Das Neue Testament aus jüdischer Perspektive - Teil 05/17 - Vortrag 4/7 - Das 'mündliche' Gesetz der Rabbiner 27.02.2016 11:15 Uhr Feriendorf Groß Väter See, Groß Väter 34, 17268 Templin-Groß Dölln Lasst uns fortsetzen mit der Seite 9 in eurer Übersicht. Jetzt kommen wir zu dem wahren Punkt der Spannung zwischen dem Herrn Jesus und den Pharisäern. Zunächst einmal, wenn ihr euch die jüdische Bibel, unser Altes Testament anschaut von erster Mose bis Maleachi, dann findet ihr ja keinen einzigen Pharisäer, auch keine Synagoge. Aber wenn du dann das Neue Testament aufschlägst: Auf einmal sind da Pharisäer und da sind Sadduzäer und da sind Synagogen, auch Rabbiner. Offensichtlich muss es einige Veränderungen im Judentum mit dem Ende des Alten Testaments und mit dem Beginn des Neuen Testaments gegeben haben in dieser Zwischenperiode von 400 Jahren. Der Nachteil ist, die Powerpoint- Präsentation hat nicht den Inhalt, was wir jetzt besprechen wollen, aber ihr seid ja gute Zuhörer. Die Juden, die aus der babylonischen Gefangenschaft zurückkehrten, die verfügten über eine gewisse Einsicht. Diese Juden wussten sehr wohl: Der Grund für unsere Gefangennahme, für unsere Wegführung, war unser Ungehorsam dem mosaischen Gesetz gegenüber. Und die primäre Sünde, deren sie sich schuldig gemacht hatten, war Götzendienst. Deswegen hat Gott sie ja nach Babylonien geführt. Was war denn Babylon zu dieser Zeit? Das war die Welthauptstadt des Götzendienstes. Das heißt, die Juden fanden sich in einer Stadt wieder oder in einer Umgebung wieder, die war angefüllt, voll mit heidnischen Götzen und Tempeln. Und nach so vielen Jahren waren sie irgendwann mal müde dieses Götzendienstes, den sie dort sahen. Deswegen stellen wir fest: Dieser Götzendienst, der ja vorher so vorherrschend war, war nach der babylonischen Gefangenschaft im Judentum kein vorherrschendes Problem mehr. Deswegen entwickelte sich nach der Gefangennahme eine neue Form des Judaismus. Unter denen, die zurückkamen aus der Gefangenschaft, war unter anderem auch der Schriftgelehrte Esra, der das Buch Esra geschrieben hat. Er hat diese anderen Gelehrten mit zurückgebracht und hat daraus eine Schule gebildet, die sogenannte Schule der Sofrim - das bedeutet Schriftgelehrter. Sofrim ist der Plural für Sofer. Und Esra hatte die Absicht, diese Schriftgelehrten zusammenzufassen, damit sie zu Lehrern des Mosaischen Gesetzes werden sollten. Das Gesetz, was Gott durch Mose seinem Volk gegeben hat, das bestand ja insgesamt aus 613 Geboten. Und so wurde es die Aufgabe dieser Schriftgelehrten, durch jedes einzelne der 613 Gebote zu gehen und festzulegen: Was bedeutet es als Jude, dieses Gebot zu halten und was bedeutet es als Jude, dieses Gebot zu brechen? Die Schriftgelehrten hatten ferner die Aufgabe, das Mosaische Gesetz auch zu lehren und das Volk darin zu unterweisen, das Mosaischen Gesetz auch zu halten. Von Hosea stammt auch dieser bekannte Ausspruch: "Aus Mangel an Einsicht verdirbt mein Volk." Das war eben die Aufgabe dieser neuen Klasse von Schriftgelehrten, diese Ignoranz dem Gesetz gegenüber zu verhindern und das war soweit eine völlig legitime Aufgabe. Die Schriftgelehrten damals unter Esras Zeiten haben genau das gleiche gemacht, was jeder gute Bibellehrer heute mit uns machen würde. Sie haben den Text ausgelegt in dem Kontext, in dem er zu finden war. Aber es kam dann so, dass diese erste Generation der Sofrim irgendwann mal ausgestorben war. So kam es zur zweiten Generation der sogenannten Sofrim und die haben ihre Aufgabe noch ein bisschen ernster genommen. Diese Sofrim haben gesagt: Das reicht nicht aus, das Gesetz einfach nur zu erklären. Die haben sich gedacht: Wir müssen noch ein Stück weitergehen. Wir müssen einen Zaun um die Thora bilden. Und aus was würde dieser Zaun bestehen? Diese zweite Generation hat sich dann angeschickt, neue Regeln, neue Auflagen zu entwickeln, die sie jedoch aus diesen ersten 613 ursprünglichen mosaischen Gesetzen ableiteten. Warum hat die zweite Generation sowas gemacht? Sie folgten der Logik: Naja unser Volk wird vielleicht diesen Zaun, den wir jetzt um das mosaische Gesetz ziehen, brechen. Aber das verhindert trotzdem, dass sie das eigentliche Mosaische Gesetz brechen. Das war ihre Logik: Sie mögen vielleicht diese neuen Gebote brechen, aber trotzdem bewahren wir sie davor, die ursprünglichen 613 zu brechen. Sie taten das in guter Absicht, weil sie wollten verhindern, dass ein weiteres göttliches Gericht wie die Wegführung nach Babylon über Israel hereinbricht. Sie folgten einem gewissen Prinzip, um diese neuen Regeln, diesen neuen Zaun um dieses Mosaische Gesetzeswerk zu ziehen: Ein Sofer dürfte anderer Meinung mit einem anderen Sofer sein aber er dürfte niemals der Thora widersprechen. Es gab keine Grundlage über die Thora zu diskutieren. Warum? Weil die Thora war Gott gegebenes Gesetz durch Mose. Da gab es keine Diskussionsgrundlage. Aber ganz folgerichtig haben sie gesagt: Aber über unser Regelwerk da dürfen wir schon unterschiedlicher Meinung sein, und zwar so lange, bis eine offizielle Entscheidung, Wahlentscheidungen getroffen war. Wenn die Rabbiner dann per Wahl, Mehrheitsbeschluss zu einer Entscheidung gekommen waren, dann wurde dieses neue Gesetz, dieser neue Zaun oder dieser neue Teil des Zaunes verpflichtend für jeden Juden auf der gesamten Welt. Die Methode, die sie erwählten, um diese neuen Gesetze, diesen neuen Zaun um den eigentlichen, um das eigentliche Mosaische Regelwerk, Gesetzeswerk zu ziehen, war eine Logik und man nennt die Pilpul. Das ist ein Ausdruck, der etwas sehr scharfes bezeichnet. Aber das wurde zum Terminus Technikus für rabbinische Logik. Du hast eine Aussage und die Frage ist jetzt: Wieviel weitere neue Aussagen kannst du von dieser ersten entwickeln? Und ich gebe euch ein Beispiel, wie sowas funktioniert. Wir wissen, unter dem Mosaischen Gesetz gab es ja unter anderem die Regel: Du durftest nicht ein Lamm in der Milch der Mutter kochen. Warum hatte Gott Mose dieses Gebot gegeben? Er wollte sein Volk schützen vor einem sehr gebräuchlichen Götzendienst der Kanaaniter. Denn wenn eine Ziege ihr erstgeborenes Lamm geboren hat, dann haben sie das Lamm von der Mutter abgesondert. Haben dann diese Mutterziege gemolken. Und dann haben sie dieses Fleisch dieses erstgeborenen Lammes in der Milch der Mutter gekocht als eine Erstlingsgabe für ihren Götzen Baal. Es war den Juden verboten, diese Form des Götzendienstes zu praktizieren. Und deswegen gab es ursprünglich mal im Mosaischen Gesetz dieses Gebot: Du darfst nicht das Fleisch eines Lammes in der Muttermilch kochen. Gott hat Mose dieses Gesetz ungefähr 1400 vor Christus gegeben. Jetzt befinden wir uns 400 vor Christus. Das heißt, 1000 Jahre sind bereits vergangen. Da gibt es doch gar keine Kanaaniter mehr. Und es kocht auch niemand mehr das Fleisch der Lämmer in der Milch, in der Muttermilch. Das heißt mit anderen Worten: Die Absicht dieses Gebotes war verlorengegangen. In der Schule der Sofrim , wenn sie zu diesem Gebot kam, haben sie jetzt sich die folgende Frage gestellt. Sie haben den ursprünglichen Kontext verloren, haben sich aber trotzdem die Frage gestellt: Wie können wir sicherstellen, dass wir nie, nie, niemals jemals eine Ziege oder das Lamm einer Ziege in seiner Mutter Milch kochen? Und so funktioniert diese Pilpul- Logik. So schnell geht das. Nehmen wir mal an, du isst ein Stück Fleisch und du trinkst gleichzeitig ein Glas Milch. Das ist ja sehr wohl möglich, dass die Milch von der Mutter kommt, von dem Lamm was du da gerade isst. Und wenn dann diese Milch mit diesem Fleisch zusammen in deinem Magen zusammenkommt, dann brichst du die Thora, also eine neue Regel. Alle Juden müssen von nun an ihre Milchspeisen von ihren Fleischspeisen gesondert getrennt halten. Es musste eine Zwischenzeit von 4 Stunden eingehalten werden. Und ich denke viele von euch wissen: Bis zum heutigen Tag trennen orthodoxe Juden ihre Milchspeisen von den Fleischspeisen. Wenn du in ein jüdisches Restaurant gehst und das bezeichnet sich selbst als koscher, dann wirst du es niemals erleben, dass gleichzeitig Milchspeisen mit Fleischspeisen serviert werden. Ich hab ja mal eine Zeit lang in Jerusalem gelebt und 2 Straßenblöcke weiter gab es ein jüdisches Restaurant, das nannte sich Koscher und hat trotzdem beides gleichzeitig serviert. Aber dieses Restaurant verfügt über 2 Stockwerke. Im ersten Erdgeschoss nur Fleischprodukte im Obergeschoss nur Milchprodukte. Du durftest entweder oben essen oder unten essen, aber während der Mahlzeit durftest du niemals die Stockwerke wechseln. Da gab es tatsächlich Aufseher, Wächter, die sichergestellt haben, dass du dich nicht verlaufen hast. Aber diese Pilpul- Logik ging sogar noch weiter. Nehmen wir mal an, du hast Mittagessen und zum Mittag hattest du eine Milchspeise. Also zum Mittagessen nimmst du dir einen Teller und nimmst ein Stück Käse und stellst dieses Stück Käse auf deinen Teller. Nachher wäschst du natürlich den Teller auf und wischt ihn dabei. Aber du hast leider nicht beobachtet, dass es doch noch diesen Krümel von Käse gibt, der da an deinem Teller klebt. Jetzt kommt es zum Abendessen. Was machst du? Du nimmst jetzt den gleichen Teller und legst dein Fleisch drauf. Und dieses Fleisch nimmt ausgerechnet diesen kleinen Krümel Käse mit, den du ja beim Waschen am Mittag übersehen hattest. Und wenn du diesen "Mc David" dann runterschluckst, ja dann könnte es ja passieren, dass das Fleisch ausgerechnet von dem Lamm stammt, von der Muttermilch, von dem der Käse gemacht wurde und das kommt zusammen in deinen Magen. Und dann hast du das Fleisch des Lammes in der Muttermilch gekocht. Regel Nr. 2: Alle Juden müssen 2 getrennte Geschirre haben. Das eine Geschirr hat man nur für Milchprodukte und das andere Geschirr nur für Fleischprodukte zu verwenden. Bis zum heutigen Tag haben alle orthodoxen Juden in ihren Häusern 2 verschiedene Geschirrsorten. Und solltest du aus Versehen mal das eine Geschirr mit dem anderen verwechselt haben, dann musst du diesen Teller entweder zerstören oder einem Heiden schenken. Aber von diesem Teller war es einem Juden, einem orthodoxen Juden seither dann nicht mehr erlaubt, zu essen. Überlegt was dann passiert ist. Für jedes dieser ursprünglichen 613 Gebote, die Gott dem Mose gegeben hatte, haben sie Hunderte, manchmal Tausende von neuen Geboten erfunden. Aber auch diese Schule der Sofrim hat ein Ende gefunden und zwar circa im Jahr 30 vor Christus. Dann trat eine neue Schule der Rabbiner auf und die nennt man die Tannaim. Das ist der Plural von Tana ein alter hebräischer Ausdruck für Lehrer. Und schaut was die Tannaim dann gemacht haben. Die Tannaim haben sich diesen Zaun, den die Sofrim um das Mosaische Gesetz gezogen haben, angeschaut und haben gesagt: Da gibt es immer noch viel zu viele Löcher im Zaun. Und so haben sie diesen Prozess, dieses "Vervollkommenens" des Zauns fortgesetzt von 30 vor Christus bis 220 nach Christus. Aber sie haben ihre Vorgehensweise wieder leicht verändert. Denkt nochmal an die Arbeitsweise der Sofrim. Die Sofrim haben doch gesagt: Ein Sofer darf anderer Meinung sein, wie ein anderes Sofer, aber er darf niemals der Thora, dem gottgegebenen Gesetz widersprechen. Die Tannaim haben dann ein anderes Prinzip entwickelt: Ein Tana mag wohl sehr wohl anderer Meinung mit einem anderen Tana sein, aber er darf niemals anderer Meinung mit einem Sofrim sein. Das bedeutet, das führte automatisch durch diese neue Arbeitsweise dazu, dass dieses gesamte Regelwerk der Sofrim den gleichen Stellenwert bekommen hat, wie die Schrift selbst. Aber in der Praxis hat sich das sogar so entwickelt, dass die Gesetze der Sofrim noch wichtiger genommen wurden, als die Schrift selber. Warum? Weil die haben dem so eine Autorität beigemessen, dass sie gesagt haben: Du kannst die Schrift im Grunde genommen gar nicht verstehen, es sei denn du folgst dem, was die Sofrim gelehrt haben. Irgendwie mussten sie sich ja dann rechtfertigen, dass die Regeln der Sofrim tatsächlich gleichbedeutend waren mit den Regeln, die Gott Mose originär im Gesetz gegeben hat. Und deswegen begannen die Tannaim damals eine Lehre, die heute noch in den jüdischen Schulen, also in den orthodoxen Schulen weitergegeben wird. Ich selbst hab ja ausführliche Studien in der Judaistik unternommen und da wurde mir unter anderem beigebracht: Es wird behauptet, dass am Berg Sinai Mose von Gott tatsächlich 2 Gesetzeswerke empfangen hat. Das erste Gesetzeswerk wird das "geschriebene Gesetz" genannt. Und unter diesem geschriebenen Gesetz befinden sich diese 613 Gebote, die wir ja im 2.,3., 4. und 5. Buch Mose finden. Aber es wird gesagt: Gott hätte Mose auch noch dieses "mündliche Gesetz" gegeben. Warum mündlich? Weil Mose diese Tausende von Geboten niemals aufgeschrieben hat. Er hat sie alle auswendig gelernt. Und so wurde dann auswendig, ja von Mose das Gesetzeswerks, dieses gesprochene Gesetz, mündliche Gesetz, bis auf Josua weitergegeben. Von Josua wurde es dann weitergegeben über die Richter. Von den Richtern wurde es dann weitergegeben an die Propheten. Und von den Propheten an die Sofrim. Mit anderen Worten: Es wurde behauptet, die Sofrim haben diese ganzen neuen Regeln, diesen Zaun gar nicht selbst erfunden. Die Sofrim haben sie von den Propheten bekommen, die Propheten haben sie von den Richtern bekommen, die Richter haben diese Regeln von Josua bekommen, Josua hat diese Regeln von Mose bekommen und Mose hat angeblich diese Regeln von Gott bekommen. Das war ihre Begründung, warum das Regelwerk der Sofrim gleichbedeutend war mit der Autorität der Schrift. Und in diesen ganzen Jahrhunderten von 400 vor Christus bis 220 nach Christus wurden diese Regeln der Sofrim niemals aufgeschrieben. Es gab Schlüsselpersonen, die hatten all diese Gesetze tatsächlich im Kopf. Aber in den Evangelien treten ja dann Pharisäer und Schriftgelehrte auf. Die Schriftgelehrten waren ja gleichzeitig Pharisäer. Wo lag also der Unterschied? Die Schriftgelehrten waren die Pharisäer unter den Pharisäern, die sich entschieden hatten, eben dieses ganze Regelwerk auswendig gelernt zu haben. Wenn du also wissen wolltest, was ist denn jetzt die Tradition zu dem einen oder zu der anderen Sache, da musst du dich an einen Schriftgelehrten wenden und der konnte dir das sagen. Wenn wir uns aber jetzt ins dritte Jahrhundert nach Christus bewegen, dann werden wir feststellen: Es waren ja wenige und weniger Juden im Land verblieben aufgrund der römischen Vorherrschaft. Das heißt auch die Schriftgelehrten wurden weniger und weniger. Deswegen hat ein leitender Rabbiner irgendwann mal entschieden und hat gesagt: Diese ganzen Regularien , dieses sogenannte mündliche Gesetz, muss niedergeschrieben werden. Im Jahre 220 nach Christus lag dann die Endversion dieses geschriebenen mündlichen Gesetzes vor, und gleichzeitig markierte das den Endpunkt der Schule der Tannaim. Und dann kam es zu einer dritten Schule der Rabbiner, die sogenannten Amoraim. Das ist der Plural für Amora. Und diese vielen Amora , die haben sich dann angeschaut, was die Tannaim gemacht haben und schaut was sie dann gesagt haben. Die Amora haben dann gesagt: Da gibt es immer noch zu viele Löcher im Zaun. Und deswegen haben sie diesen Prozess des vermeintlichen Löcherstopfens für weitere 300 Jahre bis ins die Jahre 500 nach Christus fortgesetzt. Aber auch sie wiederum haben ihre Vorgehensweise etwas verändert. Sie haben folgende Vorgehensweise gehabt: Ein Amora konnte mit einem anderen Amora anderer Meinung sein, aber niemals mit einem Tannaim. Und so wurden diese ganzen Regeln, die zuvor die Tannaim aufgestellt hatten, zu heiligen Regeln. Das Werk der Sofrim und der Tannaim nennt man heute die sogenannte Mischna. Und das Werk der vielen Amora nennt man die Gemara. Und wenn du die Mischna und die Gemara zusammenfügst, dann kommst du zum sogenannten Talmud. Die Mischna gibt es auf Hebräisch. Kleingedruckt umfasst die schon zwischen 1500 und 2000 Seiten. Die Gemara ist in aramäisch geschrieben. Diese Gemara hat den Umfang einer großen Enzyklopädie. Wenn wir uns hier dem Leben Jesu aus jüdischer Sicht zuwenden, kümmern wir uns nicht um die Gemara. Warum? Weil die wurde ja erst später aufgestellt. Aber die Mischna , dieses sogenannte mündliche Gesetz, das wurde zum Streitpunkt zwischen dem Herrn Jesus und den Pharisäern. Stellen wir uns die Frage: Was für eine Art Messias haben die Pharisäer erwartet? Sie glaubten, der Messias, wenn er denn kommen würde, das würde einer von ihnen sein - also ein Pharisäer. Selbstverständlich erwarteten sie, dass der kommende Messias sich beidem unterwerfen würde, dem geschriebenen Gesetz, gleichsam den mündlichen Gesetz. Sie erwarteten auch, dass dieser zukünftige Messias mit ihnen gemeinsame Sache machen würde und diese weiteren Löcher im Zaun stopfen würde. Bitte versteht: Für einen Pharisäer war es undenkbar, dass der Messias kein Pharisäer wäre. Es gibt ja oft die Behauptung, dass der Grund, warum die Pharisäer den Herrn Jesus abgelehnt haben, derjenige gewesen sei, weil er Rom nicht besiegt hat. Aber da gibt es keinen schriftgemäßen Beleg für so eine Behauptung. Der Zankapfel, der Grund, warum die Pharisäer den Messias, den Herrn Jesus tatsächlich abgelehnt haben, war sein Verhältnis zu der Autorität des mündlichen Gesetzes. Ich bitte euch zu verstehen: Von nun ab werden wir in unserem Vortrag gewisse Ausdrücke austauschbar gebrauchen. Das Gesetz der Mischna oder das pharisäische Gesetz oder das Rabbinische Gesetz. Das sind alles austauschbare Begriffe und die wollen wir von nun ab einfach Mischna nennen. Und das wird zum Zankapfel zwischen dem Messias und den Pharisäern. Bitte schaut euch auf der Seite 9 den Punkt 1 an - Traditionen. Wir sehen aus Lukas 5 Vers 33 dass es "Usus" war bei den Pharisäern, dass sie regelmäßig gefastet haben. Die Pharisäer haben zweimal pro Woche gefastet und zwar jeden Montag und jeden Donnerstag. Und aus Vers 33 von Lukas 5 lernen wir, dass die Jünger des Johannes eben dieser Tradition folgten. Aber ihnen fiel auf, dass die Jünger des Herrn Jesus dieser Tradition des regelmäßigen Fastens nicht folgten. Und so reagiert er auf die Fragen der Pharisäer auf 4 Arten. Den ersten Punkt finden wir in den Versen 34 und 35: Du kommst nicht zu einer Hochzeitsfeier, um zu fasten. Du kommst zu einer Hochzeitsfeier, um zu feiern. Der Bräutigam war doch unter ihnen. Solange der Bräutigam unter ihnen ist, gibt es keinen Anlass zum Fasten. Seit dem Zeitpunkt, wo der Herr Jesus öffentlich seinen Dienst angetreten hat, gibt es keinen einzigen Bericht darüber, dass er fastete. Den zweiten Punkt seiner Antwort bringt er im Vers 36: Du nimmst doch nicht einen neuen Lappen um ein Loch in einem alten Kleid zu flicken. Welche Logik liegt dem zugrunde? Ein altes Kleidungsstück wurde doch häufig gewaschen, ist also so weit geschrumpft, wie es nur schrumpfen konnte. Stell dir vor, so ein altes Kleid was häufig gewaschen war, entwickelt ein Loch irgendwo und jetzt versuchst du, dieses Loch mit einem frischen Stück Stoff zu flicken. Das nächste Mal, wo du dieses Kleid dann wäscht, wird dieser neue Flicken schrumpfen und wird dieses Kleidungsstück verziehen. Was will er ihnen damit sagen? Er hat damit gesagt: Ich bin nicht gekommen, um euch in eurer Aufgabe zu unterstützen, euren selbstgemachten Zaun noch weiter zu stopfen. Die Botschaft die er ihnen zu bringen hatte, war grundlegend anders, wie das, was sie lehrten. Die dritte Antwort, die der Herr Jesus hier zum Teil seiner Antwort macht, finden wir in den Versen 37 und 38 von Lukas 5. Du füllst auch nicht neuen Wein in alte Schläuche. Ein alter Weinschlauch hat sich schon so weit ausgedehnt, wie er als Schlauch, als Lederschlauch sich dehnen konnte. Wenn du dann neuen Wein in so einen alten Schlauch füllst, dann gibt es immer noch ein Stück weit Fermentation, obwohl die vorher schon stattfand, aber die ist noch nicht abgeschlossen. Wenn du also neuen Wein in alte Schläuche füllst, dann wird durch die noch nicht ganz abgeschlossene Fermentation der Wein sich weiter ausdehnen. Der alte Schlauch kann sich nicht weiter ausdehnen, zerreißt und du verlierst beides, den Schlauch und den Wein. Das heißt mit anderen Worten: Der Herr Jesus wollte ihnen deutlich machen: Ich bin nicht bereit, meine Lehren in eure alten Formen zu gießen. Denn das, was der Herr Jesus ihnen zu lehren hatte, war sehr, sehr anders und unterschied sich drastisch von dem, was sie lehrten. Und seinen vierten Punkt der Antwort finden wir in Lukas 5 Vers 39. Er zieht hier einfach den Gegensatz zwischen altem Wein und neuen Wein. dDeser neue Wein hat ja immer noch nicht ganz den Fermentationsprozess abgeschlossen, beziehungsweise er hat ihn noch nicht lange hinter sich und kann deswegen niemals den Geschmack, diesen weichen, samtigen Geschmack von einem alten Wein haben. Deswegen bevorzugt jeder einen alten Rotwein über einem Neuen. Der alte Wein in diesem Zusammenhang ist das biblische Judentum und der neue Wein ist dieses pharisäische Judentum. Der Herr Jesus will mit dieser Gegenstandslektion ihnen beibringen: Der alte Wein, das ist der gute Wein, nicht das, was ihr da als neu verzapft. Der nächste Streitpunkt zwischen dem Herrn Jesus und den Pharisäern wird der Sabbat sein, Punkt 2 auf Seite 9. Und darum kümmern wir uns dann heute Nachmittag. Während dem Essen hat mich jemand daran erinnert, dass ich euch bis jetzt noch keine einzige Rabbinergeschichte erzählt habe. Wenn ich ehrlich bin, erzähle ich nicht mehr so viele Rabbinergeschichten weil ich weiß, viele von euch haben sie wahrscheinlich schon irgendwo mal gehört, wo ich bei euch zu Gast in der Gemeinde war. Es gibt eine neue Rabbiner Geschichte. Die kennt ihr vielleicht noch nicht. Es gab ein wöchentliches Treffen von Geistlichen aus unterschiedlichen Religionen und Denominationen. Und jeder hat dann jedes Mal bei dem Treffen sein eigenes Mittagessen mitgebracht. Und der Rabbi hat natürlich immer sein koscheres Essen mitgebracht, damit es keine Probleme gibt beim Essen. Der katholische Priester, der kam dann immer mit seinen dicken fetten Schinkenbrot. Und der Priester, der hat gern mal einen Witz über den Rabbi gemacht. Der hat ihn gerne ein bisschen provoziert und hat gesagt: "Rabbi du hast gar keine Ahnung, wie gut so ein richtig schönes dickes Schinkenbrot schmeckt. Ja, du hast ja nie probiert." Und dann sagt der Rabbi: "Nee, danke kein Problem." Das ging so wieder und wieder über Wochen. Irgendwann mal sagt der Priester zu dem Rabbi: "Ich weiß ganz genau, so tief in deinem Inneren würdest du schon gern mal von meinem Schinkenbrot probieren. Nun sag mir doch endlich, wann bist du dann mal bereit, von meinem Schinkenbrot zu essen?" Sagt der Rabbi: "Ich sag dir, wann der Tag kommt, wann ich von deinem Schinkenbrot essen werde." Und der Priester sagt: "Wann machst du das?" darauf der Rabbi: "auf deiner Hochzeit"