Alle sind begnadigt worden

Reihe: Die Wichtigkeit christlicher Gemeinschaft (2/4)

Epheser-Brief 4, 7-10

 

 

 

 

I.      Das Geschenk der Gnade

II.        Der Preis für die Gnade

 

 


Einleitende Gedanken

Im ersten Abschnitt des vierten Kapitels im Epheserbrief sahen wir letztes Mal, dass die christliche Gemeinschaft nicht oberflächlich ist, sondern sich durch inhaltliche Übereinstimmung auszeichnet. Paulus ermahnt uns, diese Einheit zu bewahren:

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„Setzt alles daran, die Einheit zu bewahren, die Gottes Geist euch geschenkt hat; sein Frieden ist das Band, das euch zusammenhält: ein Leib, ein Geist und genauso auch eine Hoffnung, die euch gegeben wurde, als Gottes Ruf an euch erging; ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater von uns allen, der über alle regiert, durch alle wirkt und in allen lebt.“ Epheser 4, 3–6.

Selbst wenn die Gemeinschaft durch den Heiligen Geist geschenkt ist, liegt es an uns, diese Einheit zu bewahren.

In dem Abschnitt, den wir heute anschauen, sehen wir nochmals wie christliche Gemeinschaft gebildet wird und warum sie in dieser Qualität möglich wurde. Lesen wir die Verse 7-10 im Kapitel 4 des Epheserbriefes.

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Einem jeden aber von uns ist die Gnade gegeben nach dem Mass der Gabe Christi. Darum heisst es: „Er ist aufgefahren zur Höhe und hat Gefangene mit sich geführt.“ Den Menschen hat er Gaben gegeben. Epheser 4, 7-8.

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Dass er aber aufgefahren ist, was heisst das anderes, als dass er auch hinabgefahren ist in die Tiefen der Erde? Der hinabgefahren ist, das ist derselbe, der aufgefahren ist über alle Himmel, damit er alles erfülle. Epheser 4, 9-10.

 

I.               

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Das Geschenk der Gnade

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Bevor ich erkläre, wie ich den Text verstehe, muss ich sagen, dass dieser Abschnitt im Epheserbrief nicht ganz leicht zu verstehen ist. Ich konnte mich nicht der allgemeinen Auslegung anschliessen, die hauptsächlich davon ausgeht, dass es sich im Vers 7 um die verschiedenen Geistesgaben handeln würde.

„Einem jeden aber von uns ist die Gnade gegeben nach dem Mass der Gabe Christi.“ Epheser 4, 7.

Ich kann die vorherrschende Meinung nicht teilen, dass hier von den verschiedenen Geistesgaben gesprochen wird. Die Schlüsselbegriffe: Gnade und Gabe, stehen auch im Singlular. Ich meine, dass Paulus mit diesem Vers zwei wichtige Aspekte betont.

Einmal macht er deutlich, dass die Gnade und Gabe Christi nicht an eine Gemeinschaft, Institution oder Kirche verliehen wird. Es gibt tatsächlich Kirchen, die davon ausgehen, dass die Gnade der Institution Kirche verliehen wurde. Deshalb wird die Kirche zur Vermittlerin der Gnade und der Gabe Christi. Wer dann diese Institution verlässt, der wird diese Gnade wieder verlieren. Ein solches Verständnis von Kirche führt dazu, dass die Institution Kirche die Gnade und Gabe Christi verleiht und zur Heilsbringerin wird.

Doch dieses Verständnis von Kirche ist den Aposteln fremd. Die Gnade wird nicht einer Institution geschenkt, sondern die Gnade Gottes wird dem einzelnen Menschen geschenkt. Diese begnadigten Menschen bilden dann die Kirche. So schreibt der Apostel Petrus:

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„Kommt zu Jesus! Er ist jener lebendige Stein, den die Menschen für unbrauchbar erklärten, aber den Gott selbst ausgewählt hat und der in seinen Augen von unschätzbarem Wert ist. Lasst euch selbst als lebendige Steine in das Haus einfügen, das von Gott erbaut wird und von seinem Geist erfüllt ist.“ 1. Petrus 2, 4–5.

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Kirche ist also keine Institution, sondern eine Körperschaft. Kirche wird durch Menschen gebildet, die begnadigt wurden. Deshalb schreibt Paulus:

„Einem jeden aber von uns ist die Gnade gegeben nach dem Mass der Gabe Christi.“ Epheser 4, 7.

Jeder einzelne Christ ist beschenkt worden. Jeder wiedergeborene Christ hat die Gnade und Gabe Christi erhalten. Es gibt keine unterschiedlichen Klassen von Christen. Jeder Christ ist immer direkt von Jesus begnadigt worden und von ihm anhängig und mit ihm verbunden.

Es braucht keine Menschen und keine Institutionen, die diese Gnade vermitteln. Paulus schreibt das dem Timotheus unmissverständlich:

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„Es gibt nur einen Gott, und es gibt auch nur einen Vermittler zwischen Gott und den Menschen – den, der selbst ein Mensch geworden ist, Jesus Christus.“ 1. Timotheus 2, 5.

Vielen von uns ist das selbstverständlich geworden und deshalb ist die Gefahr gross, dass wir diese grossartige Tatsache nicht mehr richtig zu schätzen wissen. Hätte sich Gott uns nicht so direkt zugewandt, dann wären wir der Willkür von Menschen ausgeliefert, die über unsere Rettung bestimmen würden. Das wollte Gott offensichtlich verhindern und hat es so eingerichtet, dass jeder von uns direkt mit Jesus in Verbindung stehen kann. Dadurch hat uns Gott die Möglichkeit gegeben in der Beziehung zu Jesus zu wachsen und mündige Christen zu werden.

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Und ein zweiter Aspekt, auf den uns Paulus mit diesem Vers vermutlich hinweisen wollte, betrifft das Mass der Gabe der Gnade.

„Einem jeden aber von uns ist die Gnade gegeben nach dem Mass der Gabe Christi.“ Epheser 4, 7.

Damit könnte Paulus sagen wollen, dass für jeden Menschen genügend Gnade vorhanden ist. Es ist genügend Gnade für hilfbereite Menschen, aber auch für Schwerstverbrecher vorhanden. Hat jemand einen Menschen ermordet, braucht er Gnade für diesen einen Mord. Hat jemand zehn Menschen ermordert, braucht er Gnade für diese zehn Morde. Wer grössere Schuld auf sich geladen hat, benötigt logischerweise mehr Gnade. Paulus sagte im Blick auf sein Leben als Christenverfolger:

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„Jesus hat mich eingesetzt, ausgerechnet mich, der ich ihn früher verhöhnt und seine Gemeinde mit äusserster Härte verfolgt hatte. Aber er hat sich über mich erbarmt.“ 1. Timotheus 1, 13.

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Und dann meint er:

„Geradezu überwältigend war die Gnade, die unser Herr mir erwiesen hat, und sie hat in mir einen Glauben und eine Liebe entstehen lassen, wie sie nur durch Jesus Christus möglich sind.“ 1. Timotheus 1, 14.

Paulus staunte darüber, dass es für ihn, der die Christen bis aufs Blut verfolgte, genügend Gnade gab. Deshalb ist es für ihn keine Frage, ob bei Jesus genügend Gnade vorhanden ist. Er stellt fest:

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„An mir als dem grössten aller Sünder wollte Jesus Christus zeigen, wie unbegreiflich gross seine Geduld ist; ich sollte ein ermutigendes Beispiel für alle sein, die sich ihm künftig im Glauben zuwenden, um das ewige Leben zu erhalten.“ 1. Timotheus 1, 16.

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Hat Paulus Gnade bei Gott gefunden, dann reicht die Gnade für jeden Menschen. Das Mass der Gnade Christi ist unerschöpflich, wie es zu Beginn des Johannesevangeliums heisst:

„Wir alle haben aus der Fülle seines Reichtums Gnade und immer neu Gnade empfangen.“ Johannes 1, 16.

Gott beschenkt uns mit seiner Gnade. Falls du der Idee verfallen bist, dass die Gnade Gottes für dich nicht reichen würde, dann kann ich dir sagen, dass du diesbezüglich eine total falsche Ansicht hast. Es ist besser für dich, wenn du dem, was Paulus sagt vertraust und mit deiner Schuld zu Jesus gehst. Bei Jesus gibt es genügend Gnade für dich!

II.           

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Der grossartige Siegesmarsch

Mit einem Zitat aus dem Psalm 68 weist Paulus nochmals auf die Grundlage der Gnade hin.

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„Du bist aufgefahren zur Höhe und führtest Gefangene gefangen; du hast Gaben empfangen unter den Menschen.“ Psalm 68, 19.

Mit diesem Zitat weist Paulus auf den Siegeszug von Jesus hin, als er an Himmelfahrt zu seinem Vater zurückkehrte. Durch seine Auferstehung hatte er den Tod und den Teufel entmachtet. Er hat sozusagen die finsteren Mächte als Gefangene weggeführt. Paulus sagte das einmal so:

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„Jesus hat die gottfeindlichen Mächte und Gewalten entwaffnet und ihre Ohnmacht vor aller Welt zur Schau gestellt; durch Christus hat er einen triumphalen Sieg über sie errungen.“ Kolosser 2, 15.

Paulus sieht in diesem Psalmwort, das er zitiert, den Siegesmarsch von Jesus, als er zu seinem Vater zurückkehrte. Damit ruft er bei dem damaligen Zuhörer eine Assoziation hervor. Im römischen Reich waren Siegeszüge, man nannte sie Triumphzüge, bekannt. Nach gewonnener Schlacht zogen römische Heerführer mit ihren Soldaten und den Gefangenen in einem Triumphzug durch Rom. Dabei wurde wohlriechendes Räucherwerk verbrannt. Die Menschen standen an den Strassen und bejubelten diese siegreiche Armee, bestaunten die Gefangenen und die eroberten Schätze.

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Zur Erinnerung an grosse Schlachten, die gewonnen wurden, erstellte man auch Triumphbögen. So z.B. der Titusbogen in Rom, der an die Eroberung Jerusalems 70 n. Chronik  erinnert. Titus, der später römischer Kaiser wurde, war damals Feldherr. Die Menschen waren über solche Siege begeistert, bejubelten und beschenkten diese Helden. Paulus schreibt sogar den Korinthern, dass Christen in diesem Triumphzug von Jesus als Sieger mitmarschieren:

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„Gott aber sei Dank! Weil wir mit Christus verbunden sind, lässt er uns immer in seinem Triumphzug mitziehen und macht durch uns an jedem Ort bekannt, wer er ist, sodass sich diese Erkenntnis wie ein wohlriechender Duft überallhin ausbreitet.“ 2. Korinther 2, 14.

Für die, die an der Seite von Jesus sind, ist es der Duft des Sieges, der Duft des Lebens. Für die Besiegten hingegen ist es der Duft der Niederlage und des Todes.

Mit dem Zitat aus Psalm 68 weist Paulus auf diesen Siegeszug von Jesus hin.

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„Du bist aufgefahren zur Höhe und führtest Gefangne gefangen; du hast Gaben empfangen unter den Menschen.“ Psalm 68, 19.

Es gibt leider ein Problem mit diesem Zitat, das in den Kommentaren breit besprochen wird, denn Paulus scheint das Zitat abgeändert zu haben. Im Psalm 68 wird geschrieben, dass der Sieger von den Menschen Gaben empfangen hat. Paulus schreibt das exakte Gegenteil:

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„Er ist aufgefahren zur Höhe und hat Gefangene mit sich geführt und hat den Menschen Gaben gegeben.“ Epheser 4, 8.

Wie Paulus das zitiert, sind es nicht die Menschen, die dem Sieger Gaben geben, sondern es ist der Sieger, der den Menschen Gaben gibt.

Ich möchte nicht die gesamte Diskussion über diesen Punkt aufzeigen, dazu müsste man ein Seminar oder eine Interessegruppe anbieten, um alle Argumente zu betrachten. Die eigentliche Frage ist, ob Paulus dieses Psalmwort aus seinem Gedächtnis falsch zitiert hat und dabei einen Fehler machte.

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Ich bin der Meinung, dass Paulus dieses Zitat nicht aus seinem Gedächtnis notierte, denn zu genau entspricht der Wortlaut der Septuaginta, der griechischen Übersetzung des Alten Testaments, die Paulus nachweislich oft verwendet haben musste. Mein Lösungsvorschlag ist folgender. Paulus zitiert den ersten Teil des Verses:

„Er ist aufgefahren zur Höhe und hat Gefangene mit sich geführt.“ Epheser 4, 8.

Damals gab es übrigens noch keine Verseinteilungen. Und es ist durchaus üblich, dass nur die Teile einer Aussage zitiert wurden, die für das, was man erklären wollte, relevant waren.

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Nach diesem Zitat fügte Paulus seinen eigenen Gedanken hinzu, mit dem er verdeutlichen wollte, dass Jesus nach der Himmelfahrt uns Menschen mit dem Heiligen Geist beschenkt:

„Den Menschen hat er Gaben gegeben.“ Epheser 4, 8.

Das ist derselbe Gedanke, den der Apostel Petrus bei seiner Predigt an Pfingsten äusserte:

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„Jesus ist in den Himmel emporgehoben worden, um den Ehrenplatz an Gottes rechter Seite einzunehmen, und hat von seinem Vater die versprochene Gabe erhalten, den Heiligen Geist. Diesen Geist hat er nun über uns ausgegossen.“ Apostelgeschichte 2, 33.

Und damit jedem klar wird, von wem Paulus hier eigentlich spricht, wer der ist, der aufgefahren ist, sagt er:

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Wenn hier steht: „Er ist hinaufgestiegen“, dann muss er doch zunächst einmal hinuntergestiegen sein – hinunter bis in die tiefsten Tiefen der Erde. Epheser 4, 9.

Damit macht er einen eindeutigen Hinweis auf Jesus. Er hatte die Herrlichkeit bei seinem Vater verlassen, stieg hinunter auf die Erde, wurde hingerichtet und begraben, sozusagen in die tiefsten Tiefen der Erde gestossen. Den Christen in Philippi beschrieb es Paulus so:

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„Jesus verzichtete auf alle seine Vorrechte und stellte sich auf dieselbe Stufe wie ein Diener. Er wurde einer von uns – ein Mensch wie andere Menschen. Aber er erniedrigte sich noch mehr: Im Gehorsam gegenüber Gott nahm er sogar den Tod auf sich; er starb am Kreuz wie ein Verbrecher.“ Philipper 2, 7–8.

Und nachdem er die tiefsten Tiefen der Erde erreichte, wurde er erweckt, denn der Tod konnte ihn nicht halten, er hatte keine Macht über ihn. Petrus meinte:

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„Gott hat Jesus aus der Gewalt des Todes befreit und hat ihn auferweckt; es zeigte sich, dass der Tod keine Macht über ihn hatte und ihn nicht festhalten konnte.“ Apostelgeschichte 2, 24.

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Und somit schreibt Paulus den Philippern:

„Gott hat Jesus so unvergleichlich hoch erhöht und hat ihm als Ehrentitel den Namen gegeben, der bedeutender ist als jeder andere Name.“ Philipper 2, 9.

Es ist also Jesus, der dies alles getan hat. Er ist der Sieger!

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„Er (Jesus), der hinuntergestiegen ist, ist dann auch wieder hinaufgestiegen bis über den höchsten aller Himmel, um so das ganze Universum mit seiner Gegenwart zu erfüllen.“ Epheser 4, 10.

Das ist der grossartige Siegesmarsch von Jesus, der uns zeigt, wie gewiss unsere Rettung ist.

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Schlussgedanke

Jeder, der sein Leben Jesus anvertraut hat, ist begnadigt worden und gehört nun zu dieser weltumspannenden Gemeinschaft der Familie Gottes.

Und es ist eine grosse Freude zu wissen, dass Jesus mächtiger ist als alle Mächte in der sichtbaren und unsichtbaren Welt. Selbst das Totenreich konnte ihn nicht halten. Deshalb wird in der Offenbarung darauf hingewiesen, dass Jesus die Schlüsselgewalt über dieses Totenreich hat. Deshalb ist es das Beste, wenn wir ihm voll und ganz vertrauen. Jesus sagt:

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„Du brauchst dich nicht zu fürchten! Ich bin der Erste und der Letzte und der Lebendige. Ich war tot, aber jetzt lebe ich in alle Ewigkeit, und ich habe die Schlüssel zum Tod und zum Totenreich.“ Offenbarung 1, 17–18.

Mit anderen Worten sagt Jesus: Wenn du mir vertraust, dann kann dir nichts passieren, denn nichts und niemand ist mächtiger und stärker als ich. Und wir sollten uns bewusst sein:

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Jesus, der hinuntergestiegen ist, ist dann auch wieder hinaufgestiegen bis über den höchsten aller Himmel, um so das ganze Universum mit seiner Gegenwart zu erfüllen. Epheser 4, 10.