Herzliebster Jesu, was hast du verbrochen

 

1.      Herzliebster Jesu, was hast Du verbrochen, dass man ein solch scharf Urteil hat gesprochen? Was ist die Schuld, in was für Missetaten bist du geraten?

2.      Du wirst gegeißelt und mit Dorn gekrönet, ins Angesicht geschlagen und verhöhnet; du wirst mit Essig und mit Gall getränket, ans Kreuz gehenket.

 

3.      Was ist doch wohl die Ursach solcher Plagen? Ach, meine Sünden haben dich geschlagen; ach mein Herr Jesu, ich hab dies verschuldet, was du erduldet!

4.      Wie wunderbarlich ist doch diese Strafe! Der gute Hirte leidet für die Schafe, die Schuld bezahlt der Herre, der Gerechte, für seine Knechte.

5.      Der Fromme stirbt, der recht und richtig wandelt, der Böse lebt, der wider Gott misshandelt; der Mensch verwirkt den Tod und ist entgangen, Gott wird gefangen.

 

6.      O große Lieb, o Lieb ohn alle Maße, die dich gebracht auf diese Marterstraße! Ich lebte mit der Welt in Lust und Freuden, und du musst leiden!

 

7.      Ach großer König, groß zu allen Zeiten, wie kann ich gnugsam solche Treu ausbreiten? Keins Menschen Herz vermag es auszudenken, was dir zu schenken.

 

8.      Ich kann's mit meinen Sinnen nicht erreichen, womit doch dein Erbarmung zu vergleichen. Wie kann ich dir denn deine Liebestaten / im Werk erstatten?

 

9.      Doch ist noch etwas, das dir angenehme: wenn ich des Fleisches Lüste dämpf und zähme, dass sie aufs neu mein Herze nicht entzünden / mit alten Sünden.

 

10. Weil's aber nicht besteht in eignen Kräften, fest die Begierden an das Kreuz zu heften, so gib mir deinen Geist, der mich regiere, zum Guten führe.

 

11. Alsdann so werd ich deine Huld betrachten, aus Lieb zu dir die Welt für gar nichts achten; bemühen werd ich mich, Herr, deinen Willen / stets zu erfüllen.

 

12. Ich werde dir zu Ehren alles wagen, kein Kreuz nicht achten, keine Schmach und Plagen, nichts von Verfolgung, nichts von Todesschmerzen / nehmen zu Herzen.

 

13. Dies alles, ob's für schlecht zwar ist zu schätzen, wirst du es doch nicht gar beiseite setzen; in Gnaden wirst du dies von mir annehmen, mich nicht beschämen.

 

14. Wann, o Herr Jesu, dort vor deinem Throne / wird stehn auf meinem Haupt die Ehrenkrone, da will ich dir, wenn alles wird wohl klingen, Lob und Dank singen.

 

Johann Heermann 1585-1647