Höhepunkte im Leben Jesu aus jüdischer Sicht - Teil 7/7

Abschrift des Vortrages von Arnold Fruchtenbaum, Israelkonferenz 1992, gehalten am 17.01.1992

 

Die Zuflucht und die Ruhe. Mir ist das bei einer Weihnachtspredigt einmal so wichtig geworden, wo es heißt, dass Jesus die Tür ist. Und da heißt es bezeichnenderweise: Wer durch mich eingeht und ausgeht. Und Jesus sagt zunächst: Wer durch mich hineingeht. Und das ist zuerst in die Ruhe in Jesus. Und wer da hineingegangen ist und in Christus ruht, der kann auch hinausgehen. Wer das nicht tut, zuerst in die Stille, in das Ruhen der vollen Erlösung, der ganzen Fürsorge und Liebe unseres Gottes, der hat es sehr schwer mit den Konflikten, Problemen und Sorgen seines Lebens fertig zu werden. Wer durch mich eingeht, also zuerst eingeht, und dann ausgeht.

Wollen wir auch noch beten für unsre drei Geburtstagskinder:

Lieber Vater, wir segnen unsre lieben Geschwister, die heute ihren irdischen Geburtstag feiern. Wir danken Dir, dass Du ihnen begegnet bist und hast sie zum lebendigen Glauben an Dich gebracht und auch ihnen etwas davon mitgeteilt, dass sie ruhen dürfen in Dir. Sie ruhen von dem eigenen Wirken und Werkeln, Schaffen und Machen, Rennen und Jagen, Angst zu haben zu kurz zu kommen im Leben. In Dir ruhen, weil wir in Dir alles haben. Herr Jesus, Du genügst auch ihnen vollkommen. Sie haben alles in Dir. Dafür danken wir Dir und wir danken Dir auch für diese Stunde, dass Du auch jetzt alles bist. Amen.

Psalm 131 {Ein Wallfahrtslied. Von David.}(Schlachter 2000)

O HERR, mein Herz ist nicht hochmütig,

und meine Augen sind nicht stolz;

ich gehe nicht mit Dingen um,

die mir zu groß und zu wunderbar sind.

Nein, ich habe meine Seele beruhigt und gestillt;

wie ein entwöhntes Kind bei seiner Mutter,

wie ein entwöhntes Kind ist meine Seele still in mir.

Israel, hoffe auf den HERRN von nun an bis in Ewigkeit!

 

Heute werden wir unsere Studien über den Gerichtsprozess Jesu beenden. Wir schauten zuerst auf die drei Phasen des religiösen Prozesses, wo Jesus wegen Gotteslästerung zum Tode verurteilt wurde. Und dann sahen wir uns die ersten beiden Phasen des römischen Prozesses an und nach diesen beiden ersten Phasen wurde Jesus für unschuldig erklärt. Sowohl Pilatus als auch Antipas sagten, dass er keine Gefahr für Rom sei.

Nun kommen wir zu einer dritten Phase des Zivilprozesses, der zweiten Verhandlung vor Pilatus. Wieder werden wir uns zwei Textstellen dazu anschauen müssen, diesmal Matthäus 27 und Johannes 18. Und das sind die beiden einzigen Evangelien die wir vor Augen haben müssen. Ab und zu werde ich auch auf Markus und Lukas Bezug nehmen, aber ihr braucht diese Textstellen dann nicht nachschlagen. Ich werde euch einfach den Inhalt der Verse mitteilen. Was in dieser dritten Phase geschieht ist, dass Pilatus nun etliche Male versucht Jesus freizubekommen. Der erste Versuch ist die Ausstellung einer dritten Unschuldserklärung. Diese dritte Erklärung finden wir in Lukas 23, 13-15. Aber das befriedigt die Menge nicht. Pilatus unternimmt dann einen weiteren Versuch Jesus freizubekommen. Das steht in Johannes 18, 39, wo er den Leuten die Wahl lässt zwischen Jesus und Barabbas. Er nimmt offensichtlich an, dass sie bestimmt Jesus freigelassen haben wollen und nicht Barabbas. In Markus 15, 7 wird uns erzählt, dass Barabbas genau jenes Verbrechens schuldig ist, dessen Jesus angeklagt ist. Er führte kürzlich eine misslungene Revolte gegen Rom an, Menschen wurden getötet, er wurde gefangen genommen und ihn erwartete nun die Todesstrafe. So haben wir hier also zwei Männer, die beide desselben Verbrechens angeklagt sind. Einer davon ist schuldig, der andere nicht. Aber es gibt noch mehr zu diesem Bild. Die Bezeichnung Barabbas war nicht sein eigentlicher Name, weil Barabbas nur ein Titel ist und kein Name. Es ist die Art wie Griechen zwei aramäische Wörter verbinden. Die beiden aramäischen Wörter sind bar und abba, und Barabbas bedeutet wörtlich der Sohn des Vaters. Abba lautete der Name des Vaters, aber es bedeutet eben wörtlich auch der Vater, (somit war der Name des Vaters Vater). Die Evangelien geben uns nicht seinen tatsächlichen Namen, möglicherweise um eine Verwirrung zu vermeiden. Aus anderen Quellen kennen wir seinen wirklichen Namen, sein Name war auch Jeschua oder Jesus. Also, wir haben zwei Männer, die des gleichen Verbrechens beschuldigt werden, und beide haben den gleichen Namen. Einer davon wird auch Jesus Barabbas genannt, Jesus der Sohn des Vaters. Allerdings ist er es nur dem Namen nach und nicht in der Realität, während wir auch den anderen Jesus haben, den wahren Sohn des wahren Vaters, der dieses Verbrechens nicht schuldig ist. So gibt es hier diese kleinen gegenseitigen Anspielungen und Vermischungen.

Pilatus bringt diese beiden Männer hinaus. In Matthäus 27, 19 wird der Prozess durch eine Nachricht von seiner Frau unterbrochen. Sie ließ ihm eine Warnung mitteilen, sich nicht zu sehr mit dieser Sache zu befassen, da sie bezüglich Jesus einen Traum hatte. Diese Unterbrechung des Handlungsverlaufes bereitet den Weg für die Ereignisse in Vers 20. Die obersten Priester und die Ältesten mischen sich rasch unter das Volk, um die Leute davon zu überzeugen, den Barabbas zu erbitten und nicht Jesus, was sie auch tun. Und so schlägt der zweite Versuch von Pilatus, Jesus freizugeben, fehl. Pilatus startet dann einen dritten Versuch. Das findet man in Johannes 19, 1: „Darauf nahm Pilatus Jesus und ließ ihn geißeln.“ Nun, das Evangelium teilt uns keine Einzelheiten über die Geißelung mit, weil die Menschen damals wussten, wie eine römische Geißel aussah. Viele von uns heute machen sich nicht wirklich klar, welche Folgen das mit sich brachte und wissen deshalb diese Art von Leiden nicht zu schätzen, die er noch vor seiner Kreuzigung erlitt. Hebräer 12 sagt uns, dass wir uns oft die Einzelheiten von Christi Leiden anschauen müssen, damit wir erkennen und schätzen, wie viel er für unsere Sünden gelitten hat, so dass wir wahrnehmen können, dass unsere Leiden, wie lang oder schwer sie auch sein mögen, noch gering sind im Vergleich zu dem, was Jesus gelitten hat. Und für ihn war es sogar noch schlimmer, denn er war sündlos.

Es gab zwei Arten der Geißelung im Land, die jüdische und die römische Geißelung. Die jüdische Geißelung bestand aus vierzig Schlägen weniger einem. Und warum vierzig weniger einem? Weil nach dem jüdischen Gesetz niemand häufiger als vierzig Mal gepeitscht werden durfte. Wie wir schon gesehen haben, fürchteten die Pharisäer stets, dass sie ein Gesetz brechen könnten und so sagten sie: Angenommen jemand soll vierzig Mal geschlagen werden, aber die auspeitschende Person verzählt sich und gibt ihm stattdessen 41, dann hat sie das Gesetz gebrochen. Um dies zu vermeiden, hörten sie stets nach 39 Schlägen auf, also 40 weniger einem. Die jüdische Peitsche hatte einen Handgriff mit kurzen Lederriemen. Der einzige Körperteil, der geschlagen wurde, war der Rücken. Das war sehr schmerzhaft, aber es war nicht tödlich; niemand ist je an einer jüdischen Geißelung gestorben. Paulus erzählt uns, dass er die jüdische Geißelung fünfmal über sich ergehen lassen musste.

Aber Jesus erlitt die römische Geißelung, die wesentlich härter ist. Diese hat einen Griff mit sehr langen Lederriemen und am Ende eines jeden Riemens waren Metallstücke, Nägel, Glas oder Knochen befestigt, so dass die Haut des Geschlagenen dabei auf- und abgerissen wurde. Nach einigen wenigen Schlägen waren die Muskeln sichtbar und nach einigen Schlägen mehr oftmals auch die Knochen. Weil die Riemen lang waren, reichten sie um den gesamten Körper herum. Das beinhaltete den Rücken, die Brust und die Seitenflächen, aber auch das Gesicht. Das Gesicht des Menschen wurde dabei vollkommen zerfetzt, zerfleischt, und zwar so sehr, dass ihn selbst seine eigene Familie oft nicht mehr erkannte. Obwohl es viele Bilder über die Leiden Jesu am Kreuz gibt, zeigen sie doch alle ein unversehrtes Gesicht Jesu. Das ist jedoch ein falsches Bild, weil sein Gesicht vollkommen aufgerissen war. Aber damit erfüllt sich eine messianische Prophetie. Jesaja 52, 13-15 sagt, dass sein Angesicht so entstellt war, dass sein Aussehen kaum mehr dem eines Menschen glich. Und das wurde durch diese Geißelung erfüllt. Aber das ist noch nicht alles. In den Versen 2 und 3, nach der Geißelung, geht es weiter.

Die Soldaten kennen seine Behauptung, ein König zu sein und so geben sie vor, ihm ein königliches Gewand umzulegen und machen ihm auch noch eine Dornenkrone. Weil sein Gesicht bereits zerschlagen war, verursachen die Dornen noch mehr Schmerzen und Jesus erleidet eine weitere Verspottung. Pilatus hofft, dass dies ein Vergleich sei, so dass die Leute, wenn sie sehen, wie schlimm er geschlagen ist und blutet, damit zufrieden sein werden. Aber auch das funktioniert nicht. In Johannes 19, 5-6 schreien sie noch immer nach einer Kreuzigung. Pilatus versucht dann zum vierten Mal Jesus freizubekommen und zwar am Ende von Vers 6, wo er sich weigert, das römische Urteil auszusprechen. Da sagt er zu ihnen: „Nehmt ihr ihn hin und kreuzigt ihn! Denn ich finde keine Schuld an ihm.“ Und solange Pilatus das Urteil nicht fällt, kann Jesus nicht sterben. Und vorerst weigert er sich, das Urteil auszusprechen. Daraufhin ändern die Hohenpriester ihre Taktik. Das steht in Vers 7. Sie ändern den Grund ihrer Anschuldigung. Sie kommen auf den tatsächlichen Punkt ihres Ärgers zurück, seine Behauptung der Messias zu sein, der Sohn Gottes. So hat nun Pilatus eine brandneue Anklage. Und nach der Beschuldigung musste im römischen Ablauf nun ein Verhör stattfinden. Als sie ihn zuerst des Hochverrats beschuldigten, verhörte ihn Pilatus mehrmals. Wir haben dies gestern gesehen. Da Pilatus nun eine neue Anklage hat, muss er auch ein neues Verhör durchführen, was er in den Versen 8-11 zu tun versucht. Diesmal beantwortet Jesus keine weitere Frage mehr, weil Pilatus bis jetzt genug Licht empfangen hat, um darauf zu reagieren - richtig zu reagieren.

Aber er reagierte falsch mit seiner sarkastischen Frage: Was ist Wahrheit? Und weil er die Wahrheit, die ihm vorher gegeben wurde, zurückwies, wird ihm auch keine weitere mehr zuteil werden. Und als Pilatus auf eine Antwort drängt, indem er ihm sagt, dass er die Vollmacht besitze ihn freizugeben oder auch zu kreuzigen, erinnert ihn Jesus an zwei Dinge. Erstens, dass alle Staatsgewalt aus dem Himmel stammt. Somit ist Pilatus nur eine Vollmacht übertragen worden und er besitzt sie nicht im absoluten Sinne. Absolute Vollmacht kommt nur aus dem Himmel. Er mag eine endgültige Macht in seinem Gerichtssaal haben, aber selbst diese ist nur eine übertragene Vollmacht. Außerdem sagt Jesus ihm, dass die, welche ihn überliefert haben, einer größeren Sünde schuldig sind. Dann unternimmt Pilatus den fünften Versuch zur Freilassung Jesu, denn in Vers 12 steht, dass er von da an suchte ihn freizugeben. Aber dieser fünfte Versuch gelang ebenso wenig, denn sie antworteten: Wenn du Jesus freilässt, bist du des Kaisers Freund nicht. Aus einem bestimmten Grund schüchtert das Pilatus ein. Beachten wir, was Vers 13 sagt: „Als nun Pilatus dieses Wort hörte, führte er Jesus hinaus und setzte sich auf den Richterstuhl...“. Allein diese Worte zu hören, wenn du diesen freilässt, bist du kein Freund des Kaisers, reichte aus, Pilatus dazu zu bewegen, seinen Sitz auf den Richterstuhl einzunehmen. Vom Richterstuhl aus musste ein Gerichtsurteil gefällt und das Strafmaß ausgewiesen werden.

Die Frage ist: Warum sollte er durch die Aussage der Führer verängstigt sein? Warum sorgt er sich darum, was sie denken? Warum ist er ängstlich, nur weil sie sagen, dass er nicht länger des Kaisers Freund wäre, wenn er Jesus freilässt? Wir wissen aus anderen historischen Quellen, warum ihn dies verängstigte. Pilatus erhielt seine Position durch einen Freund und der Name dieses Freundes war Seianus. Seianus war der Hauptmann der Prätorianergarde. Er und Pilatus waren gute Freunde und Seianus benutzte seinen Einfluss, um Pilatus zu dieser Stellung als Statthalter zu verhelfen. Aber dann spann Seianus eine Verschwörung gegen den Kaiser. Der damalige Kaiser war Tiberius. Das Komplott bestand darin, ein tödliches Attentat auf Tiberius zu begehen, um dann selbst, so hoffte Seianus, Kaiser zu werden. Bevor jedoch Seianus dies erfolgriech in die Tat umsetzen konnte, wurde die Verschwörung aufgedeckt, Seianus und andere Mitverschwörer hingerichtet und nun ermittelte der Senat gegen jeden, der mit Seianus zu tun hatte, um zu erfahren, ob er an der Verschwörung irgendeinen Anteil hatte. Dies schloss auch Pontius Pilatus ein. Und das letzte, was Pilatus nun brauchte, war eine Nachricht an Rom, er hätte jemanden freigelassen, der behauptete ein König zu sein und darum ein Gegner des Kaisers war. Also darum ist er verängstigt genug, um seinen Sitz auf dem Richterstuhl einzunehmen.

Vom Richterstuhl aus macht er seinen sechsten und letzten Versuch Jesus freizugeben. Das finden wir in Vers 14, wo er ihn nach draußen bringt und sagt: „Seht, das ist euer König!“ Aber auch dieser Versuch schlägt fehl. In Vers 15 rufen sie noch immer nach seiner Kreuzigung. Und als Pilatus sie fragt: „Euren König soll ich kreuzigen?“, antworten die Hohenpriester: „Wir haben keinen König, als nur den Kaiser!“. Mit dieser Aussage weisen sie Jesus als den Messias zurück und erkennen stattdessen den Kaiser als ihren König an. Als wir über den Tod Judas sprachen, nahmen wir Bezug auf die Prophetie im Buch Sacharja, Kapitel 11, wo Sacharja die Rolle des Messias als guter Hirte spielte, dem schlussendlich der Gegenwert eines toten Sklaven als Lohn gegeben wurde. Und Gott sagte zu Sacharja, dass er selbst eines Tages für den Wert eines toten Sklaven verkauft würde. Im selben Kapitel weissagt Sacharja noch mehr. Es handelt sich um das Ergebnis dieses 30-Silberlinge-Verrats. In diesem Kapitel sagt er auch voraus, dass sie Gott als König verwerfen würden und jemand anderen als König annehmen werden. Und dieser, den sie anstatt Gott als König annehmen werden, wird sich erheben und sowohl die Nation als auch den Tempel zerstören. Hier gibt es eine weitere Erfüllung. Hier nehmen sie den Kaiser als König an und dieser wird eines Tages den Tempel zerstören. Dies wird 40 Jahre später geschehen und, wie wir bereits im vorhergehenden Studium gesehen haben, ist dies das Ergebnis der unvergebbaren Sünde.

Nun gehen wir wieder zum Matthäusevangelium zurück. In Vers 24 lässt sich Pilatus eine Schüssel Wasser bringen und wäscht seine Hände darin. Auf diese Weise meint er unschuldig zu bleiben. Auf meinen Reisen passiert es mir häufig, dass die Leute mir immer noch erzählen, dass nur die Juden am Tod Jesu schuldig seien und Pilatus keine Verantwortung dafür trägt, da er seine Hände (in Unschuld) gewaschen hatte. Aber dieses Händewaschen machte ihn nicht unschuldig. Von der menschlichen Seite aus betrachtet, lag die endgültige Entscheidung über Jesu Leben oder Tod bei Pilatus. In seinem Gerichtssaal war er die maßgebliche Autorität. Bevor er nicht seine Zustimmung gab, konnte Jesus nicht sterben. Also lediglich seine Hände zu waschen befreite ihn nicht von seiner Schuld. Das Neue Testament spricht Pilatus nicht frei. Petrus listet in einer seiner Predigten etliche Leute auf, die für den Tod Jesu verantwortlich sind. Und unter denen, welche er namentlich benennt, ist auch Pontius Pilatus. Wir sagen nicht, dass die Juden am Tod des Messias unschuldig sind. Aber wir sollten uns erinnern, dass die Bibel die Verantwortung ebenso auf die Heiden legt. Als nun Petrus Pilatus namentlich erwähnt hat, erwähnt er auch die Menschen aus Israel, und dann sagt er zusammen mit den Heiden. Beide sind verantwortlich für seinen Tod. Und lediglich auf sein Händewaschen zu hinzuweisen, macht ihn noch nicht rein.

Dann gibt Pilatus eine fünfte Unschuldserklärung ab. Von seinen fünf Feststellungen der Unschuld Jesu war dies die bedeutsamste, weil diese vom Richterstuhl aus gemacht wurde. Aber das Volk reagiert darauf, wie uns in Matthäus 27, 25 berichtet wird, mit folgenden Worten: „Sein Blut komme über uns und unsere Kinder.“ So nehmen sie den Fluch seines Blutes auf sich. Aber er ist begrenzt auf sie und ihre Kinder. Er geht nicht weiter. Es wurde nicht gesagt zu unseren Kindeskindern und sie sagten nicht, auf der vierten oder fünften Generation sei der Fluch. Sie begrenzten es auf sich selbst und auf ihre Kinder, und dies wieder im Einklang mit der unvergebbaren Sünde für diese Generation. Später, als Jesus den Weg der Kreuzigung ging, und einige Frauen aus Jerusalem hinter ihm her weinten, sagt er zu ihnen: „Weint nicht um mich, weint um euch selber und um eure Kinder.“ Dann sagt er die kommende Zerstörung Jerusalems voraus, wie auch schon vorher, die im Jahre 70 nach Christus ihre Erfüllung fand. Im Jahr 70 nach Christus fiel ihr Fluch also auf sie und ihre Kinder. Und noch einmal, dies war das äußerliche (materielle) Gericht für die unvergebbare Sünde.

Pilatus schreitet dann voran und spricht über Jesus das Todesurteil aus. Dies finden wir in Lukas 23, 24. Es ist allein sein Todesurteil, das Jesus tatsächlich und rechtsverbindlich zu Tode bringt. Jesus stirbt nach römischem, nicht jüdischem, Recht und seine tatsächliche Hinrichtung geschah durch römische, nicht jüdische, Hände. Also, ich reise sehr oft und treffe dabei auf Leute, die keine Juden mögen. Und manchmal sagen sie mir dann: Ihr Juden habt Jesus getötet. Da diese Menschen es nicht mögen, wenn man vernünftig mit ihnen darüber redet, erzähle ich ihnen dann einfach, dass es die Italiener waren, die Jesus getötet haben. Die Heilige Schrift behandelt, im Zusammenhang mit der Schuld Israels, nicht so sehr die Frage, wer Jesus getötet hat. Wie auch immer, Jesus musste sterben, weil Versöhnung nur durch Blut  geschieht. Selbst wenn Israel Jesus als ihren Messias angenommen hätte, hätte er doch immer noch sterben müssen. Die Leute gingen davon aus, dass Jesus nur deshalb starb, weil er abgelehnt wurde. Aber das stimmt nicht, weil ein Teil seines Auftrages die Versöhnung war und diese geschieht allein durch das Vergießen von Blut.

Lasst uns einmal annehmen, Israel hätte ihn als ihren messianischen König angenommen. Was wäre geschehen? Israel hätte ihn zum König der Juden ausgerufen, Rom hätte das natürlich als eine Bedrohung angesehen, er wäre verhaftet und vor ein römisches Gericht gestellt worden, wie es auch geschah, er wäre durch das römische Gericht verurteilt worden, wie es auch geschah, und dann durch die römische Behörde hingerichtet worden, wie es auch geschah. Dieser Teil der Geschichte hätte sich überhaupt nicht verändert. Jesus würde so oder so sterben. Aber  was sich geändert hätte ist, was danach folgt. Wenn er am dritten Tag auferstanden wäre, hätte er  Rom aus dem Weg geräumt und sein messianisches Königreich aufgerichtet. Durch Israels Ablehnung ihm gegenüber  hat sich dies geändert. Er würde sein Königreich nun nicht in ihrer Zeit aufrichten. Stattdessen geht er nach seiner Auferstehung schließlich in den Himmel und dort wartet er, bis Israel ihn anruft und darum bittet zurückzukommen.

Die Bibel sieht Israels Schuld nicht so sehr darin, dass sie ihn getötet haben, sondern viel mehr darin, dass sie seine Messianität abgelehnt haben, indem sie behaupteten, er sei von einem Dämon besessen. Bis Israel diese Sünde nicht bekannt und ihren Messias um seine Wiederkunft gebeten hat, solange wird er auch nicht zurück kommen. Bei unseren letzten Studien vor vier Jahren, schauten wir uns etliche Schriftstellen an, die klar aufzeigen, dass Israel zwei Dinge tun muss, bevor der Messias zurückkehren wird. Erstens müssen sie ihre Sünde, dass sie ihn zurückgewiesen haben, bekennen und zweitens um seine Wiederkunft bitten. Ich bedauere es, dass wir keine Zeit haben werden, über seinen Tod und seine Auferstehung zu sprechen. Beide haben sehr stark mit dem jüdischen Hintergrund zu tun. Ich habe jetzt in diesen beiden Teilen - der Konflikt mit den Pharisäern und der Gerichtsprozess – versucht aufzeigen, dass, wenn wir den jüdischen Bezugsrahmen verstehen, wir auch besser begreifen, was die Bibelautoren aussagen wollten.

Nun, lasst mich noch ein weiteres Beispiel nennen, nur in Kürze. Geht zu Markus 9, 17-29. Da gibt es eine Geschichte von einem Dämon und diese geschieht, kurz nachdem Jesus verklärt worden ist. Er ging mit drei seiner Apostel auf den Berg, die anderen wurden unten im Dorf zurückgelassen. Und als sie wieder vom Berg herunter kamen und auf die anderen neun Apostel trafen, fanden sie sie in einem Streit mit den Schriftgelehrten vor. Also irgendwie hatten die Schriftgelehrten diesen Streit angezettelt. Die Problematik bestand darin, dass die Jünger versucht hatten einen Dämon auszutreiben, es aber nicht konnten. Und weil sie es nicht vermochten, sagten die Schriftgelehrten, dass Jesus somit auch nicht der Messias sein könne. So warf in gewisser Weise ihre Unfähigkeit, den Dämon auszutreiben, ein schlechtes Licht auf die Messianität Jesu. Jesus trifft am Ort dieses Schauspiels ein und er treibt den Dämon aus. Nun, in Vers 28 wird gesagt, dass die Jünger ihn unter vier Augen fragten, als er ins Haus trat, warum sie ihn nicht austreiben konnten. Für sie war das eine logische und zweckmäßige Frage. Sie hatten vorher schon viele Dämonen ausgetrieben, so lesen wir. Sie hatten vorher keine Schwierigkeiten damit. Plötzlich können sie es aber nicht tun. Und warum ist das so?

Jesus beantwortet dies in Vers 29: „Diese Art kann durch nichts ausfahren, als durch Gebet und Fasten.“ Gewöhnlich wird uns über diesen Vers nur erzählt, wir sollten mehr beten. Das stimmt auch, aber das ist nicht alles, was er zu sagen hat. Sie übersehen dabei den Ausdruck: diese Art. Es gab also etwas an dieser Art von Dämonen, dass sie sie nur durch Gebet austreiben konnten. Normalerweise konnten sie zu einem Besessenen gehen und der Name Jesu trieb diesen Dämon aus. So haben sie es immer gemacht. Als sie es aber bei diesem versuchten, funktionierte es nicht. Jesus sagte ihnen, dass diese Art Dämon nicht in seinem Namen ausgetrieben werden könne, sie könnten nur Gott darum bitten dies zu tun. Nun, die Frage ist, welche Art Dämon war dies? Vers 17 erzählt uns, dass es ein stummer, ein sprachloser Dämon war. Wie wir schon gelernt haben, war die Austreibung eines stummen Dämons eines der messianischen Wunder. Wir sahen schon, dass die Pharisäer alle Arten von Dämonen austreiben konnten, aber nicht diese Art. Dieses würde nur der Messias tun können, so lehrten die Pharisäer. Und genau dies bestätigt Jesus hier. Die stummen Dämonen waren anders. Und mit ihnen musste anders verfahren werden, auch durch Gläubige. Andere Dämonen kann man in Jesu Namen durch Befehl austreiben, aber bei einem stummen Dämon kann man nur Gott im Gebet anrufen und ihn bitten, dies zu tun. Und solche kleinen Begebenheiten wie diese ziehen sich durch die ganzen vier Evangelien hindurch. Wenn wir den jüdischen Hintergrund verstehen, beginnt all dies einen Sinn zu ergeben.

Nun schlagen wir unsere Bibel in Sacharja 4 auf. Wir erwähnten bereits in unserer Betrachtung über Jesus in seinem Konflikt mit den Pharisäern, dass, sobald Jesus abgelehnt und die unvergebbare Sünde begangen war, er seinen Dienst in vier Bereichen radikal veränderte. Einer davon betrifft seine Zeichen. Er sagte, dass es für die Nation kein weiteres Zeichen mehr geben werde, als nur noch das Zeichen des Jona, das Zeichen der Auferstehung. Und dieses Zeichen würde Israel dreimal gegeben werden. Das erste war die Auferstehung des Lazarus, welches durch den Sanhedrin zurückgewiesen wurde (Johannes 11). Dann kam die Auferstehung Jesu, das zweite Zeichen des Jona, das ebenso vom Hohen Rat zurückgewiesen wurde (Apostelgeschichte 7). Nun, es gibt noch ein drittes Zeichen des Jona.

Das wird in Sacharja 4, 1-10 beschrieben. Sacharja hat eine Vision, wovon er einen Teil versteht und einen anderen nicht. Er sieht den siebenarmigen Leuchter, sowie die Mauern des Tempels wieder aufgebaut. Dies waren im Alten Testament die Sinnbilder für Israel. An jeder Seite der Menorah (des Leuchters) befindet sich ein Olivenbaum. Oben auf dem Leuchter ist ein Behälter und an beiden Olivenbäumen gibt es ein Rohr, durch welches Öl in den Behälter ausgeleert wird. Von dem Behälter zu jeder einzelnen Lampe gibt es sieben kleinere Rohre, ich meine sieben zu jeder von ihnen, also zusammen 49. Es gibt nur eine gemeinsame Sache in der gesamten Vision und das ist das Olivenöl. Es beginnt mit der Quelle, den Olivenbäumen. Das Öl fließt dann durch die zwei größeren Rohre in den Behälter hinein, von da in die 49 kleineren Rohre und bringt so beständig Öl zu den sieben Lampen. Also durch die ganze Vision hindurch ist das Öl die eine Sache. Öl ist das allgemeine Sinnbild für den Heiligen Geist. Vers 6 sagt uns: „Nicht durch Macht und nicht durch Kraft, sondern durch meinen Geist, spricht der HERR der Heerscharen.“

In dieser Vision sieht er Israel als eine gerettete Nation, vollkommen erfüllt mit dem Heiligen Geist, endlich ihrer Berufung aus 2. Mose 19 folgend, ein Licht für die Heiden zu sein. Nun, die meisten der Grundbegriffe aus seiner Vision versteht Sacharja bereits, weil dies alles schon früher geoffenbart wurde, aber eine Sache daran ist neu und noch nie geoffenbart worden. Diese versteht er nicht und das sind die beiden Olivenbäume. Das ist ein vollkommen neues Element in der Prophetie des Alten Testaments. Irgendwie sind sie die Quelle des Öls oder einfach des Geistes und dieser Geist führt zur nationalen Errettung Israels. So fragt Sacharja in den Versen 11-13, was diese Ölivenbäume darstellen. Im wird darauf eine ganz schlichte Antwort in Vers 14 gegeben. Alles was ihm gesagt wird ist: „Das sind die beiden Söhne des Lichts, die vor dem Herrscher der ganzen Erde stehen.“ Nichts weiter wird ihm über die Olivenbäume mitgeteilt. Sie stellen zwei Gesalbte dar, sie werden nicht mit Namen benannt, aber irgendwie sind sie die Quelle der nationalen Errettung Israels. Wenn dies alles wäre, was wir haben, so könnte ich euch gar nichts weiter darüber erzählen, als was ich bereits gesagt habe.

Nun geht einmal zu Offenbarung 11. In den Versen 3-13 ist der Bericht über die zwei Zeugen, die einen besonderen Auftrag haben, der auf die Stadt Jerusalem beschränkt ist. Während die 144000 Juden ein Amt bekleiden, welches die ganze Welt umfasst, ist ihr Dienst auf eine Stadt beschränkt, nämlich Jerusalem. In diesen Versen wird uns auch gesagt, dass ihr Dienst dreieinhalb Jahre dauern wird, und zwar die ersten dreieinhalb Jahre der großen Drangsalszeit. Nun, in Vers 4 identifiziert er sie als die beiden Olivenbäume. Aber was für zwei Olivenbäume? In den ersten zehn Kapiteln der Offenbarung sind überhaupt keine Olivenbäume erwähnt. Aber Johannes sagt sehr präzise: Dies sind die zwei Olivenbäume. Die einzige Stelle, die in der Bibel die zwei Ölbäume noch erwähnt, ist diese hier in Sacharja 4. Also entsprechen die zwei Ölbäume aus Sacharja den zwei Zeugen aus Offenbarung 11. Aber wie sind sie die Quelle der Errettung Israels? Noch einmal: Sie haben einen 3, 5-jährigen Auftrag. Während dieser gewährten Zeit des Dienstes können sie nicht getötet werden. Versuche dazu werden unternommen werden, aber sie werden alle fehlschlagen. Wenn aber ihre 3, 5-jährige Dienstzeit vorbei ist, wird Gott es zulassen, dass sie vom Antichristen getötet werden. Dreieinhalb Tage werden ihre Körper auf der Straße liegen, ohne dass sie beerdigt werden. Jedermann ist glücklich darüber, dass sie tot sind. Es wird uns hier erzählt, dass sie sich vor lauter Freude sogar Geschenkte senden werden. Nachdem sie diese dreieinhalb Tage tot sind werden sie auferweckt und in den Himmel hinaufgeholt.

Die Auferstehung und Himmelfahrt der zwei Zeugen hat vier Resultate zur Folge, alle in Vers 13 erwähnt. Zuerst trifft ein Erdbeben die Stadt, zweitens wird dadurch ein Zehntel der Stadt zerstört und drittens werden dabei 7000 Menschen getötet. Aber dann wird am Ende des Verses gesagt: „Und die übrigen wurden voll Furcht und gaben dem Gott des Himmels die Ehre.“ Die Auferstehung und Himmelfahrt der zwei Zeugen führt also viertens zu der Rettung der Juden in Jerusalem in der Mitte der Trübsalzeit. Das startet einen Prozess der dreieinhalb Jahre später, am Ende der großen Trübsal, genauer in den letzten drei Tagen der großen Trübsal, zur vollkommenen Errettung des israelitischen Überrestes führt. Sie werden den Messias anflehen zu kommen und dann kommen seine Wiederkunft und auch sein Königreich. Während sie also sowohl das erste, als auch das zweite Zeichen des Jona zurückwiesen, werden sie doch eines Tages das dritte Zeichen des Jona annehmen, das die Wiederkunft und das Königreich des Christus mit sich bringen wird. So wird die Geschichte des Lebens Jesu nun am Ende eine freudvollere sein.