jesus steht eben im Begriff nach Jericho zuruckzukehrem um bei dem Zbexgllner Herbeege zår nehneecilif unt? Zu tiZUder sdenn ie nat-en, un er ie er i na er ei e ver- kündigung in Kap. 18, 31 ff. und nach der Veilhanw ljiöngAeiiitqger Mrsigerh dtckuhSöhiäeL Zebeditii inll atth. «, ——.. emi a,iren e weiera eii ie- hen lasseälnshch Jerusalem; das esscheintKilzm as ein ei ni von em, was er in . T, den Juden schon einmal angekündigt hat iiliid später (Matth. 23, 38) ihnen nochmals bezeugen wird. Er faßt nun »aber, was seine Gedanken· uber die Zukunft feines Reiches auf Erden erfullt, hier in eine zwei- theilige Parabel zusammen; der zweite Theil, der sich Das Gleichniß von dem Edlen, der ferne in ein Land zog. 837 aus die aus der Heidenwelt zu fammelnde Kirche be- zieht (V. 13. 15—»26), ist hernach in den Reden Jesu ZskkpkikäskktzkkldDf3tilkå3k7tth«2-Zi’« Ists-s? IV; ig e u , ie a sBleichBßdvom großend Abendmahl ( ap. 14, 16 sf.) eine ie erholung .un weitere Ausbildung in dem Gleichniß von der Hochzeit des Königssohiis (Matth. 22, 2 ff.) erfahren hat, während Anfang, Mitte und Ende (V. 12. 14 u. 27)», die » den ersten Theil bilden, in Matth. 21, 33 ff. eine völlige Neugestaltung her- vorgerusen haben, da sie zu einer bloßen Wiederauf- nahme sich nicht wohl eigneten. Zudem ist, was hier in einander gefügt an eine gemis te Zuhörerschash an die pharisjiiscli gesinnten Juden( . 7) einerseits und an die glaubigen Junger Christi »andrerseits« sich rich- tet, in beiden Stellen des Matthaus an die beiden nun gefchiedenen Klassen· besonders vertheilt, so daß eine jede »das ihr gebuhrende Theil empsangt. Be- trachten wir zunachst diese 3Verse, welche das Gleich- niß von»deii bosen Weingartnern vorbereiten» für sich, so tritt in»V. 13 der HErr der von seinen bisherigen Reisebegleitern nach V.11 gehegten Erwartung chnur- stracks entgegen mit ·derAnkundigi·1ng: einealsbaldige Offenbarung des Reiches»G»ottes ist sowenig moglich, daß derjenige, der als Konig in diesem Reiche herr- schen soll, vielmehr erst zu dem Lehnsherrn hinreisen muß, um aus des en Hand das Reich in» Empfang zu nehmen. Wir konnen es uns wohl erklaren, daß die galiliiischen Feftpilger,· mit welchen Jesus in der Jor- anniederung bei Jericho usammengetrofsen war, als He nach chetinerdhalbjkj rzgen Trleniguiäg nubn Fie- era en, ni an ers gau ten, as a er ei em diesjährigen Ostersest in Jerusalem össentlich als Messias hervortreten iind »sein Reich in derjenigen Herrlichkekn aus die ihre Wunsche gerichtet war»en,»aus- richten wurde; tru en doch auch Andere, die ihrer ZTTTMBTHIUWFFZU Hi? TTTULFHQIUFMTIFFTFZU II« , e r- stehende Fest eine Entscheidung bringen werde (Joh· 11, 55 sf.), in Jericho aber hatte der HErr es nicht mehr ab ewe rt, daß er von den beiden Blinden als ,,Sohn avi s« angerufen wurde (Kap. 18, 38 f.; Mark. 10, 47 f.), wie er dasfruher gethan FMatth 9, 27 u. 30), es mußte als-Z sein bestimmter Wille sein, fortan seine mefsianische War e zur Geltung zu bringen. Als den ·,,Sohn Davids bekennt sich denn auch Jesus ausdrücklich, wenn er von einem »Edl·en , einem ge- wissen ochgeborenen Manne redet, wie es im Grund- text hei t;»aber wie begegnet Jsrael im Großen und Ganzen diesem Edlen, den schon das Elternh·aus, welchem er entstammt, von Seiten seiner leiblichen Herkunft legitimirt Eiapsz Z, 23—31; Matth».1,6—1»6), der aber vollends mit seiner ganzen bisherigen Wirk- samkeit sich als Jsraels Propheten und König ausge- wiesen hat (Joh. 18, 37)? vermag er diesem Volke, das von seinen Obersten sich begerrschen und von die- sen sich dahin mit fortreißen lä t, daß es rufen wird: ,,weg, weg mit Dein! kreuzige ihn! wir haben keinen König, denn den Kaiser!« (Joh.19,15) sein Himmel- reich zubringen? Wenn es»auf dieses Volk ankäme, dann ware es im Gegentheil um sein Reich geschehen, denn Christus wird nun ausgerottet werden und nichts me r sein (Dan. 9,»zb). Aber in Gottes Rath ist die e Ausrottung langst zuvor bedacht; filr den, dem sie widerfährh ist sie nicht» was sie äußerlich scheint, sondern vielme r·die Entruckung des männlichen Sohnes des eibes mit dem Sternen-Diadem auf ihrem Haupte zu Gottund seinem Stuhl (Offeiib.12, 1——5)» oder aber, im Lichte der damaligen politischen Verhältnisse Jsraels betrachtet, die Reise des Edlen »in ein fernes Land, daß er das Rei einnähme und (dann, wenn es ihm nun übergeben it) wiederkäme«. Seit die Römer zu Oberherren des jüdischen Landes geworden, haben Herodes der Große und seine Nach- folge; auf dem Thron (vgl. die Schlußbem zu dem 1. accabäerb. Nr. 9—11 uiid die Fortsetzun der Geschichte der Herodier zu Matth. 2, 20) insge ammt die Belehnung mit der Herrscherwürde sich in Rom müs·en holen; unter dem Gesichtspunkt einer solchen Reife stellt denn auch Jesus seinen Heimgangzum Vater dar um des Wortes willen in Pf. l10, l: ,,setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde zum Schemel deiner Füße lege«. Nicht ohne Bedeutung ist es, daß an V. 12 nicht sogleich V. 14 sich anschließt, sondern erst V. 13 dazwischen tritt. Es spielt V. 14 auf das- jenige Geschick an, welches dem Archelaus widerfuhy hinter dem die Juden, als er nach Rom zur Bestäti- ung seiner Würde durch den Kaiser reisete, in der hat Ab eordnete drein fendeten, die sich diesen Herr- scher ver itten sollten (Matth. 2, 20 Anm. — ,,möglich, daß selbst die Oertlichkeit deni HErrn die Erinnerung an Archelaiis nahe legte, denn in Jericho tand der von demselben erbaute prachtvolle Palast ( eher) —- welche Demut ist es und zugleich welche kühne Ver- gleichung, da der HErr mit der Romsahrt eines Herodessohnes seine Himmelfahrt zusammenstelltl gliiggenbachh Ein solches SichverbittenJesu als Jsraels önig war aber noch nicht die Kreuzigung selber, es waren das erst alle diejenigen Unternehmungen der ungläubigen Juden, die in die Zeit der Stiftung der christl. Kirche bis zur Ermordung Jakobus Il. fallen(Kap. 11, 49——51), und darum geht der Inhalt des IS. Verses dem des 14. Verses voraus, denn jener nimmt auf die Stiftun und Pflanzuiig der Kirche von Seiten des HErrn, diexfer aber aus die Ausrottung derselben aus Jerusalem von Seiten des Hohenrathes durch Aus- schluß der christlichen Gemeinde vom Tempel und von der jüdis en Volksgemeinde Rücksicht Es würde nun an V. 14 ich der Jnhalt von V. 27 anschließen können; indessen reift dieser Inhalt noch weiter als das, was in Matt . 21, 41 (vgl. Luk. 20, 16) von den bösen Weingärtnern und in Matth. 22, 7 von den Verächtern der Hoch eit des Königssohnes gesagt ist. Er befaßt das aller ings auch in sich, nimmt aber zugleich das Strasgericht derjenigen Juden hinzu, die bei der einstigen Bekehrung Jsraels nicht zu den 144,000 Ver- fiegelten (Offb. 11, 11f.: 17, 1fs.; 14, 1ff.) gehören, sondern auch da noch daran festhalten: »wir wollen nicht, daß Dieser überuns herrsche«, und so zu An- hängern des Antichrist werden, um mit dessen Schaaren erwür et zu werden (Osfb. 19, 11sf.l. Mit Rücksicht hierauf sind dann ganz sachgemäß V. 14 u. 27 dur die Verse 15—·26 auseinandergehalten — Demnächt gehen wir auf den andern Theil des Gleichnisses in V. 23 u. 15—26 jetzt näher ein, welcher, wie aus dem bisher Gesa ten schon hervorgeht, auf die christ- liche Kirche, abgesehen von Jsrael, sich bezieht, so daß in dieser Hinsicht das Gleichniß dem in Matth. 25, 1·4 ff. parallel läuft. Während nun aber dort der über Land ziehende Herr ein bloßer vermögender Gutsbesitzer ist, der aus irgeiid welchem Grunde auf längere unbe- stimmte Zeit verreist, handelt es sich ier um einen edelgeborenen Königssohin der nach der elthauptstadt abgeht, sein Reich einzunehmen, und für die Zwischen- zeit die s on in seinen Dienst getretenen 10 Kiiechte damit, da er einem jeden die leiche Summe Geldes anvertraut, auf die Probe ste t, wieviel Eifer und Geschicklichkeit sie in seinem Interesse entwickeln werden, um sie nach Maßgabe dessen hernach bei Aufrichtung seines Neichs als Statthalter der einzelnen Theile 838 Evangelium Lucä 19, 28. desselben anzustellem während dort der wegziehende Herr das anze Vermögen unter die drei Knechte seines Hauscspås in ungleichem Maßstabe nach eines Jeden Vermögen zu 5, 2 u. l Centnern oder Talen- ten z« 2,618 Thlr. vertheilt, was eine Gesammtsumme von 20,944 Thlr. er iebt, sind es hier nur 10 Pfund oder Minen å 4373 hlr. (2. Mos. 30, 13 AnmJ also zusammen 43673 Thlr., die der Königssohn zur Probe- leistung für die zehn sich zu ihm haltenden Knechte aufwenden kann, und die Vertheilung gefchieht in gleichem Verhältnißx während dort er erste und zweite Knecht mit ihrem Handel beide dieselbe Summe noch einmal gewinnen, die einem jeden anvertraut war, also der erste 5»und der andere 2 Eentner, er- handelt hier der erste das Zehnfache, der andere das Fünsfache mit seinem Pfund; während dort der dritte oder der Schalks-Knecht seinen Eentner in die Erde vergräbt, was eine Andeutun der Verkehrung der Geistesgabe in den Dienst des innlichen und Jrdischen ist, behält er hier sein Pfund im Schweißtuch und läßt es aus reiner Faulheit ganz ungebraucht liegen; während dort für die in gleichem Maßstab bewiesene Treue der Hauptlohn der gleiche ist, für den ersten Knecht aber, dem am meisten anvertrauet und darum bei entsprechender Treue der meiste Gewinn zugefallen war, noch ein besonderer Lohn dadurch hin ukommt, daß ihm auch der Eentner des Schalkskne ts zuge- wiesen wird, ist hier von Haus aus schon ein Unter- schied des Lohnes, denn der erste Knecht erhält dem zehnfachen Gewinn von dem einen Pfunde gemäß auch 10 Städte, der weite Knecht aber mit Rücksicht auf seinen blos fün achen Gewinn nur 5 Städte als Statthalterschaft überwiesen, und» nun kommt auch hier als besonderer Lo n hinzu, daß der erste zu den er- worbenen 10·Pfun noch während endlich der Schalksknecht dort, nachdem ihm sein Centner genommen worden, in die äußerste Finsterniß hinausgestoßen wird, bewendet es ier mit der Strafe der Abna me des anvertrauten fundes. Man kann nicht, wie . Lange will, auch noch diese Vers ieden eit hinzufügen, aß dort das Gleichniß mit em echtsversahren des Gutsherrn abschließe, hier da egen mit der Verwandelung des Hochgeborenen in den önig, der seine Herrlichkeit in der Umbrin ung der rebellischen Bürger offenbart; denn jene Bestraksun des Schalksknechtes, der in die äußerste Finsterni hinaus estoßen wird, ist nicht mehr das Rechtsverfahren eines utsherrn, sondern dieser Gutsherr enthüllt sich nun ebenfalls als ein hochgeborener König, der Macht hat, Leib und Seele zu verderben in die Hölle, so daß also das Gleichniß dort in seinem Ausgange sich viel- mehr mit unserm Gleichniß hier, das einen groß- artigeren Anfanlg nahm, in seiner Mitte aber sichsur Niedrigkeit hera senkte, fester zusammenschließt as nun die Deutung beider Gleichnisse in ihrem Verhält- nisse zu einander betrifft, so schließt sich das von den anvertrauten Eentnern bei Matthäus unmittelbar an das von den 10 Jungfrauen an und beschästigt sich in selbstständiger Weise, d. . o ne Rücksicht auf Israel zu nehmen, das während er eiten der Heiden (Luk. 21, 24) für das Reich Gottes so gut wie gar nicht in Betracht kommt, mit der aus der Heidenwelt gesammelten Kirche; ihr hat denn während dieser Zeit jener Gutsherr, der über Land gezogen ist, sein ge- sammtes Vermögen anvertraut, do es verschieden vertheilt auf die 3 Bestandtheile der irche, die wir g! Matth 25, 30 unterschieden haben, auf welche drei estandtheile sich auch wirklich alles, was etwa noch an Partikularkirchen vorhanden ist, zurückführen läßt. Der Lohn der Treue greift bei dieser Kirche in die das des Schalksknechts erhält; jenseitige Welt hinüber: ,,kgehe ein zu deines HErrn Freude«; nur die Strafe ü er den unnützen Knecht fällt noch in die diesseitige Welt (Hes. 27 n. 28), wie auch die Abnahme des ihm verliehenen Centners und die Uebertragung desselben an denjenigen Knecht, der mit seinen 5 Eentnern fünf andere gewonnen (Osfenb. 18, 4sf.). Jm vorliegenden Gleichniß dagegen von den 10 Pfunden erscheint dieselbe heidenchristliche Kirche in ihrer Beziekung auf Israel, und da ist sie eine bloße Ausfü ung Eilig-conc- Matth 9, 16) für das ungläubige Israel, eine bloße Zwischenstation auf dem Wege, den der Königssohn in ein fernes Land gezogen ist, daß er ein Reich einnähme und dann ·wiederkäme. Sie kann diesem ihrem Charakter emäß nur eine unvollkommene Gestalt des Reiches ottes aus Erden sein; seine vollkommene Gestalt erlangt dasselbe erst, wenn der Edle wiederkommt, nachdem er das Reich ein enommen und jene seine Feinde, -die nicht wollten, aß er über sie herrschen sollte, hat um- bringen lassen, was uns bis auf die Zeit der Auf- richtung des tausendjährigen Reiches führt, daher denn auch von einer Machtverleihung über zehn, beziehun s- wei e fünf Städte als Lohn der Treue die Rede ein kann. Mit Rücksicht auf die geringe Gestalt des Reiches Gottes während der ganzen Kirchenzeit er- scheint nun auch das Vermögen des in die Ferne ziehenden Edlen als ein geringes — nicht mehr als zehn Pfund im Ganzen. Man hat darunter ohne Zweifel das Eine gleiche Zeu enamt zu verstehen, agt P. Lange und deutet das leichniß folgendermaßen: ,,Das Reich Christi ist ein Königreich, das durch den Aufruhr seiner le itimen Bürger, des theokratischen Volkes, uerst in Frage gestellt wird; sein Oberherr kann alsso erst durch seine Reise in ein fernes Land die königliche Macht gewinnen, welche ihn in Stand setzt, bei feiner Wiederkehr dasselbe einzunehmen. Was sollen nun seine treuen Knechte, welche er diesseits zwischen den anfrührerischen Bürgern zurückläßt, be- ginnen? etwa die Waffen nehmen, um einen Anschlag zu machen, sich des Reichs für ihren Herrn zu be- mächtigen? Gerade das muß dieser Herr seinen Knech- ten verbieten: sie sollen in der bedenklichen Zwischen- zeit in einer ganz friedlichen Wirksamkeit seine Güter verwalten, ihre Kräfte benützen und eben dadurch die Zwischenzeit für seine Sache auslaufen. Hätte es der HErr seinen Jüngern treffender sagen können, daß sie in der Zwischenzeit von seiner Himmelfahrt bis zu seiner Wiederkehr nicht an eine weltliche Darstellung feines Reiches oder an eine Geltendmachung seiner königlichen Würde und Jdentificirung seines Worts mit den socialen Lebensgesetzen denken, sondern daß sie nur die wirklichen Güter, welche er ihnen hinterlasse, nämlich die geistlichen, in i ren unansehnlichen evang. Aemtern treu verwalten so en, um einst die äußere Erscheinung seines Reichs durch den geistlichen Reich- thum desfe ben zu be runden? Einst aber, wenn er wiederkehrt mit der öniglichen Macht, sollen sie dann auch in köni lichem Abglanz ihn umgeben und über die Städte feines Reiches gesetzt werden. Der Ab- reisende nun beruft vorab seine ehn Knechte (über die Zahl Zehn als Sinnbild der Vollständigkeit, die uns auch in Matth. 25, I begegnete, s." u 1. Mos. 31, 7; 46,»27;·2. Mos. 20, L; II, 10 u. s. 150, 5) und übergjiebt ihnen zehn Pfund und spricht zu ihnen: ,,handelt amit, bis ich komme-«. Da jeder Knecht nur Ein P und bekommt, so wird man sowohl durch die Glei heit als durch die Geringfügigkeit des Betrags veranlaßt, bei demselben nicht an die i nen verliehenen Gnadengaben an sich zu denken, son ern an den amtlichcn Beruf, in welchem diese ihren Fortsetzung der Reise Jesu nach Jerusalem. 839 Ausdruck finden: jeder Jünger Christi ist dem andern im Berufe gleich, und ein solcher Beruf erscheint sehr dürftig dem Glanz der Welt gegenüber; Mit den Pfunden nun werden Psunde gewonnen, d. h. aus den verhältnißmäßig wenigen Boten und Zeugen Christi werden viele —- sein Volk, das den Beruf hat, von ihm zu zengen, wird vollständig; dabei aber tritt der Unterschied in dem Erwerb der verschiedenen Knechte aufsallend hervor, der eine hat mit einem Pfund zefkn Pfund gewonnen (1. Cor. 15, 10; Röm. 15, 15 .), der andere nur fünf. Läge dieser Unterschied lediglich im Unterschied des Fleißes, so würde schon der Knecht mit dem Erwerb von 5 Pfunden kaum bestehen können, es s einen aber andere Ursachen mitzuwirken, z. B. die erschiedenheit des Talents n. s. w., um eine solche Verschiedenheit des Ergebnisses zu bewirken. Es kommt jetzt die Vergeltung in Betracht: da das Reich Christi nunmehr ein Königreich geworden, so werden die treuen Knechte königliche Statthalter über seine Städte, und zwar nach dem Maßstab, wie sie ihm die Pfunde gewonnen haben, sie haben in dem Segen ihrer Wirksamkeit im Kreuzes-reich Christi die Qualification für ihre Wirksamkeit in seinem Ehrenreiche entwickelt und das Maß derselben hat sich fixirt. »Die Neben- einanderstellung von zwei treuen Knechten reichte hin, um diese Wahrheiten zu veranschaulichem ein Anderer aber sprichtt »Herr, hier ist dein Pfund, das ich ver- wahrt habe im Schweißtuch; denn ich für tete dich, weil du ein strenger Mann bist, du nimmst ort, was du nicht hingelegt hast, du erntest, was du nicht gesäet hast«·« Jn kalter Geistesträgheit hat er seinen Beruf versäumt, ja ver ehlt, verleugnet; er rechnete wohl so: mache ich einen edeutenden Gewinn mit dem anver- trauten Pfunde, so habe ich selber keinen Nutzen davon, der Herr nimmt ihn für sich, komme ich aber zu Schaden, so macht er mich auf unbarmherzige Weise dafür verantwortlich« daher lege ich am besten das Pfundfur ihn zurück aber lieber seinen Bernfisollen zurückgeben, daß er einem Andern übertragen werden konnte« statt dessen hat er ihn behalten, aber verwahrlost und dadurch der Sache feines Herrn einen Nachtheil bereitet. Zur Strafe dafür wird ihm fein Pfund enommen und demjenigen gegeben, welcher die 10 P unde hat: alle christlichen Berufsrechta welche die Ungetreuen ver- wahrlosen, fallen einst in der Welt der vollkommenen Realität an diejenigen heim, welche treu in ihrem Be- rufe gewesen sind, und ·erade diejenigen, welche den reichsten Segen der Krast und Treue haben, gewinnen den reichsten Heimfalltt Von den sieben andern Knech- ten ist nicht die Rede: sie gehören entweder in die Klasse der beiden ersten« oder in die des dritten. Das Gleichniß von den zehn Pfunden entwirft uns ein Bild 1) von dem König des Gottesreichs, a. seiner Abkunft, b. seiner Bestimmung, c. seinem Weggehen uud Wiederkommen; 2) von seinen Dienern, a. ihrem Beruf, b. ihrer Verantwortung, e. ihrer Vergeltung; Z) von seinen Feinden, a. ihrem Hafse, b. ihrer Ohnmacht, c. LiPrer Strafe. Die Weigerung, die königliche uctorität des HErrn anzuer- kennen: ll die Höhe, welche sie erreicht, L) die Tiefe, in der sie endigt. (v. Oosterzee.) Rüstet euch auf den Tag, da der HErr kommt zur Offenbarung seiner Herrlichkeik I) mit Ge- horsam, denn er kommt gewaltiglich und sein Arm wird herrfchen (Jes. 40, 10), 2) mit Treue und Fleiß in guten Werken, denn sein Lohn ist bei ihm und seine Vergeltung ist vor ihm. (Deichert.) Christi Jün er au Erden verglichen mit Dienern eines Fürsten, der feine önungsreise macht. (Cosack.) und lebe für mich. Er hätte« 28. Und als er solches sagte, zog er szunächst allerdings bei Zachäus einkehrend und bei dem- selben übernachtend, aber dann doch am andern Morgen wieder den Jüngern vorangehend wie am Morgen dieses heutigen Tages Mark. 10, 321 fort [von Jericho] und reisete hinauf gen Jeru- salem sblieb aber auch an diesem zweiten Tage, sowie am folgenden dritten Tage, wiederum unterwegs halten, niimlich in Bethanien seh. 12, 1—11; Matth. 26, 6——13; Mark. 14, 3-—9]. Die Anknüpfung des in unserm Vers enthaltenen weiteren Reiseberichts an die voran ehende Gleichniß- rede ist nicht buchstäblich äußerlich autsyzufassem vielmehr be teht hier nur ein innerer Zusammenhang; das; der H rr erst noch bei Zachäus einkehrte und von diesem mit Freuden aufgenommen wurde, hat der Evangelist schon in V. 5 f.« hinlänglich angedeutet und diese Sache vollständig oben abgethan, im Vordergrund seiner Ge- danken stehen seitdem die in V. 7—27. mitgetheilteu Verhandlungen, und da ist es nun wieder besonders das Gleichniß von dem Edlen, der fern in ein Land zog, daß er ein Reich einnähme, was seine ganze Seele erfüllt. Daran schließt er denn feine Worte an und zeigt diesen Edlen mit seinem Hinaufgehen nach Jeru- salem, wo er gekreuzigt werden soll und am dritten Tage auferstehen (18, 31—33), um darnach gen Himmel zu Ehren, als wirklich und thatsächlich im Be rifs, jene eise zu machenx nicht aber steht es so, wie eine Reisegenossen vom gestrigen Tage gemeint haben (V. 11), daß das Reich Gottes alsobald sollte geossen- bart werden. Die Jünger haben noch estern diese Meinung getheilt und da auch im geiäkigen Sinne diejenigen zu Vorgängern gehabt, von enen es in Kap.1 , 39 hieß: »die aber vorne an gingen«; heute, wo sie durch das Gleichniß über den richtigen Sach- verhalt belehrt sind, sollen sie für den weiteren Weg nach Jerusalem einen andern Vorgänger haben, näm- lich den ,,Edlen«, dessen » ehn Knechte« sie re räsen- tiren — eine andere Reisegesellschaft haben iie fü diesen Tag nicht. In· b. Ell-«. (§ l01.) llakhdem der Evaugelist am Schluß des vorigen Jlbsehnitts uns Jesnm vorgeführt hat als hinauf ziehend geu Jerusalem, muß er eilen, ihn bald dahin zn bringen, er tmnn das um so mehr, da schon die aposlolische Tradition, wie aus den beiden erüen Evangelislen hervorgeht, mit dem Durchzng durch Ierieho sogleich die Jluliunft bei Bethuhage an dem Qetberg zu verbinden pflegte, ohne auf den Aufenthalt in Bethanien und die Salbnng durch Maria schon hier lüüciisicht zu nehmen. Er fährt denn eben- falls mit dieser Geschichte fort, bei welcher es sieh um die Anerkennung Sesu als des messianischen Königs von Seiten Israets handelt, verknüpft aber damit das Bild derer, die diese Anerkennung hindern wollen nnd so sich als die Wortführer der Bürger, welche sprechen: ,,wir wollen nicht, daß dieser über uns-heresrhe«, anweisen. Da tritt nun nun) dem ljGerm als er jetzt die Höhe des lldelbergs erreicht hat und Jerusalem siih gegenüber- liegeu sieht, die Stadt in demjenigen Bilde vor die Seele, wie es ihr ergehen wird, wenn jenes Wort zum ersi- mutigen dlvllznge kommt: »den) jene meine Feinde, die nicht wollten, daß ich über sie herrschen sollte, bringet her nnd erwürget sie vor mir« —- unter Thräneu ver- sucht er sie zur Besinnung zu rufen, obschon er weiß, daß weder seine Thtäaea noch selue Weissaguugsworte an dem Verlauf der Dinge etwas ändern werden. (vgl. Month. 21,— 1—-l1; Mark. 1l, l——l1; Sah. 12, 12-—-19.) 840 29. Und es begab sich, als er lzwei Tage später, Sonntag den 2. April a. 30 Matth. 2I, 5 Anm.] nahete gen Bethphage nnd Bethanien [Mark. 11, I Anm.] und kam an den Oelberg, sandte er seiner Jimger zween, 30.- Und sprach: Gehet hin in den Markt, der gegen euch liegt [gen Bethphagejx und wenn ihr hinein kommet, werdet ihr ein Fiillen an ebun- den finden, auf welchem noch nie kein Men ch ge- sessen ist [Mark. 11, 4 Anm.]. Lbset es ab nnd bringet es. 31. Und so euch jemand fragt, warum ihrs ablbset, so sagt also zu ihm: Der HErr bedarf fein. . 32. Und die Gesandten gingen hin und fan- den, toie er ihnen gesagt hatte lso daß sie aufs Neue bestätigt fanden, was die Jünger auch sonst an ihrem Meister öfter erfuhren Joh. 1(3, 30]. 33. Da sie aber das Füllen abldseten [uni von der alten Eselin, die auch mit herzugebracht werden sollte, hier abzusehen] sprachen seine Herren sder eigentliche Besitzer und dessen Angehörige] zu ihnen: Warum ldset ihr das Fullen ab? 34. Sie aber sprachen swie ihnen Jesus ge- boten V. 31]: Der HErr bedarf sein. , 35. Und sie brachten-s zu Jesu und warfen ihre Kleider auf das Fiillen und setzten Jesum darauf. 36. Da er nun hinzog, breiteten sie ihre Kleider auf den Weg. 37. Und da er [mit Uebersteigung des Berg- gipfels] nahe hinznkam [zur Stadt, deren man jetzt ansichtig wurde] und zog den Oelberg herab, fing an der ganze Haufe seiner Jünger sim weiteren Sinne, namentlich derer, die aus Galiläa nnd Peräa mit zum Fest gekommen waren], mit Freu- den Gott zu loben mit lauter Stimme über alle Schalen, die sie [vormals, als er unter ihnen wirkte] gesehen hatten [besonders aber auch über die der Auferweckung des Lazarus Joh. 12, 17 ff.], 38. Und sprachen: Gelobet sei, der da kommt, ein König, [und zwar als folcher kommt] in dem Namen des HErrn [Mark. 11, 10 Anm.]! Friede sei iin Himmel ldaß man dort sich fortan mit den Menschen auf Erden um des Mefsias willen versöhnt wisse Kap. is, 10] und Ehre in der Höhe sdem Gott, der diesen Heiland seinem Volke gesendet hat Kap. 1, 68 sf.; 2, 24]! Vor seinem Tode will Jesus noch durch eine un- zweideutige That die große Wahrheit bei-kündigen, die " er als das heilige Geheimniß seines Lebens vor den meisten Uneingeweihten verborgen und nur einzelnen Empfänglichen gleichsam in’s Ohr geflüstert hatte; Ein Mal in seinem Leben vergönnt er den Seinen, öffent- lich auszurufem was ihnen hoch auf dem Herzen lag, und erfüllt er absichtlich eine Weissagung, die zu seiner Zeit einstimmigl auf den Mefsias edeutet wurde. Hat er früher das ussprechen seiner ürde für bedenklich gehalten, je thält er das Verschweigen für undenkbarz es ist der ag, an dem Er, der in das Seine kam,. bereit. Evangelium Lucä II, 29—44. ohne dnß die Seinen ihn -ausnahmen, sich der Liebe derjenigen überläßt, die ihn so innig verehrten, und sich den Blicken derer offenbart, die mit Andacht aus ihn sahen. Das war für seine Sache, ja für die ganze israelitische Nation nothwendig: es sollte nachher nicht esagt werden können, er habe sich nie in anz unzwei- eutiger Weise ausgesprochen Als Jerusalem später des Messiasmordes beschuldi t wurde, sollte es nicht sagen können, daß der Mekssias es unterlassen habe, ein für Alle gleich verständliches Zeichen zu geben; « der HErr will es beweisen, daß er mehr ist als Prophet, mächtig in Thaten und Worten, daß er König ist in der ganzen Kraft des Worts. Aber sein Königreich ist nicht von dieser Welt — kann er es deutlicher zeigen? sein Kleid, sein Thier, sein Zug, seine ganze Haltung Verkündigt es. Kein Wunder, daß später Herodes so wenig wie Pilatus auf diesen Einzug irgend eine Beschuldigung Bründem ruhig darf die römische Besatzung auf der urg Antonia bleiben, wenn diese friedliche Festschaar zu den Thoren Jerusalems ein- zieht. (v. Oosterzee.) Was verlangt der Ehren- könig Jesus von uns zu einem gesegneten Einzug in seine Gemeinde? l) treue Diener, die ihn anmelden, wie sich’s ziemt, Z) ein frommes Vol , das ihn aufnimmt, wie sich gebührt· (Gerok.) Der Einzug des Königs aller Könige in di’e Stadt aller Städte: l) unansehnlich dem äußeren Sinn, 2) majestätisch dem Auge des Glaubens, 3 höchst erwünscht den heilsbegierigen Herzen. (Fr. rndt.) Der Einzug Jesu in Jerusalem als ein pro- phetifches Adventsbildt l) auf das Kommen Jesu in die Welt, 2) auf die Stiftung seines Reiches in derWelt, B) auf seinen Eingang in das Menschew herz. (Müllensiefen.) Siehe, dein König kommt zu dir: l) dein HErr zieht in die Welt herein, 2) sanftmüthig, niedrig, arm und klein; Z) stoß dich nicht an die Niedri keit, 4) niach zum Empfang dein Herz (Ahl eld.) Siehe, dein König kommt zu dir: l) ihr erwählten Jünger, so nieldet ihn; 2 ihr schwankenden Freunde, erklärt euch für ihn; 3 ihr vielen Armen. ach jauchzet ihm; 4) ihr verbor- enen Feinde, versö nt euch mit ihm! (Schuur.) Der Err kommt zu einem Volke: I) was er bringt, was er findet und 3) was er sucht. (Hofsmann.) Siehe, dein König kommt zu dir sanftmüthig: sein Kommen in Sanstmuth und Demuth war die Ursach 1) seiner schmerzlichen Leiden, aber auch 2) seines herrlichen Sieges. Mauer-z Gelobt sei, der da kommt in dem Namen es HErrnl denn 1) er kommt, für uns zu leiden, 2) er leidet für uns, um über uns zu herrschen, Z) er herrscht über uns, um uns selig zu machen. (Nebe.) 39. Und etliche der Pharisaer im Voll [die mit bei dem Volkshausen sich befanden, sich aber über dessen Ruf V. 39 ärgerten] sprachen zu·ihm: Meister, strafe doch· deine Junger [und laß ihnen nicht zu, was sie sich herausnehmen] 40. Er antwortete und sprach zu ihnen: Ich sage euch: Wo diese werden schweigen lwie es denn allerdings euch noch gelingen wird, sie zum Schweigen zu bringen],· so werden [dann an ihrer Stelle] die Steine schreien [Habak. 2, 11]. Pharisäer hatten sich unter die dem HErrn ent- gegenkommenden Schaaren gemif t, um zu beobachten, was vorgehe; da sie sehen, da «fie das Volk nicht mehr in ihrer Hand haben (Joh. l2,·19), wenden sie sich an Jesum selbst, er möchte seine Begleiter zur Jesu Einzug in Jerusalem unter dem Hosiannaruf der Volksmenge. Ordnung bringen, und ihr Wort an ihn war wohl von einem Blick auf die Burg Antonia, wo die römische Besatzung lag, begleitet, welcher sa en sollte: ,,sieht du nicht, da sind ja die Römer; willst du uns in’s Verderben stürzen?« Joh. 11, 48. (Godet.) Ein ergreifender Contrast liegt zwischen der Ehrerbietung. und Achtung, womit die Pharisäer und Sanhedristen einen irdischen Eroberer, Alexander den Großen auf- nahmen 1. Macc. 1, 4 Anm.), und der Kälte, womit sie den önig des Friedens 3 Jahrhunderte später empfingen, als auch er seinen Einzug in Jerusalem halten will: damals schien ihnen kein Huldigungs- zeichen groß genug, jetzt ist ihnen schon das geringste u stark. (v. OosterzeeJ Sie richten ihre unverschämte umuthutåg an Jesum, als läge es außer allem Zweifel, daß seine nhän er schweres Unrecht thaten, als wollten sie ihn für alle olgen verantwortlich machen; er aber antwortet ihnen: »meine Ehre muß ausgerufen werden, und wenn ihr Lebendigen hart und stumm wie Steine seid, so werden die todten Steine zu Lebendigen werden, sie werden schreien, wie der Prophet gegen Babel ge- weissagt at; Jerusalem wird dann auch wirklich ein weites abel werden, und seine Steine werden zu- sammenkrachend wider euch schreien, daß Er euren Köni verworfen habt«. (Riggenbach.) enn die Men chenischweigen von dem Lobe Gottes und anz besonders, wenn ein finftrer Despotismus den Bes ern ein solches Schweigen auferlegt, wenn man das Evan- ·elium unterdrückt, dann fangen die Steine an zu schreien (vgl. Offenh 11, 7——13): sie verkünden die Gerichte des HErrn, dessen Verherrlichung kein Ende nehmen kann. (P. Lange) Evangelium am 10. Sonntag nach Crinitatis.) Jerusalem hat die Berufung des HErrn im Großen und Ganzen nicht angenommen, seine Kinder haben sich nicht erleuchten lassen; darum weint der HErr, wie das Evangelium erzählt, über die Stadt und kla t über sie, weil sie nicht bedacht hat, was zu ihrem rieden diente, und nicht erkannt die Zeit, darin sie gnädig heimgesucht war -—— nun ist das Gericht nahe. Die- selbe Erscheinung wiederholt sich immer wieder: der Geist Gottes waltet und leuchtet, an Aemtern und Gaben fehlt es nicht (1. Tor. 12, 1 sf.); aber so Viele bedenken nicht, was zu ihrem Frieden dient, und er- kennen nicht die Zeit der gnädigen Heimsuchung, weil sie sich nicht erleuchten lassen durch den geil. Geist. An Jerusalem soll die Kirche Gottes und je e ein elne Seele sich spiegeln, daß nicht das Gericht des H rrn über sie komme. (Dieffenbach.) Wenn die letzte Peri- kope die Klugheit uns ernstlich anempfahl, indem sie uns an das« Ende erinnerte, das es mit uns nimmt, so führt dieses Evangelium auf dem eingeschlagenen Wege einen Schritt weiter: wehe dem, so ruft es uns zu, welcher es an der nöthigen Klugheit fehlen läßt und die Zeit seiner Heimsuchung nicht auskauftl Jerusalem steht als ein warnendes Beispiel da. (Nebe.) Jm jüdischen Kalender ist der 10. August der Gedächtniß- tag der Tempelverbrennung (2. Kön. 25, 8 Anm.); wir haben dafür den 10. Sonnt. n. Trin·, der jedes- mal auch in den Monat August fällt. — Der Un- tergang Jerusalems; wir betrachten 1) die Thra- nen Jesu zur Beschämung unsrer kalten Her en, 2) des Volkes Leichtsinn zur Bestrafung unsers Leichtsinns, Z) den Ernst der göttlichen Gerichte zur Erschütterung unsrer Sicherheit. (Tholuck.) Wo at der HErr einen Anblick, der ihn zur raurigkeit stimmt? l) wo man nicht me r weiß, was zum Frieden dient, Z) wo man die eit der Heimsuchung nicht erkennt, Z) wo man das Heilige selbst 841 zur Gottlosigkeit mißbraucht. (Caspari. Warum weinte der HErr über die Stadt erusalem, als er sie ansah? wenn wir l) bedenken, wie er die Stadt ansah, so werden wir »auch 2 erkennen, kvcgum år iibfr cksie weinges Fpcttzts 1i)e sgött- l et! ckm 11 UU ZU c ckl T spcc ek- folgeki daDtiaso Gsfttessgåsnakilecråhjeiätjtsuchträge; vergelhlicg We; lc Ae Wer! UkU ckclho c gleich möglich wäre« (Grißhaminerz.) Jerusalems Blindheit: 1) nahe ist ihm das Verderben, aber niemand ahnt es; L) nahe ·ist ihm das Heil, aber niemand will es erkennen. (Palmer.) 41. Und als er san diesem 10. Abib oder Nisan, der ihn an den 10. Tebeth des J. 590 und an den 10. Ab» des J. 588 v. Chr. erinnerte Jerem. 52, 4 u. 12] nahe hinzu kam [indem der Zug nun den Abhang des Oelberges erreicht hatte], sahe er die [unmittelbar vor ihm liegende] Stadt [im Licht der sich neigenden·Sonne, denn es— wardschon int denb sPajtFrUFJIFctchIlMtIagssECtZrIndeUJ M! UU Wcmc c U cc tc m! aU er Imme und kläglichen Worten 2. Kön. Z, 11], » 42. Und sprach: Wenn du es» wußteft swas dir Schweres bevorsteht], so wurdest du zuchd bedenksen ztft ddieser hdeitsieå Zeitd [wo dge na e dich o be on ers eimu t.un gera e da das seligste Loos du dir verschaffen könntest], was zu deinem Frieden dienet sund würdest dich nicht so muthwillens 1n’s Verderben stürzen]. Aber nun isks fweil du immer Åtnd immer nicht glauben willst] Vor deinen ugen ver« borgen. 43. Denn [das ist das Schwere, das dir bevorsteht :] es wird die Zeit über dich kommen, daß deine Feinde werden um dich und deme Kinder mit dir eme Wagenbur seinen Be- lagerungswall] schlagen, dich b »agern [ein- schließen] und an allen Orten angsten [be- drängend. 44. Und werden dfikh swennk nun diåtErs oberung geschehen] schlei en und einen ein auf dem andern lassen, sdas alles wird dir widerfahren] darum, daß du nicht erkannt hast die Zeit, darinnen du heimgesucht bist svon dem, der dein Friedefiirst sein und aus dir, was dein Name besagt 1. Mos. 14 18 Anm. eine Friedensgründung im vollen Sinne des Wort: tes machen wollte]. Zum letzten Osterfestzieht Jesus in Jerusalem ein, er bietet sich offenbar seinem Volke als den König der Verheißung dar; das Volk erkennt ihn auch in seiner kötåiglichetit cäzchliine und ålliäclxzjseskät und huldigt ihm ski- wi ig mi amen un amen —- rin s um en E "t’sF d dF lck,ds · l« jlgtzt mijietgieetvdalltt zu kdtliiisiekinundaalle Sizii-Eritis? vor sich über den Haufen zu stoßen. Das Volk, o lange von seinen Oberen bethört und»verblendet, scheint endlich zur klaren Erkenntniß gekommen zu sein; es scheint, als ob den Hohenpriestern jetzt die KatastroZhe rohe, daß alles Volk von ihnen sich lossagt. er HErr aber hat schärfere Sinnessie lassen sich nicht 842 Evangelium Lucä 19, 44 Anm- blendenx er hört durch dieses jauchzende Hosianna das entfetzliche ,,kreuzige, kreuzige!« hindurchgellen; er sieht, wie der letzte Verfuch, den er macht, der Tochter Jerusalem zu Herzen zu reden, vergeblich ist. Er, der sich sonst so gerne mit den Fröhlichen freute, kann diesen Jubel nicht theilen; er schneidet ihm tief in sein setz, zerreißt seine Seele und preßt ihm Thränen aus. eine Thränen gelten nicht ihm, sondern der Stadt, welche er, von dem Oelberge hinabreitend, in ihrer angen Pracht und Ausdehnung vor sich liegen sieht. FNe e.) Was für ein Tag würde das für sie sein, wenn die Binde von ihren Augen fiele! Aber er- griffen, gleichsam zusammengepreßt durch den Contrast zwichen dem, was ist, un dem, »was sein könnte, bricht sein Herz in lautes Weinen aus — es sind nicht blos Thränen, sondern es ist ein lautes Weinen, was das Wort des Grundtextes besa en will. (Godet.) Wir finden drei Mal die Thränen Je u erwähnt: gebet Mal hat er geweint mit den Menschen, ein al über die Menschen; zwei Mal über ihr Elend, ein Mal über die Sünde -— zwei Mal am Grabe Lazari, als sich rings um ihn her der Schmerz mit Macht entladet und er nicht anders kann als weinen mit den Weinenden (Joh. U, 33 f. u· 38), ein Mal hier, wo er weint über die, die über sich selbst nicht weinen. Wie hat er sein Volk, seine Menschen so lieb gehabt! wie hat er mit Liebe in die sich versetzt, deren Fleifch und Blut er angenommen! Jefu, am Vorbilde deiner Thränen will ich prüfen, ob ich die Menschen, ob ich mein Volk liebe. (Tholuck.) Kein Mensch lebt auf Erden ohne Thränem sie sind der große Vorzug, der das Menschengefchlecht vor der Thierwelt auszeichnetx sie sind die erste Sprache, die der Mensch spricht, ohne sie fprechen u lernen, sie sind die letzte, die er reden ört, denn hränen geleiten den Sterbenden in die bes ere Welt. Aber die meisten unsrer Thränen gelten uns selbst und sind selbstsüchtiger und sünd- after Art: wie ganz anders die Thränen Christi im extl Er sieht sein eigenes bitteres Kreuz mit allen damit verbundenen Qualen; aber nicht über sich selbst und sein Kreuz weint er, sondern über sein Volk und dessen Sünde, daß es nicht hören und die Gnaden eit nicht benutzen will, daß er es trotz seiner retten en Bemühungen dem Verderben anheimfallen sieht und daß es nicht einmal weiß, weder was zu seinem Frieden dient, noch welches Strafgericht schon drohend an seinem Himmel herauszieht. (Fr. Arndt.) Jeru- salem liet vor Jesu Augen in tiefem Frieden, »in eiterem estglanze, umwogt von den feiernden, zu- elnden Volksmengem er aber schaut plötzlich im Geiste die Stadt seines Volkes umåeben von den seindlichen Legionen der Römer, die ochter Zions mit ihren Kindern von Angst und Noth ringsum bedrän t, den Tempel Jehovcks und die Mauern der Stat zer- trümmert. Und welches ist der Grund? Jerusalem erkennt nicht die Zeit seiner letzten Heimsuchungx den, welchen sie jetzt als ihren König jubelnd umgeben, werden sie verrathen an die Heiden, und sein unschul- diges Blut werden sie auf ihr eigenes Haupt bringen· Darum müssen die schrecklichen Legionen kommen, sie fordern das uns uldig vergossene Blut von Jerusalem; darum muß die ochter Zions mit ihren Kindern in der Verzweiflung sitzen, darum müssen die ungeheuren Quadern des Tempels und der Ringmauern aus- einanderbrechen; da der Jubel über den Sohn Davids fichin das Geschrei des Verrathes und Hasses ver- ke ren wird, so müssen die Steine auseinandergehen mit Krachen und um Rache zum Himmel fchreien. Das also, was Jesus im Geiste schaut und mit seinem Wort beschreibt, ist nichts anderes als die gerechte Rache um sein eigenes unschuldig vergossenes Blut; und dennoch weint der HErr über sein Jerusalem — das find Thränen der Liebe, wie sie die Welt noch nicht gesehen hat und nicht wieder sehen wird. (Baum- garten.) J n über den Tod seines Freundes Lazarus weinen zn ehen, das ist ja wohl her ergreifend; aber Jerusalem gegenüber ihn weinen zu fjehem und zwar nicht über das, was er in ihr und von ihr zu leiden haben werde, sondern ihn über die Stadt, über diese Stadt weinen zu sehen, das ist herzdurch- greifend und knieebeugend. Da möchte man alle Welt, die ganze, gegen den Heiland so gleichgiltige, so laue, so kalte Welt, diesen Augen voll Thränen gegen- überftellen und sagen: ,,Sehet, wie hat der HErr die Leute so lieb !« Sehet, das ist der HErr der Herrlich- keit, welcher war, ehe der Welt Grund elegt ward; das ist der Sohn Gottes, welcher Menf geworden, uns zu retten; das ist der Heiland, außer welchem kein Heil im Himmel und auf Erden ist; das ist der, dessen Feinde ihr durch Unbußferti keit und Unglauben seid, der aber nicht euer Feind it, so wenig er Jerusalems Feind war, denn sehet ,,er sahe die Stadt an und weinete über sie«. (Spitta.) Welch ein Blick in das Herz der Erbarmungen Gottes, daß der ewige Richter über die Verlorenen weint, daß der Strafende sich mit innigem Mitgesühl in die Leiden der Gestraften ineinstelltl Am Kreuz vollendet er diese erbarmende iebe und richtet Keinen, als der sich an der Liebe selber durch sein Verschmähen der Liebe das Gericht zuziehtz solche aber wandeln sich selber die Arzenei in Gift, denn der Sohn Gottes hat Thränen über zartnäckige Sünder, aber er übt keinen Zwang zur ekehrung. (Riggenbach.) Von den Stockungen der weinenden Stimme scheinen die Worte durchbrochen zu fein, welche nun folgen: Ja, wenn du wüßteft, auch du (dem Gerichte so bald verfallenen Stadt — wie Andere, die aus dir errettet werden, es wissen — wüßtest noch heute) an diesem deinem Tage (der dein welthistorischer Braut- und Ehrentag sein sollte, nach deiner idealen Bestimmung), was zu deinem Frieden dient! Er spricht es nicht aus, welche Wendung es, dann mit Jerusalem nehmen würde zu seinem Heil, welche Gerichte, welche Jahrhunderte des Jammers ihm da erspart werden könnten, ondern fetzt nach einer schweren Pause in prophetischem chauer des Geistes hinzutrNun aber ist es vor deinen Augen verb orgen; das Gericht ist schon verhängt, du aber hast es verschuldet, daß dir dein Heil und darum auch dein Untergang verhüllt ist. (P. Lange.) Die verschuldete Blindheit, die ich darin zeigt, daß Jerusalems Bewohner Jesum nicht erkennen und an- erkennen mochten, wird gestraft damit, daß sie nun auch blindlings in ihr ericht fallen. (v. Burger.) Wir lesen in er Geschichte der Zerstörung Jerusalems, daß die Juden nicht blos die Weissagung Chriti und Stephani (Apostg. 6,14), sondern auch spätere eissa- gungen und Zeichen verachtetem je drohender sich das Wetter über Juda und Jerusalem zusammenzog desto weniger sahen sie es, desto sicherer wurden sie, desto mehr lullten sie die armen, unru igen Herzen mit dem Wahne göttlicher Gnade ein. ie vielen Tausende von Kreuzen, an welchen in den Thälern von Jeru- salem ihre Brüder sterben mußten, erinnerten die Be- lagerten nicht an Christi Kreuz, nicht an die kommenden Strafen für den Mord des Sohnes Gottes; der Greuel der Verwüstung an heiliger Stätte, auf welchen nicht allein der HErr, sondern auch Daniel (9, 27) au merksam geinacht hatte, war für sie nicht allein umsonst erfüllt. Da umsonst Verkündigt, sondern au mgebungen brannten, bereits der Tempel und seine Des HErrn Wehklage über Jerusalem. 843 glaubten sie no einem Lügenprophetem der ihnen Errettung verhie , wenn sie eine der Tempelhallen besteigen würden, uud 6000 leichtgläubige Weiber und Kinder verharrten und verbrannten auf der Halle. So ar verborgen blieb den Augen dieses Volks die Heim- Fuchung des Zornes Gottes; so wahr, so schrecklich wahr ist das Wort des HErrn gewesen: ,,nun aber ist es vor deinen Au en verborgen«. Und läßt sich denn diese schreckliche ahrheit nicht auch unter uns nach- weisen? Von dem Ende nicht zu sprechen, welches der Welt gedrohet ist, wollen wir nur einmal auf das Ende des Lebens sehen: unsre Tage fallen ab vom Baume unsres Lebens wie welke Blätter, unsre Kräfte sinken, unser Auge wird matt, das Haupt wird grau, das Alter, der sichere Vorbote des Todes, naht herzu; und doch giebt es Greise, welche am Ende ihrer Tage noch weitaussehende Pläne machen, die mit fast er- blindeten Augen noch in weite Fernen zeitlicher Hofs- nungen schauen, denn es ist ihren Augen der Tod, der sie bereits an der Hand führt, der strenge Sitz des ewigen Richters, vor dem sie bereits stehen, verborgen. Krankheiten er reisen uns, untrüglicheZeichen der unter- grabenen, bal gar hinstürzenden Lebenskraft warnen uns, wir können das Zeitliche nicht mehr genießen, gewaltsam werden wir aus dem Treiben unsrer Tage erausgerissen und der Allmächtige drückt uns auf das chmerzensla er, das Siechbette mit der Weisung nieder: ,,bis ierher und nicht weiter!« aber wir ver- stehen seine Strafe nicht; der Tod zittert Manchem schon in den Adern, schon erkaltet der Leib, schon röchelt die Brust, schon erblindet und bricht das Auge, und der Sterbende träumt noch in Hoffnung von einer Krisis, die ur Genesung führe, und mancher letzte Hauch ist in offnung irdischen Glücks entschwun- den. So verborgen ist dem Menschen der Tod, so verborgen seit Jahrtausenden die untrügliche Botschastx ,,Mensch, du mußt sterben« (Ps. 90, 7 u. 11); was täglich -— heute mir und morgen dir — geschiehet, findet keinen Glauben, bleibt ein allgemeines, öffent- liches Geheimniß. Aber wie die Zeit der Heimfuchung in Gerechtigkeit und Gericht erst kommt, wenn die Zeit der Heimsuchung in Gnaden schon dagewesen, so bleibt jene nur den Augen derer verborgen, welche diese nicht erkannt haben. Nun ist’s an den Pharisäern und Schriftgelehrten wohl offenbar, daß sie Jesum nicht aufnehmen und sein Kommennicht für eine Heim- suchun der Gnade erkennen; wie indessen steht es mit der rasenden Menge? sollte auch sie nicht die gnädi e Heimsuchung Gottes erkennen? Fern sei es, sie so ins Allgemeine hin der Heuchelei zu zeihenl ihr Jubel, ihr Hosianna ist keine Heucheleit Der Mensch hat seine Stunden, wo er dem Geiste des HErrn sich williger hingiebt als sonst; solche Stunden werden nicht vom nachkonimenden Alltagsleben der Sünden Lügen gestraft, sondern sie sind selbst ein Zeugniß wider dieses. So wenig Bileam ein Heuchler war, da er, vom Geiste des HErrn ergriffen, über Jsraels Hütten dahinrief (4. Mos. 23, 10): »meine Seele müs e sterben des Todes der Gerechten, und mein Ende werde wie Dieser Ende!« ebensowenig ist die Freude und das Hosianna des Palmsonntags eine Heuchelei; im Gegentheil, es at sie heimgesucht, was Christus den Seinen bringt, icht und Leben, aber sie tragen es in irdischen Gefäßein in denen der geistige Schatz nicht bleibt, wenn ihn die Treue nicht hält. Sie verlieren wieder, wie es zu geschehen pflegt, aus dem Au e, was sie geschaut, aus dem Herzen, was sie gefühlt haben, eben weil sie nicht erkannten die Zeit, wo sie heimgesucht waren. Wie sich manchmal ein Vogel auf deinen Baum setzt, wunderbare Töne dir zu Ohren bringt, schnell wieder entstiegt, und Tso sehr dein Herz bewegt war, doch bald wieder ver essen wird, so ist alle Rührung des Geistes, wenn nicht ihre Ursache erkannt und im Glauben fest ehalten wird; » die von Freuden leben, nach Freuden Fchmachtem verlieren sie immer wieder, aber die gerne bei dem HErrn ver- weilen, sein Wort «erne hören und lernen, haben daran eine nicht ver iegende Quelle, die au in Trau- rigkeit heimlich die Seele stärkt und erquickt. Das Volk erkannte den HErrn, seines Kommens, seiner Werke Sinn nicht: sie freuten sich eine Weile in seinem Lichte, wie sie sich auch im Lichte Johannis gefreut hatten (Joh. 5, 35); aber sie erkannten in ihm nicht den HErrn, den ihre Väter begehrt, und» den En el des Bandes, der einen ewigen Frieden bringen so te (Mal. B, 1). Sie sahen in ihm nicht, was er war; daher das Kreuzige nach dem Hosianna, daher der leichte, schnelle Wechsel zwischen der Begeisterung des Himmels am Palmsonntgg und der Begeisterung der Hölle am C arfreitag illst du dagegen solche« sehen, welche die nadenzeit erkannten, so weise ich dich auf diejenigen, welche am Palmsonntag zunächst dem König Jesus gingen, so nenne ich dir die Jünger, die Elfe, so nenne ich dir Lazarum und seine Schwestern, Nico- demus und Joseph und Maria. Und wie Manche kann ich dir nicht nennen, wie Manche wird dir erst der Himmel nennen! denn der HErr hat allezeitjeine heil. Kirche auf Erden gehabt, die ihn nicht allein in Hossnun zukünftiger Herrlichkeit, ondern auch voll Dankes Für bereits empfangene und erkannte Gnaden- üter pries — er hatte sie allezeit und er hat sie noch. Es ist also nicht nothwendig, aß man die Zeit der gnädigen Heimsuchung Gottes verkenne; man kann zur Erkenntniß der Gnade, man kann zum Verständ- niß und Gehorsam des göttlichen Worts und seiner Anweisungen kommen, nian kann Christum erkennen nnd in ihm das Eine, was noth thut, ergreifen. Wer nun das hat und behält, der hat auch die Furcht des HErrn, daß er sich mit Zittern freut und seine Selig- keit schafst mit Fur tund Zittern: es ist also auch nicht nothwendig, da Einem die Zukunft der göttlichen Gerichte verborgen sei. Jch nenne dir die Christen, welche zur Zeit der Zerstörung in Jerusalem wohnten; sie erkannten die Zeit der Gnaden, darum entflohen sie dem Gerichte. Könnte ich dir aber des Himmels Thor öffnen, so würdest du im Glanze der Seligkeit viele, große Schaaren von Menschenkindern sehen, welche nicht mehr gerichtet werden, sondern für alle Ewigkeit der Angst und dem Gericht entnommen sind; und könntest du von denen, die noch leben, nach Gottes Urtheil urtheilen, so würdest du auch unter ihnen Auserwählte in nicht geringer Zahl erkennen, die da Glauben halten, den Laus vollenden und die Krone erlangen, denn so gering gegen die Menge derer, welche durch ihre Schuld verloren gehen, die Schaar der Seligen ist, so ist sie doch groß und zahlreich ge- nug um vollstimmigen Chor des Lammes Gottes. (Löhe3 Der Htärr sagt, daß Jerusalem die Zeit seiner H eimsu ung nicht erkannt habe -— was ist das ür ein schönes ort! Wenn Einen Gott daheimaufsucht, d. h. so, daß man ihm eigentlich ar nicht wohl entgehen kann, daß er Einen: recht innerliih nahe kommt, daß man, wie dort Petrus (Joh. 21, 7) ausrufen muß: ,,es ist der HErr.« Das sind die Sabbathstage des Lebens, solche Zeiten giebt es nicht alle Tage, wie das alte Sprüchwort sagt: »Gott hat seine Eile und Weile«; kommt aber ein solcher Sabbathstag und Gott läßt Lich in seiner Gnadenfülle herab, dann wehe auch dem, . er die Thür schließt! Verschmähte Liebe rächt ich; wer gegen Gottes Stimme oft sein Ohr betäubt, em 844 Evangelium Lucä 19, 45——48. 20, 1——8. wird es wirklich taub —- das ist das Gottesgerichh das in dem Worte ansgesprochen ist: »wer da nicht hat, von dem wird enommen auch das er hat-« Tholuck.) —— Jn gro en Zü en zeichnet Jesus die Zerstörung Jerusalems; sehr eierlich ist seine Rede, im Grundtext steht ein fünfmaliges und, das uns immer eine Stufe weiter führt. »Es werden Tage über dich kommen« —das Gericht wird sich also nicht in Einem Tage durch einen gewaltigen Schlag voll- ziehen, nur chritt für Schritt wird das Verderben vordringenx das ist der schrecklichste Tod, wenn ein Glied nach dem andern abstirbt, wenn der Mensch das Ende langsam, aber unaufhaltsam heranrücken sieht und die Stunde seiner Auflösung sicher berechnen kann, Jerusalem wird eines solchen elenden, erbärmlichen Todes sterben, es wird ein Glied seines Leibes nach dem andern gemartert und zermalmt werden, es wird sein Todeskampf Tage, Wochen, ja Monate lang an- dauern! Die erste Stufe nun, die der HErr beschreibt it die: deine Feinde werden um dich (und deine inder mit dir —- im Griech. folgen diese Worte erst später) eine Wagenbur schlagen, d. i. einen Wall mit Pallisaden aufwecken; in der That langte denn auch am 14. Nisan oder am Passatag des J.40 n. Chr. das römische Heer in 3 Eolonnen vor der Stadt an, die eine davon schlug ihr Lager 725 Schritt östlich am Oelberg auf, also etwa an derselben Stelle, an welcher Jesus hier seine Weissagung spricht, und von da aus hat man 6—-7 Wochen später einen Wall mit einer Mauer und mehreren kleinen Castellen er- richtet, der in einem Umfange von 4900 Schritten die ganze Stadt einschloß nnd ihr alle Zåisänge von außen her abschnitt. Darauf weisen die orte hin: und werden dich rings einschließen (Luther: bela- ern); die Römer hielten sich hinter dieser Mauer eine eitlang still, ohne etwas Weiteres zu unternehmen, und überließen die Stadt sich und ihrem grausen Ver- h"ängniß. Es begann damit recht eigentlich, was der HErr sagt: und werden dich von allen Seiten einen en (Luther: an allen Orten ängsten); denn der To raffte nun Unzählige begin, da von den wenigen Lebensmitteln allein den ewassneten verab- reicht wurde, Zufuhr von außen aber nnmöglich war —- die Schreckensängste der Hungersnoth werden ihre Erwähnung im II. Anhg. zu Bd. VI. unter e finden. Dazu wütheten in Jerusalem fortwährende Partei- kämpfe, nur in den Stunden der höchsten Gefahr hielt man usammen und facht als in einem Verzweiflungs- kamp e gar tapfer; doch was half es? Der römische Feldherr ließ, da man sich nicht ergeben wollte, der Burg Antonia gegenüber Sturmwälle errichteiy er- oberte dieselbe und schleifte sie, so daß er nun bis zum Tempel vordringen und wider diesen feine Wälle anf- bauen konnte; in den Tagen vom 8·— 10. Ab (etwa unserm Monat August entsprecheud) erfolgte dann die Einnahme und Verbrennung des Tempels, und so kam es schließlich auch zur Erfüllung der Worte: und werden schleifen dich und deine Kinder in dir (erst hier also steht die Erwähnung der Kinder, welche Luther schon bei dem obigen ersten Satze an- ebracht hat— das ,,schleifen« bezeichnet ein zu Boden erfen, welches von den Kindern natürlich »in dem Sinne ,,zerschniettern« Pf. 137, 9 gemeint ist, indessen nicht blos auf die Kinder im eigentlichen Sinne, son- dern auf die Einwohnerschaft überhaupt geht). Wie gründlich mit der Stadt aufgeräumt werden soll, zei t der letzte Satz an: und werden keinen Stein aufs dem andern lassen; dies Wort gilt fiirJsraeh daher ein Wiederaufbau für andere Nationen nicht ausgeschlossen ist, wogegen der Wiederaufbau des Tempels, den Kaiser Julianus der Abtrünni e u Gnniten der Juden im J. 362 versuchte, um Lghristi Weis agung zu Schanden zu machen, selber gleich in seinen ersten Anfängen zu Schanden geworden ist. IV. v. 45—4li. (§. 102.) Indem der Mir: nach seiner Jtnliuuft in Jerusalem alsbald in den Tempel einzieht, tritt er als Herrscher in dem Hause seines Vaters ans nnd M während der zwei Tage vom palmsountag Abend bis zum Dienstag Zlbend nicht nur als lehrender und heileuder Propbet daselbst thätig, sondern auch als dra- fender Richter uud wiederhersiellender Gesetzgeber, indem er die zu einer Mörder-grabe gemachte heilige Stätte durch Jtustreibung der derliäufer und Räufer wieder zu einem Zethause weihen wie er das vor 3 Jahren schon einmal beim Beginn seiner messianiscljen Wirksamkeit gethan hat; die theoliratischeu Ratspersonen aber, so seludsclig sie ihm gegenüberstehen, fühlten sich doch uiie durch eine höhere Macht gebunden, Demjenigen, der als holte zu seinem Tempel gekommen isi nnd ist wie das Feuer eines Goldschmieds und wie die Seife des wäschers Glut. Z, 1 f.), zu wehren. svgi. Matth. A, 12—-17; Ldlarln 11, 12——l9.) 45. Und er ging in den Tempel und [besahe vorerst alles, wie es daselbst stund, und] III? IZTTEEHFK YFFZSFLTZTkkliekkiåsiksiusi kau ten lim Vorhof der Heiden einen förmlichen Markt bedeutet-Fuss, E its. n rach zu ihnen: s stehet geschriebent Hiein Haus ist ein Bethaus fallen Völkern Jes. 56, 7]; ihr aber habks [wie bei Her. 7, 11 zu lesen] gemacht zur Mörder- gru e. 47. Und lehrete täglich fsowohl am Mon- tag als am Dienstag nach seinem Einzug in Ie- rufgleäkm Aber; däe Thetis-here er UU U ge· c k cU UU lc ccUc M cU im Volk sdie sein Auftreten für eine Beeinträch- tigung ihrer Rechte ansahenf trachteten ihm nach, daß fie ihn umbrächten [Mark.11,18], 48. Und fanden nicht, wie sie ihm thun sollten [um jene ihre Absicht auch auszuführen]; denn alles Volk hing ihm an und hörete s ihn » [umstand ihn bei· seinen Lehrvorträgenin sodichtgeschlossenen Kreisen, daß sie ihm nicht beizukommen vermochten Matth. 21, 46]. . Ohne den Bericht des Markus würden wir glauben, die Austreibung der Verkäufer habe am Tage des Einzugs in Jerusalem stattgefunden; aber aus diesem Evangelisten, dessen Bericht hier besonders genau ist, sehen wir, daß der Einzug erst gegen Abend stattfand und der HErr an diesem Aben nichts weiter that, als daß er alles besah. Erst am folgenden Tage, da« er von Bethanien zurückkam, reinigte er den Tempel von der Entweihung, welche ganz offen darin verübt wurde. Wenn Jsrael niit lzeiligem Sinn sich diesem von Jesu egebenen Anfto angeschlossen hätte, so wäre diese Zandlung nicht eine blos sthpische (Matth. 31,13 Auen) geblieben, sondern wäre der wirkliche Antritt der mefsianischen Läuterung und Befreiung geworden. (Godet.) Bemerkenswerth ist, wie kurz und notizenartig die Darstellung unsers Evangelisten in Jesu Tenipelreinigung und Abfertigung der Gesandtschaft des Hohenraths diesem Abschnitt und von hier an noch öfters wird; er wählt die Punkte aus, bei denen« er noch mit seiner FkztkkspdiiTZTMLFÄITIHZIHTPegktgkttcksgskf Tit? sei? vori en Abschnitt is; ja klar, irgend einer Selbsttäuschung in nsehung der olksbegeisterung hat sich Jesus in keinefn Augenbgcke hingelgizebem uitittS zemäoikjkhat er an ei ts er in e, we e ermi i er ei ommen sieht, Freudigkeit itxnd Muth, in voller Kraft und ·mit Zäkzåskåilgskkmituåk kisPdfåmstoiikltksåkkf LTEFZZTXHÆ durchgreifend uIid unmittelbar wirksam aufgetreten, als era e in diesen Tagen — seine Thränen über die erderbtheit und das endliche Verderben Jerusalems sind nicht das Ende seiner Thätigkegh sorkdern ge Grundla e einer neue und er öhten ätig eits na - dem er ttiit seiner ötttllichen LiiPbesmacht den äufzersten Widerstand seines olkes gegen ihn in sich selber über- wunden hat, wovon eben seine Thränen das unvergeß- lirclkse Denkmal sind,d ist! er szcjlusfgergftet dundE gestärkt, a es u tun um as etzte u eu ten er mp äng- lichkeitz sseiktlies Lgöigkes kwirksaån zsul machemd Wenn nun die e e te ätig eit in ern a em mit em, was oben erzählttzwird einen Erfol zu versprechen scheint, so läßt er gleichwohl seinen Zzlick in den Ausgang sich nicht wieder verdunkeln; denn er tibernachtet nicht m Jerusalem, sondern wenn der Abend gekommen, Es? if its-ZEIT T«9"s’L-««"F if? its-ZEIT? Zeåykåitå eg i m i te e (Kap. 21, 37 f.). Es erklärt sich dies am einfachsten, lgvekin tgr annehmeåyl Saß Fefsulsl iäbkr Jerusalgn i? ieen agen ein ä ni es eii a, wie es avi einst fwähcäend feinerf sschjlimmån Fzekt jinhPs. Es, 's? f. aus epro en: wie et ein rt ei tet ü er ein Bett, giebt er eines Morgens, als er von seiner No therberge in die Stadt zurückkehrtz durch das shm olische Wunder der Verfluchung des Feigenbaums zu verstehen und hat damit sein Urtheil sur immer so zu sagen verkörpert. (Baumgarten.) Das 20. Kapitel. Christi Uuterredung non seiner Person und Amt. Vom Zinsgrofcheu und Auferstehung der Todten. I. d. 1—8. (§. 103.) Alles, wag der Evangelist in dieser Gruppe von vier Erzählungen berichtet, fiel in- nerhalb deo Tempels, noch bevor dee tjGrr von dem- selben sieh geschieden hatte, vor. Seit dem vorhergehen- den Jlbeud (Kan.19, 47) hatten die Mitglieder des tjohenrathee sikh berathen nud nun da eine Reihe von Fragen aufgebracht, mit welchen he Iesnm in verlegen— heit setzen oder eine Antwort ihm entloctien könnten, wodurch er sieh ohnfehlbar entweder vor dem wollt oder vor den jüdlschen und heidnistheii Behörden bloßsiellen würde. Was nun die hier vorliegende erste Frage nakh der illachtvollliommenheit für sein Wirken be- trifft, so erwartete man wohl, er werde sich für den Sohn Gott» erklären, und beabsichtigte ihn dann der Gottes— lästerung zu befchuldigen; aber noeh war die Stunde für Jesum nicht gekommen, einer solchen Beschuldignng zum Opfer zu fallen, vielmehr war für die Widersacher ge- rade jetzt die Zeit, griindlich an ihm zu Schaudeu zu werden. (dgl. Matth. 21,«23—27; Flarlk.1l,27—33.) 1. Und ed begab sich der Tage einen svon welchen in Kp. 19, 47 die Rede war], da et das 845 Volk lehrte im Tempel und predigte das Evangelium fnämlich am Dienstag der Leidenswoche]; da traten zu ihm die Hohenpriester und Schristgelehrtea mit den Aeltesten fDeputirte des Hohenraths in feier- licher Abordnung], 2. Und sagten zu ihm und sprachen: Sage uns, aus was sur Macht thust du das swas du gestern mit der Austreibung der Verkäufer und Käufer 19, 45 f. hier vorgenommen]? oder fda wir die unmittelbar göttliche Sendung, auf die du vielleicht dich berufen wirst, nicht anzuerkennen vermögen] wer funter den Menfchen] hat dir die Macht gegeben? fdenn wir, die wir ja allein das Recht hätten, dir eine Vollmacht zu ertheilen, haben dir keine ertheilt] Z. Er aber antwortete fihnen allerdings mittelbar Bescheid gebend, aber eben nur mittel- bar, weil er zugleich sie ihre Unfähigkeit zu dem Amte, in dessen Autorität sie zu ihm kamen, wollte fühlen lassen Matth. 21, 27 Anm.] und sprach zu ihnen: Jch will euch auch ein Wort fragen, saget mir-s sfo will ich euch dann auch sagen, aus was für Macht ich das thue]: 4. Die Taufe Johanniz war sie vom Himmel, oder von Menschenr 5. Sie aber gedachten bei sich selbst und sprachen: Sagen wir, vom Himmel, so wird er sagen: Warum habt ihr ihm denn nicht geglaubt [in dem, was er von mir bezeugt hat]? it. Sagen wir aber, von Menschen, so wird uns alles Volk [zu Boden] teinigen sweuigstens wäre bei der jetzigen Volkstimmung Kap. 19, 37 f. u. 48 das nicht unmöglich]; denn sie [die Leute vom gemeinen Volk] stehen darauf, daß Johannes ein Prophet [gewesen] sei. 7. Und sie antworteten, sie wüßten-s nicht, wo fte her wäre [meinend, das wäre in ihrer Lage immer noch diejenige Antwort, durch die sie « am leichtesten aus der Schlinge kommen könnten] 8. Und Jesus sprach zu ihnen: So sage ich euch auch nicht, aus was sur Macht ich das thue sdenn nun läßt sich mit euch gar nicht aus der Sache reden] Jn dem ,,traten zu ihm« wird das Ueberlegte und mehr oder weniger Feierliche in dem Auftreten dieser Männer angedeutet; es ist eine wohl organisirte, ge- wiß nicht ohne reifliche Ueberlegun usammengesetzte Deputation aus dem Sanhedrin, eszsen verschiedene Bestandtheile (Matth. L, 4 Anm.) darin sorgfältig vertreten sind, und ist diese Gefandtschaft mit einer ähnlichen (Joh. 1, 19 sf.) zu vergleichen, die einst zu Johannes dem Täufer abgeschickt worden war. Die höchste geistliche Macht in Jsrael war gewiß voll- kommen befugt, eine genaue Untersu ung über die öffentliche Auctorität aller öffentlich au tretenden Leh- rer anzuftellen, und der HEry indem er ihnen Rede steht, zeigt, daß er den theokratischen Charakter der Sprecher erkennt und nicht abgeneigt ist zu antworten. Die beiden Fragen in V. 2 drücken nicht mit andern Worten dasselbe aus, sondern sind so zu unterscheiden, 846 Evangelium Lucä 20, 9-—26. daß das erste Glied eine Erklärun über die himm- lische Sendung, das andere die ndeutung heraus- locken will, welcher Gottesgesandte ihn mittelbar zu dieser Thäti keit eingeweihet habe. Aber Jesus konnte ihnen daraus nicht antworten, so lan e sie ihrerseits sich über den Johannes, der sein egbereiter und Vorläufer war, nicht bestimmt erklärt hatten. (v. Ov- sterzee.) Die Frage, die er stellt, ist nicht ein geschick- tes Auskunftsmittel, sie ist durch die Natur der Sach- lage geboten, war ja doch eben durch Vermittelung des Täufers Jesus bei dem Volke göttlich beglaubigt worden; die Anerkennung seiner Amtsgewalt hing also wirklich von der Anerkennung der Anitsmacht des Johannes ab. (Godet.) Diesen Gottesgesandten Hatten sie durch eine förmliche Deputation über seine ürde befragen lagen, er Hatte ihnen geantwortet und ein eichen gege en zur rüfung seines ächten göttlichen s uftrags, der Piessias sei unter ihnen (Joh. I, 26); statt sich nun dieser Legitimation zufolge von Johan- nes taufen u lassen und den von ihm gewiesenen Messias mit Lrnst zu suchen, überließen diese falschen Hirten Jsraels den Johannes seinem Schicksal und ließen das Volk, das sie über die Heimsuchung Gottes gätten belehren sollen, in Unklarheit Diese ihre euchlerische Unlauterkeit deckt der HErr auf; seine Gegenfrage ist also ni t als die an ihn gerichtete Frage abweisend aufzufasen, vielmehr liegt in der- selben die Antwort versteckt, sondern als positiv die Pharisäer strafend. (Olshausen.) Jhres Herzens Ge- danken, die doch gewiß hier nicht u Worten wurden, werden von allen drei Evangelisien gleichwohl als eine äußerliche sichere Geschichte dargestellt; nur was sie sagen könnten und was er dann sagen würde, bedenken sie, nicht was recht und wahr ist vor Gott im Gewissen, und dennoch spricht ihr vorausgreifendes Gewissen jetzt schon das eigene Urtheil: »Warum glaubet ihr ihm denn nicht?« Das ist eine Frage aus seinem Munde, die sie um jeden Preis vermeiden möchten; daneben fürchten sie sich vor dem Volke und können darum nicht wagen, die Wahrheit, die sie nicht bekennen mögen, zu leugnen. Jhre arge Klugheit findet da freilich geschwind noch ein Drittes dazwischen, aber eben dadurch wird sie gänzlich zur Thorheit — die hohen Herren, die sonst mit ihrem Wissen allewege bei der Hand waren, eben sich nach stolzer Frage vor dem umstehenden olk die Blöße, in einer ihr Amt sonderlich angehenden Hauptsache für Jsrael auch einmal zu sagen: »wir wissen’s nicht-« (Stier.) Die Heuchler halten die Wahrheit in Ungerechtigkeit auf, Röm. l, 18. (Brentins.) Wenn des HErrn Feinde nicht einmal auf Eine Frage antworten können, was wird es erst sein, wenn er tausend Fragen ihnen vor- legtl (v. Oosterzee.) ll. v. 9—19. (§· 104.) nu- waa sit: macht cre daa thne, wag er thue? anf diese ihre Frage haben sich die Abgesandten deo Hohenrathea selber um die Antwort gebracht, wenn sie anch in ihrem Gewissen fühlten, welche Antwort allein darauf die rechte wäre; nnn be— leommen sie aber eine beredte, eindeingliche Antwort anf eine andere Frage, die sie freilich nicht gethan haben, die aber von selber flch nahe legt, ans was für zusamt nänilins sie thun, was ne than, wenn sie Dem nach dem Beben trachten, der sattsam mit dee Johannis Zeugnis nnd mit seinen eigenen Worten nnd Werken nieder Sohn Gottes beglanbigt ist? Das Gleichniß von den bösen Weingärtnern spricht das ganz unver- hohleu ans, daß die sinnst der Finsterniß ihre Herzen regiert nnd ihre izescislüsse beherrscht, spricht aber nun) mit nnwidersiehlicher Sicherheit aus, wag für eine Strafe ihrer wartet, daß sie darüber gar nicht mehr zweifelhaft sein könnten, eo wird sieh an ihnen eine orophetisase Beissagnng erfüllen. (it1gl. Matth St, 33—46; Mark. ) 9. Er fing aber [nach Abfertignng jener De- putation des Hohenrathes] an zu sagen dem Volk [in dessen Belehrung man ihn vorhin V. 1 unter- brochen hatte] dieses Gleichniß: Ein Mensch pflanzte einen Weinberg nnd that ihn den Wein: gärtnern aus und zog über Land sum sich an einem andern Orte aufzuhalten] eine gute Zeit. 10. Und zu seiner Zeit sandte er« einen Knecht zu den Weingartnerm daß sie ihm gaben von der Frucht des Weinbergen Aber die Wein- gartner stciupten ihn, und ließen ihn leer von sich. 11. Und über das sandte er noch einen an- dern Knecht; sie aber staupten denfelbigen auch nnd höhneten ihn, und ließen ihn leer von sich. 12. Und über das sandte er den dritten; sie aber verwundeten den auch nnd stießen ihn hinaus. 13. Da sprach der Herr des Weinbergesi Was soll ich thun? Jch will meinen lieben Sohn senden; vielleichh wenn sie den sehen, werden sie sich scheuen 14. Da aber die Weingärtner den Sohn sahen, dachten sie bei sich selbst und sprachen: Das ist der Erbe, kommt, lasset uns ihn tödten, daß das Erbe unser sei. 15. Und sie stießen ihn hinaus vor den Weinberg und tödteten ihn. Was wird nun der Herr des Weinberges denselbigen sWeingärtnerns thun? 16. [Wie ihr selbst eingestehet:] Er wird kommen und diese Weingiirtner umbriiigen und seinen Weinberg Andern austhun Da sie das höreten, sprachen sie: Das sei ferne! [Matth. 21, 41 Anm.] 17. Er aber sahe sie an und sprach: Was ist denn das, das geschrieben stehet [Ps.118, 22]: Der Stein, den die Vanleute verworfen haben, ist zum Eckstein worden; 18. Welcher auf diesen Steiii fcillt, der wird zerschellenz auf welchen aber er fällt, den wird er zermalmen? Eine Geschichte von Jahrhunderten in wenigen Minuten erzählt! Gottes Weg und Rath mit JsraelvonJsrael verkannt und verschmäht: 1) die gnädige Erwählung, V. J; L) die lange Gn - denarbeit, V. 10—12; Z) die Fülle der Zeit, V. le; 4) die greulichste Missethat, V. 14; Z) die gerechte Strafe, V.16—l8; S) der in Segen verwandelte Fluch, V. 16; Röm. 11, 1l f. (v. Oosterzee.) Die Ges ichte Jsraels ist die Geschichte der Menschheit im leinent wie Gott sich immer gleich geblieben ist in seiner Liebe gegen die Menschen, so sind die Men- schen sich immer gleich» geblieben in ihrer Stellung egen den HErrw och immer herrscht dieselbe « eindschaft und Widersetzlichkeit gegen ihn und sein Gebot, derselbe Widerwille gegen Jesum und gegen Das Gleichniß von den bösen Weingärtnerir. Der Zinsgroschen 847 alles, was mit Jesu zufammenhängh in der Welt; man meint wunder was für feine Sitten, Bildung, Duldsamkeit , Geistes-Freiheit deei Fharakteå åtnsseeker eit ausma e— a ,un esit eute no iee e ust, den Zahn Gottes zu brandmarken in seinen Gliedern und ihn aus seiner Christenheit »aus-zustoßen, wie vor 1800 Jahren! ,,Laßt uns ihn todten!« das ist das bewußte oder unbewußte Stichwort des Zeit- eistesx ,,laßt uns ihn tödten l« heißt es in der Wissen- fxchaft und Philosophie, die alles aufbietet, um sich von Gottes Wort so gründlich wie möglich frei zu inachenx ,,laßt uns ihn todten!« heißt es m der Kunst, die m ihren Gebilden den Geist des Heidenthums dem Ge- präge des Christenthums vielfach vorziehtx ,,laßt uns ihn tödtenl« heißt es in der Politik der Völker, in den Haushaltun en der einzelnen Regierungen, in dem Unterricht der öheren Schulen, in der häuslichen Er- ziehung der Kinder, in den Grundsätzen der weltlichen und bürgerlichen Vereine. Ueberall derselbe Ruf, die- selbe Sprache, bald entsprungen aus einem Leichtsinn, der alles, was nicht mit feinen Lüsten znsammenstimmh siik sofort aus dem Sinne schlägt und der Meinung le t, der Mensch brauche der Kirche und des Gebets nicht, er könne ohne dieselben fertig werden, die Aus- gabe des Lebens sei Genuß, nichts als Genuß; bald entsprungen aus einer Ueberklugheit, die vor lauter Einbildung und Selbsttäuschnng ihre ungeheure Be- schränktheit nicht einmal einsieht, die auf en fernsten Gebieten zu Hause ist, im eigenen Herzen aber nicht Bescheid weiß, und den Stein der Weisen gefunden Zu haben meint, indem sie es zweifelhaft macht, daß ie Bibel Gottes Wort nnd Jesus Gottes Sohn sei; bald entsprungen aus einem Stolz »und einer Selbst- erechtigke1t, die sich zu gut dunkt in der Fulle ihrer ngenden und Verdienste, als daß sie noch der Buße bedürfen sollte, und eine Zumuthun dieser Art für die größte Beleidigung hält. (Fr. rndt.) 19. Und die Hohenpriester und Schriftge- lehrten sdie auch in Kap.-l9, 48 Mordanschläge wider ihn gefaßt hatten] trachteten darnach, wie sie die Hände an ihn legten [schon jetzts zu der- selbigen Stunde, und fürchteten sich [nur] vordem Volk sdarum hüteten sie sich einstweilen noch vor solcher Gewaltthat, in ihreni Herzen aber war sie doch schon beschlosfen]; denn fle vernahmen, daß er auf sie dieses Gleichniß gesagt hatte. Es liegt etwas Tragisches in der entsetzlichen Blindheit, womit sie in demselben Augenblick, in wel- chem sie beweisen, daß sie das Gleichniß nur zu gut verstehen, sich anschicken, auch die vom HErrn hinzu- gefügte Weisfagung zu erfüllen und den Stein zu ver- werfen, der sie bald zermalmen wird. (v. Oosterzee.) Die Welt ist gegen die abstrakte Wahrheit nicht so feindlich und voll Haß, als gegen die concreten Zeu- gen derselben. (Heubner.) IlI. o. 20—40. (§. 105.) o» mit dem vorige« aus— srlsnttt eng znsainmenhängende Gleichniß vom tiönigliktsen thokhzeitmalsl konnte St. Lunas iiloergehen, da er dar ähnliche vom groszen Abendmahl in Knie. 14, 16 if. bet- gebraklst hat; er geht daher sogleich iiber zu der Frage derpharisäer nach der Rechtmäßigkeit der Steuer— Entrichtung an den römischen Kaiser nnd zu der Frage der Sadducäer in Zetress der Möglichkeit der Auferstehung. Die ersteren werden derart als— gefertigt, das- sie Iesnm nieder der römischen Obrigkeit als Lnswlegter dennneiren können, wie sie beatisichtigt hatten, noch das halt: wider ihn als einen Verräther an dem Vaterland aufzuwlegeln vermögen; die andern wer- den so sihlagend aus Moses selbst ihrer Sthristnnliunde überführt, daß auch die Schriftgelehrtetu welche zu einer sotthen dleberführung higher zu sehn-act) sitt) erwiesen hatten, diesem Meiste: Beifall zollen. (d)gl. Many. W, 15-33; Mark. is, 13—27.) 20. Und sie hielten auf ihn, und sandten Lauter aus, die sich stellen sollten, »als wären sie fromm [und wollten auf eine, ihr religiöses Ge- wissen bedrückende Frage bei ihm sich Bescheid holen], auf daß sie ihn in der Rede fingen swenn er, wie sie zunächst wünschten, ein Nein darauf zur Antwort gäbe], damit sie ihn sals einen of- fenbaren Empörer und Aufwiegler wider die Herrschaft des römischen Kaisers] überantworten könnten der Obrigkeit und Gewalt des Landpflegers sihn verhaften zu lassen und durch richterlichen Spruch zum Tode zu verurtheilens 21. Und sie fragten ihn und sprachen sihre Sache in schlau berechneter Weise so anbringend, daß er sich verleiten ließe, die gewünschte Ent- scheidung eines Nein zu geben]: Meister, lvir wissen, daß du aufrichtig redest und Iebtest, und achtcst keines Menschen Ansehen, sondern du lehrest den Weg Gottes recht. 22. Jst es [woht, da ja uach 5. Mos 17, 15 nicht irgend ein Fremder über Gottes Volk herrschen soll] recht, daß wir dem Kaiser den Schoß geben, oder [ist es nicht vielmehr diesem Gesetze gemäß] nicht [recht]? 23. Er aber merkte ihre List [2.Cor-11,14]- und sprach zu ihnen: Was oersuchet ihr mich? 24. Zeiget mit den Groschen, fund fragte nun, als sie ihm einen solchen brachten:] weß Bild und Ueberschrift hat er? Sie antworteten und sprachen: Des Kaisers. 25. Er aber sprach zu ihnen: So gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist [Röm. 13, 7], und Gott, was Gottes ist snämlich euer Herz Kap. 15, 8; Spn 23, es; Jes 43, 1]. 26. Und sie konnten sein Wort [obwohl er ihnen ein Ja zur Antwort gegeben, gleichwohl, nachdem sie für diesen Fall sich vorgenommen hatten, das Volk wider ihm aufzuregen] nicht tadeln vor dem Volk sda es sich in so streng be- messenen Grenzen hielt, die den Rechten Jsraels durchaus nichts vergaben], nnd verwunderten sich seiner Antwort und schwiegen ftille. Auch diese Schmach, welche der HErr hier erduldet, daß man ihn fangen will in der Rede, um ihn dann der weltlichen Gerichtsbarkeit zu iiberliefern und durch diese abthun zu lassen, ist i1och nicht aus; es giebt Leute, welche nur zu dem Ende die hl. Schrift lesen oder gar Erklärungen derselben schreiben, um den HErrn und die hl. Propheten in der Rede zu fangen, damit sie die Bibel der Welt als ein Buch wie alle andern Bücher zum Abthun überantworten können. (Bcsser.) 848 Evangelium Lucä 20, 27——47. N. Da traten zu ihm etliche der Sadducäey welche da halten, es sei keine« Auferstehung, und fragten ihn, 28. Und sprachen: Meister, Moses hat uns eschrieben: So Jeinandes Bruder stirbt, der ein eib hat«, und stirbt erblos, so soll sein Bruder das Weib nehmen nnd seinem Bruder einen Samen erwecken. 29. Nun waren sieben Brüder. Der erste nahm ein Weib, und starb erblos [ohne einen Erbens 30. Und der andere nahm das Weib, und starb auch erblos. 31. Und der dritte nahm sie. Desselben leiehen alle sieben, und ließen keine Kinder, und starben. 32. Zuletzt nach allen starb auch das Weib. 33. Nun in der Auferstehung, wessen Weib wird sie sein unter denen? Denn alle sieben haben sie zum Weibe gehabt. 34. Und Jesus antwortete, und sprach zu ihnen: Die Kinder dieser Welt [d. h· die im gegenwärtigen Zeitlauf lebenden Menscheu] freien und lassen sieh freien; Bd. Welche aber würdig [gewürdigt] sein werden, jene Welt zu erlangen und die Auferste- hung von den Todten, die werden weder freien, noch sich freien lassen. 36. Denn sie können hinfort nicht sterben, denn sie sind den Engeln leich nnd Gottes Kin- der snach Art der Engel iob l, 6], dieweil sie Kinder sind der Auferstehung. 37. Daß aber die Todten auferstehen, hat auch Moses gedeutet san gedeutet, wenn auch nicht wör-tlich ausgesprochen] bei dem Busch [Matth. 22, 32 Anm.], da er den HErrn heißen Gott Abrahams und Gott Jsaaks und Gott Jakobs. 38. Gott aber ist nicht der Todten, sondern der Lebendigen Gott; denn sie leben ihm alle sfur ihn sind sie nach wie vor als persönliche Wesen vorhanden, wenn sie gleich nach der Erfahrung und Anschauung der Menschen aufgehört haben zu existiren, und harren nur der Herstellung ihres vollen Lebens auch nach der Seite ihrer Leib- lichkeit]. Eine ganz besondere Aufmerksamkeit verdient die höcht eigenthümliche Weise, in welcher der HErr hier die ehre von der Auferstehung bekräftigtz weit ent- fernt von dem Standpunkt der Philosophem die ihre Unsterblichkeitsideen ans der Natur der inenschlichen Seele her uleiten fuchen und mithin das Bezweifelte aus dem nbekannten beweisen wollen, findet er im Gegentheil den festesten Grund für die Hoffnung des ewigen Lebens in der persönlichen Gemeinschast des Menschen mit Gott. Aber hiermit giebt er auch mit- telbar zu erkennen, daß man, um zur vollen Ueber- zeugun seiner eiäenen Unsterblichkeit zu gelangen, erst der per bnlichen emeins aft mit Gott versichert und sich der elben müsse bewu t geworden sein. Die Sad- ducäer weist er damit auf den innerlichen Grund ihrer Zweifel hin, der nirgend anders als in der Trennung ihres inneren Lebens von Gott liege, und bezeichnet zu leich den wahren Grund für die Hoff- nung der Zu ungt und den einzigen Weg zur voll- kommenen Gewi heit derselben. Die Religionsphilm sophie und Apologetik früherer und späterer Zeiten würden gewiß nichts dabei verloren haben, wenn sie diesem Beispiel treuer gefolgt wären und sich nicht an den Versuch gewagt hätten, die Unsterblichkeit der Seele auch solchen anzudemonstrirem welche noch nicht an den lebendigen Gott glauben und von einer per- sönlichen Geineinschaft mit ihm nicht einmal eine schwache Vorstellung haben. Die tiefste Erfahrung unsers eigenen Herzens lehrt uns, daß o ne diese Voraussetzungen der Unsterblichkeitsglaube t eils un- sicher, theils unerquicklich ist, und daß man, so lange man Gott nicht gefunden hat, auch sich selbst verliert. (v. Ooster ee.) Eine Be egnung Christi mit den Sad ucäern, den Zeugnern der Aufer- stehung und der zukünftigen Welt: 1) er deckt ihnen den Grund ihres Unglaubens auf; Z) er be- seitigt die falschen Voraussetzungem auf« welche ihre Einwürfe sich stützen; Z) er weist die Gewißheit der Auferstehung siegreich aus der Schrift nach. (Roffhack.) 39. Da antworteten etliche der Schriftge- lehsrten, und sprachen: Meister, du hast recht ge agt. 40. Und sie durften ihn hinfort nichts mehr fragen [daß sie weiter sich an ihm versucht hätten mit ihren Nachstellungem ihn zu fangen in seiner Rede]· Die unverweilte und erhabene Antwort Jefu, da er einestheils gerade aus Mose, (worauf es eben den Saddncäern gegenüber, die nur dessen Bücher als hl. Schrift anerkannten, ankam) nachwies, daß von daher keine Einwendung gegen die richtig verstandene Glau- benslehre von der AuferstehuM gezogen werden könne, anderntheils ebenfalls aus ose die unbestreitbare Wahrheit jener Glaubenslehre darlegte, erregte die Bewunderung selbsrder Schriftgelehrten von der pha- risäischen Partei; sie hatten sich wohl oft an dieser Aufgabe versucht, den Sadducaern ein entscheidendes Wort aus Mose entgegenzuhaltem und hatten keins efunden, sie können sich daher nicht enthalten, ihre Freudige Ueberraschung auszusprechem als der HErr mit so leichter Mühe tief gräbt und einen wahren Edelstein aus dem Schachte hervorbringt. Die Frage eines Schriftgelehrten, welches das vornehmste Gebot im Gesetz sei, läßt Lukas hinweg, weil er eine ganz ähnliche Geschichte schon in Kap.10, 25 ff. erzählt hat; er meldet daher sogleich, daß die Widersacher Jefu, eit-sehend, wie jeder Fallstrick, den man ihm legen will, nur zu einer ruhmvollen Offenbarung seiner Weis eit Anlaß giebt, von nun au auf diese Art des Angri es verzichtet hätten. (Godet.) lV. v. 41——44. (§.106.) S« de: nun: Gesang-te de: vorigen Gruppe, mit welcher das hinaufgehen Iesu nach Jerusalem zu seinem Leiden nnd Sterben begann Man. is, 31 sf.), lieh er es geschehen, das; er nun öffentlich für den Sohn Weide, den messias auegerufeic würde, und erweckte sogar das ganze ihn begleitende Volk zu diesem Jiuerlieuutiiiß nnd Erkenntnis, als er nahe bei Jerusalem liain gen Belhphage an den 0elberg, durkh die Verwirlilichung einer prophetischen Wrissagiing Gan. 19,29 sf.); jetzt da er iui Begriff steht, non dem Tempel und der Stadt siih zu Weiden, muß aber iioih zu einer Abfertigung der Sadducäer. Christus ist Gottes Sohn. Warnung vor den Schriftgelehrten. 849 weiteren Erlienntuiß der Jlnfloß gegeben werden, zn einer Erkenntnis, die nur eesi non) Eigenthum einiger Ein— geweiheien in lwntth 14, 33 Anin.), daß nämlich Chriiinn nicht blos Davids, sondern auch Gottes Sohn ist. (klgl. Rauh. W, 4l-46; Mark. U, 35———37.) 41. Er sprach aber seine Frage aufnehmend, die ver1nuthlich schon vor 22 Jahren, bei seiner ersten Anwesenheit im Tempel, Gegenstand der Verhandlung gewesen Kap. 2, 45 Anm.] zu ihnen [den Pharisäern und Schriftgelehrten, die ihn umstanden]: Wie sagen sie [doch, nämlich die Schristgelehrten Mark. 12, 35], Christus [der er- wartete Messias] sei Davids Sohn? 42. Und et selbst, David, spricht Dagegen] im Psalmbuch sPs. 110. 1]: Der HErr hat ge- sagt zu ineinem HErrnx Setze dich zu meiner Rechten, 43. Bis daß ich lege deine Feinde zum Schemel deiner Füße. 44. David nennet ihn salsos einen HErrn sund stellt ihn damit Gott gieichL wie ist er denn sein Sohn? [überleget doch, wie dieser scheinbare Widerspruch auszugleichen sei, damit ihr noch eine tiefere Erkenntniß von der Würde des Mefsias erlangen möget als bisher.] Jn dem Gleichniß von den Weingärtnern(V.14f.) hatte Jesus seinen Tod angekündigt und die Urheber desselben bezeichnetz nun wußte er wohl, auf Grund welcher Klage man gegen ihn einschreiten werde, man werde ihn als Gotteslästerer verurtheilen, weil er sich den Sohn Gottes genannt (Joh. 5, 18; 1 ; Matth 26, 65). Da er zu leich voransfah, daß es ihm vor einem solchen Geri te unmöglich sein werde, seine Sache ruhig zu verfechten, so beweist er zum Voraus vor dem· ganzen Volk und »aus dem alten Testament selbst die Gottheit des Messias Aus-der namlichen PfalmstelIe nimmt dann der HErr bei seiner Antwort auf die Befchwörung des Fiohenpriesters (Matth. As, 64) den Anlaß zu feiner Wei sagung: »von nun an wird es geschehen, daß i r skkizen werdet des Menschen Sohn sitzen zur Rechten er rast und kom- men in den Wolken des Himmels.« (Godet.) Wehe den Pharisäern und Schriftgelehrtem daß sie ihre Feindschaft gegen diesen Jefum, ihren HErrn, nicht fahren ließen! Sie hatten werden konnen eine schöne Krone in seiner Hand, nun aber sind sie ihm ein Fuß- schemel geworden. (Besser.) Mit dem Satze: ,,Christus ist Davids Sohn« sagten die Schriftgelehrten im . Wesentlichen doch nur aus, daß Jesus ein Mensch sei wie alle übrigen Menschen, nur löniglichen Gefchlechtsz es war nur die halbe, nicht die ganze Wahrheit, ge- rade wie unsre Zeitgenossen, die auch Christum für eine ausgezeichnet begabte und tugendhafte Persön- lichkeit, aber doch- immer nur für einen Menfchen wollen gelten lassen, gleichwie sie und alle Andere sind. Wäre Jesus wirklich nur das und ni ts Höhe- res gewesen, so hätte er die Antwort der arifäer loben und etwa zu ihnen sagen müssen: », iir habt Recht, und ich sehe, daß ihr in Mose und den Pro- pheten ar wohl zu Hause seid«; aber mitnichten, der HErr it keineswegs mit der ge ebenen Antwort zu- frieden, er verlangt, wenn von hristo, dem Mefsias, die Rede ist, ein tieferes Eingehen in die Erklärungen D il ch se l’s Bibel-nett. der Schrift und in das Wesen seiner Person. Wunder- bar schloß sich auf» »diese Weise die letzte Rede, welche Jesus im Tempel hielt, an die erste an, welche er da- selbst im 12. Jahre gehalten hatte, und er nannte, scheidend wie be3innend, Gott feinen Vater und sich Gottes Sohn. ioch immer ist die Frage: ,,wie dün- ket euch um Christo?« die wichtigste aller Fragen, die eigentliche Lebensfrage der Jahrtausende, dasA nnd-O des ganzen— Christenthumsn ist Christus nicht Gottes Sohn, so sind wir nicht versöhnt, so giebt es keine Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, so dürfen wir nicht beten: ,,HErr Jesu, erbarme dich meint« so haben wir gar keine Gewißheit unsrer ewigen Seligkeit, so ist er nicht bei uns alle Tage bis an der Welt Ende, und wie Er ein Lügner war, so sind wir die elendesten unter allen Creaturen Aber, Gott Lob, so stehet es ja nicht! (Fr. Arndt.) Wie dünket euch um Christo? weß Sohn ist er? eine Gewissens- frage an Alle, die sich nach ihm Christen nennen: I) es ist Zeit, daß wir aufhören, ihr be- ständig aus dem Wege zu gehen; L) es ist noth, daß wir uns prüfen, was wir darauf zu sa en wissen; Z) es ist befeligend, der rechten Antwort si von ganzem Herzen freuen zu können. (V. Burgen) I. V. its-U. (§. 107.) In dieser dritten Gruppe sehen wir nnu Sesnm sich vom Tempel nnd seinem Volke« scheiden, and zwar vollzieht sich diese Scheidnng ia fort- schreitender Bewegung; in der hier vorliegenden Rede wider die Pharisäer nnd Skhristgelehrtem ans der nur einige Sätze wiedergegeben sind, weil in san. U, 39 — 52 n. 13, 34. 35 das Meiste schon bei Gelegenheit zweie: theils iu within, theils in per-in gehaltenen Strafnredigien berichtet worden ist, stheidet er sich von den volles-Führern nnd versührern nnd sit-ergiebt ße dem wohlverdienten Gericht. (i1gl. Rauh. M, 1——39; Markt. 12, 38—40.) i its. Da »aber alles Bolk»zuhorte, sprach er zu seinen Jungetn [vgl. die Wem. zu Mark. 12, 40]: 46. Hntet euch vor den Schriftgelehrtem die da wollen emhertreten in langen Kleidern ssich damit ein sonderlich Ansehen zu geben], Und lassen sich gerne grußen aufdem Markt, und sihen gerne oben an in den Schulen und uber Tische; 47. Sie fressen der Wittwen Haufe« und wenden lange Gebete vor« Die werden desto fchwerere Verdammniß empfahen [daß alle die Wehe, die ich schon in Kap. 1I über sie aus- gesprochen, nun aus ihren Kopf kommen werden]. Zu den fchauerlichsten Stellen des neuen Testa- ments ge ört die letzte öffentliche Rede Jesuz es ist ein Geri t, welches er vollzieht über die Schriftge- lehrten und Pharisäer, ein tiefes Seelenleiden, das in der Nothwendigkeit dieses Gerichts sich ausspricht — wieviel lieber hätte er Selig gerufen, statt Wehe! Gleichsam wie ein sterbender Vater nimmt er mit brechendem Herzen Abschied von den unverbesser- lichen und unrettbar verlorenen Kindern, die die Liebe solange vergebens gebeten und gewarnt, und die ge en die Liebe sich verstrickt und verschlossen hatten. ie Worte sind ein erfchiitterndes Warnungsbild für alle Pharisäer allen Zeiten, auch unter uns in der Christenheit. (Fr. Arndt.) Eine handgreifliche Aehn- lichkeit besteht zwischen dem Bilde, das der HErr von den Pharisäern und Schriftgelehrten entworfen, und II. T. I. 54 850 Evangelium Lucä 21, 1—-7. dem Klerikalismus, besonders dem des Mittelalters Ganz von selbst denkt man bei dem Worte in V. 47 an die Schenkungem welche die Kirche und die Mönchs- orden sich zu verschasfen wußten, an den andel mit SeelenmJlfem an den unglücklichen Einfluß es Beicht- stuhls. uch der Werth, welcher auf Prachtgewänder und Ehrenplähe gelegt wurde, die Vorliebe für um- ständliche Titulaturen und das System gegenfeitiger Vergötterung und Huldigung, es ist alles in mancherlei Formen wieder ausgelebt und noch bis heute nicht ausgestorben (v. Oosterzeeh Das 21. Kapitel. Von der Wittwe Steuer, Zerstörung Jerusalems und Ende der Welt. II. its. l— 4. (§. 108.) Mariens nnd truttas haben die Rede des HErrn wider die Pharisäer nnd Schriftgetehv ten in so abgeliürzter Form initgetheilt, daß die hoh- nung für Israets lehte Zukunft, womit diese Rede nach Rauh. W, 39 schloß, keine Stelle finden konnte; darum fügen ne nun noch, ehe sie den HErrn thaisächlich vom Tempel scheiden lassen, diese liebliche Geschichte von dem Scherflein der Wittwe hinzu, die, wie sie einerseits der vorhin gerfigteu scheinheiligen kljabsnctsh welche der Wittwen Güter frißt, eine aufrichtig fromme Seele gegenübersteht, die in ihrem Glauben-drang ihren ganzen Eebeusunterhalt Gott znm Opfer bringt, andrer- seits auch von der heillosen gottverlassenen Stätte einen Trost mit hiuniegnimmk also unter den gottlosen Pfle- gern des todten Opferdienstes doch noch eine solche siill verborgen: Seele! Da mag dem Tempel aus liösilichen Steinen immerhin die längst verdiente Zerstörung drohen, es giebt einen lebendigen Tempel, der wird aus der Zerstörung gerettet und ans ihm künftig ein neuer Tempel gebanet werden. (Ugl. Mark· 12, 4I——44.) I. Er sahe aber sals er nach jener Rede wider die Schriftgelehrten und Pharisäer in dem Vorhof der Weiber sich niedergelassen hatte] auf, und schauete die Reichen, wie sie ihre Opfer ein- legten in den Gotteskasten · 2. Er sah aber auch eine arme Wittwe, die legte zwei Scherflein ein» 3. Und er sprach: Wahrliclhich sage euch: Diese arme Wittwe hat [was den inneren Werth ihrer Gabe betrifft] mehr denn sie alle ein- gelegt 41 Denn diese alle haben aus ihrem Ueber- floß eingelegt zu dem Opfer Gottes; sie aber hat von ihrer Armuth sbei der sie selbst nicht hin- reichend zum Leben hat] alle ihre Nahrung, die sie hatte, eingelegt. Es ist, als könne der HErr nach solchen Zornes- warten, wie er vorhin sie ausgesprochem von dem Tempel ni t scheiden, als müsse wenigstens sein letztes Wort ein ort des Segens und Friedens sein, sodaß wir kaum wissen, in welchem Charakter wir in dieser Trennuugsstunde den König des Gottesreichs am mei- sten bewundern sollen, ob mehr als Vergelter des ver- borgenen Bösen, oder als Belohner des verborgenen Guten. Er fragt nicht, ob diese Gabe nicht eine ver- gebliche sein werde, ob es gut sei, mit solchen Opfern die Tempelkafse und ihren Mißbrauch zu unterstützem ob ein Gottesdienst noch von Wittwen unterhalten werden dürfe, der wenige Jahre später dem Schwert der Feinde erliegen sollte: er sieht allein auf Grund, Charakter und Zweck ihrer That, und die Arme, die Alles in gutem Glauben geop ert, aber ihren Glauben behalten hat, gewinnt jetzt mit ihren beiden Kupfer- gücken eine Rente unvergän licher Ehre. Durch das orbild dieses Weibes sind ie Pfennig-, Halbbatzens Vereine der Mission, die Ketten-Vereine der Gustav- Adolfstiftung u. s. w. sanetionirt. (v. Oosterzee.) Wir können uns dieses Weib nicht anders denken, als: sie kam daher im Wittwenschleier, den thräneigchweren Blick zur Erde niedergesenkt, in demüthigster eugung vor dem HErrn, der sie durch den Tod ihres Gatten so schwer heimgesncht hatte; sie kam daher, wo Sünd- und Brandopfer zum Gedächtniß der Sünden darge- bracht und P almen gesungen worden waren, in wel- chen es hieß (Ps. 119, 67): ,,HErr, ich bin sehr gede- müthigt; erquicke mich nach deinem Wort« Jhre Seele muß aber auch nach Gott, nach dem lebendi en Gott und seiner Gnade verlangt haben. Mit en wei Scherflein, die sie allein noch übrig hatte, wirft fie ihr ganzes Vermögen in den Gotteskasten; da muß sie doch gedacht haben, wiewohl sie der HErr gede- müthsiåzet und aus einer Naemi zur Mara gemacht hat ( uth I, 20f.), er sei es doch werth, daß sie ihm ihr Alles zum Opfer bringe. Denn gesetzt auch, ihr Herz hätte an den zwei Scherflein gehangen, dann zogen diese ja nun, indem sie in den Gotteskasten sie- len, das Herz nach sich; und in der That übergab sie mit den zwei Scherflein Gott ihr Herz, ein Herz voll Liebe und Dankbarkeit. Zugleich aber auch ein Herz voll kindlichen Gottvertrauensx denn ,,ihre ganze Nah- rung hat sie einglegt,« bezeu t ihr der HErr. Ihre ganze Nahrung! wovon wo te sie mor en nun leben? und wenn sie nun heimkam und ihre inder schrieen nach Brod, womit sollte sie ihren Hunger stillen? Ob sie wohl gedacht hat, mit den zwei Scherflein kann ich doch mchts Erkleckliches anfangen; darum ist es einer- lei, ob ich sie behalte oder weggebe? So denken lei- der manche unter den Armen, indem sie Gottes Gabe verachtend den letzten Zehrpfennig, und sogar noch für ganz nichti e Zwecke, verschleudern; allein das sind auch die A erverzweifeltsten unter den Armen, und zu diesen ehört die arme Wittwe nicht — wenn dir dein letzter ehr- und Nothpfennig selbst nichts mehr gilt, dann will ihn auch der HErr nicht, der HErr hat aber die arme Wittwe gelobt, ihre Gabe sich Wohlgefallen lassen und ihr einen Werth zuerkannt, den die Gaben der reichsten Geber in seinen Augen ni t hatten. Das muß uns genu sein, um daraus den chluß zu zie- hen, die zwei cherflein müssen in dem Besitz dieses Weibes auch ein großes Kapital gläubigen Gottver- trauens gewesen sein. Dies Opfer war es, was dem HErrn so wohl gefiel; und meint ihr nicht, daß ihr der HErr auch wirklich für das in feinen Augen so große und werthvolle Opfer ihres demüthigen, dank- ar liebenden Herzens alle ihre Sorgen abgenommen haben werde? Wer darf daran zweifeln! wer seinem Gott mit einem solchen Vertrauen entgegenkommt, der darf auch alle seine noch übri en Sorgen auf ihn werfen. O daß doch auch wir a e unsre Gaben also dem HErrn opferten, wie diese arme Wittwe! (Deichert.) Wenn es nur viel Solche gegeben hätte, wie diese Wittwe, welche bereit war, alles, was sie als das Jhrige ansehen konnte, zum Unterhalt des Gottes- dienstes beizutragen, dann hätte sich wohl ein reiner Eifer entwickeln können, der, weit entfernt in jenen Ungestüm auszuarten, der den Tempel zerstörte, viel- Das Scherflein der Wittwe. 851 mehr dazu beigetragen ätte, den Untergang aufzu- alten. (Schleiermacher. Die Geschichte steht zum eichen da, daß Gott sein Augenmerl auf das Opfer im Tempel hat und daß er aus aller Spreu des religiösen Scheinwesens die edle Frucht der Jnner- lichkeit und der Treue heraussindet (P. Lange) Der wohlgefällige, anerkennende Blick Jesu, der auf der Gabe der Wittwe ruht: l) ein Blick voll wohlthuender, tröstlicher Huld, Z) ein Blick voll hehr und heilig fragenden Ernsies an uns Alle. Fofackerh Die Uebung der mildthätigen armherzigkeit I) ist eine große Pflicht und L) bringt großen Segen. (Kapff.) III. d. 5—36. (§. 109.) hier sehen wir nun Jesnm vom Tempel hinweggehen und nach verlasfung auch der Stadt sitt) drüben am Qelberg mit den Jüngern nieder— sehen, umseine grosse eøkhatologisclje dtede an sie zu halten. Dieser ganze Vorgang enlspritht dem Gesieht des Propheten heseltiel (l1, 23) von dem Jlbzug der Herrlichkeit des thErru ans dee Stadt nnd ihrem Stel- lnnguehmen ans dem Oelberge (vgl. die Bein. zu jener Stelle); noch bestinimter tritt eine solkhe mittelbare Be— zngnahme dann heraus in dem folgenden vierten Ab— schnitt, womit diese Gruppe von den auf den Tempel sith bestehenden Erzählungen schließt. S« d. 5—-24. In diesem ersten Theil der Rede theilt der Evangelin die Worte Christi in einer Fassung mit, daß die Zerstörung Jerusalems nnd des Tempels alsbald in den Vordergrund des Geflthtos tireisei tritt, nnd führt znletzt anih eine unr hier auf- behalleue weissagnng an, die das Siegel darunter- drfictitz daß eben von diesem Ereignis, nicht aber zu— gleich von der letzten Erscheinung des tjEkrn gehan- delt worden sei. (vgl. Matth. U, l— M; Mark. is, 1—23.) Z. Und da sbeim Weggehen aus dem Tem- pel] etliehe [von seinen»Begleitern] sa ten Von dem Tempel, daß er geskhmuclt wäre von seinen Stei- nen nnd Kleinodien [kostbaren Weihgeschenken, es ihnen also kaum möglich schiene, daß ein solcher Bau der Zerstörung von Gott sollte preisgegeben werden, wie er schon angedeutet habe Kp. 13,35; 19, 43 f.; Matth. 23,’" 38], sprach et: » a. Es wird die Zeit kommen, in welcher deß alles svon dem allen], das ihr sehet, nicht ein Stein auf dem andern gelassen wird, der nicht zerbtochen lvetde [mein Wort bleibt also -in Kraft und Geltung , wie sehr auch der äußere Augen- schein dagegen spricht Jer. 26, is; Micha 3 12 . »« 7.« Sie fragten ihn aber sals er nun mit ihnen am Oelberge sich befand Matth. 24, Z; Mark. 13, 3 f.], nnd sprachen: Meister, wann soll das werden swas du vorhin gesagt hast]? Und welches ist das woraus-gehende] Zeichen, wann das geschehen wird [und nun auch deine Zukunft erfolgt und der Welt Ende]? Josephus ((1e b. Jud. VI, 5, Z) berichtet: »Als der Tempel ganz in Feuer aufgin, hielten die Römer Schonung der übrigen Gebäude sür nutzlos und zün- deten alles an, die Reste der Hallen und der Thore, zwei ausgenommen, die sie nachher niederrissen, das östliche und das füdliche; dann verbrannten sie auch die Schaßkammerm worin unerineßliche Schätze, Klein- odien, kurz der Tganze Reichthuni von Judäa aufge- fchichtet lag, wer» die«Rei en uberallher ihre beste Habe dorthin ·gefluchte«t. n unsrer Stelle nun· ind unter den Kleinodien insonderheit die vielen Wei ge- fchenke des Tempels u ver tehen, unter denen nament- lich auch solche von sürstli en Personen sich befanden, wie die von Herodes gefchenkte goldene Riesenweinrebe an der Vorhalle des eigentlichen Tempelhauses (s. S. 36). Den Jüngern erscheint es unglaublich, daß ein so kostbar und unerschutterlickzzfest aufgeführtes Gottes- haus sollte von Gott der erwüstung preisgegeben werden, zumal die fromme Opferwilligkeit so viel an dessen Verschönerung gewendet; und nun hatte Jesus in der vorhergehenden Geschichte von den zwei Scherf- lein der Wittwe ja selber einen so großen Werth auf dergleichen Spenden an den Tempel gelegt, denn atte er gleich dieser äußerlich geringsten Gabe den hö sten inneren Werth beigemessen, so hatte er doch den Gaben der Reichen nicht allen Werth abgesprochen, sondern immerhin sie in der ihnen ukommenden Bedeutung gelten lassen. Nach un erm erständniß des prophe- tischen Worts wagen wir den Satz auszuspre en, daß zu Ende dieses gegenwärtigen Jahrhunderts as Je- rusalem der Ietzigen Christenheit in Feuer ausgehen und der Tempel der aus den Heiden an erbauten Kirche zertrümmert werden wird: das will anchem als eine Vermessenheih Ja wohl gar als Wahnwitz er- scheinen, im Gegentheil meinen sie, wenn gerade jetzt dieser Tempel durch Neugestaltuiig der Kirc2enverfas- sung einen herrlichen Umbau erfahre, wenn as chrifti liche Jerusalem doch so Vieles thue, um Gotteshäuser und Schulen zu errichten und Heils- und Wohlthätig- keitsanstalten zu vermehren, wenn der frommen Seelen im Einzelnen es eine ungezählte Men e gebe, die den Jüngern Christi, den ihm anhan en en Herzen und jener Wittwe am Gotteskasten glei en, und wenn ins- besondere auch die ThäatirmGemeinde den in Ossenb 2, 19 ihr beigele ten arakter aufs Neue bewähre, so wären das sichere nterpfändey daß die Kirche einer Zeit neuer Blüthe entgegengehe. Wir können uns aber auf Grund der vorlie enden Verse durch alle diese Einwände in unsrer ieinuK nicht irre machen lassen, ondern haben nur unsre uffassun des prophetischen orts einer immer »erneiteten Prii ng zu unterwerfen, ob sie der Schrift» emäß und dem Geiste des Errn entsprechend sei; is? sie das, dann sind wir un rer Sache gewiß, daß wir nun jenen Ge- enreden vielmehr folgende Sätze entgegenhalten: I) eberhaupt soll Ia der Ta des HErrn kommen wie ein Dieb in der Nacht —- as ilt auch von den vor- laufenden Erscheinun en seiner åerrlichkeit und O en- barungen feiner riclsterlichen ewalt: die Men en werden ver chmachten vor Furcht und vor Warten er Dinge, die da kommen sollen auf Erden, aber gerade das, was hernach wirklich kommt, werden sie am aller- wenigsten erwartet haben, weil auch· die Schriftgläu- bigen in der Regel die Schrift bei» vielen Punkten nicht recht zu deuten sich entschließen mogen(Kp.»18,34). 2) Wer dem HErrn aufrichtigen Herzens anhing im Glauben, dem sollte das Gericht über Jeruffalem nicht schaden, vielmehr sollte es allen wahrhsit frommen Seelen eine Erlösung werden von den edritckun en der Un läubigety von dem Tru und der Herrs aft der alschen Geister und die usfiihrun aus dem Dienthause nach dem gelobten Landes un was von dem Bau auf göttlichem Grunde wirklich» ächtes Gold, Silber und Edelsteine war, das sollte Ia ni t mit- verbrennen im Feuer des steinernen Tempels, ondern Z» 852 Evangelium Lucä 21, 8—24. nur Holz, Heu und Stoppeln (l. Cor. Z, 12 f.), und wir haben ja auch, gleichwie bei dem Gericht über das jüdische Volk hinter dem Ausreißen des Maulbeer- baums aus seinem bisherigen Boden eine Versetzung desselben ins Meer stand (Kap. 17, G; Röm.11, 11f.), bei dem Gericht über die Heiden, deren Gnadenzeit nun zu Ende geht (V. 24), die Erfüllung der zweiten Hälfte des 15. Verses in Röm 11 und eine Verwirk- lichung des Gesichtes in Hef 47 zu erwarten, so daß es uns wahrlich nicht schaden wird, wenn der HErr auf Zion sich nun eine Gemeinde gründet, die nicht habe einen Flecken oder Runzel oder deß etwas (Ossb. 14, 1 ff.). Wenn das in Offenb. 11, 7 ff. allmälig aus dem bgrund aufsteigende Thier, das seinen Streit mit den zween Zeugen hält, sie überwindet und tödtet, so muß das gerade in einer Zeit eschehen, wo die zween Zeugen in voller Lebenskrat sich zeigen, daß man hernach, wenn sie nun als Leichname dalie- gen auf der Gase der roßen Stadt und man sie be- schaut und über ihnen sich freuet, nicht sagen möge, sie seien an Altersschwäche gestorben, sondern es klar vorliege, sie sind getödtet worden —- wer Verstand hat, der überlege, und wer jetzt zu bauen sich berufen glaubt, der vergesse l. Cor. 3, 11——15 nicht! 8. Er aber sprach: Sehet zu, laßt euch nicht verführen. Denn Viele werden kommen in meinem Namen, und sagen, ich snämlich Christus] sei es, nnd die Zeit sei herbei kommen sdaß nun das messianische Reich in Herrlichkeit hervorbreche]. Folget ihnen nicht nach sdaß ihr ihnen Glauben schenken und euch auf ihre Seite schlagen wolltet]. 9. Wenn ihr aber hören werdet von Kriegeu und Empörnngem so entsetzet euch nicht sdaß ihr euch wolltet aus der rechten Fassung bringen und zu vorschnellen Unternehmungen verleiten lassen], denn solches muß zuvor geschehen; aber das Ende ist noch nicht so bald da. 10, Da sprach er fin einem neuen Ansatz seiner Rede das eben Gesagte näher erläuternd] zu ihnen: Ein Volk wird sich erheben über das andere, und ein Reich über das andere; 11. Und werden lindem zu den großen poli- tischen Stürmen zugleich gewisse Naturerschek nungen hinzutreten] geschehen große Erdbeben hin und wieder, theure Zeit und Pestilenzz auch wer- den Schrecknisse nnd große Zeichen vom Himmel [davon in V. 25f. noch einmal die Rede] geschehen [Matth. 24, 4—7; Mark. 13, 5———8]. Indem unser Evangelist in V. 7 die vollständige Frage der Jünger, wie wir sie in Matth.24, 3 lesen, in der Weise des Markus (13, 4) dahin verkürzt, daß die Zerstörung Jerusalems und des Tempels in den Vordergrund des Gesichtskreises tritt, hat er sich den Weg ebahnt, diese Angelenheit nun auch in der Rede Christ: selber hauptsächlich hervortreten zu lassen; von V. 12—24 haben wir es dann auch fast ausschließlich damit zu thun, dagegen ist die Einleitung dazu in diesen zunächst uns vorliegenden Versen 8— 11 ganz im Lichte des Endes der Zeiten gehalten, auf wel es ja der HErr selber vor allen Dingen die Blicke er Jünger gelenkt hatte. »Wir finden bei Lukas eine freiere, mehr fragmentarische Reduktion der ganzen Rede; manches Wort von besonderer Wichtigkeit wird vollständiger von Malihäus und Markus aufbewahrt, dagegen treffen wir bei Lukas einzelne Besonderheiten an, die an und für sich die höchste Aufmerksamkeit ver- dienen und die Uebersicht über das große Ganze in mancher Beziehung erleichtern.« Was nun den Jn- halt von V. 8—11 insonderheit betrifft, so lassen sich auch da manche Beziehungen aus die Zeit, welche der Zerstörung Jerusalems unmittelbar vvrherging, nicht verkennen; indessen haben sie doch mehr noch ihre Bedeutung für die letzte Zeit, nur daß man diefe nicht beschränken darf auf die sichtbare Wiederkunt Christi zum jüngsten Gericht und auf die Herstellung eines neuen Himmels und einer neuen Erde, wie ge- wöhnli geschieht, indem man als unmittelbar diesen Ereigni sen vorausgehend das Auftreten des Antichrist und als unmittelbar damit zusammenfalleud die Be- kehrung der Juden annimmt. Die Offenbarung St. Johannis giebt uns vielmehr eine anz andere An- schauung von der Aufeinanderfolge der sogen. letzten Dinge: sie beginnen mit derjenigen Wiederkunft Christi, die er in Kap. is, 35 angedeutet hat, also mit der Bekehrung Jsraels, die dann erfolgt, wenn die Zeiten der Heiden (V.24) abgelaufen sind und über diese ein Gericht ergeht, ziehen sich dann fort bis zur Ausge- staltung des persönlichen Antichrist, der aus der in ihre eigenen Wege dahin egebenen Verstockten Kirche hervorgeht, münden nach essen Vernichtung ein in die Aufrichtung des tausendjithrigen Reichs, nach dessen Ablauf das weltmächtliche und gottlose Wesen noch einen Versucht macht, das Reich Gottes zu vernichten, aber dieser Versuch wird plötzlich und in Einem Au- enblick zn Schanden gemacht durch den nunmehr erst sichtbar hervortretenden Christus, welcher bis dahin nur unsichtbar und geistlich sich hat spüren lassen in außerordentlichen Werken seiner Macht und Gnade, nunmehr jedoch den alten Weltbau zertrümmert, um einen neuen an die Stelle zu setzen (Osfenb. 11, Il- 21, 8). Gehen wir auf jene oben angegebene Wieder- kunft zurück, deren Eintreten von da an, wo der Jn- halt von Offenb. 6, l— 9, 21 sich erfüllt hat, keines- wegs mehr einer unbestimmt gelassenen Zeit vorbe- halten ist, sondern ihren festen Punkt innerhalb des Verlaufs der Jahrhunderte der christlichen Zeitrech- nung hat (Ossb. 10, 6f.), so sind es hauptsächlich ihre Vorzeichen, die uns in V. 8 — 11 angegeben werden; und da wir gerade dieser Erscheinung des Menschen- ssohnes zur Wiederannahme des Volkes seines Eigen- thums (Hos. 2, 19 f.) so nahe stehen, so wäre es gut, es lernten manche sonst ernstgesinnte Christen das ,,entsetzet euch nicht« in V. 9 besser beachten und sich nicht zu voreiligen Auswanderungen, sei es geistlich in eine vermeintlich fester stehende Kirchengemeinschafh sei es leiblich in eine vorgeblich wider as Wüthen des, wie sie meinen, bald zu erwartenden Antichrist sicher gestelltes Land verleiten. » 12. Aber vor diesem allen [bevor jene letzte Zeit V. 8 — 11., aber auch schon diejenige ein- tritt, um die es bei eurer Frage V. 7 zunächst sich handelt] werden sie die Hände an euch legen, und euch verfolgen, nnd werden euch überanlworten in ihre Schulen [zur Geißelung Z. Cur. 11, 24] und Gefängnisse [zur Kerkerhaft Apostg. 12, 3ff.], nnd vor Könige nnd Fürsten [Apostg. 24 —- 261 ziehen, um meines Namens willen. 13. Das wird euch aber widerfahren zu einem Zeugniß [damit ihr nämlich Gelegenheit Weissagung von der Zerstörung Jerusalems und des Tempels. bekommt, euer Zeugniß von mir auch an solcher Stelle abzulegen, bis wohin es ohne folche An- lässe nicht würde gedrungen sein Apostg. 9, 15; 23, U; 27, 24; Ph1l. 1, 12 ff.]. 14. So nehmet nun zu Herzen smeinen Trost und meine Mahnung, die dahin gehen], daß ihr nicht forget, wie ihr euch verantworten sollt fund euch eigens darauf vorbereitet] » 15. Denn ich [selber, euer HErr und Mei- ster] will sdurch Eingebung meines Geistes] euch Mund und Weisheit geben, welcher nicht sollen widersprechen mögen, noch widerstehen alle eure Widerwärtige [Apostg. - S, 105 7- 51; 13- 8 —- 10]. 16. Jhr werdet aber [um auf das in V.12 Gesagte zurückzukommem den Königen und» Für- sten] iiberantwortet werden von den Eltern, Brü- dern, Gefreundten und Freunden svon denen, die euch die Allernächsten sind, den] eigenen Volksge- nossen]; » nnd sle werden [sogar selber] eurer etliche todten [Kap. 11, 49; Apostg 7, se; 12, 1s.; Matth. 23, 35]; 17. Und ihr werdet gehaßt fein von jeder- maun, um meines Namens willen [Joh. 15, 21]. 18. Und sdoch sollt ihr darum euch nicht sorgen, als würdet ihr eures Antheils an mei- nem Reiche damit verlustig gehen; denn selbst] ein Haar von eurem Haupt soll nicht umkommen [so daß auch nicht das Geringste von dem, was ich euch beschieden habe, euch entgehen wird, son- dern es wird euch alles im ungetheilten Maße zufallen im Tode selber und darnach vollends in der Auferstehung der Gerechten Offenb. 6, U; 20, 4 ff.]. 19. Fasset Darum] eure Seelen mit Geduld [Hebr. 10, 36 und harret in eurer Treue aus bis zum Ende]. St. Lukas giebt hier eine Erweiterung des Wortes Christi in Matth. 24, 9., wie eine folche theilweis schon in Mark. 9, 9——13 vorliegt; es sind aber nicht ihre eigenen Worte, die beide Evangelisten hinzuthun, sondern nur eine Wiederaufnahme dessen, was der HErr selbst den Aposteln in ihrer Jnftructionsrede Matth. 10, 17—22 gesagt hatte, weil dasselbe gerade zu der Zeit, auf welche der vorliegende Abschnitt hin- weist, soweit es die Apostel perfönlich betraf, zur Er- füllun kommen sollte. Bei Lukas kann man hier deutlj merken, daß er sein Evan elium nach dem J· 63 n. Chr. geschrieben hat, als die rmordung Jakobus-II. und die Hinrichtung des Paulus in Rom schon voll- endete Thatsachen geworden waren, welche le tere ja ebenfalls dur die ungläubigen Juden herbeige ührt war; auch Mar us schreibt in solcher Zeit, wo obige Rede Christi sich bereits verwirklicht hatte oder doch, wenigstens was den Petrus und Johannes anging, sich noch verwirklicgen sollte. Wir dürfen darum uns nicht wundern, da sie früher bei der einstmaligen Aussendung der Zwölfe (Kap. 9, 1 — 5 u. Mark. 6, 7——11) den HErrn nur das zu ihnen haben sagen 853 lassen, was zunächst für sie von Wichtigkeit war, An- deres aber hierher verlegen, wo es zu wirklicher Gel- tung kommt. 20. Wenn ihr aber sehen werdet Jerusalem belagert mit einem Heer [Matth. 24, 20 Anm.]; so merket, daß [wie ich schon in Kap. II, 43 f. angedeutet habe] herbei kommen ist ihre Verwü- stung [von der in Dan. I, 26 f· geweifsagt wird]. 21. Alsdann [weil nun keine Zeit mehr ist zu warten uud sich mit der thörichten Hoffnung zu fchmeicheln, als werde die Noth wieder vor- ubergehetq wer in Judcia ist, der fliehe auf das Gebirge; und wer mitten darinnen snämlich in der Stadt] ist, der weiche heraus; und wer auf dem Lande [in der Umgebung Jerusalems] ist, der komme nicht hinein ssich daselbst Sicherheit zu suchen, wie die ungläubigen Juden thun werden]. 22. Denn das sind die Tage der Rache [über die prophetenmörderische Stadt Kap. 13, 34f.], daß erfüllet werde alles, was geschrieben ist [3. Mos. 26, 23 ff.; H. M. 28, 49 ff.]. 23. Wehe aber den Schwaugern und Säu- gern in denselbigeu Tagen; denn es wird große] Noth auf Erden sein, und ein Zorn über dies Volk sMatth 24, 15 —- 20; Mark. 13, 14—18]. ZU. Und sie werden fallen durch des Schwertes Scharfe, und gefangen gefuhret unter alle Völker; und Jerusalem wird zertreten werden von den Hei- den, bis daß der Heiden Zeit erfüllet wird [vgl. die Erklärung zu Hes. 30, 3]. Bei der Wiedergabe dieses Theils der Rede Jesu bleibt Lukas ausschließlich bei dem zunächst gewei sagten Gegenstande stehen; daher fehlt bei ihm der nhalt . von Matt?.424, 21—-—27 u. Mark. 13, 19—-23., die in vo P. 20 u. n ibm aufbehaltenen Züge sind deut- licher und bestimmter, weil auf die Katastrophe über Jerusalem be chränkt, als dies in Matth. 24, 15 u. 28; Mark. 13, 14 der Fall ist, wo auch auf die letzte Zeit Bezug genommen wird. Was insonderheit den Jnhalt von V. 24 betrifft (über V. 20 wurde s on zu Matth. 24, 20 das Nöthige bemerkt), so schil ert die erste Hälfte das Schicksal des Volks, die zweite den Zustand Jerusalems bis zur Zeit seiner Wiederauf- richtung· (v. Burgen) Das »zertreten werden von den Heiden« findet sich wieder in Osfenb.11,2., welche Worte sich augenfcheinlich auf unsere Stelle zurückbeziehem wodurch die ineingehörigkeit dieses dem Lukas eigenthümlichen usspruchs des HErrn in diese seine eschatologische Rede eine nicht ge- rin e Bestätigung erhält. —— lgöchst bedeutungs- a vo ind die Schlußwortm ,,bis d der Heiden Zeiten erfü t sein werden«; die Verwerfung Jsraels ist nach Röm. 11 keine totale, es ist daher die Erfüllung der Heiden-Zeiten als verbunden zu denken mit der Wieder- annahme der Juden, aus der andern Seite aber auch« in Beziehung auf sie als ein über dieselben neu er- gehendes Straf- und Sichtungsgericht zu fassen. (Ols- hausen.) Die Hand des HErrn ruhet wnnderbarlich auf dieser Stadt und ihrer ganzen in großem Kreis- lauf typischeii Geschichtm das Zion und Jerusalem 854 Evangelium Lucä 2l, 25-——33· muß, weil seine Inhaber zu Amoritern geworden im vollen Sündenma und das Heili thum selbst entweihet und zertreten haben, auch im leibenden Greuel der Verstörung erst wieder ein Jeb us (d. h. Zertretenes, Zertretung Nicht· II, 10 f.; 1·Chron. l2, 4 f.) werden, ehe das uralte melchisedekische S alem (l. Mos. 14, 18) wiederkehrt; denn eine lange Zeit wohl dauert die Zertretun , aber nicht immer. Julian zwar will es umsonst auen, und die Krenzzü e wollen’s um onst wieder heiligen; aber der HErr Isat ein Ziel ge etztx ,bis daß er Heiden Zeiten er üllet sind.« iese seiten der Heiden können durchaus nur die auch ihnen wie’ Jsrael von Gottes Gnade und Langmuth gesetzten Berufungszeiten sein; sie sind aber voll geworden oder abgelausen — d. h. zugleich, anders gewandt: die Zeit des Endes, der Tag des Gerichts ist gekommen — wenn auch die Heiden u einem gleichen Gerichte wie Israel reif sind. Diese Heiden sind alle nicht- theokratischen Völker die ganze Ges ichte hindurch, namentlich die aus ihnen entstehende hristenheiy in dieser ganzen langen Periode e chieht die Sammlung der Gläubigen aus allen Völ ern, das Eingehen, der Fülle (Röm. 11, 25), d. h· theils des ausfüllenden Ersatzes einstweilen an Jsraels Statt, theils der on Gott versehenen Vollzahh dann aber hört die Zer- tretungJerusalems auf und es wird gebaut, dann wird Jsrael aus allen Völkern wiedergebra t —- alles, wie die Propheten davon weissagen un der ZEM alles bestätigen , hier darauf verweiset. (Stier.) n Kap. II, 44 ist durch »die Zeit Jsraels« die Periode bezeichnet, wo Gott sein Volk heimsucht, um ihm das Heil anzubieten« darnach bedeuten »die Zeiten der Heiden« die ganze Periode, während welcher Gott diesen bisher seinem Reiche fremden Völkern mit seiner Gnade nahe kommt (2. Cor. 6, 2), die Mehr eitsform » eiten« erklärt sich hier aus dem Verhältni zu der e rheitsform ,,Heiden« —- die heidnischen Nationen wer en nur nach einander berufen, woraus sich inner- halb des Einen Zeitraums eine Mehrheit von Ent- wickelungen ergiebt. (Godet.) Um schließlich noch die Gefan enschast Israels unter alle Völker in Betracht zu ziehen, so ist der gegenwärtige Zustand dieses Vol- es der große Beweis für die Auctorität des Pro- pheten, der dies alles vor l8 Jahrhunderten vorher verkündigte und den sie undankbar verworfen. Gerade daraus wird auch das entschieden Unchristliche einer solchen Emancipation der Juden klar, wie man sie in unsern Tagen unter dem Motto von Freiheit und Bildung zu betreiben pflegt OR. Hes 20, 32). Das Recht der Gastsreiheit für die erbannten aus Juda kann nicht dringend« genug anbefohlen, nicht zu weit- erzig ehandhabt werden; aber es wird ein wirk- iches nrecht, wenn sich die Christen gerade durch die nur eitweilig unter ihnen aufhaltenden Juden im Genu ihrer christlichen Vorechte und in der Ausübung ihrer rhristlichen Pstichten in irgend einer Weise be- indern lassen. Darum rächt -sich aber auch diese hristusverleu nung nicht weniger als die jüdische Messiasverwer n ; wenn die Christen den Juden ihren Christus zum Opfer bringen, angen die Juden mit materieller und moralisiker Kraft den Staat zu« be- herr chen an, und der esonders auch durch indisch- deisti chen Einfluß vertheidigte Liberalismus bahnt zum Jndi erentisuius den Wegjä der endlich — natürli immer unter dem schönen amen von Ausklärun un Recht — zum Atheismus leitet. Auch hier eigt es (V. 8): ,,Sehet zu, laßt euch nicht verführen« (v. Oosterzeeh «) Dem von seinem Halbglauben an das Evangelium in’s Heidenthum zurückgefalleuen römischen Kaiser Julianus (reg. vom November 361 bis Juni 363 n. Ihn) kam es in seinem Hasse gegen Christum darauf an, das einst vom Hohenraths gegen ihn gefällte Erkenniiiiß auf Gotteslästerung nach Verlauf von 300 Jahren noch wahr zu machen und das über ihn aus· gesprochene Blutnrtheil zu rechtfertigen; zu dem Ende erliess er an sämmtliche Juden in seinem Reiche einen kaiserlichen Ausruf des Inhalts, sie möchten sich zusammenschaaren und in ihr Vaterland Palastina zurückkehren, um daselbst durch Wiederanfbau der hell. Sladt und des zerstörten Tempels das Wort des Gekreuzigten zu Schanden zu machen und dadurch zugleich das Vorgehen desselben. als sei er Gottes Sohn, mit Einem Schlage zu vernichten nnd vor der ganzen Welt Lügen zu strafen. Die Proklamation fand, wie sich voraussehen ließ, bei den Kindern Abrahams großen Anklang, und das um so mehr, da der Kaiser ihnen sein Wort verpsandetg er werde zu dem auf den Sturz des Christenthuins berechneten Werte mit Allein, was an Macht und Mitteln ihm zu Gebote stehe, ihnen helfend zur Hand gehen. Eine beispiellose Begeisterung bemächtigte sich der Juden aller Orten; was nur noch sich regen konnte, machte sich aus die Wanderung, selbst Greise, Frauen und Kinder schlossen sich den sogen. heiligen Zügen an. Binnen Kurzem winimelte dasgelobte Land wieder von den späten Nachgeborenen des alten Bundesvolks, es schien zu seiner etnstigen Größe wiederlehren zu wollen; die Feinde Jesu triumphirten schon im Geist, und selbst die Christen sahen nicht ohne wachsende Vesorgniß dem Ausgange dieses wunderbaren Kriegs entgegen. Rüstig nahmen die Juden nach ihrer Ankunft das Wer! in Angrisß jeder glaubte persönlich mit Hand an- legen zu müssen, selbst zarte Frauen und Mädchen sah man - den Schntt in ihren silbergestickten Kleidern hinwegtragen Die staunende Welt zweifelte kaum mehr, es werde sich Jerusalem binnen Kurzem aus seinen Trümmern wieder zu einer Herrlich- keit erheben, welche selbst die frühere in Schatten stellen würde; in diesem Glauben wurde sie vollends bestärkt, als es mit einem Male dem Kaiser einfiel, persdnlich mit jenen Cohorten und Legionen den Arbeitern zu Hilfe zu eilen, mit denen er Länder erobert hatte, wie man Vogelnester ausnimmt, und Könige ein- und abfetzte, wie man auf einem Spielbreit herüber und hinüber schiebt. Was gab’s denn nun? Gar etwas Anderes, als man hätte vermuthen sollen; es fand sich, daß leichter gegen eine Welt Krieg zu führen sei, als gegen den Galilaer in der Dornenkrone Es wurde gearbeitet, aber es fehlte der Segen bei dem Werke; ein neuer Anlauf um den andern wurde genommen, aber die Kräfte erlahmten in dem Moment, da man sie recht concentrirt zu haben meinte. Troß aller Anstrengung rückte der Bau nicht vorwärts, der Kalt festigte, die Steine fugten nicht; Krankheiten nnd allerlei anderes Ungemach traten ein, ja, nach dem von niemand widerlegten Zeugnis; schlugen Feuerflammen aus der Tiefe hervor, in die man die Fundamente legen wollte, und riefen den Arbeitern in ihrer stummen Sprache ihr nachdrückliches ,,hinweg von hier —- hier ist einweilen nichts zu damit« zu. (Kruinmacher.) b· d. Dis-Its. von dein Endgerirht über dao voll: Israel, uiie er der vorige Theil zu seinem haupt- sächlinjsten Grgenstande hatte, geht in diesem zweiten Theil: die Rede nun über zu dem Endgericht über alle Völker, welches der eigentlichen Wiederkunft Christi unmittelbar vorausgeht. Dei: erste Abschnitt (d. 25—33) geht noch niit Dlotthäno und Jllarliuo parallrk wie aber hier schon bei ltnliao das Wort fehlt, daß niemand Tag nnd Stunde wisse, so fehlen bei unserm Evangellsten dann weiter alle Gleithnissn ioie sie nanientllch bei Llatthäuo sich finden, die Floh· nungen und Maruuiigen deo hErrn an die Seinen» werden vielmehr in einige kurze, eliidringlirhe sähe znsauimeugefasit (d. Z4—36), dte in ihrem Snsliifioort deutlich genug uns dar Weltgericht vor Zagen selten. (dgl. Muth. Eil, 29 — Es, s; Fluch. is, 24—Z7.) Von dem Endgericht über alle Völker. Evangelium am L. Sonntage deø Ade-cum) Wie es drei Zeiten giebt, Vergangenheit, Gegen- wart und Zukunft, so giebt es auch ein dreifaches Kommen Jesu Christi: ein Kommen in der Vergangen- heit oder ins Fleifch, ein fortwährendes Kommen im Geist, nämlich in unsre Herzen, Häuser und Gemein- den, und ein zukünftige-s, letztes Kommen zum Gericht.· Von jenem ersten Kommen handeln die beiden letzten Adventsfonntage, denn sie wollen auf das, dasselbe verkündi ende und vor die Augen malende heilige Weihna tsfest, dem sie am nächften stehen, unmittel- bar vorbereiten; von dem andern Kommen hat das Evangelium des vorigen Sonntags ehandelt, und da ist es denn ganz in der Ordnung, dag für den heutigen Sonntag ein Evangelium uns vorgelegt wird, welches an das letzte Kommen des HErrn uns erinnert. Aber nicht das Gericht über Lebendige und Todte und die Verwandlung von Himmel und Erde soll» es sein, wo- rauf der Advent unsere Audacht hinrichtet — darauf werden die letzten Sonntage im Kirchenjahr ("24——27. n. Trin.) uns hinweisen; sondern des Menschen Sohn selber ist es, der uns vorgehalten wird, und zwar wie er kommt mit großer Krat und Herrlichkeit. Ganz anders ist somit das heutige Evangelium als. das vor acht Tagen: ,,dort kam Christus vom Oelbergg her- nieder, ier kommt er hernieder von dem Thron seiner ewigen errliclikeih von der Rechten seines himmlischen Vaters; dort kam er inmitten eines armen Volks- und Kinderhaufens reitend auf einer Esfelim und hier kommt er inmittender himmlischen Heer chaaren in des Him- mels Wolken; dort kam er unter dem Hosianna seiner Begleiter, und hier brausen das Meer und die Wasser- wogen und des Himmels Kräfte bewegen sich; dort Zeht er in Jerusalem ein, und hier in den ganzen reis des Erdbodens; dort treibt er aus, die nicht in den Tempel gezörem und hier stößt er aus, die nicht zu seinem »Rei ·e zählen« Dort nun singt die Kirche: ,,Wie soll ich dich empfangen, »und wie begegn’ i dir, o aller Welt Verlangen, o meiner Seele Zier? o esu, Jefu, fetze mir selbst die Fackel bei, damit, was dich ergösse, mir kund uud wissend feil« hier dage en spricht sie: ,,Au dein’ Zukunft, HErr Jefu Chrit, warten wir alle tunden, der jüngste Tag nicht fern’ mehr ist, d’ran werden wir entbunden; hilf nur, daß wir fein wacker fein, wenn du mit deinen Engelein zu dem Gericht wirft kommen«. Die WiederkunfvJesu Christi amjüng ten Tage: l) welche Ausfichten sie uns gewährt? ie bringt a. die volle Offenbarung seiner göttlichen Kraft und Herrlichkeih b. die ganze Entfaltung der uns bereiteten Seligkeit; 2) welche Forderungen sie an uns stellt? daß wir a. uns völlig scheiden von den Lüften und Sorgen dieser Welt nnd"b. uns gänzlich begeben in die Liebe und Nach- folge des Menschenfohnes —— Wie sehr gerade unsrer Zeit es noth thut, daß ihr ernstlich geprediget werde vonDem, der dakommt; denn I) die Gottessurcht hat abgenommen, die Weltliebe aber macht sich immer breiter; 2) der Glaube muß sich verbergen, der Unglaube aber sdarf frei her- vortreten; Z) gar weit ist unser Gewissen, desto enger aber wird der Umfang aller wahrhaft christlichen Tugenden. 25. Und esckverden [später, nachdem das in V. 24 Gesagte zum Abschluß gekommen und die Zeit des Endes aller Dinge nun da ist] Zeichen geschehen an der Sonne und Mond und Sternen; und auf Erden wird den Leuten bange fein, und werden zagen, und 855 das Meer und die Wasserwogen werden brausen. 26. Und die Menschen werden ver- schmachten vor Furcht und vor Warten der Dinge, die da kommen sollen auf Erden; denn auch der Himmel Kräfte sich bewegen werden. 27. Und alsdann werden sie sehen des Menschen Sohn kommen in der Wolke, mit großer Kraft und Herrlichkeit [Matth. 24, 29 f.; Mark. 13, 24—26]. 28. Wenn aber dieses fwas in V. 25 u. 26 gesagt worden] anfahet zu geschehen; so sehet auf [statt ebenfalls mit der übrigen Mensch- heit in Angst und Schrecken zu gerathen] Und hebet. eure Hauptes: auf, darum, daß sich eure Erlösung nahet fin Matth. 24, 31 u. Mark. 13, 27 steht dafür ein ganz anderer Satz, der sich auf ein etwas früheres Ereigniß bezieht, wenigstens bei Matthäus, vgl. die Bem. zu Mark. 13, 37]. 29. Und er sagte ihnen ein Gleichniß: « Sehet an den Feigenbaum und alle Bäume. · 30. Wenn sie jetzt ausschlagen,»fo sehet ihr es an ihnen, und merket, daß Ietzt der Sommer nahe ist. 31. Also auch ihr, wenn ihr dies alles sehet angehen, so wisset, daß das Reich Gottes nahe ist [vgl. die Bem. zu Matth. 24, .33s u. Mark. 13, 37]. 32. Wahrlich, ich sage euch: Dies Ge- schlecht wird nicht vergehen, bis daß es alles fwenigstens seinem Anfange nach, was den ersten Akt meiner Wiederkunft betrifft] geschehe [und habt ihr erst den Anfang der Erfüllung gesehen, so ist euch das Bürgschaft genug auch für das Ende] 33. Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte vergehen nicht [Matth. 24, 32—35; Mark. 13, 28——31]. Nach allem, was die Schrift über die Wiederkunft Christi vermeldet, zerfällt diese in 4 Akte, jedesmal ein doppeltes Moment enthaltend, ein ftrafriehterliches egen die Widersacher und ein eilbringendes für die Freunde: der erste Akt ist die erstörung Jerusalems, durch welche einerseits der Berg aus dem Wege ge- räumt und ins Meer geworfen, andrerfeits aber der aus feinem bisherigen Boden ausgerisfene Maulbeer- baum in’s Meer verpflanzt wurde (v l. die Erklärung zu Katz· 17, 6)· der weite Akt it die in Offenb 11, 11 ff. angedeutete rscheinung des Menschenfohnes zur Wiederannahme Jsraels, welche auch in Kap.13, 35 vorliegt und der bisherigen Christenheit ein Vernich- tungsgericht bringt, um darnach die aus demselben gerettete Kirche durch den Bau eines neuen Tempels zu Jerusalem (Hef. 40——48) zu neuem Leben zu er- wecken und dem Ziele der Vollkommenheit näher zu führen; der dritte Akt ist die Ers einung zur Ver- nichtung des Antichrist und seines nhanges und zur Aufrichtunq eines auch äußerlich herrlichen Reiches in 856 Jsrael (Offb. 29, 11 ——20, 6); der vierte Akt ist die in nun wirklicher Sichtbarkeit erfolgende Wiederkunft zur Vernichtung der Heerhaufen des Gog und Magog und Auflösung des bisherigen Weltbestandes, sowie zum Gericht über die Lebendigen und die Todten und zur Verklärung von Himmel und Erde (Osfb. 20, 7 —21, 8). Das schon früher mehrmals von uns be- sprochene Gesetz der Heilsgeschichth wonach die Er- füllung einer Weissagung, wenn sie das eine Mal nicht erschöpfend genug war, solange in immer neuen Schwingungen sich fortsetzt, bis der Thatbestand der Verwir li ung sich völlig deckt mit Sinn und Wort- laut des eweissagten, bewährt sich also auch in Betreff dessen, was der HErr in Beziehung auf sein Kommen esagt hat; aber nun macht auch hier das die Auslegung sgeiner Weissagungsworte so schwierig, daß die vier Akte nicht streng aus einander gehalten, vielmehr geradezu in einander geschoben werden und so fast wie u einem einzigen Akt sich gestalten — erst die ge- schichtliche Verwirklichung kann die Auseinanderlegung der vier Entwickelungsphasen in völlig befriedigender Weise l?erbeiführen, bis dahin muß unser Schriftver- ständni mit dem Erkennen der Hauptgrundzüge sich begnügen. Während nun Lukas in Betresf des ersten Aktes, der Wiederkunft Christi zum Gericht über Jeru- salem, eine Scheidung in dem ersten Theil der eschato- lo» ischen Rede des HErrn s on dahin vollzogen hat, da dieser Akt fast ganz aus chließlich ervortritt und nur Weniges noch von der weiteren ukunft Christi hinzugenommen ist, hat dagegen Matthäus in der Scheidung des zweiten und ritten Aktes vor dem vierten den Vorzug größerer Bestimmtheit; es hängt dies zusammen mit der Zeit, in der, und mit dem Leserkreis, für den die heil. Evangelisten schrieben ——Matthäus hatte eine noch nicht ab· elaufene Gnaden eit Jsraels vor sich, die er daher zu inem Stück mit er herrlichen Zukunft des auserwählten Volks zusammen- schließen konnte, Lukas dage en stand schon mitten drinnen in dem Gericht über Jerusalem und übersah genau, wie weit die Weissagung des HErrn sich erfüllt hatte, dagegen war er vermöge seines Interesses für die Heidenwelt veranlaßt, die beiden Theile der mitt- leren Zukunft Christi in das Licht des eigentlichen Kindes, der sichtbaren Erscheinung des Menschensohnes vom Himmel zu stellen, und den Uebergan von jenem Evangelisten zu diesem bildet Markus. siegt in der Person Christi überhaupt eine solche Fülle von Stoff, daß alle einzelnen Seiten des reli iös-sittlichen Lebens in gleichem Maße von ihm beherrxscht werden und nun Ein Evangelist nicht vermögend war, sein Bild voll- ständig wieder zu geben, sondern zur Vermeidung von Einseitigkeiten ihrer vier uns sein Leben beschreiben mußten, so hat auch die Wiederkunft des HErrn so viele Seiten an sich (17, 22), daß ebenfalls ein einzelnes Gefäß den Gesammtinhalt dessen, was er den Jüngern dort auf dem Oelberg verkündigte, nicht aufzufassen vermochte; wir glauben aber, daß, gleichtvie Markus von den vier in Mark. 13, 3 genannten Jüngern den Petrus vertritt, mit dem sein Bruder Andreas sich zusammenschließh ålliatthäus dagegen den Jakobus, so nun Lukas den Johannes wieder iebt, worauf schon das Wort in V.24 verglichen mit ffb.11, 2 hindeuten dürfte, ebenso ist der Ausdruck »die auf Erden wohnen« V. 35 von den irdisch und fleischlich gesinnten Men- schen, die sichhinieden zu Hause wissen und ein be- quemes und recht behrsli es Leben ür ihr höchstes Glück schätzen, ein im u e der Offenb. sehr oft ge- brauchter (3, 10; 6, 10; 8, 10; 11, 10; 12, 12; 13,8 u. 14). Dieser Gedanke führt uns nun auch der Be- antwortung der Frage näher: woher kommt es, daß Evangelium Lucä 21, 33 Blum. von dem Ausspruche Christi in Matth 24, 36 u. Mark. 13, 32 sich bei Lukas keine Spur findet? Jn Johannes nämlich wurde seiner Zeit die fernere Giltigkeit jenes Ausspruchs dadurch aufgehoben, das; der HErr ihm die Offenbarung auf Patmos ertheilte und da aller- dings auch Tag und Stunde, wenigstens in den haupt- sächlichsten Umrissen enthüllte (vgl.- die Bemerk zu Osfenb. 10, 7). Dies würde uns weiter dahin führen, daß das Evangelium St. Lucä nicht schon um die Zeit des Todes des Apostel Paulus, Ende des J. 63 n. Chr. fertig geworden, wofür manche Umstände zu spre en scheinen, sondern erst in der Zeit zwis en der Flu t der jerusalemischen Gemeinde nach Pe a und der Zerstörung der Stadt (66 —70 n. Chr.); wir wer- den davon in den Schlußbem zur Apo telg. handeln. Wie eine Adventszeit uns in’s Christfest einführt, so wird auch eine Adventszeit das letzte Kommen Christi ankündigen und vorbereiten. Wir wollen die drei Zeichen, die unser Text angiebt, uns näher darauf ansehen, wie ie schon auf unsere Zeit zutreffen, um an der drohen en Gefahr eine verstärkte Aufforderung zu finden, das Wort zu beherzigen: ,,halte, was du Ist, daß niemand deine Krone nehme!« Sonne, ond und Sterne werden ihren Schein ver- lieren: das ist das erste Zeichen Sonne und Mond sind Lichter des Himmels, die Sonne ist das ursprüng- liche Licht, aus welchem der Tag geboren, von dessen Glanze des Menschen Pfad erleuchtet wird (Joh. 11, 9); der Mond ist das abgeleitete Licht, das von der Sonne erborgte, das zwar keinen Tag gebiert und kein Leben zu zeugen verma , aber doch die Schrecken der Nacht mildert und ihr chauriges Dunkel mit seinem Glanze aufhellt. Sonne und »Mond sind an dieser, wie an vielen Stellen der heil. Schrift das Bild der göttli en Wahrheit und der in ihrem Dienste stehenden men ch- lichen Wissenschaft (?). Jn der Zeit, welche der ersten Erscheinung Christi voranging, war der Glanz dieser beiden Lichter erloschen, es war dunkel geworden auf Erden im Reiche der Geisterwelt; die Menschen hatten die Wahrheit verwandelt in die Lügen, wie der Apostel sagt (Röm. l, 25 u. 28), und hatten geehret und ge- dienet dem Geschöpf mehr denn dem S öpfer, wes- halb Gott sie dahingegeben hatte in ver ehrten Sinn zu thun, das nicht taugt. Mit der Geburt Christi ward es wieder elle auf Erden und aus dem Lichte der göttlichen O enbarung erblühte eine Verheißungs- volle christliche Kunst und Wissenschaft. Jn der letzten Zeit nun, welche dem letzten Kommen Christi voran- geht, werden wiederum, nur in viel umfassenderer Weise, diese beiden Lichter verdunkelt werden und ihren Schein verlieren. Jhr möchtet wohl sagen, davon ei jetzt nichts zu merken; denn der Glaube sei in Ttetem Wachsthum begriffen und die menschliche Wissen- chaft habe nieherrlichere Triumphe gefeiert. Ja, es st wahr, ein Sehnen ist unter den Menschen ange- brochen, ein Sehnen nach einer ewigen Wahrheit, nach einem festen Halt für die Seelen, nach einem Frieden, den die Welt nicht kennt; aber das sind doch nur Wenige — in den Massen wird’s immer dunkler, sie wissen immer weniger von dem eligen Licht, sie wer- den trotz christlicher Schulen, ehrer und Prediger immer weniger von der Erfahrung eines Lebens in Christo berührt, und unsre Gläubigen, sie sind so kalt, so todt, das Wort hat auch für so Viele unter ihnen sein Licht, seinen Glanz verloren, es bietet ihnen keine Kraft mehr, es macht nicht mehr fröhliche, selige Leute, nicht mehr kühne Bekenner, nicht mehr tapfere Streiter, es ist das Christenthum bei Vielen in ein Gefühlsleben ver chwommen, ach bei Vielen ist es eine Modesache gewor en, es hat eine weltförmige Gestal Die Zeichen, welche das letzte Kommen Christi ankündigeir. 857 angenommen und nur selten hat man von unsern Christen das Gefühl, daß ihr Leben aus dem verbor- genen Umgang mit dem HErrn erwächst, daß ihr innerster Sinn heimwärts und himmelwärts gerichtet ist. Und der Mond, die weltliche Wissenschaft, welche aus der Schrift schöpfen, von der ewigen Wahrheit ihr Licht borgen sollte: wie ist er so dunkel geworden, seit er kein Licht mehr von der Sonne empfängt! Wo ist der Unglaube kühner, als unter den Weisen dieser Welt? und diese kühne Wisfenschaft, welche die Kräfte der Natur sich unterthänig zu machen wußte, wie hat sie, trunken von dem Bewußtsein ihrer Allma t und Allwissenheih an den Säulen gerüttelt, die das eilig- thum tragen! Und weil sie das Heiligthum des HErrn verwüstete, weil sie nicht bauete, sondern niederriß, weil sie den Menschen keinen ewigen Halt zu geben wußte, sondern ihnen die letzte, die einzige Stütze zer- brach, darum mußte auf die Verdunkelun der Sonne uud desMondes das zweite Zeichen olgen: und die Sterne werden herniederfallen. Die Sterne sind leuchtende Welten im entlegenen Himmels- raumx in unermeßlicher Zahl sind sie da ausgestreuet, so daß, auf welchem Punkte unsrer runden Erde der Mensch auch stehen und himmelwärts schauen möge, überall schaut er die goldenen Sterne, welche ein zwar schwaches, aber doch gewisses Licht aus fernen Wolken zu ihm tra en und in ihrem fernen, funkelnden und zitternden lanze ihm die jenseitige obere Welt ab- bilden, die mit mattem, aber zweifellosem Lichte in das Dunkel unsers Lebens hineinleuchtet. Deshalb sind die Sterne das Bild der Hoffnung, denn die Sterne sieht man niZh wenn die Sonne scheint, im fröhlichen Genusse des ebens hat die Hoffnung keinen Raum; aber wenn die Sonne nieder gesunken, wenn die Nacht ihren dunkeln Fittig über die Erde ausbreitet, dann funkeln die Sterne, die Hoffnung entsteht aus der Nacht der. Trübsal und Anfechtung Wenn aber die Sonne für den Menschen gar nicht mehr da, für immer verdunkelt ist, wenn der Unglaube das ewige Licht zudeckte, wenn der Glaube auf Erden dahin- stirbt, dann fallen auch die Sterne hernieder; dann wird auch die Hoffnung begraben, die selbst m der dunkelen Zeit noch an der oberen Welt festhielt, dann wird man die bittern Früchte schniecken, welche die vorherge angene Predigt des Unglaubens zeitigte. Ja es ist lei tüber das Heilige spotten, mit Menschenweis- heit über die Wunder der Bibel herfallen, das Wort Gottes als Priestertrug und als einen Zügel für den Pöbel darstellen; aber nehmt erst den Menschen den Glauben an die ewi e Liebe Gottes, die in dem Hei- land das Leben in Lsreiwilligen Tod dahin gab, zer- reißet den letzten Faden, der sie mit ihrem Gott und Heiland noch zusammenhält, was wird geschehen, wenn die Noth hereinbricht? Dann werden die Unglücklichen beten wollen und es nicht können, denn das Heilige ist ihnen im Leben ein Gespött gewesen; ihr Blick wird nach Oben schauen und dort keinen Gott finden, und wenn dem Menschen die Quellen des Trostes und der Hilfe von Oben her und von Jnnen versiegt sind, dann werden die Mächte der Finsterniß über ihn und in ihm Raum gewinnen, und zerstörende Kräfte werden von ihm ausgehen, die Hölle in seinem Inneren wird ihn treiben, Tod und Verderben in die menschliche Ge- sellschaft hinauszutragen Dann aber wird das dritte Zeichen unabwendbar folgen: das Meer und die Wasserwogen werden brausen. Das Meer ist nach der prophetischen Anschauung der Schrift die niederste Schöpfung, weil es dem Menschen keine Wohnstatt bietet, auch nicht den andern Geschöpfen der Welt, weil es nur die niedere Creatur in seinem Schooße birgt; darum wird auch die neue Welt kein Meer aufzuweisen haben (Offenb. 21, 1). Das Meer trennt die Menschemvon einander, es legt sich wie eine weite Kluft zwischen Länder und Völker, und nur müh- sam und schwierig wird auf den Schiffen diese Kluft überschrittem die nothwendige Verbindung sparsam, aber nie gefahrlos hergestellt; wenn aber das Meer - wüthet und die Wasserwogen brausen, dann ist auch diese an sich schon schwierige und seltene Verbindung unterbrochen, dann liegt ein Volk getrennt von dem andern und können sich nicht einen, und die es dennoch in dieser Zeit der Stürme und Erdschütterungen, die bis in die Tiefe dringen, versuchen wollten, die Ver- bindung zu unterhalten, die kommen bei dem Versuche um, der ühne Schiffer wird mit seinem gebrechlichen Fahrzeug von den empörten Wogen in die dunkle Tiefe hinabgezogen. Das erschütternde Bild der em- pörten Wasserwogen, welche das letzte schwache Band der menschlichen Gesellschaft vollends zerreißen, deutet also hin auf das völlige Ersterben der Liebe, das not wendig dann eintreten muß, wenn Glaube und Ho nung werden erloschen sein. Es ist dies das letzte, das schrecklichste Zeichen: alle Triibsale, alle schrecklichen Gerichte Gottes find erträglich, solange noch der Mensch am Menschen hält; und wenn auch verwüstende Kriege die Völker unter einander entzweien, so wird doch auch der Krieg solange noch ertriiglich bleiben, als noch irgend welche Bande der Liebe vorhanden sind, welche den Nienschen an den Menschen fetten, so lan e er noch daheim im stillen Heiligthum des Familien reises eine Stätte der Liebe findet, einen bergenden Zu uchts- ort aus dem Kampf und der Zerrissenheit des ußeni lebens. Wenn aber auch dieses letzte Band zerreißt, wenn auch dieses Heiligt um von den Flammen der Zwietracht entzündet wir , wenn erst die, welche durch die mächtigsten Bande des Blutes, der Sitte und Ge- wöhnung zu gegenseitiger Beglückung auf einander hingewiesen sind, sich gegen einander erheben, wenn im Vater- und Mutterherzen keine Liebe mehr lebt für die Kinder, wenn in den Kindern die ehr urchtsis volle Liebe zu ihren Eltern erloschen ist, wenn die heiligsten Gefühle des Menschenherzens in ihr Gegen- theil, in Eltern-, Gatten-, Bruder- uud Kindesmord umschlagen: dann hat der Zustand der menschlichen Dinge sein Ende erreicht, denn die einzig erhaltenden Kräfte der menschlichen Gesellschaft sind auf ihre Zer- störung gerichtet, und —- ,,wenn ein Reich mit ihm selber uneins wird, wie mag es bestehen?« Wie es in diesem Punkte, mit der Liebe im Heili thum des Familenkreises in unserm Geschlecht unter ohen und Niederen aussieht, darüber könnte ich außer dem, was die öffentlichen Blätter von Zeit zu Zeit über solche Unthaten berichten, aus dem Verkehr, in den mein Amt mich hineiiiführh eine Reihe haarsträubender Ge- schichten erzählen von häuslichem Wesen oder Unwesen; aber ich mag’s nicht, eben weil es Viele zu gerne hören, als daß man glauben dürfte, sie fühlten den rechten Schmerz dabei. Wenn nun Propheten heutzu- tage die Zeit, in der wir leben, in rosigem Lichte dar- stellen, wenn sie»von sittliche1n Fortschritt reden, wenn sie»eine allgemeine Menfchenbeglückung und Weltver- bruderiing ganz nahe glauben: o, dann fühlt man das We? im Herzen noch schmerzlicher; denn das Schlimmste m er bösen Zeit ist das, wenn die Menschen die kommende Gefahr nicht merken, wenn sie den Wurm nicht sehen, der den Kern annagt, weil dann unerwar- tet wie aus. heiterem Himmel der Schlag der Zer- störung hereinbricht und sie aus allen Himmeln und fußen Traumen zu einer furchtbar ernsten Wirklichkeit emporschleudert (Miillensiefen.) 858 Evangelium Lucä 21, 34——38. 22, 1-—6. 34. Aber hütet euch, daß eure Herzen nicht beschweret werden mit Fressen und Sausen sdurch Theilnahme an iippigen Mahl- zeiten oder sonstigen Festlichkeiten, bei denen die Nächte durchschwärmt werden und davon man nur einen schweren Kopf mit heimbringt], Und mit Sorgen der Nahrung sdie nach anderer Seite hin eurem himmlischen Berufe euch ent- fremden und in das Weltwesen verstricken], und komme dieser Tag schnell über euch; 35. Denn wie ein Fallstrick swie eine Schlinge, die der Jäger unversehens dem Wilde über den Nacken wirft] wird er kommen über alle, die auf Erden wohnen [nämlich die ins Jrdische verlorenen Weltmenscheii Offb. 11, 10]. 36. So seid nun wacker [wach, munter] allezeit und betet, daß ihr würdig [besser: gewürdigt 20, 351 werden möget, zu ent- fliehen diesem allen, das geschehen soll, und gib: sgnheiäsnor des Menschen Sohn [Matth. Unser anzes Leben soll ein Wandel vor dem An- gesichte dessen·sein, der da kommt; ihm· entgegen wan- eln sollen wir allewege, und· in· Beziehung auf ihn, aus seine Zukunft und die Ewigkeit soll in uns alles, soll jede Minute des Lebens stehen; unser ganzes Leben soll ein Baum sein, der seine Wurzeln am Throne dessen eingxgchlaåen hat, der da kommt, dem der Boden jener elt ast und Kraft zufü rt, von welchem nichts hienieden ist als Frucht und chatten. Da wir’s dahin kaum brin en werden, sollten wir weni stens handeln und wan eln als die Davoneilen- den, Ader Welt Entsliehendem einer bef ern Welt War- tenden; nicht»traurig, da wir ja alle age mehr von dem Leide ninter uns bringen, das uns zugeinessen ist, sondern röhlich, als· die dem Tage Christi taglich näher kommen, sollen wir leben und jede nns gereichte Erdengabe als Bild und Pfand jener ewigen Gaben, derer wir warten, an. uns nehmen und· gebrauchen. Sollen wir denn alleine so? wnllenwirnichtauchii sind wir nicht Schafe seiner Weide? Fressen und Sausen, wovon das Herz befchwert wird, sind das Dinge, welche wir im lebendigen Glauben an Den er- wählen können, der da kommen wird? Das werde von uns nicht esagt, das sei ferne von uns! danon reiuige, davor e üte uns Er selber durch die Kruste der zukünftigen elt! Alles, was das Herz befchwert, was es hindert, dem HErrn entgegenzugehew das werde ab- und ausgeworfen, das werfe Jesus ab und aus! Er werfe auch die Sorgen aus, welche das Herz befchweren, diese Lasten, welche um Mitleid rufen und keins verdienen, die da sterben und ausgerottet werden sollen, denn sie sind Sünden; die ganz werth sind, von dem juntruglichen Richter »alles »erborgten Scheines entledigt und in Eine Reihe mit Sausen und Fressen gestellt zu werden» Da egen verleihe er uns wacker zu seiwallezeitl acker, wachsam, ja das geziemt denjenigen, welche auf den Tag warten, der da kommen soll: wer schpnt seine Nachte, wem kommt der Schlaf, wenn er seinem Freunde entgegen gehen darf? wer schont sein Auge, wer sammelt nicht alle Kraft und allen Scharfblick, wenn er den Weg weiß, auf welchem ein ersehnter Mensch herbeikommen soll? wie ist dann im Auge das ganze Leben, die ganze Geschäftigkeit der Seele! Und wir sollten s ein nicht warten, den wir über alle Menschen lieben? laßt uns doch wacker sein! Jede Stunde sei deß, der da kommt; keinerlei Leidens ast benebele uns, nehme uns die Fä igkeit, jede Stun e als eine Stunde des mög- lichen ommens Jesu zuzubringen! Seid wacker alle- eit und — betet! Wir wollen, wie wir sollen; wir sürchten aber, daß wir, wie die Jiinger in ethsemane, nicht möchten wachen können, wir könnten leicht ein- s lasen; leicht die heilige Nüchternheih leicht Eifer und eduld. Zu wachen verlieren. Wenn dann der HErr käme un wir wären nicht wacker, sondern eingelullt in Leidenschafh im Weltgenuß, in Sorgen! Auf, laßt uns beten! Betet, daß der HErr komme, daß er die Zeit des Wachens verkürze, die Versu un szeit be- fchließe, daß er bald komme; betet, da ihr würdig werden möget zu entfliehen diesem allen und zu stehen vor des Menschen Sohn; betet, daß ihr bewahret werdet vor Sorge und Lust, daß ihr wacker fein könnet, daß ihr beten könnet allezeit! ,,Betet« sagt der HErr, und nicht »bete«; denn er will nicht, daß Einer allein, sondern daß Alle, Alle für Einen und Einer für Alle beten um das Heil des jüngsten Tags — Alle für einander und Alle miteinander, denn vor Jhm sind sie alle versammelt nnd vereinigt. Wir sind alle voll ehnsüchti er Begierde nach seinem Tage, sloviele von uns sein sind; unsre gemeinsame Begier so zum gemeinsamen Gebete werden, eine Gemeinschast, eine Gemeine von Betern sollen wir sein. Hebet eure Häupter auf gen Himmel und sehet jenseit des krystallenen Meeres, von dem St. Johannes zeuget, am Thron die Geister der vollkommenen Gerechten: sie beten, sie beten um die Zukunft des Tages der Rache, des Sieges, des ewigen Dankes. Und miti nen beten alle seligen Engel; alle Auserwählten und ngel durchdringt ein und dasselbe eilige Verlan en nach dem Ende der Zeit und dem nfang der Ewigkeit, nach dein jüngsten Tage. Und doch bedürfen die Engel den Tag nicht und die Auserwählten nicht in dem Maße, wie wir: sie beten, und wir sollten ni t beten? Betet, betet, laßt uns beten mit den Enge n und Auserwählten, daß der Tag erscheine! (Löhe.) IV. v. 37 n. sit. (§. 1.09.) Zum Schlnß dieser erben Tage der Eeidengwoche übeebliitititiiliae nach einmal dle Lebensweise deg ljGrra während derselben, wie er da jedesmal, wenn er deg Tages das Voll: im Tempel ge— lehrt hatte, des Abends hinwegging und die nacht über am Oelberge verweilte; so gern ihn auch diie bolli hütete, so vertrauete et sich doch demselben nicht an, es war nun eben die Jeit schon herbelgelionimeig wo dar weiilagende Gesicht in hes 11, 22 f. siih erfüllen. (bgl. War. 20, 47 f.) 37. Und er lehrete [nachdem er am Palm- sonntag Abend in Jerusalem eingezogen] des Ta- ges im Tempel; des Nachts aber ging er hinaus und blieb uber Nacht szu Bethanien] am Oelberge [Matth. 21, 17; Mark. 11, 11]. 38. Und alles Volk machte sich [am Montag und Dienstag nach jenem Sonntage] frühe auf zu ihm, im Tempel ihn zu hören sbis er dann am Dienstag Abend gänzlich nach Bethanien sich zu- rückzog, und am Mittwoch und Donnerstag nicht wieder im Tempel erschien]. Bei merklicher Annäherung des Endes ihres Lebens müssen Knechte Gottes sonderlich ihr Amt treulich verwalten und es also löblich zu beschließen fuchen: Wachet und betet! — Judas bietet sich dem Hohenrathe an, Jesum zu verrathen. 859 2. Petri I, 13 f. (Starke.) Das Geheimniß der un- åebrochenen Kraft, die der HErr bis in die letzte tunde seines össentlichen Lebens offenbarte, ist in den nächtlichen Stunden an dem Oelberge zu suchen. (v. Oosterzee.) Wenn Jesus es nöthig hatte, um sich die Frische und Rüsti keit zu seinem Tagewerk zu er- alten, ab und u sich zu sammeln durch Stille und ebet, so bedür en wir es noch viel mehr; und die Unglücklichem die keine stillen Stunden kennen in ihrem Leben, wissen gar nicht, wieviel sie entbe ren. Nicht umsonst stellt das alte Sprüchwort das rbeiten und das Beten zusammen, damit anzudeuten, daß das Ge- bet, obwohl selbst eine Arbeit, do auch zugleich ein Genuß, ja der Genuß aller Genü se und die höchste Erholung von der Arbeit, die höchste Weihe für die Arbeit sei. Wahrlich, die haben am meisten gethan in ihrem Leben, die am meisten gebetet haben, und einen ar reichen Inhalt hat darum der kleine Beim: »Halt ich rein, acht’ dich klein, sei gern allein, mit Gott gemein«. (Fr. Arndt.) Das 22. Kapitel. Von Juba, dem Verräther, Dsierlamm and Abendmahl, der Sänger Ehrgeiz, Christi Leiden im gar-ten und nor Tltaiphas Petri siindenfacc I— d. 1—6. f§ 110 n. 11t·) Im Tempel zu Jerusalem hatte Jesus in der ganzes: würd: der äiht iuessianisrtjeu Königs; Israels siih gezeigt, ohne daß die Feinde wagen durften, irgend die Hand an ihn zu legen; aber er kann dieser« nur vorläufig hch lmudgeliende Königthunc nicht inne behalten, er hat nunmehr nach Gottes Rath einen andern weg zu gehen, er muß erst serue über tlZaud ziehen, ehe er sein Reikh einnehmen kann, nnd der weg dahin führt über Golgaiha illakhdem er denn für die übrige Zeit bis zum Beginn des passe: uach Zethuuien in die Stille sieh zuriicligezogen hat, findet dort sein ver— rather Gelegenheit, nun) Jerusalem zu entkommen nnd mit dem hohenrath über den beabsichtigten verrath zn uuterhandelu Sagt· Matth. As, t-5; 14——6; Mark. 14, 1u.2. 10 u. 11.) 1. Es lvar aber snach Ablauf der in Kap. 19, 29——21, 38 beschriebenen Zeit] nahe das Fest der süßen Brot-e, das da Ostern [Passa] heißt sso daß nur noch zwei Tage bis dahin übrig waren]. 2. Und die Hohenpriester und Schrtftgelehrten fwie schon einige Male bemerkt wurde Kap. 19, 47 f.; 20, 19] trachteten, wie sie ihn tödteten; und fürchteten sich vor dem Volk swas besonders auch in der Hohenraths-Sitzung am Dienstag Abend hervortrat Matth. 26, 3 — 5; Mark. 14, 1f.]. Z. Es war aber [nach dem, was in Matth. 26, 6——13; Mark. 14, 3——9; Joh. 12, 1—8 näher mitgetheilt wird] der Satanas gefahren in den Judas, genannt Jscharioth, der da war aus der Zahl der Zwölfe [Kap. 6, 12—16]. 4. Und er ging lam Mittwoch der Leidens—- woche, von Bethanien sich heimlich entfernend] hin [nach Jerusalem] und redete mit den Hohen- priestern und mit den Hanptleuten [den Anführern der levitischen Truppen, welche die Polizei im Tempel übten Apostg. 4, 1], wie er ihn wollte ihnen überantwortetr. 5. Und sie wurden froh sdaß es ihnen so möglich werden sollte, bald zu ihrem Ziele V. 2 zu kommen] und gelobten ihm Geld zu geben [freilich ein Spottgeld, in dem aber doch auch das Walten der göttlichen Vorsehung sich kundgab Matth. 26, 15]. « · 6. Und er versprach sich, und suchte Gelegen- he1t, daß er ihn uberantwortete ohne Rugor sindem er ihn des Nachts an seiner stillen e- betsstätte zu überfallen gedachte Mark. 14, 11 Anm.]. Satan auf dem Wege, um 1) den Judas, 2) den HErrm Z) sich selbst zu stürzen. (v. Oosterzee.) Wie kommen die Evangelisten darauf, hier nicht blos vom Einfluß» des Teufels zu reden, sondern diesen Einfluß auch mit dem allerstärksten Ausdruck zu be eichnen? Zbstäädiedschsftk kxsetstisds Z« Ei« endäkkiä erurng e eue in ie e geomnie, somit natürlich weiß, daß jede Sünde einen Zusammen- hang hat mit dem Teufel, so liebt sie es doch nicht, dneåilTeusfsltldbei seid? Gleleteisiheiit a; dinesÆiäixdujztu en, ern xeema i ie ur ei - stände dazu bewogen, wenn sie sich vEranlaßt findet, auf den letzten Grund alles Bösen ausdrücklich hinzu- weisen; einen gewichtigeren Anlaß, von des Satans Wirksamkeit zu reden, kann es nun überall nicht geben, als die letzte Wendung, welche die GeschichteszJesu nimmt· cåinmcsl namlichd enthiällt dihe Sfindg hier ilåren inner ten run : nirgen s un nie at iei ren wi er- göttlicheu Charakter so offenknndig dargelegt, wie hier, wo die Sünde der Gerechtigkeit und Liebe das S ick- fal der Bosheit und des Verbrechens bereitet. ber nicht blos die abgrundmäßige Tiefe der Sünde, die ier waltet, führt uns auf den ersten Urheber der ·ünde, sondern ebenso sehr der Zwang, in welchem hier die Sunde auftritt: sie bemachtgt sich hier der- jenigen Organe, welche in der Welt der Juden und Heiden die offentlichen Dinge bestimmen (Ofsb. 12·, 4); sie wirkthier organi ch, ihre einzelnen Akte greifen zu einem einheitlichen Zwe in einander, und ihre Organe sind die Organe der bestehenden Welt, was doch wohl nicht anders gedacht werden kann, als daß die einzelnen Akte der Sünde, die hier von den verschiedensten Sei- ten der Welt her zusammenwirken, von dem geleitet werden, der durch die Sünde der »Menschen der Fürst dieser» Weltgeworden ist. Naturlich ist das Bewußt- sein uber diesen grauenvollen Zusammenhang der »ein- zelnen sitndli en Regungen und Thaten am Ursprung- ichsten und karsten in dem HErrn selber, und wir begreifen, daß wenn er in diesen Tagen häufiger und nachdenklicher denn sonst von dem Fürsten dieser Welt redet sJoh 12, 31;» 14», 30; 16, 11; ·Lu . 31), dieses der einfache und richtige Ausdruck uber die damalige Weltlage ist; die Apostel dagegen, solange sie unter der Wolke der allgemeinen Verdunkelung des israeliti- schen und menschlichen Bewußtseins standen, konnten wie so manches Andere auch diese Aeußerungen des HErrn natürlich nur sehr unvollkommen verstehen, als sie» aber die Fülle des Geistes empfangen und in dem Lichte dieses Geistes auf den Glanz der letzten Tage des HErrn zurückblickten und sich im Geiste seiner 860 Evangelium Lucä 22, 7—20. Worte erinnerten, da ist auch ihr Auge durch die Hülle der äußeren Begebenheiten hindurchgedrungen und hat in den finsteren Abgrund, wo die Urfprünge und Zu- sammenhänge dessen. was auf dem Schaupla der Welt vorging, ihre geheimnißvolle, unheimliche tätte aben, einen klaren Blick gethan. (Baumgarten.) icht von ohngefähr fiel die schnöde Verachtung der Hohenpriester unter allen verächtlischen Preisen gerade auf den der 30 Silberlinge, sie wurden geleitet von der Hand Defsen, der gerade jetzt, da fein eingeborner Sohn aufs Tiefste sich erniedrigen und der Bosheit der Feinde überantwortet werden sollte, ein Zeugnis; nach dem andern gab, wahrlich Er sei es, der ihn dahingebe, wie er zuvor verkündigt habe d1irch den Mund seiner Propheten (Sach. 11, 12). Ein Koranna- häuptli , der das Evangelium von Jefu gehört hatte, fprach einst zum Missionar Moffat: ,,was kostet Er? ich will ihn dir abkaufen« —- ein uingekehrter Judas- Sinn! und weißt du, Seele, was er kostet? nichtinehr und nicht weniger, als du geben kannst: dich selbst kostet er, dein ganzes Leben und dein ganzes Lieben. Nur wer täglich all sein Leben und Lieben ihm zu- wendet, wer ihn kauft um jeden Preis, nur der ist recht bewahrt vor dem Wege des Judas, der nur ver- kauft ihn um keinen Preis· (Besser.) II. v. 7——30. (§ 112 u. 113.) Im vorigen Jlbsctznitt dieser ersten Gruppe der treidensgesctiiuite sehen wir, wie Judas dar Leiden Sesn vorbereitet durch den mit dem tljohenrath geskhlossenen Vertrag; in diesem und dem folgenden Jtbschnitt dagegen bereitet J e sus seine Jiing er darauf vor bei dem letzten Mahl, das er init ihnen hält; im vierten Jlbschnitt werden wir dann sehen, wie er siih selbst dazu bereitet durih das Gebet in Gethseniann Was nun unsern Abschnitt und dessen Inhalt noch in- sonderheit betrisstz so handelt es sieh da zuerst um die Bestellung eines Saales zur Abhaltung der 0stermahl- zeit (v. 7——13), darnach um diese Mahlzeit selbst, mit welcher der ilieirr die Ginselzuug des heil. Abend— mahls verband (v. 14—20), worauf noch Einiges ans seinen slnterredungen mit den Jüngern in drei Ab— siilzen (v. 2l—23; 24—27; 28—30) berichtet wird. (t1gl. zmatth M, 17—29; mark. M, 12—25.) 7. Es kam nun smit dem Morgen des 14. Nisan oder des grünen DoUUerstagsJ der Tag der süßen Brod« auf welchen man mußte opfern [schlachten] das Osterlamm [um dann Abends die gemeinfchaftliche Passamahlzeit zu halten]. 8. Und er [um hier die vorausgehende Frage der Jünger Matth. IS, 17; Mark. 14, 12 zu übergehen] sandte Petrum und Johannem svon Bethanien aus nach der Stadt, wo allein das Osterlamm gegessen werden durfte] und sprach: Gehet hin, bereitet uns das Osterlamm, auf daß wir es essen. St. Sie aber sprachen zu ihm: Wo willst du, daß wir es bereiten? sdu mußt uns doch auch Jemand angeben, in dessen Haufe wir die Zu- rüstung vornehmen sollen] 10. Er sprach zu ihnen: Siehe, wenn ihr hinein kommt in»die Stadt, wird euch ein Mensch begegnen, der tragt einen Wasserkrngz folget ihm nach in das Haus, da er hinein gebet. . 11. Und »saget Daselbst] zu dem Hausherrn: Der Meister laßt dir sagen: Wo ist die Herberge sdas GastzimmerL »darin»ncn ich das Osterlamm essen möge mit meinen Jungern? 12. Und· er wird euch einen großen ge- pflastertcn [d. i. mit Polstern aUsgestatteteUJ Saal zeigen; daselbst bereitet es. 13. Sie gingen hin, nnd fanden swas den Wasserträger und die Bereitwilligkeit des Haus- herrn betrifft], wie er ihnen gesagt hatte [vgl. Kap. 19, 32], und bereiteten das Ostcrlainm ff. zu Matth. 26, 19]. · Die Jiinger mochten schon gedacht haben, es sei schon viel zu spät, um noch ein geeignetes Unterkom- men für die Feier des Ostermahls zu finden; man dürfe kaum hoffen, noch einigermaßen nach Wnnsch zurecht zu kommen. Er aber giebt ihnen die Ver- heißung, daß sie gleich beim Eintritt in die Stadt chon ein Quartier finden sollen, daß es sofort zu ihrer Disposition stehen soll auf ein Wort von ihm, daß ein stattliches Gemach, ein großer bepolsteter Obersaal Zi ihrer Aufnahme bereit stehen wird. (P. Lange.) er ganze Vorfall ist ein fprechender Beweis für die Größe es HErrn auch im Kleinen oder schein- bar Geringen; die hier getroffene Vorkehrung zeigt uns seine unerschiitterliche Ruhe, die er sich auch trotz der gewissesten Voraussicht des Todes bewahrte, seinen vollkommenen Gehorsam gegen das GefeZ bis zu dem Augenblick der Aufhebung des alten anders, seine eilige Geistesgegenwart dein heimlichen Anschlag der erräther gegenüber, vor allem aber seine Weisheit, Liebe und Treue, mit der er bis an’s Ende für die Erziehung seiner Jünger sorgt und ihnen auch in einem kleinen Befehle eine große Glaubenslektion für die Zukunft giebt. (v. Oosterzee.) Petrus und Jo- hannes, die Empfänglichsten der Jüngerschaar, follten an dem ihnen ge ebenen Zeichen merken, daß sie weit zu einer andern amilie gehörten, als die Uebrigen, mit denen sie ihr Lanim schlachteten im Tempelhofe Als sie so hinter dem Menschen mit dem Wasserkruge hergingen, als sie an den willigen, gar nicht befrem- deten Hauswirth ihren Auftrag ausrichteten, als sie in den großen mit Teppicheii ausgelegten Saal traten, wo alles bereit war: was für Gedanken sie doch von ihrem Meister gehabt haben müssen! (Besser.) Nach sfb. Z, 20 möchte es siemlich nahe liegen, in unsrer Geschichte auch ein Vorbild zu erkennen, wie der HErr sich künftig annielden und einladen will bei alleii ihm schon ergebeiien Seelen, daß er sein rechtes Ostern in der bereiteten Herberge der Herzen halte. (Stier.) 14. Und da die Stunde kam [da man das Osterlamm zu essen pflegte, 6 Uhr Abends, bis zu welcher Zeit erssich denn von Bethanien her pünktlich eingefunden hatte], setzte foder vielmehr: legte Amos 6, 4 Anm.] er sich nieder fauf die Polsterbänke des Saals V. 12], und die, zwölf Apostel mit ihm [um die durch den Rangstreit V. 24 ff. hervorgerufenen Zwischenvorfälle einst- weilen bei Seite zu lassen]. 15. Und er sprach zu ihnen [bald bei seinem Eintritt in den Saal]: Mich hat herzlich verlanget dieds Osterlamm mit euch zu essen, ehe denn ich let c; Stiftung des heil. Abendmahls. 16. Denn ich sage euch, daß ich hinfort nicht mehr davon essen werde, bis daß swas durch dies Passaessen im Vorbild angedeutet wird] er- fiillet werde im Reich Gottes [Jerem. 16, 14 f.; 23, 7 f.]. 17. Und er sdie Mahlzeit mit dem ersten Becher 4. Mos· J, 5 Anm. eröffnend] nahm den Kelch, daukete und sprach: Nehmet denselben, nnd theilet ihn unter euch; 18. Denn ich sage euch swie schon vorhin V. 16], ich werde nicht trinken von dem Gewächs des Weinstoiks, bis das Reich Gottes komme. 19. Und er nahm sals es nach dem Schluß der Mahlzeit nun zur Segnung des dritten Bechers kommen sollte] das Brod sso viel davon noch vor ihm auf dem Tifche lag], dankete nnd brach-s, und gab es ihnen und sprach: Das ist mein Leib, der sur euch sm den Tod] gegeben wird seure Versöhnung und euer Heil zu bewirken]; das seine solche Brodbrechung unter Dankfagung und solches Austheilen und «Genießen] thut zu meinem Gedachtnih " 20. Desselben gleichen snahm er] auch den Kelch nach dem Abendmahl seben jenen dritten Becher, womit die Mahlzeit beschlossen wurde], und sprach fnach der Dankfagung und bei der Darreichung]: Das ist der Kelch, das neue Te- stament in meinem Blut sdieser Kelch ist der neue Bund dadurch, daß er mein Blut enthält und mittheilts das fur euch vergosse1i wird. Offenbar müssen wir uns Jefnm hier auf der Höhe seines hausväterlichem vertraulichen Verhältnisses zu seinen Jüngern denken; in diesem seinem Bewußtsein und Gefühl ergeht er sich mit seinen lieben Hausge- nossen und verbreitet über seinen ganzen Kreis eine wunderbare Macht von Ruhe, Sicherheit und Festlich- keit und erhebt damit das Passa tzu seiner vollen Wahrheit. Während dereinst der Würgengel in Egyp- tenland von Haus zu Haus ging und Schrecken ver- breitete durch das ganze Land vom Throne Pharao’s bis zu dem Gefängniß, war jedes Haus Jsraels durch das Blut des Lamnies geschützt vor dem Verderben, und in dieser göttlichen Sicherheit des Hauses ist jede israelitische Familie um ihren festlichen Tisch versam- melt und feiert das Festmahlx diese heilige Vergan- genheit hat hier in dem Hofsaah wo Jesus mit den Seinen versammelt ist, ihre volle Gegenwart— drau- ßen in der Finsternis; der Welt mögen die unheim- lichen Geister wüthe1i und Verderben bereiten, hier ist feftliche Ruhe und tiefer Friede, und in solcher Ge- müthsverfassung nimmt Jesus den Becher mit Wein nach damaliger israelitischer Sitte und trinkt zum letz- ten Mal vom Gewiichs des Weinstocks und reicht ihn sodann seinen Hausgenossen. (Baumgarten.) Schon das erste Wort, das der HErr in V.15 f. spricht, läßt uns die Stimmung erkennen, welche an diesem ganzen Abend die herrfchende bei ihm blieb. Sein Leiden steht ihm so klar vor der Seele, daß er es nicht ein- mal mehr ausdrücklich ankündigt, sondern die Nähe desselben als etwas hinlänglich Bekanntes voraussetzt Er hat schon seit geraumer Zeit verlangt, vornehmlich — dies Passa zu essen, und denkt dabei nicht an das ausgezeichnet wird, ist am Sinai gefeiert (4. Mos 9); Mahl des neuen Testaments sondern an das israe- litische Fest, das seit 22 Jahren immer tiefere Bedeu- tung und höheren Werth für sein Herz gewonnen hatte. Er hat ganz besonders verlangt, es mit »den Seinigen zu essen, er fühlt, daß er nicht nur Erlofer, sondern auch Freund feiner Jünger ist; nach einem solchen Zusammensein hat er sich aber vorzugsweise gesehnt wegen der eben jetzt vorzunehmenden Abend- mahls-Einsetzung. Es ist, als vergäße er die Anwe- senheit des Judas, als wüßte er sich in einem Kreise von lauter aufrichtigem getreuen Freunden, aus dem er aber bald wiirde scheiden müssen, gleich im Anfang giebt er daher der Festfeier den Charakter eines Ab- schiedsmahles und bereitet damit seine Jünger zur Einsetzung des Gedächtnißmahles seines Todes vor. (v. Oosterzee.) An das schmerzliche Gefühl der·bevor- stehenden Trennung schließt sich durch eine leicht be- greifliche Beziehung die Einsetzung des heil. Abend- mahls an, als des G1iaden1nittels, durch welches die sichtbare Gegenwart Christi inmitten der Seinigen nach seinem Hingang fortdauern soll. (Godet.) Lukas hatte jedenfalls diezAbsicht, dem Theophilus den Zusam- menhang des iPassa-Mahles und des HErrn-Mahles, die feierliche Besiegelung des alten und die Schließung des neuen Vundes vor Augen zu stellen; diesen Zweck im Auge konnte er nicht anders, als die Mahlzeit selbst von Anfang bis zu Ende im Zusammenhang darstellen, uni die während des Mahls gehaltenen Gespräche erst nachher (V. 21 ff.) folgen zu lassen. (Wichelha·iis.) Zweierlei Handlungen Christi, wohl zu unterscheiden und nicht mit einander zu verwechseln und zu ver· mischen, führt uns unser Text vor die Seele: die eine ist die Feier des von Gott für Jsrael geordneten Ge- nusses des Osterlaninis, die and ere ist die Stiftung des Abendmahls Christi; die eine ist das alte Vorbild, das Christus heilig hält und nicht aushebt, die andere ist die neue Stiftung, in welcher wir die Erfüllung des Alten haben, bis auch das Neue wird einst vergangen sein und in neuer Verklärung wird gefeiert werden im Reiche der Herrlichkeih da ein neuer Himmel und eine neue Erde ist. Jndem der HErr zuvor das Vorbild, das Osterlamni genoß, bevor er im Abendmahl das Sakrament der Erfüllung stiftete, und dabei der Zu- kunft seines Reiches, des Endes aller Dinge gedachte, hat er uns die Lehre geben wollen, daß jede Neu- schöpfung, die da will auf göttlichem Grunde ruhen, nicht ein lebendiger Stamm, sondern todtes Holz ist, wenn sie nicht Wurzeln hat, die auch in die Vergan- genheit dieses Erdenlebens und seine göttliche Leitung nnd Regierung hinabreichem und daß wiederum jede Wurzel ,die Gott gelegt hat, weder verborgen, noch ein Keim des Anfangs bleiben, sondern offenbar wer- den soll wie ein Stamm in steigendem Wachstguny zu steigendem Zeugnis; für. die Welt vor dem nde der Welt und dem Weltgericht. (Harleß.) Es ist dies das siebente und letzte Passa, welches die heil. Ge- schichte init besonderem Nachdruck hervorgehoben hat: das erste ist das mit der Erlösung aus Egypten u sammenfallende (2. Mos. 12); das zweite, welches das dritte ist, das erste Passa in Kanaan (Jof. 5); sodann werdet« als viertes und fünftes Passa be- sonders angemertt die von den beiden Königen Hiskia und Josia in Zeiten großer Verwirrung veranstalteten (2. Chron. 30 u. 35), und das sechste ist dasjenige, welches die ans der babylonischen Gefangenschaft zu- rückgekehrten Juden gefeiert (Esra 6). . Diesen sechs alttestamentlichen Passa’s wird nun als neutestamentl. Schluß der Siebenzahl dasjenige Passa, welches Jesus mit seinen Aposteln bei seiner letzten Anwesen- sei, 862 Evangelium Lucä 22, 21—27. heit in Jerusalem hält, hin ugefügt (Baumgarten.) Wie der HErr in dem Passalamm das Bild seines eigenen fleckenlogen Opfers sieht, so sieht er in der Passafeier eine ymbolische Andeutung der vollkomme- nen Freude des Himmels. (v. Oosterzeeh Christus stiftete das heil. Abendmahl, indem er dem Brodbre-— cher beim Genuß des Ostermahles und dem Spenden des Kelches der Danksagung na demselben eine neue Bedeutung gab; wie aber die eier des Osterlamms sich als Dankopferfest zuriickbezog auf das vollendete Sündopfey so setzte er xekt bei der Stiftung des neu- testamentlichen Dankopfer estes bereits die Gewißheit seines Opfertodes, die geistige Anschauung desselben voraus und stellt seinen Leib dar als bereits gebro- chen, sein Blut als bereits Vergossen. Wir können bei dieser Spendung von Brod und Wein uns den HErrn nist mehr unter den Mitgenießenden denken; dieselbe so vielmehr eine völlige Gemeinschaft mit ihm den Empfangenden vermitteln, und war 1) die Ge- meinschaft seines Todes, 2) die emeinschafr seines Lebens, 3) die Gemeinschaft seines Reiches Wenn wir ein großes Denkmal der menschlichen Schwachheit darin erkennen müssen, daß die Jünger in derselben Nacht noch, da sie aus der Hand des HErrn das heil. Mahl empfangen hatten, ihn verlassen konnten, so dürfen wir nicht vergessen uns zu fragen: was möchte aus ihnen geworden sein, wenn er ihnen diesen Segen nicht mitgegeben hätte in die große Stunde der Ver- - suchung? ·ja was möchte aus seiner Gemeinde gewor- - den sein, wenn er sie nicht durch dieses wunderbare Band der Gemeinschaft unauflöslich mit seinem Herzen verknüpft hätte? (P. Lange) . 21. Doch siehe [sprach Jesus, nachdem er das Mahl mit dem ersten Becher eingeleitet V. 17 f. und dieses nun wirklich seinen Anfang genommen hatte], die Hand meines Berräthers ist mit mir iiber Tische. » 22. Und zwar des Menschen Sohn gehet hin [in den Tod Kap. 13, 22], wie es sbei Gott] beschlossen ist. Doch wehe demselben Menschen, durch welchen er verrathen wird ses wäre ihm besser, daß er nie geboren wäre]. 23. Und sie fingen an zu fragen untersich selbst, welcher es doch wäre unter ihnen, der das thun würde? sund führten dann durch ihr weite- res Forschen die Entdeckung des Verräthers und die Entfernung desselben aus ihrem Kreise herbei Joh. 13, 23-—32., worauf der HErr weiter zur Einsetzung des neutestamentlichen Bundesmahles V. 19 f. schritt.] Beide Handlungen, von denen im vorigen Abschnitt die Rede war, der Abschluß des alten und die Eröff- nung des neuen Testaments, stehen in der innigsten Beziehung zu dem Tode des HErrn, und ohne diesen war weder die eine noch die andere mö lich: wenn er nun aufgeopfert wurde, fiel Sinn und edeutung des alten Pasa und Passamahls von selbst dahin, denn das altteätamentliche Passa und Passamahl war nur Vorbild einer Aufopferung und der seligen Folgen derselben, er selbst war das rechte Passalamm, für uns geopfert; und ebenso, wenn er nun starb, so begann damit ein Neues, eine neue Zeit, neue Freude, neue Feier ——- alles also lag an seinem Tode. Doch war es nicht der Wille Gottes, den Schluß des alten und den Beginn des neuen Testaments erst nach dem Tode heiliges Jexu zu Bzoerkünlidigem jhinter dem Tode Jesu liegt eine an ere elt, a tes un neues Testament aber e ören diesem Leben an, die Wendung zwischen beidengglsehört tgblåichfalls khiesem Liseb»en, dakczzeä nåird sgekaiich Von dcgm rrn no vor einem ei en eannt gema t« war doch sein Abschied gewiß, seine Todesstunde ans; in der Nähe, er selbst voll tiefen Bewußtseins, da er am Ziele stand, er konnte, noch bevor er starb, die Folgen seines Todes-sehen und handeln, als ware er vornher. Aber freilich, wenn er von den Jüngern verstanden werden wollte, so mußte auch ihnen der Gedanke seines Abschieds und Todes geläufig werden; sie mußten eine unabweisbare Belehrung »und eine hinlangliche Ueberzeugung von, der Nahe seiner »Auf- okferugiåzs bbeksmaieår dDaZiZi dies; 3ui;»diewVlie3kunFi- gng eoreenen erra ua, ee er HErr, selbkt erschüttert von dem grausenhaften Ge- danken, da ein Apostel ihn verrathen sollte, zur Er- schütterung der andern Apostel dem Genuß des Passa- Rilalålswktjicietvjkrgveilt ffolgårliijlåißy utzachsotlchejij Verse-nd- n enn ie «; erz ereie en rrn zu verstegeif weixn es nun Eoäwfirtssgging und såin etamen ein etzte. ö e. er aiize e- richt des Lukas über die Entdeckung des Herräthers trägt so sehr das Gepräge gedrängter Zusammenfas- fungs daß erd sofogkt sfizch als ei? siiaclzholgriizse Viäiivsllg an igung er eu erungen eu ei ie em n a der Abendmahlsstiftung zu erkennen iebt. (v.Burger.) Durch den Zusatz ,,nach dem Aben Mahl« in V. 20 macht dsr sEtVnggitstt segbst gezikrklßichkt dåiß das in jenem er eri e e er u a er ganzen Mahlzeitwarz wenn es daher» in »21 heißt: »die Hand meines Verrathers ist mitszmir ub er Tische,»« so liegt» schon darin, daß dies wa rend der Mahlzeit, also fruher gesprochen ist» Bea tenswerth ist»auch, Faß dcisievceigeiktktiche KeUUtZPJaiYJZEig ZessVgrrathers om ngei en ar ni eri e i , on ern nur des HErrn Wort Saß mit ihm über Tische die Hand des Verräthers sEi, und der Umstand, daß die Jünger bei sich selbst zu fragen begannen, wer aus ihnen das Zohkiwzälreå daiiiitzåziekt Lukads We vseåsteheiif ngas auus . or. ,· ) agt:,, er en prüea er sich szelbH ugdlålso ege er ckzxiosn siegem Bigodchnnd trzilike von ie em ’e .« ona te t as ,, o « zu n- fang des ’21. Verses (dieses Wort, griech. »Ihr-«, findet geradåk bzeö Lukas4sich sehrghaufis Kauf? Zåh 35; 210, 11. 1 .- « u, i« 1-«, i— 1, -19,«7« 22, 42; 231 28 und ydrückt einen starkiYn Gegeiisatz aus: Luther: »aber dagegen, doch aber, sondern«—-—) nicht ini Gegensatz gegen den· einzelnen letztvorhergehenden Velrå sonder? es sbelginnt Binde zwekte Cxddankkenreihha we e gegenü erge te t wir er er ten e an enrei e im ganzen vorhergehenden Abschnith wie JohGerhard ganz rsichtig bemerknL ,,bChristus stellt gnander gggem über eine innige ie e gegen die ün er un die äußerste Verderbt eit des Judas, seine überstchwän liche Gnade und des Llzsudas verabscheuungswürdige Tos- heit.« (Wichelhaus.) Evangelium am Tage St. Bartholomah KARL-ZU) Vgl. über diesen Apostel, dessen Gedächtnißtag auf den 24. August fällt, Matth. 10, 4 Anm. Nr. s. Der- selbe wird in der evangelischen Geschichte, außer was seine Berufung betrifft (Joh. l, 45 ff.) und seine An- wesenheit bei der Erscheinung des Auferstandenen am See Tiberias (Joh. 21, 2), sonst nirgend weiter er- wähnt; dieser Text zeigt aber, daß er gleichwohl zu denen el)ö"rt, die da einst sitzen sollen auf Stühlen und ri ten die zwölf Geschlechter Israel. Der HErr redet von seinem Verräther. Der Rangstreit der Jünger. 863 24. Es erhub sich auch sum hier noih eines weiteren Vorfalls zu gedenken, der gleich im Eingang des in V. 14 —— 20 Erzählten sich zu- trug] ein Zank unter ihnen lden Zwölfen], welcher unter ihnen für den Größesten sollte gehalten wer- den [oder gelten]; 25. Er aber sprach zu ihnen: Die weltlichen Könige herrschen süber die ihnen Untergebenen Völker] Und die Gewaltigen swelche von jenen zu Statthaltern und Obrigkeiten gesetzt werden] heißt man gncidige Herren süber welchem Ehren- titel sie denn , so wenig oft auch ihr Verhalten demselben entspricht, mit Eifersucht halten]. 26. Ihr aber lmeine Jünger] nicht also swie ich schon neulich gesagt habe Matth.20,25—27]; sondern der san Würde und Berufsstellung] Grbßeste unter euch soll sein wie der Jüngste fder gemäß der niederen Stufe, die er einnimmt, auch zu allerlei niedrigen Diensten herangezogen wird Apostg. s, 6 u. 10], nnd der Vornehmste fwelcher das Amt eines Führers oder Lehrers in der Gemeinde einnimmt Apostg. 15, 22] wie ein Diener [indem er willig und gern auch den Leistungen eines solchen sich unterzieht]. 27. Denn sum ein Beispiel zur Erläuterung von demjenigen Verhältniß herzunehmen, in wel- chem wir gegenwärtig uns befinden:] welcher ist swenn eine Mahlzeit gehalten wird] der Größeste? Der zu Tische sitzt, oder der da [bei Tische Kap. 17,8] dienei? Jsks nicht also, daß [dieser Grö- ßere der ist] der zu Tische siht? Jch aber sder ich volles Recht hätte, jetzt sitzen zu bleiben, und von jedem Einzelnen unter euch verlangen könnte, daß er ausstünde und die nöthigen Dienstleistungen Übernahme] bin unter ench wie ein Diener fund werde bei dem, was ich nun thun will, keinen Einzigen ausschließen —- damit stund er denn auf vom Abendmahl und hub an den Jüngern der Reihe nach die Füße zu waschen Joh.13,4]. Daß der Rangstreit der Jünger noch nach der Einsetzung des Abendmahls und der Entdeckung des Verräthers stattgefunden habe, läßt sich gar nicht denken; er muß also mit den dazu gehörenden Ermah- nungen nothwendig vor die eine und die andere Be- gebenheit lgestellt werden. (v. Qosterzees Je mehr die Borste ungen der Jünger sich noch m der Herr- lichkeit des zukünftigen Messiasreichs bewegten, desto näher lagen ihnen dergleichen ehrgeizige Gedanken, wie denn auch das Auftauchen solcher Fragen und Reden wiederholt berichtet wird. Hierher gehört Kp. 9, 46—48, welche Stelle offenbar parallel ist mit Matth. 18, I— 5; Mark. I, 33 — 37 (§. 67); einen zweiten Anlaß, über diesen Punkt sich auszusprechen, gab Jesu die Bitte der Söhne Zebedäi und der daran sich knüpfende Unwille der Jünger in Matth. 20, 20 —28; Mark. 10, 35 — 45 (§. 97), worüber Lukas (18, 34 u. II) schwei end hinweggeht. Nach seinem Be- richt an unsrer telle ist ein ähnlicher Streit zuletzt nochmals unter den Jüngern ausgebrochen; wenn man dies unwahrfcheinlich oder doch im höchsten Grade auffallend findet, so trägt iuan die Anschauungen und Stimmungen, die sich für uns an die Betrachtung des letzten Abends Jesu im Kreise seiner Jünger knüpfen, auf diese über, in Wirklichkeit ist ersichtlich, daß sie trotz aller Vorhersagungen Jesu das, was nunmehr eintreten sollte, keineswegs erwarteten. Eine Bezie- hung auf d·ie in Joh 13 erwähnte Fußwaschung m V. 27 zu finden, liegt sehr nahe. (v. Burgen) Ja V. 27 wird fast nicht anders verständlich, als wenn wir die Vorhaltung des eigenen Beispiels eben hier- auf beziehen; Lukas spielt bereits auf die geheime» Tradition vom Fußwaschen an, die dann Johannes veröffentlicht. (Stier.) Wenn man den Ausspruch dieses Verses nicht auf die vonfJo annes erzählte Fußwaschung bezieht, so sind die orte: ,,ich bin unter euch wie ein Diener« auf das Leben Jesu im Allgemeinen anzuwenden oder auf das Opfer seiner Person, welches er eben jetzt darbringen will; aber auf diese Weise kommt der Gegensatz zwischen »der zu Tische sitzt« und »der da dienet« nicht zu seinem Recht, diese Ausdrücke lassen vielmehr keinen Zweifel zu, daß demAusspruch die Handlung der Fußwaschung zu Grunde liegt. (Godet.) Als sich Jesus mit seinen Jüngern in dem Saale einfand, wo die Voran egani genen das Ostermahl bereitet hatten, ließ die esell- schaft sich sogleich nieder, der HErr mit den Zwolfen sV.14); schon sollte das Mahl beginnen, als sich noch immer keine Abhilfe gefunden hatte für ein Bedürf- niß, welches nun einmal nach israelitischer Ordnung befriedigt werden mußte (Matth. 26, 20 Anm.). Noch saßen nämlich die Genossen des Festes mit ungema- schenen Füßen da, und doch mußten sie die Füße ge- waschen haben, bevor sie das Mahl beginnen konnten; das Bedürfniß kam unter ihnen zur Sprache, aber keiner mochte sich entschließen, das niedrige Geschäft in De- mut zu übernehmen. Auf diese Weise mochten sie unver- niert wieder auf die Verhandlung über ihre Rang- verhältnisse kommen, also selbst beim letzten Mal wie- der die Streitfrage auffrischen, wer unter ihnen der Größeste sei. Somit war ein wirklich historischer Moment vorhanden, was den HErrn»veranlaßte, die Fußwaschung vorzunehmen, d. h. die Fußwaschung war nicht lediglich symbolisch, sondern zunächst real, eine That realer Demiith und Dienstwilligkeit; dies hinderte freilich nicht, daß sie zugleich als Symbol er- scheinen, als Symbol vom HErrn behandelt werden konnte. Johannes faßt die That auf als den letzten großen Liebesbeweis, welchen der HErr den Jüngern vor seinem Ausgang aus der Welt gab, den er ihnen gab, trotzdem daß der Jüngerkreis schon durch den Verräther-Entschluß des Judas beschmutzh trotzdem daß seine Seele schon von dem Vorgefühl seines Uebergangs in die Herrlichkeit bei dem Vater erfüllt war. Aus der Schwelle zum Thron der Ehren wusch er seinen Jüngern noch die Füße, einem Kreise, in dessen Mitte der Verräther saß mit dem Vorsatz der fchwarzen That, den Teufel im Herzen( (P. Lange.) Wie gut stimmt das Wort: ,,ich aber bin unter euch wie ein Diener« zu dem, was Johannes (13, 4 sf.) erzählt: ,,er stund vom Abendmahl auf und nahm einen Schurz und nmgürtete sich; darnach goß er Wasser in ein Becken, hub an den Jün ern die Füße zu waschen, und trocknete sie mit dem Schutz, damit er umgürtet war.« Ueberall ist die durch die Eifer- sucht und den Streit veranlaßte Störung beim Beginn des Mahls durch den ergreifenden und überwältigem den Vorgang der Fußwaschung nun überwunden und das heil. Mahl kann in rechter Weise und Stimmung jetzt seinen Anfang nehmen. (Baumgarteii.) 864 28. Ihr aber [im Gegensatz zu dem, von dem ich in V. 21 redete] seid es [Kap. 16, 15], die ihr beharret habt bei mir in meinen Anfech- tungen. 29. Und ich fum euch zu lohnen, was ihr an mir gethan, vgl. Kap. 18, 28 mit Matth. 19, 27 u. 28] will euch das Reich bescheiden sbescheide es euch hiermit in teftamentarifcher Weise], wie mirs mein Vater beschieden hat; 30. Daß ihr essen und trinken sollt über meinem Tische in meinem Reich, und sitzen aus Stühlen, und richten die zwölf Geschlechter Israel [Matth. 19, 28 Anm·]. Nachdem Jesus im Vorhergehenden das Ideal der rechten Größe demjenigen entgegengestellt hat, welches aus dem Herzen des natürlichen Menschen kommt, läßt er nun auch dem, was an den Bestrebungen der Jiinger Wahres ist, sein Recht widerfahren. Das ,,ihr aber« spielt auf Judas an, welcher nicht ausge- halten und sich durch seinen Abfall des in V. 29 f. verheißenen Vorrechts beraubt hat. Die ,,Anfechtun- gen«, von welchen Jesus redet, laufen in seiner Ver- werfung zusammen: es war keine Kleinigkeit von Seiten der Eise, in ihrer Anhänglichkeit an Jesum zu beharren und dem Haß, der Verachtung eines Theils ihrer Mitblirgen dem Fluch ihrer Obersten, die sie zu echten gewohnt waren, Trotz zu bieten; es ist da fast ein Gefühl der Dankbarkeit, was sich in den Worten des HErrn ausspricht, daher auch die überströmende Fülle, in welcher er den Reichthum der verheißenen Belohnung vor ihnen ausbreitet. (Godet.) Jn dem früheren, vor etwa 14 Tagen an die Jiinger gerich- teten Ausspruch desselben Inhalts in Niatth.19, 28 ist noch von 12 Stühlen die Rede, während hier keine Zahl dabei steht; abfichtlich schloß der HErr damals den Judas noch nicht von seiner Verheißung aus, obwohl er schon einmal eine Hindeutung auf defssen Verrath gegeben (Joh. 6, 70 f.), nunmehr aber it dessen Bis- thum (Apoftg. 1, 20) schon so gut wie erledigt, und nachher wird der HErr den Verräther vermö en, auch äußerlich den Kreis der Zwölfe zu verlassen, leichwie er bereits innerlich sich von ihnen geschieden hat (Joh. is, 22 ff.). Doch kann Gottes Reichsplan um dieses Ungerechten willen keine Störung erleiden; die entstandene Liicke wird schon wieder ausgesüllt werden (Apostg. 1, 21 ff.), ja die Stelle wird doppelt erfetzt werden (Matth. l0, 4 Anm. Nr. 12). Die hier vorliegende Verhandlung Jesu mit den Jüngern schließt sich ossensichtlich an das an, was der HErr in Joh. is, 18 u. 19 sagt; mit dieser Verhandlung hat er die Andacht der Jiinger auscs Neue hingelenkt auf das kommende Reich der Herrlichkeit und des vollen Genusses der himmlischen Güter, auf das er bereits in V. 16 hingewiesen. Jndem er nun so als Schei- dender verfügt hat über das Erbe, das er vom Vater empfangen, schreitet erszur Eröffnung der Mahlzeit, wie sie in V. 17 u. 18 erzählt wurde; im Verlauf derselben spricht er dann das in Joh.13, 20 aus einer längeren, aber nicht näher mitgetheilten Rede aufbehaltene Wort und Yht hernach über zur Ent- deckung des Verräthers ( . 21-—23; Joh.13,21——30). Als Judas hinausgegangen, fühlt Jesus sich frei, zur Abendmahlseinfetzung (V. 19 u. 20) überzugehen (Joh. 13, 31 u. 32), nach derselben aber vermittelt sich der Ueberganz zu dem folgenden Abschnitt V.31 ff. durch das, was in Joh. II, 33——38 von weiteren Evangelium Lucä 2«2, 28——34. Reden des HErrn berichtet wird. Es ist merkwürdig, wie auch hier das Verständniß des Lukas nur bei einer genauen Vergleichung des Johannes möglich BviEdYwovon wir schon bei V. 27 uns überzeugt a en. III- U. 31—38. (§ 114.) Die vorhin milgetheilten drei Stsielke ang den blnterrednugen Iesu mit den Jüngern bei der Gstermahlzeit gehörten noch der Zeit vor der Jlbendmahlgeinsetzuug an; hier folgen nun noch zwei, die hinter jene Stiftung fallen. Das: erste davon W. 31—v34) dient zur Vorbereitung der Jiinger auf die nun unmittelbar bevorstehende Stande der Anfechtung, da Satauao ihrer begehret hat sie zu sirhten wie den Weizen, nnd stellt dem Petrus, an den eg insbesondere als den Vertreter derslndera und den am meisten Ge- fährdeten sich wendet, in Kraft der Fürbitte seiner thei- landes etne Wiederbeliehrting von dem schweren Fall nnd die Unantastbarkeit seinen aposiolischen Berufs in Aussicht; dag andere w. 35—38) liennzeichnet die von nun an sich völlig verändernde Stellung der Sänger der Welt gegenüber, zu der sie mit der evangelichen heils- predigt gesendet werden. Jtber nakh beiden Seiten hin fährt Christi Rede nicht unter den Jüngern; denn Petrus will nicht zugeben, daß er ein verleugner werden könne, nnd das Wort vom Kaufen eines Schwertes mißverstehen die Ifmger gänzlich. « 31. · Der HErr aber sprach sbei der Gelegen- hett des in Joh. 1s, 33——38 erzählten Gesprächs]: Simon, Simon, siehe, der Satanas hat Feuer saus Gottes über euch waltenden Händen für seine Hände] begehret, daß er euch mochte sichten wie den Weizen. 32. Jch aber sda sein Begehr zu euer und der ganzen Gemeinde Bestem, ihm selber aber zu desto herrlicherer Vernichtung aller feiner Anschläge hat gewährt werden müssen] habe szur Gegen- wirkung gegen die Macht Satans] fur dich ge- beten, daß dein Glaube nicht aufhbre Und wenn du [nun] dermaleins sin Folge solcher meiner Für- bitte] dich bekchrest, so starke deine Brüder swerde ihnen Stütze und Halt, wenn sie in Gefahr stehen, wankend zu werden, und halte sie in ihrem Glau- ben aufrecht] » 33. Er [Simon] sprach aber sim blinden Vertrauen auf seine eigene Kraft] zu ihm: HEty ich bin bereit, mit dir ins Gefängniß und in denn Tod zu gehen. - 34. Er» [der alles genau vorauswissende HErrsaber sprach:»Petre, ich sage dir, der Hahn wird heute nicht krahen, ehe denn du dreimal ver- leugnet hast, daß du mich kennest. Es ergänzen hier die beiden Evangelisten Lukas und Johannes sich abermals gegenseitig; während die dem Petrus ertheilte Weisung und Warnung an unsrer Stelle ziemlich unvermittelt auftritt und wir die nähere Angabe einer Veranlassung dazu wünfchen müssen, dieselbe aber aus dem, was in Joh. 13, 33—38 bis zu den Worten: ,,solltest du dein Leben für mich lassen?« in völlig befriedigender Weise sich ergiebt, erscheint dagegen die Ankündigung in Joh. 13, 38: ,,wahrlich, wahrlich, ich sage dir» der Hahn wird heute nicht frühen, bis du mich dreimal habest verleugnen« zu kurz Vorbereitung der Jünger I) auf die ihnen bevorstehende Ansechtung und Petri Verleugnung; 865 und als eine bloße Hervorkehrung der Spitze, die aus- fiihrlichere Rede des HErrn findet sich denn hier, wo das Ganze zuletzt ebenfalls in jene Spitze ausläusr Verschieden von den sich gegenseitig ergänzenden Be- richten des dritten« und vierten Evangelisten ist aber die Ankündigung von Petri Verleugnung in Matth. 26, 33—35 u. Mark. l4, 29—31, wo der HErr mit den Jüngern schon auf dem Wege nach Gethsemane ist, ein anderes Wort seines Mundes dem Petrus die Veranlassung zu selbstvermessener Rede giebt und die darauf ihm ertheilte Antwort sich deutlich als Wieder- holung und Bestätigung einer schon einmal ausge- sprochenen Weissagun kennzeichnet, die Petrus nicht will auf sich sitzen lasen und von der er meint, die übrigen Jünger hätten sie eher verdient als gerade Er, er dadurch als der unzuverlässigste und schwächste unter ihnen bloßgestellt werde, während doch früher der HErr selber ihn als einen Felsenmann bezeichnet habe. Hiernach steht es fest, daß wir eine zweimalige Ankündigung zu unterscheiden haben, die eine noch im Saale der Ostermahlzeih die andere auf dem Wege nach Gethsemane; eine Parallele dazu ist die »zwei- tnali· e Anzeige des Verräthers, wie sie in Joh. is, U. 1 f. einerseits und Joh.13,21—30; Matth.26,21sf.; Mark. l4, 18 ff.; Luk. II, 21 ff. andrerseits sich her- ausstellt Man hat sogar eine dreimalige Vorhersagung Christi in Beziehung auf des Petrus Verleugnung unter- scheiden wollen; das nnn ist eine Uebertreibung, wohl aber — gleichwie der HErr in Mark. 14, 30 sagt: ,,ehe der Hahn zweimal krähet, wirst du mich drei- mal verleugnen« —- setzt Petrus der zweimalig en Warnung des HErrn einen dreimaligen Protest ent egen: Luk. 22, 33; Matth. 26, 33; Mark; l4, 31. Gegen wir jetzt auf die hier uns vorliegenden Worte Jesu bei der erstmaligen Ankündigung näher ein, so ist zunächst schon die doppelte Anrede: ,,Simon, Simon« von Bedeutung; der HErr hat es hier mit dem natürlichen Menschen, der Fleisch vom Fleisch geboren ist, bei Petrus zu thun, daher spricht er ihn auch mit seinem natürlichen Namen (Matth.16, 17 f.; Joh.2l,15 ff.) an, wie er das ebenso in Mark. 14,37 thut, die Wiederholung aber drückt das Angelegentliche, Dringende dessen, was er sagen will, aus (vgl. Kap. 10, 41). Wenn nun Jesus nach solcher Anrede vom Satan redet, so wissen wir schon aus dem zu V. 3 Bemerkten, daß er in allem, was in dieser Zeit wider ihnund seine Jünger geschieht, als letzten Urheber den Widersacher erkennetz auch die Lage, in die Petrus in des Kaiphas Hofe gerathen wird, wenn man dort ihn aufmerksam beobachtet und aufmerksam auf ihn 1nacht, um ihm mit dem Worte zuzusetzent »du bist auch seiner Jünger einer«, wird durch des Satans Inspiration oder Lenkung der Herzen für den armen Jünger eine so gefährliche sein, und zwar wird dieser hernach sowohl die Herzen der Knechte und Mägde inspiriren und instigiren, daß sie aufmerken und fragen und ihre Lust daran haben, den schon mehrmals Examinirten in immer neue Verlegenheit zu bringen, ohne gerade eine Anzeige beim Hohenrathe zu Plänen, als auch das Herz des Petrus verwirrt und ver agt machen, daß er den Knechten und Mägden viel größere Wichtigkeit beimißt, als ihnen schon der äußeren Lebensstellung nach zukommt, sich vor ihnen schämt und vor ihnen fürchtet, in ihrer Geringschätzung eine Schmach erblickt und sich’s auf Höchste angelegen sein läßt, die Ehre ihrer Genossenschaft davon zu bringen. Aber bevor Satan so zu Werke gehen kann, muß er erst von Gott die Nacht und Erlaubniß erhalten, gleichwie Hiob auch nicht eher angetastet werden durfte, evor nicht Gott die Zula sung ertheilt hatte; darauf Deichsel-s Bis-unsere. (V·) will denn der HErr mit den Worten hinweisen: »Sa- tanas hat euer begehrt, daß er euch sichten möchte wie den Weizen« Jm Grundtext ist von einem Her- ausverlang en, nämlich aus Gottes Hand, die Rede; bis zu dem Augenblich wo Jesus nun überantwortet wird in die Hände der Uebelthätey stehen die Jünger in der Gemeinschaft mit ihrem HErrn und Meister unter Gottes unmittelbarem Schutz, Judas selbst hat sich heimlich aus diesem heiligen Kreise, dem der Arge nicht beikommen kann, entfernen müssen, um zum Ver- rath sich anzubieten (V. 4). Sobald jedoch in Erfüllung einer prophetischen Weissagung der Hirt geschlagen wird und die Schafe der Heerde sich nun zerstreuen (Matth. 26,31), ist ein Zeitpunkt da, wo der Wolf sich an diese machen kann, und Satan nimmt den Zeit- punkt wahr; er verlangt von Gott, daß die Jünger seiner Versuchungsmacht überlassen werden, weil er Gott gegenüber behauptet, auch die elf, dem HErrn bisher treu ebliebenen Jünger seien so gut wie Judas nicht guter eizen, sondern Spreu, und er will es thatsächlich beweisen, wenn ihm gestattet wird, daß er sie durch das Sieb seiner Anfechtungen hindurchgehen lasse —- Spreu, nichts als Spreu werde da zu Boden fallen. Gott kann da nicht anders den Gegenbeweis liefern, als daß er dem Satan seine Forderung be- willigt; es kann nun auch so kommen, daß allerdings, was bei den Jüngern noch an Spreu vorhanden ist, recht offensichtlich zu Tage tritt, daß aber, indem die Spreu im Siebe der Anfechtung von ihnen abfällt, dafür auch .der Weizen nunmehr als ein wohl gerei- nigter erscheint. Die Sack liegt ganz so wie bei Hiob, ja diese im alten estament no mehr ideale Geschichte kommt jetzt zu ihrer realen ahrheit; sie bleibt nicht ein mehr oder weniger poetisches Dranny sondern wird zu einem thatsächlichen Vorgange, zu einer lebendigen Handlung, gleichwie alle alttestam. Prophetie an Christo und in Christo, zumal bei seinem Leiden, zur Erfüllung sich gestaltet. Sehen wir auf die Art und Weise, wie hernacfh die Sichtung Satans mit Petrus vor sich ging, so chien da, als Petrus zum dritten Mal seinen HErrn verleugnete, des Satans Absicht erreicht, es schien nichts als Spreu zum Vorschein ge- kommen zu sein: wo merken wir noch, daß Christi Für- bitte für ihn, von. der in V. 32 die Rede ist, etwas gefruchtet hätte? Aber Christus hatte ja auch gar nicht gebeten daß an der Sichtung selbst seinem Apo- stel etwas etfspart werden möge, er sollte ganz durch das Sieb hindurchgehen, es sollte alle Spreu an ihm herausgeschüttelt werden; der HErr spricht es deutlich enug aus, was er dem Jünger von seinem Vater· er- åehet hat: daß dessen Glaube nicht auf öre, und das hat sich in dem erfüllet, was St. Lu as in V. 61 f. erzählt, denn gleichwie unser Evangelist der einzige unter den vieren ist, welcher der Sichtung des Satans und der Fürbitte Christi gedenkt, so hat auch er allein des Anblickens Jesu und des bitterlichen Weinens Petri gedacht. ,,Wäre dem Satan auch erlaubt wor- den, nachdem Petrus verleugnet hatte, seinem Herzen satanische Traurigkeit und finstere Verzweiflung einzu- flößen, er wäre wohl hingegangen wie Judas; aber das durfte der Satan nichts er durfte den gefallenen Jünger nicht versuchen über Vermögen, und so schlug, was der Satan zum Verderben ersonnen. zurheil- s amen Sichtung aus, die Spreu der Natur, der natür- lichen Tugend, worauf Petrus so trotzte, die flog auf und zerflatterte in der Stunde der Anfechtung, der Gnade reiner, schöner Weizen aber blieb zurück in seinem zerbrochenen Herzen. (Besser.) Das Wort Christi ist an Simon gerichtet; denn er ist nach seiner Stellung der Erste unter den Aposteln und hier, wie N. T. I. I. 55 « zu erfiillen. 866 Evangelium Lueä 22, 35—-39. iu Matth. 16, l6., der Vertreter der übrigen; er ist ugleich nach feiner persönlichen Gemüthsart der Ge- fährdetste unter den Elfen und, wie der HErr vor- aussie t, dem Fall am nächsten, fein Vorgang konnte für a e verhängnißvoll werden — daß es dazu nicht kam, verdankt er und die andern Jünger dem Gebet des HErrw (v. Burger.) i Wir mögen alle hier uns anzeigen lassen, was im Unsichtbaren, in Himmel und Hölle vorgeht als Kampf um unsre arme Seele, die sich selber auf so manchem Petruswege vergißt; wir mögen es nie vergessen, bei wie manchem Fall uns der HErr Jesus die Hand untergelegt hat, daß es keinen Sturz in die ölle gegeben. Wenn aber der bisherige Satz dem etrus einen tiefen Fall bis an die Grenze des Glaubensverlustes — für’s Erste noch unbestimmt allgemein — angedeutet hat, so enthält nun der fol ende schon als Voraussehiing den Trost, daß er Apofiel bleiben und hernach ein Amt um so tüchtiger führen wird; indem der HErr von dem sich Bekehrenden fordert, das zu thun, was David in sei- ner großen Buße versprach (Ps. 51, 15) und redlich ethan hat, wird einerseits der vorgängige Fall und S bfall no bestimmter ausgesprochen, andrerseits aber auch die« erheißung gegeben, daß nach dem Fall es zum Wiederaufstehen kommen soll, und der HErr ist es Hernach (V. 61) selber, der dem Gefallenen die Hand rei t, ihn aus dem Abgrund emporzuhebeir. (Stier·) Wie Petrus später seine Mitapostel durch sein Wort und Beispiel gestärkt hat, geht deutlich aus der Apo- stelgeschichte hervor; wie er seine Mitgläubigen ftärkte, ist in seinen Briefen offenbar. Wie wenig er aber jept noch auf dem Wege zu derihm verheißenen Be- kehrung sirh befand und zu der Stärkung der Andern s geschickt war, das zeigt er in den Worten, womit er rn der Rede desHEr ege net; fast möchte es scheiuen, als wolle ersJefu zu vertehen geben, daß dessen Für- bitte für ihn besonders so nöthi nicht gewesen sei, denn welcherlei Gefahr dem N eister auch drohen möge, Gefängniß oder Tod, er sei bereit, die Gefahr mit ihm zu theilen, und die Liebe zu seinem Nieifter werde ihm schon Kraft geben, das gegebene Versprechen Wie sehr da der Jünger die abermalige Anrede mit ,,Simon« auch verdient hätte, so versetzt sich doch der HErr auf den Standpunkt des Mannes, " der in seinen eigenen Augen, so felsenfest dasteht, und nennt ihn ,,Petrns,« kündigt ihm aber nun auch mit unverblümten Worten an, was er vorhin in bildlicher Redeweise u ihm gesagt hatte, auf daß selbst nicht die Mögli keit eines Elliißverstandes mehr übrig bleibe. (v. OosterzeeJ Zwei Fragen sind hier zu beantworten: l) mußte denn nun Petrus in die Sünde hinein, weil Christus vorausgefagh er werde hineinfallen? Das sei ferne! in jedem Augenblicke stand es auch dem Petrus frei, durch Buße aus den Banden des Hochmuths los- zukom1nen, in denen er jetzt noch verstrickt war, und dadurch vor dem Fall bewahrt zu werden, aber Chri- stus sahe auch voraus, daß Petrus eben dieser Petrus, der er jetzt war, bleiben würde bis zum zweiten Hahnenschreh und darum fpricht er so unbedingt; Z) weshalb weist der HErr den Jünger ausdrücklich auf den Hahnenschrei hin, anstatt einfach zu sagen: ,,ehe der nächste Morgen kommt«? Darauf antwortet der Ausgang der Geschi te: der Hahn mit seinem Schrei war dem gefallenen etrus zum Bußprediger bestellt. (Besser.) · · 35. Und er svon Petrus sich jetzt zu den Jüngern insgesamnit hinwendend] sprach zu ihnen: So oft [richtiger: Damals als] ich euch ge- sandt habe ohne Beutel, ohne Tasche und ohne Schuhe [Kap. 9, 1 ff.], habt ihr auch je [an irgend etwas] Mangel gehabt? Sie sprachen: Nie keinen» [Ps. 140, 11 Anm., richtiger: Durch- aus keinen, wörtlich: »An nichts«l]. 36. Da sprach er zu ihnen: Aber nun sgilt für euch, daß ihr in anderer Weise euch gegen die stellt, zu denen ich euch sende], wer [daher unter euch] einen Beutel hat, der nehme ihn, des- selbigen gleichen auch die Tasche [zu vorsichtiger Ausrüstung wider den Mangel]; wer aber sall dergleichen] nicht hat [dem habe ich etwas noch Nöthigeres anzurathem er sorge jedenfalls für eine Wasfe], verkaufe [sogar, wenn er anders sich nicht helfen kann] sein-Kleid sden Mantel], und kaufe ein Schwert [das fortan uoch mehr Bedürf- niß ist, als Nahrung und Kleidung]. 372 Denn ich sage euch: Es muß noch snach all dem Andern, was bereits sich erfüllet hat] das auch vollendet werden an mir, das sin Jes. 53, 12] geschrieben stehet: Er ist unter die Uebel- thciter gerechnet. Denn was von mir geschrieben ist, das hat ein Ende sist in seiner Erfüllung nun so weit vorgeschritten, wo es sich um mein Ende handelt] f 38. Sie sprachen aber sdas Wort vom Schwerte V. 36 dahin niißverstehend, als fordere Jesus wirklich zur Abwehr bevorstehender Ge- waltthätigkeiten die Bereithaltung von Schwertern]: HErr, siehe, hier sind zwei Schwerter ssollen wir« noch mehrere herbeischaffen, damit ein jeder von uns eines habet-J. Er aber sprach zu ihnen: Es ist genug slaßt nur die Sache auf sich beruhen, da ihr mich ja doch nicht verstehet]. Es ist das ein nur von Lukas aufbehaltenes, aber für den Zeitpunkt·sehrcharakteristisches Gefpräch. Die Frage Jesu (V.»35) ist vorbereitend, um auf den Unterfchied der hinter ihnen liegenden und der jetzt sie erwartenden Zeiten hinzuweisen. Bisher waren sie angewiesen auf die gastliche Aufnahme bei denen, u welchen sie gesandt waren; auf eine solche haben fie forthin nicht mehr zu rechnen, darum dürfen sie sich nunmehr mit den erforderlichen Reisebedürfnissen ver- sehen, wenn fie deren haben, außerdem aber ist ihnen nichts nöthiger als ein Schwert, um sich der Feind- schaft zu erwehren, die ihnen begegnen wird. Es ist also die Rede von der Fortsetzung ihres Missionsbe- rufs, bei dem sie aber fernerhin nicht auf williges Entgegenkommem sondern auf feindseligen Widerstand sich gefaßt zu machen haben. Daß die ganze Anwei- ung eine bildl1che Ein leidung dessen ist, was sie er- wartet, ist aus dem Verhältniß klar, in das sie zur früheren Apostelinstriiction gestellt ist; denn· an den Gebrauch des Schwertes in ihrem Beruf ist selbst- verständlich nicht zu denken. (v. Burger.) Bis jetzt hatten die Jünger vermöge der Gunst, in welcher Jesus bei dem Volke stand, verhältnißmäßi leichte Zeit gehabt; aber der roße entscheidende Zusammen- stoß mit den jüdischen Behörden war im Begriff los- zubrechen, und wie hätten die Apostel nicht den Rück- schlag davon während ihrer gan enferneren Laufbahn erfahren sollen? Mit diesem edanken ist der HErr 2) auf ihre von nun an völlig sich veriindernde Stellung der Welt gegenüber. St) o- l beschäftigt; er erinnert denn zuerst die Jünger aii ihre einstmalige Sendung, sagt aber darnach, wie sie fort- an nicht mehr auf die Gastfreuiidlichkeit rechnen kön- nen, ivelche sie zu der Zeit der Beliebtheit des Mei- sters genossen, sondern sich gefaßt machen müssen, künftig wie gewöhnliche Reisende ihre Zeche zu be- «ahlen n. s. w. Sie werden aber sogar der ausge- sprochensten Feindschaft begegnen; als Jünger eines »Uebelthiiters« werden sie selbst als gefährliche Men- schen betrachtet werden und sich mit Jsrael, mit der ganzen Welt iui Krieg sehen. (Godet.) So unbekannt find die Jüngernoch mit dem, was heute bevorsteht, daß ihnen der HErr auf keinem andern Wegeseine Ahnung davon beibringen kann, als indem er ihnen den fcharfen Gegensatz des Sonst und des Jetzt vor- hält; er befiehlt ihnen das gerade Gegentheilvon dem, was er ihnen vormals geboten: sonst war die geringste Sorge überflüssig, jetzt ist die ängstlichste Sorge nicht zu viel, eine Sorge, welche es nicht blos mit der Lebenserhaltung, sondern noch .viel drin ender mit der Lebensvertheidigung u thun hat. enn es uns mö lich wäre, den H rrn für einen Augenblick in der Passanacht uns vorzustellen mit einem wehmüthigeii Lächelnauf dem himmlischen Angesicht, so würde es sein bei dem Anbieten ihrer zwei Schwerterz die Ga- liläer pflegten nämlich bewaffnet zu reisen, nun hatten wohl auch Petrus und ein anderer Jünger gerade an diesem Abend in der Ahnung einer« Gefahr ihre Schwerter auf den Weg nach der Hauptstadt mit ich genommen. Zwei Schwerter gegenüber der ganzen Macht der Welt, der Hölle und des Todes, die den Angriff gegen ihn unternehmen sollte?! Er hält es für unmöglich, ihnen die ganze Ungereimtheit dieses Gedankens so deutlich zu machen, wie er sie selbst fühlt; er bricht daher das Gespräch über diesen Ge- genätand in einem Tone ab, wie jemand, der sich be- wu t ist, daß man ihn doch nicht begreifen würde, und deshalb alles weitere Sprechen darüber anfgiebt. (v. Oosterzee.) Die Erfahrung, welche sie auch in die- sem Stück über seine Nieinnng belehren wird, ist ja ebenso nahe wie die Verleugnung des Petrus; seine Meinung aber i? die, daß seine Diener und Boten in der argen, feind eligen Welt jetzt nicht mehr auf so wunderbaren Schutz oder so sanften Gang rechnen sollen, wie die Apostel ihn bei ihrer Probesendung er- fuhren, hinfort sei es vielmehr iiicht blos erlaubt, sondern sogar geboten, sich der ordentlichen, natürlichen Versorgungs-, Vorsichts- und Vertheidigun sinittel zu bedienen auf dem Gange durch die feindkfelige Welt und ihre Bedrängniß. Wie der HErr also von jetzt an erlaubt, ja gewissermaßen Zebieteh alles Erdengut, das man habe, in seinem ienst und Geschäft zu braucheii zur Abwehr des Mangels, ebenso gestattet, ja gebietet er die Vorsicht äußerlichen Schutzes egen die drohende Feindscha i; denn Noth durch Feind? aft bis an’s Leben, das ist die Steigerung des s angels. (Stier.) Daß das nun gleichwohl nicht ein mit dem Schwerte Dreinschla en bedeute, das zeigt klar und bestimmt genug der ! orgaiig in V. 49—51; die rechte Anwendung dagegen ergiebt sich aus dem Verhalten St. Pauli, als er vor dem Landpsle er Festus es ab- lehnte, sich von dem Hohenrath in Jerusalem richten zu lassen, und sich aus den Kaiser berief (Apostg. 25, 9 f.), gleichwie er früher schon mehrmals das ihm zur Seite stehende römische Bürgerrecht geltend gemacht atte (Apostg. l6, 37; 22, 25 ff.). « Die Rede der Jüngen ,,HErr, siehe, hier sind zwei Schwerter« legt die katholische Kirche dahin aus, als seien damit die bür- gerliche und die geistliche Strafgewalt angezeigt, welche der Kirche als der Inhaberin des Apostolats und ins- besondere dem Stuhle Petri zur Verfügung stünden; dcese Auslegung steht auf lei er Linie mit der, welche in l. Mos. 1, 16 das grogße icht auf die Kirche und das kleine Licht auf die staatliche Gewalt bezieht. Da- egen ist, wie P. Lange sagt, das ,,es ist genug« ein fenfzerdes Gottmenschem der wie ein Klagelaut über die römischeii Schwerter und Scheiterhaufen, über die Kriegslager der Paulieianer und Hussiten, über alle Gewaltthätigkeitensder iieutestainentlicheii Zeit, ivelche seine Sache fördern sollen, dahinweht. Die in B. 31 —38 und Joh. 13, 33—38 initge- theilten Reden Jesu folgten auf deii in Matth. 26, so; Mark. 14, 26 erwähnten Lobgesang, womit, nach un- srer Weise zu reden, die Tafel aufgehoben worden war; aber auch jetzt ging es noch-nicht sogleich hin- aus nach dem Oelberg, wie der folgende A schnitt be- richtet, sondern erst handelt es sich noch um die in Joh. 14, 1——17, 26 vorliegende, in das hohepriester- liche Gebet auslaufende Hroße Abschiedsrede Jesn. Diese Rede bildete keinen estandtheil der populären niündlichen Ueberlieferung in der apostolischen Kirche; sie ist von der allgemeinen Verkündigung verschwun- den, daher die Synoptiker ihrer nicht gedenken, wohl aber hat Johannes sie aus einer Erinnerung wieder an’s Licht gezogen und dein Evangclio einverleibt. Die Stiftung des heil. Abendmahls übergeht Johannes; nach der Speisung der Fünftausend« hatte er die Rede gebracht, die ein Jahr vor der Stistun des Abend- mahls gleichfalls in der Passazeit diese! en Grundge- danken entwickelte, beim letzten Mahle aber schweigt er davon. Redet er nun gleich nicht von-dem Bundes- zeichen der Gemeinschaft mit Christo, so Cfchildert er doch um so herrlicher das Wesen dieser emeinschaft in jener Rede, die so wunderherrlich als unver leich- liches Kleinod leuchtet und zuletzt mit dem Gebete schließt, darin von jeher die Christenheit ihren Hohen- priester erkannte. Es herrscht in dieser Abschiedsrede ein Ton voll Jnnigkeit ohnegleichen; sie ist, wie im- mer das Größte in der Schrift, ebenso schlicht durch- sichtig als nnergründlich, über das hohenpriesterliche Gebet aber hat der Gottesmann Spener sein Leben- lang nie zu predigen gewagt, wohl aber, da er auf dein Todbette»lag, hat er sich’s drei Mal nach einan- der vorlesen lassen. (Riggenbach.) W. v. 39—53. (§ 115 u. ne) nachdem der sei-auge- list die Riistung der Iünger ans das, was die niil der Mitternacht einbrechende Stunde, da die Finsternis iUacht beliommen soll, auch ihnen Schweres bringt, in den beiden vorigen Abschnitten eigene behandelt hat, so« liaun er von allein weiteren, was in dieses Gebiet einschlägtz ab- sehen und in diesem 4. Abschnitt sieh mit dein Gebet Jesn in Gethseniane ausschließlich als Vorbereitung in Betreis seiner selbst beschäftigen; erwrzählt daher auch den Vorgang in solcher Form, daß der Gebetolianipf nle ein iinnnterbro chener, eiiiheitlicljer erscheint, weil dae zwischen eintretende ljingehen zu den Jüngern bei Seite gelassen wird, dafür aber die Höhe, bis zu welcher das Ringen ansieigtz in dein herbeikommen eines Engels und iu dem Umstande, da sein Jtiigstsihweiß nicht wle gewöhnlich in farblosen, sondern in blutigen Tropfen, wie es nur selten im eiitsetzlichsten Seelendrnili geschieht, zu Zodeu fiilll, schärfer sich ausprägt (v. 39—44). Es folgt der Bericht der Gefangennebuinug (v. 45—53) , ebenfalls link; gefaßt, aber wieder ist hier unser Evan- gelist mit Johannes eng verwachsen. (bgl. Matth Es, 30—56; Mach. 14, 26—52; Loh. is, 1—I1.) 39. Und er ging svon Jerusalem über den Bach Kidrons hinaus nach seiner sin Kuh· 21, 37 557 868 Evangelium Lueä 22, 40———46. schon erwähnten] Gewohnheit an den Oelberg fund zwar dies Mal in den dort besindlichen Garten Gethsemane]. Es folgten ihm aber feine Jiinger nach an denselben Ort [mit denen er dann unterwegs noch einmal von dem, was sie in dieser Nacht an ihm thun würden, redete, ohne daß sie seiner Warnung Glauben geschenkt hätten Matth. 26, 31 ff.; Mark. 14, 27 ff.]. 40. Und als er dahin kam, sprach er zu ihnen szu denen, die er am Eingang des Gartens zurückließ Matth. 26, 36; Mark. 14, 32]: Betet, auf daß ihr nicht in Anfechtung fallet [aber die drei Auserwählten nahm er noch weiter mit sich, auf daß sie in seiner unmittelbaren Nähe blieben Mark. 26, 37 ff; Mark. 14, 33 f.]. 41. Und er riß sich sim Drange seiner Ge- müthsbewegung Matth. 26, 381 von ihnen bei einem Steinwurf salso nicht zu weit, daß er nicht von ihnen in der stillen Nacht hätte gehört wer- den können 1. Mos. 21, 16], und knieete nieder, betete sin dreien Anläufen], » 42. Und sprach: Vater, willst du, so nimm dlksen Kelch IJEU 49- 121 Von mir [genaner: willst du diesen Kelch an mir vorüber: gehen lassen -— den Nachsatz: »so thue es« läßt Jesus weg, er deutet sein Verlangen nur an, bricht aber sofort ab, um mit dem Ausdruck voller Bereitwilligkeit zu schließen]; doch nicht mein, sondern dein Wille geschehe 43. Es erschien ihm aber sbald beim ersten Anlauf] ein Engel vom Himmel, nnd stcirkte ihn sdaß er hernach vielmehr also sprechen konnte: ,,ist’s nicht möglich, daß dieser Kelch von mir gehe, ich trinke ihn denn, so geschehe dein Wille« Matth. 26, 42]. 44. Und es kam sim weiteren Verlauf seines Seelenkainpfess daß er mit dem Tode rang, und betete heftiger. Es ward aber sein Schweiß wie Blutstropfeiy die fielen auf die Erde ssein Schweiß, den die Angst der Seele ihm auspreßte, stellte sich in Blutstropfen dar, die zur Erde fielen, wies er denn auch von Blut untermifcht war]. 45. »Und er stund snachdem er auch den dritten Anlauf siegreich überstanden] auf von dem Gebet, und kam zu seinen Jungern, und fand sie schlafen vor Traurigkeit [denn die tiefe Niedergeschlagem heit, in welche alles, was sie diesen Abend ge- sehen und gehört, sie versetzte, hatte ihre Kraft verzehrt, daß sie dem Schlafe in der weit vor- gerückten Nacht nicht zu widerstehen vermochtens » 46. Und sprach zu ihnen: Was schlafet ihr? Stehet auf und betet, auf daß ihr nicht in An- fechtung fallet [V. 40]. ,,Zeuch deine Schuhe aus, denn das Land, darauf du·stehest, ist »ein heiliges Land«: so rief einst Gottes Stimme aus jenem Dornenbusch der Wüste dem Mose entgegen (2. Mos. 3), als dieser sich nahte, um zu sehen, warum der Busch mit Feuer brannte und doch nicht verzehret ward; "-»zeuch deine Schuhe aus«, so donnert auch heute eine heilige Gottesstimme uns ent- «egen, da wir den geweiheten Boden der Leidens- und odesstätte Jesu Christi betreten. Es ist ja wiederum ein großes, wunderbares Gesicht, was unsern Glaubens- augen sich darstellt: dem uuscheinbaren Dornbusch gleich ein Menschensohn ohne Ehren uud Schöne, eine ge- beugte Martergestalt auf einem Dornenpfade, mit einer Dornenkrone! Und aus dieser dorngekrönteu Leidensgestalt leuchtet gleichfalls ein hochloderndes Feuer heraus, das Feuer unaussprechlicher und unaus- denkbarei Sjiiiderliebe Und aus diesem Liebesfeuer heraus tönt hier wie dort das Zeugnißt ,,ich bin der Gott Abrahams, Jsaaks und Jakobs; ich habe das Elend meines Volks gesehen und bin herniedergefahrem daß ich sie errette«; denn Gott war in Christo und verxöhnete die Welt mit ihm selber re. (2. Cor. 5, II) u. 21 . sucht und Weltlust und Unlauterkeih und lasset uns mit heiligem Zittern herzutreten, das große Wunder der Liebe zu schauen, auf daß das Liebesfeuer des Gekreuzigteu auch uns.durchdringe, und so auch wiederum aus uns, den Dornsträucherm die Herrlichkeit seines Bildes leuchte, nicht uns, sondern ihm zur Ehre, dem Ehre gebührt-von Ewigkeit zu Ewigkeit. (Buchrucker.) Durch Gethsemane geht der Weg zur Höh, durch die dunkle Nacht geht’s zur hellen Pracht, durch den blukgen Schweiß in das Paradeisz Wohl kommt aus dem Weh von Gethfemane — Der Kelch, von welchem Jesus sich von Gott erbittet, daß er ihn an seinen Lippen vorübergehen lasse, ist das Symbol des schreck- lichen Missethäter-Todes, dessen blutiges Bild ihm in diesem Augenblick ein gewandter Maler mit außer- ordentlicher Lebhaftigkeit vor die Augen führt: es ist derselbe, welcher ihm durch ein ähnliches Vleudwerk in der Wüste die wunderbare Anschauung der Herr- lichkeiten des messianischen Reichs vorzauberte. Auf das Werk der Erlösung der Menschheit nun verzichtet Jesus keinen Augenblick, aber er fragt, ob denn das Kreuz das einzige Mittel sei, den Zweck zu erreichen: könnte Gott in seiner unbeschränkten Macht nicht eine andere Art der Versöhnung stiften? So hat also auch Jesus gehorchen müssen, ohne zu verstehen — wandeln im Glauben! Daher die Ausdrücke in Hebt 5, s: ,,er hat Gehorsam gelernt« und in Kap. 12, Z: »der Her-· zog (Luther: Anfänger) des Glaubens-«, der uns Allen auf deni Wege des Glaubens vorangeht (Godet.) Daß Jesus im Kampf mit dem Fürsten der gefallenen Engel sich befindet, müssen wir schon daraus schließen, daß ein Engel des Lichts gesandt wird, ihii zu stärken; auch hat der HErr selber vorausgesagt, daß ein solcher Kampf ihm bevorstehe (Joh.14, 30). Soviel nun wissen wir aus der heil. Schrift, der Satan ist der Ver-klüger; wenn er daheralle die Sünden und Greuel der ganzen sündigen Menschheit Jesu vor die Seele führte und ihm höhnend zuriesx da siehst du, die Welt ist mein, dn kannst sie nicht erlösen, dein Sterben wird vergeblich sein! so mußte durch die lebendige Au- schauung dieser Legionen von Sündengreueln Jesu heilige Seele auf’s Tiefste verwundet und betrübt, durch den Gedanken, die Schuld dieser Sünden auf sich nehmen zu sollen, auf’s Außerste entsetzt und durch den Hohn des Versuchers, daß sein Leiden ver- geblich sein werde, auf’s Furchtbarste geangstigt werden· Erst hatte Satan versucht, Jesu Werk zu vereitelu, er hatte den Judas zum Verrath aufZTstachelt und meinte, durch Jesu leiblichen Tod sein erk zu So lasset uns denn ausziehen die Schuhe des «— alltäglichen sündigen Wandels und ablegen alle Selbst- Jesus in Gethsemane· 869 vernichtem aber der Satan müßte nicht der Satan sein, wenn er nicht bald genug gemerkt hätte, daß das ein Fehlgriff und daß gerade Jesu Tod die Erlösung der Welt zur Folge haben werde. So versucht er es denn, ob er ihn nicht vor diesem Tode zurückschreckem ihn nicht innerlich irre machen könne in seinem Er- lösungsplan und ihn zur Aufgebung seines Werkes als eines vergzeblichen und unmö lichen bewegen könne. Sowie aber er Satan dem H rrn mit allen,Schau- dern der Hölle und allen Greueln der Sünde näher tritt und ihm zuruft: »diese Sünden der Welt sind größer, als daß sie vergeben werden könnten«, wobei vielleicht demselben selbst zugelassen war, auch jene künftigen Greuel ihm vor die Augen zu stellen, welche in der nach seinem Namen sich nennenden Christenheit, ja sogar in seinem eigenen Namen noch verübt wer- den würden, da klammert sich Jesus nur desto enger an den Vater an und ringt sich in die Gewißheit der allerbarmenden Liebe des Vaters hinein. Nicht vor dem stellvertretenden Todesleiden bittet er bewahrt zu bleiben, sondern vor der Angst und Seelenqual, durch welche der Versucher ihn von jenem Todes-leiden zurück- schrecken will; von dieser Qual möchte er befreit bleiben, weil er eben zum sühnenden Tode entschlossen ist. Aber auch von jener Anfechtung durch den Satan darf er nicht befreit bleiben, auch diesen Kampf niuß er durchkämpfem und daß er hier Sieger bleibt, das erklärt sich nur aus jener vollkommenen, klaren Gewiß- heit über die Nothwendigkeit seines Leidens, wie die- selbe in Joh.14-—17 sich ausgesprochen hatte. (Ebrard.) Es bezeichnet einen tiefen Grad der Niedrigkeit des Sohnes Gottes, wenn ihn ein Engel Gottes in seiner Trübsal krästigtz wenn der Sohn des Hauses sich Mut muß zufprechen lassen von einem der Knechte aus eines Vaters Hause, wenn der Feldherr in der Hitze des Kampfes zum Ausharren muß angefeuert werden von einem seiner Soldaten, so ist das ein Zeichen großer Niedrigkeit; und ähnlich ist ja das Verhältnis; des HErrn Jesu zu einem Engel, wie das des Sohnes zum Knecht, wie das des Feldherrn zu einem gemeinen Soldaten. Aber ob das auch so ist, entehrend ist das doch keineswegs für unsern HErrn; und jene Abschreiber der Bibel, die diese Erzählung von dem Engel ausgelassen haben, verstanden fchlechh was Ehre und was Schande ist. Die Sünde chän- det, aber nicht das Tragen der Sünde,- nicht das Sühnen der Sünde, nicht das Klagen und Zagen, das der Heiland um unsertwillen durchmachte, da er den Kelch des Vaters als unser Bürge trank; das Zeichen des stärkenden Engels in Gethsemane ist nim- mermehr ein Zeichen, das irgend welcher Entschuldi- gung bedürfte, sondern eins der vielen Zeichen der namenlosen Herablassung, in die der Sohn Gottes sich begeben hat, um die Welt zu erlösen. Jm Himmel nun war bei Gott und seinen Engeln die lebendigste Theilnahme an dem, was in Gethsemane vor sich ging, vom Himmel wurde mit aufmerksamen Augen der Seelenkampf am Oelberge betrachtet; denn es handelte sich in Gethsemane um nichts Geringeres, als um die Wiederherstellung der Eintracht zwischen Himmel und Erde, die durch Adams Fall zerstört· war, von dem Trinken des Kelchs in Gethsemane hing nichts Gerin- eres ab, als die Sühnung und Versöhnung einer ver- orenen Welt. Vom Himmel sah der Vater, wie sein eingeborener Sohn, der Abglanz seiner Herrlichkeit, unter der Eentnerlast des Soldes der Sünde aller Menschen im Staube des Kelterthales rang; und wenn nun Er, der wunderbare Gott, also die Welt, die sündige Welt liebte, daß er ihr seinen eingeborenen Sohn gab, dahingab auch in das Tragen der zehn- tausend Pfund der menschlichen Schuld, so liebte er doch nicht minder denfsündlosen Sohn, der so willig die große Suhne auf sich genommen hatte, und konnte ihn nach seiner Liebe m der Nacht von Gethsemane nicht ohne einen Lichtstrahl lassen; darum schickte er dem Sohn in feiner tiefen Noth einen Engel vom Himmel, ihn zu stärken. Und nun dieser Engel — mit welchen Empfindungen wird er nach Gethsemane geeilt sein und dem im tiefen Staub darniederliegenden Heilande sich genahet haben! Es hat die Engel ge- lüstet hineinzuschauen in das Geheimniß der Erlösung der Welt: nun, der Engel in Gethsemane that einen tiefenBliFk in dies Geheimniß, als er den, vor dessen Herrlichkeit er sonst das Angesicht zu verfljüllen ge- wohnt war, mit erschrockener Seele arbeiten ieht unter der unendlichen Last der Sünde der Welt. Mit wel- cher Demuth wird der Engel die Größe des Reich-- thums in der göttlichen Barmherzi keit angeblickt haben! Der Engel nahm zwar dem H rrn den Kelch nicht ab, den Kel hat Jesus trinken müssen, und Gott sei Dank, da er ihn für uns getrunken; er nahm ihm den Kelch nicht ab, sondern er stärkte ihn zum Trinken des Kelches Und- wodurch stärkte er ihn? Zunächst schon durch seine bloße Erscheinung: es mußte für den Heiland in Gethsemane, wo er sich umlagert fühlt von den Mächten der Hölle, ungemein tröstlich sein, einen Boten aus dem Himmel zu sehen, so ähnlich wie einen verbannten König in der Ver- lassenheit seines Exils der Anblick eines Ankömmlings aus dem heimathlichen Reiche ersrischt und belebt. Dann aber wird der Engel Gottes dem Heilande wohl auch zugesprochen haben aus dem Worte Gottes mit freundlichen Worten, aus den Psalmen und Pro- pheten, daß der heilige Christ solches leiden müsse, um zu seiner Herrlichkeit einzu ehen, daß er sein Leben zum Schuldopfer geben müsse, damit des HErrn Vor- nehmen durch seine Hand fortgehe. Endlich aber hat der Engel wohl auch die Erlaubniß ge abt, dem mit dem Tode ringenden Kämpfer seinen g orreichen Hin- gan zum Vater in, einem Gesichte zu zeigen und ihm im amen des Vaters zu sagen: »der nämliche Ort, auf welchem du kämpfest, wo dein Blutschweiß auf die um der Sünde willen verfluchte Erde fließt, die da- durch wieder in ein Land des Segens umgewandelt werden soll, wird auch der Ortdeiner großen Ver- herrlichung sein — da wirst du zum Vater gehen« (Quandt.) Gestärkt in der Willigkeit, sich dahinzugeben zum Opfer für die Sünde der Welt, versenkt der Hei- land sich nun völlig in das Gefü l der äußersten Un- seligkeit, in das Schmecken des odes und der Ver- danimnißr »und es kam, daß er mit dem Tode rang«, und in dieser tiefen Noth ,,betete er heftiger«; und als das Ringen mit dem Tode den höchsten Gipfel erreichte, da ,,ward sein Schweiß wie Blutstropfem die fielen auf die Erde« Angstschweiß vergießen wir ja auch in Trübsalshitzq aber die Angst des Heilandes, da der Fluch des Gesetzes ihn traf und er in der Hitze des Zornes Gottes schmachtete, die hat ihm Blut anstatt des Schweißes ausgepreßt. (Besser.) Den Vorgang in Gethsemane hat, wie sämmtliche namhafte Ausleger anerkennen, das Apostelwort in Hebr. 5,7 f. im Auge, ja, wir können sogar behaupten, daß das- selbe sich allein darauf beziehe; und nun entsprechen auch die dort hervortretenden Ausdrücke der Darstel- lung der drei Synoptiker in auffallender Weise, denn das ,,Gebet und Flehen« weist ebenso augenfcheinlich auf das ,,er knieete nieder und betete« hin, wie das »der ihm konnte aushelfen« an das ,,es ist dir alles möglich« in Mark. 14, 36 daran erinnert, dies ,,starke Geschrei« aber geht gleich unverkennbar 870 Evangelium Lucä 22, 47—62. auf ,,Abba, mein Vater«,« wie der ,,Gehorsam« dem ,,es geschehe dein Wille« entspricht. Jn einer sehr wichtigen Beziehung wirft auch seinerseits jenes Wort auf den Vorgang in Gethsemane ein erläuterndes Licht. Zu dem, der ihm von dem Tode konnte aus- helfen, hatte der Beter geflehet, und dennoch hat er den Tod erleiden müssen: so ist er also abgewiesen worden? Nein! sagt der Apostel, er ist gleichwohl er- höret, Und zwar ——— ais-F) ins; Siszoilisiocgn Schon seit den ältesten Zeiten hat diese zusätzliche Bestimmung eine verschiedene Auslegung erfahren, indem die Einen erklärten: »von wegen seiner Frömmigkeit« (Luther: ,,darum, daß er Gott in Ehren hatte«), die Andern aber: ,,gegen die Furcht«, d. h. er fand die Erhörung insofern, als er von dem Grauen erlediget wurde; davon ist denn offenbar die zweite Aussassung die rich- tigere, da nach dem ganzen Zusammenhange die Worte: »und ist auch erhöret« dem Anschein begegnen sollen, als ob der Beter die Erhörung nicht davongetragen habe. Denn nicht darüber hat jene zusätzliche Bestim- mung eine Erklärung abzugeben, warum Jesus die Erhörung gefunden, sondern nur darüber, inwiefern sie ihm vzu Theil geworden. Für »die Auffassung: ,,gegen die Furcht« spricht auch, daß· die Erhörung auf die Person des Beters bezogen wird, was sonst nur noch einmal (Matth. 6, 7) im neuen Testament vor- kommt: eben die Person wurde in Kraft der Erhö- rung, die sie davongetragen, des Grauens entledigt, welches sie bis dahin umfangen hatte, und stark ge- niacht, die zuerkannte Bürde auf sich zu nehmen; die Sendun des stärkenden Engels ist«die äußere ge- schichtli e Thatsache, in welcher sich die Erhöriing be- kundet. (Steinmeyer.) Der Versuch des Satan, Jesum durch höllische Schrecknisse und Aengste an der Willig- keit des Todesleidens, ohne welches dieses Leiden ja werth- und erfolglos gewesen wäre, irre g: machen, ist gescheitert: ,,er ist erhört worden in etreff der Todessurcht«, sagt der heil. Geist in Hebr. 5, 7. (Ebrard.) Jii der eben angeführten Stelle des He- bräerbuchs wird neben dem starken Geschrei auch der Thränen gedacht; nach Epiphaniiis soll denn auch wirklich· im Evangelio des Lukas hier des Weinens Jesu mit Erwähnung geschehen sein, und es ist mög- lich, daß auch dieses ,,weinete« aus der Feder des Evangelisten stammt, da die ursprüngliche Textgestalt auch sonst hier fromme, aber unverständige Eingrifse hat erleiden müssen. Jndeß dürfte mit mehr Grund anzunehmen sein, daß diese Thränen ebenso eine auf lebendiger Versetzung in die Situation oder auf Ueber- lieferung beruhende Ausmalung der evangelischen Ge- schichte sind, wie die, deren Hosea (12, 5) im Rückblick auf Jakobs Kampf am Jabbok (1. Mos. 32, 26) ge- denkt. (Delitzsch.) Wenn Jesus schon von dem ersten Gebet gestärkt wieder aufstand, was konnte es gewesen sein, wodurch ihn der Vater beruhigt hatte? Jn der Welt hatte sich noch nichts verändert; noch immer stand die ganze Antipathie der Welt wie eine Wand vor seiner Seele (sowie einst in der Wüste die ganze Sympathie der Welt wie eine Wand ihn«gehenimt), während die Sympathie der Seinen so schwach war, daß sie ihm keine Ermunterung mehr geben konnte. Sein Gebet hatte also die Erde noch nicht erschüttert, möcht aber den Himmel; die Welt der seligen Geister rii te ihm näher, ihr Mitgefühl offenbarte sich ihm in einer Engelerscheinung die ihn stärkte, und so gestärkt kehrter nun zu den Jüngern zurück. Allein als er zu diesen wiederkehrete, fand er sie schlafend; wir können daraus zwar einerseits schließen, das; der erste Gebetskamps nicht blos ein paar Augenblicke gewährt, andrerseits aber auch, daß die drei Jünger sich in einer höchst seltsamen Verstimmung und Abspannung befanden. Jedenfalls hatten sie gar kein klares Be- wußtsein von der Bedeutung dieser Momente, wäh- fecsidbekn gunkles kGefühldvonCdefr hDrczngsaå wogin sie i ean en, un von er ea r, ieinen evor- stand, ein großes Gefühl der Niedergeschlagenheih mehr dazu diente sie einzuschläfern als zu ermuntern- Wie eine riesige Macht hatte der Schlaf der körper- lichen Ermattung, der geistigen Abspannung und Ent- muthigung sie überfallen; und sie hatten es nicht ge- fLühlt, wie gefährlåmhldfiseszr Schluliiinågrgeist itlichdieger age war, jener a u ,t verg ei ar, we e ie Frflchögftend Walndexeg in deFrchwitlZterIiFeU Einödå adn- ä t, er ie nera renen i inge en zum o e, während sich der Kundige mit Angst und Aufregung gegen die feindliche Macht zusammennimmt, bis zum Angstschweiß fortarbeitet und so der Gefahr entflieht. (P. Lange) Steht es fest, daß das Schlafen der Jünger nach allen Seiten hin dem Satan in die Hände grkåeisetf soSgkrFen wilr kwohl auch! ghniiehmegi dürfen, a ie er « a taume ein natüri er, son ern eine vom Satan unter» Gottes Zulassung bewirkte Versu- ckhlxtnsxz (direkt fix die Jüngers, indstekt aiäki diecihi T! ei ter) war. oweit war em rgen a au über die Jünger gegeben, daß er»dies erste Glied in der Causalitat der Anfechtung uber sie oerhangen durfte; daß es nicht zu Weiterem kam, daß die Junger nicht wirklich fortschliefen und schlafend ergriffen wur- den, dafür hat der treue HErr gesorgt, der mitten in seinem eigenen furchtbaren Kampfe mit der Finsterniß noch seiner Junger gedenkt und drei Mal aus seiner sSeelencgiualLlFercisus z? fgjeht cund dreih Ngal ie met. er owie er a er üngerin ie Versuchung, die er zu bestehen hatte, sxhswerer machte, so mußte wiederum die dreimalige That seiner treuen Liebe ihm Erleichterung gewähren, insofern sie seinen Kampf unterbrach. (Ebrard.) 47. Da er aber noch redete, siehe die Schaaiy und einer von den Studien, genannt Judas, ging vor ihnen her, und nahete sich zn Jesu, ihn zu küssen. » 48. Jesus aber sprach zu ihm: Judas, ver- rathst du des Menschen Sohn mit einem Kuß? [vgl die Anm. zu Matth. 26, 47. 49 u. 50.] 49. Da aber sals es nun wirklich zur Ge- fangeniiehmung Jesu kam] sahen, die» um» ihn waren, was dawerden wolltc, sprachen sie zu ihm: HErr, sollen wir mit dem Schwert drein schlagen? 50. Und Einer ans ihnen [Petrus, in raschem Eifer eine Antwort Jesu gar nicht erst abwartend, vielmehr glaubend, der HErr habe schon in B. 36 f. gesagt, was sie zu thun hätten] schlug des Hohenpriesters Knecht [Malchus, mit dem Schwert, das er bei sich hatte, auf dessen Kopf einhauend], und hieb ihm sein rechtes Ohr ab [Matth. Les, 51 Anm.]. , 51. Jesus« aber serst nach geschehener That nun dazu kommend, seinen Bescheid auf die Frage V. 49 zu geben] antwortete Und sprach [um seine längere Rede hier in eine kurze Summa zusam- menzufassen Matth. 26, 52——»—54]: Laßt sie doch so ferne machen [und ohne Gegenwehr eurerseits mich gefangen nehmen; denn ich muß Ia den Kelch trinken, den mir mein Vater gegeben hat Joh. Judas verräth Jesum, Petrus verleugnet ihn. Jesus heilt das Ohr des Malchus· 871 18, 11]. Und er [hierauf den Schaden an Malchus seinerseits wieder gut machend] rührte sein Ohr an, und heilete ihn. " 52. Jesus aber sals man ihn jetzt mit Stricken band] sprach zu den Hohenprieftern und Hauptleuten des Tempels [V. 4] und den Aelte- sten, die iiber ihn smit der Schaar V. 47] kom- men [und zum Theil selbst mit erschienen] waren: Jhr seid, als zu einem Mörder, mit Schwertern und mit Stangen ausgegangen. 53. Jch bin tciglich bei euch im Tempel ge- wesen, und ihr habt [da, so gern ihr es gewollt Kap. 19, 47 f.; 20, M] keine Hand an mich gelegt; aber dies ist eure [zur Ausführung eures Werks von Gottes Rathschluß euch frei gegebene] Stunde und sdie Gewalt, vermöge deren ihr jetzt vollbringt, was eure Bosheit euch eingiebt, ist] die Macht der Finslerniß sso daß, wenn der Finfterniß nicht jetzt Macht über mich gegeben wäre, ihr auch keine Macht über mich hättet] Der Gewaltstreich des Petrus stellte nicht blos dessen Person, sondern auch die Sache des HErru selbst bloß; wenigfehlte, daß Jesu es dadurch unmöglichgemacht wor- den wäre, hernach sein Wort in Joh. 18, 36 an Pi- latus zu richten, und nur durch sofortige Heilung des Malchus konnte der HErr die durch die Verfehlung eompromittirte Lage wieder herstellen. (Godet.) Dem Malchus heilt er das Ohr, auf daß um seinetwillen niemand leiden oder Schaden haben müßte; und zu den Hohenpriestern und Hauptleuten und Aeltesten spricht er ein Wort ganz desselben Sinnes, den bisher seit Ankunft Judä in Get semane alle seine Worte hatten; er will ihnen zum erständniß helfen, warum ihnen gelingt, was ihnen zuvor nie gelungen ist, wa- rum sie sich jeko seiner bemeistern können. Hiermit läßt er ihnen eine Hände, seine Arme, seinen Leib —- nicht macht- noch wehrlos, aber sanftmüthig und er- geben, voll Willens, Gottes Lamm zu sein, läßt er sich führen. (Löhe.) I. v. 54—71. (§. 117-—1l9.) Eine neue Gruppe be— ginnt mit dem Uerhär und der Verurtheilnng Sesn non Seiten des geistlichen Gerichtsz unser Evan- gelist erledigt dabei die Geschichte von der dreimaligen verleagnnng Petri gleich zu Anfang, nachdem er die Jlbführung des hGrrn in des tjohenpriesters thans genieldet hat (V.54—62), übergeht also die nächtliche Verhandlung mit dem Gefangenen (·silattlj. As, 70 Zum) und läßt nnr aus der Behandlung, die ihm von Seiten der Häscher miderfährh die bereits erfolgte Ver— nrtheilung merken (v. 63—-65), nimmt aber dafür die zweite Verhandlung nach Tischtuch des Morgens, deren Schlusruriel allein Gesetzeslirast hatte, genauer vor All. 66 —7l). Sein Bericht, so znsammengedrängt auch alles erscheint, trägt gleikhwohl viel zum hersländuiß der Var- . sielinug der beiden ersten Guangelisieu bei, indem wir dnreh dieselbe die zweite Sitzung des Hohenrathes von der ersten bestimmt unterscheiden lernen. (vgl. stiatth As, 57 —- 27,1;marle.14, 53-15,1; Ioh.18,12——27.) 54. Sie griffen ihn aber und fiihreten ihn und brachteu ihn in des Hohenpriesters Haus swelches Hannas und Kaiphas gemeinschaftlich bewohnten Matth ge, 58 Anm.]. Petrus aber solgete Von ferne [und fand durch Vermittelung des Johannes ebenfalls Einlaß] in em pkisskåsx Ft ktkkiikssiåikiki Fssehiiiskskstwkäini von dem Palast umschlossenen Hofraum] und setz- ten sich zusammen, und Petrus setzte sich unter sie sals wäre er einer Jhresgleichens 56. Da sahe ihn eine Magd sitzen bei dem Licht [im Schein der Flamme], und sahe eben auf ihn [ihn mit den Augen fixirend], und sprach zu ihm sdies ,,zu ihm« ist nur durch Mißverständniß in den deutschen Text gekommen und muß weg- gelassen werden]: Dieser war auch mit ihm sdem Jesus von Nazareth, der jetzt abgeurtelt wird]. 57. Er aber verleugnete ihn und sprach: seid? ich keåinxf ]sein nicht [Matth. 26, 69 f.; ar. 14, 6 .. 58. Und über eine kleine Weile snachdem sein Versuch, sich davon zu machen, mißlungen und dabei der erste Hahnschrei erfolgt war] sahe ihn ein Anderer und sprach: Du bist auch der einer. Petrus aber sprach: Mensch, ich bin-s nicht [Matth. 26, 72 Anm.]. 59. Und über eine Weile, bei einer Stunde [als Jesus eben zum ersten Mal zum Tode ver- urtheilt war und aus dem Gerichtssaal nach dem Hofe abgeführt wurde], bekrästigte es ein Anderer und sprach: Wahrlich, dieser war auch mit ihm, denn er ist ein Galiliier swie seine Mundart ver- Blitz) Matth. sf26, 73 ff.; Mark. 14, 70 ff.; o . 18, 26 .]. 60. Petrus aber sprach: Mensch, ich weis; nicht, was du sagest. »Und alsobald, da er noch redete sdenn es war xetzt gegen 3 Uhr Morgens], krähiiti bei: dahin« d N h b f: d" ch E . n er [in er ä e e·nli e]H rr wandte sich und sahe Petrum an. Und Petrus edachte an des HErru Wort, das er zu ihm ge- sagt hatte [V. 34; Joh- 13, 38]: Ehe denn der Hahn leihet, wirst du mich dreimal ver- leugnen. 62. Und Petrus ging hinaus [aus dem Hofe, welcher jetzt nicht mehr verschlossen gehalten wurde, weil nach beendigter Verhandlung mit Jesu die bei dem Hohenpriester versammelt ge- wesenen Glieder des Hohenraths sich wieder ent- fernten] und weinte bitterlich [seine Zuflucht zu dem Haufe der Mutter des Johannes Markus nehmend Mark. 16, 1 Anm.]. Jn Joh. 18, 15 f. erhalten wir Aufschluß darüber, wie Petrus dazu kam, nachdem er früher mit den übrigen gestehen, sich bis in den Hof des Hohenprie- fters zu wagen; die Bekanntschaft des Johannes, der ihn mitnahm, mit dem Hohenpriester und die Achtung, in der er in Folge derselben bei feinen Leuten stan , schien den Petrus vor der Gefahr zu sichern, und ein unwiderstehlicher Drang zog ihn zu seinem HErrn hin. (Hengstenberg.) Unser Evangelist nun übergeht 872 Evangelium Lucä 22, 63—71. 23, 1—4. alles, was die Feinde in dieser Nacht im hohenprie- sterlichen Palast gegen den Heiland vornahmem und richtet fast ausschließlich unsere Aufmerksamkeit auf Petrus. Wer diesen in Hinsichtsauf seine dreimalige Verleugnung allzufehr vertheidigt, macht seine Reue zu einer übertriebeneu Schwermuth und erklärt damit eigentlich, daß der HErr ihn später fast zu streng be- handelt habe; andrerseits aber darf gewiß zur Mil- derung seiner Schuld darauf hingewiesen werden, daß er den HErrn allein niit dem Munde, nicht aber mit dem Herzen verleugnet habe und die Verirrung einer einzigen Nacht durch ein ganzes Leben nnermüdeter Treue wieder gut zu machen trachtete. Wie haben wir Petri Betragen zu beurtheilen? Wirbe- trachten sein Vergehen 1) im Lichte seines Berufs, und feine Schuld ist entfchieden; 2) im Lichte seines Charakters, und sein Betragen ist erklärlich; 3) im Lichte der Umstände, und sein Vergehen wird ge- mildert; 4) im Lichte des Gewissens, und das Ur- tTheil erstirbt uns aus den schuldigen Lippen. Der lick des HErrn auf Petrus ist der Ausdruck l) einer uuvergeßlichen Erinnerung: was habe ich dir gesagt? Z) eines innigen Schmer es: ist das deine Liebe zu mir? Z) eines seligen rogzeN ich habe für dich gebeten; 4) eines re tzeitigen inkes: sofort von hier hinwe ! (v. Oo terzee.) Petrus und Judas mit einander verglichen l) in Beziehung auf ihren Fall, 2) in Beziehung auf ihre Reue. (Buchrucker.) 63. Die Männer aber, die Jesum [nach Be- endigung der ersten Sitzung des Hohenraths Matth. 26, 59—66; Mark. 14,55——64] hielten fbis zur weiteren Verhandlung in V. 66 ff. zu bewachen hatten], verspoiteten ihn smit Anspeien] und schlugen ihn smit Faustens 64. Verdeckten ihn smit einem Tuche] und schlugen ihn ins salso verhüllte] Angesicht, und fragten ihn und sprachem Weisfagy »wer ist es, der dich schlug? sdenn du willst Ja ein Prophet sein, und da mußt du ja das, was deinem leib- lichen Auge verborgen ist, können kund thun] 65. Und viele Lästerungen sagten sie wider ihn lMatth. 26, 67 f.; Mark. 14, 65]. Es ist dies eine Verhöhuung des prophetifch en Wissens Jesu, die jiidischeVerfpottung — dieheid- nische, die sich auf seine Königs-würde bezog, fin- den wir bei Joh. 19, 2 ff.; es macht aber schon He- rodes in Kap. 23, 11 einen Anfang damit. (Godet.) Da Markus ausdriicklich die Mißhandlung der Diener von der der Andern unterscheidet, so haben wir anzu- nehmen, daß die geistlichen Rathsherren selber in ihrer blinden Raserei zuerst mit ihren Händen an dem heil. Leibe Jesu sich vergriffen hatten. (Baumgarten.) Die Mißhandlungeu wurden ad majorem dei gloriam (zu desto größerer Ehre Gottes) unternommen: be- dauernd, daß man nicht uach der Vorschrift des Ge- setzes die Steinigung sogleich vollziehen konnte, wollte man doch wenigstens thun, was innerhalb des Kreises der dem Hoheurathe noch gebliebenen Befugnisse lag; hiernach ist es ganz außer Zweifel, daß Mitglieder des Synedriums selbst an den Mißhandlungen Theil nahmen. (Hengftenberg.) Die Verhüllung des Ange- sichts Iesu ein Zeichen, das; sie bei feiner Verspottung das Licht feiner Augen scheuen mußten. (P. Lange) Wie damals in der Dunkelheit der Nacht, so wagt man in der Dunkelheit der Welt dieses Lebens man- chen Streich wider Jesum. (Braune.) Der Heiland mit dem bedeckten Angesicht: I) wieviel er sieht, Z) wie erhaben er schweigt, Z) wie kräftig er predigt. (v. Oosterzeed Die ihr euer Angesicht schmücket und fchminket, sehet, was Jesus in feinem Angesicht euret- halben hat ausgestanden ! (Quesnel.) 66. Und als es smit Anbruch der vierten Nachtwache von 3—-6 Ilhrs Tag ward, sammelten sich die Aeltesten des Volks, die Hohenptiester und Schriftgelehrten ldie Mitglieder des Shnedriums Kap. o, 22; 20, 1], und führten ihn hinauf snach dem Sitzungssaal beim Tempel] vor ihren Rath [Matth. 27, l; Mark. 15, 1], 67. Und sprachen sdie Verhandlung der vor- hergegangenen Nacht wieder aufnehmend Matth. 26, 63; Mark. 14, 61]: Bist du Christus? Sage es uns sdem rechtmäßigen geistlichen Ge- richt Joh. 1, 19 fs.]. Er sprach aber zu ihnen: Sage ich es euch seure Frage, wie ich ja schon gethan habe, bejahend Matth. 26, 64; Mark. 14, 62], so glaubet ihr es nicht; 68. Frage ich aber sum aus der Schrist euch zu überführen, daß ich mit meinem Selbst- zeugniß euch die Wahrheit sage], so antwortei ihr sticht· swie sich das in Kap. 20, Z« ff. u. 41 ff. gezeigt hat], und laßt mich doch nicht los [auch wenn noch so sehr euer eigen Gewissen als Zeuge für mich auftritt; denn ihr habt nun einmal be- fchlossen, mich umzubringens 69. Datum sweil es euch gegenüber keinen andern Beweis mehr giebt, als den thatsächlichen Beweis des Gerichts, so wird dieser auch bald solgenxs von nun an wird des Menschen Sohn fihen zur rcchten Hand der Kraft Gottes fund sich als solchen beweisen, dem Gott der HErr alle seine Feinde zum Schemel seiner Füße legt Pf. 110, 1]. 70. Da sprachen sie alle: Bist du denn swenn anders deine Drohung wir richtig ver- stehen] Gottes Sohn? Er sprach zu ihnen: Ihr saget es, denn ich bin es. 71. Sie aber fihr Urtel von der vorher- gehenden Nacht wörtlich wieder aufnehmend, um es jetzt der gesetzlichen Form gemäß auch rechts- kräftig zu machens sprachen: Was bedürfen wir weiter Zeugnis? Wir haben es selbst gehört aus seinem Munde fund sie- verdammten ihn damit als einen Gottesläfterer zum Todes Nicht etwa dadurch versüudigte sich das Synedrium, daß es überhaupt die Sache Jefu einer Untersuchung unterwarf, im Gegentheil, dies war seine hl. Pflicht; sie waren dafür verantwortlich, daß niemand, die messianischen Hoffnungen des Volks benutzend, das- selbe äußerlich und innerlich zu Grunde richtete. Aber das war ihre Sünde, daß es ihnen nicht um die Wahrheit zu thun, daß sie von vornherein entsshlossen waren, Jesum zu verdammen, daß die ganze eschaf- fenheit ihres Inneren sie nöt i te, den größten Justiz- mord zu begehen, der je auf rden begangen worden Der HErr, verspottet und mißhandelt, bekennt sich vor dem Hohenrath als Gottes Sohn. 873 ist: hätten sie guten Willen gehabt, so wäre es äußerst leicht gewesen, die Wahrheit zu erkennen, die Beweise für Jesu Messinnität und göttliche Würde würden ihnen zugeströmt sein, während sie jetzt ferne blieben, weil jeder wohl wußte, daß ihnen damit nicht gedient war. (Hengstenberg.) An sich lag auch für Jesum nichts Gotteslästerliches darin, sich Christus zu nennen: der Anspruch darauf konnte falsch sein, darum war jedoch noch nicht die Ehre des göttlichen Wesens da- mit angegriffen; wenn nun aber die Aussagen Jesu ilber seine Person in den Augen der Juden den Cha- rakter der Gotteslästerung annahmen, so war dies deswegen der Fall, weil in seinem Munde der Titel Messias immer nur die Folgerung war von dem des G ottessoh us. Dieser allein war während seiner gan- en Amtsthätigkeit der Gegenstand seiner öffentlichen Erklärungen; daher auch in der von Matthäus und Markus beschriebenen ersten Sitzung der Hohenpriesten indem er ihn fragte: ,,bist du Christus?« sogleich hinzufiigtet »der Sohn Gottes-IS« da er wohl wußte, daß die erstere Behauptung keinen Grund zu einer Llnklage auf den Tod bieten konnte, außer insofern sie, wie es immer in der Lehre Jesu der Fall war, dnrch die zweite ergänzt und erklärt wurde. So ist denn an unsrer Stelle die Frage in V. 67 lediglich von Seiten des Fragenden die Einleitung des Verhörs, welches zu seinem Hauptpunkte erst in der Frage V. 70 kommt. (Godet.) Auch der Christ bedarf nach den unzweideutigen Erklärungen Jesu in Betresf seiner himmlischen Würde keines weiteren Zeugnisses. (v.Oo- sterzee.) Denn wie stehen die Sachen, nachdem der Hohepriester schon in Matth 26, 13 es auf einen Schwur getrieben, es auch zu einem Schwur gekom- men, und nun Jesus hier seine eidliche Aussage noch- mals bekräftigt? Entweder ist Jesus ein Lästerer und Lügner, ein meineidiger Lästerer und Lügner, oder Kaiphas und seine Rotte im Ehrengewande sind Got- teslästerer, Gottesverspeiey Gottesschlägey Gottesver- spotterl Hier wird ein hohes Spiel gespielt: istJefus ein Lästerer, so wird er mit Recht getödtet; wird er mit Unrecht getödtet, ist er, was er sagte, so kann er im Tode nicht bleiben, wenn er getödtet wird, wenn er nicht schon vorher sich der Bande entledigt und triumphirend von dannen geht. Entweder kann er nicht sterben oder er muß anferstehen; und steht er auf, wird er dadurch gerechtfertigt und erwiesen als Gott und Gottes Sohn — mehr, als wenn er nicht gestorben wäre, so müssen ihn seine Feinde sehen, gleichviel wann. Ja, er muß ihnen in den Wolken des Himmels den Beweis liefern; sie müssen ihn, wie er gesagt hat, in den Wolken kommen und zur Rech- ten Gottes sitzen sehen — und dann sind sie verloren! (Löhe.) Das vollendete Coneil der Satzung in seiner vollendeten Fehlbarkeit ist ein Vorzeichen ähnlicher Eoneilien in der christlichen Kirche (P. Lange) Das 23. Kapitel. Christi Leiden nor Filiria, seine Krenzignnxx Tod nnd Jzegräliiiisy Il. v. 1—25. as. 120.) o« Juischuitt zeigt uns eine Reihenfolge einerseits von Geuxalitnittelty durch welche die Juden die Bestätigung des Todesurlljeils über Jesum von dem römischen Eattdpfleger zu erzwingen suchten, andrersefts non Jlnsltnnftsmitteltg mit welchen Pilatus sich aus der ihm so peinlichen Sarhc zn ziehen sachte, da er wohl erkannte, daß es Ha) hier um einen Iuslizmord handele, zu welchem er seine Hand reichen solle; alter die Gewaltmittel der Juden tragen über die Ztnsltnnftsmittel des Pilatus schließlich denn doch den Steg davon — Jesus wird ihrem willen znr Kreuzigung sit-ergeben! »Es ist noch etwas Anderes nnd Regel-es, den HGrrn verwerten, nachdem er dort verworfen und zum Grundstein unsers Heils geworden ist: jene Juden hatten doeh damals den in uneudlicher tkiebe zu unserer Erlösung an’s Kreuz Gesliegenen noch nicht verworfen —- wehe aber den lllerrätheru und ver— werfern des GelirenzigtenW (logl. Womit. 27, 2-— M; Mark. 15, 1—l9; Joh. 18, Es— 19, 16). 1. Und der ganze Haufe sder Rathsmitglie der, mit Ausnahme des Joseph von Arimathia V. 51 und des Nicodemus Joh. 19 , 39., die nicht bewilliget in ihren Rath und Handel] stund auf und fuhrete ihn vor Pilatnm sum die Bestä- tigung des Todesurtheils von diesem einzuholen Joh. 18, 31];» v 2. Und fingen an ihn zu verklageu sals po- litischcki Aufwiegler] und sprachen: Diesen finden wir, daß er das Volk abwendet, nnd verbietet den Schoß den Kaiser zu geben, und spricht, er sei Christus, sdenn das bedeutet] ein König. 3. Pilatus aber fragte ihn lin der Unter- redung, die er mit ihm im Richthause hatte Joh. 18,» ne, — 38] und sprach: Bist du der Juden Konnt? Er antwortete ihm und sprach: Du sagest es. , 4. Pilatus sals er aus dem Richthause wieder hervortratj sprach zu den Hohenpriestern und zum Volk: Ich finde keine Ursach an diesem Menschen sJoh. 18, 38]. Warum die Mitglieder des Hohenrathes Jesum nicht etwa mit einer Depntation aus ihrer Mitte zu Pilatus schickten, sondern persönlich und in voller Zahl ihn dahin führten, darüber giebt Joh. 18, 28——30 Aufschluß: sie wollten durch i r persönliches Erscheinen wotnöglich die summarische erurtheilung Jesu ohne weitere Untersuchung durchsetzem jedenfalls aber ihrer Anklage dadurch desto größeren Nachdruck geben. Zu dieser mußten sie schreiten, als ihre erste Absicht an der Ungeneigtheit des Landpflegers gescheitert war, sich aus eine Verurtheilung ohne Anklage und Ver- handlung einzulassen; wessen sie ihn dann beschuldigten, giebt V. 2 mit größter Bestimmtheit an. Sie ver- dreheten Jesu eidliche Aussage, daß er der Christ, der Messias sei, um ihn darauf hin als einen Aufwiegler gegen die römische Landeshoheit anzuklagen, wobei sie klüglich ihre Folgerungen und Unterstellungen in erster Linie nennen und die Behauptung Jesu, daß er Christus, ein König sei, als den scheinbar vollkommen ausrei- chenden Beweis für die Richtigkeit ihrer Anklage zu- letzt stellen. Ganz ähnlich ist das Wort der Schlange in 1. å)ssdos. Z, 4 f. eonstruirt; auch dort kommt das, worin etwas Wahres lag, zuletzt, um die vorausge- schickten Unwahrheiten zu empfehlen —- die Taktik der Lügenhaftigkeit bleibt sich eben zu allen Zeiten gzleich, sie stammt immer aus derselben Schule, Joh. , 44. (v. Burger.) Es ist bemerkenswerth, daß der Titel Christus von den Juden vor Pilatus in den des ,,Kö- nigs« iibersetzt wird, während er vor dem Hohenrath in den des ,,Gottessohns« umgesetzt wurde: dort sollte die Anklage auf Empörung hier die Anklage auf 874 Evangelium Lucä 24, 5—32. Gotteslästerung damit begründet werden· Pilatus aber war einsichtsvoll genug, um u wissen, was er von diesem plötzlichen Eifer des ohenraths für die römische Herrschaft in Palästina zu denken habe; und seine Unterredung mit Jesu über diesen Punkt, wie sie bei Johannes ausführlicher dargestellt wird, überzeugte ihn vollends, daß er es mit keinem Nebenbuhler des Kaisers zu thun habe. (Godet.) Die Verleumdung der Welt gegen den HErrn und die Seinigen: 1) unerschöpflich in ihren Waffen, und doch Z) ohn- mächtig zum Siege. (v. Oosterzee.) Z. Sie aber hielten an [indem sie ihre Be- schuldigung V. 2 auch zu begründen versuchten] nnd sprachen: Er hat das Volk· erregt, damit, daß er gelehret hat hin und her un ganzen judi- schen Lande, nnd hat in Galilcia angefangen sund ist schließlich vorgedrungen] bis hierher [zu der HauptstadhKin die er siFf feierlich eingezogen als ein König ap. 19, 29 .]. s. DaGaber Pilatus Galiläa hörte, fragte er, ob er aus alilaa wäre. 72 Und als er vernahm, daß sdas allerdings» der Fall wäre und] er [also] unter Herodis [des Vierfürsten über Galiläa] Obrigkeit gehörte, über- sandte er ihn zu Herodes, welcher in denselben Tagen auch zu Jerusalem sm dem Palaste auf Zion wohnend] war [Matth. 27, 14 Anm.]. 8. Da aber Herpdes Jesum sahe, ward er sehr froh, denn er hatte ihn langst gerne gesehen [Kap. g, 9]; denn erhatteviel von ihm ehort, und hosste, er wurde ein Zeichen von ihm ehen. I. Und er fragte ihn mancherlei [um seine Neugier zu befriedigen] Er sJesUsJ antwortete ihm aber nichts [denn was er ihm zu sagen hatte, das hatte er· ihm durch seinen mehrmaligen Auf- enthalt in Livias schon nahe genug gelegt Kap. H, ;7s.3;0]13, 31 —14, 24; 15, 1—16, 31; «10. Die Hohenpriester aber und Schriftge- lehrten [meinend, hier werde die Sache zur Ent- scheidung kommen] stunden Und verklagten ihn hart. 11. Aber Herodes sauf den alles ihr Gerede gar keinen Eindruck machte, der vielmehr nur das Interesse hatte, ·sich»für die Nichtbefriedigung sei- ner Neugier] mit seinem Hofgesinde san ihm schad- los» zu halten] verachtetc und verspottete ihn, legte ihm szurVerhohnung seiner vorgeblichen koniglichen Würde] ein weißes Kleid an, und sandte ihn sdann in diesem Kleide] wieder zu Pilato. 12. Auf den Tag wurden Pilatus und He- rodes Freunde mit einander; denn zuvor waren sie einander feind sKap. 13, 1 Anm.]. Am Hofe des Herodes kehrt sur den HErrn noch einmal die in ihrem tiefsten Grunde sataniiche Ver- suchung zurück, die er in Kap. 4, 9 ff. triumphirend von sich abgewiesen hatte; noch einmal, bevor er an’s jKcrheuz efifthöhet wsrgen solköt jstiehtWer disk· Gålegjetiilzeiät · erö neu, au em ei e en e e ie un e- iiiächtigen Vierfürsten zu gewinnengDie höhnenden Höflinge auf der einen, die lästernden Priester auf der andern Seite — hätte sich wohl eine schönere Gele- genheit bieteu können, um auf der einen Seite Er- staunen, auf der andern Beschämun hervorzubringen? Aber keins von beiden thut derH rr; er erklärt viel- melär mit seinem Schweigen den Sinn der Vorschrift in er Bergpredigt Matth 7, 6. Dagegen, wenn es während der ganzen Dauer der Gerichtsverhandlung vor Pilatus eine Stunde gab, die für Jesum eine Stunde des namenlosesten Seelenschmerzes genannt zu werden verdient, so ist es gewiß die seiner Darstellung vor Herodes gewesen: was der Blick in die Tiefe einer Herodesseele für den heiligen Herzenskiindiger gewesen sein und wieviel es ihm gekostet haben muß, die mit dem Blut des Täufers befleckten Hände liebkosend gegen sich ausgestreckt zu sehen, davon können wir nur eine schwache Ahnung haben. Aber mitten in dieser tiefen Erniedrigung, in der er gleichsam wie ein Spielball von der einen unreinen Hand der andern ugeworfen wird, erglänzt die Majestät seines beredten chweigens um so herrlicher. (v. Oosterzeeh Ein Wunder hatte Herodes vom HErrn zu sehen begehrt: er sah wirklich eines, aber er faßte es nicht; denn ein Wunder der Liebe, die alle Tiefen der Schmach durchwandelt hat für uns, die sich zum Spott mit einem weißen Kleid hat anthun lassen, damit wir vor dem Throne Gottes in weißen Ehrenkleidern erfcheinen möchten, ein Wunder dieser Liebe ist es ja, daß der HErr den Fluch bindet, der sonst auf seine Spötter hätte fallen mögen, wie aus die spottenden Knaben zu Bethel Z. Kön. 2, 24. (Besfer.) Der Zweck der Bemerkung in V.12 ist der, darauf aufmerksam zu machen, wie von diesen Welt- leuten das Höchste nur als Mittel zu ihren kleinlichen weltlichen Zwecken benutzt werde: Pilatus schickt den HErrn zu Herodes, um ihm eine Artigkeit zu erzeigen, und dieser schickt ihn zurück, um die Artigkeit zu er- wiedern! (Hengstenberg.) i » 13. Pilatus aber rief die Hoheupriester nnd die Obersten und das Volk zusammen, · 14. Und sprach zu ihnen: Ihr habt diesen Menschen zu mir gebracht, als der das Volk »ab- wende. Und siehe, ich habe ihn vor euch berhoret und finde an dem Menschen der Sache keine, der ihr ihn beschuldigetz · » » . Herodes auch» nicht; denn ich habe euch zu ihm gesandt, und siehe, man hat nichts auf ihn gebracht, das des Todes werth sei. · » 16. Darum will ich ihn kmitteis Geißeluugs zuchtigen nnd [darnach] los lassen. 17. sMit diesem ersten Gedanken verband sich aber bei ihm sofort ein zweiter, nämlich die angebotene Freigebung in eine Losbittung von Seiten des eben herbeiströmenden Volkes zu verwandeln Piatth 27, 14 Anm.] Denn er mußte ihnen einen sGefaiIgeneriJ nach Gewohnheit des Festes los geben [Matth. 27, 18 Anm.]. 18. Da [indem er jetzt auch wirklich dem Jesu von Nazareth den Jesus Barabbas gegen- überstellte und sprach: ,,welchen wollt ihr, daß ich euch los gebe? Barabbam oder Jesum?«s] schrie der ganze Haufe und sprach: Hinweg mit diesem, und gieb uns Bnrabbam los; » 19. Welcher war um eines Aufrnhrs, so in der Stadt geschehen war, und um eines Mordes willen ins Gefangniß geworfen [Joh. 18, 39 s.]. Jesu Verurtheilung und Abführung zur Hinrichtung. Worte Jesu an die Weiber von Jerusalem. 875 20. Da rief Pilatus abermals zu ihnen sin- dem er sprach: »was foll ich denn mitdiesem machen, von dem gesagt wird, er sei Christus?« Matth. 27, 22; Mark. 15, 12 f.] und wollte Jesnm los lassen. z , 21. »Sie riefeii aber, und sprachen: Krcuzign kreiizige ihn san Stelle des VarabbasU 22. Er aber sprachziim dritten Mal »zu ihnen: Was hat denn dieser Uebels gethan? »ich finde keine ilrsach des Todes an ihm; darum will ich ihn [u»m eure Obersten in etwas zufrieden» zu stelleng zuchiigen iind [hieranf, damit auch ihm die g bührende Gerechtigkeit widerfahreJ los lassen. 23. Aber sie lagen ihm an mit großem »Ge- schrei, nnd forderten, daß er gekrenziget wurde sauf diese Strafe, die ihnen dnrch die Zusammen- stellung Jesu mit Barabbas einmal in den Kopf gekommen war, nun sörnilich versess en Matth. 27»,23 ; Mark. 15, 14]. Und ihr und« der Hohenpriester Geschrei nahm überhand sso daß selbst das» inchts nutzte, daß der Landpfleger nach sinnbildlichem Gebrauch sich die Hände wusch Matth.-N, 24ff.]. 24. Pilatus aber urtheilte, daß ihre Bitte geschähe« . 25., Und ließ deii los, »der um Anfrnhrs nnd Mords willen war ins Czefanguiß geworfen, nm welchen sie baten; aber Jesnm snachdeni er ihn hatte geißeln lassen und noch mancherlei Versuche gemacht, ihn au»s ihren Händen zu erretten Joh. 19, I —— 151 Ubergab et· [schließlich, da er sich nun keinen Ausweg mehr ersah] ihrem Willen sMatth. 27, 26——30; Mark. 15, 15—19; Joh. 19, 16]. Welchen Mitteln sollte Jesus, der Welt- Zseilany nach der Weisheit der Kinder dieser eltsein Leben danken? 1)einerschlechten Sitte (der Gewohnheit, einen Verbrecher aufs Fest frei zu eben)· L) einem schleckiten Titel (Freigebeteiier, vom ätolk Begnadigteyz Z) einem schlechten richterlichen Ce- rimoniell (die Hände waschen, wo es galt, die Hände regen). Die Nachahmung der Wahl des Ba- rabbas geschieht noch oft: 1) in Bezug auf den giaubenf— lslnglgulze statt Cgiaicibe agi FFesnnUlYbin l! UUEV set! UU ailcn——lcck eiiizilixiigehiindenes zügelloses Leben? als strenge sittliche Ordnung und Zucht; 3) in Bezug aus burgerliche Ordnung s—- lieber den Demagogen Gehor geben, als dem sanften Wort Jesu. (P. Lange-«) Auch in der Geschichte sehen»wir, wie oft der kirchliehe uiid poli- tische Demokratismus zu ächten Barabbas-Wahlen ge- führt hat. (v. Oosterzee.) III« v. 26—49. (§. 121 u. 122.) Wir iiöniieii unserii Abschnitt, der iin Jlllgeuieinen init der ijiiirichtiing Jesu zu thun hat, in vier Untertheile zerlegt-n: a) der Gang zur dtichtstätte (v. 26—32); b) die Krenzigiing (b.33—38); c) die Zeit am Kreuz (u.39—46); d) der Etndrncie des Todes Jesu ans den röinischen Hauptmann, auf das Voll: und ans die Anhänger Jesu (v. 47——49). Gleich in! ersten Theil hat Lunas, der sonst sehr ab- » tiürzend mit seiner Darstellung verfährt, das Wort Jesu an die ihiii nachfolgenden Weiber von Jerusalem, das sonst iiein Evangelist berichtet, mit eingeflochten und da— niit für den ersten tzaiipttheil der Gesichte der Offenba- rniig ebenso den Schiässel zu1u richtigen ueritändniß an die Hand gegeben, wie er das für den zweiten Haupt— thcii mit dein Worte iii tiap.2i, 24 that; ebenso bringt er im zweiten Theil das erste und ini dritten Theil das zweite niid das letzte non den sieben Worten Christi am Kreuze bei niid ergänzt damit die andern beiden Enangeiisiem jedoch deni vierten auch noch das Seine vorbehalteudz im vierten Theil gedeutet er unter den beiui Tode Jesu Gegeuwärtigen auch seiner verwandten. (vgl. Matth. N, 31—56; Mark. 15, 20—4l; Ioh.19, 16—37.) 2i;. und ais sie ihn hiuführtcu Izu vers-sicht- stätte V. 33] ergriffen sie fdie Kriegsknechte welche bisher Jesnm sein Kreuz selbst hatten tragen lassen Joh. 19, 17] Einen, Simon von Eyrene, der kam voni Felde; und legten das Kreuz ans ihn, daß er es Jesu nachtruge [Matth. 27, 32 u. Mark. 15, 21 Aiim.]. « 27. Es folgte ihm aber [auf dem Wege vom Richthaus bis zum RichtplatzJ nach ein großer Haufe Volks, und sdarunter besonders] Weiber sdie zur Einwohnerschaft von Jerusalem gehörten, also nicht zu verwechseln sind mit den in V. 49 u. 55 erwähnten], die klagten und beweinten ihn. 28. Jesus aber wandte sich um zu ihnen und sprach sauf das zurückkommend, was er am Palmsonntag schon geweifsagt hatte Kap.l9,43f.]: Ihr Töchter von Jerusalem, weinet nicht uber mich, sondern weinet über euch selbst nnd über eure Kinder. 29. Denn siehe, es wird die Zeit kommen, in welcher man sagen wird: Selig sind die Unfrucht- bareu, nnd die Leiber, die nicht geboren haben, nnd die Brüste, die nicht gesiiuget haben [Hosea9,14., weil sie für sich allein leiden, nicht auch ihrer KinderJainmer und Verderben mit ansehen müsfen]. 30. Daiiu werden sie ansahen zu sagen zu den Bergen: fallet über uns, und zu den Hügeim decket uns lHos 10. s; Offenb. 6, 16 f.]! 31. Denn so man das thiit am grünen Holz san einem, der nicht geeigenschaftet ist zum Brennen, daß man ihn in’s Feuer wirft], was will am dürren werden san denen, die sich mit solcher That reif machen zum Feuer des göttlichen Gerichts Matth. 27, 32 Anm.]? 32. Es wurden aber auch hingefiihret zween andere snänilich wirklicheJ Uebelthiiter [V. 41, uiiter die er jetzt gerechnet war Kap. 22, 37]", daß sie mit ihm abgethan würden swährend er selbst die Stelle eines dritten vertrat, der eigentlich hätte abgethan werden sollen V. 18 f. n. 21]· Die Anrede Jesu an die Weiber ist ein Zeugnis; seiner Liebesmacht, in der er bis zum letzten Angen- blick sich nicht mit seinem eigenen Weh, sondern mit dem Jammer beschäftigt, welchem die entgegengehem die er so gerne hätte retten wollen. (v. Burgen) Der Sinn des Ausspruchs in V. 31 ist wohl dieser: Das grüne Holz ist Jesus, welcher nngeachtet seiner beständigen Unterwürfigkeit unter die Obrigkeit als 876 Evangelium Lucä 23, 33——49. Aufrührer zum Tode geführt wird; das dürre Holz das jüdische Volk, welches durch feine empörerische Gesinnung um so gewisser bald das römische Schwert aus sich herbeiziehen wird. So widernatürlich es ist, daß Jesus als Aufrührer stirbt, so sehr liegt es in der Natur der Sache, daß Jsrael wegen Aufruhrs zu Grunde geht. So macht Jesus hier dem Volke die Lüge fühlbar, welche seiner Verurtheilung zu Grunde kcCcgzdnnfi die Art, wie Gott dafür Rache nehmen werde. o et. 33. Und als sie kamen an die Stätte, die da heißt Schädelstcitte [richt.: Schädel Matth. 21,. 11 Am. unter e], kreuzigten sie ihn daselbst, und die Uebelthäter [V. 32] mit ihm, einen zur Rech- ten nnd einen zur Linken. 34. Jesus aber [während sie die Kreuzigung an ihm vollzogen] sprach: Vater, vergieb ihnen, denn sie wissen nicht, was sie thun. Und sie thei- leten seine Kleider, und warfen das Loos darum [Matth. 27, 35 f.; Mark. 15, 24]. 35. Und das Volk stund und sahe zu. Uud die Obersten sammt ihnen spotteten seiner, und sprachem Er hat Andern geholfen, er helfe ihm selber, ist er Christ, der Auserwählte Gottes [Matth. 27, 39——43; Mark. 15, 29——32]. 36. Es verspotteien ihn auch die Kriegs- knechte, traten zu ihm sals wollten sie ihm als König der Juden den Kelch bei seinem Festmahl kredenzen] und brachten ihm Essig [Matth.27,34;. Mark. 15, 23], » « 37. Und sprachen: Bist du der Juden Komg, so hilf dir selber [Matth. 27, 44 Anm.]. 38. Es war auch oben über ihm geschrieben die Ueberschrift, mit griechischen nnd latemischen und ebräischen Buchstaben fund Ausdrücken — In Joh. 19, 20 ist eine andere Ordnung der drei Sprachen befolgt, die dem wirklichen Sachverhalt entspricht]: Dies lnämlich der hier am Kreuz hängende Jesus von Nazareth] ist der Juden Konig [Matth. 27, 37 Anm.]. Als er an’s Kreuz genagelt ward, als Schmerzen ohne Zahl seinen müden, zarten, der Sünde wie des Schmerzes ungewohnten Leib durch ogen und er selbst als unser Hoherpriester sich Gott flür unsre Sünden am Stamm des Kreuzes opferte, da rief er laut und mächtig s ein hohepriesterlich fürbittendes Wort: ,,Vater, vergieb ihnen, denn sie wissen nicht, was sie thun« Sie wußten’s nicht, denn sie erkannten’s nicht. Sie hätten es zum Theil wohl wissen können, denn er hatte viel geredet, was ihnen die Augen hätte öff- nen können; es war eine verschuldeteUnwissenherh aber eben doch eine Unwissenheit, eine grauen- volle Unwissenheit, aber doch Unwissenheit. S1etöd- teten ihren wahrhaftigen, seit Jahrtausenden verheiße- nen König, ihren Mefsias, ihrer Väter Hoffnun , auf welche sie auch selbst gewartet hatten. Sie tö teteu ihren Hohepriestey ihr Passalamm, Gottes Sohn; das thun sie, wissen? und glauben’s nicht. Aber Jesus weiß es, und während er mit Schmach und Schmerz bedeckt am Kreuze hängt, denkt er doch mehr an sich, nicht an seine Noth, sondern ho epriefterlich an die Verschuldung derer, die ihn an’s reuz häng- ten. Die Leiden, welche Ach und Weh über die Men- schen rufen, verwandelt er durch seine willige Erge- bun und durch seine geheimnißvolle Aufopferung zu Versöhnungsleiden und zu einer Ursache, um deret- wtllen seine Bitte Erhörung finden soll. Jm Schmucke der Schmach und Schande, des Schmerzes und der Pein, welche er erduldet, tritt er vor den Vater und begehrt eben um ihretwillen von dem Vater im Him- mel Gnade und Vergebung für alle die Unwissenden Sünder, die ihm solches an ethan haben; und der Vater im Himmel, der in intracht mit ihm selbst, dem Sohne, die Leiden, die ihm Menschen anthun, als Versöhnungsleiden annahm, erhörte auch, wie der Pfingsttag und die reiche Ernte aus den Juden be- weist, denn für die große, schwere Schuld und in An- betracht des Geschreies: ,,sein Blut komme über uns und unsre Kinder« ist und bleibt die erste Gemeinde zu Jerusalem, ihre Zahl und Beschaffenheit eitel glän- zende Erhörung der Fürbitte Jesu und wird nicht aufgewogen durch die Blindheit, welche der Mehrsahl der Juden zu Theil geworden ist. (Löhe.) Die "te Jesu ist erhöht worden in den 40 Jahren der Gnaden- frist, während welcher Jsrael noch die apostolifche Verkündigung hören durfte; sonst ätte der Zorn Gottes so leich über das schuldige olk losbrechen können. ( odet.) Eine weitere Fruchts.Offb.6,9——11. 39. Aber der Uebelthäter einer, die da [zu- gleich mit Jesu V· 32 f.] gehenkt waren, lästerte ihn und sprach: sBist du Christus, so hilf dir selbst nnd uns. 40. Da antwortete der andere, strafte ihn und sprach: Und du fürchtest dich auch nicht vor Gott swie die da unten, welche dieses Gekreuzigten spotten], der dn doch [nicht einmal in gleicher Lage mit ihnen als bloßer Zuschauer der Hin- richtung, sondern] in gleicher Verdammniß smit dem Verspotteten als ein selber Hingerichteter] bist? sdenn wahrlich, wer in solcher unmittelbaren Berührung mit der Gerechtigkeit Gottes steht, dem käme es wohl zu, an Gottes ewiges Gericht zu denken.] 41. Und zwar wir sind billig darinnen sin dieser gleichen Verdammniß mit unserm Mitge- kreuzigten], denn wir empfangen, was unsere Thaten werth sind; dieser aber hat nichts Unge- sehicltes snichts Ungehöriges, weswegen ihn auch nur die geringste Schuld träfe] gehandelt. 42. Und sprach zu Jesu: HErr, gedenke an mich, wenn dU in dein [richt.: deinem] Reich kommst. 43. Und Jesus sprach zu ihm: Wahrlich, ich sage dir, heute [noch, so daß du mit deiner Selig- ligkeit nicht auf eine ferne Zukunft zu warten hast] wirst du mit mir im Paradiese [Pred. 2, 5 u. Esth. 1, 5 Anm.] sein san dem Ort seliger Ge- meinschaft mit Gott im Himmel, wo man dem Verklärten Leben der Auferstandenen entgegenreift 1. Eon 12, 4; Offb. 2, 7]. 44. .Und es war lnachdem Jesus bereits 3 Stunden am Kreuze gehangen] um die sechste Stunde, nnd es ward eine Finsternis; über das ganze Land, bis an die neunte Stunde. Der gekreuzigte HErr bittet für seine Feinde und wird verspottet. Der bekehrte Schächer. 877 45. Und die Sonne verlor ihren Schein, und der Vorhang des Tempels zerriß mitten ent- zwei [Matth. 27, 45 Anm.]. 46. Und Jesus sals es unter dem letzten schwersten Leiden Matth. 27, 46 — 49; Mark. 15, 33 -— 36 bis zu diesem Zeitpunkte gekommen] rief laut und sprach: Vater, ich befehle meinen Geist in deine Hände liiber dieses Wort s. zu Jvkx 19, 30]. Und als er das gesagt, verschied er [Matth. 27, 50 ff.; Mark. 15, 37 f.]. Jn dem ersten Wort sehen wir Jesum als für- bittenden Hohenpriester, in dem zweiten sehen wir ihn als mächtig rettenden König des Himmelreichs. Als der HErr am Kreuze hing und sein erstes Wort gerufen hatte, darauf fastniemand achtete, sondern allein Gottes O r und Herz, dem es vermeint war, ergoß sich die enge der Anwesenden in Spott und Hohn; auch ein Schächer spottete, dem andern aber wendete der HErr das Herz, mit seiner treuen Hand und zum Beweis, daß er mit seinem ersten Wort er( hört ist, greift er unter die Menge und holt sich eine Seele zur Beute heraus. Der Schächer ist in der hl. Schrift das einzige Beispiel, daß sich ein Mensch in Todesnoth bekehrt hat — das einzige, damit auch Beweis genug, daß es allerdings noch möglich ist, sich im Sterben zu bekehren, aber eben damit auch Warnung genug, daß sich niemand auf diese Möglichkeit ver- lasse und deshalb die Bekehrung aufschiebe. Ein ein- ziges Beispiel ist der Schächer in dem angegebenen Sinn; aber auch noch in einem andern einzi , nämlich köstlich und herrlich ist dieses Beispiel. Gewi ist dieser Schächer in seinem Sterben aus Gnaden, allein aus Gnaden selig geworden, aber er ist auch aus Gna- den heilig eworden: der ihmgeschenkteseligmachende Glaube hat chnell süße Früchte der edelsten Art ge- tragen und zur Reife gebracht. Kein Mensch ist um das Kreuz Christi, der seine eigene Sünde bekennete, dieser Schächer bekennt sie; keiner sonst straft den Andern für den Hohn und Spott, der auf Christum gehäuft wird, aber der Schächer straft seinen Genossen —— da hieß es, wenn diese alle-schweigen, wenn kein Mensch Buße predigt, so müssen die Steine schreien (19, 4()), d. i. so muß der Schächer schreien. Kein Mensch naht sich nunmehr Jesn fre1indlich, der Schächer naht sich anbetend; Andere sehen in Jesu einen untergehenden, dieser Schächer erkennt in ihm einen König, der trotz des Todes ewig lebt, der wie- der kommen wird in Herrlichkeit und Gnade und ewiges Erbarmen austheilen kann. Was für ein Licht, für eine Erkenntniß, was für einen Glauben und für eine Hoffnung hat dieser Schächer, der auch weiß, daß er, daß seine Seele nicht zu ertödten ist, sondern eine ewige Zukunft hat, der es auch 1iicht blos weiß, so1i- dern für sie betend sorgt! Dieser Schächer ist nicht ein Verlorenen sondern ein Gewonnener, ein Sünder und Schächer und doch ein Heiliger, und ein Held, denn er wagt mitten unter der spottenden Schaar, trotz; Hohenpriester und Kriegsknechtem die ihn desto baß plagen konnten, zu rufen, zu predigen und anzu- beten: in ihm können sich zur Stunde, da er so redet und thut, Apostel spiegeln und durch ihn beschämt werden. (Löhe.) Der Schächer hatte in längst ver- gessenen Jahren auch einmal das alte Testament ge- lesen: jetzt tauchte, er wußte nicht wie, Jesaia 53 in ihm auf; daß Der, der zwischen ihm und seinem Schuldgenossen so unschuldig und geduldig ani Kreuze hing, daß Jesus von Nazareth der leidende Messias von Jes. 53 war, diese Ahnung war ihm durch den heil. Geist in die Seele gesenkt, und das erste Wort des Gekreuzigtem ,,Vater vergieb ihnen« stimmte so überraschend zum Schluß jener Weissagung: ,,er hat für die Uebelthäter gebeten«, daß der arme Schächer innerlich gewiß ward: Er ist’s, der gekreuzigte Jesus ist der Messias von Jes. 53, der um unserer Missethat willen verwundet und um unsrer Sünde willen ge- schlagen ward. Nun, soll er nicht die Starken, die Sünder der stärksten Art zum Raube haben? Der arme Schächer wagt’s und sagt’s: ,,HErr, gedenke an mich, wenn du in dein Reich kom1nst!« Niemals redet die heil. Schrift der Abschaffung der Todesstrafe für Mörder das Wort; »wer Menschenblut vergießt, deß Blut soll wieder durch Menschen vergossen wer- den«, das ist und bleibt Lehre beider Testamente —- »wir empfangen, was unsere Thaten werth sind«, be- zeugt das vom Geist Gottes erweckte und» erleuchtete Gewissen des hingerichteten Verbrechers Aber nie- mals hat es ir end eine andere Religion zu einem Satz so kühner rbarmung gebracht, als die Religion der Bibel, zu dem Satz: auch Schächer können selig werden, wenn sie nur noch vor dem letzten Seufzer reumüthig die Gnade Jesu Christi anrufen. Wer auf diesen Satz hin frech sündigen wollte, wer ein Leben in Unglauben, Sünden und Schanden führen wollte mit dem Hintergedankent »ich kann mich ja im le ten Stündlein noch bekehren, also lustig leben und och selig sterben!« — ein solcher Mensch wäre närrisch, gleichwie ein Schiffer närrisch wäre, der mitten in dem Oeean sein Schiff in Stücken schlüge, darnach den Schwimmgiirtel zu probiren, den er für den Fall der Noth unter seinem Kopfkissen liegen hat. Solche när- rische Menschen, die das Schiff ihres Lebens in tau- send Stücke schlagen, um mit dem Schwimmgürtel an das Gestade der ewigen Heimath zu schwimmen, sollen an den andern Schächer denken; der hatte den HErrn Jesum im Sterben dicht bei sich und hat sich doch nicht zu ihm bekehrt, sondern hat ihn gelästert, und ist in die Hölle gefahren. (Quandt.) 47. Da aber der [römische] Hauptmann sder mit seinem Commando von Kriegsknechten die Kreuzigung zu-vollziehen.hatte] sahe, was dage- schahe swie die Sonne ihren Schein verlor, die Erde erbebete und Jesus mit lautem Geschrei verschiedh pries er Gott, und sprach: Fürwahr, dieser ist »ein· from-mer lgerechters Mensch gewesen fund gewißl1ch, wie er gesagt, Gottes Sohn]. 48. Und alles Volk, das dabei war und zu- sahe [V. »35],» da sie sahen, was da geschah, schlugen ne stieferschutterts an ihre Brust und wandten wieder um lnach Jerusalem, von wo sie den Zug begleitet hatten V. 27]. 49. Es stunden aber sso lange die Zeit des Kreuzesleidens währetes alle seine Verwandten [im Grundtext: Bekannte Z, 44., was aber allerdings in späterem Griechisch Familienange- hörige bezeichnet] von ferne und die Weiber, die ihm aus Galilaa waren nachgefolget [V. 55; Kap. 24, 10], und sahen das alles fund traten jetzt, da das Volk sich zerstreuete, zu ihrer Betheili- gung bei der Bestattung dem Kreuze näher]. Lukas giebt die Rede des auptmanns in der ein- fachsten Form: ,,dieser Mench war ein Gerechter«, 878 Evangelium Lucä 23, 50 -—-56. 24, 1——12. d. h. er war nicht ein Uebelthäter, wie man geglaubt hat; aber diese Anerkennung schloß eine weitere in sich, denn da Jesus sich für den Sohn Gottes ausge- geben, so mußte·er, wenn er ein Gerechter war, noch mehr als das sein, dies druckt der Ausruf des Haupt- hmingsestkisl Siena« Tät: uädttgxsdxikidelå alsiåsatensxeetiaiåiiiitjl a N; l » ; der Hauptmann konnte also wohl sich so ausdrücken: er ist wirklich Gottes Sohn. Wie sein Ausruf ein Vorspiel ist von der Bekehrung -der Heidenwelh so die Bestürzung, die sich der jüdischen Zeugen des Auftritts bemächtigh ein orspiel der Buße und endlichen Be- kehrung des Volks, Sach. 12, 10——l4. (Godet.) IV. d. 50——56. (§. 123.) Den Sihluß der Leidens-ge- sthilhte bildet der Bericht von der Eeslnilung des vom Kreuze abgenommenen Leibes Dem: wer diese Jtbnahine bewirkt, wie die Bestattung geschehen sei und was man weiter für die Zeit nach Beendigung des eben anbre- kheudeu Sabbaths auf Seiten der theiluehmendetiFrauen sieh vorgenommen. Lukas faszt auch hier wieder kurz zusammen und begnfcgt sieh mit einer bündigen Darstel- lung wie einer, der die einzelnen Nebenumstände als bekannt vol-aussetzt und sich auf die Hauptpunkte be- schränkt. (Vgl. Muth. N, 57—66; Marlk.15,42-47; Joh. 19, 3l3—42.) 50. Und siehe, ein Mann, mit Namen Jo- seph, ein Rathhery der war ein guter, frommer Mann« sgütig und gerecht von Charakter vgl. Matth. 1, 19]. 51. Der hatte sgleichwie auch Nicodemus, bei den Verhandlungen in Joh. 11, 47 f. u. Matth. 26, 3 s.; 27, l] nicht bewilliget in ihren Rath und Handel, der war von Arimathia sd. i. Ramathaim-Zophim oder Rama Samuels 1. Sam. 1, 1 Anm.], der Stadt der Juden sdie einst den Juden von Deinetrius II. war bestätigt worden 1. Macc. U, 34], der auch smit andern Freun- den Jesu] auf das Reich Gottes wartete [Kap. e, 38]. 52. Der ging zu Pilato und bat um den Leib Jesu [welche Bitte ihm auch bewilligt wurde Mark. 15, 43-45]; « 53. Und nahm ihn ab, wickelte ihn in eine Leinwand swährend Nicodenius die Specerei dazu hergab Joh. 19, 39], und legte ihn in ein sin den Felsen] gehauen Grab, darinnen niemand je gelegt war [Kap. 19, so]- 54. Und es war der diiisttag [Matth. 27, 64 Anm.], und der Sabbath brach snach jüdischer Rechnungsweise mit der S. Abendstunde] an. 55. Es folgten aber die sin Kap. 24, 10 genannten] Weiber nach, die mit ihm kommen waren aus Galiläa, sjenen beiden Männern] und beschaueten das Grab, und wie sein Leib gelegt ward [um sich alles für die weitere Versorgung der heil. Leiche, die sie vorhatten, genau zu merken]. 56. Sie kehrten aber um snachdem sie es gesehen, nach Jerusalems nnd bereiteten Specerei und Salben lwenigstens noch die Stoffe dazu an diesem Abend einkaufend]; und den Sabbath iiber waren sie stille nach dem Gesetz« sbeganuen also erst am Sonnabend nach 6 Uhr Abends mit dieser Bereitung] f) Jeder Evangelist« schildert Joseph nach seiner Weise: Lukas nennt ihn »einen guten, frommen Mann«, das griechische Ideal; Markus einen ,,ehr- baren Rathsherrn-«, das römische Ideal; Matthäus einen ,,reichen Mann« — ist das nicht das jüdische Ideal? (Godet.) Bei dem letzteren Evangelisten ist die Be iehung auf die Weissagung in Jes. 53, 9 nicht u ver «ennen; ,,bei einem Reichen wird er in seinem ode sein«, so hieß es dort. (Hengstenberg.) its) Das war der le te Sabbath; zum evangeli- schen Ruheta ist der sra des HErrn geworden, an welchem er auieestanden ist, um die Früchte seines Versöhnungstodes uns zu eigen zu machen. (Besser.) Das 24. Kapitel. Christi Auferstehung und Himtnelfahrt 1. o.1—-12. (§.124.) In dem Sau-erexit de: km- geliskhen Geschilhtk der von der Auferstehung handelt, weiiheic die vier Evangelisten am uieisleii von einander ab: »wir Freunde, welche eine Zeit lang mit einander gewandert sind, am Ziel ihrer Reise sieh trennen nnd jeder den besonderen Weg einsthliigh der ihn zu seinem hcimischen Heerd führt, so übt in diesem letzten Theil der besondere Zweck jedes Gvangelisteti einen uoth hast· licheren Einfluß ans als rochen« Unvetlieunbar lkounnt es dem Lunas darauf an, möglichst bald auf die im L. Jtbschnilt erzählte Erscheinung des Kuferslandenen (v.13 35), an wellher er ein besonderes Interesse hat, zu kommen, darum begniigt er sieh hier mit einer blos sum— marischen Darstellung (vgl. die Bein. zu Muth. 28,10); hernach aller beschräiilit er sieh auf die Erscheinungen in Judcia nnd zieht diese geflissentlich in ein Ganzes zu— sainmeitz um auf die Hinnnelfahrt zn darinnen, mit wel- ther er dann bei der Jlvosielgesajichte wieder anhebt nnd sein Gesammiwerk nun so gestaltet, daß er uns das siufenmäßige Wathsen des Reiches Christi, wozu in Un— zareth der Grund gelegt ward und das zuletzt bis nach Rom sich ausbreitete, vor Augen stellt· (d1gl. Matth.2li, 1—10; Mark. 16, t—11; Joh. 20, 1—tli.) 1. Aber an der Sabbather seinem [richtiger: am ersten Tage nach dem Sabbath, d. i. am Sonntag Apostg. 20, 7] sehr fruhe [Matth. 26, 1 Anm.] kamen sie sdie in Kap. 23, 55 er- wähnten Weiber, von denen einige hernach bei Namen genannt werden sollen 10] zum Grabe, und trugen die Specerei, die sie bereitet hatten, und etliche mit ihnen swie Salome Mark. IS, 1 und wohl auch Susanna Kap. s, 3].» » 2. Sie fanden »aber den Stein abgewalzt von dem Grabe [Matth. 28,· 2 f.]; · 3. Und gingen hinein sen das einer Kammer ahnlich gestaitete Grab] und fanden den Leib des HErru Jesu nicht. · 4. Und da sie darum betummert waren,·siehe, da traten bei sie sganz plötzlich, ohne daß sie ein Herankommen derselben bemerkt hätten] zween Männer mit glänzenden Kleidern sdie sich hierduech als Engel auswiesens Christi Begräbniß und Auferstehung. 5. Und sie erschraken, und schlugen ihre An- gesichter nieder zur Erde [von dem Glanze der himmlischen Welt, der ihnen hier in dieAugen leuchtete, wie geblendet]. Da sprachen fte fdie Engel] zu ihnen: »Was suchet ihr »den Lebendigen sim Leben Befindlichen V. 23] bei den Todten snänszlich EhierstimFJtriZbeP ·st f st d G z. i« i ni ie ekl tin er cln en. e- tågiiket daran, wie er Euch sagte, da er noch in alilita war [Kap. 9 22. 441 » 7. uud sprachs Des Mixzschcu Sohn »mus- uberautwortet werden in die Hande der Sunder foder Heiden 18, 32; Gal. 2, 15], und gekreuzigt werden und am dritten Tage auferstehen. Die« Vorgänge, um die es sich bei dieser Darstel- lung handelt, haben wir zu Mark. 16, 1 in eine Ueber- sicht gebracht, welche die einzelnen, bei den Evange- listen in einander fließenden Momente in veranschau- lickåendjfrßWgse guksegiiasderbhsitikst es ercgirielbslsxs dgr- an, a .ua ie eneren eie er Maria Piagdalena mit denen der anderen Frauen in Ein Ganzes verflochten hat, daher hier auch von zwei Engeln dide Its; ist, tYäk rlSndSinlWirklichjIkecit iåur Einer s war, en aria a o i, a onie un o anna zu sehen bekamen; ferner hat unser Evangeslist die Er- wähnung Galiläcks in »des Engels Munde etwas an- Zferskgesszaltxhh wahreiidd es bei 2815 7 u. ar. , ei : ,,er wir vor eu Jinge en in Galilä·a, da» werdet ihr ihn sehen, wie er euch gesagt hat,« ist bei Lukas (V. S) die Rede so gewendet: »ge- denket daran, wie» er euch sazta da er noch in Galilaa war«, weil hier, im dritten -vangelio, Erscheinungen Tes Auferstililiideneii inFGaliläalsiiicht erst zagt Berischt ommen o en, jene orm a o verwirren geive en wäre. Es wird uns die Thatsache der ersten Kund- gebung der Auferstehung Christi, bemerkt P. Lange, nicht in der Form ihres abftraktkobjektiven Verlaufs, 1 , I l VII-set? ZFLTTRTESUITPTTT Ists-Ists? LTEMTLETII Osterftiixiimungem die sie hervorrief; diese Stiminuiigen stszellen si«ch»nun· aber nicht dar in der gemesseneii Weise eines einstimmigen Ehorals, sondern in der Gestalt einer vierstininiigeiy sehr bewegteii Fuge. Zs Und sie gndem fiefgerade in Galiåäcs sich zu Jeu gethan ap. 8 2 . und dort an eine Reden gehört hatten] gedachten an seine Worte« sdie bisher wie ein vergrabenes Pfund wirkungs- los in ihrer Seele geruht hatten, Jetzt aber an- singe9n, ilhred sTraft zu äußegn]. v G b d . n le gingen Wie ei« bin M e Un verkiindigten das alles den Elfen und den Ändern allen swelche sonst noch zur Schaar der Jünger Iesu im weiteren Sinne gehörten V. 13 u. 22f.; Apositd liesuivfi o M « M d 1 a d . tu· l! et» llkitt ctg a en , Un Johanna und Maria Jakobh und Andere mit ihnen sagt. zu V. 1], die solches den Aposteln sagten [von diesen that es MariaMagdaleiia zuerst und öffnete dainit auch deii ubrigen Frauen den Mund Mark. 16 8]. «· 11. ilnd es dcluchten sie ihre Worte eben als waren es Mahrlein sauf bloßer Einbilduug der 879 Erzählerinnen beruhende thörichte Dinge], und glaubten ihnen nicht [V. 22]. 12. Petrus aber sum hier iiochi eines Um- staiides zu gedenken, der den Glauben wenigstens vorbereitete] stund auf sals ihii Maria Magdalena herbeirief] und lief zuui Grabe, und buctte sich hinein und sahe die leinenen Tueher allein liegen lohne deii Leib], und ging davon snach seiiier Wohnung Mark. 16,.1 Anm. zurück]; und es nahm ihn lwas er gesehen hatte] Wunder [und er konnte sich nicht darein sinden], wie es zu- ginge. « «) Daß ihnen diese erst jetzt, nach dem Vorhfalt der Engel, wieder zu Sinnen kommen, ist nicht au allend oder unerklärlich; was in Joh. 2, 22 gesagt wird, leidet volle Anwendung auch auf die unverhiillte und bestimmte Voraus-Verkündigung Jesu von seinem Leiden und Sterben: sie war dennoch für das Verständnis; der Jünger verhüllt und undeutlich, weil jede Vor- stellung von dem, was er sagte, ihneii fern lag (9,45; 18, 34). Die deutlichste Beschreibung einer mir frem- den, meinen Erwartungen und Vorstellungen schnur- stracks zuwider laufenden Sache wird mir uiifaßbar bleiben, bis die Sache selbst näher in meinen geistigen Gesichtskreis tritt; durch den nicht erwarteten und ge- ahnten Eintritt des Todes Jesu war dies den Jün- gern und Jüngerinnen geschehen, und darum tritt il)neii jetzt das vorher unverstandeiie und deshalb nicht festgehaltene Wort entgegen als ein solches, auf das sie sich erst jetzt besinnenjdenn erst jetzt haben sie er- fahren, was es ihnen sagen sollte. (v. Burgen) «) Wie wir in der Erscheinung vor den Frauen bei Matth 28, 9 u.10 den Bericht des Johannes (Evg. Joh. Kap. 20, 11 sf.) wieder gesunden haben, so erkennen wir hier die Begebenheit in Joh 20, 3—10 wieder; die Ausdrücke sind mehrfach die nämlichen wie dort. (Godet.) Johannes bleibt zwar hier unerwähntx aber aus V. 24 ergiebt sich, daß nicht blos ein Jün- ger an diesem Morgen nach dein Grabe gegangen war. (v. Oosterzeeh Glaube und Unglaube ringen zuweilen bei einem Menschen, daß es ungewiß fcheinet, wer die Oberhand behalten werde, bis endlich der Glaube hervorbricht uiid überwindet. (Osiander.) II— v. 13—35. (§.125.) Während unser Gvangelist im vorigen, Abschnitt die niaiictierlei Uorsälle dee Auferste- huiigsniorgene in sehr abgeliürzter uiidziisiiinnieiisassendrr Form dargestellt hat und etue gleiaie Erzählungen-eh'r nus denn auch im dritten Abschnitt begegnet, so daß die Grenzen der initgetheillen Ereignisse und Reden durchaus in einander stießen, begegnet uns dagegen hier, im L. Abschnitt, eine ebenso durihsichttge und ansihaulirlie als vollständige nnd auefnhtliche Darstellung des verfalle; am Nachmittag; and zwar ist das ein Vorfall, mit dessen Besihriibuiig St. Enlias allein um: beschenkt, von dtn übrigen Gvangclisten gedeutet nur Mariens (l6, 12 f.) desselben in einigen wenigen, allgemein gehaltenen Worten. von selber legt sitt) da die Vermiithnng nahe, daß der Evangelist andem Erlebnis der beiden Wanderer nach German; ta besonderem Maße betheitigt, dah es seine eigene Glitt-Erfahrung sei, die er img hier auf— bewahrt hat; haben wir nun sonst schon uiehrfaiti wahrgenommen, das: ttiiliao in enger Verwandtschaft uiit Johannes steht, nnd wissen wir, daß lehnt-er, wo er in seinem Eoaiigello von ihm selbst erzählt, es vermeldet seinen nameii zu nennen, so lst es eine gewiß wohlbe- grfiiidete Vermittlung, dah auch ersterer mit deiiijeiiigeii »Die Jünger nach 880 Evangelium Lucä 24, 13——24. von den beiden Gnnnaug Pilger-n, dessen Uamen er ver- schweigtz sitt) selber meint (Matth. 19, 2 Kann)- (Evangeliuni am Oster-Nontage.) Wenn der erste Feiertag streng objektiv die große Heilsthatsache der Auferstehung Jesu Christi von den Todten zu bezeugen hat, so ist die Aufgabe dieses zweiten Festtages, das objektive Heil den Menschen subjektiv anzueignen. Dafür nun eignet sich dieser Text ausgezeichnet; in demselben treten solche Jünger auf, denen die Osterbotschafh »der HErr ist auferstan- den!« anfangs ein Mährlein ist, denen aber der Auf- erstandene sich in einer solchen Kraft bezeugt, daß sie schließlich mit brennenden Herzen und mit feurigen Zungen erzählen, wie sie den HErrn an dem erkannt hätten, da er das Brod brach. Was sollen wir von den beiden Wanderern nach Emmaus lernen? l) tief um den HErrn zu trauern, wenn wir ihn verloren haben; L) willig auf fein Wort zu merken, wenn es uns auch empfindlich straft; Z) in- brünstig um sein Nahesein zu bitten, wenn er uns zu verlassen scheint; 4) freudig von ihm zu zeugen, wenn er uns nach feiner Gnade erschienen ist. (Nebe.) Der Heilsweg unsrer Seele ein Em1naus-Weg: die Seele wandelt l) zuerst ohne Christum, Z) dann neben Christo, 3) endlich in Christo. (Küstermann.) · Emmausx 1) ihr Ausgang so schtvermüthig, Z) ihr Fortgang so geheimnißvoll, Z) ihr Eingang so belohnend, 4) ihr Rückgang so schnell und erfreulich. (Schuur.) 13. Und siehe, zween aus ihnen saus dem Kreise derer, die an Jesum fchon gläubig waren Kap. I, 1: »unter aus«] gingen an demselbigen .Tage [V. l, etwa Nachmittags 3 Uhr] in· einen Flecken, der war »von Je- rusqlemsin westlrcher Richtung] sechzig Feld- wegs[gr1ech. Stadien, d. i. 172 Meile Mos. 19, 37 Anm.] weit, deß Name heißt Gmmaus Der Name Enunaus scheint zusammen zu hängen mit dem hebr. ehamam (war1n sein) und unserm deutschen ,,Warmbrunn«zu entsprechen; und so erwähnt denn Josephus(b.jud. 1V, 1. Z) in der That ein Etu- inausinderNähe von Tiberias am See Genezareth, das nochjetzt, V, St. füdl. von der Nieopolis genannt, bis dann der alte Name in dem jetzigen wieder durchbrach. Schon frühzeitig nun hat man diesen Ort, der nach Josephus (Ant. XlV, 11, Z) eine nicht unbedeutende Stadt war (Matth. 4, 25 Anm.), für das an unsrer Stelle gemeinte Em- maus gehalten, weil aber die Entfernung von Jeru- salem nicht stimmte, in mehreren Handschriften statt »sechzig« Feldweges ,,einhundert und sechzig« ge- schrieben (d. i. 4 deutsche Meilen); wir haben jedoch u l. Macc. 3, 40 fchon darauf hingewiesen, wie eine so weite Entfernung sich durchaus mit dem Jnhalt unsrer Geschichte nicht verträgt. Seit dem Mittelalter dagegen hat man an das Dorf ei Knbeibeli nord- westlich von Jerusalem (s. das Kärtchen zn 1. Sam. 9,5) gedacht; es ist auch an der angeblichen Stelle, wo der Auf- erstandene den beiden Jüngern das Brod brach, eine Kapelle erbaut worden, aber der Ort ist 70 Feldweges (13X4 Meile) von Jerusalem entfernt und rein willkür- lich angenommen. Nicht besser verhält es sich mit der Annahme, das jetzige Knreiet el Knab, das biblische Kiriath-Jearim(Jos. l5,9.60; 1.Sam.6,21f.;2.S. 6,2ff.) sei unser Emmausz dagegen sind der kathol. Prof. S epp in München und Chr. Ed. Casp ari zu Geudertheim im Elsaß, und zwar ganz unabhängig von einander, dem richtigen Sachverhalt auf die ·pur gekommen. Bei Josephus (d. Jud. V1I, 6.»6) findet sich nämlich die Nachrichn daß nach Beendigung des jüdischen Kriegs der Kaiser 800 Veteranen Ländereien austheilte ,,im Gebiete von Ammaus, das 60 Stadien von Jeru- salem entfernt ist.« Nun hat man freilich gemeint, es sei auch hier an das vorhin genannte Amwäs zu denken und hätten auch hier 160 Stadien gestanden, die erst von den christlichen Abschreibern der Werke des Josephus nach der vorliegenden Lukas- Stelle in 60 Stadien corrigirt worden seien; da es jedoch west- lich von Jerusalem wirklich eine 60 Feldwegs davon entfernte Ortschaft Kulonieh giebt, so ist um so mehr diese in’s Auge zu fassen, als der Name unverkennbar aus dem lateinischen eolonia (Pflanzstadt — vgl· unser deutsches ,,Köln«) entstanden ist und von jener Bete- ranen - Colonie sich herschreibh Sie liegt nicht, wie v. Oosterzee der sie mit el Kubeibeh ver- wechselt, angiebt, an der nördlich von Jerusalem über Niizpa füh- renden Straße, sondern an dem reizenden, mit Wasser .reichlich gesegneten Tere- binth enthal tBejt Chanin l. Sand U, 5 Ann1.), und Stadhseinertvari geben wir hier menBäderwegen eine Llnsicht von viel von denTür- derselben. ken besucht wird. Die Städter Einanderes,Am- suchen noch im- 1nao genannt, mer den stillen, wird in I. Macc. heimlichen Ort 3,40; 9,50 ange- führt; es ist das jetzige Amwäs, über 3 Meilen westlich von Jerusalem auf dem Wege nach Lhdda gelegen, seit dem Z. Jahrhundert n. Chr. Emmaus Ouloniehs gern auf; unten im Thalgrunde bewägert eine reiche, unter Felsgewölben verborgene ; uelle mit doppeltem Ausgang eine Anzahl Gärten, in denen Erlebnis; der beiden nach Emmaus wandernden Jungen 881 Mandelbäume mit weiß-rothen Blüthen zwischen dem dunkelgrünen Laub hindurchschiinmerty an den um- ebenden Abhängen steigen Rebgelände mit Oelbaum- lleen terrasensörmig auf. An der nordwestlichen Ber halde liegt dann das Dorf selber, hoch über der dur das Thal renden Straße ganz aus groben, zum Theil 4 Fu icken Quadern nicht unansehnlich gebaut; aus dem Berge aber erblicken wir noch die Ruinen des alten Kastells Jn diesem Ort dürfte aber wohl zugleich eine andere, im alten Testament vorkommende, bisher aber noch unbekannte Oertlichkeit wiedergefunden sein, nämlich das in Jos. 18, 26 ge- nannte Mozaz denn im Talmud findet sich die Nach- richt: ,,unterhalb Jerusalem war ein Ort, Namens Pioza; dagn ging man (am Feste der Laubhütten) und holte eidenzweige für das Fest«, die Gamara aber (Matth. 5, 22 Anm.) bemerkt dazu, Moza sei einerlei mit Colonia Pflegte der Name gewöhnlich mit dem Artikel gesprochen zu werden, wie er so auch im Grundtext der oben angeführten Stelle bei Josua steht, so daß man Hammoza dafür sagte, so konnte er in der shrisch - griechischen Zeit leicht in die Form Ammosa oder Ammaus (Emmaus) übergehen; letzterer Name hinge aber dann nicht mit ohammam (,,warm sein«) zusammen, sondern mit dem Moza, das da ,,Ausgang« bedeutet und auf Wasserquellen (Jes. 41, 18) hinweist. Hiermit wäre auch das letzte Bedenken, das sich gegen die Einerleiheit des jetzigen Kulonieh mit dem neutestamentlichen Emmaus geltend machen ließe, erledigt, daß es nämlich in diesem Ort keine Heilquelle giebt; dafür aber giebt es eine Quelle so- wo l unten im T al als oben aus der Anhöhe, und ver ient also der rt in der That den Namen Ham- moza oder Ammans in dem Sinne von ,,Wasserquellen«. 14. Und sie redeten mit einander von allen diesen Geschichten [die in B. 1——12 be- richtet worden sind]. 15. Und es eschah, da sie so redeten, und befragten sich mit einander, nahete [er selbst, von dem sie sich unterhielten] Jesus zu ihnen svon hinten sie gewissermaßen einholend], und wandelte mit ihnen sfeine Verheißung in Matth. 18, 20 schon jetzt erfüllend]. 16. Aber ihre Augen wurden sdurch die veränderte Gestalt, in der er erschien Mark. 16, 12., noch besonders] gehalten, daß sie ihn nicht kunnten swie sie denn schon vermöge ihrer in- neren Herzensftelluiig V. 22 ff. gar nicht dazu aufgelegt waren, in ihm ihren Meister wieder zu finden] 17. Er sprach aber zu ihnen: Was sind das für Reden, die ihr zwischen euch handelt unterwegs, und seid traurig? 18. Da antwortete einer, mit Namen Kleophas [nicht zu verwechseln mit dem hebt. Namen Kleophas = Alphäus Joh.19,25., sondern zusammengezogen aus dem griech. Kleo- patros Matth. 2, 23 Anm.], und sprach zu im: Bist du allein unter den Fremd- lmgen [auf’s Osterfest gekommeiien Gästen] zu Jerusalem, der nicht wisse, was in diesen Tagen drinnen geschehen ist? « 19. Und er sprach zu ihnenr Welches? Sie aber swohl m der Rede mit einander ab- wechselnd, indem der eine zu dem, was der an- dere ·vorbrachte, das Seine hinzuthat] sprachen zu ihm: Das von Sein» von Nazareth, welcher war ein Propbet machtig von Thaten Und Worten [Matth. 21, 11; Joh. Z, 2; 10, 38; Apostg. 1, 1; 7, 22; 10, 38], vor Gott nnd allem Volk sals solchend sich darstellend]; 20. Wie ihn unsere Hohenpriefcer und Obersten [dem römischen Landpfleger] iiberanb wortet haben zurspVerdanimniß des Todes, und gekreuzigei »[1n·dem sie den Landpfleger zu dieser Execution nothigten Apostg. F, 2s].· « 21. Wir aber [unsrerseits, die wir in ihm den Sohn Davids und verheißenen Messias er- kannt hatten] hosften, er sollte Israel erlösen [und sein Reich darin aufrichten Apostg. l, 6]. Und uber das alles ist heute der dritte Tag, daß solches geschehen ist· sso daßer also nun schon so lange im Grabe liegt, womit unsre Hofs- nung ganz dahin gesunken ist] 22. Auch haben uns [die Bestürzung und Verwirrung, die sich unser bemächtigt hat, aufs Höchste zu treiben] ferschrecxt heilig» Beil-Er der Unsern die ind rü e ei em ra e gewesen, , » · · 23. Haben seinen Leib nicht funden, kommen und sagen, sie haben ein Gesicbt de: Engel gesehen soder Engel zu Gesichte bekominen], welchecgagenk er lexhlP d 24. Und etli e Un er un etrus un Johannes] gingen hin zum Grabe, und fan- I - · - den’s also, wie die Weiber sagten; aber ihn [der doch nach der von den Weibern berichteten Engelversicherung leben soll] fanden sie nicht swir haben es demnach mit lauter Räthseln zu thun, die uns ängstigen —- da· kannst du dir wohl denken, warum wir so traurig sind V.·17·]. Es hat fast das Ansehen, als wenn» sie sich· nach Emmaus zurückziehen woälsztelnS uuickfluä egnxgxbsgiäbtxegi ZgusitixletijijielsiieililntxvlihisilxnsonIr eOilct dere Qual s ein; wohin sie igre Augen wenden mochteiy da stiegen vor ihiissudiskh IF« reden-Es ;- Dis: s i au,wo eu gegeie u , Sachmerzensstraßh woder ohnmächtig unter dem Kreuze niedersank, dort über alles weg Golgatha und das Kreuz. Das hatte ihr Herz genug zerrissen, und nun kehren sie der niörderischen Stadt den Rücken, um sich in Emmaus zu verbergen und ihr Leid in der Stille u beweinen; so gehen die Beiden mit einander und sind traurig. Aber die Trauer läßt sienjcht stumm bleiben; des Räthselhaften und Unbegreiflicheirist so viel gewesen, daß sie immer voin Neuen auf dieselbe Sache zurückkommen und das Ende ihrer Verhand- lungen zum Anfang neuer Verhandlungen machen und doch um keinen Schritt weiter rucken, sondern sich immer tiefer in ihre traurigen Gedanken verwickelip Es ist dem Leidtragenden nicht gut, das; er sich in»sei- nen Schmerz vergräbt und nichts siehet und horet, 882 Evangelium Lucä 24, 25——35. als »was ihn traurig macht; die Traurigkeit der Welt wirket den Tod; sie hat die Art an sich, daß sie dem Menschen vorlügt, er sei ein Dulder und Märtyrer vor Andern, und ihm doch seinen Gott und Glauben nimmt und ihn zum verdammlichen Sünder macht. (Münkel.) Am schönsten Tage, den die Welt gesehen, wandeln unsre beiden Pilger von Nacht umgraut da- hin; wohl sind sie mit voller begrifflicher Klarheit sich nicht bewußt, was sie alles an ihrem Meister einge- büßt und verloren haben, aber sie iihlen, was sie noch nicht deutlich wissen, ja empfinden aufs Lebhafteste die Wahrheit des apostolischen Worts: ,,ist Christus nicht auferstanden, so ist euer Glaube eitel, so seid ihr noch in euren Sünden; hoffen wir allein in diesem Leben auf C ristum, so sind wir die elendesten unter allen Mens en« (1. Cor. 15, 17 u. 19). Auf sich selbst sehen sie sich zurückgeworfem ohne Vertreter, ohne Mittler, ohne Heiland; mast- und steuerlos treibt ihr Lebensschisslein auf stürmischer Brandung hin — wo wird es landen? wer vor dem giinzlichen Schiffbruch es behüten? es steht ja Der nicht mehr am Ruder, an welchen sich ihre ganze Hoffnung lehntel Wozu aber ihr Hinwegeilen von der heil. Stadt? warum nicht vorab einmal die Aussagen der Frauen etwas ründ- licher geprüft? warum nicht den Umstand, daß etrus und Johannes in der leeren Felsengruft die Leinen und Tüchlein so sorgsam und fein geordnet vorge- funden, genauer in Betracht genommen? und vor allem nicht das Wort der Weissagung nach dem Lebens- gange des verheißenen Messias und dessen Ausgang gefragt, und dann in dem Vüchlein ihrer eigenen Er- innerungen an frühere Aussprüche des Meisters selbst geblättert, ob unter diesen nicht etwa auch bestimmtere Hindeutungen auf seinen Tod und die Auferstehung darnach anzutreffen seien? (Krummacher.), Was thut nicht ein schädlich Vorurtheil? Es versenkt das Herz in Blindheit und Zweifel, daß man mit sehenden Augen nicht siehet. Die Sonne ist zwar klar, aber keinem Blinden. (Hedinger.) Die Herzen der Menschen hoffen, wo gar nichts zu hoffen ist, und verzagen, wo die Hoffnung sich nahe zei t. (Heubner.) Den Irren- de1i gehört nicht eher Tro t, als bis sie zur gründ- lichen Erkenntnis; ihrer Fehler gekommen sind. (Brentius.) » · 25. Und er sprach zu ihnensnachdemfie so ihr Herz ihm ausgeschüttet]: O ihr Thhren svoll Mangels an rechter Einsicht] und trages Herzens [als die ihr noch so wenig zu göttlichen Dingen euch zu erheben vermögt], zu glauben alle dem, das die Propheten geredet haben! 26. Mußte nicht [nach dem ganzen J1ihalt und Zusammenhang der Schrifts Chri- stus solches leiden und zu feiner Herrlichkeit eingehen? sso daß es nur so gekommen ist, wie Gott längst zuvor hat ver- kündigen lassen] 27. Und fing an snach diesem vorberei- tenden Eingang] von Mose und allen Pro- pheten, und legte ihnen alle Schriften aus, die von ihm [als dem Christ des HErrn 2,26] gesagt waren. « Durch keinerlei Mittel der sinnlichen Wahrnehmung sondern ausschließlich auf dem Wege des Glaubens follten die Einmaus-Jünger zu der Qsterfreude kom- wen; weder dem Auge noch dem Ohr oder der Hand wird ein förderndes Merkmal geboten, der HErr redet sie nicht an in den gewohnten Klängen seiner Stimme, auch gönnt er ihnen keinen Blick in die bekannten Züge seines Angesichts, noch weniger dürfen sie endlich die Maalzeichen seiner Leiden berühren —- dies ganze Gebiet des Augenscheins wird ihren Sinnen vollkom- men entrückt Was sehen wir statt dessen geschehen? es wird ihnen zunächt eine Rüge ertheilt, und die Rüge schreitet zur Unterweisung fort: ivas jene ver- mißt, das hat diese zum Zweck. Nur eine Erregung des Schmerzes hat die Botschaft der Frauen in ihren Herzen bewirkt, ohne ihnen irgend zum Glauben zu frommen, sie sind insofern dem glimnienden Dochte vergleichbar; da stellt sie der HErr an den Ort, wo der sinkende Glaube erstarkt und der unterdrückte sich befreit. Sie haben ihm vorgetra en, woran ihre Hoff- nung gescheitert sei; er aber- hei t sie den Grund ihrer Klage im Lichte der Schrift betrachten, und nicht ihrem eigenen Sinnen überläßt er das hochwichtige Geschäft, sondern er selbst wird Ausleger und weist die Ueber- einstimmung zwischen Weisscigung und Erfüllung aus. SteinmeyerJ Es muß zuvor das Hindernis; ihrer erstimmung, die sich in ihre Betrübniß mischt, hin- weggeräumt werden, sie müssen zuvor ungeleitet wer- den, ihren eigenen sündlicljen Naturgrund zu verstehen, um in der Tiefe« ihrer Selbsterkenntniß das Leiden Jesu als den einzigen Weg ihrer eigenen Erlösung und der Erlösung Jsraels zu schauen. Darum ist die erste Aeußerung des Auferstaudenen , nachdem die Jünger ihren inneren Zustand ihm enthüllt haben, ein scharfer Tadel; durch die tief einschneidende Rüge: ,,o ihr Unverständi en, ihr Herzensträgew zu glauben alle dem, was ie Propheten geredet haben!« bahnt er sich dann den Eingang fiir eine zusammeuhängende Belehrung über die Weissagung der alttestam. Schrift. (Vaumgarten.) Sie müssen an seiner and einen weiten Weg gehen durch die ganze heil. chrift, um zu verstehen, was in den letzten Tagen geschehen war; sie müssen si Moseu und die Propheten auslegen lassen, um im Zusammenhang zu begreifen. Jsaaks Opferung und Mosis Passalamm, David? 22. Psalm und Je- saia’s 53. Kapitel, alle Schriften des alten Bundes müssen herhalten, damit es ihnen klar werde: »mußte nicht Christus solches leiden und zu seiner Herrlichkeit eingehen?« Aber sie geben sich willig in diese Schulex mochte auch ihr Stol anfangs beleidigt sein, ihr ohnehin wundes Gewissen schmerzlich gezuckt-haben bei der strafenden Anrede — sie nehmen sich zusani- men, sie merken auf, sie hören zu. Und wie geht’s ihnen da? Wie in Zauberbanden nimmt der wunder- bare Lehrer ihre Herzen gefangen, wie auf Adlers- flügeln reißt er ihren Geist mit sich fort; ·anz neue Lichter gehen ihnen auf über Gott und «) elt, über Schrift und Geschichte, über Tod und Leben; ein sanftes Feuer seliger Begeisterung durchdringt il re Seele, und hat ihr Herz anfaiigs gebrannt von e- schiimung und Reue, so brennt es nun von Dank und Freude, von Muth und offnung Wie auf Wolken getragen, haben sie den eg urückgelegt; sie haben mehr gelernt in diesen zwei Stunden, als sonst in ihrem ganzen Leben. (Gerok.) Zwar war der ver- meinte Fremdling uicht, wie die beiden Jiinger dach- ten, der einzige, welcher die Geschichte von dem Je u von Nazareth nicht wußte; aber er war der einzige, der eine freudige, hoffnungsvolle Ansicht von ihr hatte, der, was geschehen war, erade so ansah, wie sie es von ihrem lieben HErrn elbst vor seinem Leiden ver-« nommen hatten. Da drangen denn seine Worte ganz wunderbar in ihre Seele hinein: es wird licht in ihnen, Friede und Freude und fröhliches Wesen kommt wie- ottes Heilsrathschlüsse und Gnadenwege Der HErr legt den Jüngern die Schrift aus und wird von ihnen erkannt beim Brodbrechen. 883 der, ihre Herzen werden erwärmt und beginnen in neuem Leben zu brennen; die Zukunft wird wieder die alte, wie sie vor dem grünen Donnerstag gewesen, inuthig und lustig geht es nun wieder vorwärts nnd hinein in ihr liebes lichtes Reich. (Löhe.) 28. Und sie kamen szwifchen 5 —- 6 Uhr Nachmittagsj nahe zum Flecken, da sie hin- gingen fbis an die Stelle, wo« der Weg dahin von der Straße 1iach rechts »abbiegt]; und er stellte sich, als wollte er furder [d. i. weiter] ehen. 29. Und sie nothigten [Kap· 14, P; Apostg IS, 15] ihn, und sprachem Bleibe bei uns, denn es will Abend werden sda die Sonne schon tief am westlichen Himmel steht], und der Tag hat sich geneigt sso daß du Ja doch irgendwo wirst Herberge nehmen müfsen]. Und er. ging hinein, bei ihnen zu bleiben. Jesus stellete sich, als wollte er weiter gehen, weil er sich niemand als Gast aufdriiigtz vor der Thür des Hauses stehen sie und wollen eintreten, iind an der Thür vorüber will er seinen We nehmen. Da füh- len sie, wie sie mit dem wunder ameii Fremdling auf dem kurzen Wege Eins geworden sind; das hat das Wort Gottes und seine mächtige Auslegung gethan, das hat sie und ihn wie mit festen Banden»umfchlui·i- gen. Sehen sie in das einsame Haus hinein oder in die schweigsame dunkle Pachh die hereinbrichtz so ist ihnen zu Muthe, als giic e das nicht, daß sie ohne den Fremdling die Abendsztundeii zubrijchtem er hat ihnen so viel Erfreuliches gesagt und sie· haben noch viel mehr zu fragen, und wenn er bei ihnen bleibt, so wird es der alte mürrische Gast, der Uiiglaube, nicht versuchen, sie wieder traurig zu machen (Misinke»l.) Daß er vorbeigehen wollte, war· einePrufung fur sie; wenn sie ihn nach diesem Unterricht hatten gehen lassen, ohne sich ihm völlig anvertraut zu haben, so ware er wirklich vorübergezogen Allein sein Geist» hatte« sie besiegt, sie bestanden die Prüfung; sienothigten ihn: ,,bleibe bei uns« und redeten, wie es Jetzt draußen in der Natur stehe, fchilderten aber daniit zugleich die Stimmung ihres Herzens. (P. Lange) Jede Gabe Gottes ist eine Aufforderung, »Um eine großere zu bitten (Joh.1,16); aber die meisten Meiifchen bleiben auf diesem Wege gar bald ste en, und so kommen sie nie zu dem völligen Segen Z. ön.13,14—-19. (Godet.) Viele, die sich in großer Noth und schwerem Kummer Hilfe und Trost fuchend an den HErrn wandten und seine erbarmende Liebe und Erweisungen seines Lebens erfahren haben, lassen den HErrn iiun wieder gehen; sie sind für dies Mal gerettet, getrostet, darum legen sie das Wort wieder beiseite, das Gebet stellen sie ein und gerathen nach und iiach wieder »in das Wesen dieser Welt zurück. Ja, etliche unter diesen Untreuen und Undankbaren halten sich um·der geniachten Er- fahrung willen für bekehrt, und die gern wiederholte Erinnerung und Erzählung derselben schlafert sie in traurige Sicherheit ein; sie waren dem Reiche Gottes iiahe und wären beinahe selig geworden. Nicht so die beiden Jüngerl (Wendel.) 30. Und es geschah, da er mit ihnen zu Tische saß, nahm e·r das Brod, dankte, brach es und gab es ihnen. · 31. Da leben in diesem Augenblick, da er das Brod brach und es ihnen gab V. 351 wur- den ihre fbis daher noch gehaltenen V. 16] Augen geöffnet, und Nie] erkannten ihn [jetzt, wer er war] Und er verschwand siii demselben Augenblick, wo sie ihn so erkannten] vor ihnen [V. 43 u. Matth. 28, 15 Aiim.]. 3»2. Und sie sprachen unter einander ssich gegenseitig darüber verständigend, daß schon unterwegs eine Ahnung seiner Nähe sich bei ihnen geltend gemacht, wenn sie auch derselben sich nicht bewußt gewesen]: Branntenicht unser Herz in uns [wie von einem göttlichen Feuer ergriffen] , da er mit uns redete auf dem Wege [V.15 ——28], als er uns die Schrift öffnete [wes- halb wir ihn auch nicht konnten fürder gehen lassen, als wir nahe zuin Flecken kamen V.28f.]? Der HErr betrug sich nicht als ein Gast und Fremder, sondern als der Fausvateh indem er das Brod nahm und das Dankge et darüber— fprach; wäh- rend er aber es ihnen hinreicht, wurden ihnen die Augen aufgethan, sie erkannten ihn nicht sowohl an dem, was er that, als vielmehr da er es that, weil in diesem Au enblick ihr bisher durch Gottes Willen verschleierter lick erhellt wurde. (v. Burger.) Sie hatten den HErrn schon mehr denii Ein Mal beten hören und erfahren, daß so, wie Er, kein Anderer beten konnte: über ihm stand der Himmel offen und die Engel Gottes stiegen von ihm auf und zu ihm nieder, sein Gebet schlug seine Schwingen um alle Hörer und riß sie mit Gewalt aufwärts zu dem Gott und Vater in dem Himmel. Hier nun betete wieder Einer mit jener Gewalt: dürfen wir nicht annehmen, daß die beiden Wanderer, indem er betete, auch beteten und daß sie vor allem, da das leibliche Brod vor ihneii lag, für das geiftliche Brod danksagtem das dieser Fremdling ihnen gebrochen hatte? daß sie beteten, es möge ihnen kund gethan werden, wer dieser Mann sei, dem ihr ganzes Herz entgegenschlug? Wie die Worte des Gebets in ihre Ohren und Herzen fielen, da fielen auch die Schuppen von ihren Augen; Gott erhörte ihr Gebet und machte sie sehend, denn ihr Sehen war iii der That eine Wirkung Gottes. (Nebe.) 33. Und sie sdas angefangene Mahl sofort -abbrechend] stunden auf zu derselben Stunde s»2. Cor. b, 14], kehrten wieder gen Jerusalem swo sie dann etwa um 8 Uhr Abends eintrafen], und fanden die Elfe svermuthlich in dem Hause« des Johannes Joh.19, 27; 20, 2 oder aber im Hause des Gastfreundes Kap. 22, 8 ff.] versam- melt sfo jedoch, daß Thomas fehlte Joh.20,24], und die bei ihnen waren ssich aus dem wei- teren Kreise der Jünger zu ihnen hielten Apostg l, 14 f.]; 34. Welche [mit triumphirender Freude ihnen zuvorkommend] sprachen: Der HErr ist wahrhaftig auferstanden swie die Frauen gesagt haben V. 9 ff.], Und lzwar wissen wir das darum gewiß, weil er während eurer Abwesenheit] Simoni erschienen l1· Cvri 15- Hi— 35. Und sie [ihrerseits nun auch die frohe Qsterkunde bestätigend] erzählten ihnen, was» auf dem Wege geschehen war, nnd wie er 884 von ihnen erkannt ware an sbecs dem, da er das Brod brach. Auf dem Wege des Glaubens hat der HErr die Emmaus-Jiinger zur Osterfreude geleitet; fie gehen hin, den Eisen zu berichten, was inzwischen mit ihnen geschehen war, und der Erfolg ihres Berichtes kann nicht zweifelhaft sein — sie haben der Erfcheinung des Auferstandenen eine Stätte des Glaubens bei den be- rufenen Aposteln bereitet. Der HErr wollte erwartet sein, wenn er im Kreise der Seinen mit dem Gruße des Friedens erschien; er wollte sie finden, wie er es einst in Gleichnißworten gedeutet hat (12 , 36): ,,seid gleich den Menschen, die auf ihren Herrn warten«, und er hat sie durch die Botschaft der Maria zu dieser Erwartung geführt. Er wollte aber auch im Glau- ben empfangen sein, wenn er kam, um das hohe Amt ihren Händen zu vertrauen; und dnrch den Dienst der Emmaus-Jiinger hat er diese Abficht an ihnen erreicht. Aber hiermit waren auch die Bedingungen erfüllt, daß er sich ,,mit vollem Segen« (Röm. 15, 29) in ihrer Mitte hat erweisen können — und siehe, er erscheintl 1I1. v. 36——49. (§.126«.129.) unmittelbar »» die vorige Geschichte sthließt sich nnn die von der Erschei- nung des Jiiisersiandencn im Kreise der ver- sammeiten Sänger noch am Abend deø hi. Oster- tageH Ob. 36-——43); dann aber giebt unser Evangelist die eigentliche Erzählnnggform ans und stellt den Inhalt der letzten Reden Iesn mit seinen Jüngern vor der lhimmeisahrt in eine hauptsnmma zusammen w. 43——49). Er geht da iiber die Erscheinungen in Galiläa ganz hinweg, wie er denn schonin V. 6 dir Worte dcg Engels an die Frauen iu einer Form wiedergegeben hat, welche « diese Grscheinnngen nicht vermissen lassen, und verknüpft mit jener Offenbarung am Ostertage sogleich die am s. Sonntag nach Ostern Urlaub. W, 20 Jin1n.); von der letzteren wiederum geht er ganz unvermerkt zn der Osten— barung am tjimmelfahrtolage selber über, ans toelchrr er ung das Inslrnetiongwort an die Eise berichtet. (dgi. Joh. M, 19—3l; Mark. 16, 14——18.) Evangelium-an: Osier-Dien5tage: V. 36—47.) Jm ersten Theil unsers Evan eliums wird uns abermal vorgehalten ein tröstlich xempel und Bild, wie Christus sich erzeigt und was er für Geberden führt gegen seine lieben Jünger, uämlich, daß er so- bald vorhanden ist, da sie von ihm reden und mitten unter sie tritt, dazu das freundliche, frögiche Wort spricht: ,,Friede sei mit euch«. (Luther.) er Gruß des Anferstandenen: Friede sei mit euch! I) wer den Gruß spricht; L) wem er gilt; Z) was er verheißt. (Sigel.) Bis. Da sie aber« [die Elfe einerseits und die Emmaus-Jünger andrerseits, ihre Erlebnisse ge- genseitig austauschend V. 34 f., noch] davon redeten fwährend die Thüren verschlossen waren 20, 19], trat er selbst, Jesus, mitten unter sie nnd sprach zu ihnen: Friede sei mit euch! 37. Sie erschraken aber sob dieses plötzlichem wunderbaren Eintretens] und fürchteten sich, meinten, sie sähen einen Geist sden bloßen Geist des Gestorbenen, der, ohne Leib aus dem Tod- tenreich zurückgekehrh sich hier in einer blos schauerhaften Gestalt oder als Gespenst ihnen darstelle Matth. 14, 26]· Evangelium Lueä 24, 36——50. 38. tlnd er spdrach zu ihnen: Wass seid Cizhr so erschrocken? Un warum kommen olche e- danken in eure Herzen? [vgl. Mark. 4, 40.] · 39. Sehet meineHände nnd meine Füße, ich bin es selber fund kein Fremder Hiob fl9, 27]; fUhlet m1ch, Und sehet [daß Ihr es mit keinem bloßen Geist zu thun habt];· denn ein Geist five- Fr ilzr ajnseheg galt incht Fleisch und Bein, icikcc,cisii at. 40. Und da er das sagte, zeigte er ihnen Hände und Füße lmit den Nägelmalem die ja gerade für s einen Leib ein so besonderes Abzeichen waren Joh. 20 25 u. 27]. 41. szDa sie aber noch ciicht glaubten vor Freuden [Joh. 20, 20., denn diese Freude wirkte so überwältigend, daß sie nur stauneten] »Und sich verwunderten lals uber etwas, wobei sie ihren Sinnen nicht trauen dürften 1. Mos· 45, 26], sprach erh zuGihnen: Habht ihr hikh etwas zu Wen? [damit i r elegenheit abt eu von der irk- lichkeit meines neuen Lebens im Leibe zu über- zeugen.] » 42. Und» sie legten ihm vor ein Sinkt vom gebratenen Fisch und Honigseim seine Honcgwabe Richt l4 8 Anm.]. 43. «Und er nahm es, und aß vor ihnen ssie dadurch völlig seines leiblichen Daseins ver- sichernd Sach. 14 7]. Zweierlei hat dies: Auferstandene bei dieser Erschei- nung am Osterabend gethan: l) er bewies ihnen die Wahrheit seiner realen, also leiblichen Auferstehung, und zwar stufenweis, indem er sie zuerst zum Sehen, dann zum Fuhlen ausfordert und endlcch von ihnen zu essen verlangt; 2) er ertheilt ihnen die höhere Voll- macht zu ihrem Berufe und zugleich die ihre Voraus: setzung bkldenden hoheren Gecsteskrastez Lukashat sich auf die Miåtheclnnåhdessi erstend Thgelclsstbkscigrankh weil er die Vo macht riti an ie po e einem letzten Zusammensein vor der Himmelfahrt aufbe- Zahrtffsk 46 ffs.); Jåhhanlices fkaggegkn kieziehå ssich in etr es rten eis an uas was ie er in V. 3;—43 ausesühtrlich gzesaghd giebt ertinhV 2s0 nur mit wenigen or en an un ergänz i n, einem durchgängigenC arakter gemäß, durkh die Mittheiliing des zweiten m ap. l9, 21—23., wahrend er nachher aus gsundhvausd detgLukalsf hhiek abtgegittrlzt a re te eene or er imme a r m: c - Letzt-eigen überfzfzegt G(Henggtenbergg sgryrzeßetr re en ergri ie emein e trotz em, a ie i- glieder zählte, welche den HErrn schon gesehen hatten; die Geisterfurcht, welche als ein bestimmter Ausdruck des menschlichen Gefühls, das mit dem Jenseits und mit demWalten Gottes in demselben noch nicht gründlich ERST-its «st«GszPk,k«ssEZ"? Eikstiltk sinkt« IENIZLWZT e ieem eu : un gke,a eme e grauen den ganzlzgn Krcåis, doch waäcltdiesZ sghaurkige oment, in we em ie auserwä en in er e« alten Bundes das Jenseits in das·Diesseits selbe: hineknttglteiä sahen, zugFichd der sdchöne dMghmenh wo ie "n er des neuen un es wur en un i mit dem Jenseits versöhntein (P. Lange.) Der H r be- gsinnt seine Selbstosfenbarun gerade wie bei den mmausjüngern mit einem orte ernsten Vorwnrfsz — Der Auferstandene im Kreise der versammelten Jüiiger am Osterabend 885 nach alle dem, was sie den Tag über gehört und er- lebt, war ihr Zweifelmuth ein völlig unberechtigter, und nun ist ein Wort der Strafe, mit der Entschieden- heit tiefster und lebendigster Ueberzeugung ausgespro- chen, auch gegenwärtig noch in der Regel weit eher geeignet, Zweifler an der evangelischen Wahrheit von ihrem KleinEizlauben zu heilen, als ein nachgiebig ver- mittelndes ingehen in das Gespinnst von Scrupeln und Bedenken, darin sie oft nur fich selbst gefallen. Der aus der innersten Persönlichkeit des Predigenden gleichsam elektrisch in die Gemeinde hineinblitzende Glaubensfunke wird inehrentheils weit eher Glauben nnd Bekehrung wirken als die künstlichsten Beweis- sührungen und subtilsten Apologieen (Krum1nacher.) Ich bin es selbst: l) der HErr fühlt, daß er der- selbe ist; 2) er zeigt, daß er der elbe ist; Z) er will als derselbe von den Seinen erkannt und ver- ehrt sein. (v. Oosterzee.) Als Sieger über den Tod steht er vor den Jüngern auch in ver- klärter Leiblichkeit, über welche der Tod keine Gewalt mehr hat; denn daß er gestorben ist, das ist er der Sünde gestorben auf einmal, das er aber lebet, das lebet er Gott (Röm. 6, 10). Wer will würdiglich da- von reden? Zwar ist uns gesagt, daß, so wir einen natürlichen Leib haben (1. Cor- 15, 44; Phil. Z, 21: der Ausdruck lautet eigentlich ,, einen seelischen Leib«), so gaben wir darin auch dem Keime nach den geistlichen eib, worin wir werden zur Aehnlichkeit des verklärten Leibes Christi gelangen; und sowenig unser jetziger seelischer Leib ein Leib aus la11ter Seele ge- bildet ist, sowenig wird der geistliche Leib aus nichts als nur aus Geist bestehen, vielmehr nun ganz unter- than sein dem freien herrschenden Willen des Geistes nach dem Maße seiner Erstarkun in der Heiligung. Aber wer unternimmt es, das S älåere bestimmen zu wollen? ist es nicht völlig sachgemä , daß auch, was die Evangelieii von Christi verklärter Leiblichkeit zu merken geben, an unserm unverklärten Maßstab ge- messen uns nur widersprechend erscheinen kann? Eine Leiblichkeit, die nicht nur sichtbar ist, nicht nur durch die altgewohnte Stimme sich zu erkennen giebt, sondern aus Fleisch und Bein besteht, sich betaften läßt, die Wunden no immer an sich trägt und endlich sogar Speise genie t, wenn auch nicht aus Bedürfnis, son- dern nur wie die Flamme das Opfer verzegrk und daneben eine Leiblichkeit, die nur, wenn sie wi , sich zu erkennen giebt, die erscheint, wenn die Thüren ver- schlossen sind, die wieder verschwindet und am Ende sogar gen Himmel fährt —- wer kann diese Züge zu- sammenbringen? Es ist in der Ordnung, daß wir es nicht vermögen, denn es geht über unser jetziges ada- mitisches Maß hinaus; wir schmecken etwas von den Kräften der zukünftigen Welt, es ist die neue Creatur, die in’s irdische Wesen eingetreten ist. iRiggenbachh 44. Er aber fals er nach 5 Wochen wie- derum mitten unter ihnen war Mark. 16, l4 Anm.] sbrach zn ihnen: Das [nämlich der nun verwirktlichte Thatbestand, von dem ihr euch voll- ständig überzeugt habt —— meine Auferstehung und das neue Leben nach dem Leiden und Sterben] sind die Reden, die ich zu euch sagte, da ich noch bei euch war [Kap.9, F2.44; 18, 32f.; 22, 37]; denn es muß alles erfnllt werden, was von mir geschrieben ist sin allen 3 Theilen der Schrift:] im Gesetz Moses, in den Propheten nnd in den Psalmen lwie ich euch immer gesagt habe]- 45. Da lindem er auf einzelne Weissagungeii näher einging, wie in V. 27] öffnete er ihnen das Verständnis, daß sie die Schrift verstunden findem die Erfüllung, die sie jetzt vor sich sahen, ihnen ein Licht aufsteckte zu rechter Erfassung des Wortlautess 46. Und sprach szuletzt seine Unterweisung noch in einen Hauptsatz zusammenfassend] U ihnen: Also ist-s geschrieben, und alto mußte Christus leideii und aufersteheii von den Todten am dritten Tage, 47. Und fmuß nun für die Zukunft] pre- digeii lassen in seinem Namen Buße und Vergebung der Sünden unter allen Völkern, und anheben zu Jerusalem lJes 2, s; 40, 9]. 48. Ihr aber seid deß alles Zeugen swas bereits geschehen ist, und habt daher den Beruf, jene Predigt auszurichten Apostg. l, 21 f.]. 49. Und siehe lsprach er dann 4 Tage später, als er abermals von ihrer Zeugenschaft redete und sie von Jerusalem hinaus-führte an den Oelberg Apostg. l, 4 f.], ich will auf euch senden die Verheiszung meines Vaters [den vom Vater verheißenen heil. Geist Joel 3, l; Apostg. l, 4; 2, 16 ff. 33]· Jhr aber follt [nach meiner Auffahrt gen Himmel] in der Stadt Jerusalem bleiben, bis daß ihr sdurch eben jene Geistesmit- theilung] angethan werdet mit Kraft aus der Höhe [Apostg. l, 4 f. 8; Ephef 4, 8]. Jn der organischen Gliederung dieses letzten Ka- pitels des Lukas findet sich eine merkwürdige Stufen- letter: nachdem er in dem Bericht über die erste Oster- botschaft uns auf den Sieg hingewiesen hat, den der Erstandene über die Macht der Sünde und des Todes erstritten, hat er in einer Dreizahl von Erscheinungen den Triumph gefchilderh den derselbe über den Zwei- felmuth und en Unglauben seiner Jünger gefeiert; aber je näher der HErr dem Endziel seiner irdischen Erscheinung kommt, um so stärker fällt es in’s Auge, daß der überwindende Löwe aus Judcks Stamm be- ständig zu Höherem vorausstrebt. Freilich nur an- deutender Weise zeugen seine vorletzten Worte von der Siegeshosfnung, womit er einen Abschiedsblick wirft auf die ganze jüdische und heidnische Welt, ehe er sei- nen Jüngern das letzte Lebewohl zuruft; auch hier fängt er mit der Erwähnung des Wortes an, um dann mit der Verheißung des Geistes sein Zusam- mensein mit den Seinen und seine Belehrung der- selben zu beschließem (v. OosterzeeJ IV· it. 50—53. (§. 130.) ljatte unser Evangelist bereits in Bau. St, 51 in Aussicht genommen, die evangelische Geschikhle bis zu dem von hinnen Genommeiiwetden Jcsii fortzuführen, so konnte rr sein Evangelium nicht schließen, «« ohne wenigstens mit einigen warten der Hiinmelsahri zu gedenken; wie das, war« tu sit. 44—49 ans Sesu Munde niitgetheilt worden, so wird aukh der nnumehr folgende Bericht dann später den Anfang de Kpostelges schiihte bilden. (ilsgl. Mark. Its, 19 u. 20.) Ho. Er siihrete sie aber [nachdem er in der vorhin beschriebenen Weise über ihre Zukunft sie 886 Evangelium Lncii 24, 51———53. verständigt hatte] hinaus fzu dem Thore Jeru- salems auf der OstseiteJ bis gen Bethanien sbis an die Stelle, wo das Gebiet von Bethanien an- ging, d. i. bis auf die Spitze des Oelbergs Apostg i, 12; Sach. 14, 4]; und hub die Hände auf und segnete sie. 51. Und es geschah, da er sie segnete, schied er von ihnen, nnd fuhr auf gen Himmel. 52. Sie aber fihm nachsehend, wie er von einer Wolke ihnen entrückt ward] beteten ihn an, nnd kehrten [nachdem sie noch eine Engelerschei- nung gehabt hatten Apostg. 1, 10 f] wieder gen Jerusalem mit großer Freude [Joh. 14 , 28; is, 20 ff.]; 53. Und waren fwährend der 10 Tage bis Pfingsten Apostg 1, 13 f.] allewege im Tempel [so oft man dort zu einer Gebetsstunde sich ein- sand], priesen nnd tobten Gott. Der hohe Gast, der die in Finsterniß und Todes- schatten sitzende Menschheit besucht, verläßt vor unsern ihm beim Vater bereitet war. Mit ihm ist eine himmlische Erscheinung der Erde entfchwebt, wie sie vorher nie dagewesen war und wie sie nicht wieder kommen wird bis an’s Ende der Ta e; das schönste, edelste, heiligste Leben ward in jener Ieierlichen Stunde am Oelberg der Sichtbarkeit entrückt — nur Wenige hatten seine Herrlichkeit gesehen, seit 18 Jahrhunderten sieht sie Keiner mehr! Und dennoch ist der Eindruck dieses Scheidens von Anfang an nicht ein niederschla- gender, sondern ein erhebender gewesen; schon die ersten Jünger, da der Auferstandene bei Bethanien vor ihnen gen Himmel aufgehoben worden, kehrten wieder gen Jerusalem mit großer Freude 2c., und wie für sie, so ist noch immer für die ganze Christenheit der Tag der Auffahrt Christi ein hoher Freudentag und unsre Jubellieder verkünden es laut, wie wahr der Heiland gesprochen: ,,es ist euch gut, daß ich hin- gehe« Wohl hat ja das irdische Dasein des Gottes- und Menschensohns mit diesem Hingang sein Ende er- reicht; aber darum haben wir ihn nicht verloren, sondern erst recht gewonnen, und wie er selber auf diesem Wege zu seiner vollen Herrlichkeit gelangte, so ist auch uns der Antheil an den seli en Früchten sei- nes Lebens, Leidens, Sterbens und uferstehens nur dadurch eröffnet, daß er durch den Vorhang in das Augen die Welt und geht einzu der Klarheit, die obere Heiligthum eintrat. (Heberle.) Schlußbemerkung» zum Evangelium St. Fucci. DerName Lukas ist die jüdisch abgekürzte Form von dem römischen Namen Lukanus, wie Alexas von dem griech. Alexander, Kleopas von Kleopatros (24, 18), Silas von Silvanus Daß nun der Evangelist dieses Namens ursprünglich ein Arzt war, ist nach Col. 4, 14 nicht zu bezweifeln, in der That schildert er auch in seinem Evangelio Christum Jesum vorzugsweise gern als den großen Arzt, von dem eine Heilkraft ausging, die jedermann half (5, 19z S, 19); wenn man aber daraus, daß Paulus (in Col. 4, 10f.) von Solchen grüßt, die »aus der Beschneidung« sind, schließen will, daß er damit den erst später unter zwei Gehilfen, die ursprüngliche Heiden gewesen, erwähnten Lukas mittelbar ebenfalls für einen geborenen Heiden erkläre, so ist das nichts als ein quid pro qu0, als hieße es: »diese sind allein aus der Beschneidung«, und beruht auf einer Verkennung der Beziehung, in welchem das »aus der Beschneidung« zu dem sogleich folgenden Satze steht: »diese sind allein meine Gehilfen am Reich Gottes, die mir ein Trost worden sind.« Beide Aussagen gehen vielmehr ausschließlich aufMarkus und Jesus Justus und drücken einerseits ein schmerzliches Gefühl des Apostels darüber aus, daß auch noch jetzt, wo ja der HErr von allen Apofteln gerade ihn zum Werkzeug gemacht hat, die Botschaft des Evangelii das ihr bestimmte Ziel: ,,bis an das Ende der Erde« (Apostg. 1, s; M, 21; 23, 11) erreichen zu lasse11, so wenige aus seinen Brüdern und Ge- freundten nach dem Fleisch sich ihm zu Diensten stellen, damit er die ihm noch offen stehende Gelegenheit zur Wirksamkeit recht wahrnehmen könne, andrerseits aber auch die tröstliche Beruhigung, daß doch immerhin diese Zwei bei ihm sind, von welchen der eine nach langer Entfremdung (Apostg. 15, 39) sich wieder zu ihm gefunden, der andere neuerdings aus der sonst so verschlossenen Juden- schaft in Rom (Apstg. ·28,17sf.) sich ihm angeschlossen hat; auf die außerdem Genannten nehmen die Aussagen des Apostels gar keinen Bezug, sie sind seine Gehilfen schon von früher her (so auch Ari- starchus) und stehen mit seinen Erfahrungen in Rom in keinem hier in Betracht kommenden Zusam- menhange, weshalb auch nichts darauf ankommt, ob sie ursprünglich Heiden oder Juden gewesen sind. Einer aus der Beschneidung, so haben wir mehr und mehr uns überzeugt, ist Lukas jedenfalls ge- wesen; ihn einerseits zu dem einen von den beiden Jüngern nach Emmahus g24, 13 ff.) und doch andrerseits zu einem Hellenisten zu machen, wie P. Lange thut, geht schlechter ings nicht an, beide Jünger geben sich vielmehr mit ihren Aeußerungen: »Unsere Hohenpriester und Obersten« und: »wir hofften, er sollte Jsrael erlösen« deutlich genug als Juden zu erkennen, und als folche behandelt sie auch der Auferstandene, wenn er ihnen von Christo predigt, wie er habe müssen durch Leiden zu seiner Herrlichkeit eingehen, und ihnen behufs dessen alle Schriften auslegt, die von Christo gesagt sind. Hiermit erst kommt dann das Wort (Joh. 4, 22): »das Heil kommt von den Juden« zu seiner vollen Geltung; nicht blos der Heiland selber stammt aus diesem Volke, sondern auch die heil. Schrist von ihrem ersten bis zu ihrem letzten Buchstaben ist aus jüdischer Feder geflossen. Christi Himmelfahrh — Schlußbemerkungen 887 Jn der bisherigen Evangelien- Bearbeitung haben wir schon öfter Pella als den Herkunftsort des Lukas bezeichnet; hier, in der Umgebung von Griechen (Matth. 4, 25 Anm.) aufgewachsen, legte er den Grund zu seiner gewandten griech. Schreibart und besaß von Haus aus jene freiere Herzens- stellung der Heidenwelt gegenüber, die ihn mehr befähigte, bei seiner Berufung in die Nachfolge Jesu (Kap. 9, 61 f.) in den Kreis der 70 Jünger (Kap. 10, 1 ff.) einzutreten, als in den, ohnedies schon geschlossenen Kreis der Zwölfe. Ohne Zweifel war er mit unter den Hundertundzwanzig die nach dem Tage der Himmelfahrt stets einmüthig bei einander waren mit Beten und Flehen und das Pfingst- wunder mit erlebten (Apostg. 1, 15; 2, 1 ff.); längere Zeit hat er dann der ersten christlichen Ge- meinde zu Jerusalem als Glied angehört und das in der Apostelgeschichte Kap. 1—12 Erzählte alles als Selbsterlebtes mitgetheilt — nach Kap. 1, 1 seines Evangeliums hat er es ja bei dem zwei- theiligen Gesammtwerke mit Geschichten zu thun, die »unter uns« ergangen sind. Er wurde aber wohl schon um das J. 45 n. Chr. ein Glied der Gemeinde zu Antiochia in Syrienjderen Gründung er in Apostg. 11, 20 —- 24 mit einer Lebhaftigkeit und Frische erzählt, an welcher sich theure Erinnerungen an diese Gemeinde zu erkennen geben. Eusebius erklärt ihn geradezu für einen geborenen Antiocheuey und auch andere Kirchenväter hegen dieselbe Meinung über seine Herkunft; es scheint indessen dabei eine Verwechselung mit dem Lucius in Apostg. 13, 1 zu Grunde zu liegen. Von Antiochien aus hat Lukas die erste Missionsreise des Apostel Paulus mit Interesse verfolgt und den Bericht der heim- gekehrten Sendboten vor der Gemeinde mit eigenen Ohren gehört (Apostg. 13 u. 14); auch in Apostg. 15, 1 merkt man den Worten: ,,etliche kamen herab von Judäa« deutlich an, daß er sich noch immer in Antiochien befindet, denn er nennt die Stadt nicht, an welche bei dem Herabkommen zu denken ist. Dort ist er auch geblieben bis nach dem Apostelconcil im J. 50 n. Chr. (Apg.15, 35). Jn den clementischen Recognitionen um die Mitte des 2. Jahrh. nun findetsich (X, 71) die Nach- richt, daß an der Spitze aller Gewaltigen der Stadt danials Theopl)ilus gestanden und den Palast, in welchem er wohnte, zu einer Kirche geweihet habe; daraus läßt sich der Schluß ziehen, daß dieser Edelmann (Kap. 1, 3), wohl von Geburt ein Grieche, noch in Antiochien zur Annahme des Evan- geliums geneigt sich zeigte, aber noch vor seiner vollständigen Bekehrung in einen andern Wirkungs- kreis versetzt wurde; er bedurfte da, weil es ein Ort war, bis wohin die Botfchaft des Evangeliums noch nicht gedrungen, eines ihn begleitenden Lehrers zu seinem weiteren Unterricht. Nehmen wir nun an, dieser Ort sei die Seestadt Troas am Hellespont (s. Karte VIII) und der von der Gemeinde ihm zugesellte Lehrer sei eben unser Lukas gewesen, so wird nicht nur klar, warum dieser hernach seine beiden Geschichtswerke dem Theophilus widmete, sondern auch, wie es kam, daß, als Paulus und Silas in Begleitung des Timotheus etwa im J. 52 auf der zweiten Missionsreise bis Troas gelangten und von dort aus in Folge eines Gesichts hinüber nach Macedonien zogen, sich auf einmal Lukas ihnen zugesellte (Apostg. Its, 10), denn er hatte sein Werk an Theophilus nun beendigt; für die Richtigkeit eines solchen Sachverhalts spricht dies, daß für die beiden ersten Missionsreisen des Paulus in Apostg. IS, 4 —14, 26 u. 15, 40 — 16, 11 die geographischen Verhältnisse von Antiochiem Cypern und Kleinasien bis jenseit Troas als bekannt vorausgesetzt werden, während schon in Betreff Philippks (Apostg. 16, 12) eine genaue Angabe folgt. Lukas blieb, als die andern Drei, durch die Verfolgung genöthigt, von Philippi ihres Weges weiter zogen, daselbst zurück und verweilte allda, um das angefangene Werk fortzuführen, während der J. 52 —- 58; er schloß sich dem Apostel erst wieder an, als dieser, nachdem er das Osterfest des letztgenatiiiten Jahres in Philippi zugebracht, über Troas nach Jerusalem auf das Pfingstfest reisete, daher steht in Apostg. 16, 18 — 20, 4 kein »wir« mehr, sondern findet sich erst wieder in Kap. So, 5 —- 21 u. 27, 1 —- 28, 16. Auch bei Pauli Gefangenschaft in Cäsarea (58—— 60 n. Ehr.) ist Lukas deren einer gewesen, die in Apostg. :Z4, 23 als »die Seinen« bezeichnet werden und denen nicht verwehrt wurde, ihm zu dienen oder zu ihm zu kommen, was nicht ausschließt, daß unser Evangelist in dieser Zeit zugleich mit der Ge- nieinde in Jerusalem verkehrte und dort seine Nachrichten über das Leben Jesu sichtete nnd vervoll- ständigte (Luk.1,3); hernach begleitete er den Paulus auf der Seefahrt nach Rom und hat vielleicht bei dem siebentägigen Aufenthalt in Puteoli (Apostg. 28, 14) unter den dort vorgefundenen Brüdern auch den Theophilus angetroffen, der von Troas, wo wir ihn vor 10 Jahren stationirt fanden, mit- lerweile hierher nach Mittel-Jtalien weiter versetzt worden, wie ja bei Staatsbeamten dergleichen Stationswechsel häufig genug vorkommt; zu dieser Combiiiation veranlaßt uns der Umstand, daß in Apostg. 28, 1 —- 16 für die ganze Reise von Malta bis Rom gar keine geographischen Notizen ge- taucht, sondern selbst kleine Lokalitäten als bekannt vorausgesetzt werden, derjenige, dem das Buch gewidmet ist, muß also hier wohl zu Hause gewesen sein. Jn Puteoli, so scheint es, reifte ein Gedanke des Lukas, der ihn schon in Cäsarea beschäftigt hatte, nämlich den mancherlei nngenügenden Zusammenstellungen des Lebens Jesu gegenüber, die sich 888 v Schlußbemerknngen zum Evangelium Lucii. nach und nach gebildet hatten (Luk. I, 1sfs.), ein eigenes Evangelium auf Grund der paulinischen Verkündigung zu verfassen und da bis auf den Anfang der neutestamentlichen Geschichte zurückzik gehen, zum bestimmten Entschluß; und vermuthlich ist von Theophilus selber es ihm nahegelegtwordeiy diesem angesehenen Manne seine Schrift zu widmen, denn bis zur Erfindung der Buchdruckerkunst war die Herausgabe eines Buchs ohne einen besonderen Gönner (patr0nus ljbri), der vermöge seiner bürgerlichen Lebensstellung demselben den Weg in die Oefsentlichkeit zu bahnen vermochte, etwas gar Schwieriges und Kostspieliges Theophilus wenn anders wir die Sachlage richtig verstehen, war in Folge des Parteitreibens der judaistisch gesinnten Christen, an denen es gerade in Jtalien gewiß nicht gefehlt hat, von den Angriffen auf das paulinische Evangelium, als wäre das mit seiner Lehre der Freiheit vom mosaischen Gesetz und mit seiner, an keine andere Bedingung als an Buße und Glauben sich bindenden Aufnahme der Heiden in das Reich Gottes nicht das rechte und ächte, nicht ganz unberührt geblieben und fühlte sich einer Stärkung in der gewissen Zuversichh daß die Lehre, in welcher er unterrichtet worden, der eigenen Predigt des HErrn vollkommen gemäß, ja nur ein Ausfluß dieser Predigt sei, durch Versenkung in Christi Lehren und Wirken bedürftig; da es bis da- hin nur erst Ein apostolisches Evangelium in dem des Matthäus gab, dieses aber doch seiner ganzen Anlage nach mehr auf das Volk Jsrael, als auf ursprüngliche Heiden berechnet war, so bat er sei- neu vormaligen Lehrer, ihm eine, die Berufung der letzteren noch bestimmter in’s Auge fassende Darstellung des Lebens Christi, die an dem schon vorhandenen Evangelio und an der herkömmlichen apostolischen Predigt, namentlich auch an der des Petrus, eine Bürgschast ihrer Zuverlässigkeit habe, zu verschaffen. Jn diesem Begehr sprach sich weit mehr als das Bedürfniß eines einzelnen Mannes, nämlich das der gesammten heiden-christlichen Kirche aus; und war es nun gut, daß gerade ein so hochgestellter Mann wie Theophilus dem von Lukas und seineni Meister Paulus· längst schon selber einpfundenen Bedürfniß Worte lieh, denn so war der Weg für die Veröffentlichung eines so umfang- reichen Werkes, wie es der Verfasser wohl gleichvon Haus aus plante, vollständig geebnet. Wir sehen denn auch deutlich, wie Lukas in Rom hauptsächlich mit der Zusammenstellung seiner Schrift beschäftigt ist: einerseits verwendet ihn der Apostel während der zwei Jahre seiner dasigen Gefangen- schast nicht zu einer Abordnung an diese oder jene Gemeinde, sondern der ebenfalls mit nach Rom gekommene Aristarchus aus Macedonien (Apostg.27,2) muß gleich anfangs für andere Gehilfen zum eigentlichen Missionsdienst sorgen (Anh. lI.: a); und andrerseits bestellt Paulus gleich in dem ersten Briefe, den er von seiner Gefangenschaft aus geschrieben, bei Timotheus, wenn er zu ihm nach« Rom komme, sollte er den in Troas zurückgelassenen Mantel sammt den Büchern, sonderlich aber das Pergamen mitbringen (2. Tini. 4, 13), welche Bestellung jedenfalls im Jnteresse des zweitheiligen Schriftwerkes des Lukas geschah. Gegen Ende der Gefangenschaft des Apostels kann aber Lukas nicht mehr bei demselben anwesend gewesen sein, denn in der Epistel an die Philipper, mit welcher Gemeinde er ja von seinem früheren sechsjährigen Aufenthalte daselbst gewiß am engsten verbunden war, gedenkt Paulus seiner nicht; aus dieser Abwesenheit von Rom erklärt es sich nun auch, warum er, als Paulus im Frühjahr 63 n. Chr. in strengere Haft genommen und der Proceß vor dem Kaiser gegen ihn eröffnet wurde, nicht ebenfalls gefänglich eingezogen ward, wie das dem Timotheus widersuhr (Hebr. 13, 23), und warum die Apostelgeschichte mit den zwei Jahren des eigenen Ge- dinges, das dem Paulus von Burrhus gestattet worden, abschließt —- darüber hinaus hatte eben Lukas nichts Selbsterlebtes oder von glaubwürdigen Zeugen Berichtetes mitzutheilem sondern abge-- sehen von dem wohl bedeutungslosen Verhör des Timotheus nnd der ohnedies offenkundigen Thatsache der Hinrichtung des Apostels, blieb alles, was den Verlauf des Processes selber betrifft, hinter die vier Wände des kaiserlichen Gerichtssaales verschlos en. Wo aber ist denn Lukas gewesen, wenn er zu jener Zeit nichtspin Rom anwesend war? was hat er vorgehabt und was hat er ausgerichtet? und wie ist sein weiteres Leben verlaufen? Die Beantwortung dieser Fragen giebt uns Gelegenheit, die Entstehung seiner Schriften näher in Betracht zu ziehen nnd auch dem Ursprung der Verwandtschaft seines Evangeliums mit dem des Johannes, überhaupt dem Verhältnis» in welchem dasselbe zu dem letzteren steht, einigermaßen auf die Spur zu kommen; wir können aber diesc Dinge erst abhandeln, wenn wir auch die Apostelgeschichte erledigt haben, und niüssen daher den Leser in Betreff des Weiteren auf den demnächst erscheinenden 2. Anhang zum Vl. Bande verweisen. sc« «« Druck von Gruß, Barth nnd Comsn (W. Friedrich) in Breslcun