91. Bibelkurs                                                                                                                            BK 91

                       Von Lazarus lernen

                                         (Johannes 11)

 

            Die Auferweckung des Lazarus ist die beeindruckendste Wundergeschichte im Neuen Testament. Sie ist von allen Wundern Jesu am ausführlichsten erzählt. Sie ist das letzte Wunder Jesu vor Seinem Tod am Kreuz. Niemals sind so viele Juden nach einem Wunder zum Glauben an Jesus gekommen (Johannes 11, 45). Nie war auch die Opposition gegen Jesus so feindselig wie nach der Auferweckung des Lazarus: der Hohe Rat beschloss unter der Leitung des Hohenpriesters Kaiphas nun endgültig Jesus zu töten. Alle an der Auferweckung des Lazarus Beteiligten erwarteten bis zum Schluss nicht im Geringsten eine Wundertat. Es ist das einzige Wunder, bei dem Jesus weinte. Es geschah bei Jerusalem, einer für Jesus gefährlichen Umgebung, wo das Hauptquartier der Feinde Jesu sich befand. Jesus sagte auf dem Weg nach Bethanien zu Seinen Jüngern: „Nun soll euer Glaube festen Grund bekommen“ - durch das, was sie bald erleben werden (Johannes 1, 15 - Übersetzung MESSAGE). Tatsächlich kann man aus dieser Geschichte viel lernen, um auf dem Weg mit Jesus weiter zu kommen und Jesus und Sein Denken besser zu verstehen.

            F. Dostojewski, einer der größten russischen Schriftsteller (1821-1881), der in den vier Jahren Straflager in Sibirien durch das Lesen im Neuen Testament mit 30 Jahren Christ geworden war, hat in seinem Roman „Schuld und Sühne“ drei Mal die Auferweckung des Lazarus zitiert, einmal sogar, indem die ganze Geschichte nach Johannes 11 vorgelesen wird. Für Dostojewski war Christus und Seine Auferstehung das Zentrum des Evangeliums. Im Roman lässt er den Staretz (= Seelsorger) sagen: „Wenn nur die Reue in dir nicht erlahmt, so wird Gott alles verzeihen.“ Auf seinem Sterbebett las er seinen zwei Söhnen Lukas 15 vor (vom Verlorenen Sohn). Zu seiner Beerdigung in St. Petersburg waren 60.000 Menschen gekommen. Auf seinem Grabstein steht: „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.“ (Johannes 12, 24) (im Internet: <www.iguw.de> Jürgen Spieß „Dostojewski und das Neue Testament“ – bei ‚Stichwortsuche’ „Dostojewski“ eingeben!)

 

1. Krankheit und Leid kehren auch bei den engsten Vertrauten Jesu ein. Das ist die erste

  Überraschung in dieser Geschichte – und auch bei vielen Christen, die meinen, der christliche Glaube bewahre uns vor Prüfungen. - Auf dem See Genezareth geriet das Boot, in dem Jesus und Seine Jünger saßen, in einen gefährlichen Sturm (Markus 4). Damit hatten die Jünger nicht gerechnet. Aber noch mehr waren sie nachher über das Eingreifen Jesu verwundert: „Wer hätte das gedacht, sogar Wind und Meer müssen IHM gehorchen.“ - Jesus war oft und gerne in Bethanien bei Maria, Martha und Lazarus. „ER liebte sie“ – heißt es drei Mal in Johannes 11 (Johannes 11, 3.5.36). Weil Jesus sie liebte, wollte ER ihnen eine besondere Freude bereiten – aber auf eine Weise, wie das Maria und Martha nicht begreifen konnten. ER führte sie in eine Prüfungszeit, die wunderbar abschließen sollte. Aber dieses Ende konnten sich Maria und Martha nicht vorstellen. Als ihr Bruder Lazarus erkrankte, schickten sie sofort durch einen Boten eine Nachricht zu Jesus, der sich gerade jenseits des Jordans aufhielt – eine Tagereise entfernt: „HERR, siehe, der, den Du lieb hast, liegt krank.“ Die Benachrichtigung enthielt nicht einmal eine Bitte. Sie wussten: wir brauchen Jesus nur die Not zu sagen, ER weiß schon, was ER dann tun muss. Das ist ein Zeichen von großem Gottvertrauen. Aber ihr Gottvertrauen sollte geprüft und dann noch größer werden! - Auch Maria, die Mutter Jesu, hat beim ersten Wunder bei der Hochzeit in Kana zu Jesus nur gesagt: „Sie haben keinen Wein mehr.“ Ole Hallesby schreibt in seinem Büchlein „Vom Beten“ dazu: „Beten heißt: Jesus einfach die Not erzählen.“ ER selbst weiß am besten, wie ein Ausweg aus der Not zu finden ist. Paul Ger-hardt dichtete: „ER weiß viel tausend Weisen, zu retten aus dem Tod...“ (Aus „Du meine Seele singe...“).

 

2. Die Antwort Jesu war rätselhaft. Als der Bote mit der Nachricht von Jesus eintraf, war Lazarus höchstwahrscheinlich schon gestorben. Was bedeutet dann für die zwei Schwestern die Botschaft Jesu: „Die Krankheit ist nicht zum Tod sondern zur Verherrlichung Gottes...“? (V.4). Das ist ihnen ein Rätsel. Gottes Antworten verstehen wir nicht immer gleich beim ersten Hören. Es braucht Zeit zum Nachdenken – und Gebet, damit unsere Gedanken sich in der richtigen Spur bewegen. Jesus weiß den richtigen Weg. Man kann aber auch Irrwege einschlagen. „Alle Wege zum Himmel sind Himmelswege“ schreibt die Hl. Katharina (nach ihr ist das Sinai-Kloster benannt), „weil Christus sagt ’ICH bin der Weg’ “. Wenn Maria und Martha zuhause über den Tod ihres Bruders sprachen, dann bewegte sie nur e i n Gedanke: „Wenn Jesus da gewesen wäre, dann wäre Lazarus nicht gestorben.“ Darum drehten sich drei Tage lang ihre Gespräche. Dieser Satz war es auch, den sowohl Martha als auch Maria als erstes Wort zu Jesus sagten, als sie Ihn am Ausgang des Dorfes trafen (Johannes 11, 21+32). - Es wäre besser gewesen, wenn die Schwestern miteinander zuhause in den drei Tagen überlegt hätten, was das WORT Jesu wohl bedeutet: „Diese Krankheit ... ist zur Verherrlichung Gottes.“ Alle Wege, die Jesus uns führt, führen zur Offenbarung der Herrlichkeit Gottes. ER hat noch nie einen enttäuscht, der sich Seiner Führung anvertraute.

 

3. Das große Problem der Verzögerung. Wenn bei einer Schwierigkeit plötzlich Verzögerungen eintreten, werden die meisten nervös. Ein ausgefeilter Plan gerät durcheinander. Das ergibt neue Probleme und vieles wird komplizierter. Diese Situation kennen wir gut. Wie soll es dann bei geistlichen Problemen weiter gehen? – Als Jesus die Botschaft von Bethanien erhielt, „blieb ER noch zwei Tage an dem Ort, wo ER war.“ (V.6) Die Jünger, die Jesus begleiteten, verstanden das überhaupt nicht. Jesus wartet absichtlich zwei Tage, was im Falle einer schweren Krankheit tödliche Folgen haben könnte. Als Jesus das Unverständnis bei Seinen Jüngern merkt, sagt ER ihnen seine Gedanken ganz offen: „ICH bin froh, dass ich nicht in Bethanien gewesen bin – um euretwillen - , damit euer Glaube einen festen Grund bekommt.“ (V.15) Die Jünger sollen also im Glauben ein Stück weiter kommen, - sollen eine Lektion dazu lernen. Deshalb hat Jesus einen ganz anderen Weg eingeschlagen als die menschliche Vernunft empfiehlt. – Die Verzögerung Jesu begriff niemand, aber sie war ein großartiger Plan, um Gottes Herrlichkeit vielen Menschen vor Augen zu führen. Wäre Jesus sofort gekommen, hätte ER wohl den kranken Lazarus geheilt. Das hat ER schon oft getan. Damit rechneten wohl auch Maria und Martha. Aber Jesus hatte etwas Größeres vor. Weil ER die drei Geschwister lieb hatte, wollte ER ihnen eine besondere Freude bereiten. - Diese Strategie der Verzögerung hat Gott in der Geschichte oft angewendet – und meistens zweifelten Menschen an der Richtigkeit der Wege Gottes – aber immer war das Ende des göttlichen Plans ein großartiges Ergebnis.

 

·         Beim Auszug aus Ägypten wurde Mose auf eine große Probe gestellt. „Lass mein Volk ziehen!“ rief er dem Pharao zu. Aber dieser machte nicht die geringsten Anstalten, nach den ersten Katastrophen (= Plagen), die über ganz Ägypten hereinbrachen, nachzugeben, obwohl jede Katastrophe ein deutliches Signal der Überlegenheit Jahwes war (Viehpest, Hagel, Heuschrecken, Finsternis u.a.). Erst nach der zehnten Katastrophe, als der Tod in jedes Haus in Ägypten einzog, gab Pharao nach. Diese Katastrophen dauerten mehrere Wochen (2. Mose 7-12). Mose hat nicht gezweifelt, weil sich die Aktion in die Länge zog. „Er hielt sich an Den, den er nicht sah, als sähe er Ihn“ – schreibt darüber der Apostel im Hebräerbrief (Hebräer 11, 27), und deshalb hatte Mose keine Angst vor Pharao. Mose hatte ein starkes Gottvertrauen, auch wenn es immer schlimmer kam. Er wusste: Jahwe wird den Sieg erringen, ER ist stärker als die Weltherrscher. Sein Plan wird durchgeführt – auch wenn noch so viele Schwierigkeiten das Ganze zu vereiteln drohen.

 

·         Verzögerungen können uns leicht zu Sünde verführen. Ein Beispiel dafür steht in 2. Mose 32. Am Berg Sinai schloss Gott mit Seinem Volk Israel einen Bund. Dazu stieg Mose auf den Berg Sinai und erhielt als Bundeszeichen die Zehn Gebote (2. Mose 24). Mose blieb fast sechs Wochen auf dem Berg (40 Tage). Das dauerte dem Volk zu lange. „Als aber das Volk sah, dass Mose ausblieb und nicht wieder vom Berg zurückkam...“ (2. Mose 32, 1) – da beschlossen Aaron und das Volk, ein „Goldenes Kalb“ zu schaffen und es anzubeten. Dieses gottlose Vor-gehen, das böse Folgen hatte, entstand allein dadurch, dass Mose ausblieb. – Auch für Abraham hat sich eine wichtige Sache zu lange hingezogen (nämlich die Geburt seines Sohnes Isaak, den ihm Gott versprochen hatte). Nach zehn Jahren nahm er alles selbst in die Hand – und es ging schief und hatte weitreichende Folgen. Abraham ließ sich von seiner unfruchtbaren Frau Sara überreden, mit der Magd Hagar einen Sohn, Ismael, zu zeugen. Das gab viel Not in der Familie. Hagar musste fliehen. (1. Mose 16) Die Not spürt Israel heute noch: Ismael gilt als der Stammvater der Araber, die für Israel eine ständige, große Gefahr bedeuteten, - bis heute. Abraham hat viel daraus gelernt. Er hat künftig Gott mehr vertraut. Er hat an der Richtigkeit der göttlichen Planung nicht mehr gezweifelt. Als Gott dem Abraham (der schon 99 Jahre alt war) die Geburt des Sohnes Isaak binnen Jahresfrist ankündigte (2. Mose 16+17) - und Sara dazu nur lachen konnte, weil sie das für unmöglich hielt, hat Abraham nicht gezweifelt. Er war felsenfest überzeugt: „Wenn Gott etwas verspricht, dann hält ER es auch ein, darauf kann ich mich absolut verlassen.“ (Römer 4, 19+20). Auch bei seiner schwersten Prüfung (die Opferung Isaaks –1. Mose 22) hat Abraham dieses starke Gottvertrauen bewahrt. à Es ist nicht leicht, der göttlichen Zeitplanung zu folgen (das beweisen obige Beispiele aus der Bibel).

Aber es hilft uns, wenn wir beten, dass Gott uns vor Fehlentscheidungen bewahren möge. Es lohnt sich, das Gottvertrauen „zu trainieren“: nämlich sich immer wieder die großen und vielen Verheißungen Gottes (ER führt mich, ER liebt mich, ER hilft mir, ER stärkt mich ...) vorzusagen und den zweiflerischen Gedanken die Türe zu weisen. – Ein Beispiel aus der Werbung unterstreicht das: bei den kleinen Werbespots im Fernsehen gilt als Faustregel: der Name des angepriesenen Produkts muss mindestens 7 Mal genannt werden, bis der Hörer ihn behält.

 

4. Jesu Antwort an Martha. Martha kommt als Erste zu Jesus. Mit ihr hat Jesus ein langes Gespräch (nicht mit Maria, die nur den einen Satz sagt - wie Martha: „HERR, wärest Du hier gewesen ...“ V.32). Aus Marthas Antworten erkennt man auch einige positive Seiten von ihr. Sie sagt:

o   „Ich weiß, was Du bittest von Gott, das wird Dir Gott geben.“ (V.22)

o   „Ich weiß wohl, dass Lazarus am Jüngsten Tag auferstehen wird...“ (V.24)

o   „Ich glaube, dass Du bist Christus, der Sohn Gottes, der in die Welt gekommen ist.“ (V. 27)

Das ist wirklich erfreulich, aber für Jesus war das nicht ausreichend. ER erwartet mehr von Seinen Gläubigen. ER antwortet: „ICH BIN die Auferstehung und das Leben...“ Mit diesem Satz hängt Marthas Problem zusammen – und viele Christen haben dasselbe Problem. Es reicht nicht, die christlichen Glaubenssätze zu akzeptieren und sie zu wiederholen, sondern es ist eine enge persönliche Beziehung zu Jesus nötig. Sören Kierkegaard schrieb ein Buch mit dem Titel „Die Krankheit zum Tode“ (nach Johannes 11, 4). Darin schreibt er gleich in der Einleitung: „Nein, nicht weil Lazarus von den Toten auferweckt wurde, nicht darum kann man sagen, dass diese Krankheit nicht zum Tode ist, sondern weil ER da ist, darum ist diese Krankheit nicht zum Tode.“ Da trifft er genau den Nagel auf den Kopf: Weil Jesus da ist, ist alles anders. Wenn ER nicht da ist, dann hilft mir auch eine Totenauferweckung nicht viel. Aber wenn ER da ist, dann ist sehr viel da: dann ist das Leben da, dann ist Kraft da, - dann ist eben Gott da mit all Seinen Schätzen. Mehr ist auf der Erde nirgends zu haben. Die alten Theologen sagten immer: es kommt auf das „hier“ und „jetzt“ an (lat.: „hic et nunc“), das ist entscheidend, - nicht das Vergangene, das kann man nicht mehr ändern – und nicht das Zukünftige, denn man weiß nicht einmal, was morgen sein wird. Aber das Heute und Jetzt, das kann ich lenken. Aus demselben Grund betont die Bibel so oft das „heute“, besonders deutlich in Hebräer 3+4: „Heute, wenn ihr Seine Stimme hören werdet, so verstocket eure Herzen nicht.“ (4 mal wird diese Stelle aus Psalm 95 eindringlich wiederholt!) – das bedeutet: jedes Mal, wenn ich die Stimme Gottes vernehme (oft leise im Gewissen – oder klar durch eine Botschaft oder ein gelesenes Bibelwort), soll ich aufmerksam lauschen, was Gott mir sagen will und soll mich innerlich nicht verschließen oder ablenken lassen – denn wenn Gott zu mir sprechen will, dann geht es um äußerst wichtige Dinge! - Zachäus hatte das begriffen, als Jesus plötzlich vor ihm stand und zu ihm sagte: „Zachäus, ICH muss heute in deinem Haus einkehren.“ Er hat sofort sein Haus für Jesus geöffnet und IHN eingeladen. Der gerissene Gauner vom Zollamt nahm Jesus in sein Leben auf und wurde total verändert. Er hat das „heute“ richtig gedeutet: Jetzt oder nie! Er hat die Chance ergriffen. Jesus kam und schuf einen neuen Zachäus. (Lukas 19) Wenn Jesus anklopft, dann steht ein Großer vor der Türe, nicht nur irgendwer sondern Gott selbst ist da.

            Das ICH BIN von Jesus ist bei Johannes ein Nachhall von 2. Mose 3, als Mose vor dem feurigen Busch in der Wüste stand und Gott sich ihm mit Seinem Namen offenbarte (es ist hier das erste Mal, dass in der Bibel Gott Seinen Namen bekannt gibt). Als Mose den Namen des zu ihm Sprechenden wissen will, sagt ihm Gott: „ICH BIN, der ICH BIN.“ (2. Mose 3, 14) – das heißt: ICH bin da, ICH vergehe nicht, ICH bin ewig, ICH bin immer derselbe, ICH bin der Gott, der das Universum geschaffen hat, der unendlich viel Kraft hat (bei der Befreiung Israels wurde sie spürbar. Sie zwang eine Weltmacht in die Knie, um ein Sklavenvolk freizulassen.) – Jesus hat dieses ICH BIN im Johannes Evangelium mehrfach gedeutet: ICH BIN .... das Brot des Lebens, - das Licht der Welt, - der gute Hirte, - die Tür, - die Auferstehung und das Leben, - der Weg, - die Wahrheit, - das Leben, - der rechte Weinstock, - ein König (Johannes 18, 37). In diesen Bildern ist ein ungeheurer Reichtum enthalten. Diese Bilder sagen viel mehr als die besten Definitionen. Das alles ist in Jesus gegenwärtig. - Jesus hatte gleich am Anfang des Gesprächs zu Martha gesagt: „Dein Bruder wird auferstehen“ (V.23). Da dachte Martha an den Jüngsten Tag – aber nicht an das „jetzt“ und nicht an Jesus, der vor ihr stand. Weil Jesus da ist, kann alles wieder gut werden. Wenn wir unsere Gedanken auf Christus fixieren, dann haben wir den richtigen Brennpunkt, von dem das göttliche Feuer ausgeht und alle anderen Gedanken „verbrannt“ werden. Wenn Christus in uns lebt, dann ist der ganze göttliche Reichtum in uns da. Das will Jesus mit dem vielfachen ICH BIN sagen.

            Dieser göttliche Reichtum wird auch deutlich, wenn Jesus im Johannesevangelium sehr oft

von Gott als Seinem VATER spricht, 114 mal in Seinen Reden (bei Markus 3 mal, Lukas 8 mal).

14 mal sagt Jesus sogar, dass „der Vater im Sohn ist und der Sohn im Vater “ (vor allem die Stellen: Johannes 14, 9.10.11.20 - 17, 10.21.23). Damit zeigt Jesus, dass ER eine ganz enge Verbindung mit Gott hat. In Christus ist also Gott selbst gegenwärtig – und damit auch die ganze Kraft Gottes. – Übrigens greift Paulus diesen Gedanken in seinen Briefen auf und führt ihn weiter: er beschreibt einen Christen häufig (über 100 Mal) als einen Menschen, in dem Christus lebt (bes. Galater 2, 20; siehe auch BK 76). Den Aposteln kommt es sehr darauf, dass die Verbindung des Christen mit Christus eng und intensiv ist. Wenn man dazu noch bedenkt, dass der in uns lebende Christus der Auferstandene ist, der eine besonders große Kraft besitzt (die stärker ist als der Tod), dann ist es verwunderlich, wenn Christen oft so ängstlich und verzagt sind, wo doch ein so großes Kraftpotential ihnen zur Verfügung steht. Paulus ist davon persönlich fest überzeugt und redet da auch nicht wie der Blinde von der Farbe. Er hat täglich dem Tod ins Auge geblickt (1. Korinther 15, 31) und kann eine lange Liste von Schicksalsschlägen in seinem Leben aufzählen (siehe 1. Korinther 11). Aber er hat von Jesus gelernt: „Wenn ich schwach bin, dann bin ich stark.“ (2. Korinther 12, 10) „Seine Kraft ist in den Schwachen mächtig.“ (2. Korinther 12, 9)

 

5. Was bedeutet die Herrlichkeit Gottes für uns heute? Das ist ein wichtiges Thema, auch für

  den Alltag des Christen – aber die meisten können damit nicht viel anfangen. – Mit diesem Wort schließt das Vaterunser „... denn Dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit“. Mit Herrlichkeit ist alles Göttliche zusammengefasst, sozusagen: „der Himmel auf Erden“, wie es im Volksmund oft gedankenlos gesagt wird. Im Johannesevangelium ist dies Wort ein Leitgedanke, 34 mal steht es da. Schon im 1. Kapitel lesen wir den berühmten Vers: „Das WORT ward Fleisch und wohnte unter uns und wir sahen Seine Herrlichkeit...“ (Johannes 1, 14) Damit beschreibt der Apostel in e i n e m Satz die dreijährige Wirksamkeit Jesu auf Erden. Alles, was er mit Jesus erlebte, war für ihn Herrlichkeit. Auch in diesem Lazarus-Kapitel ist das der Hauptgedanke. Der gesegnete Theologe Friedrich Büchsel in Rostock (gest. 1945), der am meisten am Johannes-Evangelium arbeitete, schreibt zu Johannes 11: „Die Offenbarung Gottes ist der Hauptzweck dieser Geschichte, nicht die Behebung der äußeren Not.“ Das ist schon in der ersten Botschaft Jesu an Martha und Maria zu erkennen: „Die Krankheit ist nicht zum Tod sondern zur Verherrlichung Gottes.“ (V.3) Als Jesus vor dem Grab des Lazarus steht und die Wegnahme des Steins befiehlt, ruft Martha verzweifelt aus: „HERR, er stinkt schon!“ (V.40) Obwohl Jesus großes Mitgefühl mit Martha und Maria hat (ER weinte sogar am Grab), hat ER doch in diesem Moment des Tiefpunkts bei Martha sie korrigiert: „Habe ich dir nicht gesagt : Wenn du glaubst, wirst du die Herrlichkeit Gottes sehen?“ (V.40) Damit erinnert ER sie an Seine erste Botschaft – V.3 - und fordert sie auf, IHM doch Vertrauen zu schenken. - Daraus ersieht man auch, wie wichtig es ist, Gottesworte gut im Gedächtnis zu behalten und sie innerlich zu bewegen, damit man sie nicht vergisst und ständig vor Augen hat - denn sie sind die beste Kraftquelle in Zeiten der Not und bewahren uns vor Fehlern!

Den Bericht über die Hochzeit zu Kana beschließt Johannes mit dem Satz: „Dies ist das erste Zeichen, das Jesus tat – und ER offenbarte Seine Herrlichkeit.“ (Johannes 2) Die Herrlichkeit besteht bei Johannes aber nicht bloß in Wundern sondern es ist vor allem „eine Herrlichkeit voller Gnade und Wahrheit.“ (Johannes 1, 14) Gnade und Wahrheit sind die Hauptsache, - die hat Jesus gebracht, - nicht Mose! Gnade à darin steckt die unverdiente Vergebung, die wir brauchen, weil sie uns Ruhe gibt, die nur Jesus geben kann, weil ER deswegen ans Kreuz geht. Wahrheit à die Wahrheit ist wichtig, weil sie uns am meisten hilft, Lügen führen uns in die Irre. (Alle unsere eigenen Gedanken sind nicht immer Wahrheit, sind oft sogar Lügen, was wir später manchmal merken und bereuen. Deshalb dürfen eigene Gedanken nicht zu viel Gewicht bekommen). Für Martha bedeutet das: Jesus will sich bei Lazarus verherrlichen, was am Schluss allen offenbar geworden ist. Das ist die Wahrheit und auch der Schwerpunkt in der ganzen Geschichte – w i e Jesus dahin kommt, darüber soll sich Martha keine Gedanken machen, das ist Jesu Sache, nicht die von Martha. Sie soll IHM einfach vertrauen: ER tut das Richtige (= die Wahrheit), auch wenn wir das oft nicht verstehen.

            Einen wichtigen Punkt darf man beim Thema Herrlichkeit nicht übersehen: die Herrlichkeit von Jesus ist oft verborgen – nicht alle sehen sie! Bei der Hochzeit zu Kana war das ganze Dorf von dem wunderbaren Wein begeistert, den Jesus besorgt hatte,– aber nur die kleine Schar von Fischern zog den richtigen Schluss daraus: mit Dem wollen wir gehen, das wird sich lohnen, Dem kann man vertrauen, Der hat etwas zu bieten. Sie hatten die Herrlichkeit Jesu entdeckt. - Jesu eigene Geschwister in Nazareth erklärten Ihn für verrückt, obwohl sie doch jahrelang in der Familie mit Ihm zusammengelebt hatten und Ihn aus nächster Nähe kannten. Aus Nazareth hätten eigentlich die meisten Jünger kommen müssen, aber sie kamen aus den Dörfern vom See Genezareth. Die Einwohner von Nazareth kannten Jesus gut. Aber als sie Seine erste Predigt in der Synagoge hörten, waren sie empört und hätten Ihn beinahe ums Leben gebracht (Lukas 4). Aus der Botschaft Jesu hören wir die Wahrheit – und etliche entdecken darin auch die Herrlichkeit Jesu. – Als einmal einige Touristen aus Griechenland zum Passahfest nach Jerusalem gekommen waren, „wollten sie Jesus gerne sehen“ (nicht: hören!). Andreas und Philippus führten sie zu Jesus, der ihnen folgendes antwortet: „Die Zeit ist gekommen, dass der Menschensohn verherrlicht werde... Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bringt es keine Frucht“ (Johannes 12). ER schließt mit den Worten Seines Vaters: „Ich habe Ihn verherrlicht und will Ihn abermals verherrlichen.“ Die griechischen Touristen haben das sicher nicht verstanden, aber auch die Jünger haben sich schwer getan, - vor allem, als die Kreuzigung Jesu auf sie zukam: „Da verließen sie Ihn alle“ (Matthäus 26, 56). Es fällt auch vielen Christen schwer, „das Kreuz auf sich zu nehmen“ und den Weg mit Jesus zu gehen, weil sie sich es nicht vorstellen können, dass am Schluss die Verherrlichung folgt. Das war auch für Maria und Martha zu schwer. Der Evangelist Johannes schreibt sein ganzes Evangelium über Jesus unter diesem General-Aspekt: Endstation ist die Verherrlichung! Im Johannes-Evangelium sagt Jesus niemals, dass ER in Jerusalem „getötet“ werden wird sondern Johannes verwendet dafür immer die Ausdrücke: der Menschensohn wird „erhöht“ werden, wird „verherrlicht“ werden. Das bedeutet: auch die Kreuzigung Jesu dient der Verherrlichung Gottes, weil Gott Ihn nach drei Tagen auferwecken wird. In dem Augenblick, als Jesus am Kreuz starb, zerriss der Vorhang im Tempel: nun kann jeder – ohne das Gesetz – mit Jesus die Herrlichkeit Gottes erlangen. Wer sein Kreuz auf sich nimmt und mit Jesus sein Leben führt, erreicht dasselbe Ziel wie Jesus: Herrlichkeit. Das ist das Ziel aller himmlischen Wege und Pläne. Paulus hat diese Wahrheit für den christlichen Alltag ganz einfach ausgedrückt mit den Worten: „Wir wissen, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen.“ (Römer 8, 28) Das, was Paulus mit dem „Besten“ meint, bezeichnet Johannes mit „Herrlichkeit“.

 

6. Die Besserwisser sterben nicht aus. Das sieht man in Vers 37. Einige sagten am Grab über
  Jesus: „Neulich hat ER den Blindgeborenen geheilt. Wenn ER das konnte, dann hätte ER doch auch den Lazarus heilen können.“ (siehe auch Psalm 78, 20!) Viele denken auch heute nicht viel anders, wenn sie sagen: „Bei diesem Kranken hat Gott geholfen, da müsste ER hier doch erst recht ein-greifen (weil diese Leute – wie Maria und Martha – doch sehr gottesfürchtig sind!). Wer so denkt, setzt Gott auf die Anklagebank – wie im Gericht! – und verlangt Auskunft von Ihm. So kann man mit Gott nicht umgehen! Warum Gott den einen heilt und den anderen nicht heilt, das bleibt Sein Geheimnis. Das erfahren wir nie. Alle Überlegungen mit „was wäre gewesen, wenn...“ bereiten uns viel Not, nehmen uns viel Zeit weg, belasten uns innerlich, - je länger, je mehr! – und helfen uns nicht! Gott will, dass wir IHM vertrauen, - das ist das Beste, was wir tun können. Abraham hat es mühsam gelernt – aber dann ist er für alle das große Vorbild geworden. Er machte Gott keine Vorwürfe, als ER die Opferung seines Sohnes Isaak von ihm forderte (1. Mose 22). Er ging gehorsam seinen Weg und traute es Gott zu, dass nach dem Tod seines Sohnes Gott sicherlich auch eine Totenauferweckung schaffen kann – denn Gott hatte Abraham versprochen, mit Isaak noch Großes durchzuführen. Aber dazu brauchte es einen lebenden Isaak. Abraham ist das beste Beispiel für Gottvertrauen. Wer Gott vertraut, - über den freut sich Gott - und belohnt ihn.

7. Wunder sind Gebetserhörungen. Bisher wurde in den Evangelien bei einem Wunder kaum vom Beten Jesu berichtet. Hier ist drei Mal vom Beten die Rede (Johannes 11, 22.41.42). Der große Bibelausleger F.B.Meyer schreibt dazu: Seit Jesus die Nachricht vom Tod des Lazarus erhalten hatte, stand ER in ständiger Gebetsverbindung mit Seinem Vater. Für IHN ist dasunablässige Gebet“ etwas ganz Normales. Paulus übernimmt es von Jesus, wenn er 20 mal in seinen Briefen vom „allezeit beten“ schreibt (s. BK 35). - Heute kann man mit dem Handy jederzeit fast mit jedermann Verbindung haben, und viele nützen das ausgiebig. Mit dem Gebet ist es noch einfacher, - und wir können damit noch viel mehr erreichen. Es ist ein Funkspruch zum Thron Gottes, von dem aus alles Geschehen im Universum gesteuert wird. Die ständige Gebetsverbindung mit Gott ist also nichts Außergewöhnliches. - Jesus betet laut vor dem Grab des Lazarus „um des Volkes willen, das umhersteht, damit sie glauben, dass Gott jetzt auf Gebet hin antwortet.“ Jesus will alle ermutigen, zu beten und große Dinge von Gott zu erwarten. ER gibt hier ein Beispiel für Sein WORT von dem Gottvertrauen, das Berge versetzt. (Matthäus 21, 21+22). Das Lutherwort passt gut dazu: „Wenn nicht geschieht, was wir wollen, dann das, was besser ist“. Auf alle Fälle gilt, - ganz im Sinne von Jesus: immer Großes von Gott erwarten! – wie Abraham am Berg Morija (1. Mose 22).

 

14. Juni 2008                                                                                      Pfr. Gerhard Hägel, Bobengrün