80. Bibelkurs                                                                                                                            BK 80            

„Wer ist Jesus Christus?“  Teil XVI

 

Christus – Mitte und Ziel der Geschichte

 

I. Die Bibel ist ein Geschichtsbuch. Sie berichtet, was im Kosmos und auf unserer Erde geschehen ist. Die Geschichte beginnt damit, dass Gott die Welt erschafft. Die Bibel fängt nicht an mit Vorträgen über Liebe, Hoffnung, Gerechtigkeit (obwohl diese Themen später ausgiebig behandelt werden!) sondern wir dürfen am Anfang gleichsam einen Blick in ein Labor tun, in dem Gott als Schöpfer arbeitet. Es folgt danach die Geschichte der Menschheit, beginnend mit Adam und Eva – und geht dann weiter mit: Noah, die Sintflut, Abraham, die Völker der Welt und das Volk Israel, die Könige Israels (darüber wird zwei Mal berichtet: in den zwei Büchern der „Könige“ und den zwei Büchern der „Chronik“ – also gleichsam eine „Verdoppelung“), das Auf und Ab des Volkes Israel bis zur 70-jährigen Gefangenschaft in Babylon. Es wird ausführlich berichtet, was die Propheten erlebten und verkündeten („So spricht der HERR“). Eine Wende erfolgt durch das Kommen des Gottessohns Jesus Christus. Seine Taten und Wunder, Sein Sterben und Seine Auferstehung sind in den vier Evangelien festgehalten (viermaliger Bericht der Geschehnisse um Jesus!). Typisch bei „Markus“ ist das Wörtchen „alsbald“, das 27 mal erscheint. Ein Ereignis nach dem andern mit Jesus wird berichtet, man könnte sagen: „Schlag auf Schlag“ geschieht Großartiges und „alsbald“ wieder Einmaliges. Auch das letzte Buch der Bibel ist eine Ankündigung von dramatischen Begebenheiten, die auf der Erde und im Kosmos geschehen werden. Es geht also in der Bibel immer um Geschichte, um Ereignisse, die wirklich geschehen sind. Das bedeutet: unser Gott ist ein lebendiger Gott, ein aktiver Gott.

            Eugene Peterson schreibt: „Die Hebräer waren die ersten Historiker“. Während ihre Nachbarn, die Assyrer, Babylonier, Ägypter, Perser nur Verträge, Regierungszeiten und Listen von Städten und Ländern niederlegten, die sie erobert hatten, haben die Hebräer das aufgeschrieben, was Gott unter ihnen getan hat. Das war ihnen wichtig, eben weil es Gott gewirkt hat. Bei den geschichtlichen Aufzeichnungen der Völker der Antike werden die Götter nicht als „Mitwirkende“ er wähnt. Wenn diese Völker über ihren Gott schrieben, dann waren es Legenden, Mythen oder allgemeines Geschwätz. – Sehr deutlich sagt das auch der britische Historiker Herbert Butterfield (1900-1979) in Cambridge in seinem Buch „Christianity and History“ (1979): „Das Volk Israel war das erste Volk, das ein starkes Interesse an der Vergangenheit hatte, das als erstes die Geschichte seines Volkes festgehalten hat.“ Das Zentrum ihres Geschichtsdenkens war: Gott hatte ihnen eine Verheißung gegeben – und sie ist eingetroffen. ER versprach ihnen, sie aus der Knechtschaft in Ägypten zu befreien und sie in ihr Land – das „Gelobte Land“ (das heißt: das „verheißene Land“) – zu bringen – und genau so ist es gekommen. Weil das ein außerordentliches Eingreifen Gottes war, haben sie es aufgeschrieben. So entstand „Geschichte“, - also Geschichte, die Gott machte. Das war ihnen so wichtig, dass sie die Befreiung aus Ägypten wie ein Glaubensbekenntnis betrachteten. Man nennt es „das kleine geschichtliche Credo“ (G. von Rad; 5. Mose 6, 20-25 + 5. Mose 26, 5-10), das die Kinder auswendig lernten und bei der Passa-Feier zuhause – und auch sonst häufig - aufsagten. Das „Lied des Mose“ vor seinem Tod (5. Mose 32), auf das sich auch Ben Gurion in seiner Rede bei der Gründung des Staates Israel am 15. Mai 1948 bezog, ist nichts anderes als ein historischer Rückblick. – Auch Stephanus hat vor seiner Steinigung kein Plädoyer, keine dogmatische Verteidigungsrede gehalten, sondern er berichtet über Gottes Wirken in der Geschichte von Abraham angefangen bis in die Gegenwart (Apostelgeschichte 7). Die Hebräer haben ein starkes Geschichtsbewusstsein, - nicht, weil sie einen Nationalstolz haben sondern weil der allmächtige Gott Jahwe in ihrem Volk gewirkt hat. Gottes Taten sind wichtiger als die Taten der Könige und Politiker, deshalb muss es festgehalten werden und darf nicht vergessen werden. Aus diesem Grund ist die Bibel ein Geschichtsbuch.

            Die Liberalen legen wenig Wert auf Geschichte, ihnen sind die Ideen wichtiger. Die Aufklärung (ab 1700) hat diesen Gedanken die Bahn gebrochen. („Aufklärung“ im Englischen: „enlightenment“ = Erleuchtung durch den Verstand!). Helmut Thielicke hat in seinem Buch „Glauben und Denken“ (1985) das deutlich gemacht. Ein Pionier dieser Richtung war G.E.Lessing (1729-1781). Er formulierte die berühmte These: „zufällige Geschichtswahrheiten können nicht den Grund geben für notwendige Vernunftwahrheiten.“ Damals fing es an mit der Geringschätzung der Geschichte und den Taten Gottes. Es hat sich leider fortgesetzt – auch in der Theologie, so dass heute – so der Theologie Prof. Klaus Berger, Heidelberg – ca. 95% seiner Kollegen in Deutschland die Geburtsgeschichten von Jesus für Legenden halten. Dieses Denken ist dem biblischen Denken, das geschichtlich ist, direkt entgegengesetzt. Von daher rührt auch die Schwäche vieler Verkündigung heute, denn Gott bekennt sich nur zu dem Wort, das Ihm die Ehre gibt. – Man hat sich oft von neuen Ideen Großes erhofft, aber leider war es häufig umgekehrt. Karl Marx hat die „Gleichheit aller Menschen“ verkündet und der Kommunismus hat sie praktiziert. Das ging aber nur mit Gewalt, so dass das „Schwarzbuch des Kommunismus“ (1997) feststellte, dass die Idee dieser Lehre bis 1990 über 100 Millionen Menschen in der ganzen Welt das Leben gekostet hat. à Es reicht also nicht, die Ideen von Hoffnung, Liebe, Gerechtigkeit zu verkünden, sondern man muss auch – gemäß göttlicher Anweisung - den Hintergrund, die Taten Gottes predigen: die Schöpfung, die Kreuzigung und Auferstehung Jesu, die Sendung des Heiligen Geistes. Erst dann wird Gott wirksam die Verkündigung begleiten. Nach der Ausgießung des Heiligen Geistes (Apostelgeschichte 2) verkündeten die Apostel in verschiedenen Sprachen als Erstes: „die großen Taten Gottes“. Nicht umsonst ist Pontius Pilatus in das christliche Glaubensbekenntnis aufgenommen worden; damit sollte die Geschichtlichkeit des Gottessohnes unterstrichen werden.

 

II. Die Geschichte beginnt mit der Schöpfung.

  In Israel wird das deutlich, indem bei Datumsangaben – wie bei Zeitungen auf der ersten Seite oben – nicht nur z.B. 2007 zu lesen ist, sondern daneben auch 5767 (so viele Jahre sind nach jüdischer Zählung seit der Erschaffung der Welt vergangen). Als Gott die Welt erschuf, war der Mensch „die Krone der Schöpfung“. Er ist „nach dem Ebenbild Gottes“ geschaffen worden (1. Mose 1). In den letzten Jahrzehnten entdeckten einige Astrophysiker mehrere eigenartige Besonderheiten im Kosmos, die es überhaupt erst ermöglichen, dass Leben auf der Erde entstehen kann. Sie nennen es das „kosmologische anthropische Prinzip“ („anthropos“ heißt der Mensch). Damit sind mehrere Fix-Daten gemeint, die auf alle Fälle notwendig sind, um Lebensbedingungen auf der Erde zu herzustellen. Es beginnt schon mit unserem Planeten Erde. Unser Sonnensystem ist im ganzen Universum das einzige bis jetzt bekannte, das Planeten besitzt. Nur auf Planeten ist Leben möglich, weil es auf Sternen „astronomisch heiß“ ist. Planeten gibt es aber nur im Kosmos, wenn die elektromagnetische Kraft und die Gravitationskraft haargenau ausbalanciert sind (da geht es um milliardstel Bruchteile, für uns unvorstellbar! – siehe Bibelkurs Nr. 79, Seite 8).

Dies sind die wichtigsten Bedingungen für die Entstehung von Leben:

o   Im Kohlenstoff-Atom, dem Grundbaustein allen Lebens, muss ein ganz spezielles Energie-Niveau vorhanden sein. Eine Abweichung von nur 1 % hätte die Schaffung des Kohlenstoffs unmöglich gemacht. Der Entdecker dieser Bedingung, der atheistische Astronom Fred Hoyle, bekannte, dass dies seinen Atheismus ungeheuer erschüttert hat.

o   Die Entfernung zur Sonne (150 Mio. km) muss genau passen. Eine Veränderung von nur  2 Prozent – und das Leben könnte auf der Erde nicht existieren. Die Klimakrise, die wir jetzt erleben, illustriert uns, dass schon kleine Abweichungen große Wirkungen haben.

o   Die Änderung der Rotationsgeschwindigkeit der Erde (die den Wechsel von Tag und Nacht bewirkt) würde katastrophale Auswirkungen haben.

o   Wären die Gravitationskräfte zwischen Erde und Mond (Abstand: 385.000 km; der Mond: 1km in 1sec.) nur etwas größer, dann würden einige Phänomene (Gezeiten) das Leben sehr erschweren.

o   Wenn die Sonne nur ein wenig größer wäre, dann würde ihre Strahlkraft derart steigen, dass das Leben auf der Erde vernichtet würde.

Das ist ein kleiner Teil einer langen Liste. Von daher kann man es verstehen, dass vor einigen Jahren in USA der Ausdruck „Intelligent Design“ (= „genialer Entwurf“, - dem nach Dr. Collins 40% der Naturwissenschaftler in USA zustimmen) geprägt wurde, der alle Beobachtungen in diesem Namen zusammenfasst. Fred Hoyle schrieb: „Da muss ein Superhirn irgendwie in Physik, Chemie und Biologie herumgeschraubt haben, dass diese Ergebnisse zustande gekommen sind. Die Zahlen, die man da von den Fakten berechnet, sind einfach überwältigend.“

Gott schuf den Menschen als Sein Gegenüber, aber der Mensch verfiel der Versuchung durch den Satan und wurde Gott ungehorsam. Dadurch entstand die Trennung des Menschen von Gott. Trotz aller Tragik leuchtet aber doch gleich am Anfang ein Hoffnungsstern auf. Noch vor der  Vertreibung aus dem Paradies kündigt Gott an: Einer aus den Nachkommen der Eva wird der Schlange (dem Satan) den Kopf zertreten, aber sie wird Ihn in die Ferse stechen (= Jesu Tod am Kreuz). (1. Mose 3, 15) Das ist die erste Weissagung auf Christus in der Bibel. Der Plan Gottes mit der Menschheit geht also weiter - trotz des teuflischen Störfeuers. Das ganze weitere Geschehen steuert jetzt auf Christus zu. ER wird zum Mittelpunkt der Menschheitsgeschichte, denn durch IHN ist ein Wende zum Guten geplant. Aber es dauert bin dahin noch 4000 Jahre (nach jüdischer Zeitrechnung).

 

III. Gott erwählt das Volk Israel für Seinen Plan.

  Gottes Rettungsaktion für die verlorene Menschheit beginnt, indem Gott einen einzelnen Menschen ruft – der Ihm auch folgt und vertraut. Es ist Abraham (1. Mose 12), der ca. 2000 v.Chr. lebte. Es war nicht leicht für Abraham, bei den Plänen Gottes mitzumachen. Es geschahen keine besonderen Wunder. Gott versprach dem Abraham einiges (einen Sohn, eine große Nachkommenschaft) – und Abraham sollte diesem Gott einfach vertrauen. Das fiel ihm leichter, als ihm Gott einmal den Sternenhimmel zeigte und dem Abraham aufging, wie gewaltig groß sein Gott ist. (1. Mose 15). Diesem mächtigen Gott traute er nun wirklich alles zu, auch das Lebendigmachen eines toten Isaak. (1. Mose 22). Aus den Nachkommen des Abraham, aus dem Volk Israel, sollte der Retter der Menschheit, der Messias, hervorgehen. – Zunächst war das Ganze eine Familiengeschichte, bis Abrahams Enkel, Jakob, mit seiner Großfamilie (70 Personen) wegen einer Hungersnot nach Ägypten zog. 430 Jahre lang blieb dieser Klan in Ägypten, am Schluss waren es ca. zwei Millionen, die zum „Volk Israel“ zählten. Erst um 1500 v.Chr. taucht dieses Volk in der Weltgeschichte auf, weil Mose beim Pharao dieser Weltmacht die Freilassung seines Volkes verlangt. Dieser „Exodus“ war eine höchst dramatische Aktion, die offenbart, welch eine ungeheure Macht Jahwe, der Gott Israels, besitzt. – Gott hatte viele Schwierigkeiten mit Seinem erwählten Volk, aber ER führte Seinen Plan weiter: um 1200 v.Chr. eroberten sie das „Gelobte Land“, um 1000 v.Chr. regierte der König David, dem noch 21 Könige folgten – bis das auserwählte Volk 586 v.Chr. für 70 Jahre nach Babylon deportiert wurde, - als Strafgericht Gottes für seinen Ungehorsam.

Gott erwählte eines der kleinsten Völker der Menschheit für Seinen Plan (5. Mose 7, 7). Später schreibt der Apostel Paulus: „Was schwach ist vor der Welt, das hat Gott erwählt, damit ER zuschanden mache, was stark ist.“ (1. Korinther 1). Das ist ein göttliches Prinzip, das die ganze Bibel durchzieht. Wer sich schwach fühlt, braucht keine Angst zu haben. Gott kann durch ihn Großes tun.

Mit Israel hat Gott auch die hebräische Sprache auserwählt, um in dieser Sprache Seine göttlichen Gedanken zu offenbaren. Es lohnt sich, einige wichtige Fakten darüber zu erfahren. Der norwegische Theologe Thorleif Boman schrieb das Buch „Das hebräische Denken im Vergleich mit dem griechischen.“ (6. Auflage 1977), das interessante Tatsachen enthält, die uns viel helfen können. Wir sind in Europa durch Jahrhunderte und in allen Bereichen geistig von den alten Griechen und Römern geprägt worden, - auch in unserem Denken. Aber das hebräische Denken ist ganz anders. - Hier folgen die wichtigsten Gedanken Boman’s:

o   Das hebräische Denken (= das biblische Denken) ist dynamisch, kraftvoll, leidenschaftlich.

Der hebräische Geist ist auf das Dynamische und Tätige gerichtet. Das griechische Denken ist statisch, ruhig, harmonisch.

o   Die dynamische Denkart der Hebräer zeigt sich in den Verben, die in ihrer Grundbedeutung

immer eine Bewegung, ein Wirken ausdrücken.

o   Im Gottesnamen Jahwe ist das Verb „haya“ enthalten, das am häufigsten im Hebräischen vorkommt. Es hat drei Grundbedeutungen: Werden, Sein, Wirken. Es bedeutet, dass „Jahwe eine dynamische, tatkräftige persönliche Existenz ist, der Seinen Willen durchsetzt und Seine Ziele erreicht“. Als Gott sich am brennenden Dornbusch Mose vorstellt mit: „ICH bin, der ICH bin“ (2. Mose 3, 14), ist darin enthalten die Hauptbedeutung für Jahwe: Dynamik, Tatkraft, Durchsetzungsfähigkeit. Beim Auszug aus Ägypten (Exodus) mit den 10 extremen Naturkatastrophen, die ganz Ägypten miterlitt, hat das Gott mit besonderer Deutlichkeit offenbart. – Wenn Gott in der Bibel oft Seine Beauftragten (von Abraham über Mose, Jeremia bis Paulus) ermutigt mit dem bekannten: „ICH will mit dir sein!“, so enthält das mehr als im Deutschen zum Ausdruck kommt. Es bedeutet: „Gott will mit mir kämpfen, ER will mit mir arbeiten.“ In meiner Nähe ist also nicht eine stille, ruhige, bedeutende himmlische Gestalt – sondern mit mir und in mir ist ein Gott, der eher einem gewaltigen Vulkan zu vergleichen ist. Deshalb sind in der Bibel für Gott viele übernatürliche Bilder verwendet: „Wenn – beim Exodus – Gott erscheint, hüpfen die Berge wie die Lämmer, das Meer flieht, der Jordan wendet sich zurück, Steine werden zu Wasserquellen ... Bäume sollen mit den Händen klatschen“ (Psalm 114+Jesaja 55; auch Psalm 46, 1-8)

o   Das WORT ist für den Hebräer höchste Realität (für die Griechen: das Ding): es bedeutet Wort und Tat. Das WORT hat eine gewaltige dynamische Macht (entgegengesetzt die griechische Auffassung: „Schall und Rauch“). Das zeigen die Bilder für „die Stimme Jahwes“ in Psalm 29: „Seine Stimme donnert, zerbricht die Zedern, lässt den Libanon hüpfen, die Wüste erbeben, sprüht Feuerflammen, reißt Wälder kahl (Orkan „Kyrill“ am 25.1.07!), lässt Eichen wirbeln.“ Die außergewöhnlichen Naturerscheinungen sollen uns daran erinnern (wie beim Exodus!), wie groß die Macht Gottes ist, wie stark die Kraft Seines Wortes ist.

o   Die Hebräer teilen die Zeit nicht ein in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft – sondern in:

vollendete und unvollendete Handlung. Deshalb konnten sich die Hebräer Vergangenheit und Zukunft als Gegenwart vorstellen, ohne dabei das klare Bewusstsein zu verlieren. Darin liegt auch der Grund, warum die ersten Christen (die ja meist Juden waren) das Wiederkommen Jesu bald erwarteten und die Verzögerung ihnen überhaupt kein Problem war!

o   Den Israeliten offenbart sich Gott in der Geschichte, indem ER handelte und schuf – nicht in Ideen. Gottes Wesen lernt man nicht in Lehrsätzen sondern in Handlungen kennen.

o   Die Kunst der hebräischen Dichter und Denker ist nicht, etwas Schönes schrittweise aufzubauen, sondern auf ein Thema in immer neuen Variationen zurückzukehren. Deshalb lieben sie die Wiederholungen, gerade in den Psalmen (parallelismus membrorum). Im Buch Prediger wird die „Nichtigkeit“ (Luther: Eitelkeit) dem Hörer regelrecht „eingehämmert“.

o   Für die Hebräer ist das Hören viel wichtiger als das Sehen, das die Griechen betonen.

o   Die Griechen beschreiben die Wirklichkeit als Sein, die Hebräer als Bewegung.

Das hat für uns Christen eine große Bedeutung, denn wir sind als Abendländer alle vom griechischen Denken geprägt. Es ist wichtig fürs Beten: von einem dynamischen Gott kann ich leichter Wunder erwarten als von einem ruhenden Gegenüber. Damit hängt es zusammen, dass die Juden ständig ihren Oberkörper bewegen beim Beten an der Klagemauer in Jerusalem. - Wenn sich in meinem Denken die Bilder vom Sturmwind, Donner und Erdbeben, von wankenden Bäumen und Bergen mit Gott verbinden, dann fällt es mir nicht schwer zu glauben, dass Gott durch meine Gebete einiges ins Rollen bringen wird. Wer hätte gedacht, dass Gott auf die Gebete vieler Christen hin 1989 den Eisernen Vorhang zerriss? Wer hätte gedacht, dass 2007 der Chef des Religionsministeriums in China bekannt gibt: es leben in diesem Land 130 Mio. Christen (10%), - ein Land, das Jahrzehnte (fast 70 Jahre) lang von schlimmsten Christenverfolgungen durch den Kommunismus heimgesucht war. Das sind Zeichen für die gewaltige Macht Gottes, die durch Gebete in Bewegung gesetzt wird. Viele Politiker haben keine Ahnung von dieser Macht. Das dynamische Denken der Hebräer hilft uns, von Gott Großes in Gebeten zu erwarten.

·                    Israel ist ein auserwähltes, ein besonderes Volk. Das wird jedem deutlich, der einen Blick wirft in die Liste der Nobelpreisträger. Seit 1901 haben etwas 600 Preisträger diese Auszeichnung erhalten. Unter ihnen waren 163 jüdischer Abstammung (ganzseitige Anzeige mit Nennung der Namen, 2005 in FAZ und ZEIT), das sind über 20%. Alle arabisch-moslemischen Länder (20 % der Weltbevölkerung) erhielten bisher 8 Nobelpreise. Der Islam ist wissenschaftsfeindlich, weil er keine Geistesfreiheit gibt. - (Israel zählt 2 Tausendstel der Weltbevölkerung).

·         In ganz anderer Hinsicht ist Israel auch ein besonderes Volk. Kein Volk auf der Erde ist durch zwei Jahrtausende so furchtbar verfolgt worden wie das jüdische (ein Gericht Gottes, weil Israel den Messias ablehnte). Dass es nach dieser langen Zeit erstarkt sich wieder gesammelt hat, ist ein Wunder in der Menschheitsgeschichte. Gott selbst hat Sein Volk bewahrt, weil ER mit ihm Seinen Plan weiterführen will. Es gab kein Jahrhundert ohne Judenverfolgung. - Einige Beispiele:

August 70 Zerstörung Jerusalems durch die Römer: über 1 Million Juden getötet

132-135        letzter Aufstand der Juden (Bar Kochba) gegen die Römer, die sie besiegten: 500.000 Tote

1096               12.000 Juden im Rheinland getötet

1298               100.000 Juden getötet in Franken, Bayern und Österreich

1306    Vertreibung von 100.000 Juden aus Frankreich unter Androhung der Todesstrafe

1348-1350  In den Pestjahren wurden in Deutschland – bis auf wenige - fast alle Juden getötet

1492    300.000 Juden aus Spanien vertrieben – unter Androhung der Todesstrafe

1648-1658  400.000 polnische Juden getötet im russ.-poln.-schwed. Krieg

1939-1945  Holocaust (Schoa): 5-6 Mio. Juden durch das Nazi-Regime getötet

Heute gibt es etwa 13 Mio. Juden auf der Welt. In Israel leben 7 Mio. Juden (das sind 75% der Einwohner Israels, 18 % sind Araber).

 

IV. Die „Rahmenbedingungen“ für das Kommen des Gottessohnes waren ideal im Jahre Null.

  Paulus formuliert das so: „Als die Zeit erfüllt war, sandte Gott Seinen Sohn...“ (Galater 4, 4) Dabei dachte er sicher zunächst an die 333 Prophezeiungen auf das Kommen des Messias im Alten Testament. Aber es ist ein Zeichen göttlicher Weisheit, dass im Jahre Null die Voraussetzungen für eine schnelle Ausbreitung des Evangeliums am besten gegeben waren.

·         Alexander der Große (geb. 356; 336-323 v.Chr. König) hatte in seinem Weltreich (von Griechenland bis Persien) Griechisch als „Reichssprache“ eingeführt. Es war im ganzen Mittelmeerraum verbreitet (hatte eine noch größere Bedeutung als heute das Englische als Weltsprache).

·         Juden siedelten sich in allen Mittelmeerländern an (die „Diaspora“ = „Zerstreuung“): in Ägypten bildeten sie 1/8 der Bevölkerung, in der Hauptstadt Alexandrien sogar die Hälfte. Um 150 v.Chr. wird das Alte Testament in Ägypten ins Griechische übersetzt, die sog. Septuaginta. Sie wird die „Weltmissionsbibel“ der ersten Christenheit.

·         Im Römerreich wurde nach 200 Jahren Bürgerkrieg im Jahre 29 v.Chr. der Kriegstempel geschlossen (der Janus-Tempel). Augustus wurde als großer Friedenskaiser gefeiert.

·         Eine große religiöse Erlösungssehnsucht verbreitete sich in Ost und West, weil die Moral unter den Menschen immer mehr verfiel. Der römische National-Dichter Virgil (100 v.Chr.) besingt in einem Hirtenlied ein Kind, welches vom Himmel kommt und das Goldene Zeitalter zurückbringen wird. Viele sahen in Christus die Erfüllung dieser Vision.

So kann man auch hier erkennen, wie Gott die Fäden des Weltgeschehens in der Hand hat.

 

V. Gott lenkt die Geschichte zu allen Zeiten nach Seinem Plan.

  Wer in der Zeitung die Weltpolitik verfolgt, fragt sich oft: wer steuert das alles? Der große britische Historiker J.B. Bury (1861-1927), der die Weltgeschichte wie kaum ein anderer kannte, kam am Ende seines Lebens zu der Ansicht: es wird alles vom Zufall gelenkt. Sein Schüler H. Butterfield (der Christ war) vertrat eine ganz andere These. Er schreibt: „Nichts ist wichtiger als die Erkenntnis, dass die Vorsehung Gottes alles lenkt, auch die Details im Leben in jedem Moment. Ohne diese Überzeugung gibt es keinen echten Glauben und kein wirkliches Gebet. Entweder man führt alles auf den Zufall zurück oder auf Gott. Gottes Wirken in der Geschichte erkennt man aber erst, wenn man Gott im eigenen Leben gefunden hat.“ („Christianity and History“ 1979)

  Es gibt in der Geschichte mehrere Beispiele von „Wendepunkten“, deren Ursachen viele Historiker bis heute nicht erklären können. Die Antwort darauf ist: auch hier hat Gott Seine Hand im Spiel. Immer wenn die Menschen vor einem Rätsel stehen ist das ein Zeichen, dass Gott hier im Geheimen arbeitet. „Niemand sah Seine Spur“ heißt es im Psalm 77. – Hier nur einige Beispiele aus 2000 Jahren Menschheitsgeschichte:

·         701 v.Chr. stand Jerusalem vor der Einnahme durch die Weltmacht der Assyrer unter Sanherib. Das hätte das Ende der jüdischen Kultur bedeutet. Ein Historiker vermutet: Über Nacht habe sich ein Virus im Trinkwasser verbreitet, der zu einem Massensterben der assyrischen Armee führte. Ursache: Gott hat das Gebet des Königs Hiskia im Tempel von Jerusalem erhört. (Jesaja 36+37)

·         480 v.Chr. holte die Weltmacht Persien (70 Mio. Bewohner) unter Xerxes zum Entscheidungsschlag gegen die Griechen (1 Mio. Einwohner) aus, gegen die sie schon mehrmals gekämpft hatten. In der Seeschlacht bei Salamis (nicht weit von Athen entfernt) verlor die Übermacht der Perser, weil der griechische Feldherr Themistokles eine List anwendete. Durch einen Sieg der Perser wäre die Geschichte des Abendlandes anders verlaufen. Eine Weltsprache Griechisch, wie sie Alexander der Große nach seinem Sieg über die Perser 200 Jahre später einführte, hätte es vermutlich nicht gegeben.

·         1242 waren die mongolischen Eroberer Osteuropa durchquert und waren im Begriff, das größte Kontinentalreich der Weltgeschichte zu errichten. Die christlichen Armeen von Polen und Ungarn hatten sie vernichtet und belagerten jetzt Wien. Plötzlich traf der Tod Ügedei, den dritten Sohn Dschingis Khans.

Das Gesetz der Mongolen verlangte: wenn der Khan stirbt, müssen alle in die Mongolei zurück und den neuen Khan wählen. – Dieser plötzliche Tod hat die Christenheit vor einer Katastrophe bewahrt.

·         1529 erreicht die Armee des osmanischen Sultans Süleyman des Prächtigen nach einem Siegeszug die Stadt Wien. Die Belagerung dauert an. Auch Martin Luther ruft zum Gebet auf. Aber es kommt nicht zur Einnahme. Die wochenlangen sintflutartigen Regenfälle hatten den Boden aufgeweicht, so dass man die schwere Artillerie nicht einsetzen konnte. Die Türken zogen im Herbst wieder ab. Das Abendland atmete auf. Noch heute erinnern in manchen Kirchen die „Türkenschläge“ der Glocken an diese Gefahr.

75 Jahre vorher (1453) war Konstantinopel, eine christliche Metropole, den Türken zum Opfer gefallen.

 

VI. Christus – der Mittelpunkt der Geschichte.
 
Alle Weltbewegungen zielen auf Christus hin. ER brachte die große Wende. Die Jahreszahlen nach Christus erinnern daran in den Millionen Büchern und Zeitungen der ganzen Welt. Alles wird zeitlich nach Christus gerechnet: die Eiszeit und die Steinzeit, ob es die Lebensdaten von Mohammed oder von Lenin sind – Christus dient in aller Welt als zeitlicher Orientierungspunkt. – Was war nun das Besondere, das Christus brachte und was die Religionen nicht besaßen?

  Alle Religionen bemühen sich, Verbindung mit Gott aufzunehmen. Sie ahnen, dass sie Gott erzürnt haben und versuchen deshalb, Gott gütig zu stimmen. Deshalb gibt es in allen Religionen Opfer, oft sogar Menschenopfer. Kleine Lichtblicke ergaben sich im 8. – 6. Jahrhundert v.Chr. durch Konfuzius und Laotse in China, Buddha in Indien, Zarathustra in Persien (zur gleichen Zeit wirkten die großen Propheten Jesaja und Jeremia). Aber auf die großen Probleme der Menschheit (Sinn des Lebens, Schuld, Tod, Ewigkeit) gaben sie keine zufriedenstellenden Antworten. Hier bringt erst Christus Licht in die Dunkelheit.

  Was war das Neue im Bereich der Religion, das allein Christus hat?

·         Christus löst das Problem der Schuld, indem ER nicht neue Opfer einführte sondern indem ER sich selbst opferte. Dieses Opfer bewirkt eine echte Versöhnung mit Gott. Gott nimmt dieses Opfer an und schenkt dafür dem Menschen, der seine Schuld und Sünde an Christus abgegeben hat, den Frieden mit Gott. Dieser Friede ist etwas sehr Kostbares. Die ganze Menschheit sehnt sich danach. Aber allein Christus kann ihn uns vermitteln, weil nur Sein Opfer bei Gott wirklich zählt. ER befreit uns von der Macht des Bösen. Deshalb wird Christus auch der Erlöser genannt.

·         Christus gibt dem Menschen Kraft zu einem neuen Leben. Alle Menschen suchen nach einem neuen, besseren Leben. Aber es fehlt ihnen die Kraft, das Böse zu überwinden und das Gute zu tun. Bei diesem Problem hilft Christus, indem ER selbst beim Menschen „einsteigt“ und „die Arbeit übernimmt“. „Wer Ihn aufnahm, der bekam Kraft...“ (Johannes 1, 12)

·         Christus nimmt dem Tod die Macht ab durch Seine Auferstehung. ER sagt: „ICH lebe und ihr sollt auch leben.“ „Wer an Mich glaubt, der hat das ewige Leben.“ (Johannes 14, 14; Johannes 3, 16) Für die Christen hat der Tod seine Schrecken verloren. Das haben die Märtyrer oft kraftvoll bezeugt.

Alle Religionen und Weltanschauungen geben in diesen Punkten nur schwache Antworten, deshalb können sie auch Menschen nicht zum inneren Frieden führen. Allein in Christus findet der Mensch die Fülle des göttlichen Lebens. Das bezeugen die berühmten Sätze Jesu: „ICH bin der Weg, ICH bin die Wahrheit, ICH bin das Leben. Deshalb könnt ihr allein durch Mich zu Gott kommen, der für euch dann zu eurem himmlischen Vater wird.“ (Johannes 14, 6)

 

VII. Christus – der Zielpunkt der Geschichte.

 

      Seit Erschaffung der Welt zielte alles Geschehen ab auf das Kommen des Messias. Sobald Christus erschienen war, wurde sofort als nächstes großes Ziel Seine Wiederkunft verkündet. ER selbst hat ausführlich darüber gesprochen. War Sein erstes Erscheinen (in Bethlehem) in großer Armut und Schwachheit, wird Seine Rückkehr das Gegenteil sein:

·         Christus wird wiederkommen „mit großer Kraft und Herrlichkeit“. Allein mit „dem Hauch Seines Mundes wird ER den Antichrist töten.“ (2. Thessalonicher 2, 8) ER wird von einem großen Heer des Himmels begleitet, die Posaune Gottes ertönt vom Himmel und das „Zeichen des Menschensohnes“ wird in den Wolken für alle Menschen zu sehen sein.(Matthäus 24, 30) Mit IHM zusammen werden alle Gläubigen „entrückt“ in die himmlische Welt (1. Thessalonicher 4, 17).

·         An Seiner Wiederkehr ist auch der ganze Kosmos beteiligt (wie bei Seinem Tod am Kreuz!). An Sonne, Mond und Sternen werden Zeichen geschehen, die Himmelskräfte geraten ins Wanken. (Lukas 21) Unter den Menschen wird sich große Ratlosigkeit und Angst verbreiten.

 

VIII. Was bedeutet es für uns, wenn Christus der absolute Zentralpunkt der Geschichte ist?

·         Christus sollte auch in unserem Leben der Mittelpunkt sein, - auch in unserem Denken und in unseren Gebeten. Für die Benediktiner ist jeder Psalm ein Gebet zu Christus.

·         Christus sollte auch in unserer Verkündigung nicht an den Rand geschoben werden sondern immer das Zentrum sein. Paulus schreibt im Blick auf ganz verschiedene Verkündiger: „ich freue mich über alles, wenn nur Christus verkündigt wird auf jede Weise“ (Philipper 1, 18). Luther betont immer wieder: „Christus ist die Mitte der Schrift.“

·         Wenn an Christus und Israel in der Geschichte deutlich wird, mit welch großer Weisheit und Liebe Gott Seine Pläne durchdacht und durchgeführt hat, dann sollten wir daraus schließen, dass Gottes Hand auch unser Leben mit derselben Macht, Weisheit und Liebe lenkt und steuert. Deshalb sollten wir die Redensarten meiden: „da sehe ich keinen Sinn drin!“ – „warum musste mir das widerfahren?“ – „wie lange soll das noch so weitergehen?“ Das sind alles Sätze, die die weise Planung und Führung Gottes anzweifeln. – Der Gott, der die Sterne mit großer Präzision lenkt und auch den Weg eines jeden einzelnen Menschenhaares verfolgt, der wird mit noch viel mehr Sorgfalt und Liebe unsere Wege durchdenken und begleiten.

Wir sollten uns die großen göttlichen Wahrheiten einprägen und täglich vor Augen halten, dass sie auch unsere Gedankenwelt beherrschen:

o   Gott führt uns mit großer Kraft (die bei der Schöpfung, beim Exodus Israels und bei der Auferstehung Jesu offenbar wurde!)

o   ...mit viel Weisheit (wie es im Leben Josephs in Ägypten deutlich wird, wo Gott für Seine Ziele und Zwecke Morddrohung, Sklavenschicksal, Verleumdung und Enttäuschung einsetzt).

o   ...mit viel Liebe. Das wird am Tod des Gottessohnes für uns auf Golgatha offenbar.

Der berühmte Vers Römer 8, 28 hat ewige Gültigkeit: „Wir wissen, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge (und Ereignisse und Schicksale) zum Besten dienen.“

 

24. März 2007                                                                                     Pfr. Gerhard Hägel, Bobengrün