66. Bibelkurs BK 66 Wer ist Jesus Christus? II Das Charakterbild Jesu: Seine Liebe, Demut und Geduld Es gibt sehr verschiedene Charaktere unter den Menschen. Wenn man von jemandem sagt: "... er hat Charakter", dann ist das ein positives Urteil. Meist verbinden wir damit: Zuverlässigkeit, Vertrauenswürdigkeit, lautere Gesinnung, Willensstärke. Einer unserer großen Dichter sagte: "Es bildet ein Talent sich in der Stille, sich ein Charakter in dem Strom der Welt." (Goethe im "Tasso"). - Wenn man von einem "charakterlosen Menschen" spricht, dann meint man jemand mit wenigen guten Eigenschaften. Wer das Charakterbild Jesu in den Evangelien studiert, macht eine überraschende Beobachtung: die herausragenden Eigenschaften bei Christus sind Charakterzüge, die meist nicht besonders hervorgehoben werden. Das sind bei Jesus Seine Liebe, Seine Demut und Seine Geduld. Demut und Geduld werden bei vielen Menschen als Schwäche gedeutet. Aber aus himmlischer Sicht bedeuten Liebe, Demut und Geduld starke Eigenschaften, sie haben göttliches Gepräge. Johannes Weise, der 1923 als Missionar nach China ging (nach einer gesegneten Arbeit unter Studenten in Deutschland nach dem ersten Weltkrieg) hat in seinem Jesus-Buch diese Charakterzüge Jesu besonderes hervorgehoben. Wenn der Apostel Paulus im Römerbrief schreibt, dass es das Ziel Gottes ist, die Christen "in das Bild Jesu zu verwandeln" (Römer 8, 29), dann sind diese drei Charaktereigenschaften für Christen von größter Wichtigkeit. Wenn sie bei uns schwach entwickelt sind, dann ist das ein großes Manko, - dann gestaltet sich das Zusammenleben von Menschen schwierig. Von Natur aus ist der Mensch ein Egoist, - einer, der nur an sich denkt, - der herrschen will. Jesus hat genau in die andere Richtung gewiesen. Wenn heutzutage im Beruf und in vielen Familien wenig Rücksicht auf den anderen genommen wird, wenn Mobbing und Kaltschnäuzigkeit regieren, dann zeigt das, wie wenig göttlicher Geist unter uns da ist. Jesus prophezeite: "... am Ende der Zeiten wird die Liebe in vielen erkalten." (Matthäus 24, 12). Es kann uns helfen, geistlich zu wachsen, wenn wir das Charakterbild Jesu studieren. Denn in dieses Bild will uns Gott verwandeln. Und Christus selbst will uns dabei die entscheidende Hilfe geben, weil "ER in uns lebt." (Galater 2, 20) Ohne IHN wäre es aussichtslos. 1. Jesus - Seine Liebe. "Liebe ist das am meisten missbrauchte Wort" sagte jemand. Liebe ist auf der anderen Seite das, wonach sich die Menschen am meisten sehnen. Um 1970 ging ein Lied der "Beatles" rund um die Welt: "All you need is love" ("Alles, was du brauchst, ist Liebe.") Da hatten sie wirklich den Nagel auf den Kopf getroffen. Deshalb hat das Lied auch die Herzen der Jugend im Sturm erobert. Im Andreas-Keller der Jugend in Geroldsgrün hatte man damals diesen Song auf ein Fischernetz gemalt - und die Fortsetzung darunter geschrieben: "Alles, was du brauchst ist Gott. Denn: Gott ist Liebe." (1. Johannes 4, 16: "Gott ist Liebe") Wie schnell Liebe ohne Gott verblasst und plötzlich nicht mehr da ist, zeigt unsere Gesellschaft. Fast die Hälfte aller geschlossenen Ehen gehen wieder aus-einander - und scheitern an Kleinigkeiten des Alltags. So endet manchmal, was als "große Liebe" begann. Und dennoch sucht der Mensch immer wieder Liebe - bei einem Partner: in Zeitungs-anzeigen, im Internet, am Schwarzen Brett, in Bahnhofshallen und anderswo. Der Apostel Paulus schreibt: Wenn Friede mit Gott durch die Vergebung der Sünden durch Christus bei einem Menschen eingekehrt ist, dann wird "die Liebe Gottes - wie in einem Wolkenbruch - in sein Herz geschüttet." (Römer 5, 5) Durch das Christentum kam die Liebe in die Welt, - die göttliche Liebe, die Bestand hat. Im Koran gibt es keine einzige Stelle, die Allah mit Liebe verbindet. "Liebe bringt den Himmel auf Erden" sagt man im Volksmund. Für die göttliche Liebe ist das absolut wahr! - In den Evangelien erfahren wir, wie Jesus im Alltag die Liebe gelebt hat. * Ein sehr eindrucksvolles Beispiel finden wir in Lukas 7, 36-50, wo berichtet wird, mit welch zarter Liebe Jesus einem Außenseiter, dieser Prostituierten, begegnet. In dieser Geschichte stoßen zwei Welten aufeinander. Die selbstsicheren Schriftgelehrten muss Jesus durch scharfe, richtende Worte erschüttern. Ihnen muss ER die Sünden vorzeigen, aber ER denkt nicht daran, der sündigen Frau, die schon zusammengebrochen ist, ihre Sünde irgendwie vorzuhalten. ER redet sie überhaupt nicht direkt an sondern lässt sie in Seiner Nähe zur Ruhe kommen, wehrt ihr nicht, wenn sie Ihm Gutes tun will. Jesus tritt für sie ein, als die Pharisäer hartherzig über sie urteilen. Jesus dachte mindestens genau so streng über die Sünde wie die Pharisäer, aber ER weist darauf hin, wie Gott im Verborgenen ein neues Werk in ihr begonnen hat. Dieses Gespräch Jesu mit den Tischgenossen hat die Frau sicher mehr getröstet als es irgendein direktes Wort tun konnte. Hier merkt man, wie feinfühlig Jesu Liebe ist. * Jesu Liebe ist wahrhaftig. Das erkennen wir bei der Begegnung mit dem reichen jungen Mann (Markus 10, 17-22), wo es heißt: "Jesus sah ihn an und gewann ihn lieb" (Vers 21). Jesu Liebe zu den Menschen ist groß, aber ER verschweigt nicht die Wahrheit, - um Menschen vor Selbsttäuschung zu bewahren. Wahre Liebe will, dass der andere zu seinem letzten höchsten Ziel kommt, zu Gott. Zwischen dem reichen jungen Mann und Gott stand aber noch eins: das Hängen am Reichtum. Darum stellt Jesus an ihn die schwere Forderung. Jesus hat in seelsorgerlichen Gesprächen die Wahrheit nie an den Rand geschoben. ER rührt an die wunden Stellen im Leben der Menschen, obwohl ER weiß, dass es wehtut. Auch im Gespräch mit der Samariterin (Johannes 4) am Brunnen rührt ER an das, wovon zu reden ihr fast unerträglich ist (- ihre fünf zerbrochenen Ehen), weil ER in Seiner Liebe nur mit der Wahrheit helfen kann. - Gegenüber den Pharisäern erscheint Jesus oft unbarmherzig schroff. Aber es gab keinen anderen Weg als den der vollen Wahrheit, um, wenn möglich, die Pharisäer zu retten und das Volk vor dem verderblichen Vorbild dieser Frommen zu warnen. - Die Wahrhaftigkeit Jesu darf ein Christ erst dann zum Vorbild nehmen, wenn er die Unbedingtheit und die Zartheit der Jesusliebe mit gleicher Entschlossenheit bejaht. * Jesu Liebe - auch im Reden. Auch aus der Form Seiner Reden spricht die Liebe. Deshalb versucht ER in Gleichnissen Zugang zu den verschlossenen Herzen zu bekommen, weil eine offene, unverhüllte Verkündigung das Volk nicht fassen kann. Gleichnisse treffen nicht frontal den Menschen und lassen dem Hörer Zeit, über das Gesagte nachzudenken. Spott, Hohn und Satire hat Jesus niemals verwendet. - Aus den Gesprächen mit Seinen Jüngern tritt ebenfalls klar Seine Liebe hervor. "ICH habe euch noch viel zu sagen, aber ihr könnt es jetzt nicht ertragen." (Johannes 16, 12) Dies Wort Jesu an Seine Jünger zeigt, wie ER die Seinen nur langsam hat erziehen können. Das beobachten wir in allen Evangelien. Wie sorgsam hat Jesus Seine Jünger in drei Etappen auf die Kreuzigung vorbereitet (die drei Leidensankündigungen: Markus 8, 31; Markus 9, 31; Markus 10, 33). Besonders deutlich spricht die Liebe aus den Worten Jesu zu dem Jünger, der Ihn verleugnet hat. Kein Vorwurf wird laut als die dreimalige Frage: "Hast du Mich lieb?" (Johannes 21, 15-17). - Ist bei unserem Reden auch die Liebe mit am Werk? * Jesu Liebe - im Handeln. Bei vielen Heilungen Jesu wird Seine Liebe als Beweggrund angegeben: "Es jammerte Ihn." (Markus 1, 41; Markus 8, 2) ER nimmt den Taubstummen besonders (Markus 7, 31-37) und wehrt damit der Neugierde und der Wundersucht der Menge. Auch den Blinden (Markus 8, 23) führt ER abseits von der Menge. Jesus ist nicht für das Spektakuläre. * Jesu Liebe - im Leiden. "... wie ER die Seinen geliebt hatte, die in der Welt waren, so liebte ER sie bis ans Ende" (Johannes 13, 1 - vor der Fußwaschung!). Enttäuschungen lassen oft die Liebe erkalten. Solche Enttäuschungen hat Jesus immer wieder erfahren. Aber Jesus hat bis ans Ende geliebt. Bis zuletzt sucht Jesus Seinen Jüngern zu helfen, die schwerste Belastungsprobe ihres Glaubens, den Tod ihres Messias, zu ertragen. Selbst in Seinem eigenen schweren Ringen im Garten Gethsemane denkt ER immer wieder an Seine schwachen Jünger (Matthäus 26, 36-46). Bei der Gefangennahme tritt ER dafür ein, dass ihnen nichts geschieht (Johannes 18, 8). ER wirbt mit einem wehmütigen Blick der Liebe um das Herz des Jüngers, der Ihn verleugnet hat (Lukas 22, 61), und sorgt selbst noch am Kreuz für Seine Mutter und Seinen Jünger Johannes (Johannes 19, 26). Am Kreuz offenbarte sich die Stärke Seiner Liebe: ER starb für Seine Jünger, ob-wohl sie unverständig und wankelmütig blieben. ER starb für die Welt, die Ihn hasste. Jesus hat nicht nur die Feindesliebe gelehrt (Matthäus 5, 44), sondern ER hat sie gelebt bis zur Fürbitte für die, die Ihn kreuzigten (Lukas 23, 34). - Auch unsere Liebe muss sich im Leiden bewähren. Erst im Leiden erfahren wir, dass vom Kreuz die Liebe strömt, die im Zerbruch nicht versagt. Paulus hätte sicher sein berühmtes Hohelied der Liebe - 1. Korinther 13 - ohne Jesus nicht singen können. Wenn wir wissen wollen, was Liebe ist, gehen wir zu Jesus. Wir bekommen von Ihm kräftige Impulse - aber kopieren können wir Ihn nicht, unsere Sündhaftigkeit ist für uns dabei ein zu großes Hindernis. 2. Jesus - Seine Demut Die Demut von Jesus wird von den Aposteln ganz besonders betont. Das ist überraschend, denn von Menschen in hohen Positionen wird selten ihre Demut hervorgehoben. In dem berühmten Christus-Hymnus in Philipper 2 (sozusagen das erste Gesangbuchlied der frühen Christenheit, - ein einmaliger Lobgesang auf Christus!) wird vom ganzen Leben Jesu nur Seine Demut herausgestellt. Sie ist der Grund, weshalb Gott Seinem Sohn den Ehrenplatz zu Seiner Rechten auf dem Thron gegeben hat. "... ER hat die Gottgleichheit aufgegeben, nahm Sklavenart an, ward den Menschen gleich. ER erniedrigte sich so tief, dass ER gehorsam wurde und war gehorsam bis zum Tod, ja bis zum Kreuzestod. Darum hat IHN Gott so wunderbar erhöht..." (Philipper 2, 5-11 nach Albrecht). Charakteristisch für Jesus ist Sein demütiger Geist und Sein Gehorsam gegenüber Seinem Vater. Dem total entgegengesetzt ist der Geist Satans. Der Widersacher Gottes will nicht gehorchen sondern er ist ein Rebell. Die Rabbinen haben in Jesaja 14, 12-14 eine Schilderung Satans gesehen: "Wie bist du vom Himmel gefallen, du Glanzgestirn, Sohn der Morgenröte (Luzifer = Lichtträger)! Du dachtest in deinem Sinn: " Der satanische Geist trachtet nach oben, er will groß sein, er will nicht dienen sondern herrschen! Der Geist Jesu will sich erniedrigen, will unten sein, will gehorchen, will dienen. - Der Geist Jesu ist also ein ganz anderer Geist als der Geist, der in der Welt herrscht, - in dem Bereich der Finsternis, - wo "der Fürst dieser Welt regiert" (Johannes 14, 30). Deshalb haben die Apostel immer wieder zur Demut ermahnt, weil Jesus darin das große Vorbild ist - und haben vor Hochmut und dem rebellischen Geist gewarnt, weil das der satanische Geist ist. Petrus schreibt (und er hat das selbst erlebt!): "Haltet fest an der Demut! Denn Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt Er Gnade." (1. Petrus 5, 5) In den Evangelien finden wir viele Beispiele, die uns von der Demut Jesu in Seinen Worten und in Seinem Verhalten berichten. * Jesus hat Seinen göttlichen Auftrag auf dieser Erde mit einem knappen Satz beschrieben: "Des Menschen Sohn ist nicht gekommen, dass ER sich dienen lasse, sondern dass ER diene." (Markus 10, 45) Das deutsche Wort "Demut" bedeutet ursprünglich: "Dienersinn". In Seinen letzten Gesprächen vor Seinem Tod sagt Jesus zu Seinen Jüngern: "ICH bin unter euch wie ein Diener." (Lukas 22, 27) In einer symbolischen Handlung hat das Jesus ihnen besonderes eindrücklich gemacht, damit es die Jünger nie vergessen sollten: in der Fußwaschung (Johannes 13). In manchen Kirchen wird sie als liturgische Handlung gepflegt. Aber die erste Fußwaschung war ein wirklicher Sklavendienst - und nicht die Handlung sondern die Gesinnung ist unser Vorbild. - Die Demut nach Jesu Sinn ist die Willigkeit, jederzeit auch die niedrigsten Dienste zu tun. - Eigentlich gibt es jeden Tag dazu Gelegenheit. * Auch die Demut - wie die Liebe - muss wahrhaftig, ehrlich sein. Im Garten Gethsemane hat Jesus Seine Jünger an Seinen Sorgen und Nöten teilnehmen lassen. ER wollte nicht die Rolle eines Großen vor den Jüngern spielen (wie das manche religiösen Führer gerne tun). "ER fing an, zu zittern und zu zagen und sprach zu ihnen: Meine Seele ist betrübt bis an den Tod. Bleibt hier und wacht!" (Markus 14, 33+34) Das gehört zur wahren Demut, dass man nicht im geringsten anders erscheinen will als man ist. - Jesus verbarg Seine Müdigkeit nicht, bekannte Seine Bangigkeit und bat um Beistand in Seiner tiefsten seelischen Not. - Falsche Demut sucht sich künstlich gering zu machen. Demut ohne Wahrhaftigkeit wird zur Heuchelei und zur Karikatur. Das hat dem Christentum schon immer sehr geschadet. - Jesus hat nie gezögert, die Schranken einzugestehen, die Ihm vom Vater gesetzt waren: die Verteilung der Sitze im Reich Gottes (Markus 10, 40), die Kenntnis vom Termin Seiner Wiederkunft (Markus 13, 32). * Demut sucht nicht die eigene Ehre. Jesus hat meistens verboten, von Seinen Heilungen weiterzuerzählen. Das gehört auch zu Seiner Selbstlosigkeit. IHM kommt es nicht darauf an, anerkannt zu werden oder öffentliches Aufsehen zu erregen, sondern nur, wie ER am besten Seinen Weg des Dienstes gehen kann. IHM liegt nichts daran, bewundert, gerühmt oder gefeiert zu werden. ER sucht die Verborgenheit auf - ohne Rücksicht auf etwa dadurch entstehende üble Nachrede. - Jesus selbst sagt: "Lernt von Mir, denn ICH bin sanftmütig und von Herzen demütig." (Matthäus 11, 29) - Schon bei Seiner Taufe will ER nicht anders behandelt werden als die andern im Gottesreich. (Matthäus 3, 14+15) * Bei Jesus liegt die wahre Größe nicht im Herrschen sondern im Dienen. "Wer groß sein will unter euch, der soll euer Diener sein. Wer unter euch der Erste sein will, der soll aller Knecht sein." (Markus 10, 43+44). - Bisher galt bei Griechen und Römern Dienen als eine Schmach, Dienen gehörte den Sklaven. Jesus brachte eine Umwertung aller Werte. Diese unerhörten Worte von Jesus wirkten weiter in der Geschichte, so dass später sogar Könige sich als "die ersten Diener ihres Staates" bezeichneten. Zusammenfassung: Was ist Demut im Sinne Jesu? o Bereitwilligkeit zu jedem Dienst, auch in Niedrigkeit o Mut zur vollen Offenheit und Ehrlichkeit, die auf jeden Schein verzichtet o das Zurückstellen aller eigenen Ansprüche und Rechte 3. Jesus - Seine Geduld Jesus hatte sehr große Geduld gegenüber den Menschen. Gerade der engere Jüngerkreis hat Ihm wohl die größte Not gemacht. "Wie lange soll Ich bei euch sein, wie lange soll Ich euch erdulden?" (Matthäus 17, 17) - "So lange bin ICH bei und du kennst mich nicht, Philippus?" (Johannes 14, 9) fragt Jesus. Jesus kann warten, darum vergewaltigt ER niemand. ER sät den Samen des Wortes - und wartet. ER liebt den reichen jungen Mann, sagt ihm das Wort der Wahrheit - und lässt ihn dann gehen und läuft ihm nicht nach. ER erlebt den großen Abfall, dass die Zuhörer massenhaft Ihm den Rücken zuwenden - und fragt die Jünger: "Wollt ihr auch weggehen?" (Johannes 6, 67) Jesus will niemand manipulieren. Unlautere Elemente entfernt ER nicht aus Seiner Jüngerschar mit Gewalt. ER will nur einen Glauben in eigener freier Entscheidung - darum wartet ER. So zeigt ER sich auch nach Seiner Auferstehung nur den Seinen, nicht aber der Welt, um diese ja nicht wie durch Gewalt zu überwältigen. - Erfolge sehen wollen, das ist nicht Jesu Art. ER ist kein Mann der Aktivitäten und der Statistik. Bei IHM ist nicht eine Spur von Zwang zu sehen. ER kann warten. ER weiß, dass Sein WORT wirkt, - dass Gottes Geist in den Menschenherzen arbeitet, - dass Gott Gebete erhört. Wir verderben oft die Wirkung unseres Zeugnisses, weil wir Erfolge sehen wollen. Die größte Geduld hatte Jesus im Umgang mit Seinen Jüngern, vor allem mit Petrus, um den Jesus mit großer Beharrlichkeit gerungen hat. Das grundlegende Erlebnis für Petrus war der große Fischzug (Lukas 5). Dann kam die große Stunde des Bekenntnisses - und doch musste gleich darauf Jesus zu ihm sagen: "Geh weg von Mir, du Satan!" (Matthäus 16, 23) Bei der Fußwaschung bekommt Petrus von Jesus eine besondere Belehrung (Johannes 13). Auf die Stunde größter Selbstzuversicht (Petrus will für den Herrn sterben - Markus 14, 31) folgt die Stunde der Verleugnung (Markus 14, 66-72). - Jesus hat nicht nur Geduld mit Petrus sondern ER hat auch eine Beharrlichkeit im Ringen um die Seele des andern. Deshalb hat Jesus so treu für Petrus gebetet (Lukas 22, 32). Ähnlich ist es auch mit den anderen Jüngern. Wie viel Geduld hat Jesus mit dem ungläubigen Thomas (Johannes 20, 24-29). - Am deutlichsten wird es bei Judas. Als bei der Gefangennahme im Garten Gethsemane Judas den Herrn mit einem Kuss verrät, antwortet Jesus mit der Anrede: "Mein Freund..." (Matthäus 26, 50) Bis zum letzten Augenblick versucht Jesus ihn aus seiner furchtbaren Verirrung herauszureißen. - Wie viel Geduld gehört dazu, einen Judas überhaupt in Seinem Jüngerkreis zu ertragen. - Tragen wir auch die uns "unsympathischen" Menschen mit Geduld? Jesus ist das Urbild der Demut und Geduld, und dennoch schlug Ihm oft der erbittertste Hass entgegen. Wer demütig und geduldig nach dem Bilde Jesu sein will, soll nicht erwarten, dass er deshalb ohne Widerstand durchs Leben kommt. Beachte den Unterschied zwischen Demütig-Sein und Gedemütigt-Sein. Manche Menschen hat Gott mit gewaltiger Hand demütigen müssen, bis sie sich im Schiffbruch ihres Lebens an Gott geklammert haben. Gedemütigt sind sie, aber vielleicht sogar stolz darauf, dass sie so etwas Dramatisches erlebten. Der tiefe Sinn der Demut ist der unbedingte Wille zum Dienst, wie es der Ursprung des Wortes sagt: Demut = Mut zum Dienen. 4. Vergebungsbereitschaft Ob Liebe und Demut echt sind, kann man leicht an der Vergebungsbereitschaft erkennen. Sirach John Seeley aus England meint sogar, dass sie das überzeugendste Kennzeichen eines Christen ist. Es fällt uns nicht leicht, einem anderen zu vergeben. Selbst Petrus hatte in diesem Punkt Schwierigkeiten. Deshalb fragte er einmal Jesus: "Wie oft muss ich meinem Bruder, der an mir sündigt, vergeben? Genügt es siebenmal?" (Matthäus 18, 21) Er war sicher überrascht, als ihm Jesus antwortete: "Nicht siebenmal sondern siebzigmal siebenmal." Das sollte bedeuten: wir sollen bereit sein, immer zu vergeben - grenzenlos, - auch wenn es uns sehr schwer fällt. - Jesu Antwort ist eine Anspielung auf Lamech, einem Nachkommen von Kain, der genau das Gegenteil beschloss: "Kain soll siebenmal gerächt werden, aber Lamech siebenundsiebzigmal." (1. Mose 4, 24) Jesus wollte damit sagen: in Meinem Reich herrscht nicht das Gesetz der Vergeltung und der Rache (wie das in der Welt als ganz normal empfunden wird), sondern in Gottes Reich regiert die Vergebung. Jesus hat das in der Bergpredigt sehr deutlich gesagt: "ICH aber sage euch: Liebt eure Feinde. Tut Gutes denen, die euch hassen. Segnet, die euch verfluchen. Bittet für die, die euch beleidigen." (Matthäus 6, 44 + Lukas 6, 27+28) Viermal fordert Jesus hier zu Handlungen auf, die für Ungläubige schier unmöglich sind, - worüber sie nur verständnislos den Kopf schütteln. Jesu Worte über die Feindesliebe offenbaren eine ganz andere Welt, - die Welt Gottes. Sie ist dem Geist der Welt total entgegengesetzt. Menschen ohne eine Gottesbeziehung bringen es nicht fertig, einem andern zu vergeben. Da sträubt sich ihr Innerstes. Das schafft man auch nicht mit eigener Kraft. Dazu braucht es die Kraft Gottes. Deshalb ist es notwendig, dass Christus in uns wohnt (Galater 2, 20). Denn Seine Kraft befähigt uns, Vergebung zu praktizieren. - Man hört oft sagen: "Vergeben - , wenn es schon sein muss, - aber nicht vergessen." Das ist nicht die biblische Vergebung, die auch das Vergessen mit einschließt. Jesus hat selbst ein Beispiel gegeben. Die Kreuzigungstortur auf Golgatha beginnt damit, dass Jesus betet: "Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun." (Lukas 23, 34) Stephanus, der Märtyrer, hat von Jesus gelernt, denn er betet ähnlich vor seinem Tod durch Steinigung: "Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht zu." (Apostelgeschichte 7, 60) Auch uns fällt es - wie Petrus - schwer, immer wieder zu vergeben. Was sind das für negative Kräfte, die in unserem Inneren arbeiten? Wir kennen sie alle aus dem Alltag: jemand verletzt oder beleidigt uns - und wir sind gekränkt, man ärgert uns - und wir werden auch ärgerlich, man behandelt uns ungerecht - und wir sinnen auf Vergeltung, auf Rache, wir werden übergangen - und sind verstimmt. Wenn sich das mehr und mehr staut, dann entsteht innerlich eine Bitterkeit, wodurch unsere Gottesbeziehung stark gefährdet wird und wir auch selbst Schaden erleiden (wie das die Psychiater oft bei ihren Patienten feststellen). Wir merken, wie schwach unsere Vergebungsbereitschaft ist. - Was hilft uns nicht? Ein Wutausbruch bringt vielleicht uns selbst eine Erleichterung, aber im Sinne Jesu ist das nicht. - Wenn manche einfach nicht reagieren, - dann wirken innerlich doch die Verletzungen weiter und infizieren unsere Gedankenwelt. Groll und Hass verbreiten sich immer mehr. Was ins Unterbewusstsein verlagert wird, verschwindet nicht - es arbeitet dennoch in uns und kommt eines Tages wieder zum Vorschein. Was hilft uns wirklich? Die Bibel sagt: Vergeben ist das beste Heilmittel gegen Groll und Bitterkeit. Vergebung bedeutet: Es wird aus der Welt geschafft, es ist nicht mehr wirksam. Vergebung bringt Entlastung. Aus diesem Grund ist die Bitte im Vaterunser enthalten: "Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir unseren Schuldigern vergeben." (Matthäus 6, 12). Als Erstes ist es wichtig, dass wir erkennen: gekränkt sein, ärgerlich sein, missmutig sein, - ob berechtigt oder nicht, - heimlicher Groll, - das alles ist in Gottes Augen Sünde. - Deshalb sollen wir die ganze Sache einfach zu Gott bringen (nicht selbst dagegen ankämpfen!) und um Vergebung bitten (wie im Vaterunser!). Christus ist für uns gestorben, damit wir Sünden los werden können. Im Abendgebet heißt es: "Deine Gnad und Christi Blut macht ja allen Schaden gut." Jemand hat dann so weitergebetet: "Herr Jesus, Du hast mir vergeben, - nun will ich auch dem .... vergeben, in Deinem Namen." Vergebung in diesem Sinne ist erst durch Christus möglich, vorher gab es das nicht. Darum sagt auch Jesus in der Bergpredigt: "Das Alte Testament sagt: Du sollst deinen Nächsten lieben. ICH aber sage euch: Liebt eure Feinde..." (Matthäus 6, 43+44) In den Psalmen ist viel von den Feinden die Rede (fast in jedem Psalm!), - aber niemals von Feindesliebe. Durch Christus kam die große Wende - für die Menschheit und für den Einzelnen, - und auch für unser Innenleben. Wenn wir die Türen für Christus weit geöffnet und IHN eingelassen haben, dann steht uns eine Kraftquelle zur Verfügung, die uns in allen Situationen hilft. Paulus fasst es in die schlichten Worte zusammen: "Ich vermag alles durch den, der mir die Kraft dazu verleiht: Christus." (Philipper 4, 13). 4. Juni 2005 Pfr. Gerhard Hägel, Bobengrün