Menno Simons - der linke Flügel der Reformation

 

 

Wer heute von der Reformation spricht, denkt meistens an die großen Reformatoren Luther, Zwingli und Calvin und an die aus ihrem Werk hervorgegangenen Kirchen, die lutherischen und die reformierten Kirchen. Für die Arbeit dieser Männer wollen wir dem Herrn dankbar sein! Was aber oft vergessen wird, ist, dass es neben ihnen noch andere gab, die es ebenso verdient hätten, in die Reihe der Großen eingereiht zu werden, die aber in der Vergangenheit - und oftmals heute noch - verachtet wurden. Man hat manchmal den Eindruck, Luther würde bei manchem Gläubigen im deutschen Sprachraum fast im Range eines Papstes stehen. Eine so stark herausgehobene Position steht ihm meines Erachtens aber nicht zu. Immerhin muss auch sein Werk an der Heiligen Schrift gemessen werden.

Um dem vorhandenen Ungleichgewicht entgegen zu wirken, wollen wir Leben und Werk eines anderen Großen im Reich Gottes betrachten und daraus einige Lektionen für uns selbst lernen. Es soll uns um Menno Simons gehen. Auch dessen Werk sollte bei uns in Ehren gehalten werden, denn auch er zählt zu den Menschen, von denen Daniel 12, 3 sagt: „Und die da lehren, werden leuchten wie des Himmels Glanz, und die viele zur Gerechtigkeit weisen, wie die Sterne immer und ewiglich.“

Im Zuge der Reformation des 16. Jahrhunderts verschaffte sich eine Bewegung Raum, die man allgemein als den linken Flügel der Reformation oder auch die dritte Reformation bezeichnet. Kennzeichen dieser Bewegung ist in erster Linie, dass man die Säuglingstaufe ablehnt und die Glaubenstaufe befürwortet. Aus diesem Grund wurden die Anhänger dieser Bewegung auch fälschlicherweise und abwertend Anabaptisten oder Wiedertäufer genannt.

Neben den radikalen und schwärmerischen Täufern gab es auch die friedliche Bewegung, die sich durch ernsthaftes Bibelstudium, Gebet, Liebesdienst und die Nachfolge Jesu Christi auszeichnete. Die bedeutendste Person dieser letzten Gruppierung war wohl Menno Simons, auf den die heute in der ganzen Welt weit verbreiteten Mennoniten zurückgehen. Nach Kriegsende zählten sie 1949 weltweit 400.000 Glieder.

 

1. Menno Simons Leben

a) Von seiner Geburt bis zu seiner Bekehrung

 

Über Mennos Familienhintergrund und seine Geburt ist nicht allzu viel bekannt. Er wurde um das Jahr 1492 oder 1496 in Witmarsum in Friesland geboren, also noch bevor Martin Luther mit seinem Thesenanschlag an die Schlosskirche zu Wittenberg am 31. Oktober 1517 die Reformation einleitete. Mennos Vater war ein Mann namens Simon. Nach holländischer Sitte nannte Simon seinen Sohn Menno Simonsz. Der letzte Name bedeutet so viel wie „Sohn des Simon“. Deshalb trägt Menno bis heute den Namen Menno Simons.

Über seine Jugendjahre wissen wir ebenfalls nicht viel. Seine Eltern waren wohl überzeugte Katholiken, die gerne wollten, dass aus ihrem Sohn einmal etwas wird. Deshalb gaben sie ihm eine Ausbildung, die ihm für die Zukunft einen glänzenden Weg eröffnete. Menno studierte Theologie. Als Student der römisch-katholischen Theologie lernte er lateinisch und die Kirchenväter und studierte die Kirchengeschichte, bekam aber keine rechte Ausbildung in der Heiligen Schrift. Als er im Jahre 1524 zum Priester geweiht wurde und seine erste Stelle in Pingjum im Holsteinischen antrat, hatte er noch nie in der Bibel gelesen. Die Heilige Schrift war ihm ein völlig fremdes Buch. Bis zu diesem Zeitpunkt war er ein überzeugter Katholik, der sich nicht im geringsten träumen ließ, dass er einmal einer reformatorischen Bewegung beitreten würde. Es waren drei Ereignisse, die den Lauf seines Lebens dann entscheidend änderten.


 

Zweifel an der Lehre von der Transsubstantiation

 

„Im ersten Jahr seiner Priesterschaft kam ihm plötzlich, während er die Messe zelebrierte, der Gedanke, dass die Lehre von der Transsubstantiation (der Verwandlung von Brot und Wein in Leib und Blut Christi) vielleicht nicht wahr sei. Menno war über diesen Angriff des Teufels - so deutete er diesen Gedanken - tief erschrocken und versuchte, ihn aus seinem Denken zu verbannen“ (John C. Wenger, Die dritte Reformation. Kassel: J. G. Oncken Verlag, 1963, S.43-44).

Er konnte aber diesen Gedanken nicht mehr los werden. Es war der Heilige Geist, der begann, sein Leben in Beschlag zu nehmen. Erschüttert und verunsichert suchte Menno Hilfe bei seinem Beichtvater und seinen Oberen. Sie wurde ihm aber nicht zuteil, und so wurde er mit dem allein gelassen, was er von Kindesbeinen an gelernt hatte und was das Konzil von Trient 1551 dann so formuliert hat (es hat bis heute in der katholischen Kirche Gültigkeit!): „Durch die Weihe von Brot und Wein vollzieht sich die Wandlung der ganzen Brotsubstanz in die Substanz des Leibes Christi, unseres Herrn, und der ganzen Weinsubstanz in die Substanz seines Blutes. Wer leugnet, dass im Sakrament der heiligsten Eucharistie wahrhaft, wirklich und wesentlich der Leib und das Blut zugleich mit der Seele und mit der Gottheit unseres Herrn Jesus Christus und folglich der ganze Christus enthalten ist, und behauptet, er sei in ihm nur wie im Zeichen, im Bild oder in der Wirksamkeit, der sei ausgeschlossen“ (zitiert bei Wolfgang Bühne, Ich bin auch katholisch. Die Heilige Schrift und die Dogmen der Kirche. Bielefeld: Christliche Literatur-Verbreitung e. V., Postfach 110135, 4. überarbeitete Aufl. 1992, S.71).

An einem Tiefpunkt angelangt und voller Verzweiflung griff Menno zu einem Neuen Testament und begann, darin zu lesen. Zu seinem Erstaunen stellte er fest, dass das Neue Testament die römisch-katholische Sakramentsauffassung nicht zu unterstützen schien. Daraufhin suchte er Rat in den Schriften Martin Luthers. 1528 kam er aufgrund Luthers Schriften zu der Überzeugung, dass die Verwerfung einer Lehre, die nicht in der Schrift gründet, den ewigen Tod nicht zur Folge hat.

 

Erste wichtige Lektion für uns heute

 

Die römisch-katholische Kirche schließt diejenigen aus, die gemäß dem Zeugnis der Heiligen Schrift glauben, dass sich die Elemente Brot und Wein bei der Feier des Abendmahls nicht in Fleisch und Blut Christi verwandeln. 1. Korinther 11, 24 bezeugt, dass es sich beim biblischen Abendmahl um ein Gedächtnismahl und nicht, wie nach katholischer Lehre, um eine Opferfeier handelt. Nachdem unser Herr Jesus Christus das Abendmahl feierlich eingesetzt hatte, spricht er durch die Feder des Apostels Paulus immer noch von „diesem Brot“ und von „dem Kelch“ (1. Korinther11, 26-27).

Wer heute meint, sich der Ökumene anschließen zu sollen, der muss wissen, dass er damit seinen Herrn verrät! Er wird im Fall einer Wiedervereinigung der Kirchen nicht mehr am biblischen Abendmahl teilnehmen, sondern an einer katholischen Opferfeier. Er wird die angeblich in den Leib Christi verwandelte Hostie anbeten müssen: „So bleibt kein Zweifel, dass alle Christgläubigen nach der Weise, wie sie stets in der katholischen Kirche geübt wurde, diesem heiligsten Sakrament bei der Verehrung die Huldigung der Anbetung erweisen sollen, die man dem wahren Gott schuldet“ (Ibid., S.72). Wer aber ein Stück Brot anbetet, treibt Götzendienst! Und Götzendienst ist eine der schlimmsten Sünden, die ein Mensch begehen kann. „Darum, meine Lieben, flieht den Götzendienst“ (1. Korinther10, 14). „Lasst euch nicht irreführen! Weder Unzüchtige noch Götzendiener... werden das Reich Gottes ererben“ (1. Korinther6, 9-10). Deshalb: Hände weg von der katholischen Messfeier! Hände weg von der Ökumene!


 

Die Hinrichtung Sikke Freerks Snijders

 

Das Jahr 1531 brachte das nächste Ereignis, das Menno Simons in seinem Herzen zutiefst erschütterte. Es kam ihm zu Ohren, dass ein Mann namens Sikke Freerks Snijder, der sich hatte „wiedertaufen“ lassen, hingerichtet wurde. Nie zuvor in seinem Leben hatte Menno etwas von einer zweiten Taufe gehört. Der Verdacht kam bei ihm auf, dass die katholische Lehre von der Taufe genau so falsch sein könnte, wie er es bei der Kommunion festgestellt hatte. Wieder zog er das Neue Testament und die Schriften der Reformatoren zu Rate, fand jedoch keine befriedigende Antwort, warum Kinder getauft werden. Als römischer Priester vollzog er immer noch die Säuglingstaufe, hörte Beichte und zelebrierte die Messe. Wir haben hier einen Mann vor uns, der auf der Suche nach der Wahrheit war. Seine Suche sollte nicht vergebens sein!

 

Der Tod von Mennos Bruder

 

„Im Jahre 1535 wurde sein eigener Bruder in den niederländischen Wirbel revolutionären Täufertums hineingerissen und verlor sein Leben im Kampf gegen die Obrigkeit. Sein Tod bewegte Menno sehr! Sein armer, verführter Bruder war Manns genug, für das zu sterben, was er als die Wahrheit ansah, während Menno die Wahrheit kannte und ihr nicht folgte! Da gab ein im Gewissen bedrängter Priester vor Gott in tiefer und ernsthafter Buße seinen Widerstand auf“ (Wenger, op. cit., S.44). Menno beugte sich vor Christus, bekannte seine Sünden und übergab sein Leben ganz dem Herrn. Sofort erhielt er die Gewissheit, dass seine Sünden vergeben sind und dass sein Leben von allem Unrat gereinigt und geheiligt war.

Wie es scheint, hielt er dann noch neun Monate seine Stellung als Priester in der Hoffnung inne, seine Gemeinde zu derselben Erfahrung zu führen, die er gemacht hatte. Der Versuch, seine Gemeinde zu reformieren, schlug fehl. Es kam der 30. Januar 1536, ein Sonntag. Öffentlich verwarf Menno in Witmarsum den römisch-katholischen Glauben, legte sein Amt als römischer Priester nieder und schloss sich dem friedlichen Flügel der Täuferbewegung an.

 

Zweite wichtige Lektion für uns heute

 

Man kann ein Kirchensystem, in dem man Säuglingen ein wenig Wasser über den Kopf gießt und ihnen als Heranwachsenden, besonders im Gefolge von Konfirmation und Firmung, einredet, sie seien Christen, nicht reformieren. Die unzähligen Namenschristen, die nie eine Bekehrung und Wiedergeburt erlebt haben, werden sich bis auf wenige nicht zu Christus führen lassen. Wer das Gegenteil meint, lebt an der biblischen Realität vorbei. Matthäus 7, 14 weist eindringlich darauf hin: „Wie eng ist die Pforte und wie schmal der Weg, der zum Leben führt, und wenige sind’s, die ihn finden.“ Es ist niemals die Masse!

Die Eingangspforte in die biblische Gemeinde ist gemäß Apostelgeschichte 2, 38 immer die Buße und Bekehrung zu Jesus Christus und niemals eine sakrale Handlung, auch wenn sie gut gemeint ist. Demzufolge sind die „getauften Heiden“ überhaupt keine Christen im Sinne der Heiligen Schrift, und demzufolge sind auch die Großkirchen nicht Kirche bzw. Gemeinde im biblischen Sinn. Sie zu verlassen, wie Menno Simons es z. B. nach seiner Bekehrung tat, kann deshalb auch nicht Sünde sein.

Es wird in diesem Zusammenhang immer wieder auf das Gleichnis vom Unkraut zwischen dem Weizen hingewiesen (vgl. Matthäus 13, 24-30). Mit ihm meint man eine Begründung in der Hand zu haben, um in einem unbiblischen Kirchensystem zu verharren, schließlich sagt Jesus doch, man solle Saat und Unkraut bis zur Ernte miteinander wachsen lassen und darauf warten, bis er selbst die Sichtung vornimmt (vgl. Matthäus 13, 30). Dabei übersieht man aber, dass die biblische, aus Wiedergeborenen bestehende, Gemeinde zwar ein Feld ist, auf dem das Unkraut tatsächlich zwischen dem Weizen steht, die Großkirchen aber ein Feld sind, auf dem der Weizen zwischen dem Unkraut steht. Das ist nicht das Gleiche! Das Gleichnis vom Unkraut unter dem Weizen entbindet uns nicht von der Verantwortung, Gemeinden nach dem Vorbild und der Lehre des Neuen Testamentes zu bauen!

Es gibt auch der Gemeinschaftsbewegung nicht die Legitimation in die Hand, sich von dem Kuchen der gesamten biblischen Lehre die beiden Stücke „Gemeinschaftspflege und Evangelisation“ herauszuschneiden und den Rest nicht zu beachten bzw. einfach anderen zu überlassen, zumal noch kirchlichen Amtsträgern, die weithin nicht wiedergeboren sind. Der Gemeinschaftsbewegung gilt in Bezug auf den Gemeindebau in der Anwendung auch, was Gott einst zu Mose sagte: „Genau nach dem Bild, das ich dir von der Wohnung und ihrem ganzen Gerät zeige, sollt ihr’s machen“ (2. Mose 25, 9). Wie hätte wohl die Stiftshütte ausgesehen, wenn Israel nur einen Teil der Anweisungen Gottes ausgeführt und sich dann auf den Anspruch zurückgezogen hätte: „Dies ist unser Auftrag und unsere Berufung! Der Kurs von gestern ist auch der Kurs von morgen. Wir haben vom Herrn keine andere Platzanweisung?“

 

b) Von Mennos Bekehrung bis an sein Lebensende

 

Der friedliche Flügel der Täuferbewegung wurde zur Zeit Mennos von dem frommen und gewaltigen Obbe Philips geführt. Menno wurde von Obbe Philips getauft und 1537 in der niederländischen Provinz Groningen zum Ältesten ernannt. Mit diesem Schritt entschloss sich Menno zu einem harten Leben, wusste er doch, dass die Täufer überall verfolgt und getötet wurden. Die Liebe zur Wahrheit galt ihm aber mehr als sein eigenes Leben.

Wie Martin Luther heiratete auch er bald nach seiner Bekehrung. Seine Frau hieß Gertrud. Die beiden hatten eine ganze Anzahl Kinder. Ihr Jan scheint schon jung gestorben zu sein. Aus Mennos Schriften wissen wir auch etwas über seine Töchter, über die er 1558 schreibt. Eine von ihnen wurde die Schwiegermutter von Pieter Jans Twisck, dem Martyrologen. 20 Jahre lang waren Menno und Gertrud verheiratet, bis der Tod sie von ihm riss.

Seit seiner Bekehrung entfaltete Menno eine rege Predigttätigkeit, die meistens in der Nacht stattfand. Die Versammlungen mussten heimlich abgehalten werden, da die Täufer ständig verfolgt wurden und eine offene, freie Predigttätigkeit oft nicht möglich war. Zunächst scheint Menno sieben Jahre in Holland gearbeitet zu haben. Danach wechselte er sein Arbeitsfeld und begab sich nach Norddeutschland, besonders ins Rheinland. Von 1546 an finden wir ihn wieder in Holstein. Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte er in Wüstenfelde, das zwischen Hamburg und Lübeck liegt. „25 Jahre lang wirkte er unter unbeschreiblichen Mühen und mit unermüdlicher Geduld durch Wort und Schrift in Norddeutschland, Friesland, Livland. Er wollte eine Gemeinde haben, die rein und untadelig sei und unanstößig vor denen, die draußen sind. ‚Eine Gemeinde ohne Bann’, sagte er, ‚die sei wie eine Stadt ohne Mauern, wie ein Acker ohne Graben und Zaun, wie ein Haus ohne Wand und Türen’“ (Friedrich Oehninger, Geschichte des Christentums. Emmishofen, Konstanz, New York: Verlag von Carl Hirsch, 3.Aufl. 1897, S.318).

Im Januar 1561 wurde Menno ernsthaft krank. Als der 25. Jahrestag seiner Abkehr von der römisch-katholischen Kirche kam, erhob er sich noch einmal von seinem Krankenlager und ermahnte die um ihn Versammelten. Am Tag darauf, dem 31. Januar 1561, ging er heim zu seinem Herrn, dem er so lange hatte dienen dürfen. Es nimmt heute fast wunder, dass Menno angesichts der ständigen Verfolgungen der Täufer, sowohl seitens der Katholiken als auch seitens der Lutheraner und Reformierten, eines natürlichen Todes gestorben ist. Durch seinen Dienst wurde er zu einem der wichtigsten Führer des Täufertums. Deshalb wurden seine Glaubensgenossen später auch Mennoniten genannt. Diesen Namen tragen sie bis auf den heutigen Tag. „Der stille, fromme Sinn der Mennoniten verschaffte ihnen schon 1572 in Holland, später auch in Deutschland (Hamburg, Emden, Danzig, Elbing, Pfalz) sowie in der Schweiz Duldung und religiöse Freiheit... Eine vollständige Sammlung Mennos in niederdeutscher (plattdeutscher) Mundart geschriebenen, jedoch ins Holländische übersetzten, Werke erschien 1646 zu Amsterdam“ (Johann Heinrich Kurtz, Kirchengeschichte für Studierende. Leipzig: August Neumann’s Verlag, 1890, S.166).

 

2. Mennos Lehre

a) Die Gläubigentaufe

 

Menno Simons war nicht der Gründer der Täuferbewegung. Als er sich bekehrte, schloss er sich dieser Bewegung lediglich an. Die Täuferbewegung hatte bereits eine Lehrmeinung, die auch Menno übernahm. Radikale Elemente schied er jedoch aus und prägte damit entscheidend den friedlichen Flügel der Bewegung. Sein Einfluss ist nicht verkennbar. Eine ausführliche Darlegung der täuferischen Dogmatik würde den Rahmen dieser Abhandlung sprengen. Deshalb wollen wir nur auf die wichtigsten Punkte eingehen.

Wie bereits weiter oben ausgeführt, kamen Menno im Jahre 1531 Zweifel daran, ob die Säuglingstaufe richtig ist. In den Schriften der Reformatoren fand er keine ausreichenden Gründe, die die Säuglingstaufe rechtfertigten. Durch eifriges Lesen der Heiligen Schrift kam er zu der Überzeugung, dass die Gläubigentaufe die im Neuen Testament gebotene Taufe sei. So begann Menno, im Laufe der Jahre eine rege schriftstellerische Tätigkeit zu entfalten, um den Gläubigen etwas an die Hand zu geben, woraus sie lernen konnten, was und warum sie etwas glaubten und um den Glauben der Täufer nach außen zu verteidigen. In den Jahren 1539 bis 1540 erschien Mennos wichtigstes Buch: sein Fundament der christlichen Lehre, das kurz Fundamentbuch genannt wird. Der ersten Ausgabe folgte 1554 eine plattdeutsche Bearbeitung, 1558 eine veränderte holländische Ausgabe. Für die Täufer in Süddeutschland und der Schweiz erschien das Buch in hochdeutscher Übersetzung zum ersten Mal 1575. Dieses Buch wurde später in die gesammelten Werke Menno Simons aufgenommen.

In dem Abschnitt über die Taufe zieht Menno zwei Ereignisse aus dem Alten Testament als Illustration heran: Der Durchzug durch das Rote Meer (2. Mose 14, 15-22) und die eherne Schlange (4. Mose 21, 4-9). Es war nicht der Stab Moses, der das Rote Meer teilte, es war das feste Vertrauen in Gottes Macht. Es war nicht die eherne Schlange, die rettete, sondern der Glaube an Gottes Verheißung. Ebenso, so argumentierte Menno, bewirkt die Taufe nichts. „Wir sind durch Gott allein versichert durch das einzige Zeichen seiner göttlichen Gnade und ewigen Friedens, nämlich Christus Jesus. Die Besiegelung in unserem Gewissen ist der Heilige Geist, aber die Taufe ist ein Zeichen, uns von Christus zum Gehorsam befohlen“ (Opera Omnia Theologica, of alle de Godtsgeleerde Wercken van Menno Symons. Amsterdam, 1681, S.14-15). Die Taufe wird also als ein Gehorsamsschritt eines Gläubiggewordenen und nicht als ein Gnadenmittel gesehen.

Mennos Gegner argumentierten öfters gegen ihn mit der Beschneidung als Bild für die Taufe oder der Familientaufe im Neuen Testament. Dagegen sagt Menno richtig, dass die Taufe im Neuen Testament nur dann mit der Beschneidung in Verbindung gebracht wird, wenn es sich um die Beschneidung des Herzens, die ohne Hände geschieht, handelt (vgl. Römer 2, 28-29; Kolosser 2, 11-13). Dass in der Bibel ganze Familien getauft werden, leugnet er nicht. „In der Schrift wird davon mehr als einmal gesprochen. Doch man sehe nur genauer hin: Hier ist von Familien die Rede, die aus schon Gläubigen bestehen! Es wäre zu wünschen, dass man dafür einen Blick bekäme, dass von dem Worte Christi alles zurückzuweichen hat, dass auch die Ansichten von Männern wie Origenes und Augustin an diesem Wort gemessen werden müssen“ (J. A. Brandsma, Menno Simons von Witmarsum. Kassel: J. G. Oncken Verlag, 1962, S.54).

Diese Beispiele seien stellvertretend für Mennos Theologie angeführt. Menno zog seine Argumente aus der Heiligen Schrift und ließ über sie hinaus keine Autorität gelten. Er war ein Mann, dessen Gewissen in der Schrift gefangen war.

 

Dritte wichtige Lektion für uns heute

 

Die Tauffrage ist nicht heilsentscheidend. Sie ist aber auch nicht unbedeutend. Deshalb sollte sich jedes Gotteskind ernsthaft die Frage stellen, was Gottes Gedanken wirklich sind. Die meisten unserer Leser sind wahrscheinlich in einer Tradition aufgewachsen und gläubig geworden, in deren Rahmen die Säuglingstaufe praktiziert wird. Ich bin mir deshalb darüber im Klaren, dass ich mich mit den folgenden Gedanken an etwas heranwage, was vielen heilig ist. Dennoch bitte ich unsere Leser, dieses Heft jetzt nicht gleich erzürnt zur Seite zu legen, sondern die Ausführungen einmal zu überdenken und auf sich wirken zu lassen und damit ins Gebet zu gehen.

In Apostelgeschichte 2, 38 lehrt uns Petrus: „Tut Buße, und jeder von euch lasse sich taufen auf den Namen Jesu Christi zur Vergebung eurer Sünden.“ Diesem Vers zufolge soll sich also jeder selbst taufen lassen, und seiner Taufe muss die Buße vorausgegangen sein. Bitte stellen Sie sich in diesem Zusammenhang einmal die Idee vor Augen: Ein Säugling tut erst Buße und verlangt dann, getauft zu werden. Deckt sich eine solche Vorstellung mit der biblischen Lehre?

Nun wird man mir sicherlich entgegenhalten: Natürlich haben sich am Anfang nur Erwachsene so taufen lassen (sog. Missionstaufe), aber nachdem die Gemeinde einmal gegründet war, wurden die kleinen Kinder von der Taufe nicht aus-, sondern eingeschlossen (Säuglingstaufe). Man verweist uns sodann auf die Haustaufen im Neuen Testament. Aber, wie Menno Simons bereits richtig bemerkte, handelte es sich bei diesen Familien um Menschen im entscheidungsfähigen Alter. Man beachte nur einmal die Vorgänge um den Kerkermeister von Philippi: Er und seine Familie hörten erst das Wort Gottes, ließen sich dann taufen und freuten sich alle, dass er an Gott gläubig geworden war (vgl. Apostelgeschichte 16, 32-34). Ob die in diesen Abschnitt hineingelesenen Säuglinge wohl auch erst den Ausführungen des Apostels Paulus mitten in der Nacht zuhörten, sich anschließend taufen ließen und dann freuten, dass er an Gott gläubig geworden war?

Bitte denken Sie jetzt noch einen Schritt weiter: Was lehrt uns die Geschichte über die Taufe? Ist die Säuglingstaufe, wie von vielen vermutet, apostolischen Ursprungs? „Von der Taufe von Säuglingen berichtet erstmals Q. S. Tertullian im Jahre 197 als eine in Nordafrika ‚neu aufgekommene Praxis’, die nicht auf apostolischer Tradition und Lehre beruhe. Er führte einen engagierten Kampf dagegen“ (Helmut Mehringer, Meine Suche nach Wahrheit. Dillenburg: Christliche Verlagsgesellschaft 1992, S.31-32). An dieser Stelle sollte auch die Beobachtung von Pfarrer Reinhard Weber nicht außer Acht gelassen werden: „Weder in der Bibel noch in den Taufbezeugungen der ersten ca. 200 Jahre findet sich die Säuglingstaufe irgendwo belegt“ (Reformation der Taufe. Selent: Ichthys-Selbstverlag 1983, 2. verbesserte Aufl. 1986, S.109).

Wenn die frühe Kirche die Säuglingstaufe also erst rund 200 Jahre nach ihrer Gründung kennen lernte, dann kann sie doch meines Erachtens nicht biblischen Ursprungs sein! Hören wir dazu weiter das Zeugnis Martin Luthers, dessen Sprache ja bekanntlich sehr derb und deftig sein konnte: „Wo wir nun nicht können beweisen, dass die jungen Kinder selbst glauben und eigenen Glauben haben, da ist es mein treuer Rat und Urteil, dass man stracks abgehe, je eher, je besser, und taufe nimmermehr kein Kind, dass wir nicht die hochgelobte Majestät Gottes mit solchen Alfanzen und Gaukelwerk, da nichts hinter ist, spotten und lästern“ (D. Martin Luthers Werke, Erlanger Ausgabe 11, 60).

Leider ist Luther in seinen späteren Jahren nicht bei seiner ursprünglichen Erkenntnis und Auffassung geblieben. Wer hatte nun in dieser Frage Recht, der späte Luther oder sein Zeitgenosse Menno Simons? Vielleicht versteht der Leser jetzt besser, warum ich am Anfang davor gewarnt habe, Luther dürfe bei den Gläubigen im deutschen Sprachraum nicht den Rang eines Quasipapstes einnehmen und warum ich darauf hinweise, dass auch seine Aussagen und sein Werk an der Heiligen Schrift gemessen werden sollten. In Bezug auf die Taufe sollte nicht die Meinung des einen oder anderen Großen im Reich Gottes oder die Tradition irgend einer Kirche ausschlaggebend sein, sondern allein die Heilige Schrift. Und damit kommen wir wieder zurück zu den oben erwähnten Bibelabschnitten Apostelgeschichte 2, 38 und 16, 32-34. Weitere könnten mühelos angeführt werden.

Meinen Sie im Lichte des Wortes Gottes nicht auch, dass die Wahrheit in der Tauffrage auf der Seite der verachteten und verfolgten Mennoniten und nicht auf der Seite der katholischen oder protestantischen Großkirchen liegt? Können Sie sich vorstellen, dass Gott seinen Willen 200 Jahre nach der Gründung seiner Gemeinde geändert hat? Könnte es sein, dass es sich bei der Säuglingstaufe um eine Lehre handelt, die zwar Jahrhunderte lang wiederholt wurde, die aber dadurch nicht biblisch geworden ist? Könnte uns die Aufforderung des Ananias an Paulus heute etwas zu sagen haben: „Und nun, was zögerst du? Steh auf... und lass dich taufen“ (Apostelgeschichte 22, 16)? Könnte es sein, dass unser Herr jetzt an unserer Tür anklopft und um Gehör bittet?

 

b) Das Abendmahl als Zeichen

 

Auch über das Abendmahl schreibt Menno in seinem Fundamentbuch. Er ist beunruhigt über die Tatsache, dass man sich im christlichen Lager über das Wie und Was beim Abendmahl streitet und darüber vergisst, warum das Zeichen eingesetzt wurde und auf wen es hinweist. Das Abendmahl sei ein Zeichen und weise auf Christus hin, sagt er. Brot und Wein symbolisieren Leib und Blut Christi. Das Brot könne gar nicht der Leib Christi sein und der Wein nicht das Blut Christi, da Jesus ja leibhaftig in den Himmel aufgefahren ist und jetzt dort leibhaftig gegenwärtig ist. Wenn wir hier auf der Erde das Mahl des Herrn feiern, verkündigen wir dadurch die Liebe Christi, die sich zu uns herabgelassen und uns gerettet hat. Das Abendmahl sei darüber hinaus auch ein Zeichen christlicher Einheit, christlicher Liebe und christlichen Friedens. Deshalb ist es nur für gläubige Menschen eingesetzt: „Es muss mit einem gebrochenen Herzen, wahrhaftiger Reue, einem demütigen Geist,... mit Frieden und Freude im Heiligen Geist gehalten und gereicht werden“ (Opera Onmia, op. cit., S.28).

Es ist verständlich, dass Menno aus dieser Haltung heraus für die Lehre vom Messopfer und der Transsubstantiation der römisch-katholischen Kirche kein Verständnis hat und auch kein gutes Wort dafür finden kann. „Ist es nicht eine gottlose Verirrung und grobe Blindheit, zu lehren und zu glauben, dass ein Stückchen Brot und ein Schluck Wein verwandelt werden in das wahrhaftige, wirkliche Fleisch und Blut von Gottes Sohn, mit dem wir von Hölle, Teufel, Sünde und Tod befreit und Kinder der Gnade geworden sein sollen?“ (Ibid., S.30). Wahrhaft gläubige Menschen setzen ihre Hoffnung auf das am Kreuz vollbrachte Erlösungswerk und nicht auf das, was angeblich bei der Eucharistiefeier geschieht. Das katholische Messopfer sei letzten Endes eine Verleugnung des versöhnenden Leiden und Sterbens Jesu Christi. Der Gläubige esse Christi Fleisch und trinke Christi Blut nicht mit dem Mund, sondern im Glauben durch den Heiligen Geist.

 

c.) Die freie Gemeinde

 

Aus Mennos Tauf- und Abendmahlsverständnis heraus ergibt sich auch seine Haltung in der Frage der Kirchenverfassung. Wenn die Taufe und das Abendmahl nur für gläubig gewordene Menschen eingesetzt wurden, dann kann die Kirche nur aus Gläubigen bestehen, die sich freiwillig zu örtlichen Gemeinden zusammenschließen. Aus dieser Einsicht heraus verwarf Menno jegliche Einmischung der Obrigkeit und des Staates in die Angelegenheiten der Kirche. Kirche und Staat sollten voneinander getrennt sein. Diese Lehre wurde in einem Europa, in dem seit Jahrhunderten eine Allianz zwischen Kirche und Staat bestand, als große Ketzerei angesehen, verachteten die Täufer damit doch eine, wie man meinte, geheiligte Vereinigung von Kirche und Staat, die bis in die Zeit des Ediktes von Theodosius dem Großen und Gratian im Jahre 380 n. Chr. zurück reichte. Eine derartige Ketzerei musste aus der Sicht des Staates und der Staatskirche mit dem Tod bestraft werden. Menno und die Täufer bestanden jedoch darauf, dass das Neue Testament eine freie Gemeinde lehre und dass die Gemeinden der neutestamentlichen Zeit freie Gemeinden waren. Diese verschafften sich keine Anerkennung von Seiten des Staates noch riefen sie die Obrigkeit zu Hilfe, um den wahren Glauben durchzusetzen und durch Gesetz aufrecht zu erhalten und Andersgläubige mit dem Martyrium zu bestrafen.

Spätestens ab dem Jahre 1527 war man entschlossen, das Täufertum mit allen nur möglichen Mitteln auszurotten. Leider willigten auch die Reformatoren in die Verfolgung der Täufer ein. „In dem Blutbad des nächsten Vierteljahrhunderts wurden Tausende von Wiedertäufern getötet - in den katholischen Gebieten durch Feuer, unter protestantischen Regimen durch Ertränken und das Schwert“ (The History of Christianity. Berkhamsted, Herts: Lion Publishing, 1977, S.402). Trotz dieser schwersten Verfolgungen blieben die meisten Täufer der Lehre der Bibel treu. 1539 schrieb Menno in seinem Büchlein: Warum ich nicht ablasse, zu lehren und zu schreiben: „Diese sind wahrlich die rechten Gemeinden Christi nicht, welche sich nur seines bloßen Namens rühmen. Diejenigen aber machen seine Gemeinde aus, welche recht bekehrt, von oben aus Gott geboren und in Herz und Sinnen erneuert sind, welche durch die Kraft des Heiligen Geistes, aus dem Hören des göttlichen Wortes, Gottes Kinder und ihm gehorsam geworden sind, welche ihr Leben lang oder von der Zeit ihrer Berufung an unsträflich in seinen heiligen Geboten und nach seinem gebenedeiten Willen leben“ (Opera Omnia, op. cit., S.350).

Die Forderung nach der freien Gemeinde bewirkte bei den Täufern, dass die sogenannte christliche Gesellschaft nicht als christlich angesehen wurde, sondern als ein Missionsfeld, was sie in Wirklichkeit ja auch im Lichte der Heiligen Schrift war. Europa wurde in Sektionen aufgeteilt, und die Täufer begannen eine systematische Evangelisationsarbeit, indem sie als Missionare zu zweit oder zu dritt in die verschiedenen Gebiete gingen. Am Ende seines Fundamentbuches lässt Menno einen dringlichen Appell an die Obrigkeit ergehen und ermahnt sie, recht zu tun und die aufrichtigen Christen nicht so grauenhaft zu verfolgen.

 

Vierte wichtige Lektion für uns heute

 

Wenn die ab dem 18. und 19. Jahrhundert aufkommende Gemeinschaftsbewegung in der Vergangenheit an der etablierten Staatskirche festhielt, so ist das in gewisser Hinsicht im Licht der Tatsache verständlich, dass es in Deutschland bis 1918 keine Religionsfreiheit gab. Religionsfreiheit ist hierzulande eine noch recht junge Pflanze. Bis 1918 musste jeder, der sich nicht im Rahmen der verfassten Kirche bewegte, damit rechnen, mit Strafen belegt zu werden oder gar Haus und Hof zu verlieren. Menschlich gesehen ist es nachvollziehbar, dass man in der lutherischen und reformierten Lehre nach den Übereinstimmungen suchte und diese dann betont hat, um zu signalisieren, dass man „linientreu“ ist. Aber gerade die Geschichte der Mennoniten belegt uns eindrücklich, dass es durch die Jahrhunderte hindurch immer Gemeinden gab, die trotz schwerster Verfolgungen am biblischen Gemeindebild festhielten und dieses auch in die Praxis umsetzten. Wenn diese Gemeinden in Mitteleuropa in den vergangen drei Jahrhunderten so rar waren, dann liegt das daran, dass die meisten wegen der Verfolgungen nach Nord- und Südamerika ausgewandert sind.

Es ist beschämend für uns Heutige im Raume Gnadaus, dass wir nicht mehr Liebe zum Wort Gottes haben und meinen, landeskirchlich und freikirchlich ausgerichtete Gemeinden sowie landeskirchliche Gemeinschaften hätten alle die gleiche biblische Berechtigung. Es drängt sich der Verdacht auf, dass, wenigstens von den führenden Brüdern, die die biblische Wahrheit eigentlich kennen müssten, die enge Pforte breiter getreten wird, um auch für von der Heiligen Schrift nicht Abgedecktes Raum zu schaffen. In einer Zeit, in der es wirklich Religionsfreiheit gibt, sollte eigentlich kein Grund mehr bestehen, nicht nach biblischem Vorbild Menschen zur Bekehrung zu führen und diese dann in freien, unabhängigen Gemeinden zu sammeln, die ausschließlich von eigenen Ältesten geleitet werden!

Den klassischen Freikirchen wie Baptisten und Freien evangelischen Gemeinden, die ja das biblische Gemeindemodell versuchen in die Praxis umzusetzen, muss an dieser Stelle zugerufen werden: Haltet, was Ihr habt! Sie alle sind in die ökumenische Bewegung mit eingebunden und marschieren gemeinsam mit den Großkirchen in Richtung Rom. Im Falle einer Wiedervereinigung mit der sogenannten Mutterkirche werdet Ihr alles verlieren, was Eure Väter erlitten und erkämpft haben. Wenn Eure Pastoren erst einmal als Priester in das katholische Kirchensystem eingegliedert sein werden, wird von ihnen das Gleiche gefordert werden, was der Papst gemäß einer Zeitungsnotiz der Siegener Zeitung vom 1. Juli 1998, S.2, von seinem Klerus heute schon erwartet: „Papst Johannes Paul II. fordert mit einem deutlich verschärften Glaubensbekenntnis und einem Treue-Eid in Zukunft mehr Gehorsam von Priestern, Bischöfen und Theologen. Außer Dogmen und traditionellen Lehren der Kirche müssen Priester und Professoren künftig auch ‚Lehren des Papstes und des Bischofskollegiums’ anerkennen, die noch nicht offiziell verkündet sind. In einem Apostolischen Schreiben sprach der Papst von einer ‚Verteidigung des Glaubens der katholischen Kirche gegen die Fehler eines Teils der Gläubigen’. Er wies dabei ausdrücklich auf die Möglichkeit von Sanktionen hin. Im Einzelnen handelt es sich um drei Passagen, die dem herkömmlichen Glaubensbekenntnis angefügt werden, und einem Treue-Eid bei der Übernahme eines kirchlichen Amts.“

„In den ersten beiden Passagen müssen künftig Priester und Theologieprofessoren ihren Gehorsam gegenüber Offenbarungen und offiziellen Lehren bekennen. In einem weiteren Abschnitt heißt es: ‚Außerdem hänge ich mit religiösem Gehorsam des Willens und des Verstandes den Lehren an, die der Papst oder das Bischofskollegium vorlegen, wenn sie ihr authentisches Lehramt ausüben, auch wenn sie nicht beabsichtigen, diese in einem endgültigen Akt zu verkünden.’ Im Treuebekenntnis wird verlangt, dass Amtsträger ‚dem Folge leisten, was die Bischöfe als authentische Künder und Lehrer des Glaubens vortragen.’“

Wie die angekündigten Sanktionen einmal bei nur einer existierenden „heiligen, allgemeinen, katholischen Kirche“ aussehen werden, überlassen wir der Phantasie des Lesers. Wenn der ökumenische Weg weiter so beschritten wird wie bisher, wird die Reformation bald völlig verraten und unser Herr völlig verleugnet sein! Deshalb gilt auch uns heute, was der Herr einst der Gemeinde in Philadelphia zugerufen hat: „Halte, was du hast, dass niemand deine Krone nehme“ (Offb 3, 11). Ebenso gilt in Bezug auf falsche geistliche und kirchliche Systeme: „Geht aus von ihnen und sondert euch ab, spricht der Herr, und rührt nichts Unreines an“ (2. Korinther 6, 17).

 

d.) Der Pazifismus

 

Menno Simons hatte in allem, was er lehrte, Christus vor Augen, wie er uns im Neuen Testament entgegentritt. Die Bergpredigt und der darin enthaltene Aufruf zur Liebe und das willige Leiden und Sterben Jesu am Kreuz bestimmten seine Haltung in der Frage der Gewaltanwendung. Er lehnte von daher jegliche Anwendung von Gewalt ab. Damit unterschied er sich am auffälligsten von der traditionellen christlichen Ethik. Seine Ablehnung der Gewaltanwendung war nicht nur philosophischer Pazifismus, sondern der Versuch, in der Liebe zu wandeln, wie Christus es tat. Wohl alle Täufer folgten ihm in dieser Hinsicht, wenn man einmal von dem Reich der Wiedertäufer in Münster absieht, die mit Waffengewalt die Stadt gegen die belagernden Heere verteidigten. Bei diesen Täufern handelte es sich wirklich um Sektierer.

Aus diesem Eifer heraus, Christus ähnlicher zu werden, erwuchs auch Mennos und seiner Anhänger Ablehnung der Teilnahme an Regierungsgeschäften und dem Militärdienst. Die Täufer waren lieber bereit, zu sterben als zu töten. Daraus erklärt sich auch, warum staatliche und kirchliche Behörden in allen Teilen Europas Tausende von Täufern so leicht töten konnten. Die Leute haben wohl versucht, sich einer Festnahme zu entziehen, aber einmal festgenommen, wehrten sie sich nicht, welche Folterungen ihnen auch zugedacht waren. Sie trachteten danach, auch in schwerstem Leiden ihre Peiniger und Verfolger zu lieben, wie Jesus es tat.

1545 schrieb Menno in seinem Kurzen und klaren Bekenntnis: „Sehet, meine lieben Freunde und Brüder, durch diese und andere Schriftstellen und Gründe werden wir gelehrt und gewarnt, das Ergreifen des buchstäblichen Schwertes weder zu lehren noch gut zu heißen (ausgenommen das gewöhnliche Schwert der Obrigkeit, wenn es angewendet werden muss), sondern nur des zweischneidigen, kräftigen, scharfen Schwertes des Geistes, das aus des Herrn Mund geht, nämlich des Wortes Gottes“ (Ibid., S.470). In seiner Wehmütigen und christlichen Entschuldigung fügt er 1552 hinzu: „Allen Christen ist befohlen, ihre Feinde zu lieben, denjenigen Gutes zu tun, welche ihnen Böses tun und zu beten für die, welche uns Leid antun und uns verfolgen, den Mantel hinzugeben, wenn der Rock genommen wird, und den anderen Backen darzubieten, wenn der eine geschlagen wird... Die wahren Christen wissen von keiner Rache. Man lebe mit ihnen, wie man will... Sie schreien nicht Rache, Rache!, wie die Welt tut, sondern seufzen und beten mit Christi Jesu: ‚Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun’“ (Wenger, op. cit., S.106).

 

Abschließende Gedanken und Schlussfolgerungen

 

Wir sehen in Menno Simons einen Mann, der es verstand, den friedlichen Flügel der Täuferbewegung zu einen und ihm durch seine Schriften die entscheidende Wegweisung an die Hand zu geben, die es ihm ermöglichte, in den Wirren der Zeit durchzuhalten und zu überleben. Besonders herausstechend ist seine Liebe zur Wahrheit, sein Wille, den Weisungen der Heiligen Schrift kompromisslos und ohne Rücksicht auf Verluste zu folgen.

Die bewegenden Zeugnisse seiner Zeit sind eine ernste Mahnung an die Christen des 21. Jahrhunderts, ebenso der Heiligen Schrift bedingungslos Gehorsam zu leisten und ein Zeuge Jesu Christi in einer verlorenen Welt zu sein. Sie sind aber auch ein nicht zu übersehendes Warnsignal, sich auf ein Leiden um Jesu willen einzustellen und sich darauf vorzubereiten. Werden wir sogenannte Evangelikale daraus lernen und vorbereitet sein, wenn Verfolgung über uns hereinbricht? Werden wir uns von Unbiblischem getrennt haben, um unseren Weg unbeschadet und konsequent gehen zu können? Oder werden wir auf der Strecke bleiben? Möge der Herr uns Gnade schenken, seinen Willen in allen Punkten auszuführen!