d Predigt im Volkshaus feg-zuerich.ch Mose auf der Flucht (Exodus 2, 11-22) Einleitende Gedanken Wer bei seinen Eltern aufwachsen konnte, dem wird es schwer fallen zu verstehen, wie sich Menschen fühlen, die ohne die eigenen Eltern aufwachsen mussten. In einem Adoptivkind wächst oft die Sehnsucht, seine Eltern oder zumindest seine Verwandten kennenzulernen. Sie möchten gerne wissen, woher sie kommen, wo ihre Wurzeln sind. Mose war auch ein Kind, das nicht bei seinen Eltern aufwachsen konnte. Wie wir im letzten Teil dieser Serie gesehen hatten, wurde Mose von der Tochter des Pharaos adoptiert. Immerhin durfte ihn seine leibliche Mutter noch stillen, doch als Mose nicht mehr gestillt werden musste, brachten sie ihn zur Tochter des Pharaos und so wurde Mose ägyptisch erzogen und lebte als Ägypter am Hofe des Pharaos. Vermutlich wird er all die Jahre seine Eltern nicht gesehen haben und er wird wohl auch vom Volk Israel abgeschottet gewesen sein. Mit vierzig Jahren suchte Mose die Nähe zu seinen Wurzeln und das ging so: Als Mose erwachsen war, ging er einmal zu seinen Brüdern, den Israeliten, hinaus und sah, wie sie Fronarbeiten verrichten mussten. Er wurde Zeuge, wie ein Ägypter einen Hebräer, einen von seinen Brüdern, totschlug. Da schaute er sich nach allen Seiten um, und als er sah, dass niemand in der Nähe war, erschlug er den Ägypter und verscharrte ihn im Sand. Am nächsten Tag ging er wieder hinaus. Da sah er zwei Hebräer, die miteinander stritten. Er sagte zu dem, der im Unrecht war: "Warum schlägst du einen Mann aus deinem eigenen Volk?" Der antwortete: "Wer hat dich zum Aufseher und Richter über uns eingesetzt? Willst du mich auch umbringen wie den Ägypter?" Da bekam Mose Angst, denn er dachte: "Es ist also doch bekannt geworden!" Als der Pharao von dem Vorfall erfuhr, wollte er Mose töten lassen. Mose aber floh vor ihm in das Land Midian. Dort setzte er sich an einen Brunnen, um auszuruhen. Der Priester des Landes hatte sieben Töchter; die kamen zu dem Brunnen, um die Schafe und Ziegen ihres Vaters zu tränken. Als sie gerade die Tränkrinnen voll Wasser geschöpft hatten, kamen Hirten und drängten sie weg. Mose stand auf und nahm die Mädchen in Schutz. Er legte selbst Hand an beim Tränken der Tiere. Als die Mädchen nach Hause zu ihrem Vater Reguël kamen, fragte er: "Warum seid ihr heute schon so früh wieder da?" Sie antworteten: "Ein Ägypter hat uns vor den Hirten in Schutz genommen. Er hat uns beim Tränken geholfen und sogar selbst Wasser geschöpft." "Wo ist er?", fragte Reguël seine Töchter. "Warum habt ihr ihn nicht mitgebracht? Holt ihn! Er soll mit uns essen." Reguël lud Mose ein, bei ihm zu bleiben, und Mose war damit einverstanden. Der Priester gab ihm seine Tochter Zippora zur Frau. Als sie einen Sohn zur Welt brachte, sagte Mose: "Er soll Gerschom (Gast-dort) heissen, denn ich bin Gast in einem fremden Land geworden." Ex 2, 11-22. I. Die Klärung der eigenen Identität Als Grosskind des Pharaos bekam Mose die beste Ausbildung, die in der damaligen Welt möglich war. "Er studierte alle Wissenschaften der Ägypter und wurde ein wortmächtiger und tatkräftiger Mann." Apostelgeschichte 7, 22. Mose muss am Hofe des Pharaos ein bedeutender und einflussreicher Mann gewesen sein. Darüber gibt es Berichte ausserhalb der Bibel. Die Bibel berichtet jedoch über die ersten vierzig Jahre im Leben von Mose praktisch nur das, was hier in der Apostelgeschichte steht. Mose wuchs jedenfalls als Ägypter auf und wer ihn gesehen hatte, war davon überzeugt, dass er Ägypter war und niemand wäre auf die Idee gekommen, er könnte hebräischer Abstammung sein. Mose musste sich jedoch seiner ägyptisch-hebräischen Doppelindentität bewusst gewesen sein. Warum das so war wissen wir leider nicht. Eines Tages, er war bereits vierzig Jahre alt, wollte er sehen, wie das Volk seiner Herkunft lebt. Und als er sich bei den Hebräern umsah, beobachtete er eine schändliche Ungerechtigkeit: "Er wurde Zeuge, wie ein Ägypter einen Hebräer, einen von seinen Brüdern, totschlug." 2. Mose 2, 11. Das wühlte Mose innerlich auf und er wollte diese Ungerechtigkeit nicht einfach auf sich beruhen lassen. "Er schaute sich nach allen Seiten um, und als er sah, dass niemand in der Nähe war, erschlug er den Ägypter und verscharrte ihn im Sand." 2. Mose 2, 12. Wie sollen wir diesen Totschlag bewerten? Hatte sich Mose gegenüber Gott versündigt? Oft wird dieser Totschlag von den Auslegern als Mord angesehen. Natürlich ist das eine naheliegende Beurteilung dieses Vorfalls. Aber war das ein Mord? Hatte sich Mose durch diesen Totschlag einen persönlichen Nutzen verschafft? Nein! Hatte er die Kontrolle über sich selbst verloren und blindwütig dreingeschlagen? Nein! Er ging nämlich bedacht vor und vergewisserte sich, ob er beobachtet wird. Was Mose gesehen hatte, das war eine Ungerechtigkeit und er wollte sich für diesen Hebräer rächen, der von dem Ägypter totgeschlagen wurde. Rache war im Altertum und in der Antike eine erlaubte Praxis. Blutrache war sogar eine Pflicht. Wenn jemand umgebracht wurde, musste der Mörder dafür mit seinem Leben bezahlen. Mose schrieb später diese Weisung Gottes auf: "Wer einen anderen so schwer schlägt, dass er stirbt, wird mit dem Tod bestraft." 2. Mose 21, 12. Mose setzte sich also für die Gerechtigkeit ein und rächte den Totschlag des Ägypters. Übringens ist die Gute Nachricht eine der wenigen deutschen Übersetzungen, die so übersetzt, dass man davon ausgehen kann, dass der Ägypter den Hebräer tötete. Ich finde das eine korrekte Übersetzung und sie hilft uns, dass wir das Geschehen besser beurteilen können. Mose rächte den Todschlag an einem seiner hebräischen Brüder und weil es sich hier um eine rechtmässige Blutrache handelte, versündigte er sich nicht gegenüber Gott. Sünde ist hier meines Erachtens kein Thema. Was uns diese Begebenheit aber ganz deutlich zeigt, ist, dass mit dieser Rache Mose seine Identität geklärt hatte. Mit dieser Rache stellt er sich eindeutig und unmissverständlich auf die Seite des Volkes Israels und er wandte sich von seiner ägyptischen Identität ab. Das kam einer Konversion, einer Bekehrung gleich. Damit hatte sich Mose entschlossen, zu welchem Volk und zu welchem Gott er gehören wollte. Im Neuen Testament im Hebräer wird das so beschrieben: "Wie kam es, dass Mose, als er gross geworden war, nicht länger "Sohn der Tochter des Pharaos" genannt werden wollte? Der Grund dafür war sein Glaube. Mose wollte lieber mit dem Volk Gottes leiden, als sich dem flüchtigen Genuss der Sünde hinzugeben. Die Schmach, die er dadurch auf sich nahm - dieselbe Schmach, die auch Christus zu tragen hatte -, bedeutete ihm mehr als alle Reichtümer Ägyptens, weil sein Blick auf die Belohnung gerichtet war, die Gott für ihn bereithielt." Hebräer 11, 24-26. Mose wollte nicht mit einer Doppelidentität weiterleben. Er wollte sich auf keinen Fall im Gehorsam gegenüber dem ägyptischen Reich, sich gegen sein Volk stellen. Er war bereit seine Identität als Ägypter abzulegen und mit allen Konsequenzen als Hebräer zu leben. Er wollte sich ganz und gar dem Gott Israels zuwenden. Das ist so, wie wenn sich heute ein Mensch entscheidet Jesus nachzufolgen. Wir wenden uns von unserem ursprünglichen Leben ab und richten unser Leben auf Jesus aus. Wir entscheiden uns für ein Leben mit Jesus, indem wir unsere Einstellung ändern, so wie Petrus nach seiner Predigt an Pfingsten den Leuten sagte, die ihre Identität ändern und Kinder Gottes werden wollten: "Kehrt um - ändert eure Gesinnung und jeder von euch lasse sich auf den Namen von Jesus Christus taufen! Dann wird Gott euch eure Sünden vergeben, und ihr werdet seine Gabe, den Heiligen Geist, bekommen." Apostelgeschichte 2, 38. Dadurch werden wir in ein neues Reich versetzt, wie Paulus später schreibt: "Gott hat uns aus der Gewalt der Finsternis befreit und hat uns in das Reich versetzt, in dem sein geliebter Sohn regiert." Kolosser 1, 13. So können wir unsere Identität wechseln und wir sind bereit, die allfälligen negativen Folgen zu tragen, weil wir das Ziel vor Augen haben. Weil wir wissen, dass es sich lohnt! Mose war der Meinung, niemand hätte ihn beobachtet. Doch am nächsten Tag, als er einen handfesten Streit zwischen zwei Israeliten schlichten wollte, fuhr ihn der Angreifer an und schrie: "Wer hat dich zum Aufseher und Richter über uns eingesetzt? Willst du mich auch umbringen wie den Ägypter?" 2. Mose 2, 14. Mose war sofort klar, was das für ihn bedeutet, wenn bekannt wurde, was er getan hatte. Es war nur eine Frage der Zeit bis sein Grossvater davon erfahren würde und dann würde er ihn töten lassen. So war es dann auch. "Als der Pharao von dem Vorfall erfuhr, wollte er Mose töten lassen." 2. Mose 2, 15. Es ging dem Pharao vermutlich nicht um den Ägypter, den Mose getötet hatte. Ich nehme an, dass ihm dieser Mann ziemlich egal war. Der Pharao wollte Mose töten lassen, weil er ahnte, dass sich Mose ganz auf die Seite der Israeliten stellt und sie schlussendlich gegen ihn aufbringen wird. So blieb Mose kein anderer Weg, als aus Ägypten zu fliehen. Der Hebräer deutet das so: "Wie kam es, dass Mose Ägypten verliess, ohne sich vor dem Zorn des Königs zu fürchten? Der Grund dafür war sein Glaube. Mose ging entschlossen seinen Weg, weil er auf den sah, der unsichtbar ist." Hebräer 11, 27. So kann das im Rückblick interpretiert werden. Natürlich fürchtete sich Mose in gewisser Weise vor seinem Grossvater. Aber das tieferliegende Motiv seiner Flucht war nicht die Angst vor dem Pharao und die Angst vor dem Tod, sondern der Wille seinem Gott zu dienen. Mose wollte nicht mehr Ägypter, sondern Hebräer sein. In dieser Erzählung wird uns gezeigt, dass Mose seine Identität für immer geklärt hat. Die Frage für ist, ob wir unsere Identität geklärt haben. Unsere Identität als Kinder Gottes. Jesus sagte nämlich einmal: "Ein Mensch kann nicht zwei Herren dienen. Er wird dem einen ergeben sein und den anderen abweisen. Für den einen wird er sich ganz einsetzen, und den anderen wird er verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und zugleich dem Mammon." Matthäus 6, 24. II. Das vorläufige Ende eines hoffnungsvollen Mannes Mose floh in das Land Midian und ruhte dort an einem Brunnen aus. Er beobachtete wie sieben Frauen mit Schafen und Ziegen zum Brunnen kamen, um ihre Tiere zu tränken. Doch bald kamen Hirten, die diese Frauen vom Brunnen wegdrängten, so dass sie mit ihren Tieren warten mussten. Als Mose diese Respektlosigkeit gegenüber diesen Frauen beobachtete, schritt er ein. "Mose stand auf und nahm die Mädchen in Schutz. Er legte selbst Hand an beim Tränken der Tiere." 2. Mose 2, 17. So schnell waren diese Frauen mit dem Tränken der Tiere noch nie fertig und so fragte sie ihr Vater verwundert, warum sie so früh von der Tränke zurück seien. Sie berichteten: "Ein Ägypter hat uns vor den Hirten in Schutz genommen. Er hat uns beim Tränken geholfen und sogar selbst Wasser geschöpft." 2. Mose 2, 19. Der Vater, ein Priester, fragte wo dieser Mann sei, warum sie ihn nicht mitgebracht hätten. Sie sollen ihn sofort holen. Reguël - so hiess dieser Priester - lud Mose ein, bei ihnen zu bleiben, was nichts anderes bedeuten konnte, als dass Mose bei ihnen leben wird. Mose war damit einverstanden. Wo hätte er sonst leben können. Im Laufe der Zeit gab ihm Reguël eine seiner Töchter zur Frau: "Der Priester gab ihm seine Tochter Zippora zur Frau." 2. Mose 2, 21. Die beiden bekamen einen Sohn, den Mose Gerschom nannte. Mose sagte: "Er soll Gerschom (Gast-dort) heissen, denn ich bin Gast in einem fremden Land geworden." 2. Mose 2, 22. Mose empfand sich als Fremdling in diesem Land, in dem er Unterschlupf und Schutz fand. So kann es uns gehen, wenn wir Chisten werden. Wir leben zwar noch in derselben Welt, aber wir merken, dass wir nicht mehr wirklich in dieser Welt zu Hause sind. Wir realisieren, dass wir nicht verstanden werden und wir mit unseren Überzeugungen anecken. So lesen wir im Hebräer: "Hier auf der Erde gibt es keinen Ort, der wirklich unsere Heimat wäre und wo wir für immer bleiben könnten. Unsere ganze Sehnsucht gilt jener zukünftigen Stadt, zu der wir unterwegs sind." Hebräer 13, 14. In diesem Spannungsfeld leben wir als Christen. Nun, Mose hatte sich in Midian niedergelassen und es scheint, dass sich damit alle Hoffnungen zerschlagen hatten, die seine Eltern in diesem Kind gesehen hatten. Es schien das Ende einer hoffnungsvollen Entwicklung zu sein. Das Ende eines Mannes, von dem man grosses erwartete. Doch wenn wir meinen, wir seien am Ende und aufs Abstellegleis gestellt worden, so muss das für Gott nicht das Ende sein. Gott kann plötzlich Türen öffnen und neue Perspektiven schenken, von denen wir nicht wussten, dass das möglich sein könnte. Jedenfalls wird er das bei Mose tun. Mose brauchte dazu einfach einige Jahre Geduld. Schlussgedanke Mose kam zu seinem Volk und wollte ihnen helfen. Seine Hilfe wurde nicht verstanden und er wurde gewissermassen aus seinem Volk verstossen. Sie wollten sich von ihm nicht helfen lassen. Die Juden wollten sich auch von Jesus nicht helfen lassen. Jesus kam in diese Welt und wollte seinem Volk helfen. "Er kam zu seinem Volk, aber sein Volk wollte nichts von ihm wissen." Johannes 1, 11. Wie begegnen wir Jesus? Sind wir bereit seine Hilfe anzunehmen? Sind wir bereit, uns von ihm zurechtweisen zu lassen? Gehören wir zu den Menschen, die ihn verstossen? So wie es im Johannes-Evangelium heisst: "Jeder, der Böses tut, hasst das Licht; er tritt nicht ins Licht, damit sein Tun nicht aufgedeckt wird." Johannes 3, 20. Menschen, die Jesus nicht begegnen wollen, weil sie ihr Leben ohne Gott gestalten möchten. Aber es gibt auch die Menschen, die Jesus offen begegnen und ihr Leben ordnen möchten. So schreibt Johannes: "Wer sich bei dem, was er tut, nach der Wahrheit richtet, der tritt ins Licht, und es wird offenbar, dass sein Tun in Gott gegründet ist." Johannes 3, 21. Es würde mich freuen, wenn wir alle unsere Identität als Kinder Gottes geklärt hätten und deshalb mit Jesus unterwegs sein können, als Kinder Gottes. Menschen, die sich nach der Wahrheit richten und in das Licht Gottes treten können. Freie evangelische Gemeinde Zürich Helvetiaplatz 2 Der schwierige Aufbruch in eine schönere Welt (3/11)