84. Bibelkurs BK 84 Einst tot - jetzt lebendig mit Christus wie äußert sich der Unterschied? (Epheser 2) Darüber schreibt Paulus im Jahre 60 n.Chr. als Gefangener in einem Brief aus Rom an Menschen in der Großstadt Ephesus (damals ca. 300.000 Einwohner) und meint damit die große Wandlung, die sie in ihrem Leben erfahren haben, als sie Christen geworden waren: "Ihr wart früher tot - nun seid ihr lebendig gemacht mit Christus." (Epheser 2, 1+5) Einen größeren Unterschied gibt es nicht auf Erden (außer Himmel und Hölle). Paulus zeichnet hier einen immensen Kontrast: ohne Christus ist ein Mensch tot - mit Christus beginnt das Leben. Christus bringt eine gewaltige Veränderung in ein Menschenleben, wenn man Ihn aufgenommen hat. Die Wahrheit dieses Satzes hat Paulus in Ephesus viele Male erfahren. Gerade in dieser Stadt war das Christwerden bei jedem Menschen ein großes Wunder. Paulus war drei Jahre lang in Ephesus als Apostel tätig (Apostg.20, 31). Ephesus war die Hauptstadt der röm. Provinz Asia (heute Kleinasien), an der Küste gelegen. Sie war auch Metropole des Götzendienstes. Der größte Tempel im griechischen Sprachbereich, der Göttin Diana (= Artemis) geweiht, stand in Ephesus und war eines der sieben Weltwunder. Die Stadt war berühmt geworden durch die "ephesinischen Zauberpergamente", die man für teures Geld kaufen konnte. Auf ihnen standen Zaubersprüche, die Wunder bewirken sollten. Paulus predigte in der weltlichen Vorlesungshalle des Tyrannus, die er wohl gemietet hatte. Zwei Jahre lang hat er dort - nach alten Handschriften - täglich 5 Stunden (von 11 Uhr bis 16 Uhr) die biblische Botschaft verkündet (insgesamt 3.650 Stunden in 2 Jahren!) Aus der ganzen Provinz Asia kamen die Leute in die Hauptstadt, um die Botschaft des Apostels von Jesus zu hören. Wer in Ephesus zu tun hatte, konnte jeden Tag die Gelegenheit nützen, Paulus zu hören. So verbreitete sich das WORT Gottes in der großen Provinz. Das ist die längste Zeit, die Paulus in die Gründung einer Gemeinde investiert hat. Das war sozusagen eine "Evangelisation", die über 700 Tage ohne Unterbrechung, jeden Tag durchgeführt wurde - von e i n e m Prediger. Paulus hatte natürlich die Vision, dass von der Metropole Ephesus aus sich die Auswirkungen auch auf andere Städte erstreckten (Smyrna, Sardes, Laodizea, Kolossä). Gott wirkte auf diese Weise durch Sein WORT kräftig an den Menschen, so dass viele zu Paulus kamen, ihre üblen Aktivitäten bekannten und Vergebung empfingen. Die Zauberei getrieben hatten, brachten ihre Zauberpergamente zusammen und verbrannten sie öffentlich in der Stadt. Da gingen Papyri im Wert von ca.1Mio. Euro in Flammen auf (= 50.000 Denare, 1 Denare ist ein Tageslohn). Das ist ein Beweis für die große Kraft Gottes. Dies hat natürlich die Gegenseite auf den Plan gerufen: Demetrius, der Chef der Goldschmiede-Zunft, fürchtete um sein Geschäft mit den silbernen Diana-Figuren. Man organisierte eine Demonstration und es entstand ein Riesentumult in der Stadt, der Paulus beinahe das Leben gekostet hätte.(Deshalb schreibt Paulus später in Anspielung darauf, dass er "in Ephesus mit wilden Tieren gekämpft" habe. - 1. Korinther 15, 32) Diesen dramatischen Hintergrund muss man sehen, um die Ausdrucksweise des Apostels besser verstehen zu können. Drei Jahre lang hat Paulus mitten in der Hochburg des Götzendienstes immer wieder erlebt, wie Menschen, aus der finsteren Welt der Dämonen befreit, fröhliche Christen geworden waren. Diese Verwandlung hat Christus bewirkt. Es ist deshalb in der Gemeinde in Ephesus am Anfang eine große Liebe zu Jesus entstanden, - aus Dankbarkeit, dass sie durch Jesus Befreiung erfahren hatten. Damit verbunden ist der Satz im Sendschreiben an die Gemeinde von Ephesus: "ICH habe wider dich, dass du die erste Liebe verlässest." (Offenbarung 2) Paulus hat auf seiner letzten Reise nach Jerusalem (die zu seiner Gefangennahme führte) in der Hafenstadt Milet extra die Ältesten von Ephesus kommen lassen und sie eindringlich unter Tränen ermahnt, dem HERRN treu zu bleiben.(Apostelgeschichte 20, 17-38) Daraus kann man erkennen, dass ihm die Gemeinde Ephesus sehr am Herzen lag. Hier hat er am längsten verkündigt, in diese Gemeinde hat er sein Herzblut gegeben, in dieser Hauptstadt hat Christus große Siege errungen. (Timotheus war der erste Bischof von Ephesus). Was meint die Bibel, wenn der Apostel schreibt "ohne Christus seid ihr tot"? I. Der Mensch ohne Gott ist - in Gottes Augen - tot. Das ist natürlich ein vernichtendes Urteil - aber es ist die Wahrheit. Paulus schreibt hier: "Ihr wart tot durch eure Übertretungen und Sünden, in denen ihr früher gelebt habt nach der Art dieser Welt." (V.1) Diese Beschreibung gilt für jeden Menschen in der Welt, nicht nur für Gangster oder wilde Heiden. Es ist eine Zusammenfassung der Kapitel 1-3 im Römerbrief, die in dem Satz gipfeln: "... da ist keiner der Gutes tue (der 100-prozentig den Willen Gottes tut!), auch nicht einer." (Römer 3, 12). Der Mensch ohne Gott ist in Gottes Augen nicht bloß krank, - er ist tot. Sünde ist vor Gott viel schlimmer als die meisten Menschen denken. 1. Tot sein bedeutet nach der Bibel für Menschen: * sie sind quicklebendig - aber die Seele ist tot * sie sind taub für die Stimme des Heiligen Geistes * sie sind blind und nicht begeisterungsfähig für die Herrlichkeit Jesu * für sie ist Gott keine Realität im Alltag (eher eine Idee oder so etwas wie eine "Notbremse") * sie verkehren nicht mit Gott im Gebet * sie haben keine Sehnsucht nach Gemeinschaft mit Gläubigen * sie verspüren keinen Hunger nach Gottes WORT (die Speise für die Seele) * sie haben keine innige Liebe zu Gott --> ihre Seele verhält sich also wie ein Leichnam, - gibt kein Lebenszeichen von sich, - ist tot! 2. Sie sind Sklaven böser Mächte. * Paulus schreibt hier: "ihr lebtet nach der Art der Welt unter dem Mächtigen, der in der Luft herrscht (das ist der Satan), nach dem Geist, der zu dieser Zeit am Werk ist (das ist der "Zeitgeist") als Kinder des Ungehorsams ... in den Begierden des Fleisches und tatet den Willen des Fleisches und der Sinne." (V.2+3) Paulus weist hier auf drei Großmächte hin, die den Menschen dirigieren: Welt - Satan - Fleisch. * "... ihr lebtet früher nach der Art dieser Welt" (V.2) Die Welt hat ein anderes Wertesystem als das "Reich Gottes" (= wörtlich: der "Herrschaftsbereich Gottes"). In dieser Welt gilt: o materialistisches Denken: essen, trinken, genießen, sehen, erleben, besitzen, gewinnen ... o egoistisches Denken - keine Rücksichtnahme auf andere oder gar Behinderte; bei diesen Menschen dreht sich alles um das Ich! - Es geht um Selbstverwirklichung! o Anpassung des eigenen Lebensstils an das Leben der anderen - ohne zu fragen, ob das dem Wertesystem Gottes entspricht oder nicht * "... ihr lebtet unter dem Mächtigen, der in der Luft herrscht" (V.2) - das ist der Satan, der hinter dem "Zeitgeist" steckt, der die Menschen beherrscht. Zeitgeist = Geistesströmungen, die unsichtbar sind und die die Weltatmosphäre bestimmen, es sind Trends, die sich in Windeseile verbreiten; "in der Luft" das heißt: unsichtbar, schwer zu erkennen - aber dennoch: der Satan übt dadurch Herrschaft aus, - Menschen müssen ihm gehorchen. Der Satan ist viel mehr unsichtbar am Werk als die meisten Menschen denken. * "... ihr lebtet in den Begierden des Fleisches und der Sinne." (V.3) Es sind nicht nur die Begierden des Körpers gemeint (Sex, Fressen und Saufen, Schlafen - von Gott ursprünglich zur richtigen Verwendung bestimmt) - sondern auch die "Begierden der Sinne, des Geistes", die als negative, widergöttliche Kräfte kaum erkannt werden: o Stolz und Überheblichkeit ? Stolz auf die Rasse o falscher Ehrgeiz ? Stolz auf die Verwandtschaft o Rachegedanken ? Stolz auf Anständigkeit, auf ordentliche Lebensführung 3. Sie sind "unter dem Zorn Gottes" - und damit verdammt. (V.3) Der "Zorn Gottes" ist nicht mit dem Zorn der Menschen zu vergleichen (ist keine Rache, keine Aufwallung des Gemüts!) sondern: Gott ist ständig gegen das Böse, schließt niemals Kompromisse damit. Er verdammt jede Sünde. "Kinder des Zorns von Natur" (V.3) das heißt: die Sünde steckt uns in den Knochen, der Mensch hat eine angeborene Neigung zum Bösen. Er ist von innen heraus immer gegen das göttliche Gebot. Die üblichen Rezepte, den Menschen zu verbessern, sind bis heute immer wieder angewandt worden, haben aber durch die Jahrhunderte nicht viel erreicht. Erziehung und Gesetzgebung haben keine Kraft, Mensch zu verändern. Der Schaden sitzt tiefer. Und da kann nur das göttliche Mittel helfen: die Botschaft von Christus. Wenn Christus in das Innere eines Menschen hineinkommt, entfaltet ER Seine Kraft und es zeigt sich, dass ER stärker ist als das Böse. Vergebung bewirkt Heilung und der innewohnende Christus ist eine starke Erneuerungskraft. Das hat sich seit Jahrhunderten bis heute bewährt. Die überzeugendsten Beispiele begegnen uns auf dem Missionsfeld, wo sich immer wieder herausstellt, dass Christus stärker ist als alle Dämonen. Durch Christus begann in vielen Regionen bei den grausamen Naturvölkern erstmals so etwas wie Zivilisation und Kultur. Werner Jahnke (WEC) war kürzlich in Mittel-Java (Indonesien) in einer Stadt, wo jeden Sonntag über 2000 Christen die Gottesdienste besuchen (um 6.00 Uhr 600, um 9.30 Uhr 900 und um 16.30 Uhr 600 Besucher). Diese Gemeinde hat 28 vollzeitlich angestellte Pfarrer und Jugendsekretäre und beginnt jetzt, Missionare auszusenden. In einem Klassiker der Missions-Theologie werden viele dieser Gedanken noch deutlicher: Das Buch "Lebenskräfte des Evangeliums" erschien 1911 als Zusammenfassung der Erfahrungen von Johannes Warneck (1867-1944) der viele Jahre als Pionier-Missionar in Indonesien (in Sumatra unter den Batak) tätig war. Sein Vater Gustav Warneck (1834-1910) begründete die ev. Missionswissenschaft in Deutschland. Das viel beachtete Buch (6 Auflagen!) wurde 1970 nachgedruckt, weil es wichtige Erkenntnisse bringt. Hier folgen einige, die auch heute noch große Bedeutung haben: Typische Kennzeichen der animistischen Religionen (Naturreligionen) sind: o Die Furcht vor tausend Geistern (die sog. "Heidenangst"). Daneben ist die Lüge die stärkste Macht unter den Animisten. Lügen bedeutet "klug sein". "Ohne mit der Wimper zu zucken gebrauchen sie die stärksten Flüche zur Bekräftigung ihrer Unwahrheiten." - Jesus sagt: "Der Teufel ist der Vater der Lüge. Wenn er Lügen spricht, so spricht er aus dem Eigenen." (Johannes 8, 44) o Die unheimliche Macht der Dämonen. Der Dämonenglaube ist die einzige vom Volk empfundene religiöse Größe. Zu ihren Göttern haben sie keine Beziehung. Aber niemand zweifelt an der Realität der bösen Mächte. Der Islam vermag hier nicht als Befreier aufzutreten. Dass Jesus der Besieger der Dämonen ist, empfanden sie als ungeheure Befreiung. Die Anwesenheit von Christen verhinderte sogar die Aktivitäten der Zauberpriester. Schon Christen in den ersten Jahrhunderten (Tertullian) berichteten, dass in ihrer Gegenwart das Tun der Wahrsager wirkungslos war. - Das ist ein Beweis der großen Macht von Christus, der in den Christen gegenwärtig ist. o Große Wirkung erzielten immer die Missionare, wenn sie über die großen Machttaten Gottes predigten. Die Allmacht Gottes machte den stärksten Eindruck auf die Heiden. Die Animisten waren nicht fähig, logischen Gedanken zu folgen, aber sie lauschten fasziniert, wenn aus dem Leben von Abraham, Mose, David erzählt wurde - oder von den Geschichten um Jesus in den Evangelien, wie Gott im Leben gewirkt hat. Ein großer Vorzug des Evangeliums ist nicht so sehr die Lehre, sondern dass es Geschichten bringt, die vom handelnden Gott Zeugnis ablegen. - Das ist ein sehr starkes Argument gegen viele moderne Theologen, die oft von Mythen und Legenden (auch in den Evangelien) reden. Auf diese Weise nimmt man der christlichen Botschaft die Kraft und die Dynamik. Die Schwäche so mancher Predigten hat hier ihre Wurzeln. o In der Verkündigung der Missionare zeigte es sich, dass in der Polemik keine Überzeugungskraft ist. Paulus hat sie auch in Ephesus gemieden. Denn der röm. Kanzler sagte, um die aufgewühlte Menge nach dem Aufruhr des Demetrius zu beschwichtigen, über Paulus, dass "er weder ein Tempelräuber noch ein Lästerer der Göttin Diana ist." (Apostelgeschichte 19, 37) o Der Egoismus ist ungeheuer stark. Man opfert den Göttern nur, um sie sich dienstbar zu machen. Nächstenliebe ist völlig unbekannt. Die Sklaven sind meistens die ersten, die sich dem Evangelium öffnen. - Märtyrer gibt es bei den Animisten nicht. o Sitte und Tradition haben eine ungeheure Macht, der "stärkste Turm der heidnischen Festung". "Das haben wir bisher immer so gemacht" ist häufig die Antwort an die Missionare. o Der Fatalismus ist ein Kennzeichen allen Heidentums (vgl. die "Moira"/das Schicksal - bei den Griechen): "Es lässt sich nichts machen." "Es ist alles im voraus bestimmt." "Der eine ist reich, der andere arm, das kann man nicht ändern." Deshalb sind die Animisten auch so ernergielos. o Es dauert oft Jahre, bis das Denken, Fühlen und Wollen der Animisten verändert ist. o Diese Fakten könnten uns oft helfen, "die Sage von den glücklichen Naturvölkern" (so Warneck in seinem Buch) zu korrigieren. Wie kann aus einem "toten" Menschen ein lebendiger, göttlicher Mensch werden? II. Christus bringt einem Menschen göttliches Leben. "Aber Gott ..." - beginnt Paulus diesen neuen Abschnitt, in dem er die "Wende" beschreibt - "hat uns, die wir tot waren, mit Christus lebendig gemacht." Christus ist die göttliche Antriebskraft, die eine Wende herbeiführt. Von Ihm werden zwei Hauptereignisse aus Seinem Leben erwähnt: Auferstehung und Sitzen auf dem Thron Gottes. Beide verbindet der Apostel ganz eng mit den Christen. ? Christen sind Menschen, die mit Christus auferstanden sind und die ? mit Christus in die himmlischen Bereiche eingesetzt werden, so dass sie teilhaben an Seiner Herrschaft über alle Mächte und Kräfte. (V.6) Das sind schier unglaubliche Aussagen, die wenigen bekannt sind, aber so sieht der Apostel das Neuwerden eines Menschen. Das ist nur durch Christus möglich. Ohne Christus bleibt es ein Traum. Man sieht daran sehr deutlich, wie wichtig es ist, dass wir eine enge Verbindung mit IHM pflegen. Wo ER das Steuer übernimmt geschieht Großes. Sobald wir IHN aufnehmen, wohnt in uns eine Kraft, die Außergewöhnliches zustande bringt. Mit Christus steigen wir heraus aus dem Todeskerker. Mit Christus erleben wir eine Auferstehung. Mit Christus können wir herrschen über die bösen Mächte. Diese Gedanken scheinen Paulus sehr wichtig zu sein, denn im Brief an die Kolosser bringt er noch einmal fast dieselben Passagen im 2. Kapitel, V.12-13: "Ihr seid mit IHM auferstanden aus der Kraft Gottes und ER hat euch mit IHM lebendig gemacht, die ihr tot wart in den Sünden." Christus ist also so etwas wie eine Schlüsselfigur. Christus muss der Mittelpunkt werden, dann kommt es zur Wende. Wird Er nur am Rand eingesetzt, ändert sich nicht viel. Alle fromme Religiosität in ihren verschiedenen Nuancen wird wenig Lebensveränderungen bringen, - solange Christus nicht den dominierenden Platz bekommt. Christus ist für Paulus das Geheimnis eines "neuen Lebens". Ohne Christus läuft bei ihm nichts, - aber auch gar nichts! Ohne Christus bleibt alles beim Alten. Aber mit Christus werden aus Toten Lebendige, aus Schwachen Starke, aus Verzweifelten Mutige, aus Elenden Getroste. Es hängt letzten Endes alles an Christus. Deshalb hat Gott auch Seinen Sohn auf die Erde gesandt, damit alles anders werden kann. Bis zum Kommen Jesu gab es schon seit Jahrhunderten Religion unter den Menschen - aber das hat den Menschen nicht viel geholfen. Durch Christus kam ein Neuanfang. - Von daher wird es auch verständlich, weshalb Paulus so häufig die Formel "in Christus" - "Christus in uns" verwendet (164 mal, siehe BK 76!): ein richtiger Christ ist man erst, wenn ein neues Leben begonnen hat. Und das neue Leben beginnt durch Christus. "Ohne Mich könnt ihr nichts tun!" sagt Jesus und meint genau diesen Punkt (Johannes 15, 5) Bei allem Hin und Her bleibt am Schluss die Kardinal-Frage: "Wie kommt Christus in mein Leben hinein?" Diese große Frage beantwortet der Apostel Johannes im ersten Kapitel seines Evangeliums in dem Vers: "Wie viele aber Christus aufnahmen, denen gab ER Kraft, göttliche Menschen zu werden." (Johannes 1, 12) Wo Christus in einem Menschen lebt, sind göttliche Kräfte am Werk, die mit psychologischen Trainingsmethoden nicht zu vergleichen sind. Die vielen neu gewordenen Menschen in der dämonisierten Götzenhochburg Ephesus waren für Paulus täglich Beweise für die Richtigkeit der göttlichen Wahrheit. Deshalb hat Prof. A. Deissmann in seiner Habilitationsschrift Paulus und seine "Formel" "in Christus" ganz richtig gedeutet, wenn er schreibt (BK 76, S.3): " - das ist der Lieblingsbegriff des Apostels Paulus. - Es ist der Ausdruck der denkbar innigsten Gemeinschaft des Christen mit dem lebendigen Christus. - Die Wichtigkeit dieses Ausdrucks kann nicht hoch genug veranschlagt werden. - Es ist wirklich so, dass auf dem winzigen ‚in' sich Berge von göttlichen Wahrheiten erheben. - " beweist, dass Christus das Element ist, in dem der Christ lebt. Hier ist der Ausdruck für den paulinischen Zentralgedanken der Gemeinschaft mit Christus." Wenn Jesus in der Bergpredigt sagt: "Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes, so wird euch alles andere zufallen." (Matthäus 6, 33), dann meint ER dasselbe wie Paulus im obigen Abschnitt. Das "Reich Gottes" ist identisch mit Jesus, so dass also der Sinn dieses Verses ist: "Trachtet zuerst nach Christus, nehmt Ihn auf und macht Ihn zum Zentrum Eures Lebens, Eures Denkens und Handelns - dann wird ER selbst alles andere regeln!" III. Christus ermöglicht ein neues Zusammenleben unter Menschen. Wenn Menschen ohne Gott "tot" sind, dann ist auch dort, wo Menschen zusammenleben, "Todesatmosphäre". Von Anfang an (mit Kain's Brudermord begann es als sichtbare Folge der Trennung von Gott) war das Zusammenleben von Menschen immer problematisch. Hass, Streit, Feindschaft, Neid, Knechtung, Ausbeutung, Mord, Kriege haben bis heute nicht aufgehört. Deshalb horchte die Welt auf, als Menschen neue Ideen verkündeten, die Verbesserung versprachen: Karl Marx proklamierte die "klassenlose Gesellschaft", der Kommunismus predigte den "neuen Menschen". Es waren aber "falsche Propheten". Es wurde nicht besser, sondern eher schlimmer als vorher. - Paulus schneidet dieses große Thema in Epheser 2 an. Er spricht von der Gottesentfremdung und Feindschaft (V.13+14), die das Zusammenleben von Menschen erschweren. Erst durch das Kommen von Christus wird "der Zaun abgebrochen". ER stellt Einheit her. Das hat genau so viel Gewicht, wie wenn ein "toter" Mensch "lebendig gemacht" wird. Menschen und Religionen haben das bis heute nicht geschafft. Christus bringt den Frieden mit Gott und unter den Menschen. "ER ist unser Friede" schreibt hier Paulus (V.14) Das hat eminente Bedeutung - für die Familien und für die Völker. Wo Christus hinkommt, da kommt der Friede hin. Das beste Beispiel dafür sind die Juden selber, die Paulus als klassisches Exempel hier nimmt. Zwischen Juden und Heiden bestand eine Kluft, die man sich tiefer kaum vorstellen kann. Wenn zwischen Juden und Heiden eine Einheit hergestellt werden soll, dann wäre das ein Wunder. Das hat Jesus vollbracht. Wie tief diese Kluft war beweisen folgende Fakten: Die Juden hatten für die Heiden nur tiefste Verachtung. Die Heiden waren geschaffen, damit Brennholz für die Hölle da ist. Wenn ein junger Jude ein heidnisches Mädchen heiratete, dann wurde für den jüdischen Teil eine "Beerdigung" gehalten. Einen Heiden heiraten bedeutete Tod. Beim jüdischen Tempel in Jerusalem wurde es besonders deutlich. Der Tempel hatte drei Vorhöfe für die Priester, für die Männer und für die Frauen. Sie lagen alle auf derselben Ebene wie der Tempel. Von dort führten 15 Stufen hinunter zum Vorhof der Heiden, der rings um den Tempel lief. Von allen Seiten konnte man den herrlichen Tempel betrachten, man durfte sich ihm aber nicht nähern: eine 1 1/2 m hohe Mauer war dazwischen. Daran waren überall Warnschilder zu lesen, griechisch und lateinisch geschrieben: "Wer diese Grenze überschreitet, wird hingerichtet!" (nicht: wird bestraft!). Die Verhaftung des Paulus (die zu seiner mehrjährigen Gefangenschaft führte) kam zustande, weil man meinte, Paulus mit einem Heiden (Trophimus - aus Ephesus!) im Tempel gesehen zu haben (was nicht der Fall war), was Entweihung des Tempels bedeutet hätte (Apostelgeschichte 21). Die Juden nannten die Heiden "Hunde". - Umgekehrt war die Verachtung der Juden auf Seiten der Heiden ebenso groß. Im Jahr 38 n.Chr. wurden bei einer grausamen Verfolgung der Juden in Ägypten 110.000 Juden ermordet. Das beweist den fanatischen Hass bei den Heiden. Dass Christus diese abgrundtiefe Kluft überbrückte, ist ein gewaltiges Signal: Christus ist der Weg zur Einheit von Menschen! Die ersten Gemeinden von Christen bestanden aus Judenchristen und Heidenchristen. Das Zusammenleben war nicht unproblematisch. Das zeigt das lavierende Verhalten des Apostels Petrus in Antiochien (mit den Heiden essen oder nicht?), das Paulus scharf tadelte (Galater 2, 11-21). Paulus schreibt hier: "Wir sind nicht mehr Fremdlinge sondern Mitbürger in Gottes Haus, wo Jesus Christus der Eckstein ist." (V.19+20) Durch Christus entsteht also eine Einheit, wie sie menschlich gesehen nicht machbar ist. - Ein eindrucksvolles Beispiel aus der Geschichte bietet uns die Brüdergemeine. Die ersten Siedler in Herrnhut waren ein bunt zusammengewürfelter Haufen: Asylanten, Vertriebene, Verfolgte, Einheimische - untereinander sehr zerstritten. Am 13. Aug. 1728 fand für alle in Berthelsdorf eine Abendmahlsfeier statt, bei der der luth. Pfarrer kräftig Buße predigte. Das schlug ein. Die Teilnehmer bekannten unter Tränen ihre Sünden und empfingen Vergebung. Christus nahm ihnen die Last der Sünden ab und schenkte ihnen Frieden durch Seinen Kreuzestod. Das war die Geburtsstunde der Herrnhuter Brüdergemeine (im Losungsbüchlein wird am 13.8. im Text immer darauf hingewiesen). Christus hat Einheit geschaffen unter einem zerstrittenen Haufen (was gar nicht so leicht ist!). Hier wird auch der Weg gezeigt für Situationen, wo das Zusammenleben von Menschen schwierig geworden ist: in Ehen, in Familien, in Nachbarschaften - also überall dort, wo es ums Zusammenleben mit anderen geht. Wie kann Christus da Frieden hineinbringen? ER ist der Friede, ER kann Zäune abbrechen. Wie geschieht das praktisch? Das Erste ist, Christus im Gebet alle Not vorzulegen und Ihn um Eingreifen zu bitten. Das Nächste wird sein, Sünde im Zusammenleben zu erkennen und sie Christus bekennen. ER kann und will vergeben. ER kam deshalb auf Erden, um den Kreuzestod zu sterben und damit einen Ort zu schaffen, wo wir unsere Sünde abladen können und wo ER sie "aus der Welt schafft". Das ist der beste Weg, um freie Bahn für ein neues und gutes Miteinander zu schaffen: ? Sünde erkennen ? Sünde bereuen und bekennen ? glauben, dass der gekreuzigte Christus uns die gebeichtete Sünde wegnimmt. Diese drei Stationen sind unabdingbar für einen Neuanfang. Beten allein hilft nicht immer. Mit guten Taten kann man geschehenes Unrecht nicht auslöschen. Luther sagt: der Teufel flieht erst, wenn Sünde vor einem Seelsorger laut gebeichtet wird. Solange das Bekenntnis der Sünde nicht erfolgt, kann man wenig Fortschritte erzielen. Beichte kann - besonders in schwierigen und hartnäckigen Fällen - Wunder wirken, - und vielfach sogar in Kürze! Das ist das Geheimnis des Kreuzes Jesu. Sündenbekenntnis verlangt eine Demütigung (die viele umgehen möchten!) - aber damit schenkt Christus Befreiung. "Nur den Demütigen gibt Gott Gnade" schreibt der Apostel Petrus (1. Petrus 5, 5). Gutes tun, religiös besonders aktiv werden - das alles bringt es nicht fertig, Sünde verschwinden zu lassen. Das kann allein Christus. Durch Ihn empfängt ein Mensch Frieden und Kraft zu einem neuen Leben. Das ist der beste Weg, dass eine Gemeinschaft von Menschen wieder neu wird, - wie es auch in Herrnhut mit einer ganzen Gemeinde geschah. - Johannes schreibt: "Wenn wir unsere Sünde bekennen, so ist ER treu und gerecht, dass ER uns die Sünden vergibt und reinigt uns von aller Ungerechtigkeit (= Gebotsübertretungen)." (1. Johannes 1, 8) 4. August 2007 Pfr. Gerhard Hägel, Bobengrün