Die Bibel oder die ganze Heilige Schrift mit in den Text eingefiigter Auslegung, ausführlichen Inhaltsangaben und erläuternden Bemerkungen, herausgegeben von K. August Dächsel Die Bibel Heilige Schrift Alten und Neuen Testaments nach der deutschen Übersetzung Dr. Martin Luthers mit in den Text eingefiigter Auslegung, ausführlichen Inhaltsangaben und erläuternden Bemerkungen, herausgegeben von K. August Dächsel, Pastor prim. zu Neusalz a. d. O. Band 5 Das Neue Testament Der ersten Hälfte oder der Geschichtsbiicher erste Abteilung: Die synoptischen Evangelien M Verlag der Lutherischen Buch dl ng Heinrich Harms — 29393 Gro ingen Das» War! matt» Fleifdj nnd woljnetc unter links, und mir sithcn seine Hertlichlieih eine Herrkicljtäeil als» des eingebornen Tsoljnes vom Unter, isocler Gnade nnd All-Unheil. Tun. Ins. l, H. Inhalt Seite Geschichtsbiichen Evangelium St. Matthäi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Evangelium St. Marci . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447 Evangelium St. Lucä . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 577 G 2004 by Verlag der Lutherischen Buchhandlung IsBN 3-86147-269-4 (Band 1—7) ISBN 3—86147—274—0 (Band 5) Herstellung: Druckhaus Harms — 29393 Grols Oesingen Telefon (0 58 38) 99 08 08 — Telefax (0 58 38) 99 08 09 Zu beziehen durch: Verlag der Lutherischen Buchhandlung Martin-Luther-Weg 1 — 29393 Grolå Oesingen Telefon (0 58 38) 990 880 — Telefax (0 58 38) 7 02 Vorrede. -»-«-«-« - Mit Gottes Hilfe ist es dem Herausgeber möglich geworden, binnen 10 Monaten das Mannscript zu den 20 das Evangelium St. Lucü enthaltenden Druckbogen fertig zu stellen, so daß, nach- dem erst im Februar dieses J. der IV. Band des Bibelwerks geschlossen worden, schon heute der V. Band seinen Abschluß erreichtz steht der HErr weiter mit seiner mächtigen Hilfe in dieser Weise bei, so dürfen wir hoffen mit dem Ende des Jahres 1878 auch das Ende des Gesammt- werkes zu erreichen —- die Vorbedingungem um ein solches Ziel zu erreichen, sind bereits erfüllt. Daß aber, ungeachtet der schnellen Förderung, die Arbeit darum doch keine leichtfertige ist, dafür glauben wir-dem geneigten Leser den Beweis gerade mit dieser Lukas-Schrift zu liefern: nicht nur ist ein selbstständiger Versuch gemacht, die so schwierige Frage, wie es mit dem sogen. Reisebericht in Kap· 9, 51 — 18, 30 sich verhalte, zu lösen, der wohl auch von Seiten der Wissenschaft Beachtung finden dürfte, sondern es sind auch in der Einzelerklärung nicht selten Auffassungen 1nitgetheilt, die besonders dem praktischen Geistlichen willkommen sein werden, so namentlich bei mehreren, dem dritten Evangelisten eigenthümlichen Gleichnisseih welche die Kirche ihrer Wichtigkeit wegen zu Sonntags-Perikopen verwendet hat. In der Vorrede zum IV. Bande hat der Unterzeichnete Gelegenheit nehmen müssen, dem Angriff einer politischen Zeitschrift zu begegnen, welcher mit den Waffen des weltlichen Spott- geistes gegen eine Aeußerung über die zunächst uns bevorstehende Zukunft der Kirche sich als gegen ,,frommen Wahnsinn« richtetez inzwischen aber hat derselbe auch Gegner auf Seiten bibel- gläubiger Amtsbrüder und in solchen Zeitschriften gefunden, welche christliches Leben zu fördern und der Erkenntniß der Wahrheit zu dienen sich zum Zweck gesetzt haben. Man nimmt da Anstoß an den eschatologischen Anschauungen, welche das Bibelwerks) vertritt, glaubt sie als seelengefährlich bekämpfen und als irrig ,,mit schlagenden Gründen«, wie man meint, widerlegen zu müssen, würde aber, wie der Herausgeber seinerseits überzeugt ist, damit nur das erreichen, daß die zu dieser unsrer Zeit so mannigfach geängsteten Herzen, welche Christum und sein Reich lieb haben und sich keinen Rath und Trost wissen, was aus der Zukunft werden soll, das rechte Licht des prophetischen Worts in dem dunkeln Ort verlieren, wenn es wirklich gelingen sollte, die Gemüther gegen die hier vorliegende Bibelauslegung einzunehmen und mit derselben zu entzweien. Hier gilt es eine Nothwehr, die Herausgeber und Verleger auch sich selber schuldig sind: nachdent dieselben mit vielen und schweren Opfern bei einem verhältnißmäßig nur geringen pekuniären Gewinn das Werk, das schon manchem Gnadensegen des HErrn zum Werkzeug gedient hat, nun soweit gefördert haben, können sie die Frucht ihrer Arbeit sich nicht durch dergleichen vorschnelle Urtheile verkümmern lassen. Es ist darum nothwendig geworden, das Buch der Offenbarung St. Johannes, obwohl es das letzte der Bibel und eigentlich für if) Ebenso ein vom Herausgeber durch den Druck für weitere Kreise veröffentlichter Conferenz- Vortrag: Schicket euch in die Zeit, denn es ist böse Zeit! Verlag von C. Dülfer in Vreslain 5 Er. VI Vorrede. längere Zeit noch nicht an der Reihe ist, schon jetzt in vollständiger Auslegung vor die Oeffent- lichkeit zu bringen; das soll denn gleichzeitig mit dem demnächst erscheinenden 1. Heft des VL Bandes, welches den LTheil des vierten Evangeliums enthält, geschehen. Weiter aber werden wir es nicht dabei bewenden lassen, das; wir zu Matth. 9, 34; 19, 2 u. 20, 19 schon eine Uebersicht über den Verlauf des Lebens Jesu nach den harmonistisch zusammengestellten Berichteu der vier Evangelisten beigebracht haben; diese Uebersicht läßt für den praktischen Gebrauch immer noch eine große Lücke, wir bedürfen vielmehr, wenn alles klar und anschaulich werden soll, auch einer eigenen Evangelien-HarInonie, welche zunächst für jede einzelne Geschichte die verschiedenen Berichte, wenn solche vorliegen, übersichtlich dem Auge. zur Vergleichnng vorführt, dann aber die Verschiedenheit zur Einheit erhebt und ans den niehrerlei Berichten einen einzigen zusam- menstellt, wie das in Betrefs der Passionsgesehichte ja schon für den kirchlichen Gebrauch gefchehen ist. Von dieser EvaugelieispHarmonie sind bereits mehrere Bogen im Druck vollendet, und wird denn das Ganze ebenfalls gleichzeitig mit dem 1(). Hefte ausgegeben werden; . diese Harmonie bildet den I. Llnhang znm VI. Bunde, der damit zu einem eigenen Heft zusammen- geschlossene IL Anhang bezieht sich auf die Apostelgesehichtcy die mit der zweijährigen Gefangenschaft des Apostel Paulus zu Rom abschließt, und setzt die Geschichte des apostolischen Zeit- alters unter Bezugnahme auf die Epistcln und die Apokalypse bis zu Ende fort. Um mehr- fach geänszerteri dringenden Wünschen von Subscribeiiten des Bibelwerks nach einer Epistel- bearbeitung zu entsprecheiy lassen wir aus die obengenannten Theile die Auslegung des Römer- briefs (Bd. V11»., Heft 1.) unmittelbar folgen. Da hier der in: Vorwort zum 1V. Bande genannte Mitarbeiter helfend eintritt, so werden zur Beschleunigung der Ausgabe die letzten beiden Bände (VI. n. V1I.) des Bibelwerks gleichzeitig hergestellt, doch sollen die einzelnen Theile derselben in geordneter Folge« erfcheinen Freilich gehört von Seiten des Unterzeichneten eine ungeheure Anspauniing Uller seiner Kräfte dazu, um in so rascher Weise das Bibelwerk seinem Abschlnß entgegenzufiihrem auf den er sich noch durch manche anderweite Erwägungen hingedrängt sieht; aber darum bittet er auch alle diejenigen, welche mit Briefen sich an ihn wenden, ihm es freundlichst tiachzusehem wenn er sehr spät und vielfach gar nicht darauf antwortet. Es ist eben nicht anders möglichz jeder Mensch hat nur über Eine Kraft zu verfügen, nur über Eine Zeit zu gebieten, und wo Zeit und Kraft schon vollständig in Anspruch genommen sind, da muß alles, was über das höchste Maß hin- ausgeht, zurückbleiben Eine Freude und Erholung sind aber diese Briefe immer; und ist der Empfänger einem jeden von Herzen dankbar, der mit Trost und Aufrichtung, mit Rath und Zuspruch ihm zu Hilfe kommt. Steinkirche, den 31. Dezember 1874. Deichsel, P. Wie heilige Schrift. Neues Testament. Evangelium St. gistlatthcii Wem die ganze heilige Schrift Wort Gottes ist, dem ist es gar lieblich, daß Matthäus sogleich zuerst auf das alte Testament folgt: er weiset vor allen Evangelien durchweg in vielen deutlichen und verdeckten Hinweisungen auf das alte Testament nach, daß die Geschichte Christi bis in die scheinbar kleinsten Details dort geweissagt und vorgebildet ist. Willst du dieses Evangelium recht anschaulich betrachten, so versetze dich im Geiste nach Paläsiina in die Stelle eines wahrheitsuchendem heilsverlam genden Juden, der die Weissagungen des alten Testaments von seinem Messias kennt und glaubt, nach deren Ersüllung sich sehnt, der von Jesu allerlei Widersprechendes gehört, und dem nun von Matthäus bezeugt wird: Er ist gekommen! Das 1. Kapitel. Christi gesohleahtsregisteh Empsängnisp Natur und Geburt. I- n. 1—17. (§. II) Sud-m St. neuern-iu- mit seinem, zunächst fiir Christen ans dem Iudenthttm bestimmten Evangelio den umfassenden Uaehweis zu fiihren beabsichtigt, daß an Jesu von Uazareth sich alle Meiste— und Kenn- zeichen vorfinden, die in den Schriften des alten Testa- ments in Beziehung auf den messias Jsraels angegeben sind, und er also in der That nnd Wahrheit dieser niemals, der oeeheißene Seligmacher seines Volkes ist, beginnt er mit einem Geschtechtsregister desselben, das ihn von Seiten des Joseph, des Ghegatten seiner Mutter, als einen Sohn Davids, des Sohnes Abraham-i, erkennen läßt. (Vgl. Eule. Z, 23-—38). c Evangelium am Tage lliariii Geburt: V. I ——16.) Der Tag fällt auf den 8. September und ist das erste Fest, welches von vornherein der Verherrlichung der Maria galt. In der lutherischen Kirche wurde er bald fiir ein ,,unreines« Fest erkannt, jedoch in einzel- nen Ländern (Nassau und Brandenburg) einstweilen noch beibehalten, weil er zu tief in das Volksleben verwachsen war, um ihn sofort beseitigen zu können. Jetzt ist er aber gänzlich verschwunden, und steht sein Name nur noch als Ruine aus älterer Zeit in unsern Vibelaus- gaben da. Die Epistel für den Tag ist sogar einem apokryphifchen Buche entnommen: Sirach 24, 22—31. (Ueber die Entwickelung des Perikopenwesens in der christlichen Kirche s. Anm. zu Luk. —1, 20.) 1. Dies sdas im Folgenden aufgestellte Ge- schIechtSregtsterJ ist das Buch von der Geburt [Her- Faust] Jesu Christi, der da ist lwie aus dem Buche selber sich ergeben wird] ein Sohn Davids, des Sohns Llbrahatws [der also auch durch seine mensch- ’«) Diese Angabe nach Paragraphen bezieht sich auf die Harmonie der vier Evangelien nach der Zeitfolge der Be- gebenheiten, welche den Schlußbetnerkungen zu den Evangelien beigegeben ist; der Leser, wird dadurch in den Stand gesetzt, sich in Hinsicht auf den chronologifchen Zusammenhang des jedesutaligen Abschnitts den er vor sich hat, zu orientiren und so das Verständnis; sich wesentlich zu erleichtern. DächsePs Btbelwerh Jesus ist unser Niesftas, und durch uns der Heiland aller Welt. (Richter.) liche Abstammnng als den rechten Messias Jsraeks sich ausweist; denn dieser sollte ja nach 1. Mos 12, 3 ein Sohn Abraham’s, und nach 2. Sam. 7, 12 ff. ein Sohn Davids sein]. Die wundervolle Geburt unsers HErrn Jesu Christi, des Sohnes Gottes und des Menschen Sohnes, die Er- fcheinungen und Zeugnisse der Engel, die seine Geburt verkündigten, das Zeugniß Johannis des Täufers, seine eigentlichen göttlichen Thaten während seines Wandel-Z anf Erden, die Stimmen vom Himmel, die Zeichen und Wunder, womit Gott von ihm zeugte, und feine Auf- erstehung vom Tode: das alles zusammen genommen hätte noch keinen vollständigen Beweis gegeben, daß dieser, unser hochgelobter HErr, der Christus, der den Vätern Jsrael’s, allermeist dem Abraham und dem David ver· heißene Messias sei, und man also die Erfüllung aller Gottesverheißungen von ihm und durch ihn zu erwarten habe; mit dem allen hätten doch auch die besten Israe- liten einen Zweifel behalten können, wenn ihm ein sehr wichtiges, über alles geltendes Merkmal gefehlt hätte, das zu jenem allen nicht nur hinzukommen, sondern fchon vorhergeheey fchon da fein mußte, sobald von ihm unter den Menschen die Rede war, nämlich die Erfüllung der heil. Schriften des alten Testaments, wenn es also mit seiner Abstammung, mit seiner Geburt, seinem Vater- lande und seinem ganzen Lebens- und Leidenswandel stch nicht genau der Schrift gemäß verhalten hätte. Darum zeigt der Apostel Matthäus, dessen Evangelium mehr als die übrigen zum Dienst der Jsraeliten der damali en und der zukünftigen Zeit eingerichtet ist, in demfel en durchgehends an der Person und den Schicksalen Jesu, des Messias, die Erfüllung der Schriften und weist, be- vor er die Geburt des HErrn selbst befchreibt, zuvbrderst feine Abstammung nach. Was nun das vorliegende genealogische Stück einem Juden sein muß, der das Christenthum prüft und sich nach Ueberzeugung von der Wahrheit desselben sehnt, das können wir Christen uns fchwerlich vorstellen; man lese aber einmal die »be- wunderswürdige Führung Gottes in der Lebensgeschichte des Rabbi Chr. Sal. Duitsch — Z. Ausg., Utrecht 1771, S. 77 ff. (Menken.) Die Geschlechtstafeln Jesu Christi waren siir die Zeit, in welcher die Evangelisten schrieben, darum besonders wichtig, weil man vor der Zerstörung Jerusalems und der Zerftreuung des jüdischen Volks an Ort und Stelle aus den ächten Urkunden, welche die Juden sorgsam aufbewahrten und aus denen se. T. I. 1 2 Evangelium Matthäi 1, 2—17. die Evangelisten ihre Geschlechtsregister entnahmen, die Abstammung Jesu von David ersehn konnte; in unsrer Zeit dagegen zeigt sich auch daran, wie vergeblich die Juden noch auf den Niessias hoffen, weil jetzt niemand mehr als den Sohn Davids sich würde ausweisen kön- nen. (v. Gerlach.) Mit dem Tode und der Auferstehung Jesu hört die Bedeutung der Genealogien (Geschlechts- relgister) auf; denn wie er selbst nur nach dem·Fleisch A raham’s nnd Adam’s Sohn ist, nach dem Geist aber der Sohn Gottes (Röni. 1, 3 f.; 9, 5), so daß in dieser geistigen Beziehung Melchisedek gerade als ,,ohne Ge- schlecht« sein Vorbild heißt (Hebr. 7, 3), so zeugt er, nachdem er das Fleisch in den Tod gegeben hat und zu lebendig machendem Geist geworden ist, ein neues Ge- schlecht aus göttlichem Samen, und hat dadurch die Be- deutung der leiblichen Zeugung aufgehoben. (Auberlen.) 2. Abraham zengete Jsaak [1. Mel. 21- 2 f«J« Jsaak zeugete Jakob [1. M 25, 25 f.]. Jakob zeugete Juda und seine Brüder [die 12 Stamm- väter des jüdischen Volks 1. M. 29, 31 ff; 35, 16 fs.; 1. Chiron. 2, 1 f·, unter welchen aber Juda, obwohl der Reihe nach erst der vierte Sohn, den- noch fiir die Geschichte des Reiches Gottes der wich- tigste ist, weil aus seinem Geschlecht der Messias hervorgehen« sollte I. M. 49, 8 ff.]. Z. Juda zeugete kdie ZwilIiUgeJ Pharez und Saram [oder SerahL von der Thamar [der nach- gelassenen Wittwe feines Sohnes Ger, die sich durch List die Schwagerehe von ihm zu erschleichen gewußt 1. Mos 38, 30 Anm.]. Pharez zengete Hezron [1. M. 46, 12]. Hezron zeugete Ram [vgl. Rath 4, 18 fs.]. 4. Ram zeugete Aminadab [2. Mos. s, 23]. Aminadab zeugete Nahasson [4. M» 1- 7; S, Z; 7- l2]« Nahasson zeugete Salma [Jos. S, 25 Anm.]. 5. Salma zeugete [mittelbar, durch einen seiner Nachkommen, s. Ruth 4, 21 Anm.] Boas, von der Rahab [der ehemaligen Buhldirlie zu Jericho]. Boas zengete Ob«ed, von der IjMoabitin] Rnth sRuth 4, 13 ff.]. Obed zeugcite [gleichfalls auf mittelbare Weise, durch seinen, dem Namen nach nicht näher bekannten Sohn] Jesse soder Jsai: Ruth 4, 22 Blum. 1]. Ei. Jesfe zeugete sals den stingsten von seinen 7 Söhnen 1. Sam. 16, 10 Anm.] den König David [Ruth 4, 22 Anm. 2]. — Der König David zengete Salomoty von sBathsebaj dem Weibe des Uria sdie er nach dessen gewaltsam herbeige- ftihrtein Tode sich selbst zum Weibe nahm 2. Sam. 12, 24]. 7. Salomo zeugete Roboam loder Rehabeam, vgl. 1. Chron Z, 1 ff.]. Roboaui zeugete Abia Abia zeugete Assa. 8. Assa zeugete Josaphat. Josaphat zeugete Joranr Joram zeugete [Ahasja. Ahasja zeugete Joas. Joas zeugete Amazia Amazia zeugete] Osia [oder Usia, auch Asarja genannt]. « Aehnliche Zusammenziehungen in den biblischen Ge- fchlechtsregistern finden sich auch sonst (vgl.Esra 7, 1-·—5 mit 1. Chron.7, 13); es kommt aber den heil. Schrift- stellern meist nur auf die Hauptglieder an, und dabei fassen sie gewisse bedeutsame cksahleu in’s Auge — so hier die Zahl vierzehn in a en 3 Reihen (l. Ehren. 1, 42 Anm.). Daß nun in unserm Verse gerade die Namen Ahasja, Joas und Amazia fortgelassen werden, ist gewiß nicht willkürlich; vielmehr sind dies die Nachkommen der götzeiidienerischen Jsebel von Sei- ten ihrer ebenso heidnisch gesinnten Tochter Athalja, und zwar bis in’s Z. u. 4. Glied. Au ihnen hatte sich die göttliche Drohung in 2. Mos. 20, 5 erfüllt, sie waren abgethan durch Gottes Gericht (2.Kön.9, 27; 12,20 f.; 14, l9); man sollte daher eigentlich nicht von Auslasi sangen reden, sondern der Evangelist übergeht nur die- jenigen Natuen, die der HErr fel er ausgelöscht hat, um sein Wort zu bekräftigen und seine Wahrheit ins hellste Licht zu stellen. 9. Osia zeugete Jotham. Jotbam zengete Achas [Ahas]. Achas zeugete Ezechia soder Hiskias 10. Ezechia zeugeteManasse. Manasse zeugete Amon. Amon zeugete Josia 11. Josia zeugete Jechonia [richtiger: Josa- kim"] und seine Brüder [Jojakim zeugete Jojachin over JechoUiaJ um die Zeit der babylonischen Ge- sangniß. » » 12. Nach der babylonisehen Gesangniß kals die Wegführung der Juden nach Babel nun ge- schehen, die Zeit des Erils aber noch keineswegs zu Ende war] zeugete Jechonia Sealthiel Seal- thiel zengete Zorobabeltt «) Nach 1. Chron. Z, 15—19 ist die hier in Be- tracht kommende Genealogie folgende: - Jvsia - Johanan, Jojakim, Zidelkszia(Mathanja), Salluni Jechanja (Jechonia) Zidekia Assir Tochter: N. N. Neri Machkomme D9i jz Senneazau Jekamja Zank-aber, Sinkt U« l— W« Ohne Zweifel nun sind es abermals theokratifche Gesichtspunkte, warum der Evangelist die Abstammung-s- verhältnisse nicht dem äußeren Thatbestande gemäß dar- gestellt, sondern an die Stelle des Jojakim den Jojachin (Jechouia oder Jechanja) gesetzt hat, unbekümmert da- rum, daß hierdurch des letzteren Batersbrtider als seine Brltder erscheinen. Den näheren Aufschluß darüber ge- ben uns die Prophetenstellem stetem. 22, 10 ff. u. Bis, 30 f. Daselbst wird dem Jojakim gedrohet, daß zur Strafe für seine Ungerechtigkeit kein ehrenvolles Begräb- nis; ihm solle zu Theil werden und keiner von den Sei- nen auf dem Stuhle David’s sitzen werde. Hat nun gleich diese Verkündigung sich nicht in streng wörtlichem Sinne an ihm erftillt , indem er allerdings, nachdem sein Leichnam eine Zeit lang im Freien gelegen, zuletzt noch beerdigt ward (2. Kön. 24, 6 A11m.) und sein Sohn Jechonia oder Jojachin ftir den Augenblick in der Re- gierung ihm folgte (2. K. 24, 8 sf.); so ist doch damit fein Name, den er in der hosfärtigen Einbilduu ange- nommen zu haben scheint (2. Köm 23, 34), as gälte ihm die dem David gegebene Verheißung: »Ich will deinen Samen nach dir erwecken DIE-I = hekimx Jesu Geschlechtsregisteta 3 der von deinem Leibe kommen soll, dem will ich sein Reich bestätigen« in ganz besonderem Sinne, aus dem Buche von Davids Geschlecht gestrichen. Gott hatte ihn nicht erweckt, sondern bei Seite geworfen, und seine Nachkommen des Thrones für immer verlustig erklärt; darum wird er vom Evangelisten nicht mehr genannt. Auf der einen Seite hat dann zwar sein Sohn Jojachin ebenfalls sein Urtheil empfangen; er ward nach nur 100 Tagen seiner Herrschaft in die babylonifche Gefan- Zcienfchaft geführt (2. Kön 24, 8 ff.) , und von seinen achkommen hat keiner mehr auf dem Stuhle David’s gesessen, da selbst der letzte König Judas, Zedekia, nicht sein Sohn, sondern sein Onkel war (2. Kön. 24, 17 ff.). Andrerseits jedoch war Jojachin derjenige, den der HErr in Treue gegen seine Verheißung (2. Sam. 7, 12 ff.) wirklich bestätigte oder wieder aufrichtete, wie sein Name besagte (T«;)«I1 = hechin); denn nicht nur ward er im 37. Jahr seiner Gefangenschaft aus dem Kerker entlassen (2. Kön. 25, 27 ff.), sondern durch ihn pflanzte fich auch das Geschlecht David’s fort, indem seine Enke- lin in eine Nebenlinie des königlichen Hauses hinüber heirathete. So zählt sein Name doppelt in unserm Stammbaum (s.V.17): ein Mal im geistlichen Sinne, anstatt des ausgetilgten Namens feines Vaters Jojakim (V.11), das andere Mal aber auch im leiblichen Sinne (V. 12), so daß wir wirklich an ihn zu denken haben. —- ’H«) Das Nähere über Serubabeks Abstam- mung, der bald als Sohn Sealthiel’s, bald als Sohn Phadajcks aufgeführt wird, ist zu 1. Chron. Z, 19 ent- w· elt worden. Indem dabei zwei Gesetze, das Gesetz von den Erbtöchtern und das von der Levirats- oder Schwagerehe, in Betracht kommen, giebt sich die viel- mannigfaltige Weisheit Gottes kund, der eines Theils sein Wort über Jojachin in Jer. 22, 30 aufrecht hielt: »Schreibet an diesen Mann für einen Verdorbenen« (d. i. für einen solchen, mit dem sein Geschlecht erlischt), und doch andrerseits durch ihn die königliche Geschlechtslinie des David wollte fortbestehen lassen, bis der Messias käme, damit die dem David gegebene Verheißung erfüllt würde. Wir sehen also, daß es keineswegs gleichgiltig ist, ob man über alle die Namen und Glieder schnell hinwegeilt oder tiefer auf sie eingeht. »O hätte Abraham, hätte David nur diesen Anfang vom Evangelio, dieses Stück, über welches wir so ring hinfahren, damals schon gehabt, wie hoch hätten sie es geschätztt (Bengel.) 13. Zorobabel zeugte »Abiud [1. »Chron. Z, 21 Anm.]. Abiud zeugete El1achim. Eltachim zeugete Asön 14. Asor zeugete Zadoch Zadoch zeugete Arbia. Achin zeugete Eliud is. Eltud zeugete Eleasar Matthan Viatthan zeugete Jakob. 16. Jakob zeugete Joseph, den Mann Maria [V. 18 ff.]. von welcher ist geboren Jesus, der da heißet [den von andern Männern dieses Namens V. 21 Anm. ihn unterscheidenden Amtsnamen führt :] Christus [d. i. der Gesalbte, weil er der feinem Volke verheißene Messias Ioh. 1, 41. 45 ist]. —- 17. Alle lin V. 2——6 aufgezählten] Glieder von Abraham bis auf David sind vierzehn Glied [1. Abraham , 2. Jsaak , Z. Jakob, 4. Juda, b. Pharez, S. Hezron, 7. Ram, 8. Aminadab, J. Nahassom 10. Salma, 11. Boas, 12. Obed, 13. Jesse, 14. Davids Von David bis auf die Eleasar zeugete babylontsche Gesangmß [V. 6—11] sind vierzehn Glied [1. Salomon, 2. Robeam, 3. Abia, 4. Asfa, 5. Josaphat, S. Forum, 7. Osia, 8. Jotham, 9. Achas, 10. Ezechia, 11. Manasse, 12. Anton, 13.»Josi·a, 1»4. JechomaJsp Von der babyloniskhen Gesangniß bis aus Christum [V. 12—16] sind vierzehn Glied [1. Jechonia, 2. Sealthiel, 3. Zoro- babel, 4. Abiud, b. Eliachim, 6. Asor, 7. Zadoch, 8. Achin, I. Eliud, 10. Eleasar, 11. Matthan, 12. Jakob, II. Joseph, 14. Jesus-J. Die ersten vierzehn Glieder zeigen uns nach den irdifchen Verhältnissen eine aufsteigende Linie: es geht aufwärts bis zum Thron. Die zweite Linie bildet einen geueigten Höhenzug königlicher Namen; die dritte Linie geht aus dem Gericht der babylonifchen Gefangen- schaft hervor und stellt eine absteigende Linie dar, welche zuletzt in dem Zimmermann Joseph sich verläuft. (P. Lange.) Unter den drei Perioden dieser Stammtafel enthält die erste die Patriarchen, es ist die Zeit der Verheißung; die zweite enthält die Könige, es ist die Zeit der den Messias näher schildernden Weisf a- gnug; die dritte enthält die Privatpersonen, es ist die Zeit der Erwartung. (Lisco.) Freilich begegnet uns in den beiden Gefchlechtsregistern hier und in Luk.3 nur ein kahler Stammbaum von Namen; ein Baum aber, der vor einer näheren Betrachtung zu grünen, ja sich iippig zu belauben beginnt und einem tieferen Ein- dringen gar mit tausend duftigen Blüthen und erquick- lichen Himmelsfrüchten lohnen wird. Schon das Regi- ster an sich, wie es in seiner, Jahrtausende durchreichen- den Gliederung vor uns liegt, nöt i t uns eine nicht geringe Verwunderung ab. Es giebxt Familien unter uns, die sich’s zu hohem Ruhm und Adel rechnen, ihre Geschlechtskette bis auf das 18. oder 20. Glied zurück- führen zu können. In dem Familienregister der Jung- frau Maria (Luk. Z) haben wir einen Stammbaum vor uns, der in gerader Linie durch 40 Jahrhunderte hin- dnrch auf 117 Ahnen zurückschaut und der mit seiner letzten Wurzelfaser an den Weltanfang rührend alle jene Altvordern namentlich aufführn Schon das ist etwas Unvergleichliches und unerhörtes; schon das ein Umstand, der mehr »als eine blos menschliche Veranstaltung durch- scheinen läßt. Treten wir aber nun den Ahnen unsers HErrn in V.2 ff. näher, so sind die Personen, die den Stammbaum bilden, sämmtlich solche, an denen die Gnade groß geworden; sie sind Menschen, die da erst anfingen etwas zu fein, als es Gott gefiel, etwas zu Lobe seiner herrlichen Gnade aus ihnen zu machen. Wodurch hatte doch ein Iuda es verdient, daß Gott ihn zum Stammherrn Christi erhub? Wodurch machte sich Abraham selber dessen würdig, daß er aus den Heiden berufen nnd zum Urahn des verheißenen Mittlers aus- ersehen ward? Wodurch erwarb sich’s David, daß ihm die Ehre ward, den Messias Davids Sohn genannt zu hören? Das soll uns offenbar zum Fingerzeig dienen, wie das geistliche Haus des HErrn aus lauter Gnaden- kindern bestehe, keine eigene Würdigkeit hier in Anschlag komme nnd kein anderes Verdienst, als das des Haup- tes, hier zugelassen werde. Blicken wir weiter, so be- gegnen uns in den Reihen der Ahnen Christi auch ein- zelne Heiden. Eine Heidin war die Moabitin Rath, eine Heidin die Cananäerin Rahab. Lieblicher Wink in diesem Umstand! Ja, der Verheißene wollte kommen, um mit seinem beseligenden Licht die Schranken des Judenthums zu durchbrechcn und auch von denen sich finden zu lassen, die ihn nicht suchten, und denen, die nichrnach ihm fragten, zuzurufem Hier bin ich! hier bin ich! (Jes. 65, l.) Und schauen wir jene Stamm- 117 4 Evangelium Matthai 1, 18—24. glieder nach der moralischen Seite an: was für Leute waren sie in dieser Beziehung? Nur Heilige und Son- derlinge an Unsteäslichkeit und Tugend? Man hätte es denken mögen; aber wie so ganz anders findet sichs! Seht, da ist Juda, und wahrlich nicht im Lichtgewande der Unschnld tritt er euch entgegen (1. Abs. 38); da ist Rahab, und ihr wisset ja, wohin sie zu stellen war, ehe Gott sich ihrer annahm (Jos. 2); da ist David, und sehr bedeutsam heißbs von ihm: er zeugete Salomon von Urias’ Weibe (2. Sam. 11 u. 12). Was sagt ihr zu dieser Gesellschaft? Seht, solche Sünder schämte sich der HErr vom Himmel nicht seine Brüder zu heißen! Und daß der Messias mitten im Hause solcher Leute steht, wie predigfs so laut die große Wahrheit: wo die Sünde mächtig worden ist, da ist die Gnade noch viel mächtiger geworden; wie veranschaulicht dieser Umstand so teöstlich, daß kein Sljnder, und wäre er der ärgste nnter den argen, irgend Grund und Ursach habe, seiner Sünden halber von dem Heil iu Christo sich für ans- geschlosseu zu erachten, und wie ruft er so herzandritts gend und ermuthigend den Bangen und Blöden in den Vorhöfen des Guadenreiches zu: Des Bienschen Sohn ist kommen, zn suchen und selig zu machen, das verloren istl (Krummacher.) II« V. 18—25. (§. 3.) Hatte der Evangelist tu dem vor- eingehenden Gesrlsleelstgregister Jesum in geuealogischer Hinsicht ganz wie einen leiblichen Sohn Iosephg behau- delt, obgleich er nur dessen sllstrgesohn war, so is! es nunmehr seine Aufgabe, aus der einen Seite die leib- liche Jtbuatutnung von Joseph dem ordiitürett Volke— glauben gegenüber Rad. Its, 55 s.) ebenso entschieden in Ztbrede zu stellen, alg auf der andern Seite die ge- nealogische Jugehijrigiteit zu Joseph gleich stark, wie wenn eine leibliche Abstammung vorhanden gewesen wäre, nachzuweisen. Diese zwiefache Aufgabe nun erfüllt er durch Miltheilung einer Familiengeschichty in welcher sich eine bestimmte Verheißung deg alten Gehn— mentg erfüllt hat. Jesus, noch im jungfräulichen Stand: seiner Mutter vom heiligen Geiste kais-fangen, M, wac- ualh dem hlropheteuwort des Jesajas der ltiinstige Wes— skag Israrlg sein sollte, im vollen Sinne, nämlich der Emanueh d. i. Gollmit uns; indem aber darnach Joseph die Maria sammt der noch nngeborenen Leibesfrncht dem göttlichen Befehl gemäß in dag ehrliche Verhiiltuiß ans- genommen und fär die ganze Zeit bis nach der Nieder- ltunst der ehelichen Beiwohiutug sich enthalten, hat damit tendeu Character als eines Sohnes David in einer Weise ncitgetheily welche dessen Character als Gmanuel nicht allrrirte (schädigte). is. Die Geburt Christi war aber also gethan smit dem Ursprung Jesu Christi aber, von dem vorhin V. 16 gesagt wurde, nicht daß Joseph ihn gezeugt habe, sondern nur daß er von äljliaria ge- boren sei, verhielt es sich, um jetzt näheren Auf- schluß über dies große Geheimnis; zu geben, folgen: dermaßen] Als Maria, seine Mutter, snur erst] dem Joseph vertrauet [anoerlobt] war,· ehe er sie szu seinem eigentlichen Weibe] heimholeth erfand sichs snacly ihrer Rückkehr vom Besuche der Elis - beth gegen Ende Juni des Jahres 5 v. Chr. Kap. 2, 2 Anm.1; Luk. I, bös, daß sie sbereits drei volle Monat] schwanger war sund zwar war sie das] von dem heiligen Geist swas aber Joseph, ihr Bräutigam, nicht wußte, vielmehr konnte er bei ihrem nun offenkundig gewordenen Zustande nur annehmen, daß sie ihm die schuldige Treue gebrochen]. » Was in Luk. 1, 35 der Maria gesagt worden war, und auch bald nach Weggang des Engels sich mit ihr ereignete, war viel zu zart und geheimnißvoll, als daß ste dem Joseph hätte Mittheilung davon machen können; sie eilete lieber zu ihrer Gefreundtin Elisabeth und fand dort schon ein Mitwissen um ihr Geheimnis; vor, so daß ste es nicht selbst erst zu entdecken brauchte (Luk.l,39sf.). Wie schwer aber wird ihr der Heimweg nach Nazareth nach dem dreitnonatlichen Aufenthalt in Heb ron gewor- den seinl Was sollte sie dem Joseph sagen? und wenn fiebs sagte, wie sollte sie sich Glauben bei ihm verschaffen? Da hat sie sich verhalten nach Psalm 39, l0 und ihr Wort in Luk. 1, uoch einmal bewährt. 19. Joseph aber, ihr Mann sihr Verlobten der nach der gemachten Entdeckung in demseben Rechtsverhältniß ihr gegenüber sich befand, wie ein Ehemanu in Beziehung aus sein treulos gewordeues Weib 5. Mos. 22, 13 fs.], war fromm [auf der einen Seite rechtschaffem der auf seine Ehre hielt und nicht eine vermeintlich Geschändete zum Weibe neh- men wollte, auf der andern Seite aber auch scho- nend, indem er bei der Art, wie er sich gegen sie verhalten wollte, ihre ihm sonst bekannte edle Ge- stnnung und die bisherige Reinheit ihrer Sitten in Anschlag brachte] und wollte sie nicht rügen snicht sein ganzes Recht gegen sie geltend erweisen, so daß er sie vor Gericht gestellt und öfsentlich als Ehe- brecherin hätte verurtheileu lassen], gedachle aber sie heimlich zu verlassen [ihr ohne Angabe des eigent- lichen Grundes der Eutlassung einen Scheidebries 5. Mos 24, 1 auszustellen]. 20. Indem er aber also gedachte snoch ehe er den Entschluß auch zur Ausführung bringen konnte) siehe, da erschien ihm ein Engel des HErru [der die Einfältigen behütet, aus daß sie nicht auf eine Thorheit gerathen Pf. US, G; 85, I] im Traum [l. Köln 22, 22 Aum.] und sprach: Joseph, dem ersten Sohn seines Weibes den ihm selber anhaf- ««" du Sohn Davws Dmd also ein Abkömmling des: jenigen Geschlechts, aus welchem der Niessias her- vorgehen soll], siirchte dich nicht, Mariae» dein Gemahl sdeine Verlobte Braut, wiewohl sie bereits schwanger ist], zu die zu nehmen; denn das in ihr geboten ist [die Leibesfruchh die sie noch ungeboren unter dem Herzen trägt], das ist [nicht, wie du meinst, von irgend einem Manne, sondern] von dem heiligen Geist. 21. Und sie wird sihrer Zeit] einen Sohn gebären, deß Namen sollst du sals der von Gott erkorene PsiegeVaterJ Jesus [d. i. der HErr hilft oder errettet 4. Mos. 13, 7«] heißen; denn er wird fein Volk [Jsrael, dem er zunächst als Erretter und Helfer zugedacht ist] selig machen von ihren Süudeutt «) Inwiefern Josua, der Sohn Nun, ein Vorbild Jesu Christi war, darüber vgl. Luther’s Wort ins der Ueberschrift zum Buche Josua. Außer diesem Josua konimeti Männer desselbeu Namens uoch voriu1.Sam. 6, 14 u. L. Kön. Z, 8.» In der Zeit nach dem Exil be- gegnet uns dafür die Namensform Josua Cnekjftir JZTHJHFIJ Esra, L, 2; Z, L; Reh. 8,17;Hagg.1,1 — griech. Tyztsosgl So heißt 1) der Hohepriefter Josua (Sach. Z, 1 ff.; 6, 11 ff.), der Sohn Jozadak’s, welcher bei der Entlassung der Juden aus der babylonischen Gefangenschaft iiach Jerusalem zurückkehrte und neben Serubabel an der Spitze» des Volkes stand (Esra Z, 2); 2) Jesus, der Sohn Sirach’s, ein zu Jerusalem woh- nender Jude, Verfasser der unter seinem Namen vor- hande1ien apokryphischen Sammlung von Sittenspriichen (Sir. 50, 29 ff.). Zur Zeit des neuen Testaments war der Name gar nicht ungewöhnlich (Matth.27, 16; Col. 4, 11); nachher aber wurde er niemand mehr beigelegt, denn den Christen war der Name zu heilig und hehr, den Juden dagegen zu verächtlich nnd verhaßt ge- worden. —- ") Erlöstwerden von den Sünden und Seligwerden von den Sünden ist Eins. (P. Lange) Der HErr Jesus ist nicht gekommen, Glückliche noch glücklicher, Gute noch besser zu machen; ist nicht zu einem Menschengeschlechte gekommen, das seiner auch allenfalls hätte entbehren, sich zur Noth auch ohne ihn hätte rathen und helfen können und das auch ohne ihn, wenngleich etwas weniger, gliicklich gewesen und selig geworden wäre. Nein! er ist zu einem Geschlechte ge- kommen, das, sich selbst gelassen, in seinem natürlichen Zustande, unheilbar verdorben, unwiederbringlich ver- loren, hilflos elend ist und in sich selbst und in der ganzen es nmgebenden Natur nichts hat, wodurch ihm geholfen werden könnte; so verderbt, daß es das Ver- derben nicht mehr als solches erkennt, soweit verirrt, daß es gar nicht mehr weiß, wovon es verirrt ist, und an gar keine Rückkehr mehr denkt und glaubt, so höchst elend, daß es sich an Elend und Jammer gewöhnt hat und in einem Zustande froh ist, worin eigentlich keiner froh sein kann, als nur wenn er nicht bei sich selbst ist. Denn wirklich sind Sünde und Tod zwei solche schreck- liche Dinge, daß man denken sollte, ein Mensch, der keine Erlösung davon hoffte und wüßte, könnte so lange keinen frohen Augenblick haben; nnd fürwahr, er würde ihn auch nicht haben, wenn er recht bei sich selbst wäre. Wenn nun aber der Mensch durch Jesus Christus von dem Verderben errettet und geheilt wird, wenn der das Unheil ans ihm hinwegnimmt, so gelangt er ebendamit zum Heil, so wird er eben damit selig gemacht; und also stehet hier das Wort ,,selig machen« ganz recht, denn daraus geht’s hinaus, das ist der Zweck und die Absicht (Menken.) 22. Das sdaß nämlich Maria schwanger ward, noch ehe sie von einem Manne wußte, und zwar, wie der Engel dem Joseph erklärte, von dem heil. Geiste, und daß nun der Sohn, den sie gebä- ren würde, nicht anders heißen sollte als Jesus] ist aber alles geschehen, auf daß erfullet wurde sdas Wort göttlicher VerheißungL das der HErr durch den Propheten lJefaias 735 Jahre zuvor] gesagt hat, der da [iii Kap. 7, 14 seines prophetischen Buchs] spricht: 23. Siehe, eine Jungfrau wird schwaii- get sein und einen Sohn gebaren, und sie werden seinen Namen Emanuel heißen, das ist verdolmetschet [in unsreMuttersprache übersetzt oder verdeutschet Matth. 27, 33], Gott mit Uns swas ja nicht blos auf den göttlichen Ursprung dieses Sohnes hinweist, sondern ihn auch Christi Empfängniß from, heil: Geist; sefinspflegebatgerg Joseph. 5 als denjenigen kennzeichiieh in welchem der HErr hilft]. Wenn die Eoangelisten in der Geschichte von dem Wandel des Sohnes Gottes auf Erden den Ausdruck gebrauchen: auf daß erfüllet würde, und dabei Stellen aus den Schriften des alten Testaments anfiih- ren, so ist nicht das ihre Meinung, was man ihnen jetzt fo häufig als ihre Meinung aufdringt, daß sie nur auf eine ungefähre, entfernte Aehnlichkeit zwischen jenen Aussprüchen der prophetischen Schrift, die sie anführen, und diesen Begebenheiten, die sie erzählen, hindeuten und etwa sagen wollten! »Hier kann man anwenden, was da oder dort geschrieben steht, hier mag man wohl sagen, was der Prophet spricht« —- nein! sie sehen viel- mehr diese Begebenheiten als durchaus nothwendige, bestimmte, längst vorhergesagte Erfolge an, die so ge- fchehen mußten, nicht anders geschehen konnten nnd nicht ausbleiben durften um der Wahrheit Gottes willen. Sie glaubten, daß bei jenen Aussprüchen fchon auf diese Begebenheiten gesehen sei; daß man, ehe diese Begeben- heiten geschehen, das Recht hatte, sie gerade so, wie sie sich zutrugen, zu erwarten, und daß man sie so habe erwarten müssen, wenn man jene Aussprüche für gött- lich hielt und an Gottes Wahrhaftigkeit nicht zweifelte. Oft aber führen sie Aussprüche der Propheten an, die zu der Zeit, als die Propheten sie vortragen, ohne Zweifel von damals gegenwärtigen oder sehr bald er- folgenden Begebenheiten erklärt wurden, und auch nach der Abficht Gottes davon erklärt werden sollten. Aber die göttliche Absicht, der Sinn Gottes bei einem solchen Worte Gottes reichte weiter in die Zukunft hinaus nnd verfaßte die Offenbarung also, daß sie damals nur im Kleinen und fast nur uneigentlich , durch die Geschichte des Messias aber im Großen und im eigentlichen Sinne erfüllt wurde, und das Nahe, das bald Erfolgende, das Kleine zum Symbol, Bild und Unterpfande des Fernem Zukünftigem Großen dienen konnte und sollte. (Menken.) Diese eigenthümliche Einrichtung nnd Anordnung der Schrift, daß das Leben und Sein des alten Testameuts ein Spiegel von dem neutestainentlichen Leben sein soll und namentlich in der Person Christi, als dem Reprä- sentanten des neuen Testaments , alle Fäden der altte- stamentlichen Gedanken und Einrichtungen sich als in ihrem Mittelpunkte knüpfen, spricht sich auch in der hier angeführten Stelle des Jesaias aus. Der unmittelbare Wortsinn der Stelle fordert allerdings eine Beziehung auf etwas Gegenwärtiges; die Jungfrau, von welcher in diesem Sinne die Rede, ist die in Jef. 8, 3 erwähnte Gattin des Propheten, und der von ihr in Folge außer- ordentlichen Eingreifens von Seiten Gottes (vgl. das Nähere zu Jes. 7, 16) geborne Sohn ist dem Könige Ahas ein nahes, erkennbares Zeichen, daß innerhalb bestimmter Frist die ihm gegebene Zusage in Erfüllung gehen werde. Jhre höhere Beziehung aber hat die Weisfagung auf den Messias, der dereinst als ein Zeichen für die ungläubige Welt, die Ahas repräsentirt, von einer Jungfrau im eigentlichen Sinne des Worts ge- boren werden und wesentlich und wahrhaftig ein Jm- mauuel fein sollte. (Olshausen.) 24. Da iiun Joseph vom Schlaf erwachte [und gar wohl sich bewußt war, daß das gehabte Traum: gesicht kein Erzeugnis; feiner eigenen Einbildungs- kraft gewesen sei, sondern eine göttliche Offenbarung], that er [in einfältigem Gehorsam], wie ihm des HErrn Engel befohlen hatte, und nahm sein Ge- mahl [5. Mos. 22, 27 Anm.] zu stch [in sein Haus, wodurch er nach damaligem Gebrauch, da 6 Evangelium åbiatthäi l, 25. 2, l. 2. es noch keine Trauung in der jetzt üblichen Weise gab 5. Mos. 25, 5 Anm., die Ehe mit ihr voll- zogL 25. Und erkannte sie nicht kwohnete ihr iedoch aus Ehrerbietung vor der heil. Leibesfruchh die sie unter ihrem Herzen trug, nicht ehelich bei], bis sie ihren ersten Sohn gebar [Luk. 2, 1 ff.], und hieß seinen Namen [bei Gelegenheit der Beschneidung des Kindes am achten Tage Luk. 2, II] JESUS fwie ihm des HErrn Engel das ebenfalls befohlen hatte]. Der Ausdruck: ,,bis sie ihren ersten Sohn gebar« will nur soviel besagen, daß Joseph bis zu dem ange- gebenen Zeitpunkte nicht in Geschlechtsgemeinschaft mit Maria getreten sei, ohne irgend etwas darüber anzu- deuten, ob hernachmals eine solche Gemeinschaft statt- gefunden habe oder nicht (l. Mos. 8, 7; Pf. 1l0, 1; l. Tini. 4, 13); an letzterer Sache war zur Seligkeit nichts gelegen, nur bis zur Geburt des Heilandes selber ist die Bewährung der Jungfrauschaft auf Seiten der Maria von Wichtigkeit. Während man nun anfangs in der christlichen Kirche meistentheils annahm, daß Maria. später den Joseph förmlich geehelicht und ihm Kinder geboren habe, fand bereits Basilius der Große (geb. 330 oder 331 n. Chr., s 379) in dieser Meinung einen Widerspruch gegen das fromme Gefühl, bald hernach aber bekämpfte Epiphaniits (geb. 439, s— 494 n. Chr.) die Anhänger derselben unter dem Namen Antidikomcp rianiten (Gegner der Maria) als Ketzer, und Hieronymus (geb. 33l, s— 420 n. Chr.) stellte den, derselben Anficht huldigenden Helvidius auf gleiche sittliche Raugstufe mit dem Zerstörer des Tempels zu Ephesus, dem Herostratus (1. B?acc.1, 4 Anm.); denn er entweihe durch seine Behauptung den Tempel des heil. Geistes, den Mutter- schooß der Maria. Jmmer mehr gewann so die Anficht Raum, es sei undenkbar, daß aus demselben Mutter- schooß, der Christum nach dem Fleisch geboren habe, noch eine andere Geburt hervorgegangen; die Ehe der Maria mit Joseph sei vielmehr nur eine Scheiiiehe gewesen, nach Origeiies (geb. 185, s— 255 n. Chr.) da- rum nothwendig, damit dem Fürsten der Welt das Ge- heimniß der jungfräuliehen Geburt Jesu verborgen bleibe, und dem Joseph dadurch möglich, daß ihm auf besondere Weise die Gabe der Keuschheit von Gott ver- ; I. v. 1—12. (§. 12.) Wie aber nach Kinn. 1 noch vor liehen worden. Aehnliche Gedanken haben denn auch viele protestantische Theologen bestimmt, eine beftändige Jungfrausehaft der Maria anzunehmen (darunter nament- lich auch Luther), womit dann die weitere Frage, ob die in Kap. is, 55 f. erwähnten Brüder Jefu seine leib- lichen Brüder gewesen seien oder nur seine Vettern, sich von selbst erledigt. Man faßt nun den Ausdruck: ,,ihren erstenSohn«, der allerdings zunächst nur in dem Sinne gemeint, in welchem er auch in 2. Mos.13,2 steht, wonach damit nur gesagt wird, daß vor ihm kein anderer aus dem Mutterschooße gebrochen, ohne irgend etwas darüber zu bestimmen, ob nach ihm noch andere Kinder gefolgt find oder nicht, zugleich in dem Sinne: ihren einzigen Sohn, und sagt etwa: »Es scheint ganz naturgemäß, daß die letzte Davidin des Geschlechts, aus dem der Messias geboren ward, nun auch mit diesem letzten ewigen Sprößling ihr Geschlecht beschloß« Andere dagegen geben den Gedanken einer beständigen Jung- frauschaft der Maria und einer bloßen Scheinehe des Joseph völli preis und fassen die Brüder des HErrn als seine leiglichen Brüder. Wir kommen darauf bei Kap. Z, 23 zurück, hier aber haben wir für’s Erste noch eine andere Frage zu erledigen. Wenn auf der einen Seite die Empfängniß Christi durch den heil. Geist mit seiner ganzen Bestimmung, der Arzt und Erlöser der kranken Menschheit zu sein, in nothwendigem Zusammen- hange steht, indem unmöglich jemand, der selbst aus der verlorenen Menschheit hervorging, den Schaden, aii dem sie leidet, zu heilen vermocht hätte; so entspricht auf der andern Seite diese Empfängniß allein der dem Glauben unerfchütterlich fest stehenden Thatsache, daß in Christo das Wort Fleisch geworden, indem der, der schon zuvor existirte, in keinerlei Weise, auch nicht seiner menschlichen Natur nach, erst noch erzeugt werden konnte. Hiermit ist der Gedanke, den man hin und wieder hat geltend machen wollen, daß eben so gut, wie bei der Empsäugniß der Uebergang des Sündlichen von der Maria auf Jesum abgehalten werden mußte, derselbe auch bei einer Zeu- gung durch Joseph hätte ab ehalten werden können, als ein rein unnlitzer und verkehrter erwiesen; zudem hätte Gott das, was hier ihm zugemuthet wird, nämlich den menschlichen Willen von aller sündhaften Lust im Akte der Zeugung zu befreien, nur auf magifche und gewalt- sanie Weise, wider die Natur der von ihm selbst gesetz- ten Freiheit, vollbringen können. Und auch abgesehen hiervon würde das Produkt elterlicher Zeuguug immer eine selbstständige, in sich abgeschlossene Persönlichkeit ge- wesen sein, mit welcher der Sohn Gottes nur in mysti- scher Weise sich hätte verbinden, mit der er aber nicht eine untheilbare gottmenschliche Personeneinheit hätte bilden können. Was fchließlich die richtige Vorstellung über die Empfängniß vom heil. Geiste betrifft, so haben wir daran zu denken, daß der Stoff für die Bildung eines neuen Menfchenlebens im Weibe liegt; dem Manne kommt zu, nur den im Weibe vorhandenen Keim zu erregen, zu beleben und zur individuellen Ent- wickelung zu bringen; diese Funktion des Erregens ist es also, welche der heil. Geist zu vertreten hat, während der Umstand, daß so der Stoff zur Bildung der Mensch- heit Christi allein vom Weibe genommen wird, die Wahrheit, Wirklichkeit und Vollständigkeit seiner Mensch- heit begründet. Das 2. Kapitel. Meist; aus dem Morgencanda nach Eghptea ckcucht Christi der Geburt, so finden auch alsbald nach der Geburt sieh an Iesu die erforderlieheii Kriterien oder Merkmale, nm in ihm den Llessiag anzuerkennen. Sollen nämlich nach vrovhetisctjeii Stellen wie Pf. 72, 10 f. n. Its. 60, 3 anth fremde Völker dem Könige Igraels huldigen und auch die Heiden in dem Lichte wandeln, das iiber Israel aufgeht, so hat sich dao in sehr bezeichnenderweise gar frühe schon erfüllt. direct) einen außerordentlichen Stern, den sie in ihrer Heimaih beobaehleh auf die jetzt erfolgte Geburt deg längst erwarteten Königs der Juden aufmerk- sam gemacht, siebten nämlich noch in deii Tagen den Königs ljerodes sich Weise aus dem Lllorgenlande in Jerusalem ein, fragen hier nach dein Kinde, dem sie ihre lljuldigung darbringen wollten, nnd wurden von Hemden, der von sieh selber nichts von demfelben wußte, aber auf Grund der prophetischen weisfagnng die Stätte seiner Geburt mit leichter Mühe in Erfahrung gebracht hatte, nach Zeihlehem gewiesen. Ztuf der Reise dahin erblich- tcn ste den Stern vom Ueuen imd wurden durch ihu glüciilich zu dem hause geleitet, da dao Kindlein innen war; nachdem sie ihre Jlnbetung verrichtet nnd ihre Geschenke dargebracht, liehrten sie jedoch nach einer göttlichen Weisung, die ihnen im Traum zu Theil ward, nirht nach Jerusalem zu tjerodeg zurück, der den! Kinde nach dem Leben trarhtete, sondern begaben Iich auf einem andern Wege wieder heimwärts in ihr Land. Evangelium am Fest der Erscheinung Christi od. Epiphiiniiij Das Epiphanienfest, d. i. Fest der Erscheinung oder Offenbarung Christi, gefeiert am S. Januar, war in der morgenlätidischen Kirche bis zur Zeit des Chrysostomus (geb. 347 zu Antiochieiy f— 407 n. Chr. in der Verban- nung) dasjenige Fest, welches den christlichen Festkreis eröffnete. Ein eigentliches Weihnachten oder Geburts- fest Christi gab es damals noch nicht in jener Kirche, sondern dies ist ein ursprünglich abendländisches Fest, welches hernach ebenso von Westen nach Osten drang, wie das Epiphanieufest umgekehrt von Osten nach Westen. Bei dieser Wanderung nahm letzteres eine andere Be- deutung an; es ward zu einem Fest der Offenbarung Christi für die Heiden und hatte zu seiner Unterlage die in unserm Abschnitt erzählte Geschichte, und da die kirch- liche Sage wegen der Stellen: Pf. 72, 10; Jes 49. 7; 60, Z. 10 diese Weisen als Könige bezeichnete und wegen ihrer dreisachen Gaben ihre Zahl auf drei festsetzte (Caspar, Melchior nnd Balthasar), so bekam es auch den Namen ,,Fest der heil. drei Könige« Aber der Begriff der Epiphanie oder Erscheinung der Herrlichkeit Christi wurde zugleich auf die erste Offenbarung seiner Wunderkraft in dem Zeichen zu Cana (Joh. L, 1 ff.) be- zogen. Da nuu der esttag ursprünglich, ehe man in der orientalischen Kir e noch ein Weihnachtsfest hatte, der Taufe Christi im Jordan (Kap. 3, i ff.) galt, so finden sich häufig, wie man aus Lutheus Bearbeitung des lateinischeu Hostie Herodes impie: »Was fürchtst du Feind Herodes sehr« erkennen kann, alle 3 Bezie- hungen (erfte Offenbarung für die Heiden, Taufe im Jordan und erste Offenbarung durch Wunder) mit ein- ander: verbunden, ja, die Ueberlieferung des Abeudlan- des behauptet sogar, daß alle drei Ereignisse auf dasselbe Datum (6. Januar) fallen, was aber, wie wir sehen werden, nnr in Beziehung auf die Taufe Christi richtig ist, während die beiden andern Begebenheiten dem Mo- nat Februar angehören. 1. Da Jesus [am 25. Dezember des Jahresö v. Chrcj geboren war zu Bethlehem im dischen Lande salso nicht in der andern Ortschaft dieses Namens, die im Stammgebiete Sebulon Jos. II, 15 lag, sondern in derjenigen, welche ehedem Ephrczta hieß s. Rath I, 22 Anm.], zur Zeit des Kontgs Herodis kdes Großen, auch bereits am 8. Tage nach der Geburt beschnitten und 33 Tage später dem HErrn dargestellt war im Tempel zu Jerusalem Luk. Z, 1—38], siehe, da kamen snoch in der ersten Hälfte des Februar a. 4 v. Chr., vgl. Schlußbem zu l. Macc. Nr. 11 e] die Weisen [vornehme, dem uralten Orden der Magier angehörige Männer"] vom Morgenland [aus den Ländern zwischen dem Euphrat und Tigris, s. Karte IV] gen Jerusa- lemsHW stießen tm kömgltchen Palast auf Zion, s. Plan v. Jerusalem: Kap. 21, 11 Anm., sich anmelden] und sprachen szu den Dienern des Königs, die ihre Ankunft demselben zu melden hatten]: » Z. Wo ist der neugeborne König der Juden sauf den mit Jsrael auch die Heidenwelt wartet]? Wir haben seinen sden die Geburt Die Weisen aus dem Piorgenlandc Z desselben anzeigenderd Stern-X- sbei uns] gesehen im Morgenland snach anderer »Deutung: im Aufgehen] und sind kommen, ihn anzubeten [ihm als dem Könige Himmels nnd der Erden die gebührende Ehre zu» erweisen und uns seiner Gnade und Gunst zu empfehlens V) Zu I. Chron. 25, 10 haben wir’s für eine schon so gut wie ausgemachte Sache erklärt, daß unsre her- gebrachte Zeitrechnung die Geburt Christi um 4——5 Jahr zu spät ansetzt, und in den Schlußbem zu 1. Mart. Nr. 8 Zus l u. Nr. I, e Zus. sowohl einen entschei- denden Grund für diese Behauptung als die Ursach der herkömmlichen Rechnungsweise angegeben. Hier nun geben wir uoch eine vergleichende Darstellung der Ansicht älterer nnd neuerer Chronologen über die drei wichtigsten Epochepunkte im Leben Iesu, welche zeigt, inwieweit wir uns bei unsrer eigenen Rechnungsweise mit ihnen iu Uebereinstimmung besindem . Name des GEIST« Taufe Jesu. Tod Iesu. Ehronologem « I ruhe. u. Chr. u. Ehr. Eusebins S. Jan. 2 29 33 Hieronymus 25. Dezb. 3 29 32 Baronius 25.Dezb.3 6. Januar 29 März 32 Scaliger Febr. oder 6. Januar 29 Z. April 33 März 2 Lamy 25.Dezb.4 8. Novbrx 30 3. April 33 Usher 25.Dezb.5 30 Z. April 33 Petavius 25.Dezb.5 29 23. März 31 Caldisius October 3 29 Z. April 33 Bengel 25.Dezb.4 8. Novbru 27 7. April 30 Sancleniente 25.Dezb.7 Ende d. J.25 25. März 29 Jdeler Ende 7 Ende » 2515. April 29 Anger vorApril4 Anfang 29 27. April 31 Wieseler Februar 4 Frühjahr· 27 7. April 3 Lichtenstein Juli 5 Januar 27 » 30 Eigene Ansicht 25.Dezb.5 6. Januar 27 » 30 Während über« das Geburtsjahr Jesu in der älte- ren Kirche sich keine fortlaufende und mit einiger Sicher- heit auftretende Ueberlieferung erkennen läßt, haben da- gegen in Beziehung auf den Geburtstag 2 Bestimmun- gen ziemlich allgemein Geltung gehabt: einerseits der 25. Dezember, andrerseits der S. Januar; da letzteres Datum, das urspriinglich der Taufe Christi galt, aus der oben berührten Zusammenlegung des Epiphanien- festes mit dem abendländischen Weihnachtsfeste sich er- klärt, so bleibt eigentlich nur der 25. Dezem r, den wir daher auch festgehalten haben. — «) Der Orden der Magier, wie die Weisen im griechischen Grundtext genannt werden, ursprünglich wohl bei den aramiiischs babylonischen Urbewohnern der Länder am Euphrat ein- heimisch, verbreitete srch von da aus auch nach Assyrieiz Medien, Persien nnd Parthietp beschäftigte sich mit Astronomie (Sternkunde), Medicin (Hetlkunde) und an- deren höheren Wissenschaften, trieb dabei aber auch Astrologie (Wahrsagung aus den Sternen), Traumdetk tung und andere Künste der Wahrsagerei. Ihm hatte einst Bileam, der Sohn Veor, angehört, den Balak von der Stadt Pethor am Euphrat kommen ließ, damit er ihm Israel verfluche (4. Mos. 22, b Anm.); und die Weissagung, die er damals gethan von dem Stern, der aus Jakob ausgehen, und dem Scepter, das aus Israel aufkommen werde (4. M. 24, 24 Anm.), war gewiß innerhalb des Orden-s von Geschlecht zu Geschlecht fort- 8 Evangelium Matthäi 2, Z. gepflanzt worden. Nun ward, als Jsrael in der habh- onischen Gefangenschaft sich befand, Daniel der Vor- siehet der dortigen Magier (Dan. Z, 48), und durch ihn wurden letztere noch vertrauter mit den seinem Volke gegebenen Verheißungem die auch den Heiden zu gute kommen sollten. Ohne Zweifel haben von der Zeit an diejenigen unter ihnen, welche für göttliche Wahrheit Sinn hatten und für das Bedürfnis; ihres Herzens in der heidnischen Weisheit, die sie pflegten, keine Befriedi- ung fanden, auf den großen König gewartet, der von Zion aus in der, ihrem Untergang immer mehr sich zu- neigenden Welt ein neues Reich der Herrlichkeit aufrichten und alle Geschlechter der Erde unter seinem Scepter glücklich machen werde. Von einer folchen Sehnsucht nach den Tagen des Messias, die um die Zeit der Ge- burt Christi selbst durch die heiduifchen Völker des Morgenlåndes ging, finden sich auch sonst Spuren bei außerbiblischen Schriststellerm und mittelst der dem Daniel gewordenen Offenbarung von den 70 Wochen (Dan. 9, 24 ss.) konnten jene Weisen auch mit ziemlicher Bestimmtheit die Zeit wissen, wann Christus erscheinen würde. Babyloniem um dies noch zu erwähnen, stand damals unter der Herrschaft der Parther, die noch unter den Seleuciden ein selbsiständiges Reich gegründet hatten; ihr Königsgeschlecht ist das der Arsaciden, im J. 226 n. Chr. aber ging deren Macht an die Sassaniden, die Könige des neupersischen Reichs, über. —- "·’I·) Nachdem wir ei Ruth I, 22 Ansichten von Bethlehem und dem Hirtenthah und bei L. Sam. 5, 9 u. I. Kön. 6,1 Ansichten von Jerusalem gebracht haben, geben wir hier eine dritte Ansicht der heiligen Stadt, und zwar -von Norden aus gesehen, also von derjenigen Seite, von welcher wahrscheinlich die Weisen in die Stadt ein- gezogen sind. —— f) Gleichwie Gott den Hirten bei Bethlehem die Geburt des Christkindes durch einen nach den Regeln ihrer, in anderer Hinstcht freilich sehr trügerischen Kunst (Jes. 27, 13) ein großes Gewicht ge- legt auf die, etwa alle 20 Jahre wiederkehrende Con- junction (Vereinigung) der beiden Planeten Jupiter und Saturn und dadurch eine wichtige Begebenheit an irgend einer Stelle des Erdkreises angezeigt geglaubt; auf welchem Punkte der Erde aber die Begebenheit sich zutrage, das schloß man aus demjenigen Sterubilde des Thierkreises, in welchem die Vereinigung stattfand, und da bezeichnete das Sternbild der Fische das jüdische Land. Nun fiel im J. 1603 n. Chr., zu einer Zeit, wo gerade unter den Gelehrten über das richtige Jahr der Geburt Christi viel gestritten wurde, auf den 17. Dezember eine Conjunction jener Planeten, im Frühjahr des näch- sten Jahres kam der Mars hinzu, und im Herbst noch etn fixsternartiger Körper, welcher sich in der Nähe des Jupiter und Saturn am östlichen Fuße des Stern- bildes des Schlangentreters befand, anfangs als Stern erster Größe sehr hell leuchtete, allmälig aber erlosch, bis er im October 1605 kaum mehr zu sehen war und im März 1606 völlig verschwand. Der berühmte Astronom Keppler (-s- 1630) kam durch diese Erscheinung auf den Gedanken, ob nicht eine solche Conjunction kurz vor der Geburt Christi, welche die Zeitrechnting des Dionysius auf den 25. Dezember 754 nach Rom’s Erbauung ver- legt (2. Kön. 15, 36 Anm.), ebenfalls möchte stattge- funden haben, und fand bei seinen Berechnungen das merkwürdige Resultat, daß eine Verbindung der beiden Planeten allerdings im J. 747 n. R. E. (7 v. Chr.), nnd zwar in der letzten Hälfte der Fische, nahe dem Widderpunkte, drei Mal (am W. Mai, I. October und 5. Dezember) stch ereignet habe, während im Frühjahr 748 (6 v. Chr.) noch der Planet Mars hinzutrat; diese Verbindung der drei oberen Planeten erklärte er dann für den Stern der Weisen und verlegte die Geburt Christi Jerusalem von der Wort-feste. Engel vom Himmel kund gethan (Luk. 2, 8ff.), so hat er jenen wartenden, hoffenden Seelen unter den Heiden diese Geburt durch ein Zeichen vom Himmel lassen offenbar werden, indem er sich dabei ganz an die astro- nomischen Kenntnisse und astrologischen Regeln des Ma- gierordens anschloß. Von jeher nämlich hat die Astrologie in das eben genannte Jahr. Jndessen hat er selbst schon die Vermuthung ausgesprochen, daß zu der Constellation gerade so, wie das zu seiner Zeit der Fall gewesen, noch ein besonderer Stern möge hinzugekommen sein. Diese Bermnthung hat darnach durch astronomische (auch von Humboldt im Kosmos Bd. l. S. 389 Anm. 12 und Der König Herodes erfchrickt über die Ankündigung der Geburt des Messias 9 Bd. lII. S. 561 als historisch anerkannte) Tafeln der Ehinesen, welche im J. 749 (5 v. Chr) einen Kometen im Kopfe des Steinbocks 70 Tage lang (vom Februar bis Anfang April), und dann wieder im folgenden Jahr (4 v. Chr.) während des April, nur jetzt etwas mehr nach Norden erückt, beobachteten, sich bestätigt. Wenn auch nicht vie eicht diesen Kometen selbst, doch jedenfalls ein ähnliches außerordentlich, in den J. 5 u. 4 v. Chr. zweimal sichtbar gewordenes Gestirn von besonderer Größe und Helle (etwa wie das, welches der Astronom Tycho de Brahe am 11. November 1572 in dem Stern- bilde der Cassiopeia bemerkte: er übertraf Jupiter und Venus an Glanz und war selbst am Tage sichtbar, ver- änderte während der ganzen Zeit seiner Sichtbarkeit seine Stellung nicht, nahm aber nach einem Jahre all- mälig an Glanz wieder ab und verschwand endlich ganz im März 1574) hält man gegenwärtig zumeist für den ei entlichen Stern der Weisen und verlegt die Geburt Christi in die Zeit von 749——750 n. R. E. (5——4 v. Chr.). Hiernach nun könnte man folgende Vorstellung von dem Hergang sich bilden: Jm J. 747 (7 v. Chr.) machte die dreimalige Conjunction des Jupiter und Saturn im Zeichen der Fifche die Magier zuvörderst aufmerksam, daß für Jsrael das längst erwartete Ereigniß der An- kunft ihres Messras bevorstehe; als aber im Frühjahr 748 (6 v. Chr.) zu dieser Verbindung noch der Mars hinzutrat, nahm in der That unmittelbar darauf die Erfüllung der Messiashoffnung ihren Anfang mit dem, was der Engel Gabriel dem Zacharias im Tempel ver- kündigte (Luk. I, 5 fs.), und dieser Zeitpunkt ist es denn auch, welchen die Weisen hernach dem Herodes als die erste Erscheinung des Sterns bezeichnen (V. 7 u. 16). Von da, noch gespannter in ihrer Aufmerksamkeit gewor- den, warteten sie auf ein weiteres Zeichen am Himmel; ihre Erwartung täuschte sie auch nicht, denn in der Zeit vom Februar bis April 749 (5 v. Chr.) erschien jener, von den Ehinesen beobachtete Komet zum ersten Mal, und im letzten Drittel dieser Zeit, am 25. März, ist unserer Annahme zufolge Jesus von seiner Mutter em- pfangen (Luk. 1, 26 fs.). Nun hätten allerdings die Weisen sofort sich können auf den Weg machen; aus Gründen jedoch, die sich nicht näher nachweisen lassen (vielleicht, weil es erst noch einer besonderen Zubereitung ihrer Herzen bedurfte, ehe sie Gottes Berufung deutlich erkannten und ihr Folge zu geben stch entschlossen) blie- ben sie noch 9—10 Monate in ihrem Vaterlande zurück, so daß sie erst im Februar des nächsten Jahres (4 v. Chr.) in Jerusalem ankamen, und zwar unmittelbar darauf, als Joseph und Maria nach der Darstellung des Kindes im Tempel wieder nach Bethlehem zurückgekehrt waren, um für die Zukunft dort zu bleiben, weil sie meinten, es sei Gottes Wille, daß der schon so viel be- zeugte Sohn Davids nun auch in der Stadt Davids heranwachse (Luk. L, 22 ss.). Mit dieser unsrer Auffas- sung stimmt freilich nicht, daß jener Komet der Chinesen das zweite Mal nicht im Februar, sondern erst im April des J. 750 (4 v. Chr.) erschien, und diese zweite Er- scheinung wäre ja die, von welcher in V. 9 f. die Rede ist; indessen ist die Berechnung nach den Angaben der Chinesen gerade hier sehr schwierig, weil sie die Regie- rungsjahre des damaligen Kaisers Gayti zu Grunde legen und auf die von ihm angeordnete neue Aera sich stützen, und außerdem wäre ja möglich, daß der Stern in Palästina früher gesehen werden konnte, als in China. Obgleich wir nun, wie schon zu i. Chron. 25, 10 an- egeben wurde, die Verkündigung des Engels an den acharias (Luk. I, 5 ff.) in die Zeit vom 17.—23. April 748 (6 v. Chr) verlegen, lassen wir doch die Empfäng- niß der Elisabeth nicht unmittelbar darnach erfolgen, sondern nehmen bis zu diesem Ereigniß erst noch eine Zwischenzeit von 5 Monaten (bis zum 24. September) an, während welcher Zeit Zacharias auf die Erfüllung der ihm gewordenen Verheißung in ähnlicher Weise warten mußte, wie Abraham auf die ihm gegebene Zu- sage hat 25 Jahre warten müssen (1. Mos. l2, I fs.; 21, 1ff.). Gottes Wege haben ja nichts mit jener Ungeduld der Menschen zu schaffen, wo alles Schlag anf Schlag gehen muß; es gilt auch hier, was zunächst in anderer Beziehung das Spriichwort von ihm sagt, seine Mühlen mahlen langsam, und oft genug, wenn er eben angefangen, die bedeutendsten Ereignisse in die Geschichte einzuführen, folgt erst wieder eine Pause stiller Zurüc- gezogenheit und scheinbaren Schweigens. Wir lassen uns bei unserer Annahme von der kirchlichen Tradition bestimmen, welche den 24. September für den Ta der Empfänguiß angesetzt hat. Wir müssen uns ja itten, ein wissenschaftliches Gebäude aufzurichten, welches die Symbolik der Kirche bei Seite schiebt, soust leichen wir Herodes dem Großen bei seinem Tempelbau FSchlußbem. zu 1. Matt. Nr. 11, d); und wie bedeutsam die Fest- setzungen der Kirche oft sind, zeigt sich z. B. darin, daß sie Johannis Geburt auf den 24. Juni, Christi Geburt aber auf den 25. Dezember angesetzt und damit, indem von Johanni ab die Tage wieder ab-, nach Weihnachs ten dage en zunehmen, jenes Wort des Täufers in Joh. s, 0 verkörpert hat: ,,Er muß wachsen, ich aber muß abneh1nen.« — Was bei unsern obigen Auseinans dersetzungen über den Stern der Weisen das Bedenken betrifft, wie Gott einer astrologischen Vorstellung sich habe als Mittels bedienen können, um den Weisen die Ankunft des erwarteten Königs der Juden kund zu thun, so müssen wir auf 1. Mos. I, 14 verweisen, wonach ja die Gestirne des Himmels auch die Vestimmung haben, Zeichen zu geben, nur nicht für alle möglichen Dinge, welche menschliche Neugier erkunden will, sondern nur für gewisse Ereignisse in seinem Reiche, die Gott den Menschen anzuzeigen für gut hält; und wie nun das Gleichmaß der 3 X 14 Gefchlechter, die der Evangelist in Kap. 1, 17 bemerklich gemacht hat, den Juden es augenscheinlich machen sollte, daß die Erfüllung der Zeit nunmehr vorhanden sei, so konnte billig auch eine r- scheinung am Himmel ein gleiches Zeichen für die Hei- den abgeben. »Das höchste Ziel der Alchemie (der Kunst, auf chemischem Wege unedle Metalle in edle zu verwandeln) ist in der früheren Zeit der Stein der Weisen, in der späteren die Kunst, Gold zu machen; das höchste Ziel der Astrologie wird für die Magier aus dem Morgenlande zuletzt das Bestreben, den Stern des Heils (4. Mos. 24, l7) zu entdecken, und in den Weisen unsers Kapitels läuft die orientalische Magie auf ihrem Höhepunkte in dieselbe Straße ein mit der Prophetie der theokratischen Offenbarung — ein Symbol der Wifsenschaft, die in ihrer höheren Richtung mit dem Glauben Eins wird« » » » 3. Da das der Kontg Herodes horete [daß ein neuer König da wäre, dessen Geburt so- gar ein Stern am Himmel angezeigt hatte], er· fchrack er [denn nicht nur fürchtete er für seinen Thron und seine Dynastie, in Beziehung ans welche gerade damals Antipaters Treulosigkeit ihn ganz rathlos gemacht hatte, sondern es wurde ihm auch bange vor dem Gerichte der Vergeltung, das mit der Erscheinung des Messtasz an die auch er glaubte, ob er gleich sich einredete, sie abwenden zu können, über ihn hereinbrechen würde, s. Schlußbenr zu 1. Macc. Nr. 11, d u. e], und mit ihm ker- schrak, als die Kunde von der Ankunft derJWeisen 10 Evangelium Viatthäi 2, 4——8. und von der Frage, mit der sie bei Hofe sich an- gemeldet, in der Stadt sich verbreitete] das ganze Jerusalem [weil man neue Blutbefehle und un- berechenbare Hinrichtungen von dem argwöhnischen Tyrannen befiirchtete und die ungliicksvollen Zeiten, die dem Anbruch des Messiasreichs vorangehen soll- ten Joel s, 3 f., gekommen meinte], 4- Und [nun] ließ [Herodes, der sofort ent- schlossen war, des neugebornen Königs sich zu ent- ledigen, dazu aber wissen mußte, an welchem Orte er nachzuspüren hätte] versammeln alle Hohe- priester Und Schriftgelehrten unter dem Volk [die sämmtlichen Mitglieder des Hohenraths, der höchsten Landesbehörda welche ihren Sitz zu Jeru- salem und in allen Sachen, welche irgendwie mit der Religion zusammenhingety das Urtheil zu fällen hatte] und erforschete von ihnen, wo [nach den Weissagungen der Propheten] Christus sder ver- heißene König Jsraelsj sollte geboren werden. Der Hoherath oder das Synedrium (so genannt nach einem griechischen Ausdruch der soviel als Raths- versammlung bedeutet nnd in der Form »Sanhedrin« auch in die hebräische Sprache übergegangen ist), in unsrer deutschen Bibel fchlechtweg der ,,Rath« heißend (Kap. 5, 22z Apostg. 5, 27. 41 u. s. w.), hatte seine vollständige Ausbildung wohl schon unter dem Hasmo- näerfiirsten Johannes Hyrkairus (136——105 v. Chr.) er- langt und war zur Zeit Jesu und der Apostel die höchste geiftlich-weltliche· oder kirchliclkbiirgerliche Behörde der Juden, bei denen ja Rechtspflege und Verwaltung uoth- wendig von der Religionslehre bestimmt ward. Sie bestand aus 70 Gliedern mit einem Präsidenten oder Vorsitzenden (hebr. Nasj, d. i. Fürst) an der Spitze, also zusammen aus 7l Personen, und hatte außerdem 2——3 Secretaire oder Schreiber und etliche Diener zur Verfügung. Die 3 Klassen ihrer Glieder sind in Mark. 15, 1 U. Luk. 22, 66 vollständig angegeben: Hohepriestey Aelteste und Schriftgelehrte; von den beiden letzten Klassen wird aber die eine oder die andere häufig weg- gelassen und bald, wie an vorliegender Stelle, gesagt: Hohepriefter und Schriftgelehrte, bald, wie in Kap. 27, 1: ohepriester und Aelteste, ja bisweilen werden auch alle lieder zusammen nach der vornehmsten Klasse fchlecht- weg als Hohepriester bezeichnet (Joh. 12, 10). Was nun zunächst die erste Klasse, die Hohenpriester be- trifft, so ist es eine unter den Gelehrten noch nicht ent- fchiedene z rage, was fiir Personen man darunter zu verstehen abe. Manche denken an den wirklichen Hohen- priester und an die, welche vor ihm das Amt bekleidet hatten; Andere an die Häupter der 24 Priesterordnungem die in I. Chron 25, 5 als Oberste im Heiligthum und Oberste vor Gott, und in Z. Chron. 36, 14 als Oberste unter den Priestern bezeichnet werden; Andere dagegen an diejenigen Mitglieder des Synedriums, welche von priesterlicher oder levitischer Herkunft waren; noch Andere endlich blos an die, welche dem» hohepriesterlichen Ge- schlecht angehörten und zur hohepriesterlichen Würde be- fähigt waren, also eine Art geistlicher Aristokratie im Volke bildeten. Sei dem nun, wie ihm wolle, so lassen sie jedenfalls als die priesterlichen Glieder des Hohen- raths sich bezeichnen, denen dann die weltlichen oder die Laien-Mitglieder in den sog. Aeltesten zur Seite standen, obwohl nach dem Zeugnis; des Talmud ein ganz aus Laien zusammengesetztes Synedrium nicht wider das Gesetz gewesen wäre; andrerseits meint frei- lich Abarbanel, der Hoherath habe vorherrschend aus Priestern bestanden, ja Manche haben ans 5. Mos. 17, 9 schließen wollen, er sei, wo es irgend habe geschehen können, allein aus Priestern und Leviten zusammengesetzt gewesen. Unter Aeltesten nun haben wir die Gefchlechtss und Familienhäupter zu verstehen, die in der ältesten Zeit der Geschichte Jsraels eine so hervorragende Stel- lung als Repräsentanten der Gemeinde einnahmen (2. Mos. Z, 16; 4. M. 11, 16), hernach, namentlich in der Zeit der Könige, etwas in den Hintergrund traten, während des Exils aber und in der Zeit nach demselben wieder zu größerer Geltung gelangten und an der Spitze des Volkes standen (Jer. 29, 1; Hesek. 8, l; Esra1,5; 10, 8 n. s. w.), auch in den Zeiten der Maccabäer als Rath der Aeltesten (1. Matt. 12, S) sich behaupteten und dann einen so wesentlichen Bestandtheil des Hohen- raths ausmachtexy daß dieser einfach auch mit dem Aus- druck: ,,Oberste des Volks« bezeichnet wird (Apostg.3,17). Die dritte Klasse endlich, die der Schriftgelehrtem möchten wir als die geistlichen Mitglieder bezeichnen; es waren das solche Gefetzesgelehrte und Gefetzeslehrer lEfra 7, 6 Anm.), die schon eine Richter- oder Raths- herrnstelle in den kleineren Synedrien auf dem Lande oder in einem von den beiden Untergerichten in Jeru- falen1 (Kap. 5, 22 Amn.) eingenommen hatten und nun zu Beisitzern des höchsten Gerichtshofs befördert worden waren. Erkennt man in den Hohepriestern die 24 Vor- steher der Priesterordnungen (und allerdings hat diese Ansicht von den oben mitgetheilten verschiedenen Mei- nungen über den Ausdruck am meisten für sich), so lassen sich ebensoviele Aelteste (vgl. Offenb. 4, 4) annehmen; für den Stand der Schriftgelehrten blieben dann noch übrig, und das ist wohl der Grund, warum Jose- phus die Zahl der heil. Schriften alten Testaments zu 22 bestimmte (5 Bttcher Mose, 13 Propheten —— Josua, Richter und Rath, Bttcher Samuelis, Bttcher der Könige, Bücher der Chronika, Esra und Nebenau, Esther, Jesaia und Jeremia nebst den Klageliedern, Hesekieh Daniel, die 12 kleinen Propheten, Hiob -- und 4 Bücher Ihri- schen und moralischen Jahaltsx Pfalter, Sprüchwörter, Prediger und Hohesliedl Der Präsident scheint ur- sprünglich nur der Stellvertreter oder Delegirte (Beauf- tragte) der hasmonäischen Fürsten, die zugleich Hohe- priester waren und eigentlich den Vorsitz hätten führen sollen, aber um ihrer anderweiten Obliegenheiten willen dies nicht konnten, gewesen zu fein; daraus erklärt sich sowohl der doppelte Name, daß er bald als Nafi oder Fürst, bald als Hoherpriester (Luk. 3, L; Apoftg. 4, 6 n. s. w.) bezeichnet wird, als auch der Umstand, daß bei Josephus die überlieferte Reihe der Präsidenten des Synedriums wesentlich anders lautet als die der fun- girenden Hohenpriester, beide Aemter also, wenn auch öfter in Einer Person vereinigt (Apostg.23, 1 ff.), doch an sich von einander verschieden waren. Seitdem Judäa unter einem römischen Landpfleger stand, nahm die jü- difche Verfassung die Gestalt einer Aristokratie an, getheilt zwifchen dem eigentlichen Hohepriester als Oberhaupt der Priester und des Tempels einerseits, und dem Präsiden- ten des Hohenraths, als der an der Spitze der volklichen Angelegenheiten stand, andrerfeits; dies müssen wir zur richtigen Auffassung des zwifchen Hannas und Kaighas in den Evangelien vorausgesetzten Verhältnisses (Luk. , 1'; Joh. 18, 13 ff.) festhalten. Dem Nasi zur Rechten saß der Ab-Beth-Din (zu deutsch: Vater des Gerichtshofs) als Vicepräsidentz immer eins der ältesten, unbefcholtesten und gelehrtesten Mitglieder des Collegiums; zur Linken dagegen hatte der Chacbam (d. i. der Weise) ein durch Schriftgelehrsamkeit ausgezeichneter Assessor, seinen Sitz, und halten Manche den in Joh. Z, I ff. erwähnten und von Jefu als ,,Meifter in Israel« bezeichneten Nicvdes Herodes und die Schriftgelehrten weisen die Weisen nach Bethlehem 11 mus für den damaligen Oben-heim. Die übrigen Mit- glieder saßen dann weiter dem Präsidenten zur Rechten und Linken in Form eines Halbkreises; zwei Schreiber hatten stehend, und zwar der zur Rechten die losspre- chenden, der zur Linken die vernrtheilenden Stimmen aufzuschreibeiy wie denn auch hernach die Freigesproche- nen zur Rechten, die Verurtheilten zur Linken gestellt wurden (Kap. 25, 33 fs.), ein dritter aber notirte bei- derlei Stimmen. Außerdem wohnten auch Candidaten der Rathswürde in 3 Reihen zu je 23 Mann den Sitzungen bei, durften jedoch nur für, nicht auch gegen den Angeklagten das Wort ergreifen. Der Präsident berief durch die Diener, die in verschiedene Klassen ein- getheilt waren (in Luk. 12, 58 ist von dem Stockmeister die Rede) zu den Sitzungeiy hatte die Verhandlung zu leiten, das Verhör anzustellen und die Abstimmung vor- zunehmen. Die Wahl desselben und die Ergänzung neuer Mitglieder aus denen der kleineren Synedrien geschah durch Abstimmung oder durch’s Loos, die Weihe der Neugewählten erfolgte durch Handauslegung und feierlichen Ausruf; zum Präsidenten wurde vorzugsweise ein Mann gewählt, der zu präsidiren und zu repräsen- tiren verstand, auch durch vorherige Stellung oder edle Abkunft imponirte, wenn er stch auch nicht immer durch Schriftgelehrsamkeit auszeichnete Die Sitzungen selbst fanden ordentlicher Weise nach dem täglichen Morgen- opfer, mit Ausnahme des Sabbaths und der hohen este, an denen wenigstens keine Gerichtssitzungen ge- alten werden sollten, an jedem Tage statt und endeten um 3 Uhr vor dem Abendopfeu Bis zu der Zeit, wo Christus sein Lehramt antrat, geschahen die Zusammen- llinste in der sog. Quaderhalle (Gasith), die an der Mit- tagsseite des Tempelvorhofs sich befand (Kap. 4, 5 Anm.); nachher aber wanderten in Folge der vielen Bluturtheile die Sitzungen weiter nach außen und wur- den auf der Ostseite des Tempelbergs in den dortigen Tabernen oder Sälen abgehalten. Die Schriftgelehrten im Hohenrath gehörten vorzugsweise zur Schule der Pharisäer; die übrigen Mitglieder hingen theilweis der- selben Partei an, theils waren sie Sadducäer, was na- mentlich von den Reichen und Vornehmen gilt, denen die freisinnigen, dem Weltleben angepaßten sadducäischen Grundsätze esser zusagten, als die scrupulösen Ansichten der Pharisäer. Z. Und sie sdas Richtige auch ohne göttliche Erleuchtung trefsend, da es sich hier zunächst nur um eine buchstäbliche Erkenntniß der Wahrheit handelte Jak.»2,· 19 f] sagten ihm: Zu Beth- lehem im judischen Lande-«« ·sJoh. 7, 41 f.]. Denn also stehet [wenn auch nicht wörtlich, doch dem Sinne nach 2. Mos. 20, 6 Anm.] geschrie- ben durch den Propheten sMicha 5, 1]: 6. Und du Bethlehem im giidischen Lande [wörtlich: Und du Bethlehem, and oder Stadt Juda] bist mit nichten [wie es den Anschein hat, wenn man auf deinen äußeren Umfang und die unbedeutende Zahl deiner Einwohnerschaft siehet, um deretwillen du nicht einmal eine Stadt, son- dern nur ein Flecken heißest] die kleinste uiiter den Fürsten sStammsitzen oder Geschlechtsorten] Judas« denn aus dir soll mir lzu meines Namens Ehre und zu meines Volkes Wohlfahrt] kommen der erzog, der über mein Volk Israel ein err sei [genauer: der mein Volk Jsrael weide als der ihm verheißene König und Nachkomme Davids 2. Sam. 5, 2]. V) Die gegebene Antwort war an sich richtig, die Leute aber, die sie gaben, blieben doch zu Hause; ste verstanden wohl ihre Grammatik nnd konnten also sagen: ,,das bringt der Text mit sich«, aber das blieb durch ihre Schuld bei ihnen ein todtes Wesen. Der Text war kein todter Buchstabe, sondern sie waren todte Leute. (Starke.) Die Orthodoxen, wenn sie auch selbst den Weg nicht gehen, wissen doch den Weg, erhalten die Erkenntniß des Wegs und können ihn Anderen zeigen, die ihn betreten und darauf zur Seli keit gelangen. Solche Leute sündigen, wenn sie es bei lgloßem Wissen bewenden lassen, an sich selbst; das sadducäische Gesindel aber, das mit seiner nachgebeteten Heterodoxie (Jrr- gläubigkeit) so groß thut, das in seinem Unglauben alles Göttliche zertritt und es darauf anlegt, alles Göttliche unter den Menschen hinwegzubringen, siindigt an Gott und an der Menschheit. (Menken.) H) Mhconius erzählt von dem kleinen Augustin»- kirchlein zu Wittenberg (Luther’s Werke XV., S. 468 fs.): Zu Wittenberg war das Augnstinerkloster neu angefan- gen zu bauen; mitten in den neu angelegten Funda- mentis der Kirche· stund ein alt Kapelleiy von Holz e- bauet und mit Leimen bekleibt, das war sehr aufä ig und gestützt aus allen Seiten, und hatte es allenthalben das Aussehen, wie die Maler den Stall zu Bethlehem malen, darin Jesus geboren war. So hat das Kirch- lein, darin» Johannes Haß zu Prag predigte», auch Beth- lehem geheißen« Jn dieser armen, elenden, Jämmerlichen Kapellen hat Gott zu diesen letzten Zeiten sein heiliges Evangelium und das liebe Kindlein Jesus lassen neu geboren werden; denn in ihr predigte erstlich D1-.Mar- tinus und that die Predigt wider den Ablaß. 7. Da snachdem er so von seinen Gelehrten den Ort erkundet, wo der verheißene König der Juden sollte geboren werden] berief Herodes die Weisen sum Von diesen nun auch die Zeit der bereits erfolgten Geburt zu erfahren und darnach seine Maßregeln zu treffen V. 16., noch zur Nacht- zeit] heimlich sin die inneren Gemächer seines Palastes, indem er damals schon schwer krank dar- nieder lag, zugleich aber bei der Gefahr einer all: gemeinen Volksempörung, die seine letzten Lebens: tage bedrohte, alles Aufsehen vermeiden mußte] und erlernete [nun] mit Fleiß von ihnen, wann der Stern svon dem sie erzählt hatten V. 121 erfchienen wäre [denn daraus konnte er einen Schluß auf das ohngefähre Alter des Kindes machen, konnte aber nunmehr auch seine eigenen Astronomen befragen, ob wirklich um diese Zeit ein besonderer Stern am Himmel sich gezeigt hätte] 8. Und weifete sie [nachdem sie in argloser Aufrichtigkeit ihm Rede und Antwort gegeben und er mit scheinbar gleicher Einfalt wiederum ihnen gesagt, was er von den Hohepriestern und Schrift- gelehrten erforscht hatte«] gen Bethlehem [etwa 2 Stunden südlich von Jerusalem, s. Karte zu 1· Sam. 9,· H] und sprach: Ziehet hin und forschet fleißig nach dem Kindlein sbis daß ihr auch das Haus entdecket, in welchem es zu finden ist]; und wenn ihr’s findet kund euch 12 Evangelium Matthäi Z, 9—12. dessen versichert habt, daß eswirklich dasgefuchte Kind ist], so faget mir’s wieder, daß ich auch komme und es anbeteski -1·) Die heidnifchen Magier und die jiidifchen Schrift- gelehrten: 1) Die einen gewinnen mit ihrem Stern auch die Schrift, die andern verlieren mit ihrer Schrift auch,- den Stern; 2) die einen werden Schriftgelehrte im besten Sinne, die andern werden Magier im schlimmften Sinne. (P. Lange) Die Weisheit, welcher fich die Herr- lichkeit des HErrn offenbart: es ist die, welche 1) nach dem HErrn fragt, 2) nach Anleitung feines Wortes ihn fucht, 3) durch seine Niedrigkeit sich nicht abhalten läßt, ihn anzubeten (Thomasius.) H) Das ist des Teufels und seines Anhanges Art, daß, wenn sie nicht können mit der Löwenhaut fortkom- men, so legen sie einen Fuchsbalg an: I. Sam. Z, 27. Der Teufel verstellet fich zum Engel des Lichts; darum ist es kein Großes, ob sich auch seine Diener ver-stellen: L. Cor. 11, 15. (Cramer.) Die Welt redet den From- sinen nach, das ist bald gelernt; aber recht fromm zu sein, ist nicht bald gethan: Efra 4, 2; Matth. 7, 15. M. (Starke.) 9. Als sie nun den König gehöret hatten [ihm auch, weil sie ihn nach feinen guten Worten beurtheilten, von seiner eigentlichen Absicht aber nichts ahiietenf das Verfprechen gegeben, wieder zu kommen], zogen sie [noch in derfelbigen Nachh wie man ja im Morgenlande gern des Nachts reist] hin szum westlichen Thor von Jerusalem hinaus, durch das Thal Gihon hindurch, über die Bergebene Rephaim hinweg, nach dem Städtchen Bethlehem zu, Ruth 1, 22 Anat. —- einen Begleiter hatte Herodes klüglicher Weise ihnen nicht mitgegeben, wohl aber hatte er selber den Weg ihnen so genau bezeichnet, daß sie nicht fehl gehen konnten "]. Und siehe, der Stern, den sie svor Jahresfrist 70 Tage lang] im Morgenland gesehen hatten [der aber dann am Himmel wieder verschwunden war, vgl. Anm. zu B. 2], ging [indem er sich jetzt, bei ihrem Austritt aus Jerusalem, zum zwei: ten Mal ihren Augen zeigte Pf. 97, 11., wie ein himmlifcher Wegweifer während der ganzen Reife] vor ihnen hin, bis daß er kam und [siille] stund oben über kdem Hause V. 11J, da das Kindlein warst« «) Also ergehet es mancher Seele, daß, je aufrich- tiger und einfältiger sie selbst auf’s Gute ist, desto schwe- rer gehet es ihr ein, von Andern Böses zu argwöhnen, zumal bei einem gegebenen guten Schein. Nun wird zwar Mancher auf solche Art zu seinem Nachtheil hinter das Licht geführt; jedoch ist Gott dabei so getreu, daß er die ihm aufrichtig ergebene Seele durch feine beson- dere Regierung bewahrt: V. 12; Pf. 97, 10. (J.Lange.) M) Die Weisen sind auf dem Wege nach Bethlehem, und wer weiß, ob ihnen nicht doch ein wenig fremd und unheimlich gewesen ist im Lande des großen Königs! Dazu wissen sie nun zwar die Stadt, wo er zu suchen, aber wo in der Stadt wird er nun zu finden sein? Doch harre! Der Gott, der sie, wie einst Abraham, in ein Land eleitet, das sie nicht wußten, der sie aus dem fernen Hei enlande sicher bis zur Stadt des Erfehnten geführt hat, wird sie nun nicht unberathen lassen; der den Hirten das« Wahrzeichen der Windeln und der Krippe gegeben, wird auch ihnen ein Zeichen geben, das sie ihres Heilands gewiß machen kann. (Löhe.) Mk) Um dieser Stelle willen nimmt man vielfach an, daß wir bei dem Stern der Weisen nicht, wie zu V. 2 gefcheheiy an einen wirklichen Stern, sondern an ein außerordentliches, für eine vorübergehende Zeit über- natürlich gefchaffenes Meteor (Luftzeichen) zu denken habe; denn, so sagt man, was oben im Texte ausgefagt wird, das thut kein gewöhnlicher Stern, der steht vielmehr oben am Himmel fest und kann nicht als Führer vor jemand hergehen, auch zeigt er entweder gar kein Haus oder viele auf einmal. Das; nun aber gleichwohl an einen eigent- lieben, also mittelst der Astronomie zu berechnenden Stern gedacht werden müsse, ergiebt sich aus folgenden Grün- den: 1) Es sind Magier, also nach dem damals herr- schenden Sprachgebrauch des Worts Astronomen oder Aftrologen von Fach, welche den Stern und feine Be- deutung zuerst wahrgenommen haben: warum nun Magier? und warum wird, daß sie es waren, so aus- drücklich hervorgehoben, während von ihnen sonst nicht einmal die Namen genannt sind, wenn es fich um eine Himmelserscheinung handeln follte, die jeder Laie eben so gut beobachten konnte! L) Wäre der Stern eine singuläre wunderbare Erscheinung gewesen, so wäre noch eine außerordentliche Erleuchtung der Magier erforder- lich gewesen, um ihn für das zu erkennen, was er fein follte, für einen Boten der Geburt des jüdifchen Meffias; von einer folchen Erleuchtung steht aber kein Wort im Texte Dagegen heißt der Stern ausdrücklich der Stern des Meffias oder des Königs der, Juden, auf dessen Geburt durch das Erscheinen des Sterns die Magier den Schluß ziehen; er steht also zu dieser Ge- burt in einer aftrologifchen Beziehung, und auch Herodes äußert über die Nothwendigkeit seines Zusam- menhangs mit der Geburt des erwarteten Judenkönigs nicht den geringsten Zweifel. s) tir die gewöhnliche Natur des Sterns spricht der Aus ruck in V. 2 n. 9: ,,beim Aufgehen«, wofür Luther weniger gut: ,,im Mor- genlande« hat (das Wort des Grundtextes steht hier im Singular, nicht wie in V. 1 im Plural); aber auch die Ausdrücke in V. 9 kommen von gewöhnlichen Sternen vor: der erstere (,,ging vor ihnen hin« bei Luther) be- zeichnet das Vorriicken am Himmel in der Richtung nach Bethlehem, wohin die Magier gingen; nnd das Stehen über einer Gegend oder einem Orte, denselben dadurch markirend, wird ganz ebenso bei Josephus (de hell. Jud. VL 5. Z: III-s(- srffsi näh» Eurem» Furt-f Hof«- qyaloi 7ea9o«klsia-or), von einem Sterne ausgefagt. Es ist dabei natijrlich der Augenschein im Spiel, und nur das ist Gottes besondere Fiigung, daß der Augenschein so bezeichnend und wirksam war, als ob die Magier wie mit Fingern auf die rechte Stätte hingewiesen wür- den; aber auch ein außerordentlicher, wunderbarer Stern, wenn man ihn nicht geradezu in widernatürlicher Weise fich denken will, hätte doch eben nur auf solche Art die Weisen an Ort nnd Stelle leiten können. 10. Da sie [die Weisen] den Stern sahen, wurden sie hoch erfreuet [ob dieses so unzwei- deutigen Zeugniffes, daß der Gott Himmels und der Erde Wohlgefallen an ihrem Wege habe und sie das Ziel gewißlich werde erretchen laffen], 11. Und gingen in das lvom Stern be- zeichnete] Hausss und funden [darin] das Kindlein mit Maria, feiner Mutter kund Joseph, dem Mann der Maria] und fielen nie- der kvor dem Kinde] und beteten es any« und thaten [nach der Sitte des Morgenlandes, Der HErr besiehlt den Weisen im Traum nicht wieder zu Herodes zu gehen. 13 eine Huldigung allemal mit Darbringung von Ge- schenken zu verbinden 1. Mos 43,— 11] ihre Schatze [Schatzbeh·älter] auf, und schenkten ihm Gold , Weihrauch und Myrrhen IN· s3. Mos 30, 23 u. 34 Anm.]. V) ,,Der im Stalle geboren war, scheint es indeß vom Stalle bis zu einem ordentlichen Hause gebracht zu haben; aber hat er mit einem Stalle angefangen, so hat er doch nicht mit einem königlichen Schlosse fortge- fahren, das war zu stolz siir seine Niedrigkeit« «) Merke wohl: »Sie fanden das Kindlein mit Maria, feiner Mutter;« aber nicht heißt es, wie nach der Lehre der katholischen Kirche hätte geschrieben wer- den müssen: »Sie fanden Maria, die Mutter, mit ihrem Kinde.« — Jm ganzen Bibelbuche lesen wir von keinem größeren Glauben als dieser war; es ist ein Glaube, welcher dem des bußsertigett Schächers an die Seite gestellt zu werden verdient. Der Schächer sah Einen den Tod eines Missethäters sterben, und doch betete er zu ihm und nannte ihn einen Herrn; die Weisen sahen einen Säugling auf dem Schooße eines armen und ge- ringen Weibes, und doch beteten sie ihn an und be- kannten, daß er der Christ sei. Wahrlich, selig sind, die so glauben können! (Ryle.) Vernünftige Leute, wenn sie dieser Anbetung zugesehen, würden wohl zu den Weisen gesagt haben: « Was macht ihr? Dies kleine hilssbedürftige Kind der armen Frau betet ihr an? Was ist das für eine Abgötterei, für ein Wahn- sinn! Die Weisen aber würden vielleicht den vernünf- tigen Leuten geantwortet haben: »Wir haben seinen Stern gesehen im Morgenlandz und find gekommen ihn anznbeten; und wie wenig das auch eine gründliche Ant- wort geschienen hätte, so hätte es doch an Grund und Wahrheit alle Theorie und Kritik und Demonstration der vernünftigen Leute überwogen. Göttliche Dinge smd wahrhaftige Dinge; und es giebt eine Ueberzeugung von göttlichen Dingen, wie Fleisch und Blut sie nicht geben kann, auch mächtiger ist als alles, was von Fleisch und Blut kommt. (Menken.) H« ) Wir müssen uns nicht denken, daß alles so kurz und rasch zu Ende ging, wie es hier erzählt wird; ehe sie die Schätze aufthaten, werden sie wohl die Her- zen aufgethan haben. Es ging an’s Erzählen von bei- den Seiten, von Seiten Maria’s und von Seiten der Weisen: welch ein vornehmer Palast wurde da dieses Haus, mit den alleredelsten Kleinodien ans dem Herzen der Maria, ja dem Herzen Gottes gestillt! Dabei wa- ren ihre Augen unverwandt aus das Kindlein gerichtet; es wuchs ihnen unter dem Erzählen, fing an zu leuch- ten mit dem Licht der Verheißungen Gottes und saß in seiner Mutter Schooß wie aus dem Throne des himm- lischen Vaters. Sie lernten des Kindes Armuth und Niedrigkeit verstehen, und je mehr sie dieselbe verstehen lernten, desto mächtiger kam über sie ein Geist der Beu- gung und Anbetung, daß sie Gott im hohen Himmel lobten und sich in diese Tiefe der Erniedrigung senkten, als wollten sie hier ewig Hütten bauen. (Münkel.) Durch: das Gold wird Christi Königthum, durch den Weihrauch sein Hohepriesterthuny durch die Myrr- hen sein Tod angedeutet. (Fulgentius.) Gold dem Könige, Weihrauch dem Gotte, Myrrhen dem, der den Tod schmecken sollte. (Theophylakt.) Sie zeigen mit den Gaben drei, dies Kind Gott (Weihrauch), Mensch (Myrrhen) und König (Gold) sei. (Was fürchrst du, Feind Herodes it. V. 2.) Nimm das Gold des Glaubens hin — nimm den Weihrauch des Ge- bets — nimm die Myrrhen bitterer Ren. (Jesu, gro- ßer Wunderstern 2c. V. 2———4.) Vergiß der armen Hei- den nicht mit Gaben und Gebet, und laß: dich Jesum durch die Mission zur Buße führen. (G. Lang.) 12. UndGott [von dem sie auch in Betreff ihrer Heimreise sich berathen ließen, nachdem er ihrer bei ihrer Herreise so freundlich sich angenom- merk« V. 9] befahl ihnen im Traum, daß sie fiel) mcht [wie sie versprochen hatten« V. 8] sollten wieder zu Herodes lenken. Und [sie] zogen Demgemäß, den nächsten und bequemsien Weg über Jerusalem vermeidend] durch einen andern Weg swohl znerst südlich, und dann ösilich nach dem ehemaligen Gebiet der Moabiten wo einst die Weissa- gnug: 4. Mos. 24, 17 geschehen, sich wendend] wieder m ihr Land-W« sund verbreiteten dort die Kunde von dem, dessen Herrlichkeit sie erkannt-H. ) Aus dem im Grundtext stehenden Wort Manna-ra- «9.H»reg, d. i. sie empfingen einen göttlichen Bescheid) kann man schließen, daß die anfängliche Arglosigkeit und Einfalt, welche dem Character edlerer Weisen so wohl ansieht, durch den Contrast zwischen dem unheimlichen Wesen des despotischen Königs und dem reinen Eindruck der heiligen Familie schon vor ihrem Traumgeficht ge- wichen war nnd dem gerechten ålliißtrauen gegen die Absichten des Herodes Platz gemacht hatte. (P. Lange.) H) Die Pflicht des Erfüllens eines Versprechens löst sich durch die nicht oorausgesehene sittliche Unmöglichleit desselben. Daß die Magier nicht wieder nach Jerusalem zuriickkehrtem war nur scheinbar ein Wortbruch; denn das von ihnen arglos Versprochene sollte dem Kinde zum Guten sein, im Sinne des Herodes aber war es ein Mittel zu einem Frevel, darüber belehrt, vollbrach- ten sie das Gute, was sie im Sinne hatten, gegen den Wortlaut ihrer Zusage, weil deren wörtliche Ersüllun das Gegentheil ihrerVoraussetzung gewesen wäre. (Wuttke.g Eis) Einer Seele, die ihr Heil in Christo efunden, wird das Leben ein seliger Heimgang, ein ang auf einem ,,andern« Wege, nicht mehr auf der breiten Heer- straße der Welt, sondern aus dem verborgenen Pfade des Friedens, ein Gang an Gottes Hand, im Lichte seiner Gnade, unter der Hut und Führung seines heil. Geistes, bis zu dem Stündleiu, da man sprechen darf: HErr, nun lässest du deinem Diener in Frieden fahren, denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen. (Gerok.) s) Von Babylon aus hat hernach der Apostel Petrus seinen ersten Brief geschrieben (l. Petri 5, 13) und dort der Apostel Thomas gewirkt. II· V. 13——23. (§. 13.) Karl) im weiteren Verlauf der Geschichte hat mehr alg Ein prophetischer Ausspruch an Iesu nnd an denen, die seine Ältere-genossen waren, sich erfüllt; es ist aber der weitere Verlauf dieser: Uach der Abreise der Weisen von Bethlehetn empfängt Joseph in einem ciraltmgesirtjl Befehl von Gott, mit dem Kindlein und seiner Ljkltttter sofort aufzubreohetc nnd uath Temp- tenlaud zu fliehen, um des tjerodeg Uarhsielluugcu zu— oorznltottcmctiz er thut, wag ihm geheißen, und herodeo vollbringt with, wag Zoruegwutlj und verfolgnngssucht ihm eingehen, ohne jedoch seinen Zweck: zu erreichen. Bald darauf erfolgt seiuEndtz und nun kann der HGrr seinen Sohn ang Ggyutetc rufen, wie er einst Israel von daher berufen; und er weist die heilige Familie nach Uazareth als ihren weiteren Bestimmungsort, damit der, den die Propheten längst schon alo Uazarenng ge— . leenuzeichnct haben, ltiinstig »auch wirklikh so heiße, wenn er nun wird herangewachsen sein und sein wert: voll- bringen. 14 Evangelium Matthäi L, 13-—20. Evangelium am Sonntage nach dein ReUjaHtHIageJ Das vorangegangene Neujahrsfest war ein Sabbaths- tag für den, der Jesum liebet, ein Tag süßer, seliger Ruhe in dem theuren Jesusnamen , welchen das Neu- jahrsevangeliuin über die Pforte des neuen Jahres ge- fchrieben; das war ein Tag der Freude für alle Kinder Gottes, an welchem sie vergessen, aus welchem Kreuz des alten Jahres sie gekommen, an welchem ihnen der Gedanke kommender Trübsal so fern lag, wie fröhliche Kinder, von der Liebe behütet, sich wenig bekümmern nm das, was war nnd was sein wird. Heut ist es anders: auf den bräutlichen Sabbathstag folgten nun fchon die ersten Werktage; da hat vielleicht fchon Man- cher seit Nenjahr einen schweren Anfang gemacht in Kampf und Noth, da sieht fchon Mancher heut klar und unverhüllt, auf welche Trübsal dieses Jahres er stch vorzubereiten habe, und kostet nun schon die ersten Tropfen dieses Triibsalskelches; wir alle aber, wir mö- gen im Leiden stehen oder nicht, wir wissen es, das; auch dieses Jahr nicht ohne Leiden fiir uns sein kann. Und dies drückt uns und verkümmert uns heute die Freude an unserm Jesusnamem der uns in’s neue Jahr begleitet; die Neujahrsrnhe ist dahin, der Neujahrstrost will schwinden, das Herz will zagen. Mein Christ, hier ist kein anderer Rath als der, den das heutige Evangelium dir giebt. Ein Evangelium von leidenden Kindlein, unter denen das himmlische Weihnachtskind selbst, bringt dir heute den wahren Trost über alles Leid, womit dies neue Jahr dir droht, nämlich den Trost, daß gerade die Leiden in unsern christlichen Beruf gehören, daß ohne Leiden ein Christ nicht sein könne, daß ein recht christlich Wesen im Leiden stehe. Gottes Wort will in dir wirken, daß nicht dein Leben dir leid, sondern dein Leiden dir lieb werde: das ist sein Trost. (Maydorn.) » · 13. Da sie aber [oon Bethlehem] hinweg gezogen waren [die Eltern Jesn nicht ohne mancherlei Besorgnisse wegen dessen, was da kom- men könne, daselbst zurücklassendL siehe, da er- schien der Engel des HErrn kwohl derselbe, von dem» in Katz. 1, 20 die Rede war] dem Joseph im Traum und sprach: Stehe auf [vom Schlaf] und nimm lnoch in dieser NachtJ das Kindlein und· seine Mutter zu dir nnd fleuch [ms.·t ihnen] in Egyptenlaiid und bleibe allda, bis ich dir sage ldaß du ohne Gefahr wieder zurückkehren kannst V. 19 f.]; denn es ist vorhanden les steht diese Gefahr bevor] daß erodes das Kindlein suche, dasselbe umzu- ringen [V. 16]. Der HErr weiß die Seinen zu rechter Zeit der Ge- fahr zu entziehen nnd den Feinden zuvorzukommenx Apostg. 12, 1 ff.; 2. Petri L, 9. (Starke.) Wie der Erlöser in seinem vollendeten Gottesbewußtsein nichts: that, nichts redete von ihm selber, sondern nur ans Anregung des Vaters (Joh. 8, 28), so waltete das göttliche Wirken vor der Vollendung seines Bewußtseins in seinen Umgebungem Die Geschichte, auch des Kin- des, ist eine göttliche Geschichte; aus göttlicher Anregung führt daher Joseph auch wieder das heilige Kind mit seiner Mutter nach Eghpten (Olshausen.) Egyptem römische Provinz und dem erodesinicht unterthaiy bot eine nahe und sichere Zuflu t dar; es befanden sich da- selbst viele Juden (und führten dahin bekannte Reise- wege, freilich durch eine weite Wüste) Als Aufenthalts- ort Josephs giebt die Sage Matarea in der Nähe des Oniastempels (bei Leontopolis Jes. 19, 19 f. Anm.) an. (De Wette.) Auf dem Wege von Ramleh nach Jerusalem liegt dem Orte Anwås oder Nicopolis (1. Matt. 3, 40 Anm.) auf einem Hügel eine Ruine gegenüber, Latrun genannt, ehemals ein Kastell; die Mönche halten es für ein Kastell des guten oder be- gnadigten Schächers (b0ni latronjæ Luk. 23 , 40 ff.), der hier seinen Wohnsitz gehabt habe. Sie nennen ihn Disma und erzählen von ihm, er habe die heilige Familie auf der Flucht nach Egypten berauben wollen, sei aber durch ihren Anblick gerührt worden. Von dem spanischen Dichter« Lope de Vega (—]- 1635) besitzen " wir ein Wiegenlied der Jungfrau Maria, das sie ihrem Kinde auf der Flucht gesungen; der Cardinal, Urst- bischof von Breslau, Melchior v. Diepen rock (-s— 1853) hat es in’s Deutsche übertragen: Die ihr dort wallet unter den Palmen et. (Unverf. Liedersegen Nr. 542.) 14. Und er [Joseph, feinen Beruf als Pflegevater treulich wahrnehmend] stund lohne Verzug] auf und nahm das Kindlein nnd seine Mutter zu sich, bei der Nacht [d. i. noch in selbiger Nacht], und entwich lzunächst nach Hebron sich wendend l. Sam. 9, F) Anm. und dann weiter nach Bersaba 1. Mos. 46, 1 Anm. und Rhinocolura, an welchem Grenzorte er in 3——4 Tagen anlangte] in Egyptetv land, 15. Und blieb allda [etwa 8 Wochen lang] bis nach dem Tod Herodis [wo der Ruf in V. 20 an ihn ergiUgL auf daß sauch an dem, der Gottes» Sohn eigentlichen Sinne des Worts war] ersullet wurde, das der HErr durch den Propheten [Hos. II, l] gesagt hat, der da lzunächst in Beziehung auf das Volk Israel 2. Mos. 4, 22; Jer. 31, g] spricht: Aus Egypten hab ich meinen Sohn gerufen. Die Eltern in ihrer Angst um das heilige Kind mußten weit davon entfernt sein, eine Reise vorzuneh- men, um einen Prophetenspruch zu erfüllen, zumal einen solchen, der im buchstäblichen Verstande auf die Aus- führung Jsraels aus Egypten sich bezog; als aber die Flucht und Wiederkehr wirklich erfolgt war, da konnte der Evangelist, der überall die Erfüllungen in’s Auge faßte, die Bemerkung machen, daß auch dieser Spruch des Hosea sich erfüllt habe. Er hat sich wirklich erfüllt, freilich nicht als Verbalprophetie (buchstäbliche Weissa- gnug) , sondern als typische Prophetie (vorbildliche Weissagung). Jsrael wurde zuerst aus Eghpten als der Sohn Gottes berufen, sofern es den Sohn Gottes impljcjie (in sich eingeschlossen) enthielt; jetzt wird der Sohn Gottes im eigentlichsten Sinne aus Eghpten ge- rufen, der aus Jsrael hervorgegangen ist, wie der Kern aus der Schale. Als Gott Israel ans Egypten berief, war es ihm nm seinen Sohn in dem Jsrael zu thun, d. h. um Jsraels theokratische Bestimmung. (P.Lange·) Wie Gott mit Liebe seinen Gesalbten, den Messias, auf dem all’ sein Wohlgefallen ruhte, und um des Messias willen auch das Volk des. Messias Umfaßte, so hat er auch von beiden mit« gleichem Ausdruck und Namen der Liebe geredet; wie er über beiden in ihrer Kindheit mit Liebe, Schutz und Hilfe waltete, so hat er auch durch den Geist der Weissagung in Einer Prophezeiung Beider Schicksal angedeutet und dargestellt und eben damii fchon in den friihesten Zeiten darauf hindeuten wollen, daß Joseph flieht mit Maria und dem Kinde nach Egypten Vethleheinitischer Kindermord 15 der König Jsraels bei seiner Erscheinung in der Welt, ehe seine Herrlichkeit offenbar werde, seinem Volke Israel in seiner Geschichte, besonders in seinen Leiden, Niedrigkeiten und Drangsalen werde gleich werden müs- sen, sowie sein Volk auch ihm in seiner Geschichte, und dann auch besonders in Sieg und Segen, in Seligkeit und Herrlichkeit gleich werden soll. (Menken.) Da Israel vormals in Egypten zog, versorgte ihn Joseph: da Christus in Egypten fliehen muß, einen Pflegevater geordnet. Wie Moses vor Zeiten vor dem Kindermorde Pharaos mitten in Egypten bewahret ward, also auch Jesus bei ersolgtem Kindermord (Starke.) 16. Da Herodes nun sahe, daß er smit seinen Hoffnungem das Kind, welches ihm als neugeborener König der Juden bezeichnet worden war, sicher in Bethlehem auszumittelnj von den Weisen betrogen war [weil diese weder an dem einen, noch an dem andern Tage zu ihm zurück: kehrten, und also durch einen andern Weg wieder in ihr Land gezogen sein mußten V. 8 u. 12], ward er sehr zornig sdaß man ihn so, wie er meinte, zum Narren gehalten habe] und schickte [wie es scheint heimlich V. 7., feine Schergen] aus und ließ lum doch ·noch zu seinem Zwecke V; 13 zu kommen] alle Kinder zu Bethlehem tödten und an ihren sdieser Stadt] ganzen Grenzen [d.·i»; innerhalb des Weichbildes derselben] die da zweijahrig nnd drunter waren, nach der Zeit [der ersten Erscheinung des Sterns V. 2 Anm.], die er mit Fleiß von den Weisen erlernt hatte sund darnach konnte ja das Kind, um das es ihm eigentlich zu thun war, höchstens zwei Jahr alt sein] Der Einwand gegen die Glaubwürdigkeit unsrer Ge- schichte, daß andere Geschichtfchreiber von dem Greuel dieses Kindermords nichts berichten, ist dadurch genü- gend beseitigt, daß es doch immer nur eine geringe Zahl von Kindern dieses Alters in einem Oertchen wie Beth- lehem zu ein und derselben Zeit gegeben haben wird, die Ermordung etlicher Kinder aber unter den übrigen weit größeren Greueln Herodes verschwand wie ein Tropfen im Meer. (Ebrard.) Josephus konnte diese Geschichte nicht erzählen, ohne der messianifchen Hoffnung seines Volkes zu gedenken; er vermeidet aber geflissent- lich alles, was ihn aus jene, angesichts der römischen Herrscher so bedenkliche Erwartung bringen konnte. (Hosmann.) Merkwürdig ist, daß der Heide Macros bius (um 400 n. Ehr) den bethlehemitischen Kinder- mord mit der Hinrichtung des Antipater (Schlußbem. zu 1. Mart. Nr· 11, e) zusammenstellt, indem er be- richtet: »Als Augustus gehört hatte, daß unter den Knaben, welche Herodes in Syrien unter 2 Jahren tödten ließ, auch sein Sohn Antipater getödtet worden, sagte er: Es ist besser, Herodis Schwein als sein Sohn zu sein;« denn chronologisch müssen beide Facta in der That etwa zusammengefallen sein. (Wieseler.) » 17. Da ldurch diesen Kindermordj ift er- sulletki das gesagt ist von dem Propheten Jeremia [in Kap. St, 15 seines Weissagungs- buches], der da [wenn auch nicht genau mit den- selben Wortem doch mit dem Sinne seiner Rede völlig übereinstimmend, also] spricht: hat ihm Gott auch « 18. Auf dem Gebirge [beim Propheten ist dieGegend von Rama im Stamme Benjamin 2.Kön. 25, 11., beim Evangelisten aber die Ge- gend von· Bethlehem»gemeint] hat man ein Geschrei ehoret, viel Klageus, Weinens Und Heu ensz Rahel sbeim Propheten als Stammmutter Josephs und Benjamins, beim Evangelisten als die, welche bei Bethlehem begra- ben lag 1. Mos 35, 19 f. Anm. und die dasigen Mütter, von deren Schmerz gleichsam mitbetrossem repräsentirt] heweinete ihre Kinder und wollte sich nicht trosteii lassen, denn es war aus mit ihnenäii «) Es ist ein Gesetz der Heilsgeschichte, daß die Er- füllung einer Weissagung, wenn sie das eine Mal nicht erschöpfend war, so lange in immer neuen Schwinguni gen sich sortsetzt, bis der Thatbestand des Verwirklichten sich völlig deckt mit Sinn und Wort des Geweissagten (Delitzsch.) — VII) Von diesen bethlehemitischen Kindlein sagt ein ehrwürdiger Bischof im 5. Jahrhundert: »Die Christo geweihten Streiter fangen eher an zu streiten als zu leben, eher zu kämpfen als zu spielen, eher Blut zu vergießen als Milch ans der Brust zu trinken. Sie empfangen eher Tapferkeit als Liebkosungem eher Wun- den als Küsse, eher Schwert als Salben, daß sie den Himmel eher als die Erde bewohnen. Sie sind die— wahren Märtyrer der Gnade; sie bekennen schweigend, kämpfen nnd siegen, ohne es zu wissen, sterben ohne Bewußtsein, schwingen die Palme, ohne sie zu kennen, greifen nach den Kronen, ohne eine Ahnung davon zu haben« 19. Da aber Herodes sin den ersten Tagen des April a. 4. v. Chr. unter fiirchterlichen Schmerzem wie in den Schlußbern zu 1. Macc. Nr. 11, e erzählt worden ist] gestorben wars« siehe, da erschien der Engel des HErrn der in V. 13 gesagt hatte: ,,bleibe, bis ich dir sage-«] Joseph im Traum in Egyptenland sdas Ereigniß, mit welchem die Zeit der Flncht nun zu Ende gehen sollte, ihm kund zu thun] 20. » Und sprach: Stehe auf und nimm das Kindlein und· seine Mutter Ozu dir [P. 1.3] und zeuch hin in das ·Land Jsraelz sie sind gestorben, die dem Kinde nach dem Leben stunden« lund ist fortan keine Gefahr mehr für dasselbe vorhanden Richr 5, 31]. «) Ueber dem Unglück von Bethlehem wollen wir doch das Unglück Herodis nicht so gar vergessen, wie es gewöhnlich geschieht; laßt uns dem armen, armen Manne auch einen Blick voll Theilnahme zuzuwenden suchen —- tver weiß, ob wir’s bis zur wahren, rechten Theilnahme bringen, ob wir schon wollen! Jst es nicht der größte Jammer, welchen es in der Welt giebt, vor Gott so verschuldet zu werden, wie es Herodes war? sich seine Hölle so wie Herodes zu schüren? Das Blut der unschuldigen Kindlein schrie wider Herodes gen Himmel, und dieses vervielfachte Geschrei von Abel’s Blute soll kein Unglück für diesen Kain gewesen sein? Dazu war diese Blutschuld Herodis nicht die einzige, welche im Schuldregister stand. Herodes war damals schon 70 Jahr alt und hatte dies Alter mit Sünden erlangt. Seinen Schwager Aristobulus, der ein Macca- bäer war und ein Jahr zuvor Hoherpriester geworden, 16 Evangelium Matthäi 2, 20 (Anni.). atte er vor seinen Augen im Bade ersäufen lassen, los weil er besser und eliebter war, als er selbst. Und das wäre kein Unglück für den. welcher es that? Seinen sljährigen Schwiegervater Hyrkan hatte er ehrenvoll aus dem Lande der Parther herführen lassen und den Greis darauf schändlich und treulos umge- brachn und eine solche Schuld soll kein Unglück sein? Er schonte seiner Frauen nicht; er ließ sie umbringen, selbst wenn er sie leide1ischastlich liebte, selbst wenn er voraus wußte, was sich hernach ergab, daß er nicht ohne sie leben konnte, daß ihn die Sehnsucht nach den- selben verzehren würde. Seine eigenen Söhne ließ er hinrichten, deren Bekannte und Freunde durch die Fol- ter erwürgen. Der Kaiser Augustus in Rom sagte (wie oben schon benierkt): es sei besser Herodis Schwein, als sein Sohn zu sein — weil die Schweine, deren Fleisch er als Bekenner des Judenthums nicht aß, vor ihm sicher waren, aber nicht seine Söhne. Und ein Mensch, der solche Lasten aufgeladen hat, sollte nicht unglücklicher sein, als die unfchuldigen Kindlein von Bethleheni, die im Bunde und Frieden Gottes dahin- starben und durch kurzes Leid zu einer ewigen Herrlich- keit kamen? Man müßte doch sonderbare Begriffe von Glück und Unglück haben, wenn man glauben wollte, daß ein Mensch, der neben zahllosen andern Missethaten Vatermord, Frauenmord, Kindermord auf dem Gewissen hat, auch nur Eine vergnügte und glückliche Stunde haben könne. Könnte aber irgend jemand noch einen leisen Zweifel an Herodis Unglück übrig haben, der sehe auf das Ende, auf die Ernte aller der bösen Thaten erodis, welche in seinem Tode für ihn reif wurde. ie Kinder von Bethlehem starben unter Martern; aber diese Martern waren klein im Vergleich mit denen, welche Herodes in Bälde auszustehen hatte. Jene Kind- lein starben unter dem Mordstahl der Kriegskiiechtex das war etwas Leichtes, wenn man es mit dem Tode Hero- dis vergleicht, der in Gottes Hände fiel, von denen ge- schrieben steht (Hebr. 10, 3l): ,,es ist schrecklich, in die Hände des lebendigen Gottes zu sallen.« Sein Sohn Antipater wollte ihn umbringen, aber dieser Tod war für einen Herodes zu gut; Herodes ließ, nachdem er Nachricht von dem Plane seines Sohnes bekommen, den- selben 5 Tage vor dem eigenen Tode hinrichten. Was für einen Tod hatte ihm aber Gottes Gerechtigkeit zu- ? esprocheUP Das höretl Seine Eingeweide waren in ntzündung, seine verborgenen Theile verfaulten, die Würmer nagten an dem lebendigen Leichnam, ein furcht- barer Gestank ging von ihm aus; dabei schrumpfte er zusammen, und sein Odem ging schwer aus und ein. Er hätte sich gern selbst umgebracht, wenn es ihm nur gelungen wäre; er mußte aber ausharren, bis seine Seele aus dem bereits verwesenden Leichnam fuhr. Er wußte es, daß kein Mensch um ihn weinen würde; die Leute warteten in Jericho, wo er starb, mit Ungeduld auf seine Todesbotschaft, jedermann sehnte sich nach der Erquickung, ihn todt zu wissen. Vornehmsten des Reichs bei Todesstrafe zusamnienge- fordert und befohlen, daß man sie alle in seiner eigenen Todesstunde gleichfalls umbriiigen sollte, damit er we- wenigstens unter Klagen stiirbe, wenn auch keine Klage um ihn, sondern alle nur über ihn zu Gott ausstiegen. Man vollzog aber den Befehl nicht, man ließ die Großen heim und alles war vergnügt, als es endlich hieß: Herodes ist an seinen Ort gefahren. Es gab Thränen, aber es waren keine Thränen des Jammers, sondern nur der Freude. Und das, um noch einmal zu fragen, das soll ein Unglück sein? Eines ist wahr: das Unglück der unschuldigen Kinder fand und findet Erbarmen, und Herodis Unglück findet keins; aber das ist ja vollends der Gipfel des Unglücks, das kann doch unmöglich den Darum hatte er die « Satz umstoßen, daß niemand unglgcklicher ist als der Gottlose, welcher Gott zum Feinde at. (Löhe.) M) Die Worte enthalten eine Beziehung auf 2. Mos. 4, 19; was dort von Moses und feiner Flucht vor Pharao gesagt war, faßt Matthäus hier in Beziehung auf Jesum aus, so daß Moses als Vorbild auf ihn er- scheint. (Olshausen.) Es kann sein, daß der Engel in der Mehrzahl redet, um zu versicheru, jetzt sei Herodes hinweggeräumt und nun seien auch alle Andern, die man sonst hätte fürchten mögen, nicht mehr zu fürchten; vielleicht ist aber bei diesem Ausdruck, außer auf ero- des, auch eine spezielle Rücksicht auf seinen Sohn nti- Pater genommen, den er wenige Tage vor seinem Tode, weil er den Vater hatte vergiften wollen, im Gefängniß ermorden ließ und der vormals von ihm im Testamente zu seinem Nachfolger bestimmt gewesen. (Menken.) Zum Verständnis? des Folgenden, sowie überhaupt der Evaugelien und der Apostelgeschichte, führen wir hier die in den Schlußbem zu l. Macc. mit dem Tode Herodis des Großen abgebrochene Geschichte der He- rodianer unter Bezugnahme auf den dort mitgetheil- ten Stammbaum bis zur Zerstörung Jerusalems weiter sort.—Jnseinem letzten Testamente hatte Herodes über seine Nachfolger in der Regierung folgendermaßen verfügtt Archelaus HerodesAntipas Phili us (B. II. 4. u) (I3.11.4. «) B. ILPZF u) König Vierfürst Vierfürst über Jduniäa, über Galiläa und über Jturäa, Gau- Iudäa und Peräa. lanitis, Aurauitis, Samaria. Trachonitis und Batanäa. Außerdem vermachte er seiner Schwester Salome (A. 5.) die Städte Jamnia, Asdod, Phasaälis und Archelais, die diese dann wiederum bei ihrem Tode auf die Kai- serin Livia vererbte. —— Archelaus nun, nachdem er dem Vater das Leichenbegängniß ausgerichtet hatte, begab sich nach Jerusalem und empfing auf dem Tempelber die Huldigung des Volks, wobei er einen Steuererlag bewilligte; das Volk aber forderte noch so vieles An- dere, daß Archelaus zur Gewalt griff und ein großes Blutbad anrichtete, in welcheni 3000 Juden uni’s Leben kamen. Nach hergestellter Ruhe begab er sich nach Rom, um von Augustus die Bestätigung in seiner Würde sich zu holen; mit ihm zugleich erschien dort sein Bruder Antipas, der ihn ganz verdrängen wollte, desgleichen Abgeordnete der Juden, die uin Befreiung von der Herrschaft der Herodier nachsuchten. Augustus, nach längerem Zögern, bestätigte das Testament des Herodes, gestattete jedoch dem Archelaus für’s Erste nur den Titel eines Ethnarchen (Schlußbem. zu 1.Macc. Nr.5 Zus.). Nach seiner Rückkehr heirathete derselbe die Wittwe sei- nes Halbbruders Alexander, die Glaphyra, mit der er auch Kinder zeugte; in seiner weiteren Regierung setzte er dann Hohepriester willkürlich ein und ab und verfuhr im höchsten Maße despotisch und grausam, so insbesondere gegen die Samarctaney daß er zu wiederholten Malen beim Kaiser verklagt wurde, dieser im J. 6 n. Chr. ihn ab- setzte und in·die Verban1iung nach Vienne in Gallien schickte, von seinem Lande aber Judäa und Samaria zu Syrien als unmittelbar römisches Gebiet schlug. Unter der Oberhoheit der dortigen Statthalter, deren Aufein- anderfolge zur Zeit der biblischen Geschichte des neuen Testaments diese ist: I) P. Quintiliiis Varus v. 6—l v. Chr. ·2) M. Lollius v. 1 v. Chr. —- 3 n. Ehr. Z) C. Marcius Censorinus (?) 3 4) L. Volusius Saturninus 4 Z) P. Sulpicius Quirinus t’)—11 6) Creticus Silanus. . . . I1——17 « Geschichte der Herodianer nach Herodis d. Gr. Tode. 17 73 Cn. Calpurnius Piso . . . . . 17-—19 n. Chr. 8 Cn. Sentius Saturninus (?) 19 » B) Anlius Lamia . . . . . . . . . . 20—22 » 10) Pomponius Flaccus.....22—33 » 11) Zwischenzeit ohne Statthalter 33—35 » 12) Lucius Vitellius . . . . ...35——39 » is) Publius Petronius . . . . . 39—42 » 14) C. Tibius Marsus . . . · . . 42—44 » 15) C. Cassius Longinus . . . . 45——50 16) Ummidius Quadratus . . . 50——60 » 17) Domitius Corbulo . . . . . . 61—65 » 18) Cestius Gallus . . . . . . . . .65—66 » 19) Licinius Mucianus . . . . . 66——69 » standen beide Landschaften zunächst bis zum J. 41 n. Chr., wegen der weiten Entfernung vom Hauptlande erhielten sie jedoch besondere Landpfleger, die für gewöhnlich in Cäsarea am Nieer (Schlußbem. zu 1.» Matt. Nr. 11, o) residirten, zur Zeit der hohen Feste jedoch nach Jeru- salem kamen und dort den Palast des Herodes bewohnten. Bis zum genannten Jahre folgten sie also auseinander: I) Coponius 2) Markus Ambivius 6—14 n. Chr. 3) Annius Rufus 4) Valerius Gratus . . .14—25 » s) Pontius Pilatus . . . 26-—36 » s) Marcellus . . . . . . . 86—37 » 7) Marullus . . , . . . . 37——41 » und sei hier zur Erläuterung von Apostg. S, 37 nur noch Folgendes mitgetheilk Gleich nach des Archelaus Verweisung folgte des Quirinus Sendung nach Syrien (etwa im Sommer a. 6 v. Chr.), während die spezielle Verwaltung Judäa’s der obengenannte Coponius erhielt. Jm Jahre darauf kam Quirinus selbst nach Judäa, die Abschätzung dieses Landes zu unternehmen. Die Juden waren schon durch das bloße Gerücht von der drohenden Schätzung, dienur als Einleitung für eine Brandscha- tzung dienen konnte, sehr aufgeregt, wurden aber beson- ders durch das Zureden des Hoheupriesters Joazar, des Voöthus Sohn, bewogen, derselben keinen Widerstand entgegenzusetzem ein unbesonnener Theil des Volkes jedoch schloß sich an Judas aus Gamala (südöstlich vom See Genezareth) und den Pharisäer Zadok an, die zum offenen Ausstand reizten und damit viel Elend herbei- führten. — Gehen wir nunmehr zu Herodes Antipas über, der von seinen Unterthanen ebenfalls mit dem Königs- titel beehrt wurde, obgleich er nur Vierfürst war (Mark. 6, 14; Luk. 3, 1), so· hatte er fein Gebiet auf beiden Seiten des Jordan und residirte für gewöhnlich zu Ti- berias am See Genezareth (Kap. 4, 25 Anm.), im Sommer jedoch, wegen des heißen und ungesunden Klimcks jener Stadt, zu Livius, östlich von Jericho (s. Karte V.). Des Antipas Einkünfte betrugen 200 Talente G» 2618 Thlr., s. Z. Mos. 30, 13 Anm.), und wird sein Haushofmeifter oder Rentenverwalter (Luther: ,,Pfleger«) in Luk. 8, 3 erwähnt. Er war ein leichtstnnigey dem Lebensgenuß verschwenderisch ergebener, hinterlistiger und Gewaltthaten nicht abgeneigter Fürst, doch mehr characterlos als grausam. Vermählt mit der Tochter des arabischen Königs Aretas, verliebte er sich, als er einst auf einer Reise nach Rom bei seinem Zalbbruder Philippus (Herodes c» s. den Stammbauim . I1.3), der im Privatstande lebte, einkehrte, in dessen Weib, die Herodias (B.1. 2.e, 4), und machte mit ihr den Vertrag, daß sie nach seiner Rückkehr von Rom zu ihm ziehen solle, er aber seine Gattin, mit der er schon lange in der Ehe gelebt, verstoßen wolle. Letztere, die noch während des Antipas Abwesenheit Kunde von des- sen Einverständniß mit Herodias erhielt, entfloh über Machärus zu ihrem Vater nach Petra, der damaligen Hauptstadt der arabischen Könige; die beabsichtigte Ver- Dächstlw Bibe1weri. bindung der beideii kam dann wirklich zu Stande. Wir kommen auf diese Geschichte zu Kap. 4, 12 ff. zurück, Im J. 36 n. Chr. gerieth Herodes mit seinem ehema- ligen Schwiegervater Aretas in Grenzstreitigkeiteu und wurde in dem daraus sich entspinnenden Kriege gänzlich aus’s Haupt geschlagen; das Volk erblickte darin schon Gottes Strafgericht für die Enthauptung Johannis des Täufers. Nun wandte er sich zwar an seinen Gönner, den römischen Kaiser Tiberius, mit der Bitte um Hilfe, und von diesem erhielt auch der syrische Statthalter Vitellius den Befehl, den Aretas lebend oder todt aus- zuliefern; doch ehe der Auftrag vollstreckt werden konnte, starb Tiberius am 16. März 37 n. Chr., und Vitellius, der erst bis Jerusalem vorgerückt war, wo er während des Passafestes rasiete, setzte den Krieg nun nicht weiter fort. Härter ereilten Gottes Schläge den Herodes unter dem nun folgenden Kaiser Cajus Caligula Bei diesem gewann sein Neffe Herodcs Agktppa I. (B. I. 2. o, 1), dem er früher aus großer Verlegenheit geholfen, so be- deutenden Einfluß, daß er die vormalige Tetrarchie des Philippus, die nach dessen Tode zu Ende des J. 33 oder zu Anfang 34 n. Chr. zu Shrien geschlagen wor- den war, nebst der Tetrarchie des Lysanias (Luk. Z, l) unter dem Titel eines Königs zum Besitz erhielt; weiter- hin aber wußte Agrippa seinen Onkel, den Herodes Antipas, so wirksam bei dem Kaiser zu verdächtigen, daß Antipas, der auf Betrieb der ehrgeizigen Herodias und iu ihrer Begleitung nach Rom gekommen war, um ebenfalls den Königstitel zu erlangen, im J. 39 n. Chr. der Regierung entsetzt und nach Lyon in Gallien ver- bannt wurde. Gestorben ist er dann später in Spanien; seine Tetrarchie kam im folgenden Jahre an Agrippa I., ja dieser stieg noch im Ansehn bei dem nun folgenden Kaiser Claudius, der ihm zu großem Dank verbunden war, und so erhielt er zu feinem bisherigen Reiche im J. 41 noch Judäa und Samaria hinzu, wodurch ganz Palästina jetzt wieder unter Einem Scepter (v. 4l——44 n. Chr.) vereinigt war. Wir erwähnen aus dieser Zeit noch einen interessanten Vorfall unter dem syrischeii Statthalter Petronius Derselbe hatte vom Kaiser Ca- ligula den Auftrag erhalten, das kaiserliche Standbild mit Gewalt im Tempel zu Jerusalem aufzustellen, die Widerstrebenden hinzurichten und nöthigenfalls das ganze , Volk in die Sklaverei zu verkaufen. Ehe nun die Juden es glauben wollten, daß es mit: solchem Befehl ernft gemeint sei, stand Petronius schon mit der Z. Legion und seinen Bundesgenossen bei Ptolemais; da an be- waffneten Widerstand nicht zu denken war, so versam- melten Männer, Weiber und Kinder sich schaarenweise als Flehende in der Ebene von Ptolemais, von dem Statthalter Schutz« für den Glauben ihrer Väter erfle- hend, und dieser, von ihren Bitten gerührt, leitete Un—- terhandlungen mit den Vertretern des Volks zu Tibe- rias ein. Hier suchte er den Juden zu beweisen, wie unverständig ihre Bitte sei: alle Völker ohne Ausnahme hätten die Bilder der Kaiser neben die Bilder ihrer heimischen Götter gestellt; sie allein wollten eine Aus- nahme machen und beleidigten durch den Ungehorsam in diesem Punkte den Kaiser persönlich. Die Juden dage- gen beriefen sich auf ihr Gesetz: sie hätten nicht einmal ein Bild ihres eigenen Gottes im Tempel, geschweige, daß sie das Bild eines Menschen darin dulden könnten. Petronius erklärte, er müsse seinem errn aber Gehor- sam leisten und werde deshalb den efehl mit Gewalt ausführen; worauf das ganze Volk erklärte, es sei be- reit zu sterben. Der Statthalter wußte nicht recht, was er solchem Muth gegenüber anfangen sollte, und ver- tagte deshalb die Unterhandlungen; am nächsten Tage versuchte er es vom Neuen mit Bitten und Drohungen, doch mit demselben Erfolge. Einsehend, daß das Land N. T. I, 2 18 Evangelium Matthäi 2, 21——23. dem Untergang entgegen ginge, wenn« er den Befehl des Kaisers jetzt ausführe —- die Saatzeit war fast vorüber, und noch hatte niemand wegen des ungewissen Aus- gangs das Feld bestellt —, gab er nach, rief das Volk noch einmal zusammen und verkündigte ihnen den Ent- schluß, der seinen Kopf kosten könnte: er wolle seinen Herrn bitten, ihm die Ausführung des Befehls zu er- lassen; gelänge es ihm nicht, den Zorn desselben zu stillen, so wolle er sein Leben für das Volk opfern. Von des Volkes Segenswünfchen begleitet, reiste er nach Ptolemais zurück und führte seine Truppen nach Antio- chia. Von dort meldete er dem Kaiser, was er gethan, und bat denselben dringend , das Volk nicht um dieses Befehls willen zu verderben, da es nicht Trotz, sondern religiöse Scheu wäre, welche die Juden zum Aeußersten triebe. Als Antwort drohte ihm Caligula mit dem Tode; ehe aber der Drohbrief in des Petronius Hände kam, war Caligula bereits ermordet und an seine Stelle unter des in Rom gerade anwesenden Agrippa Mitwir- kung Claudius zum Kaiser ans-gerufen. —- Von dem Tode des Agrippa, der ganz ähnlicher Art wie der Herodis des Großen war, hören wir in Apostg 12; von da an aber, weil sein Sohn Agrippa II. erst 17 Jahr alt war und noch nicht zur Regierung gelassen wurde, kam der größte Theil des Landes wieder zu Syrien, und Judäa und Samaria standen bis zum letzten jtidischen Kriege abermals unter Landpflegern, von denen wir hier noch nicht die Amtszeit (diese ist sehr schwierig zu bestimmen und kann erst bei Behandlung der Apostel eschichte näher erörtert werden), sondern vorläufig. nur ihre Namen an- geben: 8) Cuspius Fadus, 9) Tiberius Alexander, 10) Ventidius Cumanus, 11) Antonius (nach Andern: Claudius) Felix, 1·2) Porcius Festus, 13) Albinus, 14) Gessius Florus. —- Was den Vierfürsten Philip- pus betrifft, der wohl zu unterscheiden von dem frühe- ren Gemahl der Herodias,iso Umfaßte dessen Gebiet das alte Basan oder die weite offene Hochebene, die vom Fuß des großen Hermon bis nach dem Haurangebirge im Siidosten und dem Hieromax im Süden sich aus- breitet. Der westliche Theil dieser großen Ebene, wel- cher an den See Tiberias und den Jordan stößt, ist die Landschast Gaulanitis (jetzt Dsch01an); der nördliche Theil oberhalb der Stadt Cäsarea Philippi hieß Ita- räa (jetztDsehedu1-); der östliche ist Auranitis (jetzt Hauran); der nördlich davon liegende, niedrige nnd steinige Distrikt ist Trachonitis (jetzt el Lecjscha), und südlich davon, nach dem Haurangebirge zu, liegt Batanäa. Wie Philippus noch bei Lebzeiten des Vaters, als er bei diesem von Antipater verdächtigt worden war, für nnschuldig erkannt wurde, so erwies er sich auch hernach als den bei weitem besten von He- rodis des Großen Söhnen, als einen milden, seinen Regentenpflichten eifrig obliegenden Fürsten von einfa- cher, schlichter Lebensweise. Die Stadt Cäsarea, nach ihm mit dem Beinamen Philippi belegt, ursprünglich Panias von dem nahe gelegenen Berge Panius genannt, woselbst Herodes der Große dem Augustus einen Tem- pel errichtet hatte, bauete er um das J. 6 n. Chr. wei- ter aus (Kap. 16, 13). Sie liegt auf der Höhe einer schönen Kalksteinterrasse, etwa 1147 Fuß über dem Meer, und verbindet in ihrer Lage, eingeschmiegt wie in einen Winkel am Südfuße des mächtigen Hermon, der majestätisch dahinter sich emporstreckt, in hohem Grade das Großartige mit dem Schönen. Eine andere, von Philippus erbaute Stadt, das 5 Meilen weiter siidlich gelegene Bethsaida, nannte er der Tochter des Kai- sers zu Ehren Julias Hier errichtete er sich ein Grab- mal und ist auch nachmals daselbst beigesetzt worden. Da er von seiner Frau, der Salome, Tochter der Hero- dias, keine Erben atte, so gehörte von 34——37 n. Chr. die von ihm besessene Tetrarchie zur« Provinz Shrien, fiel aber, wie vorhin erzählt, in dem letztgenannten Jahre an Agrippa I. Dessen Sohn Agrippa II. erhielt erst um das J. 48 oder 49 vom Kaiser Claudius das kleine Fiirstenthum Chalcis am Libanon, welches bis dahin sein Onkel Herodes (B. I. 2. c, Z) besessen hatte, nebst der, seit 46 n. Chr. von diesem ebenfalls verwal- teten Aufsicht über den Tempel zu Jerusalem, womit das Recht, die Hohenpriester einzusetzen, verbunden war. Um diese Zeit knüpfte sich auch das blutschänderische Ver- hältniß zwischen ihm und des Vorgängers Wittwe, fei- ner leiblichen Schwester Berenice an (Apostg. 25, 13 Anm.). Vier Jahre später (etwa 53 n. Chr.) ward ihm unter dem Titel eines Königs statt jenes Fürstenthums die Tetrarchie des Philippus mit der des Lysanias zu Theil, wozu dann Kaiser Nero noch 3 Städte und 14 Dörfer in Galiläa fügte, während der bei weitem grö- ßere Theil des jüdischen Staats römische Provinz blieb. Die durch den Druck der oben mit Namen genannten Statthalter von Syrien, sowie der eigenen Landpfleger bewirkte Gährung im jüdischen Volke und die immer drohender sich ankttndigende Krisis (Apostg. 28, 31 Anm.) suchte Agrtppa II. möglichst abzuwenden; obwohl er aber viel zur Verschönerung Jerusalems, namentlich auch dnrch Vollendung der Außenwerke am Tempel beigetra- gen, stand er doch in keinem besonderen Ansehen beim Volke. Als dann der Krieg gegen die Römer ausbrach, schloß er sich fortdauernd an diese an, blieb nach Been- digung des Kriegs noch an 30 Jahre im Besitz seiner kleinen Herrschaft und starb als 70jähriger Greis unter der Regierung des Kaisers Trajan (im J. 10l n. Chr.). 21. Und er [der also von Gottes Hand Schritt für Schritt geleitete Joseph V. 13 Anm.] stund» auf [doch dies Mal wohl nicht noch in derselbtgen Nacht], und nahm das Kindlein und seine Mutter zu sich, nnd kam m das Land Israel [zunächst bis an die Grenze dessel- ben bei Rhinocolurm ohne noch zu wissen, an wel- chem Orte er sich niederlassen sollte V. 20]. 22. Da er aber hörete, daß sder seinem Vater an Argwohn und Grausamkeit ganz ähn- IicheJ Archelaus im jiidischen Lande [in der Provinz Judäa, in welcher Bethlehem lag] König war anstatt seines Vaters Herodts [von des: sem Wüthen gegen die bethlehemitischen Kinder V. 16 er jetzt ebenfalls Kunde bekam], fürchtete er sich dahin zu kommen [so bestimmt er auch seinerseits die Meinung hatte, daß Bethlehem, die Stadt Davids, der Ort sei, wo er Davids Sohn großziehen müsse]. Und im Traum lnachdem er zuvor betend und fragend sich an den HErrn ge- wandt, wie er bei dem Widerstreih da er auf der einen Seite es für seine Pflicht hielt, nach Beth- lehem zu ziehen, unddoch auf der andern Seite die Lage der Umstände ihm das entschieden ver: wehrte, sich verhalten soll·e]» empfing er Befehl vvn Gott, nnd zog sdieser Weisung gemäß] m die Oerter [Gebietstheile] des galilaischen Landes ldas unter der Herrschaft des weniger gefährlichen Herodes Antipas stund], 23. Und kam lnicht bis zu dem eigentlichen oder nördlichen Galiläa fortziehend, sondern gleich Die heilige Familie kehrt aus Egypten zurück und nimmt wieder Wohnung zu Nazareth. 19 in Niedergaliläa Halt machend Kap. 4, 25 Anm.] und wohnete in der Stadt, die da heißt Nazareth [und die schon vor der Geburt des Jesus- kindes sein Wohnort gewesen war Kap. 1, 18 ff.; Luk. I, 26 ff.; 2, 4]; auf daß sdurch solche Leitung Gottes, die ihm für die Lluferziehung des Jesuskindes gerade diese unscheinbare Stadt anwies] erfüllet würde, das da lzwar nicht an einer bestimmten einzelnen Stelle des alten Testaments, wohl aber in verschiedenen Andeutungen und Aus- sprüchen über die geringe Abkunft und die miß: achtete Erscheinung des künftigen MessiasJ gesagt ist durch die Propheten [ogl. unten die Amn.]: Er soll Nazarenus [d. i. »der von Nazareth« Mark. 1, 24; Joh. l, 45; 18, Z; 19,19; Apostg L, 22 u. s. w.] heißen. Der Ort Nazareth ist weder im alten Testament noch bei Josephus erwähnt; der Name (von H; = name-«, d. i. Zweig, Wurzelschosk herkommeud) bezeichnet entweder ihn selber als ein schwaches Reis, als einen kleinen Flecken, oder war ihm beigelegt von dem Gestrüpp und Buschwerk seiner nächsten Umgebung. Seit »Jesu von Nazareth« ist der frijherhin nicht einmal erwähnte Ort der gefeiertsten einer auf dem ganzen Erdkreis ge- worden. Er gehörte zu Niedergaliläm zum ehemaligen Stammgebiete von Sebulon und lag auf einem Berge (Luk. 4, 29), IV, Stunden westlich vom Thabor, 8 St. von Tiberias und 3 Tagereisen von Jerusalem, in schö- neu, ebenso ernsten als lieblichen Umgebungenx das jetzige eipNäzirah dagegen liegt auf der westlichen Seite eines schmalen, länglichem von Siidsüdwest nach Nordnordost sich erstreckenden Thalbeckens am unteren Theil des Absalls des westlichen Berges, der sich hoch und steil über der Stadt erhebt und von dessen Gipfel bei einem verfallenen Welt) (Grabmal) man eine pracht- oolle Aussicht auf die Ebene Jesreel und Sebulon, die Berge Thabor, Gilboa, Karmel, Hermon und das Mit- telmeer genießt. Sie erstreckt sich mit ihren wohlge- bauten steinernen Häusern bis in’s Thal hinunter· und zählt etwa 3000 Einwohner, die meistentheils Christen — sind; unten ist sie von Westen ans dargestellt. Das Hauptgebäude des Orts ist das festungsartig ummauerte, auf der vorliegenden Ansicht rechts nach der Stadtmauer hin frei liegende lateinische Kloster, dessen kleine zur linken Seite liegende Kirche, nächst der des heil. Grabes die schönste in Syrien, die Stätte bezeichnet, wo der Sage nach das Haus der Maria ge- standen habe; unter dem Chor derselben, 17 Stufen hinab, wird in einer Höhle die Stelle der Ver- kündigung (Luk. 1, 26 fs.) gezeigt— eine Säule giebt den Ort an, wo der Engel, eine zweite, wo die Maria stand, doch ist von der letzteren das Mittel- stück herausgebrochen, der obere Theil hängt an der Decke und nur die Basis steht noch fest. Das Haus der Maria selber ist, der Legende zufolge, im J. 1291 von Engeln nach Dalmatien, im J. 1394 weiter in einen Wald von Recanati, hernach auf einen Hügel, welchen 2 Brüder befassen, und zuletzt nach Loretto in Italien an die Stelle, wo es noch immer gezeigt wird, getragen worden(!). Jn Nazareth dagegen soll sich noch der Brun- nen der Maria und die Wohnung Josephs befinden; auch wird dort eine große Steinplatte aufbewahrt, an welcher der HErr mit den Jüngern gegessen haben soll. Endlich zeigt man am Ausgange des Thales von Na- zareth, nach der Ebene Jesreel zu, den Felsabhang, von welchem die Nazarener Christum herabstiirzen woll- ten (Luk. 4, 29); er ist jedoch beinahe eine Stunde von der Stadt entfernt, während der Evangelist als die Lo- kalität des beabsichtigten Herabstiirzeiis den Hügel des Berges bezeichnet, darauf ihre Stadt gebaut war. »Willst du meine Ansicht wissen, schreibt van de Velde, so inuß Nazareth. 28 20 Evangelium Matthäi Z, l. L. ich bekennen, daß ich mir die Sache nicht anders zu er- klären weiß als durch die Annahme, daß das alte«Na- zareth auf einem Plateau des Berges lag, und dieser früher eine senkrecht abfallende Wand gehabt haben muß, deren steile Felsen im Lauf der Jahrhunderte hinabge- stürzt und zerbröckelt sind, etwa durch Erdbeben, die hier zu Lande sehr häufig sind; demnach wäre der Ort, von dem man den Heiland hinabzuwerfen gedachte, jetzt ganz verschwunden« Durch Sultan Bibars im J. 1263 völlig in Ruinen verwandelt, wurde Nazareth erst nach mehreren Jahrhunderten wieder aufgebaut, blieb aber lange Zeit nur ein kleines Dorf, bis die Franziskaner a. 1620 auch die Verkündigungskirche wieder erstehen ließen und ein Kloster damit verbanden. Was nun die vorliegende Stelle bei Matthäus betrifft, so glaubt man gewöhnlich, der Evangelist beziehe sich auf die Worte: Jes. 1l, 1., wo Christus als nezer bezeichnet wird, welches Wort auch dem Namen der Stadt Nazareth, wie wir gesehen haben, zu Grunde liegt. Andere mei- nen, Matthäus beziehe sich auf solche Stellen, wo auf die Niedrigkeit des Messias, auf die Verachtung, in der er beim Volke stehen werde, hingedeutet wird (z. B. Pf. 22; Jes. 53); der Name Nazarenus aber, den Jesus zunächst von seinem Erziehungsorte erhielt, bezeichne eben einen verachteten ålltenschem Noch Andere halten dafür, es liege hier in ähnlicher Weise eine, in den uns bekannten prophetischen Büchern nicht vorkommende Weissagung zu Grunde, wie Paulus iu Apostg. 20, 35 auf einen, in den Evangelien nicht aufbewahrten Aus- fpruch Christi, und der Apostel Judas ·in V. 14 f. seiner Epistel auf eine, uns sonst nirgend berichtete Prophezep ung Henockys sich bezieht, so daß wir es also miteiner mündlichen Ueberlieferung zu thun hätten, durch die der Ort des Privatlebens des Messias schon längst zuvor ebenso bestimmt bezeichnet war, wie der Ort seiner Ge- burt durch Micha 5, l. »Diese Weissagutig sagt Menken, hatte selber ein ähnliches Schicksal, wie der, von dem sie zeugte: eine lange Verborgenheit bedeckte sie, als ob sie etwas Menschliches gewesen wäre, bis sie, als ein durch den Erfolg bestätigtes unvergängliihes Gottes-work, aus ihrer Verborgenheit hevorgezogen und aller Welt bekannt gemacht wurde« » » · Wir halten es » für zweckmäßig, hier gleich noch Einiges über die verwandtschaftlichen Verhältnisse, unter denen Jesus in Nazareth heranwuchs, beizubringen. Nach Kap. 13, 55 f. hatte er zu Brüdern die vier: Ja- kobus, Joses, Simon und Juda; außerdem aber auch S ch western, nur ist deren keine beiNamen genannt. Wie steht es nun, waren das leibliche Gefchwister des Errn in sofern, als Joseph und Maria nach seiner eburt auch mit einander Kinder zeugten? Der Wort- laut der Schrift, wie wir zu Katz. 1, 25· gesehen, steht dieser Annahme nicht entgegen; Ja, er sieht sogar wie ein positives Zeugniß gegen die gegentheilige Annahme, als wäre die Ehe der beiden eine bloße Scheinehe ge- wesen, aus. Dennoch hat die Kirche sich nicht zu einer solchen Auffassung verstanden, sondern ist bei dem Satze Augustin’s stehen geblieben: Ob wohl Maria noch ein- mal goboren hat? das sei ferne! Mutter konnte jene Frau sein, aber Eheweib konnte sie nicht fein.« Und in der That: hatte Maria einmal den Gotterzeugten ge- boren, so mußte das Grauen vor dem Wunderbaren, die Scheu vor derjenigen, die unmittelbar von der Kraft des Höchsten berührt worden war, den Joseph für im- mer abhalten, ihr ehelich beizuwohnen; und auch ihr « eigener Organismus, nachdem er zum Blüthenkelch der neuen Menschheit geworden, zum Mutterschooß für die Erscheinnng des ewigen Lebens, war fortan zu stolz und zu sestlich gestimmt, um noch zu Zeugungen für die Sphäre des Alltagslebens und des alten Weltwesens sich herzugebeu. Von diesen Anschauungen aus ist nur die andere Auffassung möglich, daß wir bei den Brü- dern und Schwestern des HErrn lediglich mit Ges chwi- sterkiudern, mit Vettern und Busen zu thun haben; und zwar, um andere Erklärun sweisen, die wenig Wahrscheinlichkeit für stch haben, oFne Weiteres zu über- gehen, wäre dies der Sachverhaln Joseph, der Mann der Maria, hatte einen Bruder an jenem Kleophas in Joh. 19, 25., der mit griechischer Namensform auch Alphäi heißt (Matth. 1(), Z; Mark. B, 18; Luk. s, 15; Apostg. l, 13) und wohl zu unterscheiden ist von einem andern Manne, dessen im Deutschen gleichlautender Name nur eine Zusammenziehung aus dem griech. Kleo- patros ist (Luk.24, 18); derselbe starb frühzeitig, Joseph nahm die Wittwe sammt den Kindern in sein Haus auf, und bildeten nun beide Theile, Joseph mit Maria und Jesus auf der einen, und diese Wittwe des Kleophas mit ihren Söhnen und Töchtern auf der andern Seite, eine einzige Familie. Die Namen der 4 Söhne kennen wir bereits, die der Töchter lassen wir auf sich beruhen, da die Schrift keine Andeutung darüber giebt: wie aber hieß die Mutter, des Kleophas Wittwe? Da geben uns denn die Stellen: Kap. 27, 55 f. ;s Mark. 15, 40 f.; Joh. 19, 25 die nöthige Auskunft, indem sie die eine von den dreien Marien, die unter dem Kreuze Jesu stunden, bald als des Kleophas Weib, bald als die Mutter des Jakobus und Joses bezeichnen; diese Maria heißt nun aber deshalb, weil sie durch die Aufnahme in des Joseph Haus mit diesem zu Einer Familie ver- schmolzen war, bei Johannes die Schwester der Maria, der Mutter des HErriy was denn soviel bedeutet als: die in schwesterlichem Verhältuiß zu ihr stehende Schwä- gerin. Aber auch Joseph, der Pslegevater Jesu und seiner Adoptivgeschwister, muß frühzeitig gestorben sein, da er seit dem 12. Lebensjahr seines Pflegesohues nicht mehr erwähnt wird und dieser dann beim Kreuzestode die Mutter dem Lieblingsjünger (Joh. 19, 26 f.) zur Versorgung tibergiebt. P. Lange sagt: »Jesus wuchs auf in einem merkwürdigen Hanswesem das die Stürme des Lebens, das Noth und Liebe so gebildet hatten. Zwei Schwägerinnen gleiches Namens, zwei Marien waren die Matronen in diesem Kreise; die Kinder des Kleophas aber, mit denen Jesus geschwisterlich zusammen lebte, scheinen dieselbe biedere, verständige und entschlossene Characterart zu offenbaren, welche auch den Joseph auszeichnen, doch große Gemtithsfijlle und Tiefe hatten sie nicht.« Daß nun Jesus in seiner Jugend selber das Handwerk des Pflegevaters betrieben habe, wie die Ueber- lieferung der ersten christlichen Zeit behauptet, findet in Mark. s, 3 seine Bestätigung, wo er selber ein Zimmer- mann genannt wird und nicht blos, wie in Matth.13,55., des Zimmermanns Sohn; Justinus der Märtyrer be- merkt dabei, er habe Pfltige, Joche und Wagschalen ge- inacht, und damit Symbole der Gerechtigkeit dargestellt und ein thätiges Leben gelehrt. Das 3. Kapitel. Christus non Johannes getauft. I. v. 1—l2. (§. 15.) Jllg einerseits Jesus nunmehr sein 30. Lebensjahr erreicht hat und andrerseito für dar voll: Israel niit Beginn eines Sabliathjahreo eine Zeit der Ruhe und der Freiheit von laudmirthschaftlichen Geschäften herlietgeliomniem ist nach Gottes Rath für Johannes den Täufer die reihte Stunde da, sein Werk in Eingriff zu nehmen. Ei: tritt denn in der Wüste des jüdisiheu Eandeo am Jordan mit der Predigt der Buse und mit Johannis des Täufers Yugßptredigt in der Wüste: g 21 der Verständigung der Uähe des Himmelreichs aus, und die Kunde von seiner Erscheinung zieht allentljalben ans den kleineren Orten Indiiabz sowohl, als aug der stimmt— stadt selbsi, Ernte herbei, die suh seiner Taufe unter seltenutniß ihrer Sünden unterwerfen. Jlurh die Phari- säer und Sadduzäer stellen sich liei ihm ein; doch Sto- hanneo kann diese und alle, die ihre ljerzengrichtung theilen, nicht so, wie sce sind, zur Taufe Massen, sondern muß ihnen zuvor mit schneidendey ans den Grund des Herzens; gerichteter Strafpredigt begegnen, unt sie wo möglich zu rechter Erkenntnis ihrer selbst und zu durch— greifender Bekehrung zn erwecken. Mark. I, 1—8; Eule. Z, 1——18.) I. ZU der Zeit [da Jesus noch zu Nazareth in der Verborgenheit lebte Kap. 2, 23., aber nun schon das 30. Jahr seines Alters erreicht hatte Luk. Z, 23* —- nach der genaueren Angabe in Luk. 3, I f. im Herbst des J. 26 n. Chr-E] kam Johannes [des Zacharias und der Elisabeth Sohn Luk. 1, 5 ff. 57 ff» hernachmals unter dem Namen] der Täufer [allgemein bekannt, indem Gottes Befehl an ihn ergiug, daß er jetzt sollte hervortreten vor das Volk Israel Luk. 1, 80], und predigte in der [oberhalb des todten Meeres am Jordan gelegenen] Wüste des jüdischen Landes-sit T. Und sprach [um hier den Inhalt seiner Predigt in eine kurze Summa zusammenzufasseiqz Thut Buße, das Himmelreich kwelches Mose und die Propheten als zukünftig verkündigt haben, das Königreich, welches Gott vom Himmel durch seinen Sohn, der zugleich Davids Sohn ist, unter seinem Volke aufzurichten verheißen und das ein Reich der Heiligkeit und Gerechtigkeit, der Herrlichkeit und Seligkeit sein soll Pf. 85, 9 ff.; Jes. L, 2 ff.; J, 6f.;11, 1 ff; Jer. 23, 5 ff; 31, 31 ff.; 32, 37 fs.; 33, 14 ff.; Hesek. 34, 23 fs.; 37, 24 ff; Dan. L, 44; 7, 14. 27] ist [nunmehr, da die für seine Offenbarung lsestimmte Zeit sich erfüllet hat] nahe herbei tommens kohne Buße und Sinnesänderung aber würdet ihr nicht nur des euch bevorstehenden Heils verlustig gehen, sondern auch noch rößeren Zorn Gottes, als unter welchem ihr bisher Zabt seufzen müssen, auf euch laden] ·) Der Zeitraum zwischen dem, was der Evangelist jetzt erzählt, und dem, was er vorhin gesagt hat, ist zwar kein kurzer, wohl aber tru sich in der ganzen langen Zeit eine wesentliche und gemerkenswerthe Ver- itnderung uicht zu. (Bengel.) Nach den Gefahren und Unruheu seiner ersten Kindheit lebte Jesus nun ruhig und still, unbemerkt und unbekannt zu Nazareth bei sei- ner Mutter Maria und seinem Pflegevater Joseph und deren Kindern (?). So wunderbar, so ausgezeichnet seine Geburt und der Anfang seines Lebens war, so gewöhn- lich, -so von allem Wunder-baten, was die Aufmerksamkeit der Menschen .auf ihn hätte hinleiten können, entledigt war sein nachheriges Leben als Jüngling und als Mann. Der Engel, der seine Geburt verkündigh die Heerschaar der Himmlischety die diese Geburt mit Lob Gottes ge- feiert hatte, beobachtete jetzt über ihn ein tiefes Still- schweigen; aus fernen Ländern kamen keine Weisen ihn anzubeten, es geschah nun seinetwegen keine weitere Nachfrage, keine Verfolgung von der Re ierung und der Priesterschaftz kein Simeon zeugte von ihm als dem Heiland, keine Prophetin redete von ihm als dem Erlöses; Himmel und Erde, Engel und Menschen schienen sich um ihn nicht mehr zu bekümmerm als sie sich um jeden andern Knaben und Jüngling und Mann in Nazareth bekiimmerten. Er selbst that in der ganzen Zeit der 30 Jahre nur einmal, als Knabe, etwas Auffallendes das die Aufmerksamkeit feiner Zeitgenossen und Lands- leute auf ihn richten konnte , und nach dem Rathe des über ihm und über ihnen waltenden Gottes richten sollte; sonst war er wie ein anderer Mensch und ließ sich in seinen Geberden und in seinem Thun und Lassen, soweit es der Ansicht menschlicher Augen blos lag, als ein anderer Mensch ersinden. (Mcukeu.) - its) St. Lukas giebt in der angeführten Stelle an, 1) wer zur Zeit des Auftretens des Johannes die welt- liche Gewalt über Palästina und dessen einzelne Theile hatte: a) in Rom herrschte damals statt des Augustus, unter welchem Christus geboren ist, sein Nachfolger Tiberius (die Zeit feiner Mitregentschaft in Aufchlag gebracht v. 12—37 n. Chr.); b) in Judäa und Sa- Maria, die seit dem J. 6 n. Chr. unter unmittelbarer römischer Herrschaft standen, war Pontius Pilatus Land- pfleger (v. 26——36 n. Chr.); c) in Galiläa und Peräa regierte Herodes Antipas als Vierfürst (v. 4 v. Chr. —— 39 n. Chr.); d) in Jturäa und Tracho- nitis jenseit des Sees Genezareth war dessen Bruder Philippus Vierfürst (v. 4 v. Chr. -— 34 n. Chr) Außerdem nimmt der Evangelist noch e) Rücksicht auf das Fürstenthum Abilene im Norden von Jturäa und Trachonitis das zu der Zeit, in welcher er sein Evan- gelium schrieb, mit zum jtidischen Reiche gehörte (Kap. Z, 20 Anm.) , damals aber, als Johannes der Täufer austrat, seinen eigenen Fürsten an einem gewissen Lhsa- nias hatte. Weiter berichtet St. Lukas, 2) welches die geiftliche Obrigkeit des Landes gewesen sei; nämlich: a) der Vorsitzende im Hohenrath war Hannas, der von 7—14 n. Chr. das Hohepriesteramt bekleidet hatte, b) der gegenwärtige Jnhaber des Hohepriesterthums dagegen war dessen Schwiegersohn Caiphas (v. 17—36 n. Chr.), beide zu der Sekte der weltlich gesinnten, in Sitte und Denkart den heidnischen Vtachthabern zuge- neigten Sadduzäer gehörend. Nun wird gleich zuerst der Termin des Auftretens Johanuis noch bestimmter als das 15.Jahr des Kaiserthums des Kaisers Tiberius bezeichnet; das ist das J. 26 n.Chr., das- selbe, in welchem Pontius Pilatus sein Amt als Land- pfleger antrat, um es bis zu demselben Jahre zu ver- walten, in welchem auch Caiphas vom Hohepriesterthum abtreten mußte. Es war aber dies J. 26 u. Chr» wie wir zu 1. Matt. 6, 54 gesehen haben, von seinem letzten Vierteljahr, dem Monat Tisri Oktober) an bis zum Herbst des folgenden Jahres ein Sabbathjahr, und als solches ganz geeignet für die Wirksamkeit des Täufers; und wieleicht ist es nun möglich, daß das Jahr vom Herbst 27 bis dahin 28, in dessen zweiter Hälfte Jesus seine Wirksamkeit in Galiläa eröffnete (Kap. 4, 12 ff.), ein JUbel- oder Erlaßjahr gewesen, da ein solches alle- mal als das 50. Jahr auf die 7 X 7 Jahre einer Sabbathjahr-Periode folgte (3. Mos. 25, 8 ff.). Ein Jubel- oder Erlaßjahr aber muß das Jahr jener Wirk- samkeit Christi gewesen sein, weil erst so sein Wort in Luk. 4, 21 (vgl. V. 19 mit Jef. 60, ·2) die rechte Unter- lage in den gefchichtlichen Zeitumständen bekommt; denn hat die Stiftung des Erlaßjahres gleich von vornherein hauptsächlich darauf gezielt, die messianische Heilszeit oder die Wiederherstellung alles dessen, was durch die Sünde im Laufe der Zeit verdorben, die Aufhebung aller Knechtschaft durch den Erlöser und die Aufrichtung der wahren Freiheit der Kinder Gottes vorzubilden und als göttliche Verheißung für die Zukunft im Bewußtsein 22 Evangelium Matthäi Z, 3——7. des Volkes lebendig zu erhalten, so konnte der Anfang snit der Erfüllung dieser Berheißung nur in einem Er- laßjahre gemacht werden, Und wie wenig auch die das Jubeljahr speziell betreffenden Gesetze nach dem Exil wieder aufgenommen wurden, so wirkte doch die Jubel- ordnung in einzelnen Bestimmungen des bürgerlichen Rechts noch immer nach und blieb in lebendi em An- denken. Wir werden freilich zu Kap. 4, 17 sehen, daß das ,,angenehme Jahr des HErrn«, das Christus seinem Volke in Wirklichkeit brachte, noch einen weit größeren Zeitumfang hatte, als den eines eigentlichen Jahres, und nach einer bestimmten prophetischen Weissagung sich bemaß; indessen bleibt es doch von Wichtigkeit, daß ein Theil dieser Zeit, und zwar ein characteristisch hervor- tretender Theil ff. §. 23—41 unsrer Evangelien-Har- monie), in der That den Umfang eines Gnaden- oder Falljahres ausfällt. — IN) Mit diesem Ausdruck ist ier der südliche Theil des unfruchtbaren Gebirges be- zeichnet, welches den Jordan entlang aus der Westseite desselben von der Gegend von Scythopolis oder Beth- sean bis Jericho, und dann von Jericho bis an das Ende des todten Meeres reicht (Jos.3, 1; 16, 7 Anm.); es ist also die nämliche Wüste gemeint, von der auch in 2. Sam. 15, Es; 16, 14 die Rede ist. Jn dieser unteren Jordangegend am Nordende des todten Meeres, und zwar an den Furten des Stromes (Jos. 2, 7 Anm.) trat Johannes zuerst predigend und tausend auf; dabei ist jedoch in Beziehung auf beide Thätigkeiten ein Unter- schied in der Zeit zu machen. Jn der letzten Hälfte des Oktober oder im Anfang des November fangen die Herbstregen (in der Bibel der Frühregen genannt) an, nicht plötzlich, sondern nach und nach, und fallen dann während der Monate November und Dezember meist in starken Güssen; später kehrt er nur nach längeren Zwi- schenräumen zurück und fällt weniger stark. Aber auch in der Hauptregenzeit bringen die Südwestwinde wieder so n1ilde Tage, daß die Zeit um Weihnachten öfters zu den lieblichsten Zeiten des ganzen Jahres gehört; gegen die Mitte des Januardagegen fängt es an, anhaltender kalt zu werden, und sel st im Februar gefriert es zu- weilen. Hiernach dürften die ersten Monate der Thätigs keit des Johannes zunächst durch die Predigt der Buße und die Verkündigung der Nähe des Himmelreichs in Anspruch genommen gewesen sein, ohne daß er stir’s Erste schon taufte; um die Weihnachtszeit konnte er aber dann auch mit der Taufe vorgehen, und noch in den ersten Tagen des Januar, wie wir zu V. 13 sehen werden, stellte sich auch Jesus bei ihm ein — die klima- tischen Verhältnisse Palästinas gestatten sehr wohl diese Annahme. —- f-) Wenn Josephus in seinem Vericht vom Johannes (Antt-. XVIII, 5. Es) sagt: ,,Herodes hatte den Johannes, welcher den Beinamen der Täufer führte, hinrichten lassen —- einen guten Mann, welcher die Juden aufgefordert hatte, der Tugend sich befleißi- gend, gerecht unter einander und gottesfürchtig lebend, seiner Taufe sich zu unterziehen; denn nur dann, sagte er, würde ihre Taufe Gott wohlgefällig sein, wenn sie dieselbe nicht blos brauchten, um damit Vergebung ein- zelner Vergehungen zu erlangen, sondern damit zwar ålieinhaltungdes Leibes bezweckten, aber nur insofern sie zuvor auch die Seele durch Gerechtigkeit« gereinigt hätten« — und darin keine ansdrückliche Hinweisung auf den Messias sich findet, so liegt dieselbe Ursach zu Grunde, wie beim Schweigen über den bethlehemitischen Kinder- Mord (V. 16 Ann1.), nämlich die Rücksicht aus die Römer; dazu kommt aber noch seine eigene Unempsäng- lichkeit für das höhere Wesen des Christenthums S. Und er [dieser Johannes, der mit solcher Predigt seine Wirksamkeit jetzt eröffnete] ist [in dem Leben Jesu, das wir hier vor uns haben, auch keine zufällige oder eigenmächtige Erscheinung, sondern abermal die Erfüllung einer alttestamentlichen Weis- sagungz er ist nämlich] der, von dem der Propbet Jesajas kikk Kqp. 40, 3 seines Buchsq gesagt hat und gesprochen: Es ist släßt sich hören] eine Stimme eines Predigers in der Wüste sdie da ruft]: Be- reitet dem HErrn den Weg und machet richtig [eben und gerade oder so, wie sichs gehört] feine Steige [damit er zu seinem Volke kommen und aus der Gefangenschaft, darin dasselbe sich befindet, es her- ausführen kann]. 4. Er aber, Johannes [der dieses Wort der Weissagung zu erfiillen berufen war], hatte [um nicht blos mit Worten, sondern auch durch seine ganze äußere Erscheinung zur Buße und Weitem- sagung aufzufordern] ein Kleid von Kameelhaaren fein häreiies , ans grobem Stoff gefertigtes Ober- kleid] und fganz dem Kosiüm des Propheten Elias L. Kön. I, 8 entsprechend] eitlen ledernen Gürtel um seine Lenden [der den sackähnlichen Propheten- mantel zusammenhielt]; seine Speise aber [damit außer dieser Kleidung auch die übrige Lebensweise Buße und Entsagung predigeJ war Heuschrecken [wie arme Leute sie aßen 3. Mof. 11, 22 Anm.] und wilder Honig swie er in den Wüsten des Morgen- landes aus Felsenritzen hervorfließt Nicht. 14, 8Anm.]. Der Gegensatz, in welchem Johannes, der strenge Bußprediger, steht zu Christo, dem leutseligen Prediger des Himmelreichs, tritt uns unter den alttestamentlichen Propheten schon vor Augen in seinem Vorspiel, dem Gegensatz nämlich des Elias und Elisa. Elias vollbringt größtentheils G e r i ch ts Wunder, und die Conseqnenz seines gesetzlichen Strasamts wäre das Feuergerichtz das Welt- ende, daher wird er im Feuer der Erde entrückt; Elisa vollbringt größtentheils Rettungswunder und bereitet so auf die messianischen Propheten vor. Jener Wende- punkt in dem Doppelbilde des Elias und Elisa war ein Vorzeichen, das in dem großen Wendepunkte der alten und neuen Zeit, der Doppelerscheinung des Täufers und des Christus seine Erfüllung findet. (P. Lange.) 5. Da [als so zum ersten Mal wieder nach so langer Zeit Nehem. is, 6 Anm. 1 ein Prophet in Jsrael aufstund, und zwar ein Prophet in so auffälliger Erscheinung und mit so wundersamer Predigt] ging zu ihm [in die Wüste am Jordan] hinaus« die Stadt Jerusalem und das ganze jüdische Land und alle Länder am Jordan [die Bewohner: schaft von Jerusalem und der Landschaft Judäa, sowie die der ganzen Umgegend zu beiden Seiten des Jordan], 6. Und ließen fzur Versiegelung ihres Antheils an dem, als nahe bevorstehend angekündigten Himmel: reich V. 21 sich taufen« von ihm im Jordan, und bekannten [zu der von ihm geforderten Buße sich verstehend] ihre« Sünden [womit sie, ein jeder für sein Theil und nach seinem besonderen Stand und Beruf, Gottes Gebot übertreten und den Bund mit ihm gebrochen hätten] Viele aus allen Gegenden des Landes kommen zu Johannes und begehren die Taufe. 23 V) Wenn Lukas (3, Z) sagt: »Johannes kam in alle Gegend um den Jordan«, so faßt er die Schauplätze der ganzen, auch späteren Thätigkeit des Täufers zusam- men; wenn aber nach unsrer Stelle und nach Mark. l, 5 ganz Judäa und Jerusalem hinaus strömte, so hat Johannes der Täufer seine Thätigkeit jedenfalls am Stidende des Jordanlaufes begonnen. Was nun seine spätere Thätigkeit betrifft, so war sein·Aufenthalt nach Jesu Taufe (V. 13 fs.) Bethabara, östlicls vom·Jordan (Joh. 1, 28); da von da bis Cana in Galiläa nur 272 Tagereisen waren (Joh. I, 44 u. L, 1), so muß Bethabara nördlicher, wahrscheinlich an der Furt der von Sichem nach Ramoth-Gilead führenden Straße (320 6« nördl. Br.) gelegen haben, und war ohne Zweifel einerlei mit dem in Richt. 7, 24 erwähnten Bethbara, wo den Midianitern die Rückkehr in ihr Land abgeschnitten wurde. Wiederum später, nämlich nach dem Osterfest (Joh. 2, 13 — Z, 24) finden wir den Täufer zu Enon, nahe bei Salim (320 24t n. Br.): so ist er in der That in ,,alle Gegend um den Jordan« gekommen. (Ebrard.) Sehr nahe liegt die Vermuthung, daß Johannes unmittelbar vor dem Laubhüttenfefh wel- ches immer in die Zeit zwischen Ende September und Mitte Oktober fällt, in der Einöde am untern Jordan zuerst angefangen habe, von der Nähe des Himmelreichs zu predigen und zur bußfertigen Annahme der Taufe aufzufordern. Durch jene Gegend führte der Weg nach Jerusalem, welchen sowohl die peräischen als die gali- läischen Festpilgey wenn letztere die ihnen unangeuehme Reise durch Samaria vermeiden wollten, ziehen mußten; da konnten sie nun leicht in der Hauptstadt, wo die Menge des jüdischen Volks sich versammelte, sowie aus ihrer Heimreise den Ruf des eben aufgestandenen Pre- digers in der Wüste verbreiten, so daß gar bald die im J. 26 n. Chr. als in einem Sabbathjahr durch Feld- arbeit nicht in Anspruch genommenen Leute von allen Seiten zu der merkwürdigen Erscheinung hineilten. (Lichtenste1n.) — Die Taufe des Johannes ist mit Unrecht als modisicirte (nach den Umständen näher bestimmte) Anwendung der jiidischen Proselytentaufe an- gesehen worden; denn diese ist erst nach der Zerstörung Jerusalems aufgekommen, während die Aufnahme der Proselyten (3. Mos. 17, 9 Anm.), solange der Tempel stand, durch Beschneidung und Darbringung eines Opfers geschah, welchem letzteren, wie jedem Opfer, eine Lustw- tion (seierliche Waschun ), die der Proselyt an sich selbst verrichtete, als levitis e Reinigung voranging. Nicht aber blos an dieser Lustration, sondern überhaupt an den religiösen Waschungsgebräuchen der Juden und deren symbolischer Bedeutun (3. Mos. 14, 7; 4. M. 31, 19 ss.; Z. Kön. 5, 10) at die Johannestaufe ihren allgemeinen volksgeschichtlichen Ankniipfungspunkh obwohl sie in ihrer Eigenthümlichkeit, eben als Taufe (Hebr. 9, 10 Anm.) und unter Ablegung des Sitndenbe- kenntnis es, nur als etwas völlig Neues, unter der Leitung u d Erregung der göttlichen Offenbarung, deren Träger Johannes für seinen großen Beruf war, dieser Anbruchszeit des Mesfiasreichs wie schöpferisch Gegebenes erscheint. Altheilige prophetische Bilder und Andeutungen, wie Jes. 1, IS; 4, 47 44, s; Hesek. 86, 24 sf.; Sach. 13, 1., konnten dabei in der Seele diese; letzten Pro- pheten zur weiterführenden Entwickelung dienen. (Meher.) Jndem Johannes, im Anschlusse an solche Stellen, mit Wasser taufte, behielt er jedoch die in Hesek 36 verhei- ßene Geistestaufe ausdrticklich dem Messias vor (V.11); auch insofern Jesus während seiner irdischen Wirksamkeit durch seine Jünger taufen ließ (Joh. Z, 26), konnte diese nicht über den vorbereitenden Character der Johannes- taufe hinausgehen, wohl aber ist der letzte Zweck der von Christo nach seiner Auferstehung gestisteten Taufe (Kap.28, 18 sf.; Mark. 16, 16) die schon von Johannes verkündigte Geistestaufe, daher auch sämmtliche Berichte der Apostelgeschichte (vgl. z. B. Apostg. 2, 38) die Gei- stesmittheilung mit der christlichen Taufe iu die engste Verbindung setzen. (Steitz.) Kein Sacrament im kirch- lichen Sinne, und also unvermögend, den Empfänglichen die thatsächliche Mittheilung des nur erst noch verheiße- nen Heils zu vermitteln, war die Johannestaufe nichts desto weniger als Veranstaltung für alles Volk die un- endlich kühne Erklärung des allgemeinen Abfalls vom Gottesgrund des wahren Jsraelitenthums (Joh. 1, 25), als Akt der Einzelnen, vermöge dessen sie sich ihr unter- zogen, das feierliche Eingeständniß ihrer persönlichen Verschuldung, und als Handlung des Täufers der sym- bolische Vollzug der erforderlichen Reinigung zum Ein- tritt in das La er der Erwartenden und zur Erwartung Berechtigten ( üder.) Die Form dieser Taufe bestand nicht blos in einer Lustration oder Waschung, und war folglich nicht blos Sinnbild einer Reinigung; sondern sie bestand in einer Untertauchung oder Versenkung, und war Sinnbild des Untergangs und Todes des alten Men- schen und des Hervorgehens eines neuen Menschen. Und nun war die Johanneische Taufe der christlichen höchst wahrscheinlich nicht nur darin ähnlich, daß in ihr der Tausende die Untertauchung an dem Täufling vollzog, wodurch sie wesentlich von allen Lustrationen sich unter- schied; sondern daß auch eine Formel (etwa die: ,,ich taufe dich auf den Kommenden« Apostg 19, 3 f.) beim Untertauchen gesprochen ward. Der Unterschied zwischen der Johannistaufe und der christlichen Taufe dagegen stellt sich so: Jn der Johannistaufe hieß es: ,,wie du jetzt versenkt wirst, so hast du verdient, unterzugehen im Tode, und wie du jetzt emportauchst, so solltest du als ein neuer Mensch auferstehn;« in der christlichen Taufe dagegen heißt es: ,,wie du jetzt versenkt wirst, so bist du jetzt in den stellvertretenden Tod Christi begra- ben, und wie du jetzt emportauchst, so bist du nun zu einem neuen Menschen wiedergeboren. (Olshausen u. Ebrard.) 7. Als er nun [unter denen, die massenhaft zu ihm hinausströmtem auch] viel Pharisäer und Saddueäer [s. Schlußbenu zu l. Lijiaæ Nr. 4, c] sahe zu seiner Taufe kommen kund wohl wußte, das; diese von Siindenerkenntniß und Buße nichts mitbrachten, erstere vielmehr, in stolzer Selbstge- rechtigkeit sich für die Nächstberechtigten zum Him- melreich haltend, sich nur herzudrängtem um ihre vermeintlichen Ansprüche geltend zu machen, letztere hingegen bei ihrem grundsätzlichen Unglauben der allgemeinen Bewegung sich nur anschlofsen, um nicht alles Ansehen beim Volk, das ohnedies gering war, an ihre Nebenbuhler, die Pharisäer, zu verlieren], sprach er ssie für jetzt von der Taufe, die ja auch die Verheißung der Vergebung der Sünden in sich schloß Mark. 1, 4., noch ausschließend] zu ihnen: Ihr Otterugeziichte lMenschen voll Bosheit und Hinterlist Kap. 12, 34; 23, 33; Jes. 14, 2»9; 59«, 5; Pf. 58, 5], wer hat denn euch geweiset [zu der thörichten Einbildung, mit der ihr euch tragt, irgendwie eine Berechtigung gegeben], daß ihr [so, wie ihr jetzt beschaffen seid] dem künftigen Zorn [dem, dem Anbruch des Reiches Gottes vorange- henden Gericht über die Gottlosen und Frevler Mal. 3, 1 ff] entrinnen werdet kund also keine Ver- 24 Evangelium Matthäi Z, 8—13. anlassung hättet, Buße zu thun und euren Sinn zu ändern]? 8. Sehet [vieltnehr] zu sdaß ihr nicht am allerersten und allerschwersten diesem Zorn oerfallet, und] thut [damit ihr ihm wirklich entrinnen möget] rkchtschaffcltc Früchte der Vllßc sthut von Grund eures Herzens Buße und beweiset eure völlige Sinnesänderung durch einen Dienst Gottes in Heiligkeit und Gerechtigkeit, die ihm gefällig ist Luk. I, 74 f.; Apostg 26, 20]. 9. Denket nur nicht, das; ihr [solchen meinen Warnungen und Ermahnungen gegenüber auch fer- ner, wie ihr bisher gethan] bei euch wollt sagen: Wir haben Abraham zum Vater [darum muß uns das Himmelreich zu Theil werden; denn dem Samen Abrahams ist es ja verheißen Joh. 8, 33. 39]. Ich sage euch: Gott sist mit seiner Berheißung ganz und gar nicht an das bloße Jsrael nach dem Fleisch gebunden, daß er unter jeder Bedingung dasselbe seines Reichstheilhaftig machen müßte, weil er sonst keine Bürger dafür hätte; er] vermag [wenn Abra- hams Kinder nach dem Fleisch sich gegen ihn ver: stocken, und er nun sie verwerfen muß] dem Abra- ham ans diesen Steinen [die hier am Ufer des Jordan. herum liegen] Kinder zu erwecken kwie e: ja einst aus dem schon erstorbenen Leibe der Sarah Röm 4, 19 in Jsaak ihm Samen erweckt und also schon mit eurer eigenen Erwählung feine freie, allmächtig schaffende Gnade genugsam bewiesen hat Jes. 51, 1 f.]. 10. sEure Erwählung kann aber auch eure Verwerfung zur Kehrseite haben, ja wird sie binnen kurzer Zeit zur Folge haben, wenn ihr so bleibt, wie ihr jetzt seid]. Es ist schon die Axt den Bäumen [von eurer Art und Beschaffenheit, die innerlich faul sind und äußerlich arge Friichte bringen Kap. 7, 17 ff] an die Wurzel gelegt kund wartet gleichsam auf den Wink, wo sie einschlagen soll]; darum, welcher Baum, nicht Uetzt noch, da es schon die letzte Stunde ist l. Joh. 2, 18., sich verändert durch Verneuerung seines Sinnes und in Kraft solcher Umwandlung seines innersten Wesens] gute Früchte bringet, wird abgehauen und in’s Feuer geworfen [daß er da verbrenne und verderbe] 11. Ich [freilich kann eine Umwandlung eurer jetzigen Natur, eine völlige Wiedergeburt, wie sie euch noth thut, nicht bewirken und also auch die Kraft, gute Früchte zu bringen, euch nicht mit meiner Taufe verleihen: ich] taufe euch mit Wasser zur Buße [die Taufe, zu der ich euch fordere, ist ein bloßes Zeichen und Sinnbild, daß die Buße nun da sei, die bei euch zu erwecken ich von Gott gesendet bin]; der aber nach mir ldicht hinter mir, seinem Vorläufer, drein-J kommt, ist stärker denn ich fund im Vergleich zu mir ein Herr], dem ich auch nicht genugsam bin, [den geringsten Sklaven- dienst zu erzeigen und etwa] seine Schuhe zu tragen [vgl. Mark. I, 7; Luk. 3, 16]; der [wenn er nun da ist und sein Heilswerk vollbringt] wird [zu eurer Erneuerung und Heiligung] euch mit dem heiligen Geist nnd mit Feuer svom Himmel] taufen stvelches alles Unreine am Menschen verzehrt und ihn selber in’s höhere Leben verklärt] 12. Und sgleichwie dieser das Heil wirklich bringt, das ich nur als nahe bevorstehend zu oerkündigett habe, so ist er auch andretseits der, der das Gericht vollzieht, vor dem ich euch so gerne bewahren möchie:] er hat feinem Landmanne gleich, der den Ausdrusch bereits vollbracht5.Mos. 25, 4; Rath 3, 4 Auen] seine Worfschaufel in der Hand; er wird sinit Hilfe derselben] seine Tenue [deren Ausgangspunkt Judäa, und deren schließliche Ausdehnung der ganze Erdkreis ist] fegen fKorn und Spreu, die noch in ungeschiedener Mischung auf der Tenne daliegen, von einander sondern] und den Weizen in seine Scheune sammeln, aber die Spreu wird er verbrennen mit ewigem [genauer: unauslöschlichcm] Feuer [so daß es mit euch geht— entweder in die ewige Scheuer oder in’s ewige Feuer]. Wenn Lukas (3, 7 ff.) die Strafpredigt des Johan- nes nicht speziell an die Pharisäer und Sadduzäey son- dern an die zu seiner Taufe kommenden Volkshaufen gerichtet sein läßt, so hat dies darin seinen Grund, daß l) die Pharisäer und Sadduzäer nicht zwei aus dem übrigen Volk ausgeschiedene und für sich bestehende Sekten bildeten, sondern mitten im Volke lebten und also ihre Schaaren ganz fliglich auch als Volkshaufen bezeichnet werden konnten, und daß 2) zu damaliger Zeit das ganze Volk in jene beiden Richtungen gespal- ten (vgl. Apostg.23, 6), und wenn auch nicht durchweg entweder zu der einen oder zu der andern Partei ge- hörig, doch von dem unseligen Sauerteig theils der Pharisäer, theils der Sadduzäer (Kap. 16, 6. l2) an- gesteckt war; die diesen im Besonderen geltende Straf- predigt traf also das Volk in Masse überhaupt, und nur ein geringes Häuflein derer blieb übrig, welche, keiner der beiden fittlich-unwahren Richtungen zugethary das Heil Jsraels in redlicher Gesinnung erwarteten. An das Volk in diesem letzteren Sinne des Worts wen- det sich denn Johannes in Luk. Z, 10 ff. Die Phari- säer in ihrer damaligen Befchaffenheit waren der leben- dige Ausdruck des äußerlichen, traditionellen, satzungs- mäßigen Judenthums; ihre Absonderung, davon ie den Namen führten, galt den Heiden, Samariterm Zollnern und Sündern, die sie vom Himmelreich und darnm auch von aller Gemeinschaft mit ihnen, den vermeintlich vornehmsten Genossen desselben, ausschlossem und drückte fich aus in der Beobachtung der Meidungs- und Reini- gungsgesetze nach den strengsten Vorschriften des in der Satzung verendlichteiy mißdeuteten Gesetzes , ihr Cert- moniell aber, d. i. den Inbegriff ihrer religiösen Ge- bräuche, werden wir im weiteren Berlaufe unsrer Be- trachtungen näher kennen lernen. Die S adduz ä er lassen im Gegensatz zu jenen, den Repräsentanten des heuchs lerifchen Aber laubens, als die Repräsentanten des fleisch- lichen Unglau ens fich bezeichnen und stellten in Gesin- nung und Lebensweise die reine Weltlichkeit dar, die in« deß nicht selten mit einem gewissen Grad von Gutmü- thigkeit verbunden erscheint; indem sie die Entwickelung der alttestamentlichen Offenbarung, welche die Pharisäer mit ihren Satzungen und Observanzen nach Art des Kathokicismus überwucherten, sogleich hinter den An- fängen derselben, den 5 Btichern Mose, abschnitten und nicht nur die Satzungen der Tradition, sondern auch die Johannis Strafpredigt an die Pharisäer und Sadduzäeu Hinweisung auf Christum. 25 Auctorittit der über das Gesetz hinausgehenden prophe- tischen Schriften bestritten, verflachten sie deii mosaischen Glauben zur rationalistischmiosaischen Gesetzes-gerechtigkeit. Neben diesen beiden Verderbnissem die nach der einen Seite als Vermehrung, nach der andern als Verminde- rung der Offenbarung sich characteristrem war allcrdings noch eine dritte möglich, nämlich die Veränderung der Offenbarung; sie stellte sich dar in dem System der Essäer (Schlußbem. zu « l. Macc. Nr. 4, o Zusatz), welche ihre Heiligkeit darin suchten, daß sie die geistigen Elemente der Theokratie aus ihrem Zusammenhang rissen und dieselben, mit heidnischen Ansichten vermengt, in einem unhistorischen, möglichst unleiblichen, geweihten Leben ausprägen wollten. Sie lebten in einer freiwilligen Excommunicatiom die sie durch ein begütigendes Ver- halten gegen das Volksheiligthum zu beschönigen suchten. Es ist ganz dem Character dieser Sekten gemäß, be- merkt Pet. Lange, dem wir auch sonst Manches für unsre Auseinandersetzungeu entlehnt haben, daß die Pharisäer vorzüglich die Kreuzigung Christi betrieben, daß die Sadduzäer die Verkündigung seiner Auferste- hung zu unterdrücken suchten, während die Efsäer dem Schauplatz und den Ereignissen des Lebens Jesu so fern blieben, als wären sie nicht dagewesen, und auch über die einmalige Taufe des Johannes mochten sie um ihrer religiösen Waschungen willen, die sie als tägliche Satzung beobachteten, sich weit erhaben dünken. Wir glauben nicht fehlgegriffen zu haben, wenn wir Vers 7 dahin erklärten, daß Johannes die Pharisäer und Sadduzäer und Jhresgleichen für’s Erste zu seiner Taufe nicht zuließ; vielleicht stnd seine so scharsen Worte dadurch veranlaßt, daß sie des Bekenntnisses der Sün- den, dem die andern Täuflinge sich willig unterzogen (V. 6), ihrerseits überhoben sein wollten; die einen hielten sich für zu gut dazu, die andern für zu vornehm, und so wollten beide dem gemeinen Volk nicht gleichge- stellt sein. Johannes konnte da nur mit scharfem Messer in das faule Fleisch fchneiden; doch die Patienten wollten sich nicht schneiden lassen, das Herbeiströmen dieser Parteien und ihres Gelichters gerieth sehr bald wieder in’s Stocken und hörte zuletzt ganz auf, daher die Stelle Luk. 7, 80 nicht mit der vorliegenden in Widerspruch steht, wenn es dort heißt, die Pharisäer und Schriftgelehrten hätten Gottes Rath wider sich selbst verachtet und sich nicht von Johannes taufen lassen. II— V· 13—17. s(§. 16.) hatte im vorigen Abschnitt Je— hannegdie Pharisäer und Saddtizäer von seiner Taufe abgerochen weil diese in nnbnstsertiger Gesinnung kainen und sie also zu schlecht dazu waren, so kommt ihm jetzt ein Minfling unter die Hand, bei wetehem das Gegen- theil gilt, den er für der Bube nicht bedijrflig und so- mit fiir zu gut erkennt, als daß er ihn zu taufen ver- möchtn eo ist derselbe, auf den er vorhin als den Täufer mit dem heil. Geist und mit Feuer hingewiesen und in Beziehung ans welchen er erklärt hat, er seithin auch nirht genug am, seine Srhuhe zu tragen. Kber dieser Jesus von azareth, das gerade widerspiel der hosfärligen Pharisäer und der weltförmigen Saddnzäek die unge- tauft von dannen gegangen, weil sie nirht Buße thun nnd der Welt entsagen wollten, beharrt dabei, als der stärker: unter den schwächeren sieh zu deniiilhigen und, der eigenen Reinheit nnd Heiligkeit vergessend, der Wassertaufe seines sündigen Volkes sitt) zu unterziehen. Da hebt ihn denn, alg nun die Wassertaufe vor sieh geht, der Vater im Himmel aus der Gemeinschaft der Sünder: in die Gemeinschaft der Dreifaltigkeil empor, vollzieht unter einem sinnbildlichen wahrzeirtsen die Gei- Ieetanfe kostbar an ihm nud setzt ihn in sein messlanistheg Leut ein. Akkord. l, 9-—11; kalt. Z, 21 n. 22.) Evangelium am Fest der Taufe Christi) Die orientalische Kirche, wie schon in der Vorbemer- kung zu Kap. 2, I ff. angegeben wurde, begiug den Tag am 6. Januar, und wurde an diesem Tage auch im Abendlaude die Beziehung auf Christi Taufe festgehalten (vgl. Was fltrcht’st du, Feind Herodes, sehr &c. V. 3). Die lutherische Kirche nun, in dem gerechten Wunsche, für das ihr so theure Sacrament der heil. Taufe einen besonderen Tag für die Predigt desselben zu haben, stellte dafür die nicht im Alterthum vorkommenden Peri- kopen: Matth. Z, 13 —- l7 u. Tit. 3, 4 — 7 auf; nun aber bestimmen die alten Kirchenordnungen verschiedene Tage für die Predigt über des HErrn und unsre Taufe, bald den Tag Johannis des Täufers, bald den Sonn- tag nach Nenjahy bald auch den Sonntag Quinquagesimä oder Estomihi, und zwar hatte man bei letzterer Be- stimmung die besondere Absicht, der aus dem Mittel- alter herstammenden Volkssitte, die ersten Tage der auf Estomihi folgenden Woche und namentlich den Fastnacht-Z- Dienstag in Lnstbarkeit zu verbringen, entgegenzuwirken Luther wünschte den Trinitatissonntag für vorlieg. Evg. 13. ZU der Zeit lals Johannes in der vor- hin beschriebeiien Weise die Nähe des Himmelreichs oerklindigte und die Leute durch Predigt der Buße und Einladung zur Taufe für dasselbe vorbereitete’] kam Jesus aus Galilåa snnd zwar näher aus der Stadt Nazareth. wo er bisher in der Stille und Unschcinbarkeit des Elternhaitses gelebl" Mark. 1 , 9] an den Jordan zu Iohaniih daß· er sich sebcnfallG wie Andere das thaten] von ihm taufen lteßeMk [nach unsrer Berechnung am S. Januar des J. 27 n. Chr.]. V) Nachdem Johannes seine Bußpredigt in der Wüste begonnen und damit Eingang gefunden hatte, be- ab er sich an den Jordan, um die durch die Wüste Ge- ommenen durch die Taufe symbolisch einzulassen in das heil. Land. (Nebe.) —— IV) Als 12jährigen Knaben haben wir unsern Heiland in dem Co. Luk. 2 , 41 —- 52 ver- lassen, wie er mit seinen Eltern von Jerusalem heim- kehrte nach Nazareth und die Thür der Zimmermann-S- hütte sich hinter ihn schloß: als 30jährigen Mann, voll- gewachsen in der Kraft Gottes und reif, das Kreuz des Welterlösers auf seine Schultern zu nehmen, tritt er uns hier wieder entgegen. Wie oft ein Bächlein in seinem Lauf in tiefer Waldesfiusterniß oder in dunker Felsen- klnft sich verliert, jedem Menschenaug verborgen, und weit landabwärts kommt es plötzlich wieder an’s Licht, aber nicht mehr als das schwache Bächlein, sondern als ein starker, prächtiger Fluß, so verliert sich das Leben unsers Heilandes dieser Quell der Gnade, dieser lautere Strom der Heiligkeit, auf 18 Jahre in die stille Ver- borgenheit des väterlichen Fauses zu Nazareth, um erst mit dem 30. Jahre wieder ervorzutreten in voller Kraft, als ein mächtiger Paradiesesfluß, stark· genug, um nun die Lasten· seines Amts zu tragen, wie ein schisfbarer Strom seine schweren Schiffslasten trägt, und reich ge- nug, um nun mit seinen Gnadenfluthen und Segens- strömen die ganze Welt zu speisen. (Gerok.) XIV) Die Kunde, daß ein Mann in Jsrael erschienen sei, welcher die Nähe des immelreichs weissage und auch dessen Offenbarung mit Wort und sinnbildlicher Handlung vorbereite, mußte Jesu als das erste Zeichen seines Vaters für ihn erscheinen, aus der stillen urück- gezogenheih in welcher er bisher gelebt, in die effent- lichkeit hervorzutreten Aber, Jesus scheint erst, nachdem ein großer, vielleicht der großte Theil des Volkes bereits sich hatte taufen lassen, auch an den Jordan gekommen 26 Evangelium Matthäi 3, 14. 15. zu sein; denn Johannes hat jedenfalls erst eine Zeit lang gewirkt, im Allgemeinen von der Nähe des Him- melreichs gepredigt und das Volk aufgefordert, die Taufe zur Buße an sich vollziehen zu lassen, ehe er mit bestimmten Worten auf den nahen Offenbarer des himm- lischeu Wesens selbst, auf den Täufer mit Feggispund heil. Geist, den Christ des HErrn hingewiesen. So wird denn Jesus dieser vorbereitenden Wirksamkeit Johannis eine Zeit« lang freien Raum gewährt haben, ehe er selbst hervortrat, sein Verufslebeii zu beginnen. (Lichtenstein.) Ganz irreleitend ist die Vorstellung, als sei Jesus in Folge eines genau berechneten und sorgsam entworfenen Plans öffentlich aufgetreten. Sein inneres Leben horchte nur auf die Winke seines himmlischen Vaters; was er ihn thun sah , das that auch der Sohn. Freilich war damit das klarste Bewußtsein über das, was er that, verbunden; aber jede Berechnung und menschliche Plan- macherei ist als ausgeschlossen zu denken, weil sie die unmittelbare Lebenseinheit Christi mit Gott beeinträchtigt. (Olshausen.) Nebensteh ende Abbildung zeigt die Tausstätte Der Max· Yuiiannei unterhalb der Mündung des Wad Kelt in den Jordan (1. Kön 17, 3 Anm. 2), eine klein Strecke nördlich Von der Furt Helu(Jos.3,1"iAnm.). »Der Strom machthier einenVug; schon von ferne erräth man seinen Lauf in der Tiefe, in- dem er von Biischen umschat- tet wie eine grüne Schlange sich die Ebene hinabwälzt; . Bäume und Gesträuche win-I drücklich; »ich kannte ihn nicht« — wie ist das zu verstehen? Man nimmt vielfach an, bei dem Verwandt- schaftsverhältniß und den gegenseitigen Beziehungen der beiden Familien, denen Jesus und Johannes augehörten, fand gewiß auch früher schon eine persönliche Be- kanntschaft zwischen ihnen statt; Johannes trug einen tiefen Eindruck von der heiligen Unschuld Jesu in seinem Herzen und hatte privatim oder für sich selbst die Ueber- zeugung, derselbe sei Gottes Sohn und der Heiland Jsraels, zumal seine Eltern nicht werden versäumt haben, ihm mitzutheilen, was ihnen selber durch gött- liche Erleuchtung bekannt geworden war (Luk. 1, 4l ff; 76 ff.). Solche Privatüberzeiigung reichte aber für Johannes nicht mehr aus, als nun die Zeit gekommen war, wo er Andere aus Jesuin hinweisen und ihnen bezeugen sollte: ,,Dieser ist’s, der mit dem heil. Geiste taufet; er ist Gottes Sohn und Gottes Lamm, welche-s der Welt Sünde trägt«; er mußte zuvor osfiziell oder von Axntswegen zu der Gewißheit, daß es wirklich also sich verhalte, wie er glaube, gelangen, und als nun durch das Ereigniß bei der Taufe (V. 16 f.), das ihm schon im Voraus angekündigt worden war (Joh. l, 33), die göttliche Bestätigung seiner persönlichcn Ueber- »» zeugung ihm zu Theil » ward, da schien ihm im «« Vergleich mit der Klarheit Es und Zuversichh mit der er nunmehr Jesum kannte, seine frühere Erkenntniß fortan so gut wie gar keine, weil sie doch nur menschlich vermittelt nnd blos subjek- den einen Kranz entlang dem " tiver Art war. Jndessen Ufer, Weiden »und Schling- · » - läßt sickzaiich die Annahme gewachse und üppig wachsen- » vertheidigewdaßJohannes de Tamarisken vom hellsten X» — Jefum bisher noch» gar I»r.kgsssiidiiex«sigkgi«gs e s kgskktixssiigeskesgsssrsszs « , -- »— - « - , a o er u - haushohes Schilf mischt sein «. druck in «"oh. I, 31 u. 33: Säuseln in das Rauschen der Tauf-W« «« Jordan· »ich kanntje ihn nicht« im Strömun». Es ist eine geweihete Stätte, welche der strengsten Sinne des Worts zu fassen sei. Nach Luk.1,80 Priestersohn zur Taufe erkor (Jos. 2, 7. As; B, 14 ff.; trieb ja der eigene Zug des Geistes den Knaben Jo- 2. Kön. 2, 8 14) , daher es im Talmud heißt: »Der Jordan ist nicht Jordan außer im Bereich von Jericho und von da abwärts. (Sepp.) 14. Aber Johannes [auf den erlien Blick erkennend, wen er hier vor sich habe, obgleich er Jesum bis dahin nicht einmal persönlich kannte«] wehrete ihm sindem er mit Ernst und Nachdruck sich weigerte, die Taufe an ihm zu vollziehen] und sprach: Ich lder ich dir, dem Heiligen und dem HErrn der Herrlichkeit gegenüber nichts bin als ein armer Sünder und ein geringer Knecht V. 11; Joh Z, 311 bedarf wohl, daß ich von dir getauft werde, und du kgleich als vermöchte ich dir etwas zu verleihen, eine himmlische Gabe dir zu vermitteln] kommst zu mir lwie will das sich fchickenTZ V) Die Worte, welche Johannes hernach an Jesum richtet, fetzen voraus, daß er in ihm den Sohn Gottes erkannte; er würde, sagt Calvin, Gott und seiner Taufe Unrecht gethan haben, wenn er zu irgend einem Andern außer zu dem Sohne Gottes also geredet hätte. Nun aber bezeugt der Täufer in Joh. 1 , 31. 33 aus- hannes schon frühzeitig in die Einsamkeit der Wüste; seine Eltern wollten weder diesem Zuge sich entgegen- sehen, noch sonst durch menschliche Veranstaltung ein Zu- sammentreffen der beiden Knaben oder Jünglinge klinsti lich herbeiführen, ohne daß eine göttliche Führung oder ein göttlicher Auftrag sie dazu veranlaßte, hegten viel- mehr die Ueberzeugung, daß Gott der HErr beide, einen jeden auf seine Weise, zu ihrem Berufe vorbereiten werde und dann zu seiner Zeit und Stunde sie auch selber einander bekannt machen könne· Als nun Jesus zu Johannes kam, um sich von ihm taufen zu lassen, da mußte dem Manne, der den Hunderten verschiedenartiger Leute so tief in’s Herz sah und den scheiiiheiligen Blick des Heuchlers so scharf zu entlarven wußte, das sünd- lose, heilige, sanfte, erhabene Antlitz Jesu ausfallen und den tiefsten Eindruck auf ihn machen. ,,Eine gewisse unerklärliche, aber mächtige mid sichere Sympathie (Zuneigung), »ein innerer geistlicher Takt sagte ihm: Dieser ist’s! wie sich zwischen Johannes und Jesus, als sie noch beide im Mutterleibe waren (Luk. l, 41 u. 44), schou eine solche Sympathie fand, Johannes schon da- mals einen solchen Eindruck erhielt. Es gab nie einen Menschen, bei dem es in so unvergleichbarem Sinne, wie bei Jesus, wahr gewesen wäre, was Claudius von Menschen sagt, die das Vergängliche unter ihren Füßen haben und in dem Unvergänglichen als in ihrem Ele- mente leben: sie fühlen sich unsterblich an, aber sie sind es auch; und es gab wenige Menschen, die in dem Maß, Andern das Unsterbliche, das Göttliche anzusehen und anzufühlen im Stande waren, wie Johannes der Täufer. So hat Luther, der von diesem Takt für das Unfterbliche , Geistliche und Göttliche im Menschen auch wohl wußte, diese Stelle ebenfalls verstanden. Er sagt: Es wird dem Johannes geahnet haben, dieser Jesus sei nicht ein schlechter (gewöhnlicher) Mensch, es werde etwas Höheres hinter ihm sein. Christus war ihm nicht gestalt’ wie andere Leute, es ging etwas Kräftigeres von ihm, denn von einem andern Menschen; er reucht (riecht) den Geist, denn es ging Saft und Kraft von" ihm. Und es ist auch wahr, daß, wo ein solch geistrei- cher Mann ist, so bediinkt einein, der bei ihm ist, es sei ihm besser denn bei andern Leuten; der Geist kann sich nicht verbergen, es geht eine sonderliche Kraft von sol- chen Leuten. Denn das ist die Natur und Art des Geistes, daß er sich spüren und merken läßt, er äuget sich (bringt sich vor das Auge, läßt sich sehen) mit Bli- cken und Geberden, giebt den Menschen eine andere Art, Sinn und Schmach Also ist es auch hier geschehen: da Christus kommt und Johannes sein gewahr wird, da sieht er ihn für einen besondern und heiligen Mann an, fällt gleich darauf und denket , es wird wahrlich Chri- stus sein.« 15. Jesus aber [obwohl das, was Johannes sagte, an sich ganz richtig war] antwortete und sprach zu ihm: Laß jetzt also sent« llaß es nur, auch wenn du noch nicht einsiehesy warum es geschieht, einstweilen geschehen, daß ich mich dir unterordne und mich ebenfalls »wie andere Leute zu deiner Taufe stelle]; glso gebuhrt es uns, alle Gerechtigkeit zu erfullensi ldenn wollte ich mei- nerseits mich nicht taufen lassen, oder wolltest du deincrfeits die Taufe nicht an mir vollziehen, so blieb etwas, das nach göttlichem Willen geschehen soll, unerfüllh und der eine oder der andere von unt; thäte nicht in vollem Maße seine Schuldigkeits Da sweil Johannes nun wußte, daß es hier um eine Pslicht des Gehorsams gegen Gottes Willen sich handle] ließ er’s [an die vorigen Bedenken sich nicht weiter kehrend Joh. 13 , 6 ff.; Z. Cotr 10, H] ihm zu fund Jesus stieg unter des Johannes Augen und Händen in die Fluthen des Jordan hinab"]. «) Er, der die Rathsherren des Synedriums Ottern- gezüchte gescholten hatte, sprach erschrocken zu dem geist- geweihten Nazarenerx Jch bedarf wohl, daß ich von dir etauft werde; und du kommst zu mir? So brach der Zichtglanz des neuen Testaments hervor aus der Spitze des alten; aber der Ernst des alten Testaments blitzte hervor aus der Morgenröthe des neuen, indem Christus sprach: Laß es jetzt also sein; also gebührt es uns, alle Gerechtigkeit zu erfüllen. Hier bilden die Stäbe der altteftamentlichen und der neutestamentlichen Gerechtigkeit ein Kreuz; Johannes vertritt das neue TestamentJesu gegenüber, Jesus vertritt das alte gegen- über dem Johannes. Die beiden Oekonomien offenbaren ihre Verwandtfchaft und Einheit durch diese Verkettung ihrer Grenzringe; man könnte sagen, die beiden Testa- mente grüßen und segnen einander in diesem heiligen Wettstreit, das eine verklärt sich im andern, und aus der Herrlichkeit des ersten bricht die größte Herrlichkeit des zweiten hervor. (P. Lange) Alle Gerechtigkeit wird er- Jesus kommt, um sich von Johannes taufen zu lassen. 27 süllet, wenn wir uns aller unsrer Gerechtigkeit und Ehre verzeihen, daß Gott allein ftir den gehalten werde, der gerecht sei und gerecht mache die Gläubigen Dies thut Johannes, da er sich seiner Gerechtigkeit äußert und will von Christo als ein Sünder getauft nnd ge- rechtfertiget werden; dies thut auch Christus, da er sich seiner Gerechtigkeit und Ehre nicht annimmt, sondern läßt sich taufen und tödten als ein anderer Sünder. (Luther.) —- 8-«"-) Die Frage, warum Jesus sich ebenfalls der Johannistaufe unterzog, wird verschieden beantwor- tet; wir heben das Wichtigste, was bei Beantwortung dieser Frage in Betracht kommt, hier hervor: i) Die Taufe Johannis hat mit der christlichen dies gemein, daß sie den Menschen, indem sie denselben unter das Wasser hinabtauchh als einen verdammlichen Sünder darstellt, der um seiner Sünde willen ganz und gar den Tod verdient hat; indem sie ihn aber dann aus dem Wasser wieder emportauchen läßt, zu einem neuen und heiligen Leben ihn erhebt, nur daß die christliche Taufe das wirklich giebt und zu Stande bringt, was die Johannistaufe blos vers innbildet und« verheißt. Diesen Vorzug vor der Johannistaufe hat die christliche Taufe eben dadurch erlangt, daß Jesus selber der erste- ren sich unterworfen und dann alles das auch wirklich geleistet hat, was ein Jude, der von Johannes sich taufen ließ, blos der Jdee nach an stch darstellen konnte. Christus, als er sich taufen ließ, hatte freilich keine eigene Sünde zu bekennen und um ihretwillen sich in den Tod dahin zu geben; wohl aber nahm er damit gleich am Anfang seines messianischen Amts die Sünde seines Volks und der ganzen Menschheit auf sich, ierklärte sich bereit, mit dieser Schuld beladen in den Tod zu gehen, und ließ stch jetzt vorbildlich, wie hernach that- sächlich, von Johannes, dem Manne des Gesetzes, für die von dem Gesetz verdammten Sünder in den Tod versenken (,,wie unsre Taufe eine Taufe ist in Jesu Tod, so war die seinige eine Taufe in unsern Tod«), um daruach, ebenfalls jetzt vorbildlich, bis es später that- sächlich geschehen würde, in selbsteigener Kraft (vgl. V. t6: ,,er stieg alsbald herauf«) als Tilger der Sünden und Ueberwinder des Todes wieder emporzusteigen (vgl.: Christ, unser HErr, zum Jordan kam -— V.1). L) Was die Zwischenzeit zwischen der jetzt vorbildlichen Erklärung und der nachmaligen thatsächlichen Ausführung oder die 3 Jahre des öffentlichen Lebens Christi bis zu seinem Kreuzestode betrifft, so verpflichtete er für diese durch seine Taufe sich dazu, daß die Gestalt des stindlichen Fleisches, die er nach Gottes Willen an sich trug (Röm. 8, Z) , dem Leben des Geistes bei ihm nicht solle ent- gegen stehen, vielmehr demselben schlechterdings unter- geordnet sein, um so von allem Wesen der Sünde selbst sich freizuerhalten; indem aber für die Tage seines Fleisches (Hebr. 5, 7), denen im besonderen Sinne des Worts er von nun an entgegen ging, er der Stärkung von oben sich bedürftig fühlte und sein Bedürsniß dem himmlischen Vater jetzt im Gebet an’s Herz legte (Luk. Z, 21), ward die Taufe auch für ihn, den Anfänger und Vollender des Glaubens, zu einem Gnadenmitteh das die Kräfte des Himmels in der Begabung mit dem heil. Geist ihm zufiihrtr. 3) Diese Begabung oder Salbung mit dem heil. Geist nun ist zugleich die Jnauguration (feierliche Einweihung) in das Messiasamt für den, der um seine Bestimmung zu diesem Amte, sowie um seine Gottessohnschaft allerdings schon wußte; seinem in sich vollendeten subjektiven Bewußtsein mußte aber noch das objektiv bekräftigende Siegel durch die Ausrüstung mit der Kraft aus der Höhe und durch die vom Himmel erschallende Stimme, von der wir hernach hören, auf- gedrtickt werden. Wenn es sonst ohne alles Widerspre- chen also ist, daß das Geringere von dem Besseren ge- 28 Evangelium Matthäi Z, 16. 17. 4, 1. segnet wird (Hebr. 7, 7), hier aber ein umgekehrtes Verhältnis; stattzufinden scheint, indem hier ja der Täuf- ling der Größere und der Täufer der Geringere ist, weshalb auch Johannes sich weigerte, an Iesu die Taufe zu vollziehen, so scheint dies eben nur so; denn zumal in diesem ganz außerordentlichen Falle ist der Tausende nichts als Werkzeug und Mittelsperson, es thut sich vielmehr alsbald der Himmel auf und ein unmittelbarer Verkehr zwischen Gott selbst und seinem Sohne tritt ein. Man kann darum auch nicht sagen, wie von mancher Seite geschieht, Johannes habe Jesum in das Reich Gottes auf Erden, welches zu stiften er vom Himmel gekommen war, durch die Taufe einleiten sollen; denn Johannes stand nur erst vor der Thtir dieses Reichs, konnte also unmöglich den Stifter in dasselbe einführen, es mußte vielmehr vom Himmel geoffenbart werden und an Iesu zuerst zur Erscheinung kommen, wobei denn Johannes lediglich der Augen- und Ohren- zeuge ist. Wohl aber konnte seine Taufe zum Mittel und Anlaß für die Eröffnung des Himmelreichs gebraucht werden, weil sie eine Stiftung Gottes und nicht feine eigene Erfindung war (vgl. Joh. I, As: »der mich sandte, zu taufen mit Wasser«). 16. Und da Jesus getauft [im Jordan untergetaucht] war, stieg er sals der, den der Tod nicht würde in seiner Gewalt behalten können] bald herauf aus dem Wasser sein Vorspiel seiner nachherigen Auferstehung am dritten Tage]; und siehe, da that sich [in Erhörung seines Gebets, unter welchem et; herauf stieg Luk. Z, 21] der Himmel auf« uber ihm [genauer: für ihn, so das; er von unten in denselben hinein- blicken, von oben aber der heil. Geist sich auf ihn herabsenken konnte] Und [er selbst, Jesus Mark. 1, 10., gleichwie auch sein Täufer] Johannes sder auf dies Wahrzeichen zur Bekundung des Messias schon vorbereitet war Joh. 1, 32 f.] sahe den Geist Gottes [in leiblicher Gestalt Luk. Z, 22], leich» als eine Taube, herab· fahren· und uber ihn kommen« sum eine Zeitlang, bis die Erscheinung dann wieder verschivand, auch über ihm zu bleiben Joh. l, 32» f. und so die Weisscu gung in Jes. 11, 2 shmbolisch darzustellen].» 17. Und siehe, eine Stimme vom Himmel herab snänilich die Stimme Gottes des Vaters 2. Petri I, 171 sprach: Dies sdieser Jesus von Nazareth, den ich jetzt gesalbt habe mit dem heil. Geist, damit er der Christ oder Messias Jsraels sei und alle Verheißung erfülle] ist mein lieber Sohn lseiner göttlichen Natur nach, die er hat von Ewigkeit, der Glanz meiner Herrlichkeit und das Ebenbild meines Wesens, aber auch von Seiten seiner menschlichen Natur, die er angenommen in der Zeit, ein Gegenstand meiner Liebe] , an welchem ich fwie in Jes. U, 1 von ihm geweissagt wor- den, im vollen Sinne des Worts] Wohlgefallen habest-«- «1·) Gott öffnet seinen Himmel, nicht als ob er diesen in Wirklichkeit sich auseinander thun ließe; wohl aber be- wirkt er durch die Beseitigung aller Hindernisse, daß die Au« en der Gläubigen bis zu feiner himmlischen Herr- lich eit hindurchdringew (Calvin.) IV) Allerdings, wie Dav. Strauß den Einwurf hier erhebt, um die ganze Erscheinung des heil. Geistes für ein Unding zu erklären, kann der heil. Geist sich nicht von einem Orte zum andern bewegen; wohl aber kann eine Erscheinung, in der das außerräumliche Kommen des Geistes sich räumlich-sichtbar versinnbildlicht, sich bewegen. (Ebrard.) In Gestalt, nicht aber in der Wirklichkeit einer Taube stieg der heil. Geist vom Him- mel herab; nicht eine Taube, sondern eine quasi Taube ließ sich sehen. (Ambrosius.) Gott wollte durch das Bild der Taube die Einfalt und Sanftmuth der neuen Erscheinung des Geistes anzeigeu. (Clemens von Alexan- drien.) Den Kommentar (die Erklärung) zu der Er- scheinung des heil. Geistes in Gestalt einer Taube bildet die Seligpreifuitg der Sanftmiithigeiy der Barmherzigem der Herzensreinen und Friedfertigen in Kap. Z, « ff. , bildet vor allem das Wort des HErrn in Kap. 10, is: Seid klug wie die Schlangen, und ohne Falsch wie die Tauben. (Hengstenberg.) Als Princip (Urgrnnd oder Quelle) des Lebens war der heil. Geist Jesu angeboren, als Geist des Amtes wird er ihm jetzt mitgetheiln das ist die Salbung mit dem heil. Geist, von der Petrus in Apostg. 10, 38 spricht; das ist die himmlische Handauf- legung, welche in der Geistesausgießung über die Jün- ger an Pfingsten ihr Gegenbild hat. Denn da doch diese schon gläubig waren, so hatten sie nicht den Geist erhalten, der Glauben wirkt, sondern der zum Dienste befähigt. (Luthardt.) Indem Jesus in Unterwerfung unter die Taufe seinen feierlichen Willen erklärt hatte, sich unschuldig und stir Andre dem Tode hinzugeben, so erklärte hier der Vater, daß dies die rechte Art der Er- lösung, daß dies der rechte Erlöser sei, der, der hinfort die Kraft und Befugniß, mit Geist zu taufen, d. i. den Geist neutestamentlich mitzutheilen, habe; er erklärte dies vor den Augen dessen, der als Schlußstein des alten Bandes noch einmal die ganze Bedeutung des alten Bandes, mit Wasser zu taufen, d. i. durch Gesetzespres digt Buße zu wirken und Sehnsucht nach dem Heil, in sich zusanimengefaßt hatte. Jm alten Bunde wirkte der heil. Geist zwar auch, aber nur vorbereitend, nur das Gesetz im Gewissen unterstützend, nur strafend und er- ziehend und auf Klinftiges weisend. Christus erst war es, der im vollen Sinne mit dem Geiste taufen, durch Mittheilung der Fülle des Geistes Menschheit und Gott- heit absolut (unumschränkt) einigen konnte. Der Anfangs-« punkt solch absoluter Einigung war das Pfingstfefy bei der Taufe aber geschah durch jene Erscheinung die feier- liche Erklärung, daß Jesu stellvertretende Hin abe in den Tod der Weg sei, diese Einigung zwischen ott und Menschheit durch den Geist möglich z1i machen. (Ebrard.) Eis) Was diese Stimme vom Himmel herab be- zeugte, das war von da an der eigentliche Jiihalt des Zengnisses Jefu Christi, daß er der Sohn Gottes sei, der Geliebte, in welchem der Vater sich uns angenehm emacht hat (Ephes.1, 6). An diesem Zeugnisse Gottes hielt der HErr unbeweglich, bis er seinen Geist in sei- nes Vaters Händen befahl, und das Evangelium von ihm, dein Sohne Gottes, ist zu keinem· andern Zwecke da (vgl. Joh. 20, 31), als daß auch wir diesem Zeug- nisse Gottes glauben und durch solchen Glauben das Leben haben mögen. (Menken.) Siehe, welche große Herrlichkeit die Taufe hat, auch wie ein großes Ding es sei, daß, da Christus getauft worden ist, sich der Himmel austhut, der Vater läßt sich hören in der Stimme, und der heil. Geist fährt herab, nicht wie ein Gespenst, son- dern in Form uud Gestalt einer natürlichen Taube. Wenn die Taufe ein menschlich Werk und Thun wäre. so würden solche hohe Dinge sich hier nicht zutragen Es stehen Gott Vater, Sohn und heil. Geist noch täglich um uns bei unsrer Taufe. (Luther.) Gott-Vaier sendet den heil. Geist über Jefum und« setzt so diesen in sein messianisches Amt ein. 29 Das 4. Kapitel. Christus tritt sein Eehramt an. III. v. 1--11. (§. 17.) Das erste Wert: des Geistes Gottes, der flber Jesum bei der Ta1ise genommen, ist nicht dies, daß er ihn ohne weiteres in die zu erliisende Welt hin— eintreibt; vielmehr treibt er ihn zuvor aus der Welt hinaus in die Wüste. Denn das Verderben der Welt wurzelt im kteiehe des Satans, und Christus kann den Satan nicht überwinden für die Welt, ohne ihn zuerst für sich selbst zu überwinden; seine eigentliche Wohnstätte aber, von welcher ans er die Welt beherrscht nnd Tod und Verderben siber sie bringt, hat der Teufel in der Wüste, dem Jlbbild seines eigenen inneren Wesens und dem Sinnbild der Verödung, die er in seinem Gefolge hat (3. Aus. Its, 22 Anm.). Dort nun bereitet sieh Jesus unter vierzigtcigigeni Fasten mit Gebet und an- däehtiger Versenkung in seinen Heilandsberuf auf den Kampf, den er zu bestehen hat, in einer Enge vor, welche das gerade Gegenlheil von derjenigen ist, in der an den ersten Zidam des Teufels Versuchung herantrat, und schlägt darauf den dreifachen Anlauf des Satan mit dem Schwerte des Geistes, welches ist das Wort Gottes, zu— euch, worauf die Enge! sieh bei ihm einfinden und ihre Dienste ihm leisten. Evangelium am Sonntage JnvocavitJ Es ist dies der erste Sonntag in der, mit Afchers Mittwoch beginnenden Fasteuzeitx seinen Namen hat er von dem für ihn verordneten Jntroitus (Eingangsspruch) Pf. 9l, 15 f.: »Er rufet mich an« (lat. invocavit-), als erster Fastensonntag heißt er aber auch quadragesimae mit Beziehung auf die 40tägigen Fasten, welche die Kirche in dieser Zeit nach Christi Vorbild hält. Von Aschermittwoch bis zum Sonnabend vor Ostern einfchließ- lich sind, die 6 Sonntage, die in diese Zeit fallen, ab- gerechnet (da an Sonntagen nicht gefastet wird), in der That 40 Tage; zur Vorbereitung auf diese Quadrage- stmalfasten pflegte man auch wohl die drei vorangehen- den Wochen zu fasten, und nannte nun die 3 Sonn- tage dieser Wochen Quinquagesimae, sexagesimaiz Septnagcsjniae (eine Woche gleich einem Zehner rechnend). 1. Da lalsbald nach der, bei der Taufe ein: pfangeneu Weihe zu seinem Niittlercimte Kap. 3, 16 f.] ward Jesus vom Geist Wortes, der über ihn gekoinmen war und nicht nur ihn lehren, welchen Weg er in seinem Amte zu gehen habe, sondern auch mit Kraft aus der Höhe zu jedem einzelnen Werke desselben ihn ausrüsteta von den Ufern des Jordan hinweg] in die Wüste loder- hglb der Oase von Jericho Jos. 6, 1 Anm.] ge- fahrt, auf daß er von dem Teufel [dem sten des Reichs der Finsierniß oder der gefallenen Geisterwelt Hiob 1, 26 Anm.] versucht würde sund seine Siegesmachtgleich von vornherein diesem Erzfeinde des Reiches Gottes Kap. 13 , 25. 39 gegenüber beweise-J. Wir sehen keinen rechten Grund, warum Einige unter der hier gemeinten Wüste die große arabische Wüste verstehen wollen, in der die Kinder Israel unter viel Versuchungen und Gnadenhilfen Gottes 40 Jahre lang wunderbar erhalten wurden (4. Mos. l9, 22 Anm.) und durch welche hernach Elias 40 Tage und 40 Nächte bis an den Berg Gottes Horeb ing (1. Kiste. 19, 8 Anm.); denn bei aller Verwandts aft unsrer Geschichte mit jenen beiden aus Jsraels Vorzeit, hat dieselbe doch einen uoch weit engeren Zusammenhang mit der Ver- fuchung Adams im Paradiese (1. Mos. 3), also mit der Urgefchichte der Menschheit. Gleich zu Anfang seines Mittleramts stellt sich Christus als Erlöser und Heiland des ganzen menschlich-en Gefchlechts dar; daß er dies werden will in der besonderen Form des Messias Jsraels, das drückt sich aus in seinem 40tägigen Fasten nach dem Vorbild des Mose (2. M. 24, l8) und in seiner wunderbaren Erhaltung während dieser Zeit nach dem Vorbild Jsraels (5. M. 8, 3 f.), wir dürfen aber darum die Geschichte nicht zu einer fo durchgreifend israelitifchen machen, daß wir auch dieselbe Oertlichkeit dafür in Anfpruch nehmen , müssen vielmehr eine Hin- weisung auf ihren Zusammenhang mit der Menschheitsi geschichte überhaupt ihr bewahren. Und so wird wohl die Tradition Recht haben, welche als Stätte der Ver- suchung Christi die Wüste Quarautania, östlich von der Wüste Bethaven und nordwestlich von Jericho (s. das Kärtcheii zii 1. Sam. l) , 5) , bezeichnet. Wie das Pa- radies der schönste Theil war der lieblichen und anmu- thigen Landfchaft Edeu, von deren Bodem Gott wohl auch den Erdenkloß genommen, aus dem er den Men- schen machte (1. Mos. Z, 7f.); so ist das Gebirge Qua- rantania (Jos. 2, 6 Anm.) die schauerlichste Einöde und der schroffste Felsen der an sich schon wilden und un- heimlichen Wüste am Jorden, in dessen Wassern Jesus die Weihe zu feinem Mittleramte empfangen. Der Berg, sagt Hasselquishist sehr fpitzigund hoch, und der Aufgang zu seinem Gipfel so gefährl1ch, als man es sich vorstelleu kann; zur Seite hat man einen tiefen Ab» grund, in den Wänden des Berges aber sind viele öhlen und Löcher, in denen jetzt Einsiedler leben. Am åriße des Berges befindet sich die Quelle, deren böses asser einst Elisa gesund gemacht (2. Kön. 2, 19 ff.»): wie sollten wir nicht darin das Gegenbild des Para- diefesftromes und ein Abbild dessen, was Christus durch seine Ueberwindung des Teufels geistlicher Weise an dem Menfchengefchlecht und dieser Erdenwelt gethan, erbli- cken? Wir wollen nun keine Zeit mit Widerlegung aller derjenigen Erklärungen verlieren, welche aus unse- rer Geschichte etwas Anderes, als einen wirklich so, wie er erzählt wird, geschehenen Vorgang macheu, etwa eine Parabel (Schleiermacher) oder einen Traum (Meher) oder ein Gesicht (H. E. G. Paulus) oder eine rein in- nerliehe Gefchichte, sei es ein Geiftesleiden (Olshausen) oder eine Geistesarbeit (Ullmann), sondern geben ohne Weiteres die dem Wortlaut entsprecheude Auslegung; und da haben wir es denn hier mit einer Begebenheit zu thun, dergleichen in unserm eigenen Leben niemals vorgekommen ist, auch keinenfalls je einmal vorkommen wird, daher dieselbe immer nur bis zu einem gewissen Maße unserm Verständnis; erreichbar ist und so Manches darin über unser Fasfungsvermögen hinausgeht. Zwar das erleben wir reichlich und täglich, daß wir zum Bösen gereizt und versucht werden durch unser Fleisch und Blut, durch die fündlichen Lüste und Begierden des Her- zens (Jak. l, 13 ff.). Auch die Btenschem mit denen wir in der Welt zusammenleben, werden uns zu Ver- führern durch ihr Wort und Beispiel, durch ihre List oder Gewalt; und wer recht darauf gemerkt hat, wie bisweilen in der Seele plötzlich ein fchändlicher, teufli- scher Gedanke aufsteigt, ohne daß man sich sagen könnte, woher er denn eigentlich kommt, wer sich erinnert, wie gar leicht eine böse Luft im Fleische zu solcher Hitze ent- vrennt, daß man fast wider feinen Willen zur bösen That hingerissen wird, wer die entsetzliche Macht bedenkt, mit der ein verflihrerifches Beispiel auf das Herz ein- 30 Evangelium Matthäi 4, Z. wirkt, der wird sich zu deuten wissen, was der Apostel von listigen Anlänfeti des Teufels nnd feurigen Pfeilen des Bösewichts sagt (Ephes. 6, 10 ff.). Bei alledem haben wir aber gleichwohl keine wirkliche Erfahrung, und deshalb auch keine klare Vorstellung davon, wie der Fürst der Finsterniß, der Satan (d. i. der Wider- suchet, Feind), wie er im alten Testament mit einem hebräischen Wort heißt (1. Chron. 22, l; Hiob l, 6.12;» 2, l. 7; Ps. l09, 6; Sach. Z, 1 f.), oder der Teufel (d. i. der Verleu1nder, Verkläger), wie er im neuen Testament mit einem griechischen Wort genannt wird (Joh. s, 44; 1. Pectri 5, 8; Offenb. 12, 10; TO, 2), einem Menfchen auf unmittelbare Weise als Ver- sucher gegenübertreten und fein Werk au ihm probiren kann; und das gerade ist das Eigenthtimliche an der Versuchungsgeschichte Christi. Der Heiland hat hier auf keinen Fall mit seinem eigenen Fleisch und Blut zu kämpfen, als ob dieses ihn zum Bösen gereizt hätte. Allerdings ist er ein Menfch gewesen wie wir, und der Sohn Gottes ist in der Gestalt des sündlichen Fleisches erschienen, d. i. er nahm, als er Menfch ward, Fleisch an, wie die sündigen, von Adam abstammenden Men- schenkinder es haben; aber es heißt auch von ihm, daß er war heilig, unschuldig, unbefleckt und von den Sün- dern abgesondert (Röm. 8, Z; Hebt. 2, 14; 7, 26), in seinem Fleische kann also nichts Böses gewohnt haben, aus seinem Herzen nichts Böses aufgestiegen sein. Ferner hat der Heiland hier auf keinen Fall zu streiten mit irgend welchem Menschen, etwa einem Mitgliede des Hoheurathes und der Priesterschaft, der ihn ausfor- schen und entweder für die fleischliche Messiasidee gewin- nen oder andernfalls verderben wollte. Allerdings sind während seines ganzen nachherigen Lebens sowohl seine Freunde wie seine Feinde zu Versuchern für ihn gewor- den und haben alle einzelnen Verfuchungem die hier an ihn herantraten, wieder aufgenommen (Kap. 27, 42 f., IS, 21 ff.; Ioh. S, l4 f.); aber hier in der Wüste war keine menschliche Seele bei ihm und weder von seinen nachherigen Jüngern, noch einer vom Volke oder vom Synedrium kannte ihn schon (Joh. 1, 26), er war eben mit sich allein. Sonach hat in dieser Geschichte unser Heiland ausfchließlich und auf unmittelbare Weise es zu thun mit dem, von dem alles Böse ausgeht und zu dem alles Böse zurückführt, mit dem Teufel. ,,Eine kühne Behauptung das, welche ein großer Theil der Gemeinde und am Ende auch der größte Theil der Theologen als Aberwitz und Unsinn sofort in die Acht und Aberacht thut, oder, wenn mildere Gesinnnngen walten, mitleidig als einen unglücklichen Versuch betrachtet. Wie haben sich doch die Zeiten seit einem halben Jahrhundert ge- ändert! Paulus (der vorgenannte Professor zu Hei- delberg, s— 1851), der, wenn irgend einer, es trefflich verstand, seinen Zeitgenossen den Puls zu fühlen, spricht sich 1800 in seinem Commentar so aus: Die gewöhnliche Hypothese (Annahme) ist, der Sinn der Erzähler setze äußere Erscheinungen des Teufels voraus, durch welchen Jesu jene drei Anträge unmittelbar gemacht worden seien. Und jetzt sagt Weiße: Gleich der Erzählung von der Johannistaufe, an toelche die gegenwärtige sich unmittelbar anschließt, hat auch diese letztere Erzählung fast allgemein längst aufgehört, selbst von übrigens wun- dergläubigen Auslegern, als sprecheud von einem äußer- lich thatsächlicheu Ereigniß betrachtet zu werden. Und leider ist es so! Wenn wir nun eine Revision des Prozesses vornehmen in der Ueberzeugung, daß die erste und älteste Auffassung allein die rechte ist, so haben wir einen schweren Weg vor uns, wo wir über Löwen und Ottern gehen müssen und mitten durch die Pfeile, die am Mittag fliegen. Darum stärken wir uns durch einen Rückblick. Wir stehen nicht allein: vor uns her zieht eine dichte Wolke von Zeugen — an ihrer Spitze die heiligen Evangelisten selbst; in ihre Fußtapfeu treten die größten Väter des Morgen- und des Abendlandes; die Reformatoren ziehen auch diese Straße (Luther und Melanchthon, nur Calvin ist nicht ganz schlüssig), und ihnen folgen uamhafte Theologen auch des vori en und gegenwärtigen Jahrhunderts« Was nun die edenken betrifft, welche die durchschnittliche Bildung unsrer Zeit gegen jene erste und älteste Auffassung vorzubringen hat, so kommen wir später (Kap. 9 , 34) auf die Frage zurück, ob es einen persöulichen Teufel giebt, und werden nach- her die Schwierigkeit, ob derselbe sichtbar erscheinen könne, erledigen; für’s Erste haben wir es mit der Frage zu thun: Warum war es nothwendig, daß Christus also von dem Teufel versucht würde? Denn daß diese Versuchung mit Gottes Rathschlüssen übereinstimmte, daß sie zum Werke unsrer Erlösung unbedingt gehörte, ist deutlich in den Worten unsers Verses ausgesprochem »Da ward Jesus vom Geist in die Wüste geführt, auf daß er von dem Teufel verfucht würde« Da müssen wir denn antworten: Jesus mußte die Entwickelung der Menschheit, welche durch die Sünde zu einer Ver- wickelung geworden war, in sich noch einmal, aber nunmehr als eine s ündlos e, von vorn anfangen; was das menschliche Geschlecht in seinen Anfängen nach Gottes Willen hätte leisten sollen, aber nicht geleistet hatte, —- nämlich von dem status integrjtatis oder dem Stande der Unversehrtheih in welchem der von Gott erschassene Meusch nach allen seinen Kräften, An- lagen und Eigenschaften noch rein und unverdorben war, durch den status explorationis oder den Stand der Prüfung hindurch, da er die Richtung aller seiner Kräfte zu Gott hin, die ihm auerschaffem nun auch zu bethätigeu und die Möglichkeit einer widergöttlichen Selbstbestimmung, die jetzt noch vorhanden war, von sich abzuweisen hatte, überzugehen in den status confirma- tjonis oder den Stand der Befestigung, so daß das posse non peccare (die Möglichkeit von der Sünde frei zu bleiben) ebenso wie bei den gut» gebliebenen Engeln für ihn geworden wäre zum non posse peccare Czur Unmöglichkeit, jemals noch zu fiindigen und von Gott abzufallen) —, mußte er nachträglich leisten und zunächst das Bild eines Menschen, wie er seiner gött- lichen Bestimmung nach sein soll, darstellen. Denn, schreibt Athanasius, wie wenn man ein auf Holz ge- maltes Vortraiy das mit Schmutz überdeckt und dadurch unfichtbar geworden ist, wiederherstellen will, das Ori- ginal selbst gegenwärtig sein muß, damit das Bild auf deniselbeii Stoff restaurirt werde (denu der Stoff wird riicht weggeworfen, weil das Bild auf ihm verzeichnet ist, sondern nur nmgebildet); so mußte der hochheilige Sohn des Vaters zu uns kommen, um den nach seiner Aehnlichkeit ebildeten ållienscheii zu erneuern. Insofern nun in Chricsxto Jesu die ganze Fülle der Gottheit leib- haftig wohnt, ist bei ihm freilich die Möglichkeit eines Eingehens aus den Willen des Versuchers schlechthin un- denkbar; seine Heiligkeit und Sündlosigkeit ist in Anbe- tracht seines gottmeiischliäfeti Wesens , da Gottheit und Elliensthheit zu Einer Person in ihm vereinigt sind und keine von den beiden Naturen mehr ohne die andern oder außer der andern gedacht werden kann, nicht blos eine thatsächliche, sondern auch eine naturnothwendige, so daß das, was er zu leisten unternimmt, auf einem Grunde ruht, der das Gelingen (hier die Ueberwindung des Satans) von Haus aus verbürgt Wir wissen nuu aber auch, daß Christus aus freier Gnade und ewig preis- würdigem Erbarmen auf sich genommen hat, was seiner mit der Gottheit geeinten Menschheit durchaus nicht von selber zukam, was dieser vielmehr ein ganz Fremdes, ihrem Begriff an und für sich Widersprechendes war: Der HErr Jesus wird vom Geist in die Wüste geführt »ktszlk«Tage.- 31 der Menschen Schuld und Sünde, ihre Strafwürdigkeit und Verdammniß Und wie er nun bei feinem Kreuzes- tod des non posse mori (der Unmöglichkeit zu sterben) der Menschheit zu gute fich entäußerh also daß er ster- ben konnte; gleicherweife, so meinen wir, hat er auch beim Antritt seines messianifcheu Amts des non posse- peccare (der Unmöglichkeit zu siiudigeu) fich entäußert, um versucht werden zu können, gleichwie wir. Das Bewußtsein wirklicher Versuchbarkeit giebt der HErr auch dentlich durch die mit einer gewissen Erre- gung gesprochenen Worte an Petrus in Kap. 16, Hebe dich, Satan, von mir &c. zu erkennen; es fpricht sich ferner aus in der Aeußerung, welche er vor seinem Eintritt in den Gebetskampf zu Gethsemane thut tWachet und betet &c. Katz. 26, 41), und in demselben Bewußt- sein hat er ohne Zweifel auch an unsrer Stelle 40 Tage und 40 Nächte gefastet, ehe er den Anläufen des Teu- fels sich preisgab. Nun ist freilich s eine Verfuchbarkeit noch eine andere, als die des gefalleneii Menschen, bei dem alle Bedingungen vorhanden sind , daß die Versu- chung auch allemal mit einer Niederlage für ihn endigt, wenn nicht Gottes Kraft außerordentlicher Weise ihn auf- recht hält; ste ist vielmehr die gerade gegeutheilige, in- dem bei Jesu alle Bedingungen vorhanden sind, daß die Versuchung jedesmal auch einen Sieg zur Folge hat. Nichtsdestoweniger sehen wir, daß in dem Geiste, mit welchem er bei seiner Taufe ausgerüstet worden, Gottes Kraft ihm ebenfalls außerordentlich zn Hilfe kommt: das macht, weil er unendlich mehr zu leisten hat, als der erste Adam im Paradiese zu leisten hatte, da er in die Slliacht der Versuchung dahin gegeben wurde. Die Wüste Quarantania mit ihrer steinigen und fchauerlichen Einöde und den wilden Thieren, die dort hausen (Mark. 1, 13), ist an fich selbst schon der reine Gegensatz zu dem Garten Eden mit allerlei Bäumen, lustig anzusehen und gut davon zu essen, und mit allerlei Thieren, die Gott zu dem Menschen bringt, daß er sähe, wie er sie neunete; aber nun geht hier zugleich der ersten Versu- chung ein Fasten voraus, nach welchen das nunmehr eintretende Hungeru mit desto furchtbarerer Gewalt sich gleitend macht, während die ersten Menfchen nur die s ufgabe hatten, in einem Stande allseitiger Befriedi- gnug des leiblichen Bedürfuisses der Frucht vom ver- oieneu Baum sich zu enthalten. Dem entsprechend ist dann auch die Wirkung des Sieges Christi eine unend- lich größere, als die für den etwaigen Sieg Adams über den Versucher in Aussicht genommen war. Adam sollte nur den Garten bauen und bewahren, damit nach und nach die ganze Erde in das Bild desselben fich ver· kläre; es hat aber der Garten müssen hernach vor ihm bewahrt werden durchspden Cherub mit dem Flammen- schwert, und er ist später verwüstet und zur Einöde ge- worden. Zu Christo in seine Wüste kommen die Engel und dienen ihm (V. l1) —— eine Weisfaguug auf das, was einmal aus unsrer Erde werden wird, wenn die dritte Bitte zu ihrer völligen Erfüllung gekommen ist (Osfenb. l, l ff.). »2. Und da er vierzig Tage und vier ig Nachte sim vollen Sinne des Worts] gefa et [d. i. nicht blos der gewöhnlichen, sondern überhaupt aller Nahrung, dazu auch des Schlafes und der Ruhe sich enthalten] hatte swähreud wel- cher Zeit von beinahe 6 Wochen das Wort Gottes seine Speise, die Vetrachtung des von ihm auszu- richtenden Heilandswerkes seine Beschäftigung und der Umgang mit dem himmlischen Vater seine Freude und Erquickung war], hungerte ihn ljetzt mit um so größerer Heftigkeih je länger das Be- dürfniß des Leibes von dem Leben des Geistes zu- rückgedrängt worden war]. Obwohl in Kap. U, 18 des Johannes Lebensweise, der allein von Heuschrecken und wildem Honig fich nährte, schon ein Fasten genannt wird und auch in der Kirche die Enthaltung von gewissen Speisen und die Beschräw kung auf ein geringeres Maß von Nahrungsmitteln für ein Fasten (abst-inentia, semijejunjurrd gilt, ist doch hier lediglich an ein gänzliches Nichtessen und Nicht- trinken zu denken, wie in Luk. 4, 3 ausdrücklich besagt wird. Ob es an und für sich, d. i. unter besonderen Umständen, in denen Gottes Wundermacht zu Hilfe kommt und de11 gewöhnlichen Lauf der Natur außer Wirkung setzt, möglich sei, daß des Leibes Leben» solange ohne jegliche Zusiihrung »von Nahrungsmitteln sich frisch und gesund erhält, dürfen wir nicht erst fragen, da das Wort in V. 4 schon die Antwort darauf gegeben hat. Was thäte alle Speise und Leibesnahrung, schreibt Luther , wenn Gott nicht durch sein Wort uns erhielte! Er wandelks erst in Fleisch und Blut, Mark und Bein; so kann er besser nähren, allein durch seinen Anblick, denn alles Brod nnd Speise auf Erden. Und was Luther schreibt, hat er selbst an fich erfahren, da er mehr als ein Mal, in tiefes Sinnen über Gottes Wort versunken, Tage lang hinter verschlossener Thür saß. Gleicherweise bezeugt Angelus Silesius im Cherubinischen Wandersmann: Das Brod ernährt dich nicht; was dich im Brode speist, ist Gottes ew’ges Wort,-ist Leben und ist Geist. Wir sehen ja alle Jahre die Zugvögel eine weite Reise über das Meer machen, ohne daß sie wäh- rend dieser Zeit sich auch nur einmal ausruhen, ge- schweige etwas zu fich nehmen könnten. Und so haben oft schon tiefe Denker, kontemplative Beter, leidtragende Büßer, exstatisch Begeisterte oder in ihrem Seelenlebeu krankhaft Gesteigerte eine auffallend lange Zeit gefastet; von Niclaus von der lüe z. B. wird erzählt, daß er die letzten 19——-20 Ja re vor seinem (a.1487 erfolgten) Tode ohne alle andere Speise gelebt habe, als die er monatlich einmal in dem Sacramente des Altars genoß. Auch ist uns aus eigenem Erlebniß ein Fall bekannt, wo zwei Männer, in einem Brunnen verschüttet, als man schon alle Versuche zu ihrer Rettung aufgeben zu dürfen meinte, weil es doch unmöglich sei, daß sie noch lebten, gleichwohl nach 11 Tagen lebendig daraus her- vorgezogen wurden. Wenn nun schon ein nngewöhnltch langes Fasten bei Menschen vorkommt, deren physische und pfychifche Entwickelung von der Sünde gestört ist, wie viel weniger ist es bei dem undenkbar, dessen kör- perlicher Organismus von keiner Sünde geschwächt war, dessen Geist mehr als bei irgend einem das Fleisch be- herrfchen und zum Gehorsam zwingen konnte! Es stehen aber die 40Tage und 40 Nächte, die Jesus fastet, eines- theils in Rückbeziehutig auf des Moses und Elias Fasten (2. Mos. "Z4, 18; 34, 28; l. Kön. 19, s) und auf Jsraels vierzigiäyrigen Zug durch die Wüste; anderntheils jedoch auch in Vorbeziehung auf die 40 Tage seines eigenen Verklärungslebens nach der Auferstehung (Apostg. l, 3). Man sieht, sagt Hofmann, wie an der Shmbolik(Sinn- bildlichkeit) der Thatsachen, daß der Geschichte göttliche Gedanken einwohneu, so an der Rhythmik (Ebenmäßig- keit) der Zeit, daß die Zeit und ihre Dauer nichts Zu- fälliges und Willkiirliches ist. Aus den Worten in Mark. 1, II: »und war allda in der Wüste vierzig Tage, und ward versucht von dem Satan« schließt man gewöhnlich, daß Jesus schon in den 40 Tagen selber den Versuchungen des Teufels fortwährend ausgesetzt gewe- sen sei, bis diese denn ihren Gipfelpunkt in 3 Haupt- versuchungen erreichten; alleiu jene Worte besagen nur, 32 Evangelium Matthäi 4, 3-—7. daß bei Gelegenheit (näher: am Ende) des 40tägigen Aufenthalts in der Wüste das Ereigniß der Versuchung eintrat. Denselben Sinn ergeben die Worte bei Lukas, wenn man, wie der Grundtext dazu berechtigt, übersetzt: ,,er ward vom Geist in die Wüste (nach andrer Lesartt in der Wüste) geführt vierzig Tage lang, und (bei dieser Gelegenheit) von dem Teufel versucht« Hieruach währete 40 Tage lang unter Fasten die oraiio und meditatio (Gebet und Betrachtung), und dann kam als drittes die tentiiijo (Anfechtung oder Versuchung) hinzu. Der HErr Jesus ist es selbst gewesen, der seine Jünger hernachmals über diesen Vorgang, der, wie einerseits den Endpunkt der Geschichte seines verborgenen, so an- drerseits den Anfang seines öffentlichen Lebens bildete, unterrichtet hat. Daß er dabei in Beziehung auf das Geschehene ihnen nicht mehr mitgetheilt, als sie zu tra- en im Stande gewesen (Joh. 16, 12) und also seine rztihlung in eine Form gekleidet habe, die für ihre Empfänglichkeit und ihr Bedürfnis; berechnet gewesen, so daß nun wir das Recht hätten, zwischen der Sache selbst und der Form der Darstellung einen Unterschied zu machen, ist eine ganz unzuläsfige Voraussetzung; denn nicht nur fällt die Mittheilung des HErrn an die Jünger jedenfalls erst in die Zeit der 40 Tage nach seiner Auferstehung, wo er mit ihnen redete vom Reich Gottes und sie der Ausgießung des heil. Geistes sehr nahe waren, sondern sie haben ja die Geschichte weiter erzählt und aufgeschrieben erst nach ihrer Erfüllung mit dem Geiste der Erleuchtung«, und wo sollten nun wir ein höheres Maß des Geistes, als sie zu dieser Zeit be- saßen, hernehmen, um an ihrer Verkündigung den Unter- schied zu treffen zwischen dem, was bloße Form und wirkliche Sache sei? Z. Und der Versucher sder Teufel, von dem alle Versuchung zum Bösen ausgeht 1.Thess. 3, b] trat zu ihm [den günstig scheinenden leiblichen Zustand, in dem er sich befand, da er eben das Bedürfniß nach Brod mit fast unwiderstehlicher Macht empfand, schlau benutzeiid] und sprach: Bist du Gottes Sohn [wie die Stimme vom Himmel bei deiner Taufe bezeugte Kap. s, 17], so sprich, daß diese Steine [die hier am Boden heruinliegeiq Brod werden sdamit du deinen Hunger stillen könneft und du auch für dich selber von der Wundermachh die dir bewohnt, einen Vortheil habest]. Ein Factum einzig in seiner Art steht hier als hei- lige Hieroglyphe (Vilderschrift, die schwer zu entziffern ist) vor uns. ,,Dem fleischgewordenen Gottessohn zuerst, und keinem weiter, ist der wider Gott streitende Geist als Erscheinung entgegengetreten; als der Mensch nun vorhanden war und seine Selbstbezeugung anheben sollte, welcher als der Sündlose und Heilige den Heils- rathschluß Gottes wesentlich vollbringen konnte, da war für den Widersacher Gottes der Augenblick der Ent- scheidung gekommen, ob es Gott gelingen sollte oder ihm. Er konnte nicht meinen, den Heiligen durch sün- dige Menschen zu einem wider. seinen Beruf streitenden Verhalten bestimmen zu können, und für eine innerliche Wirkung auf ihn gab es in dem Sündlosen keine Mög- lichkeit: Person wider Person mußte er es hier ver- suchen, erscheinen mußte er ihm, da eine Täuschung der Art, wie sie bei dem erstgeschassenen Weibe möglich war, bei dem in Völligkeit der Erkeuntniß stehenden Jesus nicht statthaben konnte. Daher treten hier Versucher und Versnchung unverhüllt und offen auf, wie nie zu- vor iind niemals wieder. (Hofuiann.) So gewiß als die Welt ihre Geschichte, hat Satan auch seine Geschichte: ie eignet ihm als einem, auch in oder mit der Zeit »e- chaffenen Wesen. An der dunkeln Pforte, wo seine e- Finlilite Fsjescgziclztckl anhebtdstelzt füsrfdas Erste sein Zigener «a « ·er eaene wir a er oort zum ersu er, er reißt, einenTheil der Engelwelt in seinen Fall, und da im Reiche in der Hohe sur ihn kein Raum mehr, tritt er auf den Schauplatz dieser Weltuiiid verführt das erste Menschenpaau Das Geheimnis; seiner Bosheit wirkt nun im Laufe der Jahrhunderte wie ein schleichend glfsttzhtSgiicsndkicixit Weitklsgekzmyilcskph . i — » ei en Zeugniß treten in »der» eoangelischen Geschichte die Damonischen»auf. Da ist die Zeit erfüllt, der Gottes- sohn kommt in das Fleisch; wenn nun dieserfauch nicht durch sein Fleisch »in der Gestalt des sündlichen Flei- sch«es,« durch seine menschliche Natur dem Satan eine ofsene Stelleangeboften hatte, die ihm die Möglichkeit ihnzu verstricken zeigte, so mußte sich der Satan doch I! kåercäiåmagetiiz Er» kanizib gen dMenschgewordeiien · r in ni ignoriren e an ein, a s wäre er gar nicht »da); denn er weiß, daß der HErr ihn nicht in Tit-FIEDLER»7FTTTTVBIkFZXTLI« z«E«22TiLIF2I-«"Eå Ykkåsjstkåä , , » . e spa Satan ist, der Ftirstdieser Welt und das böse, Princip (der Urgrund des Vosen),« so muß er, um die hochste Spitze der Bosheit zu erklimmen, den sündlosen Gottes- EkixirsclkciefrtjuikieiitgenundEijnthaihudasungethknBist« « e a Zlkkädek kzztztkden ZErrn vigsucht Eint) der Rezchteii und ou. er »in en. ort im arten et semane dringt er auf ihn ein als der König der Schrecken, den bitteren Leidenskelch in» seiner Hand, und· Tod und Verderben schnaubendä hier in unsrer Geschichte dagegen naht ex: sich ihm als der Furst dieser Welt, mit dem schäumen- den Becher der Weltlust in seiner Hand, und süße Ver- sprechuiigen fließen aus seinem Munde. Der HErr siegt und steht· beide Male: nun ist Satan gerichtet, und aus dem Zenith (·Schei«telpunkt) geht sein Weg zum Nieder- gang uiid beim· Niedergang iu den Abgrund. (Nebe.) Schwierig ist die Frage» iu welcher Art und Gestalt der Teufel dem HErrn erschienen sei, und wird nun auch diese Frage in ganz entgegengesetzter Weise von den Ausle ern beantwortet. Horen wir zuerst, was Eb rat» d »sag·t:· zzDeiii ersten Adam war der «Furst»der Fcnsterniß in Gestalt eines Thieres, eines nicht hohereiy sondern niedrigeren Wesens erschienen, und so mußte es sein, damit Adam nicht durch die vermeintliche Auctorität Tineålsngeäs getauschfckoderdgebxndet wkjrdeS; dem zwei- ·en unt· agegen er neu er atan as atan, d. i. Znfsderslknigsie Gåstaly in Flcher allfck Engel, gikticeh und oe, en en en zu er· einen p egen, nämi in Yitcesigschångedstaltsibsterl eben in dem Weisen des Scstans en re ·»en en e at nämi einer so chen iu eren Zügen sich alles Lockende der Sünde und zugleich alle drohende Tücke des Fürsten dieser Welt aussprach Hiergegen nun erheben sich Bedenken, wie die, welche åtlienken geltend machtx Trat»der Satan als solcher III: »Es-VIII Zeiss« giikssgssxr isskssixsuchss ist!- - a i r ung an ei- Fiesiti Fckll geh: skjlzttizersoielinklhrufso leicht gewesemNdaß sie aaugeor ae eine r"un u «. « scheint es hiernachszdas Kainszeichegu Terfsllztclerworsxlilihesili durfte der Versucher nicht schon an seiner Stirn tragen; iån Gxckhgkntheil erschieu er deni HErrn bei derlersten ersu ng etwa in Menschen estalt, als ute d und Rathgeber, bei der zweiizen aber kleigetererzskaehluiu das Gewand eines Engels szdes Lichts, als wäre er deren einer, denen befohlen ist, die Frommen auf ihren Händen zu tragen, bis er dann bei der dritten Versuchung nackt Jesus am Ende der 40 Tage dreimal vom Teufel versvugchtzä » g 33 nnd grob als Fürst dieser Welt hervortritt. Diese Auf- fassung ist ohne Zweifel, soweit sie den Satan betrifft, die richtige; derselbe verhüllte das erste und zweite Mal sein eigentliches, diabolisches Wesen und wollte des Menschen Sohn in ähnlicher Weise täuschen, wie er die Menschen täuscht (in Betreff der zweiten Erscheinung vgl. l. Kön. 13, 7 fs.) , zuletzt aber bleibt ihm iiichts übrig, als sein Visir auszuschlagen und die Verhüllung fallen zu lassen. Wenn man nun aber zugleich annimmt, Jesus hätte von Haus aus so wenig gewußt, mit wem er es ecgentlich zu thun habe, als er in Mark. 13, 32 ein Nichtwissen von sich für den Stand seiner Erniedrigung aussagt, so ist das entschieden falsch: ,,schon das fromme Volks efühl ist in solchen Sagen, welche die Blendwerke der aukler an den Augen nnschuldiger Kinder und reiner Jungfrauen zu Schanden werden lassen, über diese Anschauungsweise hinaus, die das Auge Christi abhängig macht von den Täuschungskünsten des Lügen- fürsten.« Er, der in den Herzen der Satansknechte die verborgensten Gedanken, ohne zu irren, las , erkannte stcherlich den Satan gleich auf den ersten Blick nnd an dem ersten Wort; die Macht des Verführers konnte wohl auch bis an ihn herandringen und dessen List sich an ihm wie an andern Menschenkindern versuchen, aber über eine wirklich berückende Macht, über eine, auch nur für einen Augenblick in Jrrthum bringende List des Höllengeistes ist der HErr schlechterdings erhaben. Der Teufel erscheint hier eben als ,,ditmmer« Teufel, wie des Volkes Mund ihn bezeichnet, wenn er nicht von Haus aus begreift, daß er Jesum nicht betrügen kann; und dieselbe Dummheit tritt zu Tage, wenn er hernach, wo er» sich zeigen muß als den, der er ist, und Jesu den hochsten Preis versprichh von ihm» voraussetzh auch er habe einen.Preis, für den er seine Tn end feil biete. Es ist ganz zntrefsend, was Nebe schrei t: »Wie ein Zittern und Zagen den HErrn übersiel, als Satanas in der andern Versuchungs estalt, den Kelch der Leiden in der Hand, stch ihm na ete, so hat auch hier bei dem Herantritt des Versuchers eine geheime Antipathie (Nati·irscheu) sich seiner ,bemächtigt,» der Gifthauch der satanischen Rede traf wie ein schneidend scharfer Wind die rein gestimmten Saiten seines Herzens; aber es war seine Aufgabe, in Niedrigkeit, und nicht durch Macht, den Teufel zu überwinden, darum ging er dem Ver- sucher nicht alsbald mit dem Worte entgegen: Jch kenne dich, Satan, weiche von mir! sondern ließ ihn ruhig an sich herankommen, ließ ihn in dem Wahne, er wisse nicht, mit wem er es zu thun habe, und unterzog sich willig der Versuchungll Schließlich sei noch bemerkt, daß die Pilger in der Quarantania-Wüste brodähnliche Steine aufheben; es sind nierenförmige Feuersteinknollem welche das Volk für oersteinerte Früchte aus der Kata- strophe von Sodom und Gomorrha hält, nnd heißen auch lapides judaici (Judensteine). 4. Und er— [ohne erst auf ein Disoutiren sich einzulassew wie vormals Eva gethan I. Mos. 3,2 f.] antwortete und sprach: Es stehet sin 5. Mos 8, s] eschriebent Der Mensch lebet nicht vom rod alleine, sondern von einem jeg- lichen Wort, das durch den Mund Gottes gehet [,,mein Amt erfordert, daß ich auf dies-Mal durch meinen Hunger Adams und Evas sündliches Essenbüßen und des menschlichen Geschlechts Seelen: hunger stillen soll; ich thue das Meine, wie es mein Amt mit sich bringt, und lasse meinen Vater für das Seine sorgen, wie er mich wird können und sollen erhalten:« Herbergers DächsePs Bibelwert Ueber den Sinn der Worte haben wir schon in der angeflihrten Stelle selbst gesprochen; für jetzt beachten wir nur noch eine Bemerkung von Oosterzee: Es ist merkwürdig, von welch hoher Bedeutung auch die Theile der Schrift sein können, die uns, oberflächlich betrachtetj weniger wichtig für christliches Glauben und Leben er- scheinen; alle drei Citate des HErrn sind aus einein und demselben Buche Oeuterononiium —- 5. B. Mose) entlehnt, und doch ist ihm das Wort Gottes aus diesem einen Buche genug, den Teufel mit seiner Macht in die Flucht zu jagen. 5. Da [weil ihm der erste Versuch, Jesum zu verführen, nicht gelungen war] führete ihn der Teufel mit sich [indem er ihn mit einer gewissen Gewalt in seine Arme nahm und aus übermensch- liche Weise mit sich entrückte, vgl. Aposig 8, 39] in die heilige Stadt lJerusalem Kap. b, Bd; 27, 53; Jes. 48, 2; 52, 1; Nehem. 11, 1., jetzt e1 Kuds genannt Jos.15, 63 8Anm.] und stellete ihn auf die Zinne des Tempels [s. Anna. zu V. 7 , wohl zu der Zeit, wo unten im Vorhof nun bald das tägliche Morgenopfer vor sich gehen sollte 4. Mos. 28, 8Anm. —- man halte dem ent- gegen, was etwa 3 Jahr 2 Monate später beim täglichen Abendopfer für ein Gotteswunder drinnen am Tempel-Vorhang geschah Kap. 27, Eil» und wie damals wenigstens Ein Augenzeuge zugegen war, der zu Jesu bekehrt wurde 2". Mos. so, 8 Anm.], b. Und [der Teufel] sprach zu ihm [nun zeigend, daß auch er von der Schrift etwas wisse, aber diese nicht im Dienste der Gerechtlgkeit ver: wendend, sondern zum Zweck seiner listigen Anläufe mißbrauchend]: Bist du Gottes Sohn [dem es ja darauf ankommen muß, gleich von vornherein für das, was er ist, anerkannt zu werden, der aber auch alle Zusagen, die Gott den Frommen gegeben, im besonderen Maße auf sich beziehen darf] so laß dich [vor den Augen derer, die jetzt im Heiligthum sich versammeln werden, durch einen jähen Sprung] hinab seine Gefahr hast du dabei nicht zu fürchten]; denn es stehet [wie du so wohl weißt, wie ich, in Pf. 91, 11 f.] geschrieben: Er [der deine Zuversicht und deine Zuflucht ist] wird seinen Engeln über dir Befehl thun, und sie werden dich auf den Händen tragen, aus daß du deinen Fuß nicht an einen Stein stoßest swie aber werden die da unten staunen nnd alsbald als dem rechten Messias dir zujauchzem wenn sie sehen, wie der jähe Sprung so gar nichts dir schadet]. 7. Da sprach Jesus [dem es nur darauf ankommen konnte, die Seelen zur Erkenntniß der Sünde und zum Suchen der Gnade zu erwecken, nicht aber die Augen der Leute zu blenden und ihre Herzen zu berücken, wie hier ihm zugemuthet wurde] zu ihm [dem Versucher, dem im Gegentheil gar viel daran lag, den rechten Weg zur Seligkeit den Menschen gleich anfangs zu verderben und Gottes Erlösungsabsichten zu Schanden zu machen]: Wie- derum [an einem andern Orte, von dem du frei- N. T. I. Z 34 lich nichts wissen magst, weil es deinen Absichten schnurstracks zuwiderläuft] stehet auch eschrieben fnamlxch m 5. Mosz 6, 16]: Du ollst Gott, deinen HErrm nicht versuchen sund ein Gott: versuchen ist es doch ohne Zweifel, auf einem an- dern Wege zum Ziele kommen wollen, als den Gott verordnet hat, sich ohne Noth und Beruf in Lebensgefahr stürzen und in frevelhaftem Uebermnth zu Wunderhilfen ihn herausforderns I. Wie wir in den Schlußbem. zum I. Maccabäerbuch Nr. 11, d schon angedeutet haben, hatte Herodes der Große im 18. Jahr seiner Regierung den Umbau des serubabelschen Tempels in Angriff enommen, aber auch bereits in H, Jahren das Tempel aus und in 8 Jahren die Vorhöse zu Staude gebracht; dabei ließ er zugleich die Burg Baris an der Nordweftseite der Moriasläche wiederherstellen und machte aus ihr die Zwingseste Antonia. Diese Gebäude, der Tempel mit der Burg Antonia, kommen nicht nur hier, sondern noch oft in der biblischen Geschichte des neuen Testatnents in Vetrachh und ist es zum rechten Verständniß der hierher gehörigen Begebenheiten durchaus erforderlich, daß wir eine klare Vorstellung davon haben, weshalb hier eine, von der Ostseite oder dem Oelberge ans (Luk.19,41ff.; Mark. 13, 3 ff.) aufgenommene Zeichnung folgt, so— gut siessnach den vorhandenen Hilfsmitteln sich hat entwerfen a en. Evangelium Matthäi 4, 7 (Anm.). ist es allerdings sehr schwer gemacht, eine bestimmte Anschauung sich zu verschafferr. —- Der Tempelplatz, der nach dem Talmud 500 Ellen iu’s Gevierte maß, nach Josephus einen Umfang von 4 Stadien (40 Sta- dien l deutsche Meile) hatte, war terrassenförmig angelegt, so daß ein Vorhof immer höher lag als der andere , .der Tempel selbst aber am höchsten, wes- halb er in der ganzen Stadt gesehen werden konnte und wegen der verschwenderisch angebrachten goldenen Zier- rathen an der Fronte besonders im Sonnenschein einen äußerst imposanten Anblick gewährte. Da dort, wo nicht Gold schimmerte, der weiße Marmor hervortrat, so glaubten Fremde, die ihn zum ersten Mal sahen, einen Schneeberg zu erblicken; so begreift man den Aus- ruf des Jüngers (Mark. 13, 1), der beim Herausgehen aus dem Tempel nicht umhin konnte, zu Jesn zu sagen: ,,Meister, welche Steine und welch ein Bau ist das!« Denn Josephus berichtet, daß manche von den Steinen eine Länge von 45 E., eine Breite von 6 und eine Höhe von 5 E. gehabt haben. Der äußerste Vorhof (A) den auch Heiden und Unreine betreten durften, war auf allen 4 Seiten von einem Siiulengange umschlossen. Der auf der Ostseite (a) ist die in Ioh.10, Es; Apostg 3,1l; S, 12 erwähnte Halle Salomonis (l), so genannt, weil sie auf Substructionen oder Unterbauten ruhte, die noch aus Salomos Zeit sich herschrieben; sie bestand aus 3 Reihen von 25 Ellen hohen Marmorstiulem die vorderste (nach Osten zu) mit der halben Dicke in die äußere Umfassungsmauer (wir haben diese auf unsrer Der herodianische Ceknpet Obgleich nämlich Josephus über des Herodes Tem- pelbau ausführlich berichtet, ist seine Darstellung im Einzelnen doch nicht ohne Uebertreibung nnd nicht klar und deutlich genug; dazu kommt, daß die des jiidischen Traktats Middoth mehrfach von ihr abweicht, und so Zeichnung nicht mit angegeben, um die Durchsicht frei zu lassen) eingebunden. Die beiden, dnrch die 3 Säulen- reihen gebildeten Gänge waren zusammen 30 Ellen breit ! und hatten ein Cederndach und einen Mosaikboden von bunten Steinen. Ganz gleiche Doppelhallen zogen sich auf der Nord (d)- und West (c)-Seite herum; auf der letzteren waren sie von 4 Thoren unterbrochen; von denen wir nur die beiden südlichen (4 u. Z) haben andeuten können, weil die beiden andern hinter das Tempel- gebäude in ähnlicher Entfernung von einander zu liegen kommen. Das südlichste (3) führte über eine Brücke nach dem Zion und dem Königspalast hinüber. (s. den Z. Grundriß zu 1. Kön. 7, 5: h). Dagegen befanden sich auf der Südseite (b) nicht blos Z, sondern 4 Reihen von Säulen, die mit einander drei Gänge bildeten; der mittelste (2) war 75 Fuß breit und über 100 Fuß hoch, während die beiden andern nur eine Breite von 30 F. und eine Höhe von 60 Fuß hatten. Die Decken bestan- den aus gekreuzten Cedernbalken und waren reich mit Schnitzwerk verziert; die Zahl der riesigen Marmor- säulen, welche einen Umfang von 12 F. und reiche korin- thische Kapitäle hatten, betrug nach Josephus l62, wo- für aber wohl 164 anzunehmen sein dürfte, so daß in jeder Reihe 41 Säulen standen· Diese Halle hieß die königliche: Josephus nennt sie das merkwürdigfte Kunstwerk, das je die Sonne sah, und bemerkt, wer Von ihrem Gipfel herabblickte, den wandelte wegen der Höhe des Baues und der Tiefe des unten sich hinziehenden Kidronthales der Schwindel an, und wird daher von den Auslegern unter der ,,Zinne des Tempels« in V. 5 entweder diese Stelle verstanden, oder aber das Dach über der Halle Salomonis auf der Ostseite, Ivo man ebenfalls in eine schwindelerregende Tiefe hiuabblicktq indem hier der von weißen Quadern aufgerichtete Unter- bau theilweis 400 Ellen maß. Unter der Außenmauer der Königshalle führteein doppelter gewölbter Thorweg (auf der Zeichnung nach der Jnnenseite mit 5 bezeichnev zu den unterirdischen Gewölben und Wafserbehältern (1. Kön. 7, 26 Anm.): s. die nachstehende Abbildung. Ein andrer unterirdifcher « Gang zog unter der Mauer der Nordseite (d) sich zur Burg Antonia G) in, von dessen hohem Thurm auf der Südostecke (Schlußbem. zu l. Matt. Nr. 11 d) der ganze Tempelplatz beobach- tet werden konnte. Betreten wir jetzt den Vorhof der Heiden selber (A), so be fanden sich in demselben au- ßer einer Synagoge, die bei Lnk. L, 46 in Betracht kommt, auch Zimmer fiir die Leviten, wo sie ihre Opfergefälle ver- zehrten, nnd die Baden, bei oder in welchen der Hohe- rath später seine Sitzungeii hielt; ihre Stelle vermögen wir nicht näher zu bezeich- ·» neu, vielleicht waren sie in die Hallen eingebaut. Eben- f « so wurde in diesem Vorhof ein Tempelmarkt gehalten, auf dem man theils Opfer- thiere (Ochsen, Schafe, Tauben) nebst Mehl und Salz « sei! bot, theils Gecdwechsiekgeschkifte trieb (Kap. 21, 12 f.; l Joh. 2, 14 f.), und war der Verkehr besonders um die Pafsazeit sehr stark, aber auch um so störender für die, welche dort ihre Andacht verrichteten. Vielleicht waren l auch einzelne Stellen des großen Heidenvorhoss mit Bäumen bepflanztz wie es gegenwärtig beim Harz-m ersah shcrrif (1. Köm S, l Anm. Z) der Fall ist, was eine Beziehung auf Pf. 52, 10; 92, 14 haben würde; sonst aber war der Fußboden gepflastert, und sind es i Veschreibung des herodianischen Tempels. wasserschtucht untern: Tenipekn 35 wohl die Steine dieses Pslasters, die bisweilen im Dienste des Fanatismus lJoh. 8, 59) oder zur Abwehr gegen einen stiirmenden Feind (-10sepl1. hell. Jud. VI, l. (s.) ausgerissen wurden. Nicht unmittelbar aus dem äußersten Vorhof, den wir eben beschrieben haben, ge- langte man zudem zweiten, dem Vorhof Jsraels, fon- dern zunächst trat einem einige Stufen höher ein 3 Ellen hohes Steingitter (7) entgegen, an dem sich in gewissen Entfernungen Säulen mit griechischen und lateinischen Inschriften befanden, welche den Nichtjuden und levitisch Unreinen das weitere Vordringen bei Lebensstrafe unter- sagten (Apostg. 21, 28 f.); weiter durfte sogar Herodes selbst nicht gehen, da er von Geburt ein Edomiter war. Man stieg 14 Stufen aufwärts und kam zu einer Fläche von 10 E. Breite (8), im Talmud der Zwinger ge- nannt, wo die Juden, wenn sie denselben heiraten, sich dreizehn Mal zu verneigen pflegten. Jetzt traf man auf die Mauer des eigentlichen Vorhofs, welche von ihrem Fundament an 40 Ellen hoch war, aber wegen der vorgelegten Treppenftufen viel niedriger erschien. Durch die 9 Thore dieser Mauer (s. den nachher folgen- den Grundrisx 9, 26, 28, 30, 32, 33, 31, 29 u. 27) kam man wieder auf einer Reihe von Stufen in den inneren Tempelraum, der 15 Ellen höher lag als der Zwinger. Wir treten durch das Ost-Thor (9), im Talmud das Nikaiiorthor genannt, aus korinthifchem Erz erbaut und durch größere Höhe und Breite, sowie durch reichere Verzierun mit edlen Metallen als Hauptthor gekennzeichnet tdaher in Apostg. Z, Z. 10: »die schöne Thür«), in den, 135 Ellen im Viereck messenden Vor- hof der Weiber (B), die nicht weiter als bis zu diesem nach ihnen benannten Raum vordringen durften. Aus dem Vorhof der Weiber gelangte man in den, durch eine Mauer davon geschiedenen, aber um 15 Stufen- erhöhten Vorhof der Jsraeliten (11), der 135 Ellen lang und l! E. breit war und die Bestim- mung hatte , diejenigen Israeliteii aufzunehmen, - welche unmittelbar« beim Gottesdienst betheiligt wa- ren mamentlich auch die sog. Standmänner 4. Mos. 28, 8 Anm.), während die andern im Frauenvorhof Z blieben (Joh. Z, i30), dersiir 15,000 Menschen Raum — bot· Dieser Vorhof der , Israeliten lag auf gleicher Fläche mit dem Vorhof , der Priester sc) von « demselben durch ein steiner- nes Geländer von l Elle Höhe abgeschnitten. Die aus dem Vorhof der Wei- ber in den der Männer sührenden Stufen des Ein- gangs (l0) waren halb- zirkelförmigx ihre Zahl betru funfzehn, und sollen von ihnen nach der Aussage der abbinen die sog. l5 Stufen-Psalmen (Pf. 120—— 134 — Luther: Lieder im höheren Chor) ihren Namen haben, indem am Abend des ersten Laubhüttentages bei der Freudenfeier des Wafserschöpfens (s.» Mos. Es, 43 Anm.) die Leviten auf diesen Stufen musicirten Da jedoch die in Rede stehende Treppe wohl erst im hero- dianischen Tempel angebracht war, so ist vielmehr um- gekehrt die Zahl ihrer Stufen nach der Zahl jener Psalmen bestimmt worden. Jn seiner ganzen Aus· Z? 36 Evangelium Matthäi 4, 7.-Anm. dehnung von Oft nach West maß der Priestervorhof 176 Ellen, von Süd nach Nord aber nur 135 E. Von jener Länge kommen 11 E. auf den Raum östlich vom Brandopferaltar (l·:2), 32 E. auf den Altar selbst, 22 E. auf den Raum zwischen Altar und Tempelhaus, 100 E. auf den Tempel und 11 E. auf den Platz hinter dem Tempel; von dieser Breite dagegen kommen 48 E. auf den Raum bis zu den Stufen des Vrandopferaltars, 62 E. auf die Rampe und den Altar, 25 E. auf den Raum nördlich vom Altar. Letzterer, viereckig und in dreifacher Abstufung (1. Kön 7, 23 Anm.) aus unbe- hauenen Steinen erbaut, war 30 E. lang und breit und 15 E. hoch; an der Südseite maß der, ebenfalls aus unbehauenen Steinen errichtete Aufgang (oder die Rampe) 32 E. Tiefe und 16 E. Breite. Mit dem südöstlichen Horn des Altars stand eine Röhre in Verbindung, welche durch zwei Oeffnungen das an die linke Seite des Altars gesprengte Blut der Opferthiere in einen unterirdischen Kanal zum Kidron hinabführtez ebenso war unter dem Altar eine Grube, in welche die Trankopfer abflossen. Zwischen Altar und Tempel, etwas füdlich, stand das W asch b e ck e n für die Priester (13). Sämmtliche Vorhöfe, auch der der Priester, waren mit Steinplatten belegt; da nun die Priester, weil sie barfuß dienen mußten, auf diese Weise sich leicht erkälten konnten , war für sie ein besonderer Arzt bestellt. Das Tempelh"aus, auf wel- ches wir nunmehr zu sprechen kommen, lag noch 12 Stufen höher als der innere Vorhof; es war auf neuen Fundamenten von weißen Marmorquadern, die zum Theil 45 Ellen lang, 5 E. hoch und 6E. breit gewesen fein sollen, mit reichster Vergoldung inwendig und aus- wendig erbaut. Die Länge und Höhe des ganzen Ge- bäudes betrug 100 Ellen; in Betreff der Breite aber müssen wir unterscheiden zwischen dem Raum für das Heilige nnd Allerheiligste (15), der nur 60 E. maß, und der Vorhalle, die in der Richtung von Süd nach Nord (I4—14) sich 100 E. h1nzog, so daß sie auf jeder Seite einen Vorsprung von 20 E. hatte und ihre Breite eigentlich ihre Länge war, während die wirkliche Breite auf 20 E. sich berechnete. Dies sind die Maße für die äußere Ausdehnung, wobei die 5 E. dicken Mauern mit in Anrechnung gebracht find. Von den 100 E. Länge der Vorhalle nun (in der Ausdehnung von S. nach N.) kommen« 2 X 5 = 10 E. auf die Umfassuugs- Mauern, 2 X 20 = 40 E. auf die beiden Flügel- kammern (16), in welche11 die Schlachtmefser aufbewahrt wurden, nnd 50 E. auf den eigentlichen Raum der Halle m der angeführten Ausdehnung (17); ihre Tiefe etrug l0——11 E., dxe Höhe dagegen 90 E. Sie hatte ein 70 E. hohes und 25 E. breites offenes Portal ohne Thüren (18), und war inwendig ganz mit Gold über- kleidetx von der Decke derselben frei herab hing als plasttsche Darstellung des prophetischen Symbols in Jerem. 2, 21; Hesek. 19, 10 eine goldene Riesenwein- rebe mit mannsgroßen Trauben, an den beiden Seiten links und rechts von dem Durchgang befanden sich 2 Tische, einer von Marmor und der andere von Gold, aus welche der Priester beim Hinein- und Herausgehen aus dem Heiligen jedesmal die neuen und alten Schau- brode ablegte, der Eingang in das Heilige (19) aber war durch einen vierfarbigen babhlonischen Teppich ver- s» hängt und mit zwei offenstehenden Fltigelthüren versehen (5o· hoch und 16 E. breit). Treten wir ein in das Heilige, fo maß der ganze, auch das Allerheiligste um- fasfende Raum (15) 60 E. Höhe und 20 E. Breite und 60 E. Länge; von dieser Länge kommen 40 E. auf das Heilige und 29 E. auf das Allerheiligste, beide Räume waren von einander geschieden durch eine hölzerne Zwifchenwand, mit einer Thür und einem Vorhang versehen (vgl. hier und fernerhin den nachher folgenden Grundriß, auf dem Nr. 20 den Eingang in’s Heilige, Nr. 21 den in’s Allerheiligste bezeichnet). Während das Allerheiligste ganz leer war, indem an Stelle der feh- lenden Bundeslade (2. Kön. 25, 17 Anm.) nur ein Stein (22) sich befand, enthielt dagegen das Heilige drei Geräthe: den Rauchopferaltar (23), den goldenen Leuchter (24) und den Schanbrodtisch (25). Ueber beiden Räumen waren Oberkammern (1. Kön 6, 2 Anm.) an- gebracht, welche die übrigen 40 E. der Gesammthöhe des Gebäudes ausfüllten; bei der Vorhalle hingegen blieben nur 10 E. übrig , diese nahm das Gebälke für das nach griechischem Muster schräge Dach ein. Das dahinter liegende Tempelhaus hatte ein niedriges Giebel- dach mit einem Geländer von 3 E. Höhe, und war auf dem Grate oder dem umlausenden Kranze mit vergol- deten Spitzstangen versehen zur Abhaltung der Vögel; hieran denken mehrere Ausleger bei der »Zinne des Tempels« in V. 5 unsers Kapitels Es bleibt nur noch übrig, auch die Anbauten des Tempelhauses in Be- tracht zu ziehen, welche ebensowenig fehlten wie beim salamonifchen Tempel (1. Kön S, 5——-10). Sie bestan- den in 3 Stockwerken, die das Heiligthum auf der Siid-, Weft- und Nordseite umgaben , inwendig 10 Ellen breit, zusammen aber nur 60 E. hoch, so daß das Hei- ligthum um 40 E. über diese Anbauten emporragte, was auf unsrer Zeichnung suh nicht darstellen ließ; Wendeltreppen führten aus dem unteren in den mittleren und oberen Stock, und alle drei Stockwerke enthielten nach der Angabe des Talmud 38 Kammern, was aber nicht genau zu fein scheint. Um aber alle, für die biblifche Gefchichte wichtigen Punkte gleich hier zu erledigen, müssen wir noch den oben bereits angezogenen Grundriß folgen lassen, auf welchem der Buchft M nach einem hinter dem Tempel liegenden Thore verweist. ss Grundrifl des Tempels nnd der inneren Vorhöfe Ueber die erste und zweite Versuchung 37 Wir fassen da hauptsächlich die, die inneren Vorhöfe (B u. G) umgebende Mauer in’s Auge, welche außer dem schon angeführten Ostthor (9) noch 4 Thore auf der Süd- (26, 28, ZU, 32) und ebensoviel auf der Nord- seite (·27, 29, 31, 33) zählte; außerdem kommt in Be- tracht das aus dem Vorhof der Weiber in den der Jsraeliten führende Thor (10), das ,,obere Thor« ge- nannt, bisweilen aber auch, anstatt des Ostthores, als Nikanorthor bezeichnet. Es hatte zu beiden Sei- ten Gemächer (34 und 35), in denen die levitischen Tempelmusiker ihre Cymbeln, Pa11ken nnd sonstigen Instrumente anfbewahften Sämmtliche 4 Thore des Frauenvorhofs (9, 10, 26, 27) waren mit Gemächern bis 40 Ellen Höhe überbaut, jedes derselben war mit 2 Säulen von 12 Ellen im Umfange geziert, mit Dop- pelthüren von 30 E. Höhe und 15 E. Breite versehen (bei Nr. 9 betrug die Höhe sogar 50 E. und die Breite 40 E.) und mit Gold- und Silberplatten belegt; inner- halb der Thore aber zogen sich an den Wänden des Vorhofs einfache, von hohen und schön gearbeiteten Säulen getragene Hallen (36 u. 37) herum, während in den 4 Ecken desselben Zellen (leschak0th) angebracht waren: Nr. 38 für die Nasiräer (4. Mos. 6, 1 ff.) be- stimmt, wenn sie das Haar sich schoren und das Weih- opferfleisch kochten (Apostg. 2l , 26); Nr. 39 die Holz- kammer, wo Priester, welche wegen eines Fehlers nicht fungiren konnten, das für den Altar untaugliche Holz aussonderten; Nr. 40 die Kammer für Opserwein und Opferöl; Nr. 41 die Kammer der Aussätzigem in welcher sie behufs ihrer Reinsprechung der vorgeschriebenen Prü- fung unterzogen wurden (Kap. 8, 4). Das Thor an der Nordseite (27) hieß das Frauenthoy indem die Frauen in den Vorhof hier eintraten, die Männer aber von diesem Thor sich fern hielten; auf derselben Seite befand sich dann auch der Gotteskasten (Joh. 5 , 20; Mark. 12, 41 ff.) , bestehend aus 13 Opferstöcken (s. s) , welche oben eine Art Trichter zur Aufnahme der Opfergaben hatten und von denen 9 für die gesetz- liche Tempelsteuer und für Geldgaben anstatt der Opfer und 4 für freiwillige Beisteuern zum Holz, Weihranch, Brandopfer, Tempelverzieriing u. s. w. bestimmt waren. Gleicherweise wie der Weibervorhof, war auch der Priestervorhof umbaut, ja hier gingen die Gebäude theilweise (44 , 45, 46, 47) über das Gebiet desselben hinaus und reichten bis an den äußeren Vorhof heran. Sie dienten den Zwecken des Gottesdienstes und den Amtsverrichtungen der Priester; besonders bemerkens- werth ist aber Nr. 46: der Sitzungssall Gasith. Jn Jerusalem, so heißt es im Talmud, waren 3 Gerichts- höfe; einer hatte seine Sitzungen am Eingange des Tempel- bergs (im Thale Tyropöon), einer am Thore des äußeren Vorhofs (Nr. 4 der obigen Ansicht des Tempels), einer im Palais Gastth (Nr. 46). Die Stelle ist wichti zum Verständniß der Worte in Kap. 5, 21 f. Jm Gasit nun, in welchem die Mitglieder des Hohenraths im Halbkreis um den, gegen Westen fitzenden Präsidenten auf Bänken saßen, würde auch das Gericht über Jesum gehalten worden sein (Kap. 27, 1), wenn nicht kurz vorher (vierzig Jahre vor der Zerstörung des Tempels, wie der Talmud angiebt, also im J. 30 n. Chr.) vom Hohenrath beschlossen gewesen wäre, diesen Sitzungssaal auszugeben, weil die Römer die Gewalt über Leben und Tod an sich gezogen hatten; das Synedrium wanderte nun aus nach dem Vazar oder den Buden im Vorhof der Heiden, ohne daß sich die Stelle näher bestimmen ließe. Vgl. das oben S. 352 Gesagte. —- II. Auf unsern Textesabschnitt zurückkommend,» haben wir zunächst mit der Frage es zu. thun: wohin der Teufel den HErrn stellte, ob aus die Höhe der könig- lichen oder der salomouischen Halle (2 oder 1), oder aber auf die Dachfirste des eigentlichen Tempelhauses (14)? An letztere Stelle haben nun die Juden hernach- mals, am Osterfeste des J. 62 n. Chr. Jakobus den Jüngeren, den Bruder des HErrn, gestellt und eine Er- klärung über die Würde und Lehre dessen, zu dem er sich bekannte, von ihm verlangt; als sie ihren Wünschen nicht entsprach , stürzten die Pharisäer und Schriftge- lehrten ihn hinunter, ließen ihn steinigen und schlngen zuletzt mit einem Walkerholz ihn völlig todt. Dieselbe Stelle dürfte denn wohl auch hier gemeint sein, indem die Versuchung des Teufels darauf ausgeht, Jesus solle durch ein Schauwunder vor den Augen der Priesterschaft und der Volksoberen sich diesen sozusagen in die Arme werfen und gemeinschaftliche Sache mit ihnen machen, um leichten Kaufs zur Anerkennung seiner Messiaswürde zu gelangen; denn diese Anerkennung wäre gewiß sofort und ohne alle Umstände erfolgt, weil gerade damals die Obersten des Volks vollständig darauf vorbereitet waren, daß der Messias nun erscheinen werde, und mit einer gewissen Hast und Ungeduld auf seine Erscheinung war- teten, wie aus der Gesandtschaft des Hohenraths an den Täufer (Joh. 1, 19 ff.) hervorgeht. Gleichwienun bei der ersten Versuchung an den leiblichen Hunger, so kann bei dieser zweiten Versuchung der Teufel an eine (wir wollen uns einmal dieses Ausdrucks bedienen in der Voraussetzung, daß wir nicht mißverstanden werden) schwache Seelenstimmung bei Jesu anknüpfen. »Für seinen Lebensberuf, zu dem» er bei der Taufe die Gottes- weihe empfangen, für die Ausgabe , der wahrhafte Messias Jsraels und die Erfüllung aller Hoffnungen dieses seines Volks zu werden, schlägt Jesu Herz hoch, als er in die Wüste eintritt und da unter Gebet und Betrachtung sich 40 Tage und 40 Nächte lang in die Tiefe seines Amts versenkt. Aber je länger je mehr dringt bei Erwägung seiner Ausgabe, bei Durchdenkung seines Berufs anges ein scharfes Schwert durch seiue Seele; er siegt, daß Gottes Gedanken nicht Jsraels Gedanken, und des Volkes Wege nicht Gottes Wege sind, erkennt, wie der Eckstein, den Gott in Zion gelegt hat, von den Bauleuten verworfen werden und der Aus- gang dahin führen wird, daß das alttestamentliche Zion, in dem der allmächtige Gott so lange gewohnt und ge- arbeitet hat, zusammenstürzt und das verblendete Volk in seinen großen Fall hineinreißt.« Eine gleiche Herzens- stimmung also wie die, als der HErr vom Oelberge aus der Stadt ansichtig wurde und über sie weinete (Luk. 19, 41 ff.), nimmt er auch jetzt von seinem vierzig- tägigen Sinnen und von der Vorbereitung zu seinem Amte mit hinweg; und diese gedrückte Gemüthslage, die dem Satan nicht weniger als vorhin der Hunger Jesu unbekannt war, scheint demselben Erfolg für seine Ver- suchung zu versprechen. Jesus, den Weg des Versuchers verwerfend und Gottes Wege, so schwer sie seinem, für Israel hochschlagenden Herzen werden mußten, mit ganzer Entfchiedenheit erwählend, hat denn auch bei der zwiefachen Reinigung des Tempels (Jöh. ·2, 14 fs.; Matth. 21, 12 f.) sowohl am Anfang als am Ende sei- ner prophetischen Wirksamkeit in den schroffsten Gegensatz zu der fleischlich und ungöttlich gesinnten Priesterschaft sich gestellt und damit thatsächlich die Antwort auf den eigentlichen Kernpunkt der satanischen Zumuthung gegeben. Es handelte sich da nm die Ueberwindung der sündlicheu Entwickelung des Menschengeschlechts in ihrer Mitte; denn wie die Geschichte der menschlichen Sünde ihren Anfangspunkt hat in dem Falle des ersten Adam und ihren Höhepunkt in der Teufelsvergötterung des Anti- christ, so hat sie auch ihren Mittelpunkt, nämlich in dem Zerrbilde, wrlches der fleischliche Sinn Jsraels aus dem prophetischen Messiasideal gemacht hatte. Weiter be- schäftigt uns die andere Frage: wie führte der Teufel 38 gägEvangelium Matthäi 4, 8. 9. den HErrn mit sich in die heilige Stadt und stellte ihn auf die Zinne des Tempels? Daß der Satan seinerseits durch die Luft fahren kann auf den Flügeln des Win- des, erregt keinen Anstoß: als ein höheres geistiges Wesen ist er, gleichwie die guten Engel (Ps. 104, Hi; Luk. 2, 9. 13. 15), deren Natur er ja ursprünglich theilt, nicht an die Scholle dieser Erde festgebannt. Wie seine persönliche Freiheit, so ist ihm auch der Besitz sei- ner höheren Kräfte nach feinem Falle geblieben; und wie es ihm unter besonderen Umständen , wo Gott es ihm zuläßt, nicht an der Macht fehlt, sich zu versicht- huren, so daß er in 1. Mos. 3, 1 ff. den Schlangenleib sich anorganisirt, in V. 3 unsers Kapitels aber dem HErrn in Gestalt eines frommen Pilgrims, eines theil- nehmenden Freundes, und hier in dem Aufzuge eines heil. Engels erscheint, so kann es um so weniger ihm an der Macht fehlen, sich frei durch die Luft zu bewegen, wohin er will, ist er doch der Fürst, der in der Luft herrschet (Ephes. 2, Z; s, 12). · Daß nun. aber auch Jesus seinerseits den Weg durch die Luft mit ihm macht, läßt sich auf zweierlei Weise erklären. Entweder war der Err jetzt ebenso, wie später bei der Kreuzigung in die ewalt der Knechte Satans, in die des Satan un- mittelbar dahingegeben, daß dieser ihn gleichsam in seine Arme nehmen und mit sich führen konnte, wohin er ihn haben wollte; oder aber, wie der Geist Gottes den Philippus auf eine tibernatürliche, geheimnißvolle Weise vor den Augen des Kämmerers aus Mohrenland ent- rückte und nach Asdod versetzte (Apoßg. 8, 249 f.) , so war es auch hier der Geist des HErrn, der Jesum dem Versucher nachführte, hatte er doch zuvor ihn in die Wüste geführt, auf daß er von dem Teufel versucht würde. ,,Satans und Gottes Willen liegen nicht immer aus einander, sie kreuzen sich sehr oft; und wenn ich mich nach Analogie (Aehnlichkeit) der über den concursus Gottes (die göttliche Mitwirkung bei den menschlichen Handlungen, auch den bösen) von der alten Dogmatik mit gutem Recht aufgestellten Formel: concurrit Deus ad mater-take, non ad formale actjonis (Gott wirkt mit in Hinsicht auf das Materielle einer Handlung, d. i. auf die Handlung an sich oder als bloße Handlung ge- faßt, nicht auf das Formelle derselben oder auf das, was sie zu einer bösen Handlung macht) ausdrücken darf, so trifft hier quoacl inateriam der Wille Gottes und der des Satans zusammen, beide wollen, daß der Err versncht werde, quoad form-im aber laufen sie immelweit auseinander, Gott will durch die Versuchung den HErrn bewähren, Satan dagegen begehrt ihn zu fällen« Was die zweite Versuchung in ihrem Verhält- niß zur ersten betrifft, so bemerkt Ebrard: In zwie- facher Weise verfeinert sich hier die Versuchung. Das erste Mal hatte Jesus für sich und sein Wohlsein ein Wunder thun sollen, beim zweiten Mal sieht es so aus, als würde er, wenn er dem Satan willfahrte, nicht für sich, sondern zur Bekehrung und Ueberzeugung des Volks das Wunder vollbringen; das erste Mal hat Jesus selbst das Wunder thun sollen, und hier will der Versuche-c selber nichts anderes, als was Jesus ihm dort entgegengehalten hat, er soll nämlich auf den Vater sich verlassen und ihm seine Wege befehlen. Allein auch durch diese Künste läßt der HErr sich nicht blenden: es war des Vaters Wille, daß er ein Volk sich sammeln solle durch Bekehrung der Herzen, nicht durch ein Schau- wunder vor der Menge; der unbußfertigen Menge sollte vielmehr kein Zeichen gegeben werden, denn das Zeichen des Propheten Ionas (Kap. 16, 4). Hier lagen klar die beiden Wege vor ihmzentweder die Masse als un- bekehrte an sich zu locken, ihrer Wuudersucht, Neugierde und Eitelkeit zu schmeicheln, oder auf die Gunst der Masse zu verzichten und nur diejenigen zu sammeln, die der Vater ihm gab oder durch die vorbereitende, ziehende Wirksamkeit des heil. Geistes an ihren Herzen ihm zuführte. Weil denn diese zweite Versuchung auf einen engeren Kreis als die erste sich bezieht, nicht aus das Menschen efchlecht überhaupt, sondern auf das Volk, dem vein Mesias verheißen war; so tritt sie aus dem Bereich der Wüste heraus und hat ihren Ort in der heil. Stadt, und zwar näher an der Stätte, um welcher willen sie eben die ,,heilige« Stadt heißt. Bei der fol- genden dritten Versuchung dehnt dann der engere Kreis sich wieder aus zu dem weiteren; der Ort, wo sie vor sichsz geht, ist daher eiu hoher Berg, von dem aus alle Reiche der Welt gezeigt werden. 8. Wiederum fauch durch das Mißlingen der zweiten Versuchung noch nicht muthlos gewor- den, daß er doch» endliclrgewinnen und den Sieg hehalten werde] fuhrete ihn der Teufel kin der- selben Weise, wie vorhin V. Z] mit sich auf einen sehr hohen Berg kauf den Gipfel des Quarantaniaberges V. 1, der eine Höhe von 2500 Fuß hat und für Menschen gewöhnlich nicht zu eesteigen istJ und zeigete ihm kin einem Augenblick Luk. 4, 5., mittelst eines Zaubergesichts] alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit [alles, was die Erde für die Augen Bezauberndes und für das Herz Hinreißendes hat]. 9. Und sprach sals er nun meinte, in dem Herzen des armen Zimmermannssohns die heftigste Begierde darnach erweckt zu haben] zu ihm: Dies alles [was du hier beisammen gesehen] will ich snach meinem Verfügungsrecht, das ich darüber habe] dir geben, so du sjetzt auf deine Kniee vor mir] niederfållst Und mich fals den Gott und Herren der Welt Z· Con 4, 4; Ephes 6,i12 mich anerkennend] aubetesh Es handelt sich hienweder darum, einen so hohen Berg auf Erden ausfindig zu machen, Von dem aus alle Reiche der Welt gesehen werden können; noch braucht man, weil es einen solchen in der Wirklichkeit nicht giebt, anzunehmen, der Satan habe ihn aus der Erde hervorgezaubert, sondern es genügt überhaupt ein hoher Berg, von dem aus man eine weite Aussicht hat, denn was auf gewöhnliche Weise nicht gesehen werden konnte, war eine magische Darstellung und ein plötzliches An- schauenlwie im Bilde. »Hat Satan die Macht, daß er das Bild einer Welt voll Lust und Herrlichkeit dem Menschenkinde in der cameisa obscura seines Herzens zeigen kann, daß er durch seine Knechte wahrhafte Wunder (? vgl. 2. Mos. 7, 22 Anm.) wirkt —- wie wollen wir dem Meister die Kunst absprechen, vor den Augen des HErrn ein Tableau (Gemälde) in die Luft hinzuzauberky ein Tableau, welches nicht, wie die Bil- der einer Bision, mit dem inneren Sinne (denn dann hatte Satan eine Pforte in das Herz Jesu gefunden), sondern mit dem äußeren Sinne wahrgenommen würde? Wie das Auge des Sohnes der Wüste auf einmal in blauer Ferne eine liebliche Oase schaut nnd er bald zu se·inem»Schrecken inne wird, daß es ein neckend Natur- bild, eine wesenlose Luftspiegelung war (Jes. 35, 7 Anm.), so vergrößerte Satan das Panorama, welches auf dem Berge sehon an sich dem Auge des HErrn fich darstellte, durch seine Gaukelbilder in der Luft und zauderte in die Wolken einen Thron, vor dem die Völker der Erde ihre Kniee beugten; wie aber vor des HErrn Auge es kein Dunkel giebt, sondern ein Blick seinesAuges Niitternacht Die dritte Versuchung. 39 zu Mittag macht, so giebt vor seinem Auge es auch kein täuschend Gaukelbild, es zerfließt vor ihm sofort in sein Nichts — sobald er nur hinsieht, da schwinden die luf- tigen Bilder, wie vor dem Strahle der Sonne die Nebel wallen und fallen« Unverkennbar findet hier eine Nach- äffung dessen statt, was Gott der HErr mit Mose auf dem Berge Nebo (5. Mos. 84, 1fs.) thut; und zu- gleich haben wir hier eine Carricattir dessen, was Gott der HErr in 1. Mos. 13, 14 ff. mit Abraham nach fei- ner Trennung von Lot auf dem Berge bei Bethel »ver- handelt, wie man denn auf dem Quarantaniaberge den Berg bei Bethel in ziemlicher Nähe hat und nach dem Gebirge Pisga und dessen höchster Spitze hinüberschaut Wenn man nun von hier aus nichts von Jerusalem sieht, wohl aber die Spitzen des Oelberges in einiger Entfernung wahrnimmt, so ist auch das nicht ohne Be- deutung. Jn Pf. 2, 8 spricht Gott zu seinem Sohne, der zugleich Davids Sohn ist: ,,Heische von mir, so will ich dir die eiden zum Erbe geben, und der Welt Ende zum Eigent um.« Nun wissen wir freilich aus Gottes Wort, aus welchem We e der Vater diese seine Verhei- ßuug hinausführen wo te, nnd Christus kannte diesen Weg von Anfang sehr wohl — er führte über den Calvarienberg bei Jerusalem, über den Marterhtigel Golgatha; wenn dann alles nach des Vaters Rath würde hinaus-geführt und Jesus wieder auferweckt sein von den Todten, sollte er bei der Auffahrt vom Oel- berge aus mit verklärtem Auge auf alle Reiche dieser Welt herniederschauen, als die nunmehr sein eigen waren und künftig auch s einer Herrlichkeit voll werden wür- den. Aber jetzt, wo der HErr noch vor dem Anfang feines Erlösungswerks steht, waren aller Menschen Herzen, auch die der Frommen und Heilsempfänglichem mehr oder weniger in dem Jrrthum befangen, als handle es sich für den Sohn Davids um ein Reich von dieser Welt und um ihre, der Welt Herrlichkeiy und daß nun da- hin zu gelangen es für den aus seinem Erbe verdräng- ten, nur den geringen Stand eines armen Zimmer- manns einnehmenden Davidssohn keinen andern Weg gab, als den eines gewaltsamen Umsturzes aller beste- henden Verhältnisse, einer nur im Bunde mit dem Reiche der Finsternis; zu bewirkenden Revolntion, das ist der Gedanke, der in dieser dritten Versuchung sozu- sagen sich verkörpert und sie mit der zweiten Versuchung in unmittelbaren Zusammenhang setzt. Wie Jesus dort durch Anbequemung an den fleifchlichen Sinn des Bei- falls der Oberen seines Volks und der großen Masse sich versichern soll, um ohne Weiteres als Biessias Jsraels im Sinne der Erwartungen, die man von diesem hegte, austreten zu können; so soll er hier den Beistand derjenigen Mächte und Gewalten, ohne die nun einmal eine Revolution nicht zu Stande kommt, durch einen Vertrag für sich gewinnen, um der Römer- herrschaft ein Ende zu machen, ja selber in die Stelle des weltbeherrschenden Roms einzutreten. Es fchließt aber die dritte Versuchung auch andrerseits, wenn wir ihre universelle Bedeutung und die letzte Absicht, warum sie über Jesum verhängt werden mußte, in’s Auge fassen, mit der ersten sich zusammen. Dort erneuert sich, wie wir oben auseinandergesetztshabem die Urgeschichte des Menschengeschlechts; der zweite Adam muß die Prüfung, die der erste Adam zum schweren Nachtheil des menschlichen Gefchlechts so schlecht bestanden, wieder aufnehmen und dem Versucher den Sieg wieder abge- winnen, den dieser gleich über das erste Menschenpaar davongetragen. Hier aber bereitet sich der letzte Ent- scheidungskampf, mit welchem die Weltgeschichte auf Erden endigt, vor;» dem Christ des HErrn steht ein Antichrist der Welt gegenüber, es wird noch einmal ofsenbaret werden der Mensch der Sünde, in welchem « diese diehöchste Stufe ihrer Entwickelung erreicht, der Widerwartige», der sich überhebt über alles, das Gott oder Gottesdienft heißt, und giebt sich vor, er sei Gott. Der wird seiner Zeit wirklich vor dem Satan nieder- fallen und ihn· anbeten, der Satan aber wird ihm wirklich alleReiche der Welt und ihre Herrlichkeit geben, indem er mit allerlei lügenhaftigen Kräften und Zeichen und Wundern und mit allerlei Verführung zur Uiige- reohtigkeit unter denen, · die , verloren werden, ihm zu Hilfe kommt, daß er sein Ziel erreiche (·2.Thess.2,1ff.; Offenb »1’2, l8 ff.). Soll nun der Christ des HErrn dFIs ftttliche Recht haben, den»Antichrist der Welt der- einst umzubringen mit dem Geist seines Mundes, und des Menschen Sohn als solcher mit der Macht bekleidet werden , durch die Erfcheinni1g feiner Zukunft dem Menschen der Sünde auf einmal ein Ende zu machen, so muß er der furchtbarsten Versuchung, die dieser er- legen ist, selber ausgesetzt gewesen fein, sie aber siegreich bestanden habetlz Es »muß ihm in den Tagen seines Fleisches selber die Mdglichkeit nahe getreten sein, eine Ausgeburt der Hölle und ein Boshaftiger bis zu dem Grade, den die sündliche Entwickelung in der Menschen- natur überhaupt zu erreichen vermag, für feine eigene Person zu werden. Es klingt das wie eine Blasphemie des Heiligen, ist aber in der That keine, sondern viel- mehr eitle vollständige Anerkennung des größten Wun- ders, das je geschehen, der Fleifchwerdung des einge- borenen Sohnes Gottes. Hat dieser einmal die Men- schennatur an sich genommen und dem Rathschluß seines himmlischen Vaters sich unterzogen, der die ganze Sünde der Meiischenwelt auf ihn legen wollte, so mußte ebensogut das»Ende des menschlichen Verderbens, wie der Anfang desselben, auf ihn einstürmeiix und sollte keine Sünde der »Mens»chen so groß und schwer sein, daß sie nicht um segietwillen vergeben werden könnte, so durfte auch keine Sünde so» groß und. schwer sein, daß sie ihn nicht versucht und ihre Abweifung durch ihii erfahren hatte. Und woher sollten die Jiinger Christi, wekche die Versuchung der letzten schweren Zeit zu bestehen haben, ·die Kraft nehmen, sie siegreich zu überwinden, wennnicht ihr HErr diese Versuchung allbereits in sei- ner eigenen Person überwunden hätte nnd auch in die- sem Stücke gältez daß der Fürst dieser Welt gerichtet ist? »Die unerhorte Frechheit der Zumuthung, welche der Satanhier an Jesnm stellt, die indessen in ver- deckter Weise auch schon der ersten und zweiten Versu- chung zum Grunde liegt, wird aufgewogen durch die satanische Logik, daß es für jeden Menschen einen Preis gebe, »Um den seine Tugend ihm feil sei; das Ver- fucherische für Jesum aber liegt in der Kühnheit des Grifss, womit der Satan dem aus seinem Erbe ver- drängten Davidssohn, dem wirklich alle Völker zum Erbe und der Welt Ende zum Eigenthum verheiße1i waren, mit Einem Male das Glanzbild der Weltherr- schaft und Weltherrlichkeit aufrollt und zum Eigenthum anbieten« Nicht genug können wir dabei die Weisheit Gottes bewundern, die den Heiland soweit in des Satans Gewalt dahingab, daß dieser ihm seine Lust- und Gaukelbilder vormachen durfte. Denn ,,soll Jesus dereinst ein Richter der Lebendigen und der Todten sein, so muß er ja auch die Sünde genetisch (bis in ihre Entstehung hinein) verfolgen und anschauen; beim Gericht wird er genug solcher satanischen Vorspie elungen zu erkennen und zu berücksichtigen haben« Wir erinnern noch an die Scene: »Hexenküche« in Göthe’s Faust (tv. Theil)·, wo diesem in einem Zauberspiegel auch ein Bild gezeigt, dann aber ein Trank gereicht wird, und nun Mephistopheles leise, ohne, daß Faust es hören darf, zu ihm spr1cht: »Du siehst, mit diesem Trank im Leibe, bald Helena in jedem Weibe« 40 Evangelium Matthäi 4, 10-—-16. 10. Da snachdem der Teufel alle Versu- chungsmittel von Seiten der List und Berlockung erschöpft und er nun kein Recht mehr hatte, den HErrn in dieser Weise noch weiter zu versuchen] sprach Jesus zu ihm sdem anmaßlichen Herr- scher mit wahrhaftigem Herrscherwort gegenüber- tretend]: Helk dich weg von mir, Satan sdaß ich dich nicht mehr sehe! Was ich dir aus deine Zumuthung zu erwiedern habe, kann keinen Augenblick zweifelhaft sein]; denn es stehet sals erstes Haupt: und Grundgebot in Z. Mos S, is] geschrieben: Du sollst anbeten Gott, deinen Errn, und ihm allein dienen swas aber deinen Antrag betrifft, so werden gerade dadurch, daß ich deine Werke auf Erden zerstöre und die Menschen von deiner Gewalt erlöse, alle Reiche dieser Welt mir vom Vater zu Theil werden Philipp. 2, 6 fs.]. 11. Da [weil er sahe, daß er nichts aus: richtete, auch dem Herrscherwort dessen, den er gar wohl als den Sohn Gottes kannte V. 3 u. S, keinen Widerstand entgegensetzen konnte] verließ ihn der Teufel seine Zeit lang Luk. 4, 13., bis ihm die Macht gegeben werden würde, Jesum in anderer Weise —- sdurch Leiden des Todes -—- auf’s Neue zu versuchen Joh. 12, 27; 14, 30; Mark. 14, 32 ff.]; und siehe, da traten die Engel sdie bisher als Unsichtbare Zeugen seines Kampfes und Triumphes im Hintergrund gestanden] zu ihm und dieneten ihm [zunächst, indem sie ihm, dem Hungernden V. 2 ff., Speise brachten Luk. 10, 40; I. Kön. 19, 5., dann aber, indem sie für seine Berufswege ihre Schutzmacht V. 6 ihm zu Gebote stellten Luk. 4, 28 fs.; Joh. 7,, so; 8, 20 und schon jetzt ihm ihre Huldigung brachten als dem Ueberwinder des Satans und der Hölle V. 9 f.; Joh. l, 515 Hebt l, 6]. Jn 5. Mos 6,13 steht nicht das Wort ,,allein«, wohl aber bei den 70 Dolmetschern (Septuaginta), wie es denn auch dem Verstande nach darin steckt, denn die Ehre der Anbetu1ig, als der höchste Ehrendiensh gebüh- ret Gott allein; nnd was der Kraft nach im göttlichen Worte steckt (1. Sam. 7, 3), ist soviel, als stünde es auch mit soviel Buchstaben da, und kann zur Erklärung mit gutem Gewissen dazu gesetzt werden, wie Luther in Röm. Z, 28 thut. (Starke.) Du hast wohl auch schon gesagt: Hebe dich weg von mir, Satan! Aber in dir war auch eine Stimme, die sprach: Gehe nicht gleich weg, bleibe noch ein wenig, wir werden doch wohl noch einig (4. Mof. 22, 7 ff.). Dafür hat er gar scharfe Ohren und weiß sehr gut, ob hinter deinen Worten ein halbes oder ein ganzes Herz steckt; und nur, wenn ein ganzes Herz dahinter steckt, weicht er (1.Sam.24,2ff.). Darum bete ernstlich: Pf. 51, 12; Sprüchm 18, 10. (G. Lang.) Die Versuchungsgeschichte verbreitet das hellste Licht über die Person des HErrnt einerseits ler- nen wir ihn hier ans seinem eigenen Wort (V. 4) als Menschen, den Brüdern in allem gleich (Hebr. L, 17), kennen, andrerseits Verkündigt ihn der Satan selbst als Gottes Sohn (V. 3 u. 6), und dies Mal wenigstens ist der Vater der Lüge ein Zeuge der Wahrheit geworden; die wahre Menschheit des HErrn offenbart sich nicht weniger in dem Hunger, den er fühlt, als in seiner Fähigkeit, versucht zu werden, feine göttliche Majestät aber zeigt sich in der Weise, in der er kämpft, in dem Siege, den er erlangt, in der Krone, die er erwirbt. (Oosterzee.) Schon von mancher Prüfungsgeschichte auf Erden waren die Engel Zeugen gewesen: die Schrift, das ist bemerkenswerth, erzählt keine einzige große Prüfungsgeschichtz in der sie nicht ausdrücklich der Engel als auf irgend eine Weise dabei thätig oder darum wissend, und also gewissermaßen als Zeugen, erwähnt. So in der Geschichte der Prüfung Adams, Abraham’s, Hiob’s, Jsrael’s, Jesu Christi in der Wüste und in Gethsemane Schon von manchen Prüsungen also waren diese Engel Zeugen gewesen; aber noch keine hatten sie edler, demüthiger, glaubensvolley erhabener auskämpfen und glorreicher enden sehen als diese. O wie anders durften sie hier hinzutreten und dienen, als nach dem unglücklichen Ausgang des ersten Adam im Para- diese, wo sie auch hinzutreten und dienen mußten —- aber wie anders! Auch unseren Kämpfen sehen sie zu, diese demüthigen, liebevollen Geister, mit dem Wunsche inniger Liebe, daß wir uns wohl halten und stark und fest treten und wandeln mögen in den Fußtapsen des Vaters aller Gläubigen, in einer Welt und in einer Zeit, wo alles in Gemeinheit versinkt, wo jedes Bild des wahrhaftig Großen und Heiligen, und jede Richtung dazu ebricht und versagt ist, immer vor Augen habend die Feschichte und das Bild der wenigen göttlichen Menschen, derer die Welt nicht werth war, die es ver- achteten und ausschlagen, groß und gelobt zu sein im Auge und Munde einer faden und geistlosen Mitwelt, und den schönen Kampf des Glaubens auskämpften, hinsehend auf die Belohnung, verlangend nach. der Ehre, die allein von Gott ist, vor allem aber unverwandt hin- sehend auf den Anfänger und Vollender des Glaubens, welcher um der Freude willen, die er vor sich hatte, das Kreuz erduldete und die Schande verachtete. Und wenn wir uns wohl halten, wenn wir bestehen , wenn wir überwinden, so werden sie einst auch zu uns hin- treten, wir werden die Freude haben, sie persönlich kennen zu lernen, und sie werden uns dienen, werden uns lieben und uns Freude machen. (Menken.) Merk- würdig, wie die höchsten Entwickelungsmomente des Reiches Gottes zu allen Zeiten von einer erhöhten Reaction Gegenwirkung) des Reiches der Finsterniß begleitet waren! Wo die Geschichte der Menschheit an- fängt, zeigt sich der Vater der Lüge; wo Israel ein theokratisches Volk werden soll, ahmt er die Wunder Mosis durch die egyptischen Zauberei: nach; wo der Sohn Gottes im Fleische erscheint, vermehrt er die Zahl der Besessenen und fucht ihn selbst zum Falle zu bringen; und wo die letzte Entwickelung des Gottesreichs sich nähert, da wüthet er am heftigsten, weil er eine kleine Zeit hat: Ofsenb. 21, 7. (Lichtenstein.) Der HErr, der jetzt sein Werk beginnt, kann nicht damit anfangen, daß er diesem und jenem Bösen sich entgegensetzt, mit dieser und jener Erscheinun sform des bösen Princips sich zer- arbeitet, wie er ja ei uns sein Werk nicht also treibt, daß er diese und jene Untugend uns abgewöhnt, sondern das Böse in uns an seiner Herzwurzel angreift. Er kommt, wie der Täufer ihn gesehen hat, und legt die Axt dem Baum an die Wurzel; denn nur durch Ueber- windung des Princips aller Sünde im Himmel und auf Erden, oder, um richtiger zu reden, nur durch Ueberwindung dieses leibhaftigen Princips, des Teufels, kann er mit gesegnetem Erfolge sein Erlöfungswerk in der Menschheit anfangen, fortsetzen und vollenden. So erhält die Versuchung Christi eine weltgeschichtliche, eine universelle Bedeutung und nimmt in den Propyläen Jesus eröffnet nach des TäuferstGesangennehmung seine Wirksamkeit» in Galiläa 4l (Vorhöfen) der evangelifchen Geschichte ihre nothwendige Stelle ein. -— Der Satan hat den HErrn gefaßt an der dreifachen Richtung des allgemein menschlich-per- sönlichen Lebens, an dem Lebenstrieb, dem Ehrtrieb, dem Herrschertriebx er hat die drei Hauptueigungen ftir den Nienschem Genuß, Ehre und Herrschaft, an ihn sherangebracht Drei Netz-e, sagt der Teufel in einem c« alten Werke über des Matthäus - Evangelium, habe ich ; über alle Welt ausgebreitet, daß, wer den Netzen des L Genusses entronnen, in das Netz eitler Ehre stürze, wer aber auch diesem Netze entgangen, in das Netz der E Fxrbsucht falle; der HErr aber hat alle Netze mit Gottes ort durchrissem Satan hat sich erschöpfh er muß nun weichen. (Nebe.) Zu gleicher Zeit mit der Versuchung Jesu in der Wüste (nach unsrer Berechnung vom s 7. Januar — 15. Februar des J. 27 n. Chr.) traf eine ähnliche Versuchung seinen Vorläufer Johannes in der Wüste am Jordan (Joh. I, 19——28: 15. Februar), indem die Abgeordneten des Hohenrathes es ihm nahe genug legten, sich selbst die messiattische Würde beizu- legen; derselbe wollte aber nicht einmal für einen Pro- pheten angesehen werdeu, um nicht falschen Meinungen und Erwartungen irgend welchen Vorschub zu leisten. Des andern Tages nun zeugt Johannes vor etlichen seiner Jtinger von Jesu, daß er das Lamm Gottes sei, welches der Welt Sünde trägt, und bekennt ihn für den Sohn Gottes (Joh. I, 29——34: 16. Februar); an den beiden folgenden Tagen aber findet der HErr bereits fünf Seelen (Johannes, Andreas, Petrus, Philippus und Nathanael), die der Vater zu ihm ziehet, nachdem er es dem Teufel gegenüber verschmähet hat, durch Schauwunder die Menge an sich zu locken (Joh. 1, 35 ——51: 17. u. 18. Februar). Dann geht es auf die Hochzeit zu Cana, und Jesus fängt schon· an, sein Reich einzunehmen, das n1cht von dieser Welt Ist, wie Satan ihmvorspiegeln wollte (Joh. 2, 1———l1: 21. Februar). Nach einem kurzen Besuche in Kapernaum folgt die erste Reise aufs Osterfest, wo die verderbte Priesterschaft und die Oberen des Volks durch die Reinigung des Tempels vielmehr in ihren bösen Werken gestört werden, statt daß ihnen geschmeichelt würde (Joh. 2, 12——25: März u. April» doch auch unter ihnen begegnet der HErr einer empfänglichen Seele in dem Pharisäer Nicodemus (Joh. 3,1——21). Nun beginnt eine längere Wirksamkeit in Judäa und Jerusalem von Seiten Christi, während Johannes zu Enon taust (Joh. s, 22——36: 8——9 Mo- nate), bis dann Christus sich veranlaßt sieht, diese vor- länfige Wirksamkeit wieder aufzugeben, und durch Sa- maria, wo er am Jakobsbrunnen bei Sichem das Ge- spräch mit der Samariterin hat, nach Galiläa zurück- kehrt (Joh. 4, 1——45); von Cana aus heilt er den Sohn des Königischen zu Kapernaum (Joh. 46——54), entläßt aber dann seine Jtlnger in ihre Heimath und zu ihrem Handwerk und zieht sich selbst in die Stille nach Nazareth zurück, so daß er das Osterfest des J. 28 n. Chr. (29. März —- 5. April) nur als gewöhnlicher Festpilger besucht. Wenige Wochen darauf wird Johan- nes der Täufer von Herodes Antipas gefangen gesetzt; Jesus findet sich auch auf das Pfingstfest (Mittwoch, den 19. Mai) in Jerusalem ein, heilt den Kranken am Teiche Bethesda, und da die Obersten der Juden bereits anfangen, ihm nach dem Leben zu trachten (Joh. 5, 1 —47), zieht er sich vom Mittelpunkt des jüdischen Volkslebens, von Jerusalem, in das abgelegene Galiläa zurlick, um daselbst als Nachfolger Johannis dessen Wirksamkeit in höherer Weise fortzusetzen. Dies ist der Zeitpunkt, mit welchem die drei ersten Evangelisten ihre weiteren Mittheilungen beginnen. I. v. 12——17. (§. ge) die ganze Zeit von Christi nee- suchung durch den Teufel big zmn Beginn seiner Lehr- thätigkeit in Galiläa, zwischen welchen beiden pntiklen ein Zeitraum von ca. V, Jahren liegt (Joh. l, 19- 5, 47), fassen die drei ersten Eoangelislen in eine kurze Stiluma zusammen, die eine Wirksamkeit deo iljGrrn in Jndäa mittelbar zwar andeutet, im Uebrigen aber die- selbe außer Betracht läßt und ohne weiteres zu seiner Wirksamkeit in Galiliia von der Zeit an übergeht, wo Johannes nun ins; Gefängniß gelegt und aus-er Thätigi lieit geseht war. Jnsofern das angenehme Jahr des Eltern, von dem Jesus in Bitte. 4, 16 ff. redet, die ganze letzte Woche von den 70 Jahrwokhen in Man. V, 24 ff. in sich begreift, beginnt jetzt, sozusagen, das zw eite Quartalz eg ist aber dies zweite Onartal für Galiläa selber jenes angenehme Jahr des hehren im besonderen Sinne des Worts und ntnfaßt einen Zeitraum von l Jahr u. 4 Monaten Wsiugsten a. 23 big Eaubrüsl a. 29 n. Ehr.); Stjklatthäug thararterisirt ihn alg die Erfüllung noch einer andern, anf das tland Zabnlon nnd das Land Uaphtalim bezüglichen Weiffagung (Vgl. Mark. 1, 14 f.; Lust. 4, 14 f.). 12. Da nun Jesus [bei seiner Reise auf das Zfångjxfjxttzoeess 2å»n.fChrti, ? ; hgretg »; er auer, rein a. , »— näher mitgetheilt werden wird, ins Gefängniß] überantwortet war, zog er [nach Beendigung des eintägigen Festes, die Landschaft Judäa für längere Zeit verlassend] in »das galilåische Land, 13. Und verließ lwtederum m Galiläa] die Stadt Nazareth fseinen Heimathsorh von wannen man ihn, nachdem er am 29. Mai als an einem Sab- bath in der dortigen Schule gepredigt hatte, ver- stieß Luk. 4, 16 ff.], kam und wohnete zu Kaper- naum [Kap. 4, 25 Anm.], die da liegt am [galk- IäischeUJ ålzteer , an den Grenzen [der beiden Stämme] abulon und Naphthalim [Joh. 19, 10 —16· u. 32—39., vgl. Karte Il1.], 14. Auf daß erfüllet würde, das da gesagt ist durch den Propheten Jesaiam, der da Ein Kap. 9, V. l 2 LseindesZQtäeissagungsbgichsjfL spdrizhik 15. as an a ulon un as an eph- thalim [die, eines an das andere grenzend, gelegen sind] am Wege des Meers [an der aus Judäa, am Berge Tabor vorüber und dem See Genezareth entlang, über den Jordan nach Damas- kns fiihrenden HauptstraßeL jenseit des Jordan sferner das Ostjordanland aus der andern Seite des Sees], und die heidnische Galiläa fder nördlichste Theil dieser Landschaft], Its. Das Volk, das im Fintterniß fder Ver- wahrlosung und der Verachtung] saß [so daß man sie fast den Heiden gleich rechnete], hat ein großes Licht gesehen sm dem Propheten mächtigvon Thaten und Worten, vor Gott und allem Volk, der unter ihnen Vornämlich seine Herrlichkeit ge- ofsenbaret hat Luk. 24, 19; Apostg 10, 37], und gleerusjiictentlvdliitdlödimthåeejitiptåkkfdtxm Ddtidl religiösen Lebens in Israel, und bei ihrer Vermenguug 42 Evangelium Matthäi 4, 17. g mit heidnischen Jnwohnern und NachbarUJ saßen am Ort und Schatten des Todes [so daß sie wie der dem Verderben preisgegebene Theil des auser- wählten Volkes erschienen], denen ist [in dem trief- stanischen Heil, das ihnen zuerst gebracht worden] em Licht aufgegangen. Es ist eins von den mancherlei Verdiensten van de Velde’s (s. 1. Kön. 18, 20 Anm. 2), die Straße am Meer wieder ermittelt und verzeichnet zu haben (vgl.«die Karte Vl.): am Thabor vorbei zieht sie sich in das Land Genezareth hinab, geht dann von Viedschdel dem Ufer entlang bis zum Khan Miniyeh, wo sie das Ufer verläßt, um die nördlich gelegene Hochebene zu er- reichen, und zieht sich nun in gerader Linie bis an die Jakobs-Mücke, wo sie über den Jordan führt. — Die Worte aus Jes. 9 , l f. hat Matthäus frei nach dem Gedächtniß wiedergegeben, indem er sich dabei haupt- sächlich an die griechische Uebersetzung des alten Testa- ments, die sog. Septuaginta hält; sie wird überhaupt im neuen Testament vielfach anstatt des Grnndtextes benutzt, ähnlich wie wir Luther’s deutsche Uebersetzung als die wirkliche, ächte Bibel brauchen und die Sprüche nach ihr anführen, obgleich die Gelehrten so vieles anders aussassen, als Luther. 17. Von der Zeit an [wo er so in Galiläa seine selbstständige Wirksamkeit begann] fmg Jesus an sdie Wirksamkeit seines Vorläufers, des Täufers, wenn auch in höherer Weise, doch in demselben Geiste und mit derselben Verkündigung fortsetzend] zu predigen und zu sagen: Thut Buße, das Him- melreich tst nahe herbei kommen [Kap. Z, 2]. Zwischen dem Evan elio Johannis und den drei ersten Evangelien beste t ein durchgreifender Unter- schied, sowohl was die Auswahl, als was die Art des Stoffes betrifft. Johannes faßt vor allem die Fest- reisen Jesu nach Jerusalem in’s Auge, während er von galiläischen Begebenheiten nur wenige berichtet, und die Reden des HErrn, die er wiedergiebt, tragen bei ihm einen eigenthitmlich erhabenen Character an sich; dies hängt mit der viel späteren Zeit, wo er sein Evangelium verfaßt hat, zusammen. Er hatte da die drei ersten Evangelien als längst schon fertig und als bereits all- gemein bekannt vor sich und verfolgte nur den Zweck, fte innerlich und änßerlich zu ergänzen —- äußerlich, indem er diejenigen Theile des Lebens Jesu recht eigent- lich nachholt, welche von den Aposteln vor der Gemeinde zu Jerusalem (weil dieser schon bekannt, wie die Fest- reisen, oder weil von minderer äußerer Augenfälligkeit, wie die Wirksamkeit des HErrii vor der Gefangenneh- mun des Täufers) seltener erzählt wurden und daher auch In den ersten sEvangelienübergajigen waren; inner- lich, indem er im Gegensatz zur falschen Gnosis (der einer höheren oder geheimen Erkenntuiß sich riihmenden falschen Lehre), die zu seiner Zeit schon sich geltend zu machen anfing und über die wir später Nähers mit- theilen werden, die wahre speculative Seite des Bildes Christi, wie sie ihm persönlich aus seiner mystisch-intui- tiven stibersinnlich-befchaulichen) Versenkung in Jesum erwachsen war, zur Darstellung bringt. Aus dem zu- letzt Gesagten erklärt sich denn auch der eigenthiinilicly erhabene Character, den die Reden Jesu bei ihm an sich tragen. Jn mehr als irdischem Brillantfeuer, sagt ein neuerer Ausleger, strahlen diese Reden; das kommt da- her, weil Johannes, an Christum receptiv (en1pfangend) sich hingebend, in Christi tiefstes Wesen mit bräutlicher Andacht sich . versenkend, auch die feinsten, zartesten Strahlen seines Wortes im eigenen Herzen sammelte. I Ausfprüche des HErrn, die, weil von minder auffälli- ger, drastischer, praktischer und augenblicklicher Wirkung, an den andern Jüngern vorübergingen, tbnten fort Und fort in seinem Herzen nach und prägten sich ihm unver- geßlich ein; und so vermochte er eine Seite des Bildes Jesu aufzufassen und wiederzugeben, welche ohne ihn verloren gegangen wäre und die gleichwohl die herr- lichste und erhabenste ist. Was dagegen die drei ersten Evangelisten betrifft, so lag es keineswegs in deren Absicht, eine vollständige, von Tag zu Tag, von Woche zu Woche fortfchreitende Geschichte des öffentlichen Wirkens Jesu, also gleichsam eine Chronik oder ein Tagebuch seines Lebens zu schreiben; die hätte der Natur der Sache nach zu einem Volumeu oder zu einem bände- reichen Schriftwerke werden müssen (Joh. 21, 25), viel- mehr begnijgten sie sich, ein jeder nach seinem eigen- thiimlichen Plan, aus dem reichen Stoff des Lebens und Wirkens Jesu eine Auswahl mitzutheilem wobei sie dann mit vollem Bewußtsein vieles übergingen, manches nur bruchstückweise in den Kreis ihrer Be- trachtung zogen. Jn Beziehung auf den Plan des Matthäus haben wir schon darauf hingewiesen, daß er für Juden und Judenchristen den Nachweis führen wollte, wie in Jesus vou Nazareth die. messianischen Weissagungen von dem Samen Abrahams, in dem alle Geschlechter der Erde gesegnet werden sollten, sowie von dem Sohne oder Sproß Davids, der ewig herrschen würde, ihre Erfüllung gefunden haben; bei ihm also ist das Hanptaugetimerk darauf gerichtet, die Thatsachen der evangelischen Geschichte in ihrer Uebereinstimmung mit der alttestamentlicheu Offenbarung darzustellen. Was dann die beiden Andern, Markus und Lukas, für einen Plan verfolgten, wird bei Betrachtung ihrer Evangelien zur Erörterung kommen. Wenn nun die drei ersten Evangelisten trotz der verschiedenen Anord- nung des Stoffs, die sie im Einzelnen, ein jeder nach seinem besonderen Plan, getroffen haben, dennoch in der Hauptsache derart in Uebereinstimmung mit einander stehen, daß man wegen ihres so nahen Verwandtschafts- verhältnisses sie unter dem Namen der Synoptiker begreift, weil eine iibersichtliche Zusammenstellung ihrer Berichte zu einer Evangelienharmonie keine besonderen Schwierigkeiten bereitet; so fragt es sich, ob auch der vierte Evangelist sich hinzunehmen nnd dessen Darstellung des Lebens Jesu derart sich in die Darstellung der Symp- tiker hineinarbeiten läßt, daß eine einzige fortlau- sende Erzählung oder aus den vier Einzelevangelien gewissermaßen ein Gesammtevangelium entsteht, welches eine Uebersicht aller Reden und Thaten des HErrn nach der Ordnung der Zeitfolge und in genauem geschtchtlichen Zusammenhange darbietetP Es ist klar, daß, wenn fämmtliche Evangelisten uns für treue, glaub- wtirdige, wahrheitsgemäßeBerichterstatter zu gelten haben, eine solche vollständige, sie alle vier zusammenfassende Evan- gelienharmonie an sich auch möglich sein muß; eine derar- tige Evangelienharmonie aber liegt wiederum dem Bedürf- mkz der christlichen Frömmigkeit so nahe, daß der Versuch dazu sich immer wiederholen muß, bis es gelungen ist, die entgegenstehenden Schwierigkeiten zu überwinden. lind dieser Schwieri keiten sind allerdings sehr viele: sie treten uns gleich ier entgegen, wo es sich um die Zeit der Gefangennehmung Johannis des Täufers und um die Stelle, an welcher der synoptische Bericht in den des Johannes eingreifh handelt. Hi: Kap. 2, 20 ha en wir die Geschichte von der Ver induug des Herodes Antipas mit der Herodias, dem Weibe seines Halbbrriders Philippus, bereits mit- getherlt. Es fragt sich jetzt, ob nicht auch die Zeit, in welche diese Geschichte fällt, sich mit einiger Sicherheit ermitteln läßt. Da hat denn Wieseler nachzuweisen Jesus nimmt Wohnung in Kapernaum und setzt Johannis Predigt fort. 43 versucht, daß die Reise des Herodes nach Rom, auf welcher er die Herodias kennen lernte und die Verbin- dung mit ihr anknüpfte, einestheils zum Zweck hatte, bei dem Tode der alten Kaiserin Livia, der Mutter des Tiberius, diesem sein Beileid zu bezeugen, anderntheils und vornehmlich aber, zu dem jetzt erledigten Erbtheile der Kaiserin, zu jenen 4 Städten, welche einst Herodes der Große seiner Schwester Selome und dann diese der Livia vermacht hatte (Kap. L, 20 Anm.), zu gelangen; das betr. Todesjahr nun ist das J. 29 n. Chr., in dieses fiele also die Verheirathung des Herodes mit der Herodias, darnach die Rüge , die wegen solcher widerrechtlichen Handlung Johannes der Täufer dem Vierfürsten ertheilte, und weiterhin des letzteren Gefan- gennehmung von Seiten des ersteren (Kap. 14, 3 f.). Indessen sieht Wieseler bei seiner Beweisführung sich genöthigt, den Tod der Livia bereits in den ersten An- fang jenes Jahres, die Gefangennahme des Täufers aber schon auf den 19. März desselben Jahres anzusetzen; und das ist, abgesehen von der reinen Willkür der er- steren Annahme, ein so kurzer Zeitraum, daß unmöglich alle dafür in Anspruch genommenen Begebenheiten auch wirklich in demselben können vor egallen sein. Wir haben vielmehr den Zweck der in e e stehenden Reise des Herodes nach Rom auf die Wiedergewinnung der Festung Machärus, welche er vermuthlich bei seiner Berheirathung mit des Aretas Tochter an den Schwie- gervater hatte abtreten müssen, zu beschränken; und diesen Zweck erreichte er auch wirklich, so daß er hernach den Täufer dorthin in die Gefangenschaft schicken konnte. Wann aber — die Frage tritt auf’s Neue an uns heran —— erfolgte diese Gefangenschaft? Sehen wir uns nach Andeutungen in den Evangelien selber um, so heißt es in Joh. 3, 24 von der Zeit unmittelbar nach dem Ofterfest des J. 27 n. Chr. ausdrücklich, Johannes sei damals noch nicht in’s Gefängniß gelegt gewesen; dagegen in Joh. Z, 31 ff. redet der HErr von seinem Vorläufer als einem solchen, dessen Wirkungszeit nun vorüber ist. Wenn nun die meisten Ausleger die in Joh. 4, 3 u. 43 f. mitgetheilte Reise nach Galiläa für diejenige ansehen, von welcher hier in Matth. 4, 12 ff. und in Mark. 1, 17 f.; Luk. 4, 14 f. die Rede sei, so halten wir das für verfehlt; statt dessen lassen wir auf jene Rückkehr nach Galiläa, die nach unsrer Rechnung auf Mitte Dezember des J. 27 fällt, erst eine Zeit von 4——5 Monaten folgen, während welcher Jesus in der Verborgenheit zu Nazareth zubrachte, die Seinigen mit seinem Handwerk versorgend und die Reise auf das Osterfest des J. 28 (29. März bis 5. April) nur als einfacher Festpilger mitmachend, indem auch die bis da- hin gesammelten Jünger wieder zu ihrer früheren Be- rufsthätigkeit zurückgekehrt waren. Jn dieser Zeit, so meinen wir, hat Herodes das ehebrecherische Verhältniß mit Herodias angeknüpft und verwirklicht, Johannes hat ihn dafür gestraft, und Herodes wiederum hat den Täufer in’s Gefängniß gelegt. Daß letzterer damals nicht mehr zu Enon bei Salim (Joh.3,23) seine Taufe verrichtete, sondern wieder an die Stätte seiner früheren Thätigkeit jenseit des Jordan (Joh.3, 26) sich begeben hatte, geht daraus hervor, daß er sich im Bereich der Herrschaft des Herodes befinden mußte, als die Sache vorfiel; in jener Gegend am unteren Jordan aber hatte dieser eine zweite Residenz zu Livias (Kap.2, 20 Anm.), die über- haupt bis zur Hinrichtung des Täufers den Vorzug bei ihm gehabt zu haben scheint (Kap. 14, 1f. Anm.). Das Fest der Juden, zu welchem Jesus bald nach des Jo- annes Gefangenfetzung hinauf zog gen Jerusalem, ist in Joh. 5 , 1 ff. nicht genannt, weil es dem Evan- gelisten nur darauf ankam, zu bemerken, daß nicht ohne urch ein Fest veranlaßt worden zu sein, der HErr diese Reise unternahm; wir haben aber schon zu s. Mos.23, 22 angedeutet, daß aller Wahrscheinlichkeit nach das Fest der Wochen oder das Pfingstfest gemeint ist, und fügen den dortigen Ausführungen hier uoch Einiges zur Be- gründung unsrer Ansicht hinzu. Nach 2. Mos. 23, 17; 34, 23; 5. M. 16, 16 sollte jeder männliche Jsraelit des Jahres 3 Mal, am Passah-, am Wochen- und am Laubhüttenfeste, am Ort des Heiligthums sich einfinden. Jn der Zeit von Jesu Beginn seiner Wirksamkeit bis zu seinem Todesleiden hat er auch das erste (·27 n. Chr) und das vierte Osterfest (a. 80) öffentlich in Jerusalem sich gezeigt und seines Amts als Messtas wahrgenom- men (Joh. 2, 13 ff.; 12, 12 ff.); beim zweiten Ostern (a. 28) ist er, wie vorhin bemerkt, als gewöhnlicher Fest- pilger in Jerusalem gewesen, ohne die unmittelbare Ab- stcbt einer messianischen Thätigkeit, beim dritten (a. 29) aber blieb er, wie dies in Joh. 7, 1 ausdrücklich ge- rechtfertigt wird , von Jerusalem ganz weg. Wenn er nun auch das dritte hohe Fest, die Laubriist, während des vorhin bezeichneten Zeitraums einmal, nämlich im J. 29, wo er zu Ostern sich nicht eingefunden, durch öffentliches Auftreten ausgezeichnet hat (Joh. 7, 2 ff.): wie käme es denn, daß Er, der doch alle Gerechtigkeit erfüllen wollte, das Fest der Wochen so ganz unberücks sichtigt gelassen hätte, wie ja der Fall wäre, wenn wir in Joh. 5 , 1 nicht eben dieses Fest, sondern irgend welches andere (und es giebt nicht ein einziges von den jüdischen Festen, das nicht von dem einen oder an- dern Ausleger hier gefunden würde) zu verstehen hätten? Nein! Pfingsten gerade, an welchem der Heiland im J. 30 hernach wirklich mit dem heil. Geist und mit Feuer getauft hat, wie sein Vorläufer von ihm voraus bezeugte (Kap. 3, 11), hat er gewiß ebensowenig während seiner prophetischen Wirksamkeit ohne Selbstzeugniß durch Wort und That gelassen, wie Ostern; und wie eine be- stimmte Wechselbeziehung besteht zwischen dem Osterfest des J. 27 und dem des J. 30 (vgl. Joh. 2, 19 ff. mit Matth. 26, 6l), so besteht eine solche auch zwischen dem Pfingstfest des J. 28 und dem des J. 30., indem das Heilungswunder am Teiche Bethesda (Joh. 5, 2 ff.) eine typische Vorbedeutung hat auf das Geistes wunder im Apostelsaal (Apoftg. 2, 1 ff.) und die Rede Christi an die ihm feindlich gegenüberstehenden Juden (Joh. 5, 10 ff.) wie eine Weissagung ist auf die Straf- nnd Er- weckungsrede Petri an die um ihn Versammelten (Apostg. Z, 14 ff.). Steht es aber so, dann verliert der Umstand, daß Jesus, als er nun in der uns vorliegen- den Stelle seine selbstständige Wirksamkeit eröffnete, nicht sofort das Wesen des Himmelreichs in der Taufe mit Feuer und dem heil. Geist offenbarte, jenes Befremdende, in welches Johannes sich nicht von selber zu finden vermochte (Kap. 11, 2 ff.): das Pfingstfest des J. 28., mit welchem er seine selbstständige Wirksamkeit beginnt, ist vermöge der angegebenen Beziehung zu dem Pfingst- fest des J. 30 eine Bürgschaft dafür, daß er in der That und Wahrheit der Bringer des Himmelreichs, der Täufer mit Feuer und dem heil. Geiste ist, und nun kann er für’s Erste, ohne seinem eigentlichen Berufe etwas zu vergeben, sich auf bloße Weiterführung der Thätigkeit seines Vorläufers bescl)ränken. Er mußte aber auch hierauf sich beschränken, weil der vorbereitende Ruf des Johannes diejenige Frucht nicht gebracht hatte, die er haben sollte; im Gegentheil war der Täufer jetzt an der Fortsetzung und dem Abschlusse seiner vorberei- tenden irksamkeit plötzlich gehindert und für immer zum Schweigen gebracht worden, und das war ein « eichen, daß Israel noch keineswegs bereitet sei, die ffenbarung des Himmelreichs zu empfangen, daß viel- mehr etwas in Jsrael sich angebahnt habe, was dies Volk der Berufung zuletzt vom Himmelreich ausschließen 44 Evangelium Matthäi 4, 18—22. würde. Dies nun, was sich so aubahnte, mußte sich erst weiter entwickeln und zu förtulicher Reife kommen; es mußte, wie Hofmcinn treffend bemerkt, sich ent- scheiden, ob die Offenbarung des Himmelreichs dem zu- nächst dazu berufenen Volke zum Heile oder zum Ge- richt ausschlagen würde (Kap. Z, 8 ff.). Allerdings war des HErrn Vorläufer zunächst nur von einem weltlichen, dem religiösen Volksleben von Haus aus eutfremdeten Fürsten außer Wirksamkeit gesetzt worden; aber bei dem unmittelbar darauf folgenden Vorfall am Vsingstfest des J. 28 (Joh. 5, 1 ff.) entspann sich jetzt auch die erklärte Feindschaft der geistlichen Leiter Jsraels wider den, der schon früher eine Zeitlang als Johanuis Gehilfe in Judäa thätig gewesen war (Joh. 2, 13 — 4, 3), und zwar allbereits so sehr eine Feindschaft auf Tod und Leben, daß Jesu schon jetzt das gleiche Schicksal durch die Oberen des Volks, wie seinem Vorläufer durch den Vierfürsten Herodes, widerfahren wäre, wenn er sich nicht aus Judäa zurückgezogen hätte (Joh. 7, 1). Haben wir schon damit einen Grund dafür erkannt, warum Jesus, der vordem Johannis Gehilfe gewesen, als er nun als dessen Nachfolger auftritt, den Schau- platz seiner Wirksamkeit sofort nach Galiläa verlegt, so giebt St. Matthäus im obigen Abfchnitt noch einen weiteren Grund dafür an: dort in Galiläa wohnte ein unwisseudes, sich selbst überlassenes Volk, und an dieses gerade war der HErr durch die prophetische Weissagung mit seinem Predigtamt gewiesen; sein nothgedrungenes sich Zurückziehen dahin war denn zugleich ein Vorspiel von dem, was künftig geschehen sollte, daß das Reich Gottes würde von den Juden genommen nnd den Hei- den gegeben werden (Kap. 21, 43). Merkwürdig! wenn in Dan. 9, 24 ff. von der letzten der 70 Wochen, die als über Israel bestimmt dem Propheten geofsenbaret werden, es heißt, daß mitten in derselben Christus wird ausgerottet werden und das Opfer und Speisopfer ein Ende nehmen soll, so theilt sich diese erste Hälfte des, einen Zeitraum von 7 Jahren umfassenden angenehmen Jahrs des HErrn wieder, wie in der Einleitung zu unserm Abfchnitt angedeutet wird, in zwei ziemlich gleiche Hälften: vom Herbst des J. 26 bis Anfang Mai 28 (1 Jahr 8 Monat) steht Johannes der Täufer im Vordergrund der evangelischen Geschichtex von da an aber bis Anfang April 30 n. Chr. (1 Jahr 10 Mo- nat) haben wir’s ausschließlich mit der Wirksamkeit Christi zu thun, während Johannes nur mit seiner Frage ans dem Gefängniß (Kap. 11, 2 ff.) und mit seinem Märtyrertod (Kap. 14, 6 ff.) in diese Zeit hin- eingreiit. Nach Wieseler’s chronologischen Berechuunxzen fiele jene Frage auf den 10. Nisan (I3. April) a. ’9. Wäre dieses Datum nur einigermaßen gesichert, so er- gäbe sich eine sehr willkommene Geschichtsparallelex denn am 10. Nisan u. 30 (also gerade 1 Jahr später) hielt Jesus seinen Einzug in Jerusalem (Kap. 21, 1 ff.) und gab in Veransehaulichung des Prophetenworts in Sach. 9, 9f. thatsächlich die Antwort auf die Frage: Bist du, der da kommen soll, oder sollen wir eines Andern warten? Jndessen bekunden sich Wiefeler’s Berechnungen gleich dadurch als falsch, daß nach ihm Johannes am 8. Nisan = 11. April, also zwei Tage vor der Absendung seiner Jünger an Jesuml hingerichtet sein soll; auch das erscheint als ungereimt, daß die Apostel schon am andern Tage nach ihrer Absendung (Kap. s, 35 ff.) wieder zu Jesu zurückgekehrt seien und ihm die Nach- richt von Johannis Tode hinterbracht hätten (13.—-14. Nisan = t6.——17. April), wie wir denn noch öfter die Annahmeu dieses sonst so scharfsinmgen Chronologen werden anfechten müssen (Kap.5, 1 Anm.). Nichtsdesto- weni er steht soviel fest , daß Johannis Gesandtschaft und ärthrertod iu die letzte Zeit vor Ostern 29 n. Chr. fallen (etwa auf den 6. u. 9. Nisan = 9. u. 12. April), zwei Ereignisse, die der Selbstdarstellung Christi am Palmsonntag und seinem Opfertode am Charfreitag des folgenden J. 30 n. Chr. (10. u. 15. Nisan = 2. u. 7. April) wie weissage11d vorausgehen; und da kommt denn erst in Beziehung auf Jesum und seinen Vorläuser zu vollem Recht und allseitiger Geltung, was einst («2. Sam. 1, 23) David in Beziehung auf Saul und Jonathan in dichterisch-prophetifcher Begeisterung ge- sungen: ,,Holdselig und lieblich in iksrem Leben, sind sie auch im Tode nicht geschieden« II. d. 18—25. (§. 29 u. 32.) Das Erste, wag Jesus that, nachdem er in Caperuaum einen Jlnggaugk und Mittelpunkt für seine galiläische Prophetenwirtisambeit silh erwählt hat, ist dies, daß er von den Jüngern, die er früher schon um sich versammelt, dann aber wieder in ihre ljeimath entlassen hatte, die beiden lsrüderpaare Simon und Andreas, Jakobus und Johannes von dleuem zu seiner dlachfolgg und zwar nunmehr zur bleibenden Genieinschaft mit ihm nnd zu Gehilfen an seinem Werke beruft (d1gl. Mark. I, 16——20; Kinn. s, 1-—11.) Den beiden ersten Cvangeliften (Matthäug und Karitas) kommt es hauptsächlich auf die Zeit und die Bedeutung, weniger auf die spezielle Veranlassung und die einzelnen Umstände dieser Berufung an; darum erzählen sie dieselbe viel ttiirzer und gedrängter, als der dritte Evangelist (tliitiag). Darnach eilt aber St. Mut— thäus, der vorerst ein Bild der Lehrwirksamkeit Christi geben will, ehe er dann seine Wunderthätiglieit im Einzelnen schildert, zu einer der bedeutsamsten und ge- waltigsten Reden überzugehen, zur 8ergpredigt. Damit greift er freilich hinein in’5 volle Leben des HErrm in die bewegteste Zeit seiner galiläischen provhetenthätigtteitz er vermittelt darum aber auch den Uebel-gnug durch einen zusammenfafsenden tseriklzt über den Zeitraum von etwa 4 Monaten, der zwiseljeii der vorhin erzählten Berufung von 4 Jüngern nnd der nachherigen Auswahl der 12 Apostel liegt. (Vgl. Mark. Z, 7——12.) Eoaiigelium am St. Andreas-Tage: V. l8—22.) Dieser auf den 30. November fallende Tag ist von den, in der evangelischen Kirche meist abgekommenen Aposteltagen der dem Gedächtniß des Apostel Andreas gewidmete. Ueber den letztereu s. zu Kap. 10, 4; was aber die Apofteltage betrifft, so gehören sie zu dem, in das Jahr des HErrn hineingestellten Jahr der Kirche, welches sich ebenso auf jenes gebauet hat, wie die Kirche selber auf den HErrn gebauet ist. Wie nun der St. Johannistag (Luk. 1, 57 ff.) die Gemeinde der aus Christum Hoffenden nnd in ihrer Hoffnung von ihm Zeugenden und aus ihn Zeigenden repräsentirt, so gelten die Aposteltage denjenigen Glaubensmännerm aus welche Christus seine Gemeinde gegründet hat; während dann der St. Michaelistag die triumphirende, der St. Ste- phanustag aber mit dem Tag der unschuldigen Kindlein, dem St. Laurentius- und einigen andern Tagen die streitende Gemeinde vertritt, ist auf den weiblichen Theil der Gemeinde in den Marientageu und dem Tage Mariä Magdalenä Rücksicht genommen. 18. Als nun Jesus [bald in den ersten Tagen nach seiner Niederlassung in KapernaunP V. 13, nach unsrer Berechnung Freitags, den 4. Juni a. 28 n. Ehre] an dem galilciischen Meere kund zwar an der zwischen Magdala und Bethsaida gelegenen Stelle V. 25 Anm.] ging [von einer Menge Volks begleitet, die sich zu ihm drang» zu hören das Wort Gottes-H, sahe er zween Bruder sdie schon Berufung der ersten 4 Jünger zu beständiger Nachfolge. 45 Vor mehr als 74 Jahren sich an ihn angeschlosfen hatten, seit 4——5 Monaten aber wieder zii ihrer früheren Berufsthätigkeit zurückgekehrt waren Joh. I, 35 — 4, 54J- Simon, der da heißt Petrus [d. i. Fels], nnd Andreas, feinen Bruder sSöhne eines gewissen Jonas , von Bethsaida gebürtig Kap. 16, 17; Joh« 1, 44]- die warfen ihre Netze itfs Meer lsie auszuwaschen und zu einem künf- tigen Fang zurecht zu machen]; denn sie waren Fischer sund hatten eben eine Nacht mit vergeblicher Arbeit zugebrachts II. Und er fprach zu ihnen knicht sofort, sondern nachdem er des Petrus Schiff bestiegen, von da aus das Volk am Ufer gelehret und dann dem Petrus einen reichen Fang bescheeret hatte, wie das alles ausführlicher in Luk. 5, 1 ff. zu lesen]: Folget mir nach, ich will euch zu Menschen: fisiheru machen. » 2l). Bald verließen sie [auch, dem Rufe ohne Bedenken geHorchendJ ihre Netze und folgeten ihm [als Jünger, die fortan sein Wanderleben mit ihm theilen follten und wollteii] nach.*’" 21. Und da er von dannen fiirbaß [d. i. weiter vorniärts L Sam. 10 , 3 Anm.] ging, sahe er zween andere Bruder sdie Geschäftsgenossen der vorhin Genannten], Jakobum, den Sohn Zehe- dai, und Johannem, seinen Bruder, im Schiff [mit dem sie, nachdem sie vorhin jenen beiden bei ihrem Fischzug Hilfe geleistet, sich wieder an den ein wenig entfernter gelegenen Landungsplatz zurück- gezogen hatten, um die unterbrochene Arbeit fort- zusetzen]», mit ihrem Vater Zcbedcio, daß sie ihre Nehc fticktenz und er rief ihnen sin derselben Weise, wie dem Simon Petrus und seinem Bruder An- dreas V. 19]. 22. Bald verließen sie [mit derselben Willig- keit wie diese» beiden] das Schiff und ihren Vater nnd folgetcn ihm nachs [so daß Jesus nun wieder vier Jünger um sich hatte, bis dann im weiteren Verlauf seiner Thätigkeit noch andere sich ihm an- schlossen Katz. 5, 1.]. «) Wenn irgend ein Ort passeud war, als Ausgangs- und Mittelpunkt für die Bernfswauderungeii Jesu in Galiläa zu dienen, so war es Kapernaum, ein Hauptort am See Tiberias , welcher durch Land- und Wasserstraßen iu der bequemsteu Verbindung mit den diesen See umgebendeu Landstraßen stand. Während Nazareth versteckt in deu Bergen und abseits von der Straße lag, befand sich Kapernaiini frei offen am See an der großen Verkehrsstraße von Gaza nach Damas- kus oder von Egypten nach Syrien, gleichweit entfernt vom nordöstlichen Cäsarea Philippi und Naiv, dem süd- westlichen Ort gegen Samaria, gleichweit von den Grenzen der phönizischen Städte Sidon nnd Tyrus im Nordwesten und von Gadara, dem südöstlichen Grerizort gegen Peräa. Diese vier Punkte waren denn auch die äußersten Grenzpunkte des Gebiet-s, welches Jesus als der Prophet Galiläcks durchzogz seit er nach Kapernaum übergesiedelt war, hieß dasselbe seine Stadt: Kap. 9,1. (Diese Worte Lichtensteins können wir der Hauptsache nach recht wohl uns aneignen, wenn wir auch anders, als er, die Stelle, wo Kapernaum am See gelegen, in der Anmerkung zu Vers 25 bestimmen werden). — IV) Die Jdeutität (Eirierleiheit) der beiden Erzäh- lungen in Matth. 4, 18 ff.; Mark. l, 16 ff. und Luk. 5, 1 ff. steht unzweifelhaft fest, da im Ganzen dasselbe Faktum (denii Lukas ist nur ausführlicher), und zwar ein solches Faktum, das sich seiner Natur wegen (es war die Berufung und Annahme zu dauernder Beglei- tung) nicht leicht wiederholen konnte, von denselben Personen, an demselben Ort, in derselben Zeit berichtet wird. (Wiefeler.) —— its-«) Wir haben in der Jünger- schaft des Petrus wie bei den übrigen Aposteln ganz deutlich verschiedene Berufungen zu unterscheiden. Die erste (Joh. 1, 42) vermittelt den allgemeinsten Anschluß; die zweite (Matth. 4, 18 sf.) vermittelt die «Gefolge- fchaft und Dienerschaftx die dritte (Matth. to) ist die Aussonderung zum Apoftelami, und daher sofort durch eine wirkliche Sendung bekräftigt Bei Petrus haben wir außer dieser bestimmten Folge von Berufungen noch die besondere Auszeichnung desselben (Matth. 16) und die feierliche Wiedereinsetzung in seinen Beruf, nachdem er den HErrn verleugnet hatte (Joh. 2l), zu unter- scheiden. (P. Lange) —— s) Wenn die Jünger wirklich, wie wir aus dem johanneischen Evangelio wissen, schon früher mit Jesu in näherer Berührung gekommen sind, ja eine Zeitlang sogar an seinem Werke sich betheiligt haben, warum habe1i sie jetzt nicht gleich selbst zu sei- nem Dienste sich angebotenTI Aber ab» esehen davon, daß Jesus bei seiner Riicktehr in den sti en Familien- kreis sie selbst entlassen haben wird (Joh. 4, 54), und sie Jesu sich nicht früher. wieder zur Narhfolge anbieten konnten, als bis sie erfahren hatten, daß er feine Wirk- samkeit wieder erössnei habe, so merken sie nun, als ihr alter Meister abermals auf dem Schauplatz der Oeffent- lichkeit erscheint, eine neue Weise seines Thuns Sie werden an seinem Gehaben inne, daß er es dies Mal nicht aus eine vorübergehende Thätigkeih etwa wie einst als Johannis Genosse, abgesehen habe: da können fie sich nicht selbst vordrängeiy sondern müssen erst seinen Ruf, ihm aufs Neue zu dienen, abwarten. Aber nicht blos vom Standpunkt ihres Gefühls , auch nach außen hin betrachtet erscheint eine neue förmliche Berufung der ehemaligen Jünger Jesu nicht nur gerechtfertigt, sondern auch unbedingt nothwendig. Jetzt, wo Jesus nach Auf- lösung aller Familienbande, welche ihn an Haus und Heimath fesseln, sich alles Eigenthums begeben und ein Leben der Unstetigkeit und unablässiger Wanderung (Kap. 8, 20) angetreten hat, müssen seine Jünger, wollen sie anders ihm nachfolgen und an seinem Berufe, als Prophet umherziehend sein Volk zii lehren, Theil nehmen, gleichermaßeu alle Familienverbindungeu auf- lösen und ihr Geschäft gänzlich und bleibend aufgeben. Damit übernimmt nun freilich Jesus als ihr HErr und Meister die Berpflichtung, für sie zu sorgen, weil sie von nun an seine Familie ausmachen (Kap. 12, 49; Luk. 22, 35). Es war aber für diese ehemaligen Jün- ger Jesu allerdings kein Geringes, sich ihm auf’s Neue und noch dazu so unbedingt anzuschließen: was kurz vorher auf dem Feste zu Jerusalem (Ioh. 5, I sf.) sich ereignet hatte, konnte ihnen, welche höchstwahrscheinlich auch dahin gewallfahrtet waren, sicherlich nicht unbekannt geblieben sein. Sie mußten also wissen, daß die Ober- sten uud Schristgelehrten des Volks in der Hauptstadt ihn bereits als einen todeswürdigen Gesetzesverächter haßten und auf Mittel sannen, ihn aus dem Wege zu räumen; da mußte die heilige Persönlichkeit Iesu schon einen tiefen Eindruck auf jemand gemacht haben, wenn er trotz alledem sirh entschließen konnte, all’ das Seine, Familie, Heimath, Beruf oder Geschäst aufzugeben-und 46 Evangelium Matthäi 4, 23——25. ihm, dem von Jsraels Führern gehaßten Lehrer, auf seinen unsteten Wanderungen nachzufolgen. (Lichtenstein.) — Da der Beruf der Jünger Christi ein ganz ei· e- ner und besonderer Beruf zu dem Zeugen- und Le r- amte von Christo war, welcher die Christen insgemein nicht angeht, so folget hieraus, daß man solange feinen richtigen und nngezweiselteii Beruf abzuwarten habe, bis man von eines andern Berufs ungezweifelter Gött- lichkeit überzeugt ist, daß folglich diejenigen hier keinen Vorwand finden, welche laufen, auch wenn sie der HErr nicht sendet. (Engl. Bibelw.) 23. Und Jesus [um hier seine Wirksamkeit in der nächstfolgenden Zeit bis zur Bergpredigt in Kap. 5, 1 — 7, 29 in ein Gesammtbild zusam- menzufassen, aus welchem dann in Kap. 8, 14 » - 9, 34 einzelne Züge nachgebracht werden sollen] ging umher im ganzen galiliiisihen Lande, lehrete in ihren Schulen sin den gottesdienstliclyen Ver- sammlungshänserm wo an Sabbathen und Fest: tagen die öffentlichen Gebete gehalten und Stücke ans dem alten Testament gelesen, in den Landes- dialekt übersetzt nnd in einem freien, erbaulichen Vortrag erklärt wurden Luk. 4, 16 Anm.] nnd predigte das Evangelium vom Reich [die frohe Botschast, daß das Reich Gottes nun nahe sei, das die Propheten in Aussicht gestellt hatten,] nnd hei- lete allerlei Seuche und Krankheit im Volk [jede Art von Krankheit und Gebrechen, die ihm vorkam] 24. Und sein Gerücht [wie große Zeichen und Wunder er zn verrichten vermöchte] erscholl ssogar über das Gebiet seiner Wirksamkeit hinaus] in das ganze Syrienlaiid sdas nordöstlich an Palästina grenztiy vgl. Z. Kön. 5], Und sie brachten [voii allen Seiten] zn ihm allerlei Kranke mit mancherlei Senchen fnach dem Sprachgebrauch der älteren Zeit s. v. a. sich lange hinzieheude Krank- heiten Joh. b, 4] Und Qual behaftet, [iiisbet«ondere] Y die Besessenen sKau 8, 28 ff.j, die Ytoiidsiichtigen [Kap. is, 14 ff] und die Gichtbrnchigen sszKatx I, I ff.]; und er machte sie alle gesund. Es ist diese Wirksamkeit verwandt mit der des Täu- fers und ihre Fortsetzung, insofern sie immer noch vor- bereiteudcr Nritur ist; bereits aber geht sie auch über dieselbe weit hinaus. Denn nicht nur sucht Jesus fein Volk jetzt selbst auf, während es sonst zum Täufer hin- auskoniineii mußte, sondern er stellt zugleich nicht blos eine Forderung an dasselbe, er theilt vielmehr ihm auch etwas mit; er Verkündigt nicht allein die Nähe des Reiches Gottes, dessen himmlisches Wesen er offenbaren wird, sondern stellt dies im Voraus in seinen Wunder- thaten als Erlösung von allem Uebel und Zerstörung der Werke des Teufels oder als Verklärung der mensch- lichen Natur in Heiligkeit und Seligkeit dar. (Lichtenstein.) Er spendete Segen nach alleii Seiten nnd wandelte um- her wohlzuthun, still und groß seine Bahn ziehend wie die Sonne. Er forderte nicht gleich dem Gesetz, sondern schüttete Wohlthaten über die Menschen aus; daß das Reich Gottes da sei, offenbarte er durch die That; lehren und heilen, Geist und Leib erneuen, das war fein großes Geschäft. (Olshausen.) Kein Kranker und Elender wurde vergeblich zu ihm geführt; es war nicht Einer, der unter- wegs oder daheim hätte sagen können: Jch bin auch zu dem Propheten nach Kapernaum geführt, aber es war vergeblich, mir konnte er nicht helfen! (Menken.) 25. Und es fvlgete [wie das bei einer solchen Thätigkeit sich von selbst erklärt] ihm nach viel Volks aus Galilaa [diesseit des Sees Genezareth], ans den zehn Stadien Uenseit des Sees], von Je- rusalem [wo er sa auch schon allerlei Zeichen und Wunder gethan hatte Joh. Z, Z; 4, 45; 5, 1 fs.], ans dem Iudischen Lande [wo er eine Zeitlang ge- predigt nnd durch seine Jünger getauft hatte Joh. 3,22 — 4, Z] nnd von jenfeit des Jordan saus der Landschaft Peräm dem ehemaligen Gebiet Raben, Gad und Ost-Manasse]. Wir müssen hier zunächst die Stätte der Wirksam- keit Christi, wie sie von den drei ersten Evangelisten hauptsächlich iu’s Auge gefaßt wird, genauer kennen lernen, weil sie gleichsam die Umrahmung ist, in der uns das Lebensbild des HErrn vorgestihrt wird, und wir dieses nur dann recht aufzufassen vermögen, wenn wir in Beziehung aus jene gehörigen Bescheid wissen. Was nun die Eintheilung Palästincks zur Zeit Jesu und der Apostel im Allgemeinen betrifft, so hat die Dreitheilung des Westlandesu Galiläa, Samaria und Judäa (Apostg. 9, 3I), seit dem babylonischen Exil nach und nachsich gebildet und findet sich bereits in LMaca 10, 30 vor, wenngleich eine bestimmte Abgrenzung der einzelnen Theile erst unter den Herodianern sich geltend machte; die Bezeichnung des Ostjordaulandes als Peräa (jenseitiges Land) findet sich im neuen Testa- ment zwar nicht als eigentlicher Name, wohl aber als geographischer Begriff, z. B. an vorliegender Stelle. Juden! wir fürs? Erste Galiläa näher in’s Auge fassen, geben wir unter Nr. VL eine Karte von demjenigen Theil dieser Lands-haft, welche den eigentlichen Schauplatz der Wirlsamkeit Christi ausmacht. Im alten Testament begegnete uns der Name ,,Galiläa« nur erst im appel- lativen Sinne, s. v. a. Kreis , Distrikt (1. Stdn. 9 , ll Anni.); iin Zeitalter Jesu Umfaßte er ganz Nordpalik stina diesseit des Jordan oder die ehemaligen Stamm- gebiete von Jsaschay Sebuloty Asser uud Naphthali, nnd erstreckte da das Land sich nördlich bis in die Ge- gend voii Tyrus und dein Libanon, im Südwesten bis au’s Vorgebirge Carmel (dieses und die Stadt Ptole- 1nais jedoch ausgeschlosseu), im Südosteu bis nach Beth- fean, im Osten bis an den Jordan uud den See Gene- zareth. Ober- oder Nord-Galiläa, etwa bis zu der Linie reicht-nd, die von Tiberias am See Genezareth bis zur Stadt Sebuloiy siidöstlich von Ptolemais (s. Karte V.), zu ziehen wäre, heißt dann inanchmal Galiläa im be- sonderen Sinne des Worts (Luk.4,31). Die Landschaft war ein Alpeiilauty dessen Kalkgebirga im Norden selsig und schroff, uiit dem Libanon in Verbindung stehen, siidöstlich und südlich aber in Httgelketteii auslaufen, welche gegen das niittelläiidische Ellteer zu einer, mehrere Stunden langen und breiten Ebene sich verflacheih im Süden dagegen mit der Hochebene von Jesreel endigen. Die nicht sehr hohen Berge und ihre romantischen Thaler gewährten reichen Wiesewachs und fruchtbares Acker- land; daher auch die Provinz überall angebaut und stark bevölkert war, so daß es gar nichts Befremdliches hat, wenn Josephus im jüdischen Kriege, nachdem schon viele Juden umgekommen waren, noch ein Heer von l0t),000 Mann zusammenbringt. Wenn derselbe aber angiebt, daß von den 204 Städten und Flecken, die es in Galiläa gebe, der kleinste 15,000 Einwohner zähle, so ist das stcher eine Uebertreibung Am fruchtbarsten und bevölkertsten waren die Gebirgsabhänge im Osten gegen den See Genezareth zu und das Thal selbst, in welchem dieser liebliche See liegt. Er ist ein etwa 6 Stunden langer und 172 Meile breiter, bedeutend unter’m Niveau (Wasserspiegel) des mittelländ Meeres ge- legener Landsee von fast ovaler (eirunder) Gestalt, den der Jordan von Norden nach Süden durchströmt (Jos.3, 1 Anm.); er hat süßes, kiihles, gesnndes und klares Wasser und ist ungemein fischreich. Der weite Bergkessel, worin der See liegt, rings von schönen Kalkstein- und Bafaltbergen umgeben, die sich am Süd- und Ostufer steil zu einer Höhe von 800—1000 Fuß erheben, begün- stigt durch seine Hitze viele Südgewächse, Dattelpalmem Citronen, Pomeranzen, Jndigo u. s. w» und Schnee gehört im Winter zu den seltenen Erscheinungen; auf dem rings eingeschlossenen Wasserspiegel entstehen aber auch ost Winstöße, und besonders von Südosten her brechen nicht selten Sturmschaner herein, die den Fahr- zeugeu gefährlich werden. Die Umgegend im Westen heißt in Kap. 14, 34 das Land Genezareth: in ganz Palästina, schreibt Seetzen, giebt es keine Gegend, deren Naturreize mit denen dieser Gegend zu vergleichen wä- ren. Jn ihr nun lag eine Reihe sehr volkreicher Städte, die jetzt alle in Trümmern liegen. Zunächst anf der südlichen Hälfte des Westufers stoßen wir auf Tib erias , heutzutage Tebarijeh genannt, von Herodes Antipas (Kap. 2, 23) erbaut und zwar, wie die Rabbinen be- haupten, an der Stelle, wo vormals das in Jos. 19,35 erwähnte Raketh gestanden. Jesusdurchzieht ganz Galiläa, predigend und Kranke heilend i i I i i i 47 für unrein; Herodes sah sich daher genöthigt, die Stadt zuerst mit heidnischen Einwohnern zu besetzen Er be- nannte sie nach dem Kaiser Tiberius und schmückte sie mit einem königlichen Palast, nirgend aber in den Evangelien wird etwas davon angedeutet, daß auch Jesus dahin gekommen sei; nur daß nach ihr der See Genezareth oder das galiläische Meer auch das Meer von Tiberias heißt, wird in Joh. 6,1; U, 1 erwähnt. Jn der Nähe befanden sich mehrere warme Quellen, die Schwesel, Salz und Eisen enthielten und als Heil- quellen benutzt wurden. Nach dem Untergange des jüdischen Staats befand sich in Tiberias mehrere Jahr- hunderte lang eine berühmte Akademie jüdischer Ge- lehrten; auch jetzt noch besteht der größte Theil der Einwohnerschaft aus Juden, welche die Stadt mit Jeru- salem, Hebron und Safed zusammen zu ihren vier heil. Städten rechnen, wie man denn von hier aus anch den Anbruch der messianischen Erlösung erwartet (Jes. 9, l Aruns. Am Neujahrstage 1837 wurde Tiberias durch ein Erdbebeu fast ganz verschüttet. Wenn man von hier aus nordwärts wandern so tritt bald das Felsge- birge so nahe an den See heran, daß am Ufer für die Straße nicht mehr Raum ist, sondern diese über einen Bergsattel ziehen muß; da aber, wo sie auf der Nord- seite des Hügels wieder an das Ufer herabsteigt, etwa 5X4St. von Tiberias, liegt das jetzige Medschdeh das biblische Magdala (Kap. l5, 39), von wannen Maria Magdalena stammte (Luk. 8, 2); jetzt ist es nur ein er- Es ist das ein Punkt, wo die Höhen sich eiu wenig vom Ufer zurückziehen und einen schmalen Streifen wellenförmigen Landes den See entlang zurücklassem hinter welchem dann der Bergrücken steil emporsteigt Tiberias wurde nun die Hauptstadt von Galiläa; Agrippa II. aber, der sie seiner Zeit vom Kaiser Nero zum Geschenk erhielt, zog ihr, gleichwie schon sein Vater Agrippa I. gethan, die Stadt Sephoris oder Diocäferea (3 St. nordwestlich von Nazareth), in welcher nach der Legende die Eltern der Maria ihren Wohnsitz gehabt haben, vor. Weil auf alten Grabstätten errichtet, galt Tiberias bei seiner Gründung den rechtgläubigen Juden Ilnsiiijt von Tiber-ins mit dem See Genezaretls J— ·biirmliches, kleines muhaiiiedanisches Dorf. Nördlich davon breitet sich in der Länge einer Stunde die halb« kreisrunde Ebene vCinnereth oder Genezareth (Jos. 19, 35) ans, welche wir vorhin als das Land Gen ezareth kennen lernten; an ihrem nördlichen Ende liegt der Chan liliniyety der ohne Zweifel die Stätte des gali- läischen Bethsaida, der Stadt des Andreas, Petrus und Philippus (Joh. I, 44), bezeichnet. Noch weiter nach Norden, etwa l St. vom Einfluß des Jordan in den See, liegen auf einer kleinen vorstehenden Spitze die merkwürdigen Ruinen von Teil Chum, die als Ueberreste eines großen und bedeutenden Orts sich zu 48 Evangelium Matthäi 4, 25. Anm. erkennen geben, alle von ungehauenen Steinen bis auf zwei, deren eine durch den Aufwand von Arbeit und Berzierun , der fie auszeichnet, als eine ehemalige Kirche stcg ausweist. Man hält meist dies für die Stätte des alten Kapernaum; dem entsprechend würde dann die, l St. nordwestlich in einem Thal ge- legene Rnine Kerazeh die von Chorazin fein. Andere dagegen suchen letzteren Ort im Süden von Tell Chum beim heutigen Ain Tabigaly Kapernaum an der Stelle des Khan Miniyeh und verbinden damit Bethfaida, welches nach der Bedeutung feines Namens (f. v. a. Ort der Fifcherei oder Fifchhaufen) nichts anderes als die unmittelbar am See gelegene Vorstadt von Kaper- naum oder das dazu gehörige Fifcherdorf gewesen sei, während die Stadt selbst mehr landeinwärts lag, 1f4—7, Stunde davon entfernt. Ruinen einer Stadt bis zur Quelle Ain Lludawaraly an der z. B. Caspari das alte Kapernaum fucht, sind bisher allerdings nicht nachgewiefen worden; nach Kap. II, sollte ja aber auch die Stadt spurlos von der Erde verfchwinden Wir schließen uns dieser Anficht hinsichtlich der Lage von Kapernaum an, lassen dann aber die Ruine Kerazeh für Chorazin gelten und erkennen in Tell Chum das von Josephus (b. Jud. I1I, 3. 1) erwähnte Thella wieder. — Wenden wir von letztgenannten Ort uns weiter nach Nordosten, so finden wir am jenfeitigen Ufer des Jor- dan, im Gebiete von Gaulanitis u. s. w., eine ungefähr 1 Stunde breite Ebene mit fruchtbaren Feldern; in ihr liegen die Ruinen von jenem Bethfaida, dessen wir oben beim Tetrarchen Philippus gedachten (Kap. 2, 20 Anm.) und das den Beinamen Julias führte (Mark. 8, 227 Luk. 9, 10). Für die weitere Umfchau im Lande des Philippus verläßt uns die Spezialkarte VI» wir nehmen daher die Generalkarte V. zur Hand, erinnern uns znvörderft der 5 Meilen nördlich von Bethfaida ge- legenen, ebenfalls von Philippns erbauten Stadt Cä- farea Philippi (Kap. 2, 20 Anm.) , deren reizende Umgebung die intereffanteste von ganz Palästina ist, darnach aber, nach dem eigeutlichen Peräa jenseit des Hieromax uns kehrend, fragen wir nach den, auch in Mark. 5, 20; 7, 31 erwähnten zehn Städten. Mit diesem Namen (griech. Dekapolis) wird ein Landstrich mit zehn, unter sich verbündeten Städten jenseit des Jordan bezeichnet, die ihre eigene Communalverfaffung hatten, mit vorübergehenden Ausnahmen einzelner un- mittelbar unter römischer Oberherrfchast standen und gewisse Privilegien befassen; ihre Einwohnerschaft bestand ursprtinglich ans Veteranen des Heeres Alexanders des Großen, die derselbe dort ansiedelte, seit der römischen Herrschaft über Palästitia aber gesellten sich Römer dazu. Die Namen dieser Städte werden schon von den alten Geographen verfchieden aufgeführt, die angeführten aber lagen zum Theil soweit auseinander, daß sie kein zu- sammengehöriges Gebiet bildeten; vielleicht haben nicht immer dieselben Städte zur Deka olis gehört, oder es sind später mehr als zehn in die erbindung aufgenom- men worden, obschon der ursprüngliche Name dafür blieb. Eine von diesen Städten lag auf der Weftseite des Jordan: das ist Scythopolis (Bethfean), iiber welche zu 1. Sam. 31, 10 das Nöthige gesagt ist; hier bemerken wir nur noch, daß die westlich von der Stadt gelegene Ruinenstätte Khan Mudsehjdeh vielleicht der Ort ,,Magadan« ist, den die bedeutendsten Handschriften in Kap. 15, 39 statt »Magdala« lesen, und daß nord- östlich von Scythopolis, jenseit des Jordan, das in Mark. 8, 10 dafür genannte ,,Dalmanutha« liegt. Ver- mittelst der letztgetiannten Ortfchaft grenzt dann das Gebiet von Scythopolis an das einer andern von den 10 Städten, nämlich an dasjenige von Gadara (Mark. S, 1-; Luk. 8, 26), dem jetzigen Dorfe 0m-Keis, auf der linken Seite des Hieromar, 213 St. vom füdöstlichen Ufer des Sees Genezareth auf einem Berge gelegen, der viel Grabhöhlen in sich birgt; nach Jofephus war sie die Hauptstadt von Peräa. Indessen wollten Ori- genes nnd Eufebius auch von einem Ort des Namens ,,Ger»efa« am Ostuser des galiläifchen Meeres wissen und erichten, daß man zu ihrer Zeit noch den Abhang ezeigt habe, von dem die Schweine sich herabgestürzt hätten; darnach wäre bei unserm Evangelisten in Kap. 8, 28 die richtige Lesart, weil aber bis jetzt von diesem Gergesa sich keine Spur mehr findet, so ziehen die Aus- leger meist die andern bei Markus und Lukas vor. Eine dritte Lesart weist uns mit der in Rede stehenden Ge- schichte nach Ger as a, dem östlichen Grenzort von Pa- lästina, der ebenfalls zu den 10 Städten zählt, jedoch bei 20 Stunden vom See Genezareth entfernt liegt und daher für sich selber nicht gemeint fein kann; vielleicht aber war er damals der Hauptort der Dekapolis, und wären dann die ,,Gerasener« (in unsrer deutschen Bibel findet sich diese Lesart nicht) in dem allgemeinen Sinne von Dekapolitaner oder Zugehörige der 10 Städte zu nehmen. Etwa 15 St. füdlich von Gerasa liegt Phi- ladelphia, das frühere Rabbath-Ammon (5. Mos Z, U; 2. Sam. 1«1, 14 ff.), anderthalb Stunden- nord- westlich aber das jetzige Dorf Suf mit der Quelle Ain Keikebe, worin wir aller Wahrscheinlichkeit nach die Stadt Dion, eine fünfte von den 10 Städten, wieder zu erkennen haben. Nördlich hinauf von Dion stehen auf unsrer Karte zwei andere: Eapitolias und Pella verzeichnet; letztere war die Zufluchtsftätte der Christen, als sie im letzten jüdifchen Kriege Jerusalem verließen (Apostg. 28, 31 Anm.), wird aber gewöhnlich nicht hier, sondern an der Stelle des jetzigen Tabakat Fuhil am Jordan gesucht, und ebenso verlegt man auch wohl Capitolias an die Stelle von Nowa in Hanran Zwei weitere Städte Adraa und Raphon (Raphana) liegen füdlich von dem alten Astaroth - Karnaim, und Hippos ist ohne Zweifel das ·j«eitzige el Hossn (d. i. Pferd) an der Südostfeite des Sees Genezareth-Wir kehren auf die Westseite des Sees zurück, sehen uns Karte VL wieder an und fassen da die Stadt Safed, welche bei Kap. 5, 14 in Betracht kommt (5. Mof 27, 3 Anm.), in’s Auge. Sie gilt, wie vorhin erwähnt, für eine von den 4 heiligen Städten der Juden, kommt aber in der Bibel selber nicht vor. An den Abhängen eines 3000 Fuß hohen Berges liegen die Häuser grup- penweis wie einzelne Stadtviertel zerstreut, und nehmen ihre platten Dächer wie Treppenstufen sich aus, über die man auch wirklich auf Maulthieren hinwegreitet; auf dem Gipfel des Berges hat man von der dortigen Kastellruine nach allen Seiten hin weite herrliche Aus- sichten. Durch das gewaltige Erdbeben im J. 1837 hat die Stadt entsetzlich gelitten, da sie gerade im Mittel- punkt des Erfchütterungskreises lag, seitdem-aber wie- der zu einem der bedeutendsten Orte in Galiläa sich erhoben. Von hier aus wenden wir uns 4—5 Meilen füdwestlich hinüber nach Kana el Dsehelil an der Nord- westgrenze der Ebene Sebulon (el Buttauf); dies ist der älteren Tradition zufolge das Cana in Galiläa, von dem in Joh 1, 47; Z, 1 ff.; 4, 46 ff.) die Rede, die spätere Legende dagegen suchte den Ort an der süd- öftlichen Grenze jener Ebene in Kefr Kennst, anderthalb Stunden nordöstlich von Nazareth. Jn der dasigen Töpferei werden immer vom Neuen Krüge verfertigt, welche man als die noch übrigen Reste der Wasserkrüge auf der Hochzeit zu Cana den Pilgern verabreicht, wie man auch noch das Haus zeigt, in welchem das Wunder der Wafserverwandluug soll geschehen fein. Von jenem wirklichen Cana (el Dfchelil) haben wir ziemlich 3 Stun- den bis Nazareth (Kap. 2, 23 Anm.), und von da Ueber die Wunder. 49 2 Stunden östlich bis zum Berge Tabor, der für den Ber der Verklärung (Kap. 17, 1 ff.) gilt, es aber schwerlichz gewesen ist. Etwa V« Meilen südlich von Tabor treffen wir auf den kleinen Hermon, der seinen Namen dem Bestreben der Mönchslegende ver- dankt, die beiden in Pf. 89, 13 neben einander genann- ten Berge auch örtlich zusammen zu bringen; er ist eine 2 Meilen lange Kette von Felsenhügelm weder groß noch hoch, weder schön noch fruchtbar, eine wüste, un- förmliche Masse, deren höchste Erhebung gegen Westen liegt (5. Mos. 27, 3 Anm.). Am nordwestlichen Ab- hange liegt in der Ebene Iesreel die Stadt Nain, be- kannt durch die Auferweckung des Jünglings (Luk. 7, 11 ff.); der Ort hat eine eigenthümliche Nachbarschaft in Endor, der Heimath der Todtenbeschwörerin (1. Sam. 28, 7 ff.) einerseits, und in Sunem, der Heimath von Elisa’s gastfreundlicher Wirthin (2. Köik 4, 8 ff.) an- drerseits. Von den Bewohnern Galiläcks haben wir noch zu bemerken, daß Josephus sie uns als fleißige, muthvolle nnd tapfere Leute schildert, die aber auch sehr reizbar waren und leicht zu Händeln und Unrnhen ver- leitet werden konnten; weil viele Heiden unter ihnen wohnten, galt ihr jüdisches Geblüt für weniger rein und ihr religiöser Glaube für weniger orthodox (Joh. 7, H2; Apostg P, 7·), und standen sie deshalb bei den übrigen Juden· i1i ziemlicher Verachtung (Joh. 1 , 47). Sie sprachen einen schlechten Dialekt, der sich besonders durch Verrvechselung der Gutturale (Kehlbuchstaben) und platte stzrische Aussprache characterisirte (Kap. 26, 73). Wir greifen nun wieder zu Karte V. und betreten bei Ginäa (dem ehemaligen En-Ganim, jetzt Dschenjn Ios. 19, 21) an der Südseite der Ebene Jesreel die Landschaft Scimariiy welche südlich bis Antipatris im Westen und Akrabbi im Osten herunter reichte, also einen nur — kleinen Umfang hatte, von Josephus aber als quellenreiclz fruchtbar und sehr bevölkert geschildert wird. Am wichtigsten für die biblische Geschichte ist das Thal von Sichem zwischen den beiden Bergen Ebal im Nor- den und Garizim im Süden, das gegen Osten in das von Süden nach Norden sich erstreckende Thal el Mokhna (5. Mos. 11, 31 An1n.) ausläuft; wir handeln davon des »Weite·ren zu Ioh. 4, S. Die südlichste sandschaf·t, Jud-Ia, mit Ausnahme des Ktistenstrichs am mittelländi- schen Meer und des Jordant als bergig und mit Sa- Maria. von gleicher Naturbes affenheit, war nach Jose- phus in 11, nach Plinius in 10 Toparchieen oder Di- strikte eingetheilt, wovon die bekanntesten folgende find: Akrabatta (s. auf der Karte Akrabbi), Gophna, Lydda, Ammao (Nikopolis) , Jerusalem, Jericho, Herodium, Engeddi und Jdumäax das außerdem genannte Beth- leptephene ist nicht mehr zu enträthseln, Thamna aber dürfte vielleicht einerlei sein mit Thimna in Jos. 15, 57. Dazu kommen noch die beiden Kreise Jamniaund Joppe; es gehörten nach Josephus auch die Kreise von Ga- mala und Gaulan, dann Batanäa und Trachonitis jen- seit des Jordan zu Judäa, was bei Katz. 19, 1 in Be- tracht kommt. Jn Beziehung auf Jdumiia, worunter seit dem Exil der südliche, von Jdumäern besetzte Theil von Judäa zu verstehen ist, verweisen wir aus die Be- merkung zu 1. Mos. 27, 40; die einzelnen, für die Ge- schichte desneuen Testaments wichtigen Ortschaften in Judäa aber werden an den betr. Stellen selber näher besprochen werden. Hier sei nur noch bemerkt, daß das frühere Edom mit der Hauptstadt Petra nun imBesitz der arabischen Nabatäer war und ein eigenes Königreich bildete, dessen Könige gewöhnlich den Namen Aretas führten und deren Herrschaft unter den Kaisern Cali ula ilitlid Zcgaudius sich auch auf Damaskus erstreckte (2. or. , . Ein andrer Punkt zieht noch unsre Aufmerksamkeit Dächseldi Bibelweth auf sich: das sind die Wunder, deren eigentliches Wesen und göttlicher Zweck schon in 4. Mos. Xb, 30 an- gedeutet wird. Es ist von höchster Wichtigkeit, daß wir uns über diesen Punkt recht klar werden und zu einer festen, unerschütterlichen UeberzeugUn gelangen gegen- über all’ den Versuchen, den der eist dieser Zeit ge- macht hat, die Möglichkeit und Wirklichkeit der Wunder, von denen die heil. Schrift erzählt, zu leugnen und sie entweder in Sage und Dichtung aufzulösen oder für rein natürliche Vorgänge zu erklären, die auf Seiten der Wunderthäter nichts wären als eine Art frommen Betrugs, aus Seiten der Wunderzeugen aber beschränkte Auffassung oder Vorstellung. Mit der Wahrheit des Wunders, sagt Christlieb sehr richtig, steht und fällt die ganze Burg des Christenthumsx denn ein Wunder ist sein Anfang, auf Wunder gründet sich sein Fortgang, und Wunder sollen es einst vollenden — lassen wir uns das Uebernatürliche aus unsrer Bibel entfernen, so bleibt uns nichts als der Deckel! Die Leugnung des Wunders führt aber nicht blos zur Vernichtung des christlichen Glaubens , sondern auch der Religion überhaupt; denn jede Religion gründet sich auf die Voraussetzung, daß gewisse übermenschliche Gewalten in unser Leben hineinragen und hereinwirken; alle Reli- gionen, so verschieden auch ihre Symbole sein mögen, haben mit einander das Wunderbare gemeiii — so äu- ßerte selbst ein Religionsseind auf dem FriedeiissCongreß zu Bern im J. 1865. Jnsofern endlich die Leugnung des Wunders auch die Leugnung des persönlichen, freien, lebendigen Gottes mit sich führt, wird damit auch die sittliche Persönlichkeit des Menschen aufgehoben; wir verfallen nun ganz dem Diesseits und haben schliess- lich keinen Halt mehr gegen den ärgsten Materialismus. ,,Jn dem Grabe , in toelches das moderne Heidenthiim das Wunder begräbt, versinkt alles mit, was dem menschlichen Dasein einen idealen Character, einen wahr- hafteu Werth giebt, die gottebenbildliche Seele, Glaube und Gebet, die heilige Person des Erlösers, die ganze christliche Wahrheit, die zukünftige Welt, der lebendige Gott. (Beysihlag.) Nun dürfte denn aber doch, so sagen wir mit Christlieb weiter, die Welt vielleicht zu klein, anch wohl der Arm der Todtengräber zu schwach sein, sie alle zusammen zu begraben. Es soll uns wenig Kummer machen, wenn auch die Menge der Widersacher noch größer wäre , als sie in der That schon ist, und ihr Spott gegen die, die da glauben, noch lsöhnischer und dreister; wir fassen einen, der jetzt zu ihnen zählt, bei seinem Wort, das er früher gefchrieben, uiid accep- tiren bestens die Ehrenerklärung, die unsre Spötter durch Gottes wunderbare Leitung uns haben geben missen, ehe sie wider den Glauben haben zu Felde ziehen dürfen: Nur wenige Menschen, sagt» Schenkel, sind weise genug, einzusehen, daß es viel mehr Geist dazu braucht, um Wunder zu glauben, als Verstand, um sie zu leugnen« Natürlich haben wir es hier uicht mit dem Wunder im weiteren Sinne zu thun, wenn das Wort auch gebraucht wird für alles Unbegreiflichh Außeror- dentliche in Natur und Geschichte, dessen Werden uns noch verborgen ist oder dessen Dasein unser Staunen er- re t; jedes fromme und kindlich einfältige Geiniith er- fährt noch jetzt Ereignisse und Veränderungen genug, welche vermöge ihres Zusammentreffens mit anderen äußeren Umständen oder mit inneren Zuständen ihren Naturzusammenhang vergessen machen und unmittelbar auf den HErrn der Natur hinweisen, der etwas bezeu- gen will. Bei dem Wunder im engeren oder eigent- lichen Sinne handelt es sich vielmehr um ,,schöpferische Thaten Gottes , um übernatürliche Kraftwirkungen auf bestimmte Punkte des Naturgebiets, wodurch Gott ver- möge seines, dem Naturleben an sich schon innewohnenden R. T. I. 4 50 Evangelium Matthäi 5, I. Machtwaltens zum Zweck der Förderung seines Reichs etwas Neues wirkt, das natürliche Substanzen und Caufalitäten (Stoffe und Ursachen) für sich allein nicht hervorzubringen vermocht hätten, das aber, sobald es da ist, sich in den natürlichen Lauf der Dinge einordnet, ohne für ihn eine Störung zu werdens· In Beziehung auf die Frage: Kann Gott Wunder thun? äußert Rousseau (franz. Schriftsteller, s« 1778): die Frage, ernstlich aufgeworfen, würde gottlos sein, wenn» sie nicht absurd (widersinnig) wäre; es wäre zuviel Ehre für einen, der sie verneinend löste, ihii zu bestrafen, es würde genügen, ihn einzufpcrren. Jm Gefühl des Treffendem was in diesen Worten liegt, haben denn manche Bestreiter der biblischen Wunder die Möglichkeit des Wunders an sich zugegeben und nur die thatsäch- liche Wirklichkeit in Abrede gestellt, während andrerseits ein Strauß, der ohne Hehl bekennt: »wer die Pfaffen aus der Kirche fchaffen will, der muß erst das Wunder aus der Religion schaffen,« nicht einmal die Möglichkeit desselben stehen läßt. Hat nun Voltaire (ein anderer franz. Schriftsteller, der auf Friedrich den Großen in religiöser Hinsicht einen so nachtheiligen Einfluß übte) einmal gesagt: »Wenn auf dem Markte zu Paris vor 2000 Menschen und meinen eigenen Augen ein Wunder geschähe, so würde ich eher m die 4002 Augen einen Zweifel setzen, als das Wunder für wahr anuehmen,« so ist er eben ein Exempel dafür, daß es gewisse Leute giebt, die unwiderlegbar sind, weil jeder Versuch, sich mit ihrem Verstand auseinander zu setzen, an ihrem Willen scheitert. »Wer aber i11 der Schule der Leiden den Zusammenhang des Bösen und des Uebels durch- schaut hat, und wem mittelst strenger und gründlicher Selbstbeobachtnng der Verderbensabgrund der Menschen- seele sich aufgethan, und wen nicht allein die naturgesetz- liche Ordnung der Welt in anbetendes Staunen, sondern auch der widerspruchs- und seufzervolle Wirrwarr des Weltlebens in hilfesuchendes Mitleid versetzt: der weiß das Christenthum, indem es ihm als Grundlegung einer er11euerten Menschheit nnd eines erneuerten Weltalls entgegentritt, aus eigenster Erfahrung, aus dem einmal wonnenen und fortan unveräußerlichen Inhalte seines Selbstbewußtseins heraus zu würdigen. Das Christen- thum — wer wollte es leugnen? — hat eine gründ- liche sittlich-religiöfe Umwälzung hervorgebrachh es hat der alten Welt ein Ende gemacht und eine neue be- gründet, es hat die Weltgefchichte halbirt, nnd beherrscht die zweite Hälfte derselben mit seinen gewaltigen, noch unerfchöpfte1i Impulsen (Triebkräften). Aus diesem Wesen des Christenthums als eines neuen Princips in dem Sinne, in welchetn es sich auf dem Erfah- rungswege als solches bewährt, ergeben sich mit innerer Nothwendigkeit die zwei absoluten Wunder, welche das diesseitige Leben seines Stifters begrenzeu; denn wenn innerhalb der sündigen Menschheit ein neuer heiliger und heilignngskräftiger Anfang hergeftellt werden sollte, so konnte dies nicht anders geschehen als so, daß das Leben des neuen Menschensohnes innerhalb der gegen- wärtigen Naturordnung, aber erhaben über sie, anhob und endete, so also, daß es keinen mit Sünde befleckteu Anfang und kein dem Tode bis zur Verwesun verfal- lendes Ende nahm. Wer aber dann einma erkannt hat, daß der Menschensohn, welcher die alte Menschheit entsitndigen und eine erneuerte begründen sollte, in den Natnrzusainnienhang der Menschheit hineingepflanzt werden mußte wie ein Edelreis in den Wildling , daß er aber von diesem Naturzufantmenhange der Sünde und des Todes nicht festgehalten werden durfte, sondern ihn siegesmäßig durchbrechen mußte, wie das aus dem Schooße der Erde zur goldenen Aehre ersprießende Saamenkoriy und daß beides nicht anders als dnrch ein absolutes Wunder geschehen konnte, der wird sich auch leicht in die andern Wundererzählungen der heil. Schrift finden können. (Delitzfch».) Schließen wir hieran sogleich eine Auslafsung über die innere Nothwendigkeit und die göttliche Absicht der Wunder: »Die Sünde hat den Menschen aus der Gottesnähe entfernt und ihm die Organe, mit welchen er Gott inne werden kann, ver- schlossen; er ist ein psychifches (seelisches) Wesen gewor- den, ein natürlicher Mensch, dessen Herz an dieser Welt hängt und dessen Sinne nur Sinnlichem erschlossen sind. Will Gott sich offenbaren, so muß er sich den äußeren Sinnen auf evidente (einleuchtende) Weise kund- geben, er muß durch die Sinne den ganzen Menschen erregen. Die Wunder sind sozusagen der Stimmhammey welcher die Saiten in dem Menschenherzen wieder auf- zieht und spannt, in die der heil. Geist dann hinein- greifen will; nur unter der Folie (auf der Unterlage) des Wunders kommt die Offenbarung Gottes zu Stande. (Nebe.) Es läßt sich aber die innere Nothwendigkeit des Wunders noch von einer andern Seite her erhärten. Jn einer Welt, wo Gott es nicht blos mit leblosen Dingen und inechanischen Gesetzen zu thun hat, sondern mit freien Wesen, die jeden Augenblick seine sittliche Weltordnung durchkreuzen können und nach ihrem widergöttlich gewordenen Sinne auch wirklich zu durch- krenzen den Versuch machen, ließe sich da wohl eine Weltregierung denken, wenn Gott. nicht die Freiheit hätte, auch im Einzelnen einzugreifen, um seinen eiligen Willen in der Weltgeschichte zu verwirklichen? Eine Nöthigung zu solche1n Eingreifen liegt für ihn nun immer dann vor, wenn eine Entscheidungszeit herbeige- kommen ist, wenn sein Reich wieder einen epochemacheni den Schritt vorwärts thun soll; bei dem Widerstande, den der Unglaube der Menschen und die List und Bos- heit des Fürsten dieser Welt ihm da entgegenstellt, könnte er, daß wir uns so ausdrücken, gar nicht die Oberhand behaupten, wenn er mit seiner Macht auf den gewöhnlichen Weltlauf beschränkt wäre. Die Zeit der Gründung und Herftellung des Gesetzes (Mosis nnd Eliä) und die Zeit der Gründung und ersten Ausbrei- tung des Evangeliums (Christi und der Apostel) waren solche entscheidende Perioden, in den Zwischenzeiten da- gegen treten die Wunder zurück; damit stimmt dann, daß für die Endzeit, für die Zeit der letzten Entschei- dungskämpfe des Reiches Gottes gegen die antichristliche Weltmacht nnd der Erscheinung Christi in Herrlichkeit wieder eine Wunderperiode in Aussicht gestellt wird (Luk. 21, 25 ff.). Wenn man, um die Unzulässtgkeit der Wunder zu beweisen, dieselben ein Attentat (gewalt- samen Angrisf) auf das der Welt zukommende Maß von, selbstständigeiti Leben, eine Durchbrechung der Natur- gesetze oder der festen Ordnung, deren Unabänderliche Geltung die einzige Gewähr für das Fortbestehen der Welt sei, ja geradezu eine Weltdurchlöcherung genannt hat; so müssen wir zunächst unterscheiden zwischen Wun- dern im absoluten Sinne, bei denen alle kreatürliche Vermittelung ansgeschlossen ist, und solchen, mehr relativen Wunderwirkungen, die an die gesetzmäßige Thätigkeit der Naturkräfte anknüpfen, aber durch über- natürliche Kräfte sie steigern. Jn ersterem Falle nun setzt Gott in eigener unmittelbarer Thätigkeit etwas in den Naturlauf hinein , was vorher noch nicht in demselben vorhanden war; die Naturkräfte sind dabei nicht weiter betheiligt, als daß sie das Produkt des Wunderakts in sich aufnehmen, sobald aber dieses in die Welt eingetreten ist, steht es auch unter den Gesetzen des Naturlaufs und ist auch für seine Fortexistenz den natürlichen Entwickelungsgesetzen unterworfen, so daß es fortan aufhört, Wunder zu sein, und zur Natur oder Wirklichkeit wird. Es verhält sich nun damit also, um dies Der HErr Jesus geht auf einen Berg, seine Jünger um sich versammelnd 51 Gleichniß auch hier zu gebrauchen , wie mit dem Eiupflanzen eines Edelreises in den Wildstamm; dasselbe ist für diesen ein neuer Anfang, für die eigene Weiterexistenz aber ist es an alle Naturbedingungen gebunden. Jn dem anderen Falle dagegen, wenn Gott vermittelst der gesetz-mäßigen Thätigkeit der Naturkräfte durch eine be- sondere Steigerung derselben wunderbare Wirkungen hervorbringt (1. Mos. 7, 10 ff.), so thut Gott da nur etwas, was der Mensch in beschränkter Weise und in engerem Kreise auch vollbringt: durch Beherrschung und Steigerung der Naturkräfte in, Kunst und Industrie bringen wir ja Wirkungen hervor, die der sich selbst überlassene Naturlauf nie hervorbrächte »Er, der die Natur geschaffen und ihren Lauf bestimmt hat, dem sie in allen ihren Theilen vollkommen klar und durchsichtig ist, wird« auf dem Rieseninstrumente der Naturkräfte, auf dem wir trotz aller Fortschritte der Naturwissen- schaft doch nur stümperhafte Spieler sind, noch ganz anders zu spielen verstehen; und ihm werden auch bei den gewaltigsten Akkorden, die etwa ganze Länder und Geschlechter zu Boden schmettern, doch keine Saiten springen, daß Unordnung in die Weltgesetze käme. Er ist ja der kundige Meister, dem alle seine Werke bewußt sind von der Welt her, der nicht dreingreist, wie etwa ein Unkundiger durch einen Griff in ein Uhrwerk den ganzen Gang und Zusammenhang unterbrechen würde, sondern in heiliger Weisheit zum Heile der Welt nnd zur rechten Stunde übernatürliche Kräfte eingreifen läßt. (Christlieb.) Diese Bemerkungen werden vorläufig genü en, bis wir Gelegenheit finden, spezielle Punkte, die etrefss der Wunder in Betracht kommen, noch näher zu erörtern. Das 5. Kapitel. Christi Bergpredigt non der Christen Seligkeit, und Verstand des Gesetzes. I· di. 1 u. L. (§. 40.) In diesem und den beiden folgen- den Kapiteln hat, wie ttuther bemerkt, Jelatthäus gleich als in einem kurzen Auszug beinah alles zitsainmetifassen wollen, was Christus gelehret hat, gleichwie er am Ende des vorhergehenden tsiapitels alles, was Christus gethan, zusammengefaßt hat. Es ist aber der ge- schichtliche Zusammenhang folgender: Uachdem der HErr ohngefähr 4 Monate in der vorhin beschriebenen weise thätig gewesen nnd als den Stifter eines neuen Hundes sich genugsam bekundet hat, auf Seiten. des Volks jedoih mehr irdisclysleischlicher Sinn, als wahrhafles iheilsbu diirfnisu und auf Seiten der geistlichen Oberon sogar heimliche tllerfolgungssuctst und ofsene verdächtigiing ihm entgegengetreten ist, anderntheils aber auch der Kern einer eigenen Gemeinde sich nunmehr aus der großen Masse herauszusctjäleii beginnt, die dereinst an die Stelle des ihn verwcrsendeir Israel nach dem Fleisch treten kann, um die Verheißung des Vaters zu empfangen, ist es jetzt an der Zeit, die bisherige Ghätiglieit von mehr vorbereitender Jlrt zum Abschluß zu bringen und mit der eigentlichen Offenbarung des Himmetreichs den An— sang zu machen. Christus thut das, indem er zunächst vor dem engeren Kreise seiner Sänger, die er so eben aus der Schaar seiner Nachfolger ausgesondert hat, die tsergpredigt hält, welche gewissermaßen das Gegenbild der Gesetzesossienbaruiig vom Sinai ist. Er stellt sich darin nach allen Seiten hin als den Grsiiller des alten Testamentes dar, nnd beschreibt den Unterschied der nen- testamentlicheii Gerechtigkeit von derjenigen, welche die falsche Auslegung der Pharisäer und Schristgelehrten ans dem Buchstaben des alttestameiitlicljeii Gesehes ent- wickelt hatte. (d1gl. Mark. s, 13—19; Lust. 6, 12——49.) Evangelium am Tage aller Heiligen: V. 1-—12.) Allbereits im 4. Jahrh. sing man im Orient an ein Fest zu feiern zu Ehren aller Märtyrer, und zwar am Sonntag nach Pfingsten; denn die Heiligen und Mär- tyrer erschienen mit ihrer bis zum Blutzeugentod aus- dauernden Glaubenstreue als die, jeglichen Zweifel that- fächlich widerlegenden Zeugen für die Wirksamkeit des heil. Geistes in den Gläubigen. In der occidentalischen Kirche dagegen war ein solches Fest längere Zeit hin- durch unbekannt, bis Gregor IV. den Kaiser Ludwig im J. 835 bewog, das zunächst in Rom gefeierte Heiligen- fest auch in den sräiikischeii Kirchen feiern zu lassen, von wo aus es dann sich nach Deutschlatid und England verbreitete. Die Zeit dafür, nämlich der 1. November, scheint insofern sehr passend gewählt, als zu dieser Zeit das Einernten der Feldfrüchte überall beendigt ist, und man nun durch die irdische Ernte an jene himmlische sich erinnern läßt, welche der Fromnie hoffen darf, wenn er dem Beispiel derer folgt, die ihm die Kirche als Vor- bilder eines christlichen Waudels vorhält. Noah jetzt seiert die englisch-bischöfliche Kirche den All sainis—Day, in der lutherischen Kirche aber ist er seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts mit den Aposteltage1i meist ein- gegangen. l. Da er aber [bei einem späteren abermaligen Wanderzugh den Jesus Ende September des J. 28 von Kapernaum aus gemacht hatte, auf der Riick- kehr dahin begriffensdas Volk sahe sdas ihm aus allen Gegenden des Landes nachfolgete Kap. 4, 25], ging er sdas Volk und die Jünger unten im Blach- felde zuriicklassend] auf einen Berg [auf denjenigen, der in der Nähe besindlich war, dort zu beten; und er blieb über Nacht in dem Gebet zu Gott. Und da es am andern Morgen Tag ward, rief er aus der Schaar seiner Jiinger im weiteren Sinne des Worts Kap. 8, 21 zu sich, welche er wollte, und ordnete die Zwölfe, daß sie bei ihm sein sollten Mark. Z, 13 ff; Luk. 6, 12 sf.], und setzte saus der Höhe des Berges] sich [nieder, indem er in einer längeren Rede ausführlich darlegen wollte, was das Wesen seines Reichs und die Art derer sei, die ihm zugehören] , und seine Jungert seben die Zwölfe , die er auch Apostel nannte, weil er künftig sie aussenden wollte, an seiner Statt zu predigen] traten zu ihm sdie zunächsi für sie be- stimuite Rede zu vernehmens Schon bei Erklärung des alten Testaments machten wir darauf aufmerksam (1. Sam. 17, 57 Anm.) , wie die biblische Erzählungsweise die Begebenheiten oft mehr nach sachlichen Rücksichten, als nach der Zeitsolge ordnet, und es nun nicht leicht ist, letztere zu ermitteln. Indem Wiefeler in feiner chronologischen Synopse der 4 Evan- gelien von der Voraussetzung ausgeht, St. Lukas wolle mit dem Ausdruck in Kap. 1 , 3 seines Evangeliums: »ordentlich (griech; grosse-Eins, d. i. der Reihe nach hinter einander oder in geordneter Folge) schreiben« eine chro- nologisch geordnete Erzählungsweise bezeichnen, hat er diesen Evangelisten bei seiner Anordnung und Zusam- menstellung der verschiedenen, in den vier Evangelien uns mitgetheilten Begebenheiten aus dem Leben Jesu 48 52 Evangelium Matthäi S, 1 Anm. sich zur Richtschnur dienen lassen und dann mit so großem Scharfsinn fast für jede einzelne Begebenheit das Datum ausgerechnet, daß Mancher schon gemeint hat: »das klappt, daß es eine Luft ist,« und die Wieselerssche Zu- sammenstellung für die wirkliche und unzweifelhaft ge« wisse Evangelienharmonie hält. Wir können jedoch diese Ansicht nicht theilen , wollen vielmehr wenigstens einen fchlagenden Beweis hier dafür beibringen, daß auch Lukas nicht grundsätzlich und durchgehends die ein- zelnen Erzählungen in chronologischer Aufeinanderfolge mit einander verknüpfe; was aber sein oben angeführter Ausdruck besagen will, dies zu erörtern verspareu wir uns bis zur Erklärung der betreffenden Stelle selber. Wie die hier folgende Uebersicht über den Gang, den die 3 ersten Evangelisten bei ihrer Darstellung der Wirksamkeit Jesu in Galiläa einhalten, uns zeigt: Matthcius (Kap. 4,12 — 9, 17). Marias (Kap. 1,14 — 2, 22). Lukas (Kap. 4,14 —- 5,39). 4, 12—17. I. (1. DE) Jesus eröffnet feine Wirksamkeit in Ga- liläa, Verläßt Nazareth und nimmt s einen Wohn- sitz zu Kapernaum i) Die Nummern in Paten- these geben an, unter welcher Hauptnummer derselbe Abschnitt bei den andern Ev angelisten steht. 18—22. Z. (2. 5.) Berufung von 4 Jüngern (Petrus u. An- dreas, Jakobus« u. Jo- hannes). 23——-25. 3. (5. 4.) Jesus zieht im ganzen galiläischen Lande predigend und lehrend umher. 5,1——7,29. 4. (11.11.) Die Bergpre- digt. 1—4. 5.(6. 6.) Heilung eines Aussätzigem 5—13. S. (-—12.) Der Hauptmann von Kapernaum 14——-17. 7. (4. 3.) Die Schwieger- mutter Petri. Kranken- heilungen am Abend. 18——22. 8.(——?i«) Ueberfahrt über das Meer. Rede Jesu an solche, die ihm nach- folgen wollen. ·) Vgl. Lulä J, 57 -——(52. 23——27. 9. (15. 19.) Stillung des Seesturms 28—-34. 10. (16. 20.) Jesus bei den Gadarenern. 1,14—15. 1. (1. 1.) Jesus eröffnet seine Wirksamkeit in Ga- liläa mit Wiederauf- nahme der Predigt des Johannes. 16——20. L. (2. 5.) Berufung der 4 Jiinger zu beständiger Nachfolge. 21-—28. s. (——2.) Heilung eines Besessenen in der Schule zu Kapernaum 29—34. 4. (7. 3.) Die Schwieger- mutter Petri. Kranken- heilungen am Abend. 35—39. 5. (3. 4.) Morgen bricht Jesus von Kapernaum nach andern Städten auf. 40———45. (5. (5. (5.) Heilung eines Aussätzigem 4,14———30. 1. (1.1.) Jesus eröffnet seine Wirksamkeit in Galiläa, wird aus Nazareth verstoßen u. siedelt nach Kaper- naum über. 31——37. Z. (——3.) Heilung eines Besessenen in der Schulez.Kapernaum. 38—41. 3.(7.4.) DieSchwiegers mutter Petri. Kran- kenheilungen Abends. 42—44. 4.(3. 5.) Aufbruch von Kapernaum u. Wirk- · samkeit in andern Städten Galiläas 5, 1——11. 5.(2.2.) Petri Fischzug Am andern 12———16. 6.(5.6.) Heilung eines Aussätzigen 9, 1——8. 11.(7.7.) Der Gichtbrü- chige zu Kapernaum 9——17. 12. (8. 8.) Berufung des Zöllners Matthäus Z, 1——12. 7. (11. 7.) Der Gichtbrü- chige zu Kapernauur 13—-22. s. (12. 8.) Berufung des Zöllners Levi. 17—26. 7. (11. 7.) Der Gähr- brüch. zu Kapernaum 27—-—39. 8.(12.8.) Berufung des Levi. Zur Harmonie der 3 ersten Evangelisten (Synoptiker). Matthias (Kap. 9,18 — 15,20). Marias (Kap. 2, 23 — 7, 23). Lukas (Kap. S, 1 — 9, 17). g, 18—26.13.(17.21.) JairiTochter u. das blutflüssige Weib. 27—-—34. 14. 2 Heilungexn Schmä- hungen der Pharisäer. 35-—11, l. 15.(19.22.) Die Aussen- dung der Zwölsr. 11, 2—-30.16.(——-14.) Die Gesandt- schaft des Täufers. 12 , 1—8. 1·7. (9. 9.) Aehrenraufen am Sabbath. 9—21. 18.(10.10.) Heilung des Mannes mit der ver- dorreten Hand. 22— -45. 19. (12.?-1«) Heilung eines Besessenen. Schmähung der Pharisäer und For- derung eines Zeichens. «) Vgl. Las. n, 14—36. 46-—50. 20.(13. 18.) Mutter und Brüder Jesu. 13, 1—52. 21.(14.17.) Gleichnißreden am Meer. 53-—58.22.(18.—) Jesus in Na- zareth. 14 , 1—12. 23.(20.23.) Des Täufers Enthauptung Herodes hört von Jesu und begehrt ihn zu sehen. 13—21. 24. (21.24.) Die Speisung der Fünftausend. 22—36. 25. k22.—) Jesus wandelt aus dem Meer. 15 , 1--20. 26.(23. —-) Händewaschetu L, 23—-28. 9. (17. 9.) Aehrenraufen am Sabbath. Z, 1—12«10.(18.10.) Heilung des Mannes mtt der ver- dorreten Hand. 13——19.11.(4.11.) Aussonderung der Zwölfe. 20—30. 12. (19.?) Vorgang zu Hause. Schmühung der Pharisäer. 31—35. 13.(20. 18.) Mutter und Brüder Jesu. 4, 1——34. 14. (21. 17.) Gleichnißreden vom Meer aus. 35——41. 15.(9. 19.) Seesturm Z, 1—20. 16.(10.20.) Jesus bei den Gadarenerm 21—43.17.(13.21.) Jairi Tochter U. das blutflüssige Weib. C, 1—6.18.(22. —) Jesus in Na- zareth. 7-—13.19.(15.22.) Die Aussen- dung der Zwölfr. 14—29. 20.(23.23.) Des Täufers »Enthauptung. Herodes hält Jesum für den wie- dererstanden.Johannes. 30——44. 21.(24.24.) Die Speisung der Fünftausend. 45—-56. 22.(25.-—) Jesus wandelt aus dem Meer. 7 , 1—23. 23.(26.——) Händewaschern Stillung des s. 6, 1—5. 9.(17.9.)Aehrenraufen am Sabbath. 6——1 1. 10. (18. 10.) Heilung des Mannes mit der ver- dorreten Hand. 12—49. 11.(4.11.) Aussondder Zwölse u. Bergpred. 7, 1———10.12.(6.——) DerHauptnu von Kapernantm 11-—17. 13.Der Jüngling zu Naitn 18—35. 14.(16.——) Die Gesandt- schast des Täufers. 36———50. 15.Die große Sünderin. 8 , 1 — Z. 16.Die dienend. Frauen. 4——18.17.(21. 14.) Predigt in Gleichnissen. 19——21. 18. (20. 13.) Mutter und Brüder Jesu. 22—25. 19.(9. 15.) Stillung des Seesturms 26-—39.20.(10.16.) Jesus» bei den Gadarenern. 40—56. 21.(13.17.)JaikiTk-cht. u. dblutflüssige Weib. 9 , 1——6. 22.(15. 19.) Die Aus- sendung der Zwölfa 7——9. 23. (23. 20.)Herodes hört von Jesu u. hält ihn für den wieder erstan- denen Johannes. 10-—17. 24. (24.21.) Die Spei- sung d. Fünftausend. 53 54 Evangelium Matthäi Z, I Anm. Matthäus (Kap. 15, 21 —— 18,35). Markus (Kap. 7,24 — 9,50). Lukas (Kap. 9, 8—50). 15, 21—28. 27.(24.—) Das cananäi- sche Weib. 29-——39.28.(26.—) Die Speifung der Viertanfend 16, 1——12.29.(27.—) Die Pharisäer fordern ein Zeichen fordern ein Z eich en. Warnung vor ihrem Warnung vor ihrem Sauerteig. Sauerteig. 13—28. 30.(’29.25.) Jesus bei Cä- sarea Philippi. 17, 1——11.31.(30.26.) Die Verklä- rung auf dem Berge. 14—-23. 32.(31. 27.) Heilung des Moudfüchtigen und Lei- densverkiindigung 24—27. 33.Der Zinsgrofchen u. der Stater. 18 , 1—20. 34.(3:2.28.) Vom Größteii im Himmelreich u. War- nung vor dem Aerger- nißgebem 21—35.35.Gleichniß vom Schalks- knecht. geht bei Lukas (unter Nr. 9) das Aehrenrausen am Sab- bath nicht nur der Gefandtfchast des Täufers unter Nr. 14., sondern auch der Speisung der Fünftausend unter Nr. 24 voraus. Letztere beiden Begebenheiten nun fallen, wie wir zu Kap. 4, 12 ff. gesehen haben, in die Zeit des Osterfestes; Wiefeler hat daher, seiner Vor- ansfetzuiig von der genauen chronologifchen Ordnung bei Lukas gemäß , ausgerechnet , daß der Aftersabbath (genauer: zweit-erste Sabbath) in Luk.6,1., wor- unter nichts anderes, als der erste Sabbath i1n Monat Nisan des zweiten Jahres der betr. Sabbath- periode (oom Herbst 27 bis dahin 34 n. Chr.) zu verstehen sei, auf den 6. Nifan (= 9. April) a. 29 falle, das Aehrenraufeu also 8—9 Tage vor dem Oster- fest stattgefunden habe. Wäre das. richtig, so hätten die Jünger das Verbot in Z. Mof. 23, 14 übertreten, wo- nach vor der Darbringung der Webegarbe am 2. Tage des Osterfestes (16. Zinsen= 19.Apri1 des» J. en) kein ,,neu Brod, noch Sängen, noch Korn« genossen werden durfte (vgl. Ins. 5, 11 ff.), und die lauernden Pharisäer hätten gewiß nicht unterlassen, dem HErrn Jefn auch wegen dieser Gefetzesübertretung feiner Jünger Vorwürfe zu machen, wozu sie noch weit mehr Recht als zu der Anklage wegen Sabbathsschändung gehabt hätten. Offenbar also niüssen wir unter jenem After- sabbath einen Sabbath nach dem 2. Tage des Festes verstehen; wir haben aber, wie zu Lukst 6, 1 näher nach- gewiesen werden wird, an den Wochenfabbath der Oster- woche (20. Nifan = 23. April a. 29) zu denken, so daß sonach das Aehrenraufeii später, als die Gesandt- fchaft des Täufers und die Speifung der Fünftau- send stattgefunden hat. Wirklich erzählt auch Matthäus 24—30.24.(27.—) Das cananäi- sche Weib. 31——37. 25.Die Heilung des Taub- stummen. 8 , 1—10.26.(28.——-) Die Speifung der Viertansend 11——21.27.(29.-) Die Pharisäer 22——26.28. eilung eines Blinden ei Vethsaidie 27——9,1. 29. (Z0.25.) Jesus bei Cä- farea Philippi. 9, 2—13. 30.(31. 26.) Die Verklä- rung Jesu. 14——32. 31.(32. 27.) Heilung des Mondfüchtigen und Lei- densverkündigung 33——50. 32» (34.28.) Vom Größten im Himmelreich und weitere Reden Jefu. 9, 18—27.25.(30.29.) FrageJesu u. Verkündigung sei- nes Leidens. 28—36. 26. (31. 30.) Die Verklä- rung Jefu. 37—45. 27.(32.81.) Heilung des Mondfüchtigen und Leidensverkiindigung 46—50. 28. (34. Vom Größ- ten im Himmelreich. Rede Jefu. (unter Nr. 16) jene Gesandtfchaft früher, »als» das Aehrenraufgi Butter 17), Juki) hat lzielrfvhie rigtgge chronologis e ei enfo ge einge a ten, o g ei au ei ihm die Speifåiåig dker Fitnftjgiufetgizd Oisiter Fu It) kerfst später folgt. jr önicten er eine: e no »me· r ei- bringen, daß-unter allen 3 Evangelisten kein einziger ist, der von Anfiåikg bisl zu End; feine Erzähslunzgetz aitif gen Faden der frono ogie rei tj was· in on er ei en iöukas betrifft, so reichtfbei ihm die Schilderung der Wirksamkeit Jefn in Galiläa nur von Kap. 4, 14 bis Kap. J, 50., in Kap. 9 ,5l —- 19,28 folgt dann eine mit geringen Ausnahmen ihm eigenthiimliche, weder nachk chronogogitfchesiik nochchgaiftz geozzgrsaphifchegillGesickjsotsp pun te georne e, e r rei a ige uainmen e ung on evangelifchem Material, das dnrch den Rahmen der Reife Jefu durch Samaria nach Jerusalem zzifatråmenggsalten Zxkisäxkks YETFIFFLIFDETT Fåäiiasifsgix ZFHZHTTUTT die Erweiterung seiner Lehrthätigkeit über die Grenzen Galiläas hinaus darstellt. Die Ueberficht über diese Parthszie, in welcher Lukas erst wieder von Kap. 18,»15 an mit den andern beiden Evangeliften zusammentrifft, werden wär» zu Matthz lkliibl lfzeibtriixc engffiiåzzekzt — ei Zeiss, Tkilkssaiiieioiklåekeknå JUFVZI wkkäku Es« Faiäiippe der Ordnung, goelchen die heiFßEhangeliften befolgen, diesen Eindruck ekommem 1) a ie immer nur ein- zelne Grufklpez Zion zzisammengehörbigleäi Gefchichteåi zu- ammen este t a en, ruppen, die a einen grö eren, bald einein geringeren Umfang haben» ja manchmal blos einen einzigen Abschnitt umfassen; 2) diese Gruppen haben sie in freier Weise, wie einen jeden von ihnen die Sach- ordnung, die er befolgte, bestimmte, an einander gefügt, wobei oft mehr der Ort, wohin der Anfang der Gruppe wies , als die Zeit, in die sie gehörte, oder sonst ein wichtiges Moment den Ausschlag gab. Z) Durch Ver- gleichung aller 3 Berichte mit einander läßt sich die richtige Zeitfolge gar wohl ermitteln, wenn man nur mit rechter Einfalt zu Werke geht und dem Wort der Wahrheit mct unbefangeneny empfänglichem Sinn sich hingiebt. Wir werden versuchen, was in unsern Kräften i Der Berg der Seligkeiten. s- 50 Als den Berg, darauf Jesus gegangen sei und von dem aus er die folgende Rede gehalten (nach dem An- fang derselben der Berg der Seligkeiten genannt), bezeichnet die lateinische Ueberlieferung die in Kap. 4, 25 erwähnten Berghörner von Hattin (Kurun Barth) an der Westseite des Sees Genezareth, 372 Stunden von Tiberias (s. Karte VI). Am Nordende einer frucht- baren Hochebene (Ar(1 el Hammah gelegen, erhebt sich die doppelzackige Anhöhe, wie sie hier im Bilde vorliegt: Berg der Seligkeiten. steht, zu leisten, und da, wo es besonders nöthig ist, angeben, was uns bestimmt hat, die Chronologie so zu ordnen, wie die Evangelienharmonie in den Schlußbe- merkungen zu den 4 Evangelisteti es angiebt; manches wird da gleich in die Einleitung zu jedem Abschnitt aufgenommen werden können, anderes aber, was über den Umfang des Bibelwerks hinausgehen würde, bei. Seite gelassen werden. Was nun die hier vorliegende Bergpredigt betrifft, so ist dieselbe unzweifelhaft erst gehalten worden, nachdem Jesus schon eine Zeitlang thätig gewesen und in seiner göttlichen Hoheit soweit er- kannt worden war, um mit der vollen Auctorität des messianischen Gesetzgebers und des einstigen Richters der Welt vor dem Volke austreten zu können, nachdem aber auch ein bestimmter Ge ensatz der pharisäischen Partei sieh gegen ihn gebildet Hatte, die ihn beim Volke zu verdächtigen suchte, als wolle er die Ordnungen des alten Bandes umstoßen und ein religiöser Revolutionär werden; endlich, als im Volk sich eine Scheidung zu vollziehen begann zwischen solchen, die blos mit fleisch- lichem Sinn ihm anhingen und allerlei unlautere Er- wartungen von ihm hegten, und denen, die ihre Herzen ihm hingaben und zur Sammlung einer eigenen Ge- meinde mitten unter dem unschlachtigen und verkehrten Geschlecht der Zeit die Anfänge in ihren heilsempfäng- lichen Seelen darboten. Andrerseits dürfen wir jedoch die Bergpredigt auch nicht in eine zu späte Zeit ver- legen; denn sie steht im unmittelbaren Zusammenhange mit der Aussonderung der zwölf Apostel, welche schon ziemlich früh erfolgte, und sie bringt die göttlichen Ge- danken, die dem Jubel- oder Erlaßjahre des alten Bundes zu Grunde liegen, zu ihrer vollsten »Entsaltung fiir das Leben im neuen Bunde (3. Mos. 25, 55 Anm.), fällt also gewiß noch vor die Zeit, mit welchem das Jubeljahr vom Herbst 27 bis dahin 28 n. Chr. zu gnde ging , wenn auch erst ganz an’s Ende dieser eit. fattelsörmig bei 60 Fuß, ans der Ferne den Anblick von Hörnern gewährend, die ihren Namen nach dem nahe dabei befindlichen Dorfe Hattjn führen, demselben Ort, bei welchem in der berühmten Schlacht vom 4. Juli 1 187 der tapfere Sultan Saladin die Macht der Franken brach, den König Guido von Jerusalem gefangen nahm, das Kreuz, welches der Bischof von Bethlehem in dieser Schlacht trug, eroberte und bald darauf auch Jerusalem. Nach seiner Lage nun, wie nach seiner Eigenthümlichkeit kann dieser Berg sehr wohl der Berg der Seligkeiten sein; denn Jesus ist bei seiner Rückkehr von einer Wan- derung durch Galiläa eben bis zu diesem Punkte ge- kommen und will vor seiner Heimkehr nach Kapernaum noch einen Abschluß mit den ihm nachziehenden Volks- massen machen, der Berg selber aber, der aus seiner Höhe eine mäßige Fläche bildet, ist ganz wie zu einer Kanzel gemacht und steht mit seinen beiden aufwärts gebogenen Enden wie der kleine Thron eines Mächtigen da, dessen Fußschemel der Erde Feste ist. Wir meinen, die hier bei Matthäus vorliegende Rede sei diejenige, die Jesus in dem geschlossenen Kreise der Zwölfe auf dem östlichen Horne gehalten, worauf er dann auf das hochgelegene Blachfeld am Fuße der beiden Hörner her- niederstieg und die Rede nach ihrem Grundgedanken und wesentlichen Jnhalt in einer, dem weiteren Kreise des Volkes angemessenen Fassung vor diesem wiederholte. Diese kürzere Fassung liegt in Luk. 6, 20 ff. vor, wäh- rend die eigentliche Bergpredigt, um mit P. Lange zu reden, ganz den Character einer Rede bekundet, wie sie Christus jetzt noch nicht an das Volk öffentlich halten konnte. Dies gilt zumal von der Characterisirnng der Pharisäer und Schriftgelehrten und ihrer Gerechtigkeih und von der scharfen Darstellung des Gegensatzes der Lehre Jesu und der ihrigen: in dieser Weise konnte Jesus noch nicht zu dem jiidischen Volke im Allgemeinen reden, ohne durch Rücksichtslostgkeit fein Volk auf’s Aeußerste zu gefährden: auch war das Volk noch nicht 56 Evangelium Matthäi 5, 2. Z. reif zur Auffassung einer solchen Lehrfüllm Sind es aber die zwölf Apostel, an die der HErr zunächst sich wendet, so müssen wir deren Namen, die Matthäns erst in Kap. 10 bei Gelegenheit der erstmaligen Ausseudung aufführt, näher kennen lernen. Vier Mal wird uns, in den Geschichtsbüchern des neuen Testaments ein Ver- zeichniß derselben dargeboten; allemal aber lassen ste in 3 Klassen zu 1e vier sich theilen. Wir geben hier eine Uebersichtstafeb a. b. c. d, Matthz10,2-4. Makk.3,1e-19. Lue e,14-16. Apostg. 1,13. 1.SinionPetr. Simon Petr. Simon Petr. Petrus. Z. Andreas. Jakobus I. Andreas. Jakobus I. 3.Jakobus I. Johannes. Jakobus I. Johannes» 4.Johannes. Andreas. Johannes. Andreas. 5.Philippus. Philippus Philippus. Philippus. 6.Barthol«om. Bartholom Bartholomäus Thomas. 7. Thomas. Matthaus. Matth äus. Barth olom. S. Matthäus Thomas. Thomas. Matthäus. 9.Jakobus11. Jakobus I1. Jakobus II. Jakobus II. 10. Lebbäus Thaddäus Sim. Zelotes SimonZelotes (Thadd.) (Jud.Jakobi) lLSimon v. Simon v. K. Jud. Jakobi. Judas Jakobi. Kam. Judas Jschar. Jud. Jschau 12. Judas Jscharioth Die erste Klasse enthält offenbar die 4 Hauptaposteh dieselben, deren Berufung uiis in Kap. 4, 18 ff. mitge- theilt worden ist; doch sind diese in b u. d nach ihrer Bedeutung in der Kirche geordnet, während in n u. b die beiden Brüderpaare zusammengestellt sind. Die zweite · Klasse der nächstdem hervorragenden Apostel beginnt» in »allen klvVerzeichnissen mit Philippus, weil dieser sich frühzeitig an Jefum angeschlossen (Joh.1, 43 ff.) und ein hohes Ansehen in der Kirche erlangte; Bartholomäus ist dann derselbe, der in Joh.1,45ff. Nathanael heißt; Matthäus, der Zöllner, auch Levi genannt, ist der Verfasser unsers Evangeliums (Kap. 9, 9 ff.)» und Thomas bedeutet seinem Namen nach ,,Zwclling« (Joh. 1l , 16; 20, 24). Jn der dritte» Klasse iteht durchgehends Jakobus, Alphäi Sohn, voran, nno Judas Jscharioth als der Verräther fchließt die Reihe, und fehlt selbstverständlich ind ganz; Simon von Kana in a u. l) sollte richtiger ,,Simon Kananites« übersetzt werden, dafür haben wir in c u. d Simon· Zelotes (der Eiferer), Judas Jakobi aber (also nicht zu verwechseln mit Judas Jschariothx Joh. 14, 22), von Matthans genannt Lebbäus (der Beherzte) und von Markus »als Thaddäus (der Gewaltige, was gleichbedeutend mit Lebbäus ist) bezeichnet, führt den Beinamen ,,Jacobi« nach seinem Bruder Jakobus 1l., dem Bruder »des»HErrii (Ep. Judä V. I) , und ist so- nach, gleichwie dieser Jakobus, Alphäi Sohn, und auch Simon der Eiferer, selber einer von den Brüdern des HErrn (Kap. 13, 55, vgl. Anm. zu Kap.1, 25). Mehr über» diese Apostel behalten wir uns zu Kap.10,4 vor; für xetzt halten»wir fest, daß sie den HErrn umstehen als die Reprafentaiiten und Häupter der werdenden Kirche, das Volk dagegen, welches auf der Hochebene vor dem Berge sich gelagert hat, ist ein Repräsentant der Welt, aus der die Kirche sich mehren soll, und daß diese ihre Glieder auch vaus der Heidenwelt sammeln wird, deß ein Wahrzeichen ist der weitere Kreis der Jungen die der HErr sonst· noch außer den Zwölfen hat und von denen er künftig ihrer siebzig aussondern wird· (Luk. l0, 1ff.). Der Anblick der großen, wunder- slichtigen, für den wahren Glauben unempfänglichen Menge, welche Jefum auf seinemZuge begleitete und von ihm nichts Anderes begehrte, als Abhilfe der leib- lichen Noth, und nichts Anderes erwartete, als Erfül- lung ihrer irdischen Hoffnungen, mußte ihm die Ueber- zengung verschafsen, daß es jetzt an der Zeit sei, das Jsrael nach dem leisch, das sich, wie früher in Judäa, so nun auch in aliläa, seiner Erfcheinung unwerth zeige und ihn mit dem Himmelreichh das zu stiften er gekommen, verwerfe, im großen Ganzen aufzugeben und eine Ausscheidung der Uebrigen, von denen Jesajas (10, 20 ff.) geweissagt hatte, daß ihnen allein das Heil zu gute kommen würde, zu vollziehen. Nachdem er sich die Nacht über mit seinem himmlischen Vater im Gebet berathen, fondert er aus der herbeigerufenen Schaar seiner Jttnger die Zwölse aus nach der Zahl der zwölf Stämme Jsraels; sie sollen nach seinem Hingange zum Vater sein Werk auf Erden fortsetzen und als Häupter an die Spitze der die ganze Welt in sich befassenden neutestamentlichen Gottesgemeinde treten, und nun zeich- net er in der an sie gerichteten Rede den für die Theil- nahme am Himmelreich erforderlichen Sinn und be- schreibt die wahre Gerechtigkeih zu der er die Seinigen erziehen will, im Gegensatz zu der falschen des alten Israel und seiner Führer, der Pharisäer und Schrist- gelehrten. 2. Und er that seinen Mund auf [in feier- licher, freimüthiger Rede die ewigen Grundgesetze des neuen Bandes auszusprechenL lehrete sie nnd M : sp Dcher Gegensatz zwischen dem Sinai und dem Berg der Seligkeiten, dem Gesetz und dem Evangelium, setzt sich fort in dem Gegensatz der alttestamentlichen Gottes- rede unter Donner und Blitz» und dem neutestamentlichen Aufthun des Mundes Jesu. (Lange.) Mein Herz ist voll Deinüthigkeit, voll Liebe meine Seele; mein Mund der fleußt zu jeder Zeit von süßemSanftmuthsöle Mein Geist, Gemüthe, Kraft und Sinn ist Gott ergeben: schaut auf ihn. (Mir nach, spricht Christus — V. 3). Zu den Worten des 1. und ·2. Verses macht Luther die Bemerkung: »Der Evangelist macht eine Vorrede und «Gepräng, wie sich Christus gestellt habe zu der Predigt, die er thun wollte , daß man sieht , es sei sein Ernst; denn das sind die 3Stücke, wie man sagt, so zu einem guten Prediger gehören: Zum Ersten, daß er auf- trete, d. i. daß er sich stelle als ein Muster oder Pre- diger, der es kann und thun soll als dazu berufen, und nicht von ihm selbst kommt, sondern dem es gebührt « aus Pflicht und Gehorsam; denn Gott will nicht, daß man mit seinem Wort irre lause, als treibe jemand der Z heil. Geist und müsse predigen , und also Stätte und Winkel, Häuser oder Predigtstühle suche, da er kein Amt hat (Röm. Es, 20; L. Cor. l0, 15 f.; Joh. 18, 20). Zum Andern, daß er den Mund aufthue frisch und getrost, d. i. die Wahrheit, und was ihm befohlen ist zu predigen, nicht schweige noch murmele, sondern ohne Scheu und unerschrocken bekenne und dürre her- aussage, niemand angesehen noch geschont, es treffe wen oder was es wolle. Zum Dritten, daß er auch könne aufhören« (Geh frisch hinauf, thu’s Maul auf, höre bald auf!) —- Vom weftlichen Horn des K. Hattin hat man in der Nähe die Aussicht über die Ebene nördlich vom Tabor und auf das Becken Ard el Hammer, welches letztere mit verschiedenfarbigen Feldern wie ein Teppich daliegt; auf der andern Seite überblickt das Auge den nördlicheu Theil des Sees Tiberias mit dem großen Hermon, an seinen weftlichen Ufern die Ebene Genezareth , im Norden und Nordwesten Safed und mehrere Dörfer auf den Anhöhen, auch die Spitze des waldigen Karmel und in der Ferne den Libanon. »Ver- gegenwärtigen wir uns diefe reizende Aussicht, die Un- bewölktheit des füdlichen Himmels, die feierliche Stille Die Bergpredigh J) Die Seligpreisungeim 57 des frühen Morgens , so geht aus dem allen hervor, daß es eine tief ergreifende Scene gewesen sein muß. (Tholuck.) Der ganze Austritt hat etwas traulich Ernstes, etwas Einnehmendes und Wllrdevolles: der offene Himmel über ihm, die ländliche Gegend umher bildeteu einen Natiirtempel; keine Syneigoge, selbst der Tempel der Hauptstadt nicht, konnte einen so feierlich tiefen Ein- druck machen. Nichts fand sich in dieser Umgebung, das zu den Formalitätem die den gewohnten Lehrvor- trag der Judenlehrer begleitet hätten, gehört; er setzt sich auf der Anhöhe nieder und fing, die nächst um ihn stehenden Jünger in’s Auge fassend, also an: ,,Selig sind die geistlich Armen« (Heß.) Ä— U. 3——16. Der ihCrr beginnt seine liiede mii einer Seligpreisung derer, die aiif die rechte Weise nach dem tjimmelreiox das zn stiften er gekommen nnd dessen Verwirklichung nun seinen Anfang genommen, verlangen, die Früchte seiner Gerechtigkeit in ihrem Wandel er- weisen und die mit seinem Dienst verbundene Schmach und Verfolgung der Welt willig auf sikh nehmen; indem er nun da seine Sänger noih besonders in’s Auge faßt, legt er ihnen ihre hohe Bestimmung an’s Herz, als welche sie ohne den allerslhwerslen Schaden ihrer Seele nilht verleugnen können, vermöge welcher sie dagegen, wenn sie selbige rekht erfiillen würden, der Welt zum allergrößten Segen werden sollen. »Der erhabene Geist des Evangeliums, wie er gleich aus den ersten Worten der Berg-predigt uns nun-ein, offenbart sich a) in den hohen Derheißungem die sie uns anträgt, b) in den hohen Gesinnungem die sie uns annual, c) in der hohen Stellung, die sie uns anweist.« -3. Selig sind, die da geistlich sm ihrem Jn- neren oder dem Geiste nach] arm sind; denn das Himmelreich sdas nun geoffenbart werden soll Kap. 4, 17] ist ihr sihnen zum Besitz, bestimmt. Es fragt sich zunächst, auf was für eine Armuth dies »dem Geiste nach« Arm-sein zu beziehen sei: ob auf leibliche oder auf geistige Armuth? An leibliche Armuth denkt sowohl die katholische Kirche als auch Luther; und für diese Auslegung spricht einerseits der Umstand, daß in Luk. 6, 20.schlechthin von den Armen die Rede ist, ohne daß »dem Geiste nach« dabei stünde, wonach man zunächst an die in leibliche Armuth und äußeres Elend versunkenen Glieder des an sich schon unterdrückten und herabgekommenen Gottesvolks zu denken hätte, und andrerseits die Wahrnehmung, daß schon bei den Propheten und in den Psalmen immer die Elenden und Armen es sind, denen die Glückseligkeit des messianischen Reichs verheißen wird (Ps. 37, 11; Ies. 61, 1). Während nun die katholische Kirche die nähere Bestimmung »dem Geiste nach« auf eine »frei- willig« übernommene Armuth (Kap. l9, 21) deutete und darauf das conciljum evangeliciim panpertatis voluntariae (den evangelischen Rath freiwilliger Armuth, wie die Bettelmönche ihn befolgen) gründete, faßt Luther 'die Sache tiefer und meint das »geiftlich arm« so, daß es bedeute: ,,nicht mit dem Muth (Herzen) an dem Gute hangen, Gott gebe du hast Gut oder hast nichts; gleichwie ,,reich im Geist« heißt, mit dem Herzen am Gut hangen, Gott gebe, du hast Gut oder hast nichts (Ps. 62, 11). Denn auch die ärmsten Bettler, die doch gar nichts haben, stehen mit ihrem ganzen Muth nach Gut und Geld, stecken im Herzen so voll Geizes und Hungers, daß sie die aller eizigsten Men- schen werden, wo sie ein wenig Guts ü erkommenz da- J en findet man vermögliche, reiche Leute, die gute Fristen sind, Gottes Wort gern hören, einen gottseligen Wandel führen und armen Leuten viel Gutes thun. Darum läßt es der Err dabei nicht bleiben, daß er spräche: Selig seid ir Armen! sondern setzt hinzu: Selig sind, die da im Geist oder geistlich arm sind, d. i. die nicht sicher sind, die Gott vor Augen haben, nicht in Wind hin leben wie die Welt, sondern haben Acht auf ihr Thun und Lassen, halten es sein gegen das Wort und sehen, wie die Natur durch die Sünde so verderbt ist, daß es nirgend mit dem rechten Gehor- sam hernach will, gehen in den Gedanken, als wären sie die größten Sünder. Wohl euch, spricht der HErr, ihr seid auf der rechten Bahn zum Himmel« Zu dieser Auffassung, welche unter den geistlich Armen solche ver- steht, die, mögen sie äußerlich arm oder reich sein, in ihrem Jnneren los von ihrem Besitzthum, also »dem Herzen nach« arm sind, stimmen die Worte in 1. Cor. 7, 29 ff.; Jak. 1, 9 f.; Jerem I, 23 f.; sie weist aber von sich selber schon hinaus zu der anderen Fassung, da man hier an geistige Armuth denkt, wie denn Luther auch weiter schreibt: »daß also geistlich-arm-sein anders nichts ist, denn ein zerschlagen, geängstet Herz und Geist haben um der Sünden nnd angeborenen Schwachheit willen« Hier ist die Rede nicht von leib- licher oder weltlicher Armuth, sagt Menken zu Gunsten dieser anderen Deutung; die nimmt und giebt dem Menschen ebensowenig etwas vor Gott, als der irdische Reichthum «— hier ist die Rede von ,,geistlicher Armuth« Und worin besteht die? Arm überhaupt ist ein Mensch, der dasjenige, was er bedarf, selbst nicht hat nnd es bei einem Andern suchen, von einem Andern empfangen muß. Geistlich-arm ist ein Mensch, der für seine Seele nicht das Nöthige hat, der die vornehmsten Be- dürfnisse des Geistes nicht befriedigen und stillen kann, dem es mangelt an Erkenntniß, an Trost, an Ruhe, an Kraft, an Geist oder göttlichem Leben; der einsiehet und tief empfindet, daß es ihm in Riicksicht auf den Geist eben an allem fehle, daß er nicht im Stande sei, sich selbst das Nöthigste und Beste zu verschaffen, die Gnade und Gemeinschaft Gottes, Gerechtigkeit, ewiges Leben, Freiheit von Sünde und Tod, daß ihm das alles fehle, daß er es bei einein Andern suchen und erbitten müsse, und der in solcher Erkenntniß, die den Menschen recht mit sich selbst bekannt und ihn nüchtern und demüthig macht, verlangt, daß doch dieser Armuth in ihm möge abgeholfen werden, seine Zuflucht zu Gott nimmt und ihr abzuhelfen sucht durch Bitte und Gebet zu Gott, durch Anschließen an göttliche Menschen, die am Geist reich sind, durch eifrige Ergreifung und Benutzung jeder Gelegenheit nnd Anstalt, wodurch er für seinen Geist etwas gewinnen kann, allermeist aber durch den Glau- ben an Jesum Christum als an denjenigen, aus dessen Fülle alle, deren geistlicher Armuth schon abgeholfen worden, genommen haben Gabe um Gabe , und aus dessen unausforfchlichem Reichthum fort und fort alle geistlich Armen alles erlangen können, was sie bedürfen, Ja geistlich reich werden können. Siehe, das sind die geistlich Armen, die Jesus selig preist! find alle Menschen geistlich arm, wie sie alle krank sind, und je weniger einer seine Armuth am Geiste er- kennt, desto ärmer ist er, je weniger er seine Krankheit fühlt, desto kränker ist er; wie esim Jrdifchen um das Vermögen des Mannes am übelften steht, der die Zer- rüttung desselben nicht einsieht, und wie der Kranke nur umsoviel gesährlicher krank ist, der seiner Krankheit nicht achtend oder in der Hitze und Phantasie des Fiebers von Krankheit, Arzt und Arzenei nichts wissen will.« Wenn man den Ausdruck: ,,arm am Geist« auch in dem Sinne von ,,arm an geistigen Anlagen und geisti- ger Bildung« hat verstehen wollen, so ist das zwar sprachlich unzulässig, weil das Wort ,,Geist« niemals in diesem Sinne von der heil. Schrift gebraucht wird: Denn freilich zermalmt.« 58 Evangelium Marthe« s, 4. 5. wohl aber liegt sachlich etwas Richtiges in dieser Auf- fassung, und nun können wir sämmtliche Ausleg1cngen (mit Ausnahme der von der freiwilligen Armuth, in Beziehung auf welche Augustims Wort gilt: ,,Es giebt Viele, welche leichter alle ihre Güter unter die Arnieti vertheilen, als daß sie seldst Arme Gottes werden möch- ten«) dahin Zusammenfassen: Arme sind die irdisch Armen im« weitesten Sinne, denen es entweder an Geld und Gut, Ehre und Stellung, Geistesanlageti und Bil- dnn geradezu fehlt, oder aber, wenn sie das alles oder wenigstens dies und das davon besitzen, es doch nur haben, als hätten sie nicht; zu geistlich Armen werden sie dann dadurch werden, daß sie ihre Armuth an den Gütern dieser Welt zum Trachten nach den Gütern des Himmelreichs sich dienen lassen. —- Was hierauf den Ausdruck Himmelreich betrifft, so findet er sich nur bei Yiatthäus; gewöhnlich steht dafür: Reich Gottes, oder schlechtweg: Reich (d. i. Gottes, Luk. 12, 32), bis- weilen auch: Reich Christi (Kap. 20, 21; Ephes S, 5; Z. Petri 1, 11), wofür wiederum steht: Reich des Meu- schensohnes (Kap. Dis, 41), oder: das Reich Davids (Mark. 11, 10). Jni allgemeinen Sinne des Worts umfaßt das Reich Gottes die ganze Welt, die ficht- bare und die Unsichtbare, die jetzige und die zukünftige, mit allem, was auf nnd in ihr ist (1. Chron. 30, 11; Pf. los, 19); Gott herrscht da vermöge seiner Allmacht. es waltet das Gesetz; der Nothwendigkeih der unum- schränkte Wille Gottes, und sind demselben auch die Mächte der Finsternis; unterworfen, so daß aller Wider- stand fruchtlos ist und selbst, was zur Verhindernng seiner Absichten unternommen wird , ihnen zur Förde- rung und Verwirklichung dienen muß. Man nennt dies das Macht- oder Naturreich, und erstreckt sich die Gewalt, die des Menschen Sohne im Stande der Er- höhung ·egeben ist, auch über dieses Reich (Kap. 28, 18; Ephes l, 21 f.; Philipp. Z, 9 f.); er herrscht unter seinen Feinden, indem er sie zurücktreibt oder in Schranken hält und sich ihrer, je nachdem er will, als seiner Werkzeuge bedient, bis er zuletzt sie stürzt nnd machtlos zum Schemel seiner Füße legt (Ps. 2, 9; 110, L; I. Cor. 15, 25). Wenn nun aber in dem allge- meinen Gebiete der Gottesherrfchaft es sowohl in der sichtbare1i als in der unsichtbaren Welt geistige, mit eigener Willenseiitscheidung begabte Wesen giebt — die Menschen hienieden und die Engel droben: so muß es auch noch ein Reich Gottes im besonderen Sinne des Worts geben, und das theilt sich in. das Reich der Gnade und das Reich der Herrlichkeit. Zu dem letzteren gehören alle Bürger des Himmels, die guten Engel und die vollendeten Gerechten aus allen Gefchlech- tern der Menschen (Ephes. 1,10); während es aber bei jenen schon da ist, wie wir in der Z. Bitte des heil. Vater- unsers uns erinnern, kann es auf Seiten der Menschen erst zu feiner Verwirklichuiig kommen, wenn die Ent- wickelungsgeschichte des Gnadenreiches zu ihrem Abschluß gelangt ist. Das Reich Gottes in diesem besonderen Sinne ,,ist der Zweck« der göttlichen Welterschaffung, und das Ziel der göttlichen Weltregierung; es ist die unsichtbare Wurzel, welche die Weltreiche hält und trägt, und die Unsichtbare Kraft, welche Weltreiche schlägt und Gegründet gleich mit der Erschaffung des ersten Nienscheti zu einem seligen Unterthan Gottes und zu einem beseligenden Herrn der Natur, erlitt das Reich Gottes auf Erden durch den Siindenfall zwar eine roße Störung , ward aber keineswegs dadurch ausge- oben; wenn auch nicht mehr ein Reich ungehinderter Gottesherrschaft, war es doch noch da als ein Reich mächtiger Geistes-Wirkungen. so daß Henoch in der Ge- meinschaft mit Gott ein Leben führen konnte, welches ihn über den Tod erhob und aus dem Wege der Ver- klärung in den Himmel einführte (1. Mos. 5, 24). Die Geschichte des Reiches Gottes von der Austreibun der Menschen aus dem Paradiese an bis zur Wegfü rung der Kinder Israel nach Babel läßt sich füglich in 5 Perioden theilen, von denen znnächst die beiden ersten, und dann die drei folgenden, in näherer Beziehung zu einander stehen: war die Zeit vom Paradiese bis zur Sündflnth eine Zeit der Zucht nnd Strafe durch den Geist Gottes, welche mit dem Resultate schließt: »Die Menschen wollen sich meinen Geist nicht mehr strafen lassen, denn sie sind Fleisch« (1. Mos. s, 3); so folgt nunmehr bis zum Thurmbau zu Babel die Zeit der Geduld und Einschränkung, indem Gott einerseits die Sünde des Menschen unter seine schonende Geduld nimmt, sie, weil er sie nicht innerlich durch seinen Geist überwinden kann, äußerlich auf die Oberfläche hervor- treten und sich frei entwickeln läßt, wie ein Arzt das Gift der Krankheit, das er nicht innerlich zu dämpfen vermag, in einem Ausschlag nach außen treibt, andrer- seits aber auch der Macht dieser Entwickelung gewisse Schranken setzt , denn der Geist des Menschen ist nun machtloser, der Körper schwächer, das Alter kürzer, die Abhängigkeit von der Creatur größer als im vorfünd- flutlichen Zeitalten Vom Thurmbau bis zum Auszug ans Egypten haben wir die Zeit der Bildung und Aus- sonderung einer besonderen Familie, wo Gott als Fami ri.engott erscheint; an sie schließt sich vom Ein- zug in Canaan an bis auf Samuel die Zeit der Ver- pflanzung des Reiches Gottes in ein bestimmtes Land , Gott wird nun Vo lksgott; dann tritt bis zur Weg- führung Jsraels nach Babel die Zeit der Herrschaft Gottes durch Könige neben Priestern und Propheten ein, Gott ist da sozusagen Staatsgott. Eine ganz neue Epoche beginnt: es ist die der Weltreiche, über deren Entwicke- lungsgefchichte wir beim Propheten Daniel Aufschluß erlangen. Wie einst zwischen die Verheißung und ihre Erfüllung für Israel das Gesetz zwischen eingekommen (Gal. Z, 17 ff.), so werden jetzt zwischen das Reich Gottes in seiner letzten wahren Gestalt die Reiche dieser Welt eingeschoben; und wie das Gesetz ein Zuchtmeister sein sollte auf Christum, so sollen die Weltreiche denselben Zweck für die ganze Völkerwelt erfüllen. Auf der einen Seite soll unter ihnen alle Menschenkraft und alle Welt- kunft sich entfalten und es versuchen , ob sie die wahre Glückseligkeit herbeizuführen vermögen; auf der andern Seite aber auch die Menschheit durch ihre Dahingabe an alles, was in der Welt ist (1. Joh. 2 , 16) , das Unbefriedigende darin erkennen und empfinden lernen, damit wenigstens etliche nach dem, was nicht von dieser Welt ist, sich sehnen möchten. Von dieser Betrachtung aus wird es leicht verständlich, warum das Reich Got- tes an der Pforte des neuen Testaments, in dem ersten von den 4 Evangelien, sich als das ,,Reich der Himmel« oder als Himmelreich, wie Luther tibersetzt, ankündigt (Kap. Z, Z; 4, 17); als ein solches hat es sich ja in einem derletzten Bücher des alten Bandes, und zwar in dem, welches sich vorzugsweise mit den Weltmonan chien beschäftigt, characterisirt, insofern es im Himmel feinen Ursprung hat, himmlische Art n11d himmlisches Wesen an sich trägt, vom Himmel herab geoffenbart wird , alle Macht Und Gewalt unter dem Himmel für sich in Besitz nimmt nnd endlich in die Ewigkeit des Himmels ausläuft (Dau. Z, 447 7, 13 s. 27). Daß nun aber gerade Matthäus, der Evangelist der Juden- christen, die in Rede stehende Bezeichnung ausgeprägt hat, erklärt sich aus dem Gegensatz gegen die unter den Juden herrschendeu falschen Vorstellungen von einem irdischen, weltlichen Machtreich, dessen Aufrichtung sie von ihrem Messias erwarteten; diese Vorstellungen wa- ren die Decke vor dem Herzen Jsraels, daß es seinen Heiland nicht erkannte, doch weder der HErr selber noch sein Vorläufer haben solche Vorstellungen jemals genährt, sondern gleich von vornherein von nichts anderem als einem Himmelreich geredet. Für uns, die Christen der Gegenwart, die wir von Haus aus gewöhnt sind, das Reich Christi im Sinne seines Worts: ,,mein Reich ist nicht von dieser Welt« zu betrachten, behält der Aus- druck ,,Himmelreich« gleichwohl seine volle Bedeutung. Vom Himmel aus regiert der HErr seine Kirche wäh- rend der ganzen Zeit, die zwischen dem ersten Psingstsesh wo er ste gestiftet hat, und deni Tage seiner Zukunft, wo er ste vollendet, liegt; ihre Geschichte in dieser Zeit ist ein Nachbild seines eigenen Ganges, den er durch die Welt genommen, ein Lebenslauf im Stande der Ernie- drigung, in welchem sie vom Himmel aus gesegnet, für den Himmel erzogen und einst auch in den Himmel ein- eführt wird; wie der Himmel über ihr offen steht, so hat sie auch ihren Wandel im Himmel, und ob sie gleich auf Erden noch kämpft und duldet, wird doch die Scheidung zwischen oberer und 1interer, zwischen strei- tender und triumphirender Gemeinde einmal aufgehoben und das Reich der von der Sünde freigebliebenen hei- ligen Engel und das Reich der von der Sünde erlösten, geheiligten Menschen auch in äußerer Erscheinung zu einer Einheit zusammengefchlossen werden. Daß an unsrer Stelle das Himmelreich, das der HErr den geist- lich Armen zusagt, speziell die ganze Fülle des Reich- thums an geistlichen, himmlischen Gütern, welche dieses Reich in sich begreift und die man wiederum in die drei Worte: Vergebung der Sünden, Leben und Selig- keit Zusammenfassen kann, bedeute, bedarf wohl kaum der Erinnerung. 4. Selig sind, die da [mit jener göttlichen Traurigkeit L. Cor. 7, 10., welche vom Geiste Gottes im Herzen angerichtet und auf Wiederer- langung der verscherzten Gnade und Gemeinschaft Gottes hingerichtet ist] Leid tragen; denn sie sollen [da nun der Trost Jsrciels Luk. 2, 25 erscheint, der alles Leid und Sehnen des Herzens stillt] ge- tröstet werden [dem Anfange nach schon im Reiche der Gnade, auf vollkommene und iiberschwängliche Weise aber im Reiche der Herrlichkeit Jes. 4(), l; 61, 2; 66, 10 f.]. Luther denkt in V. 4 bei dem Leidtragen, wie in V. 3 bei dem geistlich Armsein, zunächst an äußeres Leid: Gleichwie der geistlich arm heißer, nicht, der kein Geld hat, sondern der nicht danach geizt, noch seinen Trost noch Trotz drauf feiger, also auch heißt das Leid- tragen und Trauern nicht, der äußerlich immer den Kopf hängt, sauer sieht nnd nimmermehr lacht. sondern der seinen Trost nicht darauf setzet, daß er hier nur gute Tage habe und im Saufe lebe, wie die Welt thun« Er geht aber auch hier schon selbst zu der andern Er- klärung von innerem oder geistlichem Leid über, wenn er fortfährtt Es ist das Trauern und Leidetragen nicht ein seltsam Kraut bei den Christen , ob es gleich ans- wendig nicht scheintx denn sie müssen täglich sehen und fühlen im Herzen, wenn sie die Welt ansehen, soviel Bosheit, Muthwillen, Verachtung nnd Lästernng Gottes nnd seines Worts , daz1i so viel Jammer nnd Unglück, so der Teufel anrichtet, beide im geistlichen und welt- lichen Regiment, daß sie nicht viel fröhliche Gedanken haben können und ihre geistliche Freude sehr schwach ist.« Hiermit stimmt denn, was wir bei Menken lesen: Es giebt ein Leiden des Gemüths, eine Traurigkeit des Herzens, da der Mensch eigentlich nicht weiß, was ihn etrübet, soviel aber gewiß weiß, daß es nichts Irdi- Die Seligpreisungen Fortsetzung) » 59 fches, keine Sache und Angelegenheit dieser Welt ist. In seiner Seele ist etwas rege geworden , ein Bedürfniß, ein Verlangen, und alles, was ihn sonst vergnügte und sättigte, das will nun nicht mehr hinreiihen; es ist ihm, als ob »die ganze Welt ihn nicht vergnügeii könnte! Diesem inneren Leiden liegt ein tiefes Gefiihl von der Richtigkeit alles vergänglichen Wesens und eine Ahnung von der Ewigkeit, ein verborgener Hunger und Durst nach Gott und ewigem Leben zu Grunde. Solche Be- trübte, solche Leidtragende, für die die Welt nichts hat, die preiset Jesus selig, aber nicht um des Leidens willen an und für sich, sondern um des Trostes, um der Freude willen, die darauf folgen soll: das Bedürfnis; wird selig gepriesen um der Befriedigung willen, die für dasselbe in dem unausforschlichetn Reichthum Christi vorhanden ist.« Hierzu geben wir noch einige Bemer- kungen —- zuerst von Augustinus (zu Pf. 137): ,,Viele weinen mit babylouischem Weinen, weil sie auch mit babhlonischer Freude sich freuen; denn wenn man sich freuet über Gewinn und weinet über Verlust, so ist beides nach babylonischer Art. Weinen mußt du, aber von daher, daß du an Zion gedenkest;« sodann von Heubner: ,,Jminer müssen wir uns erinnern an Osfeiib.7,17 u. 21, 4: Gott wird abwischeti alle Thrä- nen von ihren Augen. Wer hier keine geweint, dem können keine abgewischt«werden;« endlich über den gan- zen Spruch v·on Kögeb ,,Wo kein Leid ist, wächst kein Trost; nicht jedem Leid foll Trost erwachsen; doch soll Gottes Trost auch dem herbsten Leid gewachsen sein.« s. Selig sind die Sanfmitthigen [die, zufrie- den und stille in dem Gotteihres Lebens, äußerliche Vortheile gern aufgeben , wenn sie dadurch Haß und Zwietracht vermeiden können, und, auf alle eigenen Ansprüche verzichtend, nur die Beförderung der Ehre Gottes und des Seelenheils ihres Näch- sten im Auge haben 1. Mos. 6 , 12 ff.; 4. M. 12, 3]; denn sie werden das Erdreich sdas die widergöttliche Selbstsucht sich anmaßt und für sich auszudeuten sucht, als ihnen einst von selber zu- fallend] besiszeU lPs 37, 11]. »Die drei ersten Seligpreisuiigen sind paradoxe Sätze, d. h. solche, die beim ersten Blick verkehrt und unwahr scheinen, und doch durchaus richtig und wahr sind. Es ist ja eine sonderbare Rede: Selig sind die Armen, die Leide11den, die Schwachen! Die Vernunft denkt das Gegentheil: Selig sind die Reichen, die Fröhlichem die Gewaltigen! Nach der Natur gehen die Armen, die Leidenden, die Duldenden leer aus; aber hier ist hoher Trost für sie —— für sie ist das Evangelium ganz be- sonders da, mit ihnen vorzüglich beschäftigt sich die An- stalt der Gnade« Die Welt vermeint die Erde zu besitzen und das Jhre zu schützen, wenn sie Gewalt übt; aber Christus lehrt, daß man· die Erde mit Sanftmüthigkeit besitze. (Randglosse.) Nicht zu verwechseln ist die Sanftmuth a) mit der Lauheit (1». Sam. s, 13; Floh. 2, 14 ff«; Offenb. Z, 15 f.), b) minder Feigheit (Röm. 13, 4; Jef. 56, 10; Joh. 10 ,·12 f.) , o) mit jener äußeren Ruhe, die bei dem Einen die werthlose Frucht Phleg- matischen Temperaments ist, bei dem Andern das Zei- chen heranrückenden Alters; bei dem Einen in kalter, tückischer Berechnung eine Zeit lang erheuchelt, bis aus dem umgehäiigten Schasskleide die Wolsskralle heraus- fährt, bei dem Andern der Triumph hochmüthiger Schadensreude über die Erregtheit des Nächsten; bei dem Einen ein Stillebleiben in einzelnen Fällen und gegen manche Leute bis zum Augenblick der Probe, bei 60 Evangelium Matthäi s, 6-—9. dem Andern eine gewisse Gewöhnung und Selbstzuchh aber nicht vom Grunde eines weich und neu eworde- nen Herzens. Die edle Blume der Sanftmuy wächst, wie Rambach sagt, nur an Einem Orte—- auf dem Grabe des Hochmuths (Kögel.) Sanstmuth zunächst im engeren Sinne bezeichnet das Gegentheil des Zorns, der schnell zu reden ist und langsam zu hören (Jak. l, 19. 21), vornehmlich aber jenen Lammesfinn, den wir an dem HErrn Jesu überall seinen Widersachern gegen- über sehen, daß er nicht wieder fchalt, da er gescholten ward, nicht dräuete da er litte (1. Petri 2, 23). Sanft- muth steht also im innigsten Bund mit der Geduld, wo- mit Christen nicht blos sich unter einander vertragen sollen (Ephes. 4, 2), sondern womit sie auch das Böse sollen tragen können, ja die Bösen, wenn sie uns wehe thun, uns persönlich beleidigen (2. Tim. Z, 24); darum ist aber Sanstmuth nicht dasselbe, was Geduld, sondern während letztere das Tragen des Bösen ist, wie es sich als thätige Uebung offenbar zeigt, ist Sanstmuth der inwendige Gesinnungsgrund, nämlich die Willigkeit zu leiden und zu vergeben, und der Friedenshauch aus Gott, den diese Willigkeit über das ganze auswendig sich darstellende Dulden verbreitet (1. Petri Z, 4). Den Begriff der Sanstmuth im weiteren Sinne erkennen wir demnächst aus der Stelle: Kap. 1I, 28 ff., wo Jesus sich selber den Sanftmüthigen und von Herzen Demüthigen nennt und sein Joch als ein sanftes preist. So aber nennt er sich , weil er der Mann ist für die Mühseligen und Beladenen , der den Drang der Liebe hat, mit solchen miideiy von ihrem inneren und äußeren Elend gedrückten Seelen das rechte erquickende Wort zu reden. Niemand nimmt sich ihrer an, niemand versteht sie, jedermann werden sie mit ihren Klagen und Aeng- sten eine Last; aber Er neigt sich zu ihnen herab und will ihnen Ruhe geben und das ist feine Sanstmuth. Dieser selbe weitere Begriff seiner Sanstmuth, wonach Er, der Hohe und Erhabene , und der Gerechte und Eifrige, der über die Unbußfertigen das Wehe ruft (Kap. 1l, 2l), sich herunterhält zu den Niedrigen und Gebeugten und sich bei ihnen keine Geduld der Liebe zu viel sein läßt, kehrt auch in Kap. 21, 5 wieder, wenn der Evangelist dort in der Art und Weise seines letzten feierlichen Einzugs in Jerusalem das Prophetenworn Such. 9, 9 erfitllt sieht; hier steht fanftmüthig für arm, elend, d. i. der ohne allen Aufwand und Glanz der Welt einherzieht Somit ist es auch hier keineswegs nur der Ausdruck seines still tragenden Lammessinns " gegenüber den einden und ihren Schlägen und Mar- tern, sondern ü erhaupt der Ausdruck für den ganzen Character seiner Heilandserscheinung, für sein Sichher- unterhalten zu den Niedrigen und für seine, von dem Gesetz» so völlig verschiedene Art, das zerstoßene Rohr nicht zu zerbrechen und das glimmende Docht nicht auszulöschen, nicht die Gerechtigkeit der Gerechten zu suchen, sondern den armen Sündern Heil und Leben zu bringen. Ebenso sind nun auch die Sanftmüthigen an unsrer Stelle anzusehen, denen der Besitz des Erdreichs verheißen ist; ein Blick auf Pf. 37, 11 lehrt, daß die Sanftmüthigen hier die Elenden des alten Bundes sind. Zwar steht das Wort hier zunächst nicht im aktiven Sinne, wie beim HErrn selbst, von denen, die sich zu den Niedrigen herunterhalten, sie zu erquicken (vgl. da- gegen Gal. 6, 1); wohl aber im passiven Sinne zur Bezeichnung solcher, welche das sie stechende und züch- tigende Wort Gottes mit Sanstmuth annehmen (Jak. 1, 21), d. h., wie Rambach sagt, mit einem durch die Erkenntnis; seines Elends und die überschwengliche Gnade Gottes dergestalt geschmeidig, zahm, gelinde, beugsam und traktabel (behandelungsfähig) gemachten Herzen, daß dessen natürliche Rauhigkeit, sein starres, wildes , ungebrochenes Wesen verfchwunden ist. (Klett.) Sanftmüthig bedeutet nicht blos einen, der geduldig Beleidigungen erträgt, sondern überhaupt klein, niedrig gesinnt: diese Demüthigen, sagt Pf. 37 , 1l. , werden zuletzt unter dem Volke Gottes dennoch die Herrschaft erhalten, das gelobte Land besitzen. Das irdische Canaan war aber selbst nur das verheißende Vorbild des verklärten Wohnorts der Kinder Gottes (Röm. 4, 13; Hebt. 4, 9). Der Besitz dieses Erbes beginnt geistlich schon dadurch, daß den Gläubigen alles ge- hört, alles nur zu ihrer Seligkeit dient (1. Tor. Z, 21ff.; Röm. 8, 28), auch im Erliegen der endliche Sieg ihnen gewiß bleibt; irdisch dadurch, das; die Gemeine des HErrn alle Reiche der Welt überdauert (Dan. 7, 17 f.) und selbst einmal das allumfassende Reich Gottes auf dieser Welt werden wird; und er wird vollendet, wenn Christus, unser Leben, offenbar wird, und wir mit ihm offenbar werden in der Herrlichkein (v. Gerlach.) 6. Selig sind, die da [wie einen Hungrigen nach Brod und einen Durstigen nach einem Labe- trunk Pf. 42, 2 f«; 63, 2] hungert und durstet nach der Gerechtigkeit seines Gott ganz geheiligten und ihm wohlgefälligen Lebens Luk. 1, 75]; denn sie sollen sindem ihnen zuvörderst die« Gerechtigkeit des Glaubens gebracht werden wird, diese aber den neuen Gehorsam in ihnen wirkt, der sich end- lich zu vollkommener Heiligkeit nnd Gerechtigkeit ent- faltet Rönn 8, 1 ff.; 2. Petri 3, 13; Jes. 60, 21., durch Stillung ihres tiefsten BedürfUisseSJ satt wet- den [Ps. 17, 15]. Die Armen an Geist und die Leidtragenden haben schon Gerechtigkeit, die Gerechtigkeit des Glaubens; sie sind durch den Glauben an den Mittler des mensch- lichen Geschlechts, Jesus Christus, gerechtfertigt und er- langen Vergebung ihrer Sünden (Röm. 5, 1f.). Wenn diese nun anfangen, die Sanstmuth zu erlangen, so fangen sie ihre Heiligung wirklich an; und nun soll bei ihnen aus der Gerechtigkeit des Glaubens auch eine Gerechtigkeit des Lebens hervorgehen. Es ist noch mancherlei feine Ungerechtigkeit in ihnen, die hinwegge- räumt werden muß; es giebt noch viele Arten der Ge- rechtigkeih die sie lernen und sich zu eigen machen müssen. Wenn sie nun nach aller ihnen mangelnden Gerechtigkeit ein tiefes Bedürfnis; haben, ein fehnendes Verlangen, wenn sie darnach hungert und dürstet, und sie mit Anwendung alles Fleißes darnach streben, so preiset der HErr Jesus sie selig. Sie haben keinen Gefallen an sich selbst, sie sind bei ihrer Erkenntnis; und Kraft zur Heiligung nicht satt, sondern sie haben sehr viel Bedürfniß; und so suchen sie viel, und so erlangen sie viel. Sie erkennen, daß ein Christ in diesem Leben durch die göttliche Gnade und Gabe von der Sünde frei werden kann, und halten es für eine große Selig- keit, von der Sünde frei zu werden. Sie haben das Ziel und das herrliche Kleinod am Ziele im Auge, und glauben nicht auf halbem Wege schon am Ziele zu sein; sie sind gesinnt, wie Paulus. gesinnt war,·als er sagte: Jch vergesse, was dahtnten ist u.s.w. (Philipp.3,13f.); Ia, sie sind gesinnt, wie Jesus Christus gesmnet war, als er sagte: also gebührt es uns , alle Gerechtigkeit zu erfüllen (Kap. 3 , 15). Selig preiset der HErr diese nach der Gerechtigkeit Hungernden und Dürstenden; denn sie sollen satt werden, all ihr edles Bedürfniß soll befriedigt, all ihr heiliges, süßes Verlangen soll· ge- ftillt, eben mit der Gerechtigkeit, wonach sie hungern und dürften, sollen sie gesättigt, sollen sie erfüllt werden (vgl. Jes. 55, 1 —3). Und eben mit dieser seiner Rede, Die Seligpreisungen. (Zweite Fortsetzung) » 61 die in Katz. 5 — 7 aufgeschrieben ist, macht der HErr schon den Anfang, die nach Gerechtigkeit Hungernden und Dürstenden mit Gerechtigkeit zu sättigen, indem er sie in dieser Rede eine bessere Gerechtigkeih als die sie bis dahin kunnten, eine bessere, als die der Pharisäer und Schriftgelehrten aller Zeiten, die wahre, die Gerechtigkeit der Genossen des Himmelreichs kennen lehrt und ihnen zeigt, wie sie dieselbe erlangen können. O Seligkeit, nicht nach Reichthum und Ehre und guten Tagen auf Erden verlangen, sondern verlangen nach Gerechtigkeit und damit gesättigt werden! (Menken.) 7. Selig sind die Barmherzigen [denen die Noth des Nächstem sie sei geistlich oder leiblich, so zu Herzen geht, als wäre es ihre eigene, und die dann solcher Noth mit Rath und That sich auch annehmen Röm. 12 , 15]; denn sie werden sin Betreff derjenigen Noth, die wirklich ihre eigene ist, theilweis schon von Seiten der Menschem im vollen Maße aber bei dem, deß die Barmherzigkeit ist Dass. 9, 9; Evhei 2, 4; Judä 211 Barmherzig- keit erlangen [ja selber der Gegenstand seines Er: barmens sein und von seiner Barmherzigkeit ganz und gar umfangen werden]. ,,Barmh»erzi·gkeit« als menschliche Tugend ist warmes, herzliches, inniges (Röm. l2 , 8) Mitleiden mit dem armen (wahrscheinlich von »arm« kommt das Wort her: be-armen; die Ableitung von ,,warmherzig« durch Berwechseluug der verwandten Anfangsbuchstaben ist mehr sinnreich als richtig), in leiblichem und geistlichem Elend schmachtenden Nächsten, das uns antreibt, ihm nach Kräften ohne selbstische Riicksichten oder parteiiszsche Unterschiede zu Hilfe zu kommen. Sie ist, wie die Liebe überhaupt, deren uneigennützigste Bethätigunlg ·sie ist, ein Hauptzug des Ebenbildes Gottes, ein A bild der göttlichen Barmherzigkeit gegen uns, durch die Sünde zeitlichem und ewigem Elend und Verderben anheim gefallene Mensch-en. (Leyrer.) Wie aus dem Meer eine Welle der andern, so folgt in Gott ein Erbarmen dem andern; sein Herz ist wie ein Abgrund einer tiefen Quelle, die immerdar fich ergießt und mit lauter Güte und Barmherzigkeit überfließt Er hat Barmherzigkeit nicht blos ftir Einen Betriibten und Nothleidenden, nicht blos für tausend oder zehntausend, sondern für alle; er hat Erbarmen nicht nur für etliche Tage oder Jahre, sondern von Anfang der Welt bis an’s Ende. (Scriver.) ,,Barmherzigkeit erlangen« ist etwas Höheres als Sündenver ebung, es ist besondere Zärtlichkeit und Freundlichkeit Gottes und Christi und der Engel: wo solche Barmherzige hinkommen, da beeifert fich die ganze Schöpfung, die ganze Creatur, ihnen Ehre zu beweisen. (Oettinger.) 8. Selig find, die [insofern sie aller Heuchelei und Falschheit von Herzen feind sind und Gott von Herzen meinen Pf. 24, Z; 32, L; 73, I; Johz l, 47] reines [d. i. lauter »gesinnten, aus- richtigen und einfältigen] Herzens sind , denn sie werden [dem Anfange nach schon hier in der Zeit, aus vollkommene Weise aber dereinst in der Ewig: keit] Gott schauen sindem er in ihnen als in einem reinen Spiegel sein Gesicht oder seine Gestalt wider- strahlen läßt, durch diese Verklärung in sein Bild sie aber« auch Augen bekommen, ihn zu sehen wie er ist 1. Cor.13,12; 2. C. Z, 18; I. Joh. Z, 2 U— Das sind Worte, die den Ernsten bange machen. Wer hat nicht blos einen reinen Wandel, sondern ein Herz rein von aller bösen Lust , Selbstsucht, Ehrgeiz? ein Herz, in welchem Gottes Liebe allein wohnt und kein unlauterer Trieb? ein Herz ohne alle Flecken? ohne Eigenwillen, ohne Einmischung fleischlicher Liebe in die geistliche, ohne parteiische Bevorzugung Mancher? ein Herz ohne fleischliche Bequemlichkeit? — Weil wir alle kein reines Herz haben, weil immer böse Gedanken und Regungen in uns aufsteigen, so gehört bei uns zur Reinheit des Herzens zuerst das , daß wir uns unsre Unreinigkeit eingeftehen, mit aufrichtiger Reue sie erken- nen, vor Gott ohne Falsch seien , nicht besser scheinen wollen als wir sind, und dann in Christo allein unsre Reinigung suchen, täglich inbrünstig zu Gott rufen, was in Pf. 5l,12 geschrieben steht, und ernstlich gegen die Sünde kämpfen. (Heubner.) Weil aber Christus die Tugenden einzeln auffiihrt und bereits von der Demuth, Sanftmuth , Barmherzigkeit geredet hat, so sieht er in diesem Spruch wohl auch auf etwas Besonderes hin, auf das, woran wir bei der Reinigkeit vorzugsweise zu denke1i pflegen, auf einen keuschen Sinn. Wer nun gern frei werden möchte von schnöden Fesseln, der komme zu Christo; und wer ringet und weinet, weil er nicht frei werden kann, der komme zu dem Gekreuzigtew Nichts, nichts tödtet die böse Lust besser, als der gläu- bige Anblick des leidenden Erlösers Mit den blutigen Nägeln seines Kreuzes kannst du dein eigen Fleisch kreuzigen sammt den Lüsten und-Begierden. Betrachte eine Stunde lang mit geöfsneter Seele deinen leidenden und sterbenden Versöhner, ob nicht alle wilde Lust ent- flieht, ob nicht neben der himmlischen Wärme dankbarer Liebe eine heilige Ktihle dein ganzes Herz durchgeht? Nun, lieber Christ, nimm nicht eine, sondern viele Stunden, zu solch ernster und seliger Betrachtung, und dein Gott segne sie dir! (Redenbacher.) Das ,,Schaue1i Gottes« ist das unmittelbare, auf der Willens- und Lebenseinheit ruhende Wissen um Gott; in diesem Schauen Gottes wird sich den Seligen das Geheimnis; aller göttlichen Gedanken, Wege und Werke erschließen und die ganze heilsgeschichtliche Vergangenheit zur leben- digen Gegenwart werden. Jnsofern aber dieses Schauen Gottes, in dem fich die Seligkeit concentrirt, vermittelt ist durch Christum, ist es nicht abstrakte Geistigkeit, son- dern harmonische Verbindung von Geist und Natur, von ethischer Gottesschönheit nnd leibhafter Gottesherr- lichkeit. (Tho»niasius.) v · » 9. Selig sind die Friedfertigen [die nicht blos, als die Friedsamen l. Mos. 34, 213 2. Cor.13, 11., ihrerseits Frieden halten und den Frieden nicht stören, sondern auch unter Andern den Frieden zu fördern suchen, ihn gleichsam auf die Fahrt bringen, zu ihm einladen Ephes 6, 15]; denn sie werden Gottes [des Friedestifters, der in Christo Jesu Friede gemacht hat zwischen sich und den Menschen und zwischen den Menschen unter einander Z. Cor. 5, 18 f.; Ephes 2, 14 ff.] Kinder heißen sals solche, die ihm nachgeartet sind, erkannt und dafür bei Menschen und Engeln gepriesen werden]. Es ist ein Zeichen von Leichtfertigkeit, wenn manche Ausleger so thun, als habe Luther nicht gewußt, daß zwischen den beiden Worten szgniiinol (Jak. Z, 17) und stmzwvroiol (an unsrer Stelle) ein Unterschied sei; diese Ausleger wissen nur ihrerseits nicht , daß Luther unter ,,friedfertig« etwas andres versteht, als unter ,,friedsam«, obgleich er fich deutlich genug in feiner Randglosse er- klärt hat: die Friedfertigen sind mehr, denn die Fried- 62 Evangelium Matthäi 5, 10——13. samen —- nämlich die den Frieden machen, fördern und erhalten unter Andern, wie Christus uns bei Gott hat Friede gemacht« Wir haben jetzt noch das Wort ,,jemand abfertigen«, d. i. ihn in Stand setzen, daß er seine Fahrt oder seinen Weg antreten kann, und in Z. Sam. 19, 17 lesen wir den Ausdruck ,,fich fertigen« in der Bedeutung: sich eilig auf die Fahrt machen; in Apostg. 12, 19 aber heißt es von Herodes, er hieß die Hüter ,,rechtfertigen«, d. i. zu Recht oder Gericht laden, gerichtlich belangen. Daraus ergiebt sich für die ,,Fried- fertigen« vollkommen derselbe Sinn, den das Wort des Grundtextes hat. —- Der Christ ein Mann des Friedens: I) er hat Frieden, Z) er hält Frieden, Z) er stiftet Frieden; oder mit andern Worten: er ist friedreich, friedsam, friedfertig. »So wenig wie als Kinder Gottes, werden wir als Friedfertige oder als Friedensstifter geboren; nein, allererst in der zwei- ten Geburt (Joh. Z, ff.) kommen wir selbst zum Frieden und setzen wir uns in den Stand zu dem einen, Frieden zu erhalten, wo er ist, und zu dem andern, Frieden zu stiften, da er fehlt. Schon alles früher (V. 3—8) Genannte hat sein Entstehen auf christlichem Lebensgebiet, steigt aus chriftlichem Lebensgrunde hervor; wollt ihr’s zulassen , dann sag ich, das sind die sechs Tagewerke der geistlichen Schöpfung (wie denn nament- lich des Christen Schöpfung auch darin der Schöpfung des Himmels und der Erde gleicht: aus nichts , aus nichts —- unser Leben ist nicht Entwickelung aus Knos- pen oder ein Bau aus vorliegenden Stoffen, sondern nach L. Cor. 5, 17: ist jemand in Christo, so ist er eine neue Creatur und das Alte vergangen; das Nichts wird wahrgenommen, die Armuth angesehn, empfunden: V. Z) , und der Friede , der Mann des Friedens wird am siebenten Tage geschaffen. Wer dann selbst des Friedens theilhaft geworden, der kann auch anders nicht, als ihn weiter tragen, und ist eiliges Fußes , in welchem Werk Christus selber gewesen, daß er auch da- rin erfunden werde. Was heißt denn Frieden stiften? Es heißt: das Himmelreich aufthun und sehen lassen den Frieden darin. Was wird hiernach unser Werk sein oder des Friedens Werk, in welchem er sich bewe- get? Dieses, daß wir fuchen an unserm Theil die Feindschaft des Sünders wider Gott aufzuheben. Doch es will auch hinabgegangen sein zu dem Werk, das ge- wöhnlich Friedestiften heißt; schon um des eben ge- nannten höheren Friedens willen muß es geschehen, auf daß derselbe könne Wurzel schlagen, was er nicht kann, wenn jemand Feindschaft wider einen Andern, Haß, Rache in seinem Herzen trägt, und was andere Namen hat, doch der Sache nach dasselbe ist. Ja, das muß fort, der Boden muß rein sein; die himmlische Pflanze wächft nimmermehr da, das Wetter muß vor- übergezogen sein, sonst stellt sich der Bogen des rie- dens nicht dar. (Cl. Harms.) Es ist das kein Wider- spruch, daß das Amt des Friedensstifters von der Gotteskindschaft abhängen soll , und andrerseits die Gotteskindschaft und ihr hehrer Name von dem Werk des Friedensstifters Die Verwandtschaft nnd Gemein- schaft mit Gott kann wachsen! umgekehrt, so jemand jener Welt Güter hat und siehet seinen Bruder friedlos darben und schließt sein Herz vor ihm zu, wie bleibt die Kindschaft Gottes bei ihm? Aus der Art schlagende Kinder können enterbt werden. Das Testament wird geöffnet, nnd stehe, da findet sich, daß der zum Erben Eingesetzte durch sein unverträgliches, unlauteres Wesen den heil. Geist betrübt, seine Gotteskindschaft verscherzt und einen andern Namen angenommen hat. (Kögel.) 10. Selig sind, die um Gerechtigkeit [um des Bekenntnisses und der Verkündigung des Evangelii oder um ihres Wandels in der Wahr- heit] willen svon denen, die dem Evangelio Gottes nicht glauben, sondern die Wahrheit in Ungerech- tigkeit aufhalten, mit Worten oder Werken] ver- folgt werden; denn das Himmelreich [als sicherer Bergungsorh der sie aufnimmt, wenn die Welt sie von sich hinaus-stößt, und als überreiches Schatz- haus, das Trost genug hat für alles Böse, das sie empfangen, und Ersatz für alles, was ihnen ge- nommen wird] ist ihr sund kann durch keine Viacht der Welt ihnen entrissen werden l. Petri 3, 13 f.]. 11. Selig seid [insonderheit] ihr smeine Jünger, die ich euch zum Apostelamt berufen habe V. 1], wenn euch [bei Ausrichtung dieses Amtes] die Menschen um meiuetwillen smit Wor- ten] fchmiihen und kmit Werken] verfolgen, und reden [weil sie das Ansehen nicht haben wollen, daß sie um Gerechtigkeit willen euch schmähen und verfolgen] allerlei Uebels wider euch sals wäret ihr Gotteslästereta Ausrührer, Verführer u. dgl.], so sie daran lngen [1. Petri 4, 14 ff] 12. Seid fröhlich Und getrost [ja, frohlocket vielmehr, siatt daß ihr euch betrüben solltet Apostg 5, 41], es wird euch [was ihr auf Erden um meinetwillen gethan und gelitten habt] im Himmel wohl belohnet werden sauch tretet ihr durch solches Geschmähet- und Verfolgtwerden hie- nieden schon ein in die ehrenvollste und edelste Ge- nossenschaft]. Denn also fmit Schmäh- und Droh- worten, mit Gefängniß und TodesurtheiU haben sie verfolget die Propheten, die vor euch [als meine Diener, mein Kommen in die Welt zuvor zu bezeugen] gewesen sind [und in dem Namen. des HCrrn zu König und Volk geredet haben Jak. 5, 10]. Die Krönung eines Christen mit Gnade und Barm- herzigkeit wird durch eine andere Krone, durch die von Dornen aus der Hand der Welt bestätigt. Die himm- lische Erklärung: ,,hier ist ein Kind Gottes« fordert das spottende Echo einer sich selbst verspottenden Welt heraus. (Kögel.) Auch das ist eine große, schwere Ver- folgung und das rechte Leiden der Christen, daß man sie auf’s Allerbitterfte und Giftigste lästert und schmähet; denn obwohl man andern Leuten auch Gewalt und Unrecht thut, läßt man ihnen doch ihren guten Namen. Aber hier ist’s nicht genug, daß man ihnen alle Marter und Plage anlegt, sondern man muß dazu ihren Namen auf’s Allerschändlichste anspeien und durchlästerm so daß die Welt noch herrlich rühme , wenn sie die Christen würgt, sie habe die ärgsten Buben hingerichtet, so die Erde nicht habe können tragen, und habe Gott den größten, angenehmsten Dienst gethan. Das scheint auch ein armer Handel zu sein; aber lasset euch nicht irren, spricht Christus, selige Leute seid ihr. Denn erstlich leidet ihr und habt’s doch nicht um die Welt verdient; darum leidet ihr um meinetwillen. Seid zufrieden, ich will’s euch wohl vergelten und reichlich bezahlen im Himmel; denn was auf Erden ist, wäre alles viel zu gering dazu. Es ist den lieben Propheten auch also gangen, die vor euch gewesen sind, und ihr haltet sie Die Seligpreisungen. (Schluß.) 63 für selige Leute. Also müßt ihr auch hinnach, daß ihr auch an den Ort kommet, da sie sind. Darum seid getrost: das Himmelreich ist euer, das könnet ihr nicht verlieren. (Luther.) Dem strengen Begriffe nach sind Lohn und Verdienst Wechselbegriffe: das Verdienst ist der Anspruch für geleistete Dienste , der Lohn das dem- selben entsprechende Gut. Daß das Wort an unsrer Stelle nicht in dieser Vegriffsstrenge gebraucht sein könne, ergiebt sich, von allem Andern abgesehen, schon daraus, daß in jenem Sinne nicht von Verdienst bei Gott die Rede sein kann, da vielmehr das Geschöpf durch feine Willenseinheit mit Gott nur sich selbst dient, gleichwie der, welcher aus der frischen Quelle trinken darf. Der Lohn der Christen aber ist nichts anderes als die Entfaltung ihres christlichen Lebensgrundes. Die wahre Tugend, die christliche Willenseinheit mit Gott leidet in dem Zusammenhange dieser Welt noch an einem Mißverhältnis; zwischen der inneren wesentlichen Glückseligkeit und der äußeren Erscheinung: erst in dem Zustande der vollkommenen Freiheit der Kinder Gottes wird dieses Mißverhältniß ausgeglichenx wenn nun die äußere Herrlichkeit der inneren ebenmäßig geworden, hat die christliche Tugend ihre vollendete Entfaltung und damit ihren Lohn erhalten. (Col. Z, 3 f.) Demnach ist der biblische Begriff des Lohns auf den der Ueberein- stimmung zwischen den Gütern des Reichs der Herr- lichkeit und den Bestrebungen im Reiche der Gnade zu- rückzuführen, ohne das unbiblische Moment des Ver- dienstes mit aufzunehmen. (Tholuck.) Es ist in diesen Seligpreisungen eine strenge, innere Ordnung; es wird nämlich darin der Ursprung, der Fortgang und die Vollendung oder Bewährung der christlichen Gerechtig- keit, somit also auch der Seligkeit beschrieben. Der Anfang geschieht durch Selbsterkenntniß und Demüthi- gnug: der Mensch muß in die geistliche Armuth ein- gehen, mit Schmerz feine Unwürdigkeit fühlen, was fich auch gleich in seinem Verhalten gegen Andere zeigt (V. 3——5). Der Fortgang ist ernstes Streben nach Gerechtigkeit und Gottgefälligkeih die sich beweist durch Menschenliebe, sowie nach Reinheit des Herzens und Heiligung, bei sich und bei Andern (V. 6—9). Die Vollendung geschieht durch Bewährung unter dem Kreuz, in Verfolgnngem besonders um Jesu willen, wozu den Christen der Gedanke an die zukünftige Ge- meinschaft mit dem Himmel stärkt (V. 10——12). Es ist also hierin der ganze innerliche Lebenslauf eines wahren Christen gezeichnet; das Ganze ist eine goldene Kette der Seligkeit vom ersten bis zum letzteu Gliede, es ist gleichsam die wahre Himmelsleiter Jakobs , deren erste Sprosse die Erde, die letzte den Himmel berührt. Der Stufengang nun, der hier befchrieben ist, ist bei Allen nöthig; keine Sprosse darf übersprungen werden, kein Glied aus der Kette darf fehlen. Auch darf die erste Stufe durchaus nicht als ein bloßer Durchgangspiinkt angesehen werden; die geistliche Armuth und Trauer ist vielmehr der bleibende Grundzug des christlichen Cha- racters, sie ist der Grund des Gebäudes —- willst du den Grund wegreißen, wenn das Gebäude fertig ist? (Heubner.) · » , · » · Es fragt s1ch, wieviel Sel1gpreisungen(griech. Maka- rismen) wir zählen sollen? Wollte man äußerlich rech- nen, wie oft das Wort ,,selig« vorkommt (V. 3—11), so würden ihrer neun sein; aber V. II ist offenbar nur eine nähere Entfaltung des« schon in V. I0 ausge- sprochenen Gedankens unter besonderer Anwendung auf die ersten Jljnger des HErrn, daher nicht eigens zu zählen. Besser thäte man, man zählte dann auch V.12 noch besonders, wie Delitzsch vorgeschlagen hat, der das »Seid fröhlich und getrost« als volltöneiides Finale des Ganzen betrachtet und so zehn Seligpreisungen heraus- bringt — ein Gegenbild der zehn Worte im Gesetz: II. Pius. 20, ·2——17. Andere dagegen lassen auch V. 10 nicht mehr als eigenen Makarismus gelten, sondern schließen schon in V. F) -ab, weil die Verheißung des Versest »denn das Himmelreich ist ihr« mit denselben Worten in V. 10 wiederkehrt, auch der Gedanke dieses Verses nichts weiter sei, als eine Zusammenfassung des Vorhergehenden in dem Begriff der Gerechtigkeit des Himmelreichs nach ihrem Verhältnis; zu den Verfolgern, gleichwie der 11. Vers eine Beschreibung der Gerechten nach ihrem Verhältniß zu Christi Person enthalte. Diese Zählung von sieben Seligpreisungen ist die älteste und hat in der zheiligkeit der Siebenzahl einen mächtigen Stiitzpunky dennoch möchten wir es vorziehen, mit Luther und vielen Andern acht Sprüche zu zählen: l) weil in Luk. 6 , 20 — 26 den vier Seligpreisungen eben so viele Weherufe entsprechen, damit also die Acht- zahl dentlich genug als diejenige, welche der HErr im Auge hatte, gekennzeichnet ist; Z) weil auch bei unserm Evangelisteii in Kap. 23, 13—I«·«3 ein achtfaches ,,Wehe euch« in unverkennbarer Riickbeziehting steht zu dem ,,Selig sind« an unsrer Stelle. »So hatte Moses schon dein Volk Israel vorgelegt beides, den Segen und den Fluch, das Leben und den Tod (5. Mos. 30); nun möchten sie wählen. Ebenso wird auch uns vorgelegt, das eine wie das andere, was wir denn wollen, eins von beiden; nicht steht es so , daß wir des einen uns weigern können, aber deshalb nicht das andere über uns ziehen, d. h. die Seligkeit nicht annehmen, ohne deshalb in die Verdammniß zu fallen (Hebr. 2, 3). Dazwischen stehen wir in der That; und ich wüßte nicht, was im Wege wäre, daß wir nicht sollten die Zahl gegen die Zahl halten, die Seligkeit für so groß wie die Unseligkeih und die Unseligkeit für so groß wie die Seligkeit achten. (Cl. Harms.) Endlich B) entspricht die eine Hälfte der 8 Seligpreisungen genau der andern Pälftex »Die ersten vier gehen auf solche, die im Suchen egriffen sind, die vier letzten auf solche, welche auf die rechte Art das Gefundene bewahren; die ersten find gleichsam die enge Pforte, die letzten der schmale Weg zum Himmelreich. Ho. Gerlach.) « 13. Ihr smeme Jünger, so Schltmmes euch auch in der Welt erwartet V. 11 f., dürft euch darum doch nicht von der Welt zurückziehen, son- dern habt im Gegentheil den Beruf, mitten in dieselbe hineinzutreten; denn ihr] seid das Salz der Erde ldazu bestimmt, der schon beginnendeti Fäuluiß der alten Welt zu wehren, und dieser neue Gesundheit und Wohlgeschmack zu vermittelst, Z. Oslios L, 13 Anm.; Z. Kön. L, 19 ff.]. Wo H. v. a. wenn] nun das Salz dumm [geschmack- und kraftlos, matt und stumpf] wird, womit fmit welchem andern Vtittei. das seine Stelle ersetzen könnte] soll man sahen? sDas wäre aber nicht blos ein unermeßlicher Schaden für den, der des Salzes sich bedienen will, sondern auch für das Salz selber:] Es ist [während man andere ver- dorbene Dinge doch noch zu etwas gebrauchen kann] zugtichts hinfort Unze, denn daß man es hinausfchutte sauf die Straße], und lasse es [w1e den Koth auf der Gasse Pf. 48 , 43] die Leute zertreten [Mark. 9, so; Luk. 14, 34 f.]. Wir beziehen mit Luther und andern Auslegern diese nnd die folgenden Worte zunächst und vornehmlich auf die Apostel und die Diener des göttlichen Worts, welche 64 Evangelium Matthäi 5, 14———17. von Berufswegen die Welt zu würzen und zu erleuchs ten haben, womit natürlich nicht ausgeschlossen ist, daß auch andere Christen nach Maßgabe des allgemeinen Priesterthums einen gewissen Antheil an diesem Berufe haben (Philipp. L, 15; 1. Petri 2, 9). Nun ist ohne Zweifel in Betreff der andern Diener des göttlichen Worts das Salz als Bild des geistlichen Strafamtes, das Licht (V. 14 fs.) als Bild des geistlichen Lehr- amts zu fassen; in Betresf der Apostel jedoch könnte man geneigt sein, das Salz, das vor Fäulniß bewahrt und gesund« erhält, als Bild der apostolischen Wirksam- keit an den Juden, das Licht als Bild dieser Wirksam- keit an den Heiden (Luk. 2, 32) zu verstehen, und hätte man dann bei dem dumm gewordenen Salze etwa an Judas den Verräther zu denken. Daß unter dem ,,Dummwerden«· des Satzes ein Fade- oder Krastlos- werden desselben gemeint ist, sagt Lutherselbstt ,,thum (es ist dies die bis in’s 18. Jahrh. übliche, hochdeutsch richtigere Schreibung, während der jetzige weiche Anlaut d aus dem Niederdeutschen stammt) Salz heißt, das die Zähne und Schärfe verloren hat und nicht mehr würzet und beißt,« und fügt dann (indem er besonders an die kirchlichen Zustände unter dem Papstthum denkt) hinzu: »wenn das Amt in der Christenheit untergeht, daß man die Leute aufhört zu strafen und zeigt ihnen nicht ihr Elend und Unvermögen, noch erhält bei der Buße und Erkenntniß sein selbst, läßt sie dahin gehen, als seien ste fromm und recht daran, und also ihr Ding, eigene Heiligkeit und selbsterwählten Gottesdienst läßt einreißen so lange, bis die reine Lehre vom Glauben wieder gar untergeht und Christus verloren wird, und so gar ver- derbt, daß nicht mehr zu helfen noch zu rathen ist.« Man hat dabei nicht zu fragen, ob in der Wirklichkeit das Salz ganz sade und kraftlos werden und seine wesentliche Eigenschaft verlieren könne, denn wir haben es hier mit einem Gleichniß zu thun; « doch läßt sich allerdings die Möglichkeit nicht völlig in Abrede stellen, wie man denn in den Ebenen von Ale po im nördlichen Syrien einen Salzberg vorgefunden Bat, dessen obere, dem Regen, der Sonne und der Luft ausgesetzte Schicht zwar noch die Glimmerchen und Theile des Salzes enthielt, aber gänzlich den Geschmack verloren hatte. In dem zweiten Satzgliede, das wörtlich lautet: womit wird gesalzen werden? hat Luther bei seiner Auf- fassung des Sinnes von der Paraphrase des Erasmus sich bektimmen lassen: quid tandem erit reliqnum, quo multidndinis insulsa vita condiatursP und den Ge- danken ausgedrtickt gesunden: ,,womit soll man salzen?« während er früher (bis zum J. 1538) übersetzt hatte: »was kann man damit salzen?« Letztere Uebersetzung nuu würde gut zum Folgenden stimmen, ist jedoch dem Grundtext nicht entsprechend; die erstere dagegen, bei welcher man an die Speise als das, um dessen Sal- zung es sich handle, denkt: womit wird (sie) ge- salzen werden? ergiebt ebensowohl einen zu dem Vorhergehenden passenden Sinn, als es gut zu dem olgenden stimmt, wenn man den oben angedeuteten wischengedanken ergänzt. Da indessen im olgenden das Salz als Subjekt erscheint, so liegt nä er, auch hier an dasselbe zu denken: womit wird (es, das Salz) gesalzen werden? und werden wir durch Mark. 9, 50 ausdrticklich auf diesen Gedanken hinge- wiesen, indem dort im Grundtext oiisrö (es, das Salz) dabei steht. ——— ,,Wie geringe, wie unbedeutend, wie un- scheinbar in den Augen der Welt ihr sein möget, ihr seid doch die Hauptpersonen in der Welt, es ist doch an keinem Menschen soviel gelegen, wie an euch; die Menschheit hat doch keinem Menschen zu verdanken, was sie euch verdanken muß. Aber bedenkt, was das gesagt ist, und hütet euch! Wenn ihr eurer erhabenen Be- stimmung untreu, wenn ihr werdet, wie sie alle sind, wenn ihr den Geist in euch auslöschet und in den alles verderbenden Erdensinn der Welt eintretet, dann seid ihr das Nichtswürdigste von allem, was aus Erden ist. Es ist ja etwas Köstliches um das Salz, es ist unent- behrlich und unschätzbam wenn aber das Salz dumm wird, wenn es seine Kraft, seine Schärfe, seine eigenthüms liche Salznatur verliert, womit soll man es selbst und andere Dinge, die seiner bedürfen, salzen? Wenn an- dere Dinge den Geschmack verlieren oder keinen Ge- schmack in sich selbst haben, so erhalten sie durch das Salz Geschmack und Schärsex wenn aber das Salz selbst salzlos wird , womit soll man es wieder salzen? kann man es auch mit einem andern Salze wieder salzig machen? Solange es selbst salzig war und an- dere Dinge salzte, war es unentbehrlich und unschätzbarz nun ist es das unnützeste und unwertheste von allen. Nicht tauglich zum Dünger, wozu man doch andere verdorbene Dinge noch ntttzen kann, ist es zu nichts hinfort nütze, denn daß man es hinausschittte und lasse es von den Leuten zertreten So verhielt es sich mit den Juden: sie waren, solange sie allein die Er- kenntniß des lebendigen und wahren Gottes und sein Gesetz und Verheißung hatten, in gewissem Sinne das Salz der Erde; als sie aber einem salzlosen Salze gleich wurden, keine Besserung von ihnen zu andern Menschen kommen konnte, da wurde, was noch gut war, in die neue Gemeine Gottes aufgenommen, und das Uebrige alles hinausgeworfem unter die Nationen zerstreuet, wie ein verdorbenes Salz hinausgeschüttet wird, daß es zertrete, wer vorübergehn« 14. Ihr seid [von einer andern Seite eures apostolischen Amts betrachtet] das Licht der Welt sdazu bestimmt, in die Finsternis; der Welt hinein- zuleuchten, damit die Nacht, die jetzt noch auf ihr liegt, vergehe und der Tag über ihr anbreche Röm. 13, 12; l. Joh. 2, 8; und da verbietet es sich schon von selbst, daß ihr solltet unbeachtet und un- bemerkt können bleiben, wenn ihr das auch wolltet] Es mag die Stadt, die auf einem Berge liegt [wie Safed dort, gegen Mitternacht: 5.-Nios. 27 , 3 Blum. — doch ist es nicht gewiß, ob diese Stadt damalsschon existirte——], nicht verborgen sein lsie fällt vielmehr einem jeden schon aus weiter Ferne in die Augen] 15. Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es saußer etwa für die Zeit, wo man sich auf einige Augenblicke entfernt, am Fußboden] unter eitlen Scheffel [unter das zur Haushaltung gehö- rige Getreidemaß —- ca. 2 Metzen -— oder unter den ,,Dreiling« Jes 40, 12; 2. Mos 16, -36 Anm.], sondern auf einen Leuchter [der es über den Boden eine beträchtliche Strecke emporhebt], so leuchtet es denn svermöge solcher seiner Erhöhung, die es ihm möglich macht, die Strahlen nach allen Seiten hin zu verbreiten -— die gewöhnliche Lesart: denen, zum folgenden Wort»bezogen, beruht auf Unver- stand —] allen, die Im Hause swenigstens in dem betr. Zimmer des Hauses] sind [Luk. 8, 16; 11, 333 Mark. 4, 21 f.]. 16. Also sweil euer apostolischer Beruf ganz der Bestimmung eines angezündeten Lichtes ent- Die Bergpredigt: 2) Die Gerechtigkeit des Reiches Gottes a) von Seiten der Lehre. 65 spricht und ihr vermöge desselben wie auf einen Leuchter gesetzt seid] lasset euer Licht [das von mir in euch angezündet wird] leuchten vor den Leuten [ohne aus Menschenfurcht oder in falscher Beschu- denheit euch von der Welt zurückzuziehenL das; sie [indem ihr euer Amt treulich ausrichtet und in demselben auch Frncht schasfet] eure guten Werke sehen, nnd sdiejenigen unter ihnen, die durch euer Wort an mich glauben werden Joh. 17, 201 euern Vater im Himmel [dafür, daß er euch tüchtig ge- macht, das Amt zu führen des neuen Testaments 2. Cor. 3, B] preisen [ogl. 1. Petri 2, 12]. Jhr seid das Licht der Welt! Finsterniß decket das Erdreich und Dunkel die Völker: durch euch soll es Tag werden auf Erden, heller, erfreuender Tag in dem Ver- stande der Menschenz durch euch soll Erkenntniß Gottes und dessen, den er gesandt hat, und mit dieser Erkennt- niß ewiges Leben (Joh. 17, Z) zu den Menschen kom- men. Wie die Erde kein Licht hat von sich selbst, son- dern es anders woher, von oben, vom Himmel erhalten muß; so hat die Welt der Menschen kein Ltcht von sich selbst, sie muß es von euch, die ihr vom Himmel her erleuchtet seid, erhalten. Es ist eures himmlischen Vaters Wille, daß allen Menschen geholfen werde durch das Licht, das in euch ist, durch Erkenntniß der Wahr- heit; zu Werkzeugen der Ausführung dieses göttlichen Willens seid ihr bestimmt, zu den größten Wohlthäterm zu den eigentlichen Helfern und Rettern des Menschen- geschlechts seid ihr bestimmt, indem ihr bestimmt seid, in eurem Maße und durch mich das zu sein, was ich bin, solange ich bin in der Welt (Joh.9, 5): das Licht der Welt. (Menken.) Ein Lied Luther’s oder Paul Gerhard’s thut mehr zur Ehre Gottes , als alle 100 Bände Vol- taire’s oder alle 60 Bände Göthe’s: wem das unge- reimt deucht, der versteht noch nichts von göttlichen Dingen. (»Heubner.) Weiter in der Bergpredigt (Kap. 6, l ff.) spricht Christus ,» wir sollen mcht geben vor den Leuten, daß wir von ihnen gesehen werden; wir sollen nicht beten in den Schulen oder an Straßeneckem son- dern im Kämmerleiw hinter verschlossener Thtirx er nennt das Fasten auch, womit wir nicht scheinen sollen vor den Leuten, sondern das im Verborgenen thun. Wie reimt sich’s nun zu dem, was er hier sagt, daß wir unser Licht sollen leuchten lassen vor den Leuten? Dies hier ist offenbar gesagt, einestheils um einer falschen Scham entgegenzusprechem und anderntheils um uns in die Sache des HErrn hineinzuziehem Das Erste: einer falschen Scham entgegenzusprecheiil Wenn es Einige giebt, welche so gottlos und solche Widerchristeli in der Wirklichkeit nicht sind, als sie scheinen zu sein, so giebt es gleichfalls, die mehr Gott fürchten und von Christo halten, als es das Ansehen bei ihnen hat. Was ist dies Letztere bei denen, da sich’s findet? Nichts als die Scheu vor der Welt und ihrem Urtheil, beschönigt durch die Rede manchmal, wir möchten von den Leuten gesehen, für Heuchler gehalten werden oder für Frömmlen O, daß die Zahl der ,,Frömmler und Heuchler« größer wäre! Damit wird doch der Frömmigkeit und dem Christenthum noch eine Ehre erwiesen. Uebrigens ist’s wohl meist der Vorwaud nur, wenn man eine solche Scheu aussprechen hört; denn wo ein lebendiger Glaube ist und im Herzen das Licht nur brennet, da wird das Licht durch die Ritzen der Läden dringen und die Stimme des Lobes Gottes durch das Schlüsselloch an der Thlin Was der HErr meint, das ist, wir sollen es nicht in der Abs icht thun, auf daß wir gesehen wer- den. Von der Wirksamkeit spricht er, die unsre guten D sthselU Bihellverh Werke ihrer Natur nach auf Andre haben. Welche Werke? Die guten, die das Licht vertragen, nämlich daß man auf den Grund sehen kann, da unsre Werke herkommen, was kein Mensch verträgt, der nicht selber ein Licht ist. Wozu sollen wir das Licht der Welt sein und unsre guten Werke sehen lassen? Um unsertwillen nicht —- nein, um unsers himmlischen Vaters willen, daß der gepriesen werde von den Sehenden, unser Vater, den die Ungläubigen nicht haben als ihren auch, ob sie schon ihn also nennen. Er hat uns «ezeugt aus dem Wort der Wahrheit, sprechen die Gläugigem er hat uns ernährt mit Speise vom Himmel, hat uns gekleidet mit einem Rock, den seine Hand gewirkt, hat mit seinem Geist uns behütet bei unserm Anfang und ersten Aus- gang im neuen Ehristenlebem hat uns Gefallene so manchmal wieder aufgehoben mit seinem mächtigen Gottesarm, hat unsre Wunden verbunden und unsre Vefleckung abgewascheu, und wie weiter des Christen Rede davon gehet: deß sollen wir Zeugen sein beide mit unserm Wort und Wandel. Jesus ist gegangen, die Apostel sind gegangen, die Väter der ersten Zeit sind gegangen, wir sind noch die Gegenwärtigem da sollen wir es sein, ja mit unserm Sein und mit unserm Thau, die das Werk der Ausbreitung seiner Ehre und des Preises seines heil. Namens erhalten auf Erden, för- dern in dieser Welt. (Cl. Harms.) B. b. 17-—48. Hierauf geht der holt: auf eine nähere Darlegung der Gerechtigkeit, um die es in seinem Reiche sieh handelt, ein und beschreibt sie als eine solche, die, in der alttestatnentltchen Gerechtigkeit wurzelnd, die Vollendung derselbigen ist. Er erklärt da das alte Testament als unantaltbar schon in sieh selber, dao neue Testament aber als die vollendete Eictwiclielung des alten, und preist nun in dieser Vollendung das Gesetz bin aus den kleinsten Buchstaben und Türe! herab als unvergänglich und ewig giltig (d.17—19). Alsdann nimmt er der Reihe nach (t1.21—26; 27—30; 31——32; ; 38—42; 43—43) 6 Gesetzes-Worte in der— jenigen Fassung vor, welche die Sehriflgelehrten nach der bei ihnen herliötnmlictjeli Auslegung ihnen gegeben hatten und in welcher sie mit Berufung auf die Tradition von den Alten her das voll: dieselbigen lehrten, um diese Fassung vielmehr alg eine Auflösung des Gesetzes er- nennen zu lassen und durth rechte Auslegung der zu Grunde liegenden Gesehegworte das Gesetz tu Wahrheit zu erfüllen w. 20). viererlei ist eg da, wodurch Christus alg rechten Gesehegaugleger sich erweist: l) »Er faßt uns an im tiefsten Jljerzenggruttdz L) er stellt uns hin vor Gottes Angesieljtz 3) er giebt uns aus das schwerste Probestiiciez 4) er hiilt ung vor das schönste MuslcrbildF 17. Ihr sollt nicht [sei es durch falsche Er- wartung betrogen, sei es durch falsche Beschuldigung verwirrt] wähnen, daß ich sder nun erschienene Hjliessias und Erlöser Jsraels, für den Zweck oder mit der Absicht] kommen bin, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen sund etwas Anderes dafür an die Stelle zu setzen]. Jch hin nicht [nach keiner Seite hin, handle es sich nun um ein Gebot oder eine Verheißung, handle es sich um das Sitten- oder um das Cerimonial- und Polizeigesetz] kom- men, aufzulösen, sondern zu erfüllen sindem ich nur zur Vollendung bringen werde, was im Gesetz und in den Propheten dem Anfange nach schon da ge. T. 1« 5 66 ist, wie die Blume zur Vollendung bringt, was die Knospe bereits in sich schließt]. 18. lSolche Erfüllung allein, die jede Auf- hebung, auch die des Geringsten und unscheinbar- sien, ausschließt, entspricht dem unvergänglichen Wesen und der erhabenen Bestimmung des Wortes Gottes] Denn ich sage euch sum dieses Wesen und diese Bestimmung euch recht zum Bewußtsein zu bringen]: Wahrlich, bis daß Himmel und Erde zergehe [was nur im niederen, niemals aber im höheren Sinne des Worts geschehen wird Kap. 24, 35; L. Petri Z, 10; Offenb. 21, 1; Pf. 72, 7; 89, 37; Jer. 33, 20 f.J , wird nicht zergehen der kleinste Buchstabe, noch ein Türe! ff. v. a. Pünktchen oder Strichlein] vom Gesetz [Lu"k. 16, 17; dasselbe wird vielmehr bleiben], bis daß es alles swas darin gesagt ist] gcschehe sum darnach, wenn es nun zu der Wiedergeburt gekommen, die mit dem Reiche der Herrlichkeit verbunden ist Kap. 19 , 28., in alle Ewigkeit zu währen Bär. 4, 1]. 19. Wer nun [bei solcher Unverbriichlichkeit des Gesetzes in allen seinen einzelnen Bestandtheilen, demselben zwar im Großen und Ganzen aufrichtig ergeben ist, aber in der falschen Meinung, es käme auf dies oder das nicht allzuviel an, es hätte da menschliche Ansicht freien Spielraum, festzuhalten oder preiszugeben, je nachdem es ihr gefalle] eines von diesen kleinsten Geboten sbei denen es nur um einen Bnchstaben oder ein Piinktcheii sich handelt] auflöset, und lehret die Leute also sdaß sie in der- selben Weise mit Gottes Wort verfahren] der wird swenn auch nicht, falls er wirklich mit seinem Herzensgrrtnde auf dem Boden der Schrift sieht, von dem Reiche Gottes geradezu ausgeschlossem doch] der Kleinste heißen im Himmelreich sob er hienieden gleich noch so viel gelte]; wer es aber ner Tiefe es erfassend und in Herz und Leben es aufnehmend] thut ssür feine eigene Person] nnd lehret [die, auf welche er Einfluß iibt], der wird sgemäfz dem Grundsatz der Vergeltung: wie der Mensch mit Gottes Wort umgeht, so wird Gott einst mit ihm umgehen] groß heißen im Himmel- reich. . Hatte der HErr Jesus im Vorhergehenden (V. 14 ff.) zu seinen Jüngern gesagt: »Ihr seid das Licht der Welt; lasset euer Licht leuchten vor den Leuten,« so zeigt er sich jetzt selbst als das Licht der Welt (Joh. 8, 12) und läßt sein Licht leuchten vor den Leuten, indem er vor seinen Zuhörern nicht nur die Wahrheit lehret, sondern nach seiner unvergleichlicheit Wahrhaftigkeit zu- vörderst auch die der Wahrheit entgegenstehenden Irr- thümer aufdeckt und widerlegt. Und da schlägt er denn wie mit einem gewaltigen Streich der Axt darnieder allen üppigen Trieb falscher Freiheit einerseits und alles faule Holz todten Buchstabendienstes andrerseits, um darnach als der rechte göttliche Ausleger das Schrift- wort des alten Teftaments in’s rechte Licht zu setzen Evangelium Matthäi s, 18—20. und das ewige Gesetz des neuen Testaments, das Gesetz des Geistes aufzurichten. Ja, diese beiden Hindernisse —- falsche Freiheit aus der einen, und todter Buchstaben- dienst auf der andern Seite — haben von jeher als trübes Gewölk dem Sonnenlicht der Wahrheit entgegen- gestanden und ihre Kraft aufgehalten; wie die Sonne gegen Wolken und Nebel kämpfen muß, nnd erst wenn sie dieselbigen vertrieben hat, in ihrer Herrlichkeit sich offenbaren und Licht und Leben ausgießen kann auf alles, was unter dem Himmel ist, so will der HErr hier den Dunst und Nebel menschlicher Jrrthtimer und Vorurtheile, die verkehrten Grundsätze des Zeitgeistes bekämpfen. Todter Buchstsabendienst der Pharisäer und Schriftgelehrten war ihm schon entgegengetreten in den Beschuldigungen dieser Partei, als ob er das Sab- bathsgebot breche (Joh.5, 1ff.), sich über Gottes Gesetz erhebe (Kap. 9,1ff.) und auf die Werke gesetzlicher Gerechtigkeit nichts gebe (Kap. 9, 14 ff.); ja, diese Be- schuldigungen hatten bis zu einem gewissen Maße das Vor-Urtheil gegen ihn erweckt, als ginge sein Lehren und Verhalten darauf aris, das mosaische Gesetz umzusttirzetu Dem gegenüber will er denn bezeugen, wie er so wenig an einen Umsturz des Gesetzes denke, daß er vielmehr zu rechter Aufrichtung, zu vollständiger Erfüllung des- selben erschienen sei, und läßt nun, indem er von seinen Jüngern die tiefste, unverletztlichste Ehrfurcht vor dem geschriebenen Worte Gottes fordert, keinen Zweifel, wie er mit seiner Lrhre vom Himmelreich zu den Schriften des alten Bundes stehe. Er lehret da den wahren Eifer um den Buchstaben der Schrift, der es auch mit dem Geringsten und Unscheinbarsteu genau nimmt, und greift heruach mit scharfen Waffen den salschen Eifer an, der, je mehr er auf das Aeußere sich steift, desto mehr das Innere aus dem Auge verliert, und je mehr er an das Grobe sich hält, desto mehr an dem Feineren vorübergeht. Aber anch falfche Freiheit mit ihren fleischlichen Erwartungen und widergöttlichen Ansprüchen war dem HErrn schon mannigfach entgegengetreten. Wir haben bereits in der Blum. 3 zu 5. Mos. Ist, 13 darauf hingewiesen, wie der Zeitgeist von einer gewissen Neue- rungssucht besessen war, die mit allerlei Spitzfindigkeiten das Gesetz zu umgehen und seine Verbindlichkeit zu lockern suchtex ohne Zweifel gehörte da zu dem Mesfias- Ideal, das der fleischliclse Sinn sich gebildet hatte, auch die Befreiung von alleu unbequenten Auflagen und · · ; lästigen Schranken, deren das mosaische Gesetz; nicht [alles, was in der Schrift geschrieben steht, in sei: «« wenige enthielt, wie ja auch im Reformationszeitalter falscher Freiheitsschwindel und antinomistische Tendenzen (Bestrebunge·n zur Beseitigung alles gesetzlichetc Wesens) åässiwkääitiissiistz SIZFDDTTMKFTZHHWELUU i« sJTLUT en e n , o a dies ja die herkömmliche Ausdrucks-weise ftir das Ganze der heil. Schrift des alten Testameuts (Luk. 16, 29; Apostg.13, 15; Röm Z, 2l); bei dem »Erftillen« kom- men beide Theile nicht blos von Seiten ihres gesetzlichen Inhalts, sondern auch in Riicksicht auf die in ihnen enthaltene Weissagung oder Verheißung (Luk.16,16) in Betracht, bei dem ,,Auflösen« dagegen ist wohl haupt- sächlich an den gesetzliihekc Inhalt (Kap. 7, 12; 22, 40) gedacht, obgleich »auch ecne Auflösung des prophetischen Inhalts denkbar Ist. Das Volk seinerseits nahm den Widerspruch der Erscheinutig Christi gegen die weltsiichtig- sinnliche Auslegung der prophetischen Bildersprache, wo- nach es seine Erwartungen vom messianischen Reich sich gebildet hatte, fiir eine Auflösung der Propheten, wäh- rend umgekehrt Christus solche Auflösung gerade in jener weltsüchtig-sinnlichen Auslegung erblicken mußte. Luther, indem er auch das ,,Erfiillen« auf das Gesetz im eigent- lichen Sinne, d. i. auf den gebietenden Jnhalt des Ge- setzes und der Propheten bezieht, versteht darunter »das- Chrtstus ist nicht gekommen das Gesetz aufzulösen, sondern zu erfüllen. 67 jenige Erfttllen, so mit Lehren« geschieht, ,,gleichwie der HErr auflösen heißt: nicht mit Worten wider das Gesetz thun, sondern mit der Lehre dem Gesetz abbrechen,« so daß also das Erfüllt-n soviel sei, als ,,den rechten Kern und Verstand zeigen, daß sie lernen, was das Gesetz ist i1nd haben wills« Indessen zeigt V. 19 , wo ,,thun und lehren« mit einander verbunden werden, daß Christus auch die Erfüllung aller Gerechtigkeit durch sein eigenes Thun (Kap. Z, 15) oder seinen thätigeii Gehor- sam im Sinne hat, durch den er einestheils seiner Ge- setzesauslegung die rechte Grundlage und den gehörigen Nachdruck giebt, anderntheils aber auch uns zur vollen Verwirklichung des Gesetzes verhilft, indem er durch seinen Geist uns in sein Bild verklärt. Dies ist an sich schon eine Erfüllung auch der Propheten (vgl. Jer. 31, 31 ff.); doch handelt es sich hierbei noch um manches Andere, namentlich um die Bewirknng der Vergebung der Sünden nnd um Verwirklichung des Reiches Gottes in allen seinen Beziehungen, daher in V. 18 die schließ- liche oder vollendete Erfüllung an das Ende der gegen- wärtigen Weltzeit gerückt wird: ,,bis daß es alles ge- schehe.« Unter »dem kleinsten Buchstaben « ist hier der des hebräifchenAlphabets das » (Jod) zu verstehen; er soll 66,420 Mal in der hebräischen Bibel vorkommen, und scheint es nicht selten, er stehe überflüssig oder er sei crust-gelassen; der ,,Ttitel« aber bezieht sich auf die kleinen Ecken, Krümmungem läiigeren oder kürzeren Striche, wodurch sich z. B. «! Oaleth = d) von ·) (Resch = r) oder-g (Gaph = eh, am Schluß eines Wortes) unterscheidet. Wie viel auf ein solches Tütel- chen ankommt, haben schon die Rabbinen zu 5. Mos. 6, 4 bei dem Spruchex »Höre Israel, der HErr, unser Gott, ist ein einiger HErr« bemerkt, wo man statt The( WITH· = einiger) nur schreiben dürfte Im: ctlsiis = fremder, anderer), um den gerade entgegengesetzten ( ones-läster- lichen) Sinn (ein Avgott Jes. 42, s) zu er alten. Es wird deshalb das «·I dort auch groß gedruckt. Indem man aber auch den letzten Bnchstaben J: in dem An- sangsworte des Satzes yptgj (Höre) groß druckte, wur- den beide Buchstaben zu dem Worte TJ (Zeuge) ver- bunden nnd sollten nun folgende Bedeutung haben: Es kann jemand mit dem Munde den einigen Gott beken- nen, wenn auch sein Herz weit von ihm entfernt ist; da soll denn jedermann wissen, wenn er die Einigkeit Gottes bekennt, daß das Herz voll Andacht nnd von jedem andern Gedanken frei sein muß, weil Gott Zeuge ist und um alles weiß« Jm folgenden Verse redet der HEriz wie Olshansen bemerkt, von einem dem christlichen Princip (Lebensgrunde) im Allgemeinen an- gehörenden Standpunkt, auf welcheni aber der Mensch doch ohne die gehörige Ehrfurcht gegen Gottes Wort verfährt und verfahren lehrt und manche, scheinbar unwesentliche Ordnungen des Gesetzes aushebt. Aehnlich erklärt Stier: »Das Anslösen geschieht durch ialsche, schwächende Auslegung , die davon lehrt als von etwas Geringem, sodann, was daraus folgt, burch völliges Nichtachteiy so daß des Gebotes Forderung aufgehoben und gar nicht gethan wird. Wer unter Jesu Jüngern irgend noch also mit dem Gesetz verfährt bei dem einen oder andern Gebot, und lehret die Leute also , der soll wissen nnd erfahren, daß er ein schlechter Lehrer sei, der selbst noch wenig von des Himmelreichs vollkommener Gerechtigkeit gelernet und empfangen hat; er soll, weil er sich nnterstandeii hat, etliche Gebote die kleinsten zu heißen, dafür zur richtigen Vergeltung schon in der wahren Kirchengeschichte und einst da, wo jedem sein Lob und Tadel recht widerfährt, selber der Kleinste heißen. Das klingt fast spöttisch (?) und grenzt schon an das gar nicht Hineinkommem obwohl es noch nicht ganz dasselbe sagt; denn der HErr meint nicht das völlige, wirkliche Pharisäerthum, sondern dessen noch übrige Einmischung im Unverstand.« Die Stelle erhält iiach unserm Dafürhalten ihr volles Licht durch das, was St. Paulus in 1. Cor. Z, l1 ff. sagt, und giebt den Maßstab an die Hand zur Beurtheilung der ver- schiedeneic kirchlichen und christlichen Standpunkte, die keineswegs einer so gut nnd so berechtigt sind als der andere, wie man gemeiniglich annimmt; sondern die größere oder geringere Treue in der Haushaltnng über Gottes Geheimnifse entscheidet über den größeren oder geringeren Werth einer Particularkirche oder einer theologischen Richtung, und findet im zweiten Theil des Verses ohne Zweifel eine Anspielung auf den Namen Rabbi statt, der s. v. a. groß bedeutet. · Evangelium am 6. Sonntage nach Trinitakiah Der heil. Geist bernft nicht nur (vgl. die Evan- gelien vom Sonntage Trinitatis bis zum 5. Sonntage nach Trinit.), sondern er giebt auch Erleuchtung denen, welche der Berufung folgen: das stellen uns die Evangelien vom 6.—10. Sonntag nach Trinitatis in Uebereinstimmung mit den Epifteln dieser Zeit vor die. Seele. Vor allem aber erleuchtet uns der heil. Geist über uns selbst nnd zeigt uns die Richtigkeit unsrer Werke, die Thorheit der Eigengerechtigkein Die äußer- liche Gerechtigkeit, wie die Pharisäer sie itbten, macht uns nicht selig. Der HErr zeigt uns zunächst am 5. Gebot, wie das Gesetz ersiillt werden soll; gerade dabei aber müssen wir erkennen, daß wir’s so nicht er- füllen und also nicht selig werden können. Es ist der erste Schritt zum Leben, durch die Erleuchtung des Geistes die eigene Sünde zu erkennen und die Unmög- lichkeit, durch eigene Gerechtigkeit selig zu werden. (Dieffenbach.) 20. sEs giebt aber auch eine Herzens- und Lebensstellnng zu Gottes Wort, die noch weit ge- fährlicher ist, als die, von der ich soeben in V. 19 handelte.] Denn sum diejenigen, in deren ganzer Sinnesrichtung dieselbe zu dieser Zeit sich verleiblicht hat, ohne Weiteres bei Namen zu nennen und euch, meine Jünger, vor ihrem Sauerteig Kap. le, 6 ff. mit um so größerem Nachdruck zu warnen, je mehr Anspruch fie selber zu haben» glauben, die Größteki zu heißen im Himmelreich] ich sage euch sals der Heilige und Wahrhaftige, der da aufthnt und zu- schlieszt, ohne daß irgend jemand eine andere Ent- scheidung treffen könnte Ofsenb Z, 7]: Es sei denn eure Gerechtigkeit sin Erfüllung des gött- lichen Gesetzes] besser lvölliger von Seiten des Thuns und tiefer von Seiten des Lehrens], denn [die] der Schriftgelehrteit und Phari- saer, so »wer det ihr nicht keinmal] in das Himmelreich kommen lgeschwetgm daß ihr it! demselben ,,groß« heißen würdet]. Du siehst hier, wie er dreingreift und redet nicht insgemein wider geringe Leute, sondern die allerbesten im ganzen Volk, die der rechte Kern und Ausbund waren und leuchteten vor Andern wie die Sonne, daß kein löblicher Stand noch ehrlicher Name in dem Volk war, denn der Pharisäer und Schriftgelehrtem und wer einen heiligen Mann wollte nennen, miißte einen Pha- risäer nennen. Denn die Pharisäer gingen daher in einem frommen Leben, thaten, was sie follten, äußerlich, 58 68 Evangelium Matthäi s, 21. 22. brachen nichts an den Geboten Gottes, enthielten sich der fremden Güter, gingen in feinen scheinbaren Klei- dern einher und hatten auch den Namen davon, daß sie hießen Pharisäer, d. i. die Abgesonderten oder Ausge- zogenenz desgleichen die Schriftgelehrtem der Ausbund unter den Juden, waren in dem Gesetze Gottes und in der Schrift erfahren, so daß sie andere Leute lehrten und Gesetze dem Volle machten , und Urtheil stellten in allen Sachen. Summa Summarunn es waren die Besten , Gelehrtesten und Frömmften unter den Juden; dennoch darf er sie flugs mit Namen nennen, und tadelt nicht etliche Personen unter ihnen, sondern den ganzen Stand, straft auch nicht etliche böse Stücke oder Sünden, sondern ihre Gerechtigkeit und heiliges Leben, so gar, daß er ihnen das Himmelreich versetzt und zuschlteßt und sie frisch zum höllischen Feuer urtheilt. (Luther.) Nicht alle Schristgelehrte damals waren auch Pharisäer, oder umgekehrt, der HErr aber faßt sie zusammen nach ihrem inneren Zusammenhang, insofern fiel) so darstellt der eine Gegensatz irgend einer unzu- reichenden, falschen Gerechtigkeit gegen die vollkommene und ächte seiner Jtinger, nur nach zwei Seiten ge- wandt. Bis auf den heutigen Tag, zu allen Zeiten und an allen Orten ist der Gegensatz kein anderer: Schrist- gelehrte sind überall die Wisser und Lehrer des Vuchstabens; und der Wahn, als ob solch Wissen ohne Verständniß, solch Lehren ohne Thun schon die Gerech- tigkeit sei, ist der ärgste, der voransteht. Aber nicht besser ists, wenn auch ein Thun dazu kommt, wie das der Pharisäer: das stnd überall die Thäter des äu- ßerlichen Werkes im Schein ohne Wahrheit, die sogar noch Lust behalten, Menschensatzung zu Gottes Gebot zu fügen, weil sie mit. dem Schweren leicht schon» fertig geworden. Die Schriftgelehrten als Buchwisser und Wortklauber zählen die Gebote Gottes , als wären es eben nur Buchstaben und Strichlein, klijgeln fein, wel- ches die großen seien oder die kleinen, und haben schon genug daran, also zu lehren; die Pharisäer beeifern sich auch des Werks, aber mit gleich steifem, blindem, tod- tem Halten auf das bloße Werk ohne Leben darin, wie jene auf den Buchstaben ohne Geist. (Stier.) Gerech- tigkeit der Schriftgelehrten ist sonach die einge- bildete Volllommenheit, die man zu haben oder zu er- langen meint durch bloßes Wissen oder gelehrtes, wissen- sehaftliches Treiben des Gesetzes, der Religion: Kap. 23, B f.; Gerechtigkeit der Pharisäer ist die, die man durch gesetzliches Handthieren und Amtiren, durch bürgerliche Rechtlichkeit und Ehrsamkeit zu haben meint, wobei doch das Herz leer und ungebesfert bleibt, also äußerliche Frömmigkeit ohne inneren, tief sittlichen Geist: Luk. IS, l5; 18, 9 ff. (Heubner.) Ach, daß unsre Ge- rechtigkeit nicht oft noch schlechter wäre, als die der Schriftgelehrten und Pharisäer! Wie Viele sind Diebe, Mörder, Ehebrecher, Verächter des Gottesdienstes, Hartherzigy die keine Almosen geben; Bauchdiener, die nie fasten wollen 2c.! (G. Lang.) 21. sDamit ihr aber versiehet, wie ich das meine, will ich der Schriftgelehrten nnd Pharisäer Gerechtigkeit zunächst von Seiten ihrer so beschränkten und engherzigen Auffassung des göttlichen Gesetzes an etlichen Geboten euch oorlegen und meine eigene Auslegung der nämlichen Gebote dagegen halten«] Ihr habt [wenn ihr in den Schulen Luk. 4, 16ff. Annr einen Lehrvortrag dieser Gesetzeslehrer über das 5. Gebot L. Mos 20, 13 vernahmeh zunächst] geh-Brei, daß zu den Alten gesagt ist [das ein Rede stehende Gebot gemäß der herkömmlich ge- wordenen, traditionellen Auslegung in dieser Fassung vorgetragen wird]: Du sollst nicht tödten; wer aber tödtet [d. i. irgend einen Menscheii erschlägt 3.M. 24, 17], der [hat das Gebot in dem von ihm gemelnteii. aus dem Wortlaut sich ergebenden Sinne iibertreten und] soll Daher] des Gerichts sder Provinzialstadh zu deren Gebiet"erzgehört] schuldig sverhaftet oder versallen] sein [d. i. mit dem Schwerte hingerichtet werden, wogegen ein Andereh der das nicht thut, in Ansehung dieses Gebots für gerecht zu schätzen ist]. 22. Ich aber sin der Eigenfchast jenes Pro- pheten 5. N?os. 18 , 15 ff. , von dem es heißt, daß ihn Gott aus euren Brüdern erwecken und seine Worte in desselbigen Mund geben werde] sage euch siiber solche äußerliche, auf die grobe Thatsiinde stch beschränkende Deutung weit hin- ausgehend und die Uebertretung des Gebots von ihrem ersten Anfang im Herzen durch die beiden folgenden Entwickelungsstufen der Wortsiinde ver- folgend]: Wer mit seinem Bruder sseinem Nächsiem den er nach Z. Mos 19, 18 lieben soll wie sich selbst, nur erstJ ziirnet [im Herzen, auch ohne das; er sich an ihm bereits vergrissen hätte mit Worten oder Werken] , der [schon] ist sfür einen Todtschläger zu achten I. Joh. 3 , 15 und somit] des Gerichts [V. 21] schuldig [wenn er gleich nicht von der biirgerlichen Obrigkeit belangt werden kann]; wer aber [von dem Zorn und Haß im Herzen auch fortschreitend zum Zornes- ausbrach in gehässigem Wort des Mundes] zu feinem Bruder sagt: Nakhat [du Schwach- kops Jak. 2, 20., nach anderer Auslegung: pfui iiber dich! Mark. 15, 29], der ist [gleich einem, der das Verbrechen der Gotteslästerung oder der Abgötterei begangen] des [Hohen-] Naths schuldig [und hat den Tod durch Steinigting verdient]; wer aber [vom Vorwurf des Unverstandes im gemeinen Leben noch weiter fortschreitend zum Vor- wurf der Thorheit aus religiösen: Gebiet] sagt: Du Narr [du gottloser und verdanimter ENenschL der ift sfelber der Verdammniß würdig und] des höllischen Feuers [des schimpflichsteii Verbrecher- todes, da nach Vollziehung der Todesstrase der Leib auch noch verbrannt wird l. Köln 1, 33 Anm.; Jer. 7, 32 f.] schuldig. V) Luther hat diese Schreibweise aus der Vulgata ent- lehnt; sie führt aber irre, da man nur gar zu leicht an das deutsche Wort ,,Rache« denkt; daher besser Raka zu fchreis ben oder doch zu lesen wäre. Jn seiner Nandglosse erklärt sich Luther also: ,,Racha« ist das Scharren im Halse und begreift alle zornige Zeichen Etliche meinen, es komme her von( hebräischeic rjk, d. i. vanum et; nihi1, das nir- gend zu taugt. Aber »Narr« ist härter, der auch schädlich, nicht allein untüchtig ist. Nachdem wir zu Kap. 2, 4 von dem obersten Ge- richtshof der Juden zur Zeit Jesu, dem Hohenrath (hier schlechtweg ,,Rath« genannt), das Nähere mitge- theilt haben, müssen wir nunmehr von den Lokal- Auslegung des fünften Gebots 69 Synedrien oder den Untergerichten in den einzelnen Städten handeln. Ein solches Untergericht bestand in jeder palästinensischen Stadt, die mindestens 120 selbst- ständige Bürger zählte (in Jerusalem dagegen gab es deren zweie, eins am Eingang des Tempelberges, und eins am Eingang des Vorhofes), und war aus 23 Glie- dern zusammengesetzt, Umfaßte also zieinlich ein Drittel von der Stärke des Obergerichts; es hatte zu entschei- den über Verbrechen gegen Leib und Leben, konnte die Geißeluug verhängen und hatte auch das Recht, mit dem Schwerte hinzurichten, übte es aber nicht mehr seit der Zeit, da auch das große Shnedrium nicht mehr im Saale Gasith seine Sitzungen hielt (Kap. 4, 5 ff. Anm.). Sitzungen desselben fanden statt an den Markt- tagen, Montags und Donnerstags, und zwar gewöhn- lich in den Synagogengebäuden, wie denn auch die Gei- ßelung, wenn sie verhängt wurde, fogleich innerhalb der Synagogen vom Synagogendiener vollzogen zu werden pflegte (.K"ap. 10, 17; 23, 34). Jn Dingen, die zur Competenz dieses Gerichtes gehörten, durfte nicht an das große Shnedrium appellirt werden; nur wenn die Richter in ihrer Anficht getheilt waren, sollten sie das Urtheil des Obergerichts einholen. Auch in den Lokal- Synedrien hatten die Schriftgelehrten eine entscheidende Stimme und waren die gesetzeskundigen Beisitzer der- selben. Neben dem Richthaus III-DIE) war ein wei- terer Schauplatz ihrer einflußreichen Wirksamkeit das Lehrhaus (tz-«J’j7;JD'h1·:), worunter die, meist in einem besonderen Raume der Synagogengebäude befindlichen Schulen und Unterrichtsaiistalten zu verstehen sind; in Jerusalem diente außer einigen anderen Zimmeru in den Tempelvorhöfen auch die geräumige Quaderhalle (Gasith), wo der Hoherath seine Sitzungen hielt, als Lehrhaus, und wurden nun nicht nur Jünglinge vom 16.—17. Jahr an, sondern öfters auch verheirathete Männer in diesen Schulen unterrichtet und zu Rabbi- nern ausgebildet. Die Schiiler saßen da im Halbkreis ,,zn den üßen« (Apostg.22, Z) des auf einem erhöhe- ten Ort itzenden Lehrers, und war die Lehrart mehr eine disputatorisch-katachetische (im Zwiegespräch abfra- gende), wobei auch Znhörer und Schüler mitunter den Lehrern Fragen vorlegten (Luk. 2, 46), als eine akroa- matische (zusammenhängende, auf bloßes Zuhören be- rechnete Vortragsweise). Den größten Einfluß auf das gesammte Volk übten aber die Schriftgelehrten in den Versammlnngshäusern oder Synagogen (RDY·P-’·S'«DY. Hier waren sie es vorzugsweise, die als Oberste von der Schule (Mark. 5, 2·2; Luk. 13, 14; Apostg 13, 15; 18, s. 17) bei den gottesdienstlichen Gemeindeversammlnngen den Vorsitz führten, das Gesetz oder die Prophetenstellen vorlasen, verdolmetfchten und erklärten, auch wohl eine erbauliche Anwendung oder Betrachtun hinzufügten Aus dieser Wirksamkeit der Schriftgelegrten nun gingen im Laufe der Zeit eine Anzahl von Schriftwerken hervor, die wir um so mehr etwas näher müssen kennen lernen, als der Rabbinis- mus (das jüdische Schriftgelehrteiithuwi der erste und heißefte Gegner der Kirche gewesen, und auch der letzte fein wird, ehe sie ihre weltgeschichtliche Aufgabe zu voll- enden vermag; ist doch seine Tendenz ursprünglich die- selbe, wie die des Evangeliums, nämlich (V. 17) Er- füllung des Gesetzes und der Propheten, nur daß dies Bestreben von ganz anderen Grundsätzen und Gesichts- Punkten aus im Rabbinismus zur Durchführung kommt, als im Evangelio, und so ein Kampf auf Tod und Leben zwischen beiden entstehen mußte, der vorläufig damit geendet, daß das Evangelium seine Herrlichkeit voller Gnade und Wahrheit geoffenbart, der Rabbinis- mus dagegen in einer Knechtschaft voller Selbsigerechtig- keit und Heuchelei seinen Abschluß gefunden hat. Be- ginnen wir zuerst mit den Targuinini oder den chaldäi- schen Uebersetzungen und Paraphrasen des alten Testa- inents, so sind diese aus dem Bedürfnisse erwachsen, den hebräischen Bibeltexh der von der aramäisch oder syro- chaldäisch redenden Masse des Volks nicht mehr ver- standen wurde, in die übliche Landessprache zu über- tragen. Anfangs geschahen diese Uebertragungen an Ort und Stelle; der in der Schule hebräisch vorgelesene Text wurde von einem eigens angestellten Uebersetzer vers- oder paragraphenweise sofort ans dem Kopfe der Gemeinde verdolmetscht, was mit großer Freiheit ge- schah und mit Hinweisung darauf gerechtfertigt wurde, daß, gleichwie das Gesetz durch einen Mittler gegeben sei, so auch es nur durch einen Mittler verlesen und behandelt werden könne. Von den schriftlichen Ueber- setzungen, deren man je länger je weniger entbehren konnte, da mit jener mündlichen Uebertragnng viele Mißbränche sich verbanden, sind die beiden ältesten auf uns gekommenen die des Onkelos, eines Schülers des älteren Gamaliel (Apostg. 5, 34; 2«2, 3), und die des Jonathan, Sohnes des Uziel nnd Schülers des HilleL Demnächst haben wir es zu thun mit dem ’I’almud, dem umfangreichen Lehrbuche, das die ge- sammte jüdische Schriftgelehrsamkeit in sich befaßt und als eine wahre Schatzkammer rabbinischer Gesetzesweis- heit und Geistesschärfe, aber auch rabbinischer Gesetzes- thorheit und Geistesarmuth erscheint. Er enthält zu- nächst die Misohna oder das zweite Gesetz, nach Vor- arbeiten Akiba’s, des Anhäugers des falschen Mesfias Bercochba, und des Patriarchen Simon gemäß den Grundsätzen der Hillekschen Schule im J. 219 n. Chr. zusammengestellt von dem Syuedriumsvorsteher zu Tiberias: Juda, mit dem Beinamen des Heiligen. Gegen Ende des 4. Jahrhunderts kam dann die Gemarau d. i. die Vollendung oder Durchführung hinzu; denn wie man früher allen wissenschaftlichen Unterricht an die heil. Schrift geknüpft hatte, so warf sich nun- mehr die ganze Thätigkeit darauf, die Gründe zu ent- wickeln, welche die älteren Lehrer bei ihren, in der Mischna enthaltenen Bestimmungen , in denen man das wahre Mosesthum vor sich zu haben glaubte, geleitet hätten. Hervorgegangen ist der Talmud aus der, zu der bloßen Uebertragung des Schrifttextes in die Lan- dessprache oder dem Targum hinzukommenden weiteren Thätigkeit der Schriftgelehrten, die man mit dem Aus- druck Midras0h, d. i. Schriftstudium, bezeichnet. Und da macht man nun wieder einen Unterschied zwischen der Entstehn, worunter alles das zu verstehen, was als offizielle Satzung für das gesetzlich - rituelle Leben Aufnahme gefunden, und der Haggada oder dem Ge- sagten, Verkündigtem was nur als freie Auslegung gelten will und die geschichtlich-legendenhaften Traditio- nen umfaßt. Als mit der Zerstörung des zweiten Tempels das Priesterthum gäuzlich dem Schriftgelehw tenthum den Platz geräumt hatte, da überragte fortan nicht mehr blos , wie der Talinud sich ausdrückt , die Krone der Lehre die des König- und des Priesterthums (2. Mos 28, 39 Anm.), vielmehr verschlang sie dieselbe völlig; der Schriftgelehrteiistand ist von da an die Seele des Judenthums geworden, die einflußreichste geistige Macht im Volke, die es um so mehr innerlich mit dem gewaltigen Scepter seiner Satzungen beherrschte nnd mit festen Banden zusammenhielt, je mehr der Druck der Fremdherrschaft auf Brechung seiner äußerlichen Macht, seiner politischen Bedeutung und nationalen Einheit hinarbeitete. Midrasch , Halacha und Haggada sind durch die Schriftgelehrten Mittelpunkt und Quelle aller höheren Bestrebungen, aller geistigen Thätigkeit im 70 Evangelium Matthäi 5, 23——26. Volke, alles Nationalgefiihls, aller Nationalhofsnung und der Trost geworden, der das Volk in seinem Na- tionalunglück aufrecht erhält und über dasselbe erhebt. Der Schriftgelehrte schuf dem Volke gleichsam ein neues geistiges, an keinen geographifchen Raum gebundenes Vaterland, ein ,,Königreicb des Himmels;« aber das Himmelreich, in welchem Gesetz» und Propheten erfüllt sind, konnten sie dem Volke nicht schaffen, vielmehr, wie sie selbst nicht hineinkamen, hinderten sie das Volk hin- einzukommen (Kap. 23, 13). Es erklärt sich von selbst, wenn der HErr in unserm Texte nur auf die rabbinische Gesetzesauslegung, nicht auch auf ihre Auslegung der Propheten, Bezug nimmt; nicht nur hatte das Studium des Gesetzes das der Propheten beinahe ganz verdrängt, sondern auch in den Synagogen wurden die Propheten weit zurückgesetzt , so daß, während an jedem Montag und Donnerstag drei, an jedem Fest- und Feiertag fünf, an jedem Sabbath Morgens sieben, Nachmittags drei Perikopen (Abschnitte) aus dem Gesetz verlesen wurden, immer nur je eine aus den Propheten zum Vortrag kam. Ebenso wird verständlich, warum der HErr des Ausdruckes sich bedient: »Ihr habt gehört, daß zu den Alten gesagt ist« (vgl. V. 27. 31. 33. 38. 43), wenn wir uns Vergegenwärtigen, daß nach rabbinischen Grund- sätzen die in der Halacha enthaltenen Gesetzesvorschriftem die zur Richtschnur für die Praxis dienten, eben das Gehörte (im Gegensatz zur Haggada, dem blos Ge- sagten oder dem Ausdruck der eigenen, freien Gedan- ken und Meinungen, die keine bindende Kraft für Glauben und Leben haben sollten, auch Schematha ge- nannt) waren und ihre Auctorität durch eine von den Zeiten der Väter bis auf die Gegenwart herabgehende Ueberlieferuiigskette begründeten , wobei der einsache Schrifttext sich allerlei Zusätze und künstliche Ausdew tungeu gefallen lassen mußte. Zwar wollte man sie in früherer Zeit nicht ohne Weiteres der heil. Schrift gleichstellen, daher sie auch nicht aufgezeichneh sondern allein durch mündliche Tradition fortgepflanzt wur- den, worauf auch ihr Name ,,Gesagtes« deutet; aber doch galt in der Praxis schon lange nicht mehr das Gesetzeswort selber, sondern die traditionelle Fassung, so daß man eigentlich nur diese in den Schulen zu hören bekam. Was nun da insonderheit das hier vor- liegende 5. Gebot betrifft, so war es durch den Zusatz: »wer aber tödtet, der soll des Gerichts schuldig sein,« insofern geradezu aufgelöst, als es nun gar nicht mehr von Seiten seines sittlich religiösen Gehaltes oder als Sittengesetz in Betracht kam, sondern zu einem bloßen Civilgesetz herabgesunken war, wie der thätliche Todt- schlag in bürgerlicher Hinsicht zu bestrafen sei. Umge- kehrt hatte die traditionelle Auslegung eine Bestim- mung Mosis für das bürgerliche Criminalrecht (s. V. 38), welche dem Hader und Streit im gemeinen Leben und den rohen Ausbrüchen der Rachsucht steuern sollte und nur ein Gesetz war für die mit der Aufrecht- haltung der gesellschaftlichen Ordnung betraueteu Obrig- keiten, zu einem sittlichen Lebensgesetz gemacht, welches der persönlichen Rachlust allen möglichen Vor- schub leistete. Jener rabbinischen Auflösung des 5. Ge- bots gegenüber sieht denn Jesus von dem thätlichen Todtschlag, der nach Z. Mos. 24, 17 schon dem bürger- lichen Strafrechtverfällh ganz ab, gleich als dürfte von ihm da, wo es um die Gerechtigkeit des Lebens sich handelt, überhaupt nicht mehr die Rede sein, als dürfte der Gedanke eines Pharifäerherzensx ,,Jch danke dir, Gott, daß ich nicht bin wie andere Leute, Räuber, Un- gerechte 2c.,« nicht einmal als Versuchung an die Seele eines seiner Jünger heranreichen , und legt das Gebot ohne Weiteres so aus, daß das bürgerliche Gericht gar nichts mehr mit einer Uebertretung desselben zu schaffen hat; denn wenn er auch zur Bezeichnung der verschie- denen Grade der inneren, geistlichen Verschuldung an diesem Gebot, wie sie allein bei den Genossen seines Reichs noch möglich ist, die Ausdrücke von den Instan- zen weltlicher Gerichtsbarkeit entlehnt (des ,,Gerichts« schuldig, des »Raths« schuldig, des ,,höllischen Feuers« schuldig), so sind dies nur gleichnißartige Ausdrücke, con- crete oder veranschaulichende Redefiguren zur Darstellung dessen, was er meint, indem ja die Sünde des Herzens und des Mundes, von denen er spricht, sich schon der Untersuchung, geschweige der Verurtheiliing von Seiten des weltlichen Richters zumeist entziehen. — »Der HErr spannt das Wörtlein tödten nicht so enge, daß es allein heiße, das Leben nehmen, sondern spannt’s höher und spricht: Nein , Geselle , es hat eine andere Meinung! Du, du sollst nicht tödten: wer ist Du? —- die Hand? nein! — die Zunge? nein! sondern Du, du, das ist alles, was an dir und in dir ist, Herz und Gedanken, Mund und fünf Sinne; die Faust, dein Geld und Gut, und alles, was du hast und bist, soll nicht tödten. (Luther.) Sieh, Freund , deine Hand ma rein sein von Bruderblnt: aber ist dein Mund an rein von Bruderzwist? Das Messer hast du noch nie gewetzt gegen deines Nächsten Herz: aber haft du mit scharfen, fpitzigen, zweifchneidigen Worten ihn noch nie verwundet, daß sein Herz ihm blutete? Gift im Glas hast du ihm noch nie zu trinken gegeben: aber das Gift des Schelt- Worts und des Zanks, mischest du ihm das nicht viel- leicht alle Tage in seine Mahlzeit vom Frühstück bis zum Abendbrod? Hörers, ihr jähzornigen Männer, ihr zänkischeti Frauen, ihr streitsüchtigen Geschwister, ihr herzlofen Spötter , ihr gewissenlosen Verleumder , auch mit der Zunge kann man ein Mörder, auch mit Worten kann man ein Giftmischer werden. (Gerok.) »Wer mit seinem Bruder zürnet!« Der HErr sagt nicht: ,,mit einem Andern,« nicht: ,,mit seinem Nächsten« — er wählt das innigste Wort, das er finden kann, die Un- rechtmäßigkeit des Zornes fühlen zu machen: wer ,,mit seinem Bruder« zürnet, in Zorn geräth, er mag kurz oder lang darin bleiben, ist ein Mörder im ersten Grade und der Strafe schuldig im ersten Grade. Ein Mörder aber ist er, weil er im Augenblicke des Zorns die Liebe verloren hat und die Wurzel des Todtschlags in ihm lebendig ist. Wer aber, fährt der HErr fort, es bei der Empfindung und inneren Heftigkeit des Zor- nes nicht bewenden läßt, sondern nun auch noch in einem zornigen Worte ausbricht, etwa zu seinem Bru- der sagt: Racha, du Anspeiungswürdigerl der ist des Raths schuldig, der ist ein Mörder im zweiten Grade; seine Sünde ist nun schon soviel größer, daß sie, nach menschlicher Ordnung vergleichungsweise zu reden, gar nicht mehr vor ein Untergericht, sondern vor das höchste Landesgericht gehört. Wer aber es dabei noch nicht bewenden läßt, noch fortfährt im Zorn, die mörderische Bitterkeit in sich noch stärket und den Nächsten zum Zorn reizt durch Scheltworte, etwa sagt: Du Narr, du Verstandloser, Uuverbesferlicherl der ist ein Mörder im dritten Grade , der ist, nach menschlichem Maßstabe gemessen, des Feuers im Thale innom, wo Aeser und Leichname unbeerdigt liegen bleiben und endlich ver- brannt werden, er ist des Feuers der Hölle schuldig. (Menken.) Es giebt indessen, gleichwie ein Zürnen, so auch ein »Racha«- und »Du Narr«-Sagen, welches straflos ist; dafür liegen im neuen Testament selbst die Belege vor: Mark. 3, 5; Ephes 4, 26; Jak. 2, 20; Matth. 23, 17. 19; Luk. 24, 15; Gal. Z, l. Z; So ist denn auch bei diesem Aussprache alle falsche Buch- stäblichkeit fern zu halten; denn Christi Ausdrucksweise ist in der ganzen Vergpredigt nicht die der Schule, sondern die eines Volk-Redners, der kurz undkörnig Vergebet, so wird euch auch vergeben. 71 sein Wort hinstellt und a11f gesunden Menschenverstand beim Zuhörer rechnet, wie wir dies in derselben Weise anch bei Luther finden. (Tholuck.) 23. Darum sweil so schwere Schuld auf sich ladet, wer den Nächsieii irgendwie beleidigt oder kränkt, und doch im täglichen Leben es nur gar zu leicht geschieht, daß sich einer in dieser Weise ver- schuldet, gebe ich dir, der du es mit deiner Seele wohl meinst und mit Ernst darauf bedacht bist, wie du mögest mit Gott in Freundschaft und Ge- meinschaft stehen, den Rath :] wenn du deine Gabe auf den Altar opserstt smit einer Opfer- gabe, die du dem HErrn, deinem Gott, darbringen willst, schon bis in den Vorhof des Volks vorge- drungen bist und der Priester bereits dir entgegen- kommt, dasselbe in Empfang zu nehmen] und wirft allda [an dieser heiligen Stätte, wo das Gewissen vernehmlicher zu dir reden kann, als im Geräusch der Welt] eindenken, daß dein Bru- der [in Folge des Unrechts, das du ihm angethan] etwas seine Klage oder einen Vorwurf Mark. 11, 25; Col. Z, 131 wider dich habe; 24. So laß allda vor dem Altar deine Gabe seinstweilen unter der Hand des Priesters, ohne dich weiter mit ihr zu besassen], und gehe zuvor hin szu dem, den du beleidigt oder gekrän- ket hast], und versöhne dich mit deinem Bru- ders« [indem du ihn um Verzeihung bittest und alles ausbietest, sein Herz dir wieder zuzuwenden]; Und alsdann swenn du nun ein reines Gewissen vor Gott hast Jes. 1 , 10 ff] komme [wieder zum Heiligthum] und vpfere sietzt vermittelst des dienstthuenden Priesters] deine Gabe [du hast durch solchen Ausschnb an deinem Gottesdienst nichts versäumt, durch die Versöhnung mit deinem Bruder vielmehr alles für deine Versöhnung mit Gott gewonnen Hes 6, 6]. 25. Sei willferti lzi giitlichem Vergleich bereit] deinem Wider acher [der eine Rechts- klage wider dich hat] bald, dieweil du noch bei [genauer: mit] ihm auf dem Wege [zum Richter, vor den er dich stellen will Luk. 12, 581 bist,-f« auf daß dich der Widersacher nicht dermaleins [wenn nun der Weg zu Ende nnd keine Zeit zur Vergleichung mehr ist] übermit- worte dem Richter, und der Richter sder so- fort nach dem strengen Rechte mt dir verfahren würde] iiberantworte dich dem Diener [zur Vollsireckung des über dich gefällten Irtheilspruchess und werdest svon diesem zur Vetbiißung deiner Strafe] in den Kerker geworfen. 26. Ich sage dir swenn z. B die Rechts- klage eine Schuldforderung an dich betrist]: Wahr- lich, du wirst nicht von dannei saus dem Kerker] heraus kommen, bis du auch den letzten Heller-X— soon deiner Schuld] bezahlest [und weil du das niemals im Stande ist, wirst du auch nie wieder frei werden] — innere «) Es ist ein ungerechter Vorwurf, wenn die Aus- leger der Luthersschen Uebersetzung das Wörtlein auf als Fehler aufrtickenz dieser Vorwurf trifft nur unsre jetzigen Bibelausgabeth welche schreiben: »auf dem Altar opferst,« was allerdings dem Grundtext wider- spricht, indem das Opfer noch nicht als auf dem Altar liegend gedacht ist, auch nicht der Darbringende selbst, sondern der Priester das Opfer zu vollziehen hatte. Wir haben die richtige Lesart (»anf den Altar«) oben aufgenommen und zugleich angegeben, wie dies im Sinne des Grundtextes zu verstehen ist. Weiter ist es eine falsche Anwendung, den man in der kathol. Kirche von unsrer Stelle macht, wenn man sie zu einem Be- weise dafür gebraucht, daß der Christus , der sich einst blutig am Kreuze für die Menschheit opferte , im heil. Abendmahl immerfort durch die Hand des Priesters nublutig geopfert werde zur vollgiltigen Sühnung für Lebendige und Todte, die Messe also wesentlich eine Opferhandlung sei. Der HErr bedient sich hier nur solcher Ausdrücke in Beziehung auf den Gottesdiensh wie sie der damals noch giltigen Form desselben ent- sprachen, ohne schon in die Zeit des neuen Testament-s hiniiberzugreifen, und hat den Augenblick vor Augen, wo ein Jsraelit sein Opfer bis in den inneren Vorhof (B: s. Kap. 4, 5 ff. Anm.) gebracht hat, und nun die Opferung vor sich gehen soll (Z. Mos l, 1——3): da soll der, welcher in diesem Augenblick eines Unrechts am Nächsten sich bewußt wird, zuvor mit demselben sich versöhnen, und alsdann erst das Weitere geschehen lassen (3. M. l, 4-9). Dagegen ist es eine richtige Anwen- dung auf das heil. Abendmahl, wenn man in der evangel. Kirche die Sitte der älteren Zeit beibehalten hat, daß Familienglieder und sonstige Lebensgenossem so oft sie zum Tische des HErrn kommen, zuvor einer bei dem andern um Vergebung bitten. —- HI Komm, Bru- der, komm, reich her die Hand: mein Herze dir’s ver- giebet. Laß deinen Zorn nicht sein entbrannt: ein Christ den andern lieber. Wer wie sein lieber Meister thut, der brennet von der Liebe Gluth und sich an ihr stets über. (Ach Jesu, gieb mir sanften Muth— V. 4.) Willst du Gott dienen, so diene ihm mit einem Herzen, daß deinem Nächsten nicht feind sei, oder wisse, daß dein Dienst vor Gott ein Greuel ist. Daher kommt’s, daß Viele ,« wenn sie in Uneinigkeit mit ihrem Nächsten stehen, sich vom Sacrament enthalten und kein Vaterunser beten wollen, besorgend, weil sie nicht vergeben, so sprechen sie das Urtheil wider sich selbst. Damit aber wirst du deine Sache nicht besser machen, daß du nicht beten und zum Sacrament nicht gehen willst, sondern nur ärger; denn wie dich Gott findet, so richtet er dich. (Luther.) Es ist freilich nicht immer möglich, tiußerlich zum Bru- der hiiiszzugehen und mit ihm zu reden; dann kann die ersöhnnng dennoch an derselben Stätte des Opfers und Gebets geschehen. (Stier.) —— Eis) Der HErr legt die Nothwendigkeit eines schnellen Gehorsams gegen sein Wort in V. 23 f., die Nothwendigkeit einer schnel- len Versöhnung mit dem Nächsten noch aus einem an- deren Grunde an’s Herz; es ist, als ob er sagte: Laß dich’s nicht wundern, daß ich sage, du sollst das Opfer, wenn du schon damit in dem Tempel bist, nicht auf den Altar bringen, bis du dich. mit deinem Nächsten versöhnet hast. Ja, ich sage dtr’s noch einmal: sei will- ftihrig zur Versöhnung deinem Wtdersacher ohne alle Verzögerung; denn langsam tft das stolze, trotzige Herz zur demüthigenden Abbitte und Genugthuug Sei du geschwind damit gegen deinen Widersacher, dieweil du noch mit ihm auf dem Wege zum Gerichte bist et. Es ist wohl keinem Zweifel unterworfen, daß der HErr hier nicht von einem menschlichem sondern von dem göttlichen Gerichte redet; redet er aber davon, so ist 72 Evangelium Matthäi 5, 27—30. dieser sein Ausspruch um so viel wichtiger. Er belehrt uns, daß unser Nächster, der von uns Unrecht leidet und eine gerechte Klage wider uns hat, uns, wenn wir ihm in dieser Welt keine Abbitte thun und keine Ge- nugthnung leisten, mit dieser Klage, dieses Unrechtleidens wegen vor dem göttlichen Gerichte belangen kann, und daß dieses mit unparteiifcher Gerechtigkeit fich des Un- rechtleidenden annimmt und uns in einen Zustand ver- setzt, der uns eben so peinlich sein wird, wie hier dem in den Kerker Geworfenen sein Zustand ist. (Menken.) Noch sind wir auf dem Wege mit einander, auf dem Wege zur Ewigkeit, aus dem Wege zu Gottes Stuhl: noch ein kurzer Weg, vielleicht noch wenige Schritte, und du stehst vor Gott, oder dein Feind steht vor Gott! Aber noch sind wir mit einander auf dem Wege; noch kann manches Mißverständniß ausgeglichen, manche Be- leidigung abgebeten , manches Unrecht gut gemacht, manches Versänmte nachgeholt werden. O thut es, liebe Seelen, thut es, solange ihr mtt einander auf dem Wege seid; thut es, ihr entzweiten Ehe atten, thut es, ihr ungerathenen Kinder, thut es, ihr verfeindeten Nachbarn, versöhnet euch, weil ihr noch könnt! Glaubet’s, es ist bitter, am Sarge eines Vaters , einer Mutter, einer Gattin, eines Bruders, einer Schwester stehen und fich sagen müssen: ich habe dir oft weh gethan, du gutes Her ; ich möcht’ es wieder gut machen mit mei- nem Herz lut, aber es ist zu spät; ich möchte dir zu- rufen mit heißen Thränem verzeih’ mir! aber dein blasfer Mund kann mir nimmer antworten: ich ver- zeihel deine kalte Hand kann die meine nimmer drücken zum Zeichen der Versöhnung — es ist zu spät, du nimmst die Beleidigung mit hinüber in die Ewigkeit, und ich trage die Reue im Herzen lebenslang! — Glaubet’s, es ist ein Jammer, auf dem eigenen Todten- bett liegen undszzurückschauen in die Welt, die nun ver- gange1i ist mit ihrer Luft, nnd sich sagen müssen: ich habe mich gestritten um so manchen eitlen Tand, der des Streites nicht werth war; ich habe mich gegrämt wochenlang um einen Schimpf , der eine Federflocke ist im Angesichte des Todes; hätt’ ich mehr Liebe gehabt nnd mehr Geduld , ich hätte froher gelebt, ich könnte seliger sterben! Glaubens, es ist furchtbar, drüben vor Gottes Thron zusammentreffen mit einer Seele, deren Seufzer und Thräiien einst gegen uns gen Himmel schrieen und deren Anblick uns nun vor Gott verklagt! Glaubet’s, es ist schrecklich, von dem allgerechten Richter iiberantivortet werden in den Kerker, in die Pein, in die Nacht ohne Licht, ohne Liebe, ohne Leben, nach dem Sprnch : Mit welcherlei Maße ihr messet, wird euch gemessen werden, und mit welcherlei Gericht ihr richtet, werdet ihr gerichtet werden! (Gerok.) — f) Das Wort Heller bedeutet eigentlich einen Haller Pfennig, d. i. einen zu Schwäbisch-Hall geprägten Pfennig tfo hat der Thaler seinen Namen erhalten von Joachimsthal in Böhmen, wo er um 1518 häufig von dem Grafen von Schlick geschlagen ward, der Florin aber von der Stadt Florenz); er war nach Zeit und Ort von ver- schiedenen1 Werthe, doch machten ewöhnlich 2 Heller im Niittelalter einen Pfennig aus. uther gebrancht das Wort für die kleinste in Palästina cursirende Kupfer- Münze, die im Lateinischen quadrans heißt und 74 Aß (2.Mos.30,13Anm.) beträgt. (Jütting.) — H) Luther läßt in V. 25 f. die Anrede, die vorher an den Belei- diger gerichtet war, nunmehr zu dem Beleidigten sich wenden und erklärt folgendermaßen: Der andere Theil nun, der beleidigt ist und meint, er hab gute Ursach, daß er zürnen soll, den warnt der Err auch, daß er gern vergeben und fich nicht lang so feiren lassen, son- dern, kommt mein Widersacher , dem soll ich vergeben willig; kommt er nicht, so soll ich ihm doch willfertig und freundlich sein, weil wir auf dem Wege sind in diesem Leben, denn das, sagt der HErr, sei eine große Gefahr. Denn wo du dich lange bitten nnd zur Sühne nicht giitig wolltest finden lassen, so würde dein Gegen- theil die Sache dem Richter, Gott im Himmel befehlen und sagen: HErr, ich habe gethan, was ich soll; bei dir finde ich Gnade, aber bei den Leuten nicht, wohlan! ich will dir’s befehlen. Nun ich denn Vor Gericht komme, so erkennt mein Gewissen, daß es deni Nächsten nicht hat vergeben wollen und hat den Groll noch in ihm stecken; das Gewissen gegen dem Nächsten übermit- wortet mich dem Richter, der iibergiebi mich deni Knechte, der wirft inich in den Kerker, d. i. in’s höllische Feuer, bis ich den letzten Heller bezah1e, d. i. ewig; denn da ist keine Abzahlung noch Rettung, wie Er in Luk. S, 38 sagt: ,,mit dem Maß, damit ihr messet, wird man euch wieder messen« Also will der HErr zu bei- den Theilen haben, daß man barmherzig sein, den Zorn fallen lassen und jedermann freundlich fein soll; sonst verklagt uns das 5. Gebot, daß wir Todtfchläger find vor Gott, wird derhalben auch die Strafe nicht außen bleiben. 27. Ihr habt [weiter] geh-Brei, daß [der her- kömmlichen Auffassung des sechsten Gebots 2. Mos 20, 14 gemäß] zu den Alten stoeiter nichts] ge- sagt ist sals was der äußere Wortlaut besagt, nämlich]: Du sollst nicht ehebrechen [so das; damit lediglich. der eigentliche Ehebrueh verboten und nur die Enthaltung von diesem gröbsteti Ausbruch der unkeuschen Lust gefordert wäre] 28. Jch aber sauch hier der Auslösung des Gesetzes dnrch Abschwächung feines tieferen, hinter dem Buchstaben verborgen liegenden Sinnes, der fchon den Alten nicht verborgen geblieben Hiob 31, 1; Sir. 9, 5. 8., mit allem Nachdruck ent- gegentretend] sage euch: Wer ldurch das Band der— Ehe an ein bestimmtes Weib gebunden] ein [anderes] Weib sdas richt das seine ist, gleichviel, ob verheirathet oder ledig] anstehet, ihrer lfür die Zwecke feines fleischlchetl GEIÜstOUSJ zu begehren [Sprüchw. 23, 31—»—33; 2. Petri L, 14], der hat fchon [vermöge solcher ehebrecherischen Begehr- lichkeit, in der das. Ansehen geschieht] mit ihr die Ehe gebrochen in sinem Herzen lschon da die böse That verübt, wem» es auch vielleichi nicht zur äu- ßeren Verwirklichrng kommt]. - Das ist abernals ein Stück Satzes wegen de Pharisäer Lehre; iom Ehebruch hatten sie es (das Ge- bot) gedeutet, glnchwie das fiinfte Gebot (vom eigent- lichen Todtschlags und so gelehrt: es wäre nicht mehr verboten, denn no ein Ehebruch mit der That geschehe, und hielten’s niht für Sünde, ob sie gleich im Herzen verbrannt wäre! mit böser Lust und Liebe gegen eine andere nnd aich auswendig mit unhübschen Worten und schambarei Geberden fich erzeigten, und schadete ihnen nicht an ihrer Heiligkeit, wenn sie nur sonst gute Werke thäten fleißig opferten nnd beteten u. f. w. Christus aber will nicht Gottes Gebot so drehen lassen, daß man derZaum lasse zur Unzucht und Büberei. So will er folchr Heiligen auch nicht, die von den Leuten laufen und .ehren, alle Gesellschaft Manns- oder Weibs- personen zr meiden; das Ansehen (an und für fich) ver- beut er niat, denn er redet zu denen, die in der Welt unter den Leuten leben müssen. So hast du dir auch Auslegung des sechsten Gebots 73 nichts damit geholfen, ob du gleich von den Leuten bist gelaufen und doch denselben Schalk bei dir trägst, d. i. die Brunst und böse Lust, so im Fleisch und Blut steckt. Sondern das ist die größte Ursach des Ehebruchs, die allezeit muß zUschlagen, daß man iiicht Gottes Wort ansieht an seinem Gemahl, als daß ihn Gott giebt und segnet, sondern dieweil die Augen auffperrt , wo man eine andere siehet; so hängt denn bald das Herz den Augen nach, daß auch die Lust und Begierde dazu schlägt, die ich allein zu meinem Weibe haben sollte. So ist Fleisch und Blut ohne das vorwitzig, daß es des; bald überdrüssig wird und nicht mag, was er hat, gafft immer nach einem andern, und bläst der Teufel zu, daßszman an seinem Gemahl nichts sieht, denn was gebrechlich ist, und aus den Augen setzt, was gut und löblich ist. Daher kommt es denn, daß eine jegliche schöner und besser ist in meinen Augen denn die meine, ja mancher sich läßt so blenden , der ein recht schöiij fromm Weib hat, daß er ihr gram wird und sich hänget an einen scheußlichen, schändlichen Balg. Darum wäre das die rechte Kunst und stärkste Wehr dawider, wenn ein jeglicher lernte sein Gemahl recht ansehen nach Gottes Wort; denn wenn ich alle Weiber in der Welt anfehe, so finde ich keine, von der ich rühmen könnte, wie ich von meiner mit fröhlichem Gewissen sagen kann: diese hat mir Gott selbst geschenkt, und weiß, daß ihm sammt allen Engeln herzlich wohl gefällt, wenn ich mich mit Liebe und Treue zu ihr halte. —- Doch muß man’s hier auch nicht so enge spannen, obgleich jemand angefochten wird, daß er darum sollte verdammt sein. Daß der Teufel nicht sollte können in’s Herz schießen mit bösen Gedanken und Lust, ist nicht möglich zu weh- ren; aber da siehe zu, daß du solche Pfeile nicht stecken und einwachsen lassest, und wegwerfest und thust, wie vorzeiten ein Altvater hat gelehrt und gesagt: Jch kann nicht wehren, daß mir ein Vogel über den Kopf fliege, aber das kann ich wohl wehren, daß sie mir im Haare nisten oder die Nase abbeißen. Also wenn mairs nur beim Einfallen der Gedanken bleiben läßt, daß man sie nicht einlasse, ob sie gleich anklopfen; aber nichts weniger ist es gleichwohl Sünde, doch in die gemeine Vergebung gefaßt, weil wir nicht im Fleisch leben kön- nen ohne große Stück von Sünden, und ein jeglicher muß feinen Teufel haben, wie auch Paulus klagt in Röm. 7, 18. (Luther.) 29. Aergert dich aber [beim Ankämpfen wider die unreine Lust des Herzens, dazu das S. Gebot einen jeden, auch den, der noch nicht im Ehestande lebt, VerpfIichtetJ dein rechtes Auge sindem es dir immer auf’s Neue Bilder vor die Seele führt, die das Feuer. der schändlichen Brunst in dir anzünden], so reif; es [trotzdem, daß es das rechte und also dein liebstes und werthvollstes Auge ist 1. Sann 11, 2; Sach.11,17] ans Und wirf? sfiir immer dem Besitz und Gebrauch desselben entsagend] von dir; es ist dir [in Fällen, wo das Heil der Seele auf dem Spiele stehtJ besser, daß eins deiner Glieder sfürs zeitliche Leben] verderbe, und nicht [wie geschehen würde, wenn du fiir’s» ewige Leben verloren gingest] der ganze Leib m die Hölle [1. Kön 1, 33 Anm.] geworfen werde [um dort die Qual ohne Maß und Ende zu erleiden] 30. Aergert dich sum auch ein anderes Glied noch zu nennen, das sich ebenfalls nur gar zu gern in den Dienst der unreinen Lust des Herzens stellt und ihr in mancherlei Weise zu Hilfe kommt, daß sie ihre Befriedigung finde] deine rechte Hand, so hatte sie [wenn das sich Ausstrecken nach ver- botener Frucht ihr nun einmal nicht anders gewehrt werden kann] ab und wirf sie von dir. Es sgilt auch hier, was vorhin in Beziehung auf das rechte Auge gesagt wurde: es] ist dir sin Anbetracht dei- ner Seelen Seligkeit, die um jeden Preis zu retten und zu bewahren istJ besser, daß eins deiner Glie- der [und wäre es auch das zum Fortkommen in der Welt am wenigsten zu entbehrende] verderbe, nnd nicht sdereinstj der ganze Leib sder an seinen Gliedern hienieden unverletzt erhaltene, aber der Verdammniß der Seele, zu welcher er geholfen, therlhaftig gewordene Leib] in dte Holle geworfen werde [,,da ihr Wurm nicht stirbt und ihr Feuer nicht verlöschet« Jes. 66, 24; Mark. 9, 44]. Das Wort ärgern, das im jetzigen Sprachgebrauch soviel ist als: jemand kränken, ihm Aerger oder Ver- druß bereiten, ist ursprünglich der Gegensatz von »bes- fern« nnd bedeutet: jemand ärger oder schlimmer machen, ihm Veranlassung zur Sünde geben, ihn zum Abfall oder Unglauben reizen (3. Mos. 4, Z; 2. Cor. 11, 29); daher »sich ärgern« überall den Sinn hat: Anstoß woran oder an jemand nehmen (Kap.11, G; 26, 31; Jes. 52, 14). Was den Ausfpruch des HErrn in den beiden vorliegenden Versen selber betrifft, so ist im All- gemeinen wohl klar, daß er damit die äußerste Strenge der Selbstverleugnung zur Erfüllung des Gebots, von dem er redet, von uns fordert; die Meinung der Worte im Einzelnen aber näher zu bestimmen, ist keineswegs leicht, daher denn die Ausleger in ihren Ansichten ge- theilt sind, ob Christi Rede vom Aus-reißen des Auges und Abhanen der Hand im eigentlichen oder im bild- lichen Sinne zu verstehen sei. Wenn nun Luther, der zu der zweiten Klasse zählt, sie dahin erklärt: »Geist- lich ausreißen ist hier geboten, d. i. wenn der Augen Luft getödtet wird im Herzen und abgethan; denn wenn die böse Lust aus dem Herzen ist, so wird auch das Auge nicht sündigen noch dich ärgern,« so dürfte diese Erklärung schon darum nicht ohne Weiteres zulässig fein, weil in dem Ausspruche Auge und Hand eben als Glieder des Leibes, nicht als Sinnbilder für das, was im Auge sich ausspricht oder die Hand regiert und zu seinem Werkzeuge macht, für die im Herzen wohnende unreine Lust, in Betracht kommen und dem ganzen Leibe als bloße Theile desselben entgegengesetzt werden; außerdem aber wäre gar kein Grund abzusehen, warum gerade die rechte Hand und das rechte Auge genannt sind. Wir müssen also festhalten, daß der HErr von dem Auge und von der Hand selber etwas aus-sagen will; er setzt bei feinen Jüngern voraus, daß in ihrem Gemiithe bereits das Gesetz vorhanden ist, von dem St. Paulus in Röm. 7 , 26 redet, daß sie Lust haben an Gottes Gesetz nach dem inwendigen Menschen und das Wollen dessen, was im S. Gebot als Gutes ihnen vorgehalten wird, in sich tragen. Nun aber hat die aus dem Mittelpunkt ihres Lebens, aus dem Herzen, durch den Geist Gottes verdrängte Sünde sich keineswegs auch aus dem ganzen Menschen herausgezogen; sie ist viel- mehr noch da als »das andere Gesetz in den Gliedern,« und sie versucht von da aus ihren vorigen Sitz, das Herz, wieder für sich zu erobern. Da bringt es denn die höchste Seelengefahr, wenn ein Gläubiger meinen wollte, er könne Auge oder Hand auch dann und wann einmal mit der Sünde spielen lassen; die Sünde bleibe 74 Evangelium Matthäi s, 31—37. ihm da immer nur etwas Aeußerliches, er koste nur ein wenig von ihrer Lust, ohne an ihr selber Lust zu haben. Aber —- so belehrt uns das Wort des HErr1i: wir müssen, wenn wir feine rechten Jünger sein wollen, lie- ber auf das beste Auge und die Unentbehrlichste Hand verzichten, als daß wir uns durch sie einen wollüstigen Genuß wollten zuführen lassen, miissen insofern das Auge uns wirklich ansreißen und die Hand uns wirklich abhauen und von uns werfen, daß wir sie, Auge und Hand, fiir dergleichen Zwecke ar nicht mehr haben mögen. Wie dann im praktischen Le en Christi Wort seine An- wendung findet, dasz wir, um nicht verfucht zu werden über unser Vermögen, entweder dem Schönheitssinn das beste Auge ausreißen oder dem Gemeinschaftssinn die edelste Hand abhauen müssen, hängt von der richtigen Beurtheilung des jedesmal vorliegenden Falles ab; es gilt da das Wort in 1. Joh. 2, 27x Die Salbung, die ihr von ihm empfangen habt, bleibet bei euch, nud dürfet nicht daß euch jemand lehre it. 31. Es ist auch [von euren Lehrern in den Schulen, welche die beschränkende Gesiattung der Ehescheidung: 5. Mos. 24, 1 ——4 durch Miszdeu- tuiig und Verkürzung des Wortlauts in eine auf- mnnternde Vorschrift umgewandelt und also auch hier das Gesetz, aufgelöst haben] gesagt: Wer sich von seinem Weibe scheidet [sich von ihr zu scheiden beabsichtigts der soll ihr geben einen Scheidebrief [es steht ihm solche Scheidung aus jeder beliebigen Ursache frei, wenn er nur die gesetzlich vorgeschrie- bene Form des Scheidebriefs dabei erfüllt]. 32. Jch aber sden Keim zu einer, dem Wesen der Ehe wahrhaft entsprechenden Ausgestaltung des ehelichen Rechtsverhältnisses, der in Mosis Worten schon enthalten, von den Schriftgelehrten dagegen durch solchen Mißbrauch ertödtet worden ist, wie- derherstellend und zu vollem Leben entfaltend] sage euch: Wer sich von seinem Weibe scheidet — es sei denn um Ehebruch sliegt freilich dieser vor, dann ist ja die Ehescheiduiig thatsächliclj von dem« untreu gewordenen Gatten bereits vollzogen und der unschuldige Theil eben so wenig an den schul- digen noch gebunden, wie ein nachlebender Gatte an den verstorbenen Rom. 7, 2 f.] ———, der macht sgerade durch die Ertheilung eines Scheidebriess, der dem entlassenen Weibe äußerlich das Recht verleiht, mit einem andern Manne in Gemeinschaft zu treten], daß sie swenn sie nun wirklich von solchem Rechte Gebrauch macht] die Ehe bricht [denn nach göitlicher Ordnung ist sie noch immer an ihren ersten Mann gebunden]; und wer eine Abgeschiedene seine mittels Scheidebriefs von ihrem Mann Entlassene] sreiet, der bricht die Ehe sdenn die Abschiedene gehört rechtmäßig noch eben so gut dem ersten Manne an, wie vor ihrer Entlassung, und der sie freut, macht den von jenem nur erst begonnenen Vruch der Ehe nun vollständig und unwiderruflich b. Mos. 24, 4]. Vgl. hier die Bemerk. zu Kap. 19, 3 ss.; für jetzt nur folgende Anslassung von Stier: Die Ehe ist das heiligste Menschenverhältniß, in welchem die reine Liebe, womit eine Person die andere als sich selber liebt, den vollkommensteii Ausdruck, die Unreinigkeit der Fleischeslust aber, als welche eigentlich Haß und Mord der andern Persönlichkeit in sich birgt, ihre vollkommenste Heilung und Abweisung finden soll. Daher konnte jetzt im engsten Zusammenhange nichts Anderes folgen; denn in der Ehe ist das Grund- und Wurzelgebiet aller geselli- gen Verhältnisse und eben darum aller bürgerlichen Ordnung, durch die Sünde verstört, durch Christum wieder herzustellen in die Urordniing des Schöpfers, welche von Anfang der Kreatur gewesen. Hier wurde gansz natürlich der Buchstabe des mosaischen Gesetzes arg gemißbraucht von den Sündern, indem jedes Gesetz, je mehr es in das wirkliche Leben hinabsteigt, desto miß- brauchfähiger wird fiir den am Buchstaben haftenden Sinn. Ja hier kommt schon zur buchstäblichen Auffass- sung ein wirklich falsches Auslegeih insofern die Erlau niß als ein Gebot genommen wurde, da doch die Ehe- scheidung in keinem andern Sinne zugelassen wurde, als sogar die noch mehr Gottes anfänglicher Schöpfung widersprechende Vielweiberei; insofern weiter gelesen, gelehrt und gethan wurde, als stände geschrieben: ,,um jeglicher Ursach willen,« und so das ganze Gebot ver- fälscht, als käme es nach Mosis Meinung dabei eben nur auf die zu beobachtende Formalität des Scheide- briefes an. Aber wie schon Moses unmittelbar bei dem Gebote wenigstens den ärgsten Folgen dieses Mißver- ständnisses, dem leichtfertigen, greuelhaften Scheiden und Wiederheirathen zwifchen denselben Personen mehret, so hat auch schon der letzte Prophet Maleachi, der an des alten Testameiites Schluß auf Mosis Gefetz sammt Ge- boten und Rechten bis zum Kommen des Kommenden zurückweist (Mal. 4, 4), mit sehr deutlicher Verweisung auf Abrahaiiisv erhabenes Beispiel für all seinen Samen gegen Mehrwekberei und Ehescheidung zugleich gezeuget (Mal. 2, 14—16). Siehe folglich wiederum, daß die Bergpredigt, auch wo es auffallend so scheinen möchte, dennoch nichts Neues sagt oder fetzet, sondern wo sie irgend das Gesetz auflöst, es vielmehr in feiner Einheit mit den Propheten erfüllt. — Eine weitere Bemerkung von Meyer: Von dem Falle, wo der Mann Ehebruch begehn redet Christus nicht, weil das Gesetz, welches eine Entlassung des Mannes von Seiten des Weibes nicht kennt, hierzu keine Veranlassung bot; doch geschieht die Anwendung vom weiblichen Ehebruch auf den männlichen als Ehefcheidungsgruiid nach dem sittlichen Geiste» Jesu mit vollem Recht,« ist mit P. Lange durch die Hmweisung darauf zu ergänzen, daß von des Man- nesVerfckhuldung drei Mal die Rede ist: l) wer ein Weib ansiehet er. (V. 28); Z) wer das Weib entläßt, izhne den rechtmäßigen Ehescheidungsgrund, der macht sie zur Ehebrecheriiy Z) wer die Geschiedene freier, bricht die Ehe. 33. Ihr habt weiter gehört, daß swie die Schriftgelehrten die Worte in 3. Mos II, 12 u. 4. M. 30, Z; 5. M. 23, 21 auslegen] zu den Alten [weiter nichts als dies] gesagt ist: Du sollst keinen falschen Eid thun lfchwören aber kannst du, soviel du willst, selbst einmal falsch schwören im gemeinen alltäglichen Leben 5. M. 10, 26 Anm. magst du, wenn es nur ein Schwur bei etwas Anderem, als dem Namen des HErrn, deines Gottes, gewesen; denn allein der Schwur bei die- sem Namen ist nach 3. M. 19, 12; 5. M. S, B» sur einen Eid zu rechnen], und sollst Gott deinen Eid thun sein Gelübde, das du Gott un- mittelbar selbst abgelegt hast, genau erfüllen, an- Auslegung des zweiten Gebots. 75 dere Gelöbnisfe dagegen, bei denen du dich in einer gewissen Entfernung von Gott gehalten, so daß es eigentlich keine Eide bei Ihm sind, wie der Wort- laut in 4. Mos 30, Z; 5. M. 23, 21 fordert, sind eine nicht verbindliche Kleinigkeit, eine Ba- gatelle]. 34. Jch aber [um hier znnächst nur auf die erste Art der falschen nnd gewissenlosen Auslegung des Gesetzes. Riicksicht zu nehmen, bis ich seiner Zeit auch der andern Art ihr Veriversungsurtheil sprechen werde Kap. 23, 16 ff.] sage euch, daß ihr allerdinge [s. v. a. schiechterdiugs Apostg 18, 211 nicht schwören sim gemeinen, alltäglichen Leben überhaupt auf eine schwurähnliche Betheurung, selbst wenn das, was ihr betheueru wollt, der Wahrheit gemäß ist, euch nicht einlassen] sollt, weder sdürft ihr also, wie die Schriftgelehrten dies als etwas Unversängliches gestattet haben, schwören] bei dem Himmel, denn er ist Gottes Stuhl; 35. Noch bei der Erde, denn sie ist seiner Füße Schemel [Jes. es, 1]; noch bei Jerusalem, denn sie ist [um des Tempels willen, da der HErr seine Wohnung hat Pf. 48, Z] eines großen Königs [1.Tim. l, 17; G, 15] Stadt sihr wür- det demuach auch bei dergleichen Schwurformeln mittelbar doch allemal bei Gott selber schwören und allemal eines falschen Eids euch schuldig machen, wenn eure Versicherung oder Verneinung mit der Wahrheit nicht völlig iibereinstimmte]. 36. Auch sollst du nicht [wie es leider soviel mit großem Leichtsmn geschieht] bei deinem Haupt schwören [als bliebe Gott bei dergleichen Betheue- rungen ja ganz außer Spiel und du hättest es blos mit dir selber zu thnn]; denn du vermagst nicht [einmal] ein einiges Haar [auf deinem Haupte, wenn es von Natur schwarz 1. Sam. 16, 12 Anm. 1 ist] weiß, oder [wenn es, wie im Alter, weiß istJ schwarz zu inachen sgeschweige daß dir über das Ganze, dein Haupt, ein Verfügungs: recht zustünde, sondern du stehst damit völlig in deines Gottes Gewalt, und wird also auch hier in der Kreatur, wenn du bei ihr schwörest, der HErr und Schöpfer aller Dinge selbst betroffen] 37. Eure Rede aber [womit ihr im gewöhn- lichen Leben etwas bezeugen und versichern wollt] sei [weiter nichts, als eine nachdrucksvolle Besa- hung oder Verneinung, der man die ganze Ent- schiedenheit und Zuverlässigkeit eines wahrheitlieben- den Herzens sogleich von selbst anhört]: Ja, ja, nein, nein; was darüber ist [jede schwurähnliche Zuthat zur Bekräftigung und Betheuerung des Behaupteten oder in Abrede Gestellten] ist vom Uebel [stammt aus dem argen Wesen dieser Welt 1. Joh. 5, 19 und verstrickt immer tiefer in daf- selbige hinein Sir. 23, 19 ff.]. Zum richtigen Verftändniß dieser Stelle müssen wir davon ausgehen, daß die Schriftgelehrten in dreifacher Weise das Gesetz ausgelöst hatten: 1) erklärten sie eine gewöhnliche Aussage oder ein gewöhnliches Ver- sprechen, bei welchen nicht irgendwie ein Schwurwort dabeistand , für nicht so wichtig, daß sie immer streng wahrheitsgeniäß sein müsse, und für nicht so verbindlich, daß man es auch unbedingt zu halten habe ——— man be- sitze da Freiheit genug, um sich zu helfen, so gut. oder so schlecht es eben gehe; L) nächst dieser Unterscheidung zwischen Schwur und Nichtschwur erlaubten sie stch einen weiteren Unterschied zu machen zwischen verbind- lichen und nichtverbindlichen Erden, und nahmen in Beziehung auf letztere dieselbe Freiheit, wie vorhin, in Anspruch, wie z. V. nach Maimonides (ein jiidisiher Gelehrter des 12. Jahrh. n. Chr.) sagt: »wenn jemand beim Himmel, bei der Erde, bei der Sonne re. schwört, so ist das kein Schwur«; Z) vermöge der beiden vorigen Grundsätze verhielten sie stch zu dem leichtfertigen und lüderlichen Schwören im gemeinen Leben, das damals wie noch jetzt im Morgenlaiide in einer noch weit schlimniereii Weise als bei uns an der Tages- ordnung war, sehr gleichgiltig, ja huldigten dieser Un- fitte für ihre eigene Person. Bei diesem Stand der Dinge hat Christus mit dem rechtmäßigen Eid, wenn er die Erfiilliing einer obrigkeitlichen Forderung ist (Kap. 26, ,63«f.) oder auf Antrieb des Geistes Got- tes zur nachdriicklichen Betheuerung eines Zeugnisses geschieht (Röm. l, 9; 2. Cur. 1, 23; 11, 31 u. s. w.), es hier gar nicht zu thun; und es ist ofsenbares Miß- verständnis; seiner Worte, wenn man das »ihr sollt allerdings nicht schwören« dahin aufgefaßt hat, daß er alles und jedes Schwiiren für den Stand christlicher Vollkommenheit schlechterdings unter.sage; denn riicht nur wird von Gott selbst gesagt, daß er bei stch ge- schworen habe (1. Mos. 22, l6; 26, Z; 4. M. 14, 23; Jes. 45, 23), und der Eid in Hebr. S, 16 fiir etwas, das man aus der Welt nicht wohl hinaus-schaffen kann, ohne den Frieden und die Wohlfahrt der menschlichen Gesellschaft bei der nun einmal vorhandenen Sünde aufs Aeußerste zu gefährden, erklärt, sondern es konnte der HErr auch, was in 5. Mos. S, 13 in Form eines Gebotes auftritt und in 5. M. 10, 20 zu einein Gottes- dienst erhoben wird, nicht verbieten, ohne das Gesetz zu zerstören, statt es zu erfülletn Vielmehr müssen wir sa en, der HErr hebt den ersten, von den Schriftge- lehrten aufgestellten Unterschied, den zwischen Schwur und Nichtschwuy gerade damit vollständig auf, daß eigentlich jedes Wort eines Christen ein Eid im tieferen Sinne des Worts sein soll, insofern nämlich ein Christ alles, was er redet, als in der Gegenwart des heiligen Gottes, im Bewußtsein seiner Zeugenschaft und der zu- ktinftigen Rechenschaft (Kap. 12, 36 f.) reden soll; erst wo es bei einem Menschen dahin kommt, daß er immer- dar nur aus der Gemeinschaft mit Gott heraus und in beständiger Bereitschaft auf den Tag des Gerichts seine Aussagen thut, koinmtes mit ihm auch dahin, daß sein Ja xanft und sem Nein nein (Jak. 5 , 12) , und daß man Ihm auch ohne Betheuerung traut. Indem aber Christus so das Schwören von den lieichtfertigen Lippen, die schwurähiiliche Betheuerungen sich erlauben, welche kein eigentlicher Eid sein, und doch dasselbe bei dem Nächsten wirken sollen, was ein förmlicher Eid bezweckt, hinwegnimnit und es nach dem eiligthum des mit Gott geeinigten Herzens verlegt, he t er auch den an- dern, von den Sihriftgelehrten aufgestellten Unterschied, den zwischen verbindlichen und nichtverbindlichen Schwü- ren ein für alle Mal auf; bei einer Herzensftellung zu Gott, wie er sie im Auge hat, wird es dem Menfchen selber zum Bedürfniß, so oft er in die Lage kommt, eine ». einer also gegen den andern verbunden sei 76 Evangelium Matthäi 5, 38——44. Zusage oder Aussage durch eine eidliche Versicherung bekräftigen zu müssen, auch den bei Namen zu nennen, als vor dessen Augen er sich wandeln weiß, während die Betheuerung bei einer Kreatur schließlich nur auf den gottlosen Wahn hinausläuft, als könne man zwi- schen sich und Gott eine Scheidewand schieben, um da- hinter mit ihm Versteck zu spielen. Indem wir über den rechtmäßigen Eid erst zu J. Cor. l, 23 uns näher aus- sprechen werden, schlagen wir an unsrer Stelle vor, das Wort schwören von der willkürlichen, anmaßlichen und bösen Nachäfsung des Eides, wie sie im gemeinen Leben so viel vorkommt, zu verstehen; so gilt es vollkommen und unbedingt: ,,ihr sollt allerdinge nicht schioören,« und Christi Meinung ist sofort klar. Aehnlich haben auch Andere den Text verstanden. So , wenn Stier schreibt: Es wird hier von Christo seinen Jüngern ver- boten: 1) alles Schwören schlechthin, auch mit Gottes Namen, insofern ihnen als Vollkommenheit ge- boten ist ein beständiges Wahrheitredeu im Namen Gottes, das keiner besonderen Hinzufügung desselben be- dürfen sollte, folglich hier der Eid gegen die Lüge für Christen unter einander eben so von innen heraus ab- geschafst werden soll, als Schloß und Riegel gegen die Diebe; L) alles Schwören bei Dingen außer Gott insonderheit, sei es außer uns oder an uns selber, weil wir Gottes gedenken und seinem Namen die Ehre geben sollen beim Namen aller Kreatur, weil Er allein das Amen zur Besiegelung der Wahrheit hat und selber ist; 3) alles leichtfertige und unnütze Schwören, alles Betheuern und Verstärken des Ia und Nein ohne Ursach, wie es nicht nur damals im pharisäischen Israel gäng und äbe war, sondern auch die Heuchelei der Menschen zu a en Zeiten erzeugt; denn wenn ich von selbst meiner Rede dergleichen hinzufüge, bekenne ich mich ja damit als sonst unzuverkässig Jst aber die rechte Ursach zum Eid vorhanden, so wird dennoch erlaubt, ja unter Umständen geboten als Gottes- und Nächstendienst jede Verstärkung der einfachen Rede, welche die Wahrheit behauptet und die Liebe fördert, folglich nicht blos der Gerichtseid des christlichen Staats- bürgers zur Beendigung des Haders, sondern auch der Zeugnißeid des Apostels , Predigers , Jüngers im heil. Ernste. — Nehmen wir hinzu, was Luther sagt: Alles Schwören und Eiden ist hie verboten, das der Mensch von ihm selber thut; wenn’s aber die Liebe, Gebot, Noth, Nutz des Nächsten oder Gottes Ehre for- dert, ist es wohlgethan, gleichwie auch der Zorn ver- boten ist und doch löblich , wenn er aus Liebe und zu Gottes Ehre erfordert wird. Sprichst du aber: Ja, Christus sagt, du sollst nicht schwören! Antwort: Du, du sollst es nicht thun, als für dich selbst; von sich selbst soll niemand sluchen und schwören, es sei denn, daß er Gottes Wort dazu habe, daß er solle fluchen und schwören. In das weltliche Regiment und Ord- nung will Christus hier gar nichts reden, noch der Obrigkeit etwas genommen haben, sondern predigt allein den einzelnen Christen, wie sie für sich in ihrem Wesen leben sollen. So hat Gott das Regiment geordnet, daß "n muß, da- mit alle irrigen Sachen durch den Eid geschlichtet, ge- schieden und hingelegt werden (Hebr. 6, 16); hier schwörst du nicht, sondern der Richter, der dich’s heißt, und bist jetzt des Richters Mund. Darnach, wenn ich jemand sehe in geistlichen Nöthen und Gefahr, schwach im Glauben oder verzagten Gewissens oder irrigen Verstandes u. dgl. , da soll ich nicht allein trösten, son- dern auch dazu schwören, sein Gewissen zu stärken, und sagen: So wahr Gott lebt und Christus gestorben ist, so gewiß ist dies die Wahrheit und Gottes Wort. Da ist der Eid so noth, daß man ihn nicht entbehren kann; also haben Christus und St. Paulus geschworen und Gottes Namen zu Zeugen geführt. Desgleichen auch, wo man den Nächsten entschuldigen und seine Ehre retten soll wider böse und giftige Räuber, da mag man auch sagen: Man thut ihm, bei Gott, Unrecht! Denn das ist alles Gottes Namen wohl gebraucht zu Gottes Ehre und der Wahrheit und des Nächsten Heil und Seligkeit. 38. Ihr habt [ferner] gehört, daß da [von den Schriftgelehrtem indem sie sich fiir berech- tigt hielten, den in 2. Mos 21, 23 ff.; 3. M. 24,19 fs.»; b. M. 19, 21sür das obrigkeitliche Strafrecht aufgestellten Grundsatz der strengen Wiedervergeltung eines augerichteten Leibesschadens auch zur Richtschnur für das Privatverhalten gegen einen Beleidiger zu machen, in Beziehung auf das Unrecht, das man euch anthut] gesagt ist: Auge um Auge, Zahn um Zahn [so daß ein jeder Macht hätte, sich selber Genugthuuiig zu verschassen und an seinem Widersacher sich zu rächen, was doch schon im Gesetz: 3.Mos.19, 18 uud dann weiter in den Lehrbüchern des alten Testameutsx Sprüchw. 24, 29 deutlich genug verwehrt ist]. 39. Jch aber [indem ich alle Rachlnst über- haupt verbiete, sie suche nun ihre Befriedigung auf eigene Hand hin oder durch Anrufnng der Obrig- keit, und dagegen von euch, meinen Jüngern, eine dem Beleidiger mit so demüthiger Selbstverleugnung entgegenkommeiide Liebe fordere, daß ihr auch das Doppelte von dem, was man Böses euch anthut, zu erdulden bereit seid] sage euch, daß»ihr nicht sm irgend welchem eigenen Interesse] widerstreben sollt dem Uebel [weder mit Worten noch Werken der Abwehr und Gegenwehr]; sondern so dir je- mand [selbst die schimpflichste Art der Beleidigung anthut Jes. 50, 6; Klagel 3, 30; 2. Cor. 11, 20 und dir] einen Streich giebt auf deinen rechten Backen, dem biete lstatt mit der Hand auszuholem um ihm den Streich zu vergelten, oder den Mund aufzuthun, um zu schelten, oder den Fuß in Bewegung zu setzen, um ihn vor Gericht zu ziehen] den andern [Backen] auch dar sin jener Sanftmuth und Leidenswilligkeih die alles über sich ergehen läßt 1. Sam. IS, 5 fs.]. Die jijdischen Rabbinen haben Christo sein Wort ablernen wollen, aber weil sie den Meister verleugnen, sind sie zu albernen und abgeschmackten Schülern ge- worden, wenn sie im Talmud die Ihrigen also lehren: Nennt dich dein Nächster einen Esel, so lege sogleich den Sattel auf deinen Rücken. Wenn dann bei Griechen und Römern schon ähnliche Aussprüche, wie sie in der Bergpredigt uns begegnen, vorzukommen scheinen, so find sie doch ihrem ganzen Wesen nach andere, als die unsers HErrn Iesu Christi; denn sie gehen von dem Gesichtspunkt der stolzen, selbstbewußten Großmuth aus, und da gilt das Wort in Kap. 7, 18: ein fauler Baum kann nicht gute Früchte bringen. 40. Und so jemand sbei einem Prozeß, den er wider dich anzufangen gedenkt] mit dir rechten will Und deinen Rock [den du auf dem Leibe Ueber das rechte Verhalten gegenüber dem bösen Weltwesen. 77 trägst L. Mos. 12 , 34 Anm., als etwas, das ihm rechtlich zukomme, fiir sich in Anspruch] neh- men, dem laß slieber, statt daß du es wirklich zum Prozesse kommen ließest, in giitlicher Weise] auch den swerthvolleren und unentbehrlicheren 2. Mos 22 26; Mark. 13, 16] Mantel [1. Cor. ! S, 7]. . v il. Und so dich Jemand sobwohl er an sich kein Recht hat, Frohndienste von dir zu verlangen] uothiget eine Meile U. v. a. 1000 Schritte oder 8 Stadien= Vz dentsche Meile: Z. TNos. II, 37 Anm., mit oder für ihn zu gehen], so gehe mit ihm sauch hier in dienender Liebe bereit, lieber das Doppelte zu leisten, siatt aus Selbstsucht das Ein: fache abzuwehren] zwo snach jetziger Schreibweise: zwei]. 42. Gieb dem, der swenn auch in zubring- licher, unverschämter Weise, um etwas] dich b1ltet, und wende dich nicht sihm den Rücken kehrend] von dem, der dir sein unverzinsliches Darlehn Luk. S, 34; Z. Mos 25, 37] abborgen will. Es ist (in dem ganzen, hier vorliegenden Abschnitt) das böse Weltwesen in seiner Ueberwucht gemeint, das man nicht durch starren Widerstand, sondern durch weise pädagogische (erziehliche) Nachgiebigkeit überwindet; das Ablassen von der strengen Rechtsfordernng in der Kraft der Liebe, nicht in der Schlaffheit des Gehenlafsens ist in allen Fällen gemeint, also gerade eine solche Nath- giebigkeit, welche durch ihr heroisches (heldenmüthiges) Maß das Unrecht überwinden soll. Ein einfaches pas- sivcs (leidendliches) Verhalten wäre Schwachheih das gesteigerte passive Verhalten ist Kraft, der Sieg des höheren Rechts. Wer dem Schläger auch den linken Backen darbietet, führt den rechten treffenden Gegen- schlag; wer auch den Mantel giebt, gewinnt den Proceß um das Unterkleid; wer Z Meilen mitgeht statt der zwangweise auferlegten einen Meile, läuft dem Dränger seine Freiheit ab; entgegenkommendes Geben hebt die Bettelei auf, und das rechte sich Zuwenden zum Bor- ger wird für diesen die Schule der Selbststäudigkeir (P. Lange.) Das von Christo hier Gesagte ist von der Bereitwilligkeit des Herzens, nicht von der Schaustel- lung des äußeren Werks zu verstehen; im Geheimen der Seele soll man Geduld mit Wohlwollen festhalten, nach außen hin aber soll das geschehen, was denen frommt, welchen wir wohl wollen. (Augustin.) Wir sind keines- wegs an den Buchstaben dieser Worte so gebunden, daß wir uns freiwillig zu Gegenständen aller Jnsultationeii (Beschimpf»ungen) des pöbelhafteii Muthwillens machen (Luk. 4, Zu; Joh. 8, »59; 18, 22 f.; Apostg 22, ff.; As, 1 ff.) oder es jedem Betrüger in seine Willkür stellen müßten, uns um so viel von unserm Vermögen zu betrügen, als er könnte und wollte, oder jeden lieder- lichen Verschwender allezeit bei uns eine offene Kasse finden« zu lassen, oder, wenn in unsrer Stadt die Bettelei abgeschafft ist, etwas darin zu suchen, jedem, der den- noch, gegen das Verbot der Obrigkeit bettelt, etwas zu geben. Es können Zeiten, Lebenslagen und Umstände kommen, wo ein Christ erkennen wird, daß es das beste Verhalten für ihn sei, wenn er sich schlechthin nach den Buchstaben dieser Worte hält (vgl. Kaiserswerther Volks- Kalender 1869, S. 61ff.: »Der kurirte Dieb«); und es können Zeiten, Lebenslagen und Umstände kommen, wo er einsehen wird, daß es recht und dem HErrn wohl- gefällig sei, wenn er dem Uebel auf eine rechtmäßige Weise zu entgehen suche. (Menken.) Christi Erklärungen iiber das Dulden des Unrechts weisen die Nothwehr durchans nicht ab, da es sich an dieser Stelle überhaupt nicht um ein Verbrechen gegen das Leben und gegen die dem Leben gleichstehende Keuschheit handelt, sondern nur um geringere Vergehungem Es ist also ein großer Jrrthum der Viennoniten und Quäker, wenn sie auf Grund jener Erklärungen die Nothwehr für unerlaiibt halten; und fol erichtig behaupten sie allerdings auch, daß es einem C risten nicht gezieme, ein obrigkeitliches Amt zu bekleiden. Jst es aber nach unzweifelhafier Erklärung der heil. Schrift eine Pflicht der Obrigkeit, das Schwert gegen die Uebelthäter zu führen, so folgt daraus auch die Pflicht des Christen, sie in diesem Be- rufe zu unterstittzenIk Der einzige Fall, wo solche ge- waltsame Nothwehr allerdings unstatthaft ist, ist der, wenn ein christlicher Geistlicher oder Glaubensbote bei unmittelbarer Ausübung seines Berufs an seinem Leben gefährdet wird; da ziemt es dem Verkiindiger des Evangeliums des Friedens, der Gewalt nur den Muth des Märthrerthums , nicht die äußerliche Gewalt ent- gegenzusetzeiy wie es das kirchliche Bewußtsein in rich- tigem Gefühl des Schicklichen fast immer mit dem geist- lichen Beruf unverträglich gehalten hat, Kriegsdienst zu thun. Sobald dagegen ein Geistlicher oder Missionar außerhalb seiner eigentlichen Berufsthätigkeit und nicht um dieser selbst willen, also etwa von Räubern, ange- griffen wird, da tritt sein unmittelbarer Beruf als Mit« gliedes der bürgerlichen Gesellschaft wieder ein, und er darf, wenn er es vermag, Gewalt durch Gewalt ver- treiben. (Wuttke.) «) Der Christ ist verpflichteh jeden verbrecheristhen Angrifs auf sein Leben und auf sein leibliches Dasein überhaupt, also auch auf die Keuschheit, abzuwehren, und, wo es nicht anders inöglith ist, durch Gewalt; er handelt hier nicht in seinen! eige- nen Namen, sondern im Namen der Obrigkeit. Da nun jeder Staatsbiirger die Pflicht hat, die Obrigkeit in jeder Weise zu unterstützen und deren sittlichen Zweck, also auch den Schutz jedes Einzelnen gegen verbrecherische Angrifse ausführen zu helfen, so ist der Einzelne in solchen Fällen, wo der Schutz der Obrigkeit nicht zur Hand ist, nicht sowohl berethtigh als vielmehr verpflichtet, für das Recht und die Pflicht der bürger- lichen Gesellschaft handelnd einzutreten und das zu thun, was die Obrigkeit in diesem Falle unzweifelhaft thun würde und thun müsste. 43. Ihr habt [endlich, wenn ihr in den Schulen einen Lehrvortrag über Mos 19, 18 vernahmt] gehöret, daß seinerseits zwar, wie in der zweiten Hälfte jenes Gebots es heißt] gesagt ist: Du sollst deinen Nachsten lieben, [doch andrer- seits auch , als läge dies in den Worten, der Zusatz beliebt worden:] und deinen Feind hassen« 44. Jch aber [im offenen Gegensatz gegen solche Auflösung des Gesetzes durch Niißdeutung und Kliigelei, wovor schon Stellen wie Z. Mos. 23, 4 f. hätten bewahren sollen] sage euch: Liebet lstatt sie zu hassenJ eure Feinde, segnet sstatt ihnen wieder zu siuchen], die euch fluchen, thut wohl sstatt ihnen Böses mit Vösem zu vergelten] denen, die euch hassen sund durch Lüge und Verleumdung auch bei Andern verhaßt zu machen suchen Röm. 12, 19 ff.], bittet sstatt über sie zu klagen und zu seufzen] für die, so euch [mit Anhängung von Schimpf- und SchaUdreDenJ beleidigen und [wohl 78 Evangelium Matthäi b, 45—4-8. S, l. 2. gar mit allerlei Gewaltthat] verfolgen« [Luk. 23, 34; Apostg 7, 59], 45. Auf daß ihr [mit der That beweisen daß ihr] Kinder seid eures Vaters im Himmel lJhm gleichgesinnt und nachgeartet, der im Reiche der Natur allen ohne Unterschied die Wohlthaten seiner Fürsorge und Erhaltung zukommen läßt] Denn er läßt fraglich] seine Sonne aufgeben iiber die Bösen und über die Guten und lasset sjahraus jahrein] regnen über Gerechte und Ungerechtetrt [über das Land der einen so gut wie süber das der andern, ohne durch den Undank nnd die Bos- heit der letzteren in seinen Liebeserweisungen sich irre machen zu lassen]. 46. Denn so ihr snach der Art uiid dem Exempel derer, die den Zusatz zu Gottes Gebot V. 43 aufgebracht haben] liebet [allein solche] die euch lieben, was werdet ihr sda hier doch gar kein Verdienst eurerseits vorliegt] für Lohn haben? Thun nicht dasselbe sdaß sie die lieben, von denen sie Liebe empfangen, nämlich ihre Zunftgenossen] auch die [den schlimmsten Sündern gleich geschätz- ten und in allgemeiner Verachtung stehenden] Söll- ner [Schlußbem. zum l. Maccabäeib Nr. 9, a. Zus.]? 47. Und so ihr euch nur zu eneru Brüdern [oder Volksgenossen] freundlich thut, was thut ihr Sonderliches sum dessentwillen man euch für be- sondere Heilige, wie ja die Pharisäer auf diesen Titel Anspruch machen , erkennen müßte]? Thun nicht die Zöllner [wenn sie unter ihren Zunstge- nossen wiederum diejenigen, mit denen sie von gleicher Nationalität sind, zu engerem freundschaft- lichen Verkehr sich ausersehen] auch also? 48. Darum [weil eine Liebe, die auf Freunde und Brüder sich beschränkt, gar keinen Werth hat, sondern auf bloßem Natnrtrieb und Eigennutz be- ruht] sollt ihr [meine Jünger, als die da wiederum geboren sind, nicht aiis vergänglichen sondern ans unvergänglichem Samen, nämlich aus dem leben- digen Wort Gottes 1. Petri I, 23] vollkommen fein shinsichtlich eurer Liebesgesinnung und eurer Liebeserweisungens gleichwies euer Bater im Him- mel volllommeu ist lindern er »seiiie Liebe und Wohlthat nicht siiicket noch theilt, sondern alle Menschen auf Erden zugleich derselben genießen läßt durch Sonne und Regen, keinen ausge- schlossen, sei er fromm oder böse« Z. Mos 1l, 44; 19 2 , . V) Diese Schriftfolgerung hatten die Schriftgelehrten etwa auf folgende Weise gezogen: a) Wie aus der ersten Hälfte des Verses hervorgeht, ist unter dem »Nächsten« ein solcher zu verstehen, der zu den Kindern meines Volkes gehört; b) in Betreff der Fremden, die außerhalb der Bttrgerschaft Jsraels und des Verhei- ßungsbundes stehen, wird in Z. Mos 7 , 2 f.; 23, s; 25, 19 ausdrücklich» untersagt, daß der Jsraelit ihnen Gunst erzeige, sich in einen Verkehr mit ihnen einlasse, ihnen Glück und Gutes wünsche, er soll sogar sie ver- tilgen von der Erde — mit andern Worten also, er muß sie hassen; o) da wird dasselbe ohne Zweifel auch iu Beziehung auf diejenigen gelten, die im eigenen Volke selber dein Frommen als Feinde und Widersacher sich erweisen, indem sie auf gleicher Linie mit Jsraels Nationalfeinden stehen. So war ihnen der Nächste schließlich nur derjenige, der ihr Freund und Gesinnungs- genosse war; mit obigem Zusatz aber hielten sie sich fitr berechtigt, einen jeden, den sie als Widersacher betrach- teten, zu befeinden und zu verfolgen, und hoben die erste Hälfte dessen, was in Mos l9, 18 steht, gerade- zu auf. Und doch war da vom Mitisraeliteii nur in sofern als Nächstein die Rede, als bei der gesetzlichen Abgeschlofsenheit Jsraels von den übrigen Völkern die im praktischen Leben fast allein in Betracht kommende Nächstenliebe eben die gegen die Kinder des eigenen Volkes war; was sonst noch in den Bereich des Volkes kam "(Gäste und Fremdlinge), war ausdrücklich wider eine « tyrannische und harte Behandlung geschützt (2. Mos. 22, 2l) nnd mit der brüderlichen Liebe die allgemeine Liebe ("2. Petri l, 7) deutlich genug gelehrt (3.Mos. 19, 34), so daß, wäre das Auge der Schriftgelehrten nicht ein Schalk gewesen, sie in jenem Gefetzeswort vielmehr· den Sinn würden gefunden haben: Du sollst nicht rachgierig sein noch Zorn halten gegen die Kinder deines Volks; denn du sollst ja deinen Nächsten lieben wie dich selbst, und das gilt auch in Beziehung auf deinen Feind und Widersacher. David dagegen, der ein einfältiges Auge hattSe, xieerstifädssGottesd Ge gtdrichtiå (1. Sam. 24, 5 ff.; It. . , .); un so n et si denn bei i m an das richtige Verständniß für solche Stellen des Gesetzes, wo allerdings ein Haß derer, die den HErrn hassen, gelehrt wird (Pf. 139, 21), solchen Haß aber, der recht wohl mit der Nächsten- und Feindesliebe sich verträgt, legt Christus selber an den Tag (Kap. 10, 33; 1l, ZU; 12, se; 16,8s.;28,33;25,41;Joh.8,44;17,9), und feine Apostel bewähren ihn ebenfalls (1. Cor.5, 5; Gut. 1, 8; 2. Titel. 4, I4; 1. Joh. 5, 16; 2.Joh.10). ji«-s) Siehe, wie hoch er das Ziel steckt, daß er nicht allein die straft, die den Feinden Böses thun, sondern auch die nicht läßt fromm sein, die da lassen anftehen, Gutes» zu thun, wo sie es dürfen (denn Gottes Feinden muß ich allerdings auch feind sein, daß ich nicht mit ihnen wider Gott anlaufe). Er spricht zum Ersten: Liebet eure Feinde; lieben aber heißt ein gutHerz tragen und alles Gute gönnen, von Herzen freundlich, gütig» und süße sein gegen einen jeglichen, nicht lachen zu seinem Schaden oder Uugltick. Desgleichen will er, daß auch mit Worten gefchehe, als er spricht: Segnet, die euch fluchen, daß man auch kein böse Wort wider sie lasse fahren, ob sie uns gleich auf’s Aergste schelten, lastern, schänden und verfluchen, sondern eitel Gutes sreltigiiHiiiid wictknschemd Zuxtg Dkritbteii thill ex, daß llmilin or. erz au ) mit em s er eweie un mit a er ei Fyreundschgft und cGuBthcsiP untådsprichk Tgutck w lhhl enen, ie en a en. as vierte tü a er: Bitte: für die, so euch beleidigen nnd verfol- gen, geht mehr auf unsere Lehre iind Glauben, denn auf unsere Person und Leben. Weil wir sehen, daß, die uns verfolgen, nicht cilleiiowider uns, sondern wider Gott selbst anlaufen und m sein Reich greifen, und nicht uns, sondern ihnen selbst den größten Schaden thun und in Gottes Horn und Urtheil gefallen sind, sollen wir uns mehr i ·rer erbarmen und für sie bitten, daß sie aus der Blindheit und fchrecklichem Dunkel kommen mochten; denn es kann »aus» doch niemand- kein Leid thun, er muß es zuvor viel einem größeren Herrn ge- than haben,·nämlich der hohen Majeftät im Himmel. (Luther.) Die Liebe, welche an der Spitze des Gebotes Die Gerechtigkeit des Reiches Gottes b) von Seiten des Lebens oder der guten Werke. 79 steht, ist der Geist, der Duft, der sich über die folgenden drei Handlungen ergießen muß, ohne welchen diese werthlos sind. Segnen ohne innige Liebe wäre leere, geisilose und heuchlerische Phrase, Wohlthuii ohne Liebe Prahlerei; zum Beten aber kann es gar nicht ohne Liebe kommen. Dies Letztere ist das Höchste; denn das Gutesthun kann immer noch verbunden bleiben mit einem geheimen Haß, der Feind muß es auch selbst an- erkennen und es gewährt einetn so eine Art Triumph, auch reicht man dabei ja nur irdische Gaben dar. Das Beten dagegen schließt allen Groll aus, es erfordert die höchste Selbftverleugiiuug , die reinste Liebe eines von Haß freien Geinüthes; ferner hat es keinen andern Zeugen, als Gott selbst, und was ich darin opfere, das ist mein eigenes Herz. (Heiibner.) —- Mst Große, un- erkai1nte Freundlichkeit und Güte Gottes, seine Sonne, die er gemacht hat, die ihm allein gehört, woran unter allen Lebendigen nicht einer ein Recht hat, worüber sie alle nichts vermögen, alle Tage tiber soviel tausend böse, undankbare, uugerechte Viensclsen ausgehen und seinen Regen auf ihr Land fallen zu lassen! Wie anders ist sein Sinn, als der Sinn des Menschen, wie anders seine Empfindun satt, als die Empsinduugsart des na- türlichen Mens en! Dieser Euipfiiidiitigsart ist es natiirlich , Stolz mit Stolz, Trotz mit Trotz , Unrecht mit Unrecht und Liebe mit Liebe zu erwiedernz diese Art der Liebe aber findet sich auch bei den schlechtesten Ntenfchein (Menken.) Durch diese Vergleichung erledigen sich manche Fragen: die Gitter der Gnade nnd Herr- lichkeit, die niemand mißbrauchen kann, sind auch den Feinden anzuwünschen, die Güter aber der Natur und des Glücks nur insoweit, als sie ihnen heilsam sind zu ihrer Bekehrung. (Chemnitz.) —- -s-) Das Wörtlein ,,gleichwie« zeigt an, daß wir uns Gott nach allen sei- Uen Vollkommenheiten zum Muster vorstellen sollen, ihm im Geist und in der Wahrheit nachzufolgenz nicht aber, daß eine vollkommene Gleichheit von uns erfordert würde. Denn Gottes Eigenschaften sind unendlich, unsre Tugenden aber sind endliche Eigenschaften , und gegen Gott zu rechnen ein bloßer Schatten. (Starke.) Das 6. Kapitel. Von etlichen Ueliungen der igottseligäeit O. U. 1—18. Bisher hat der Hain: Christus gestraft die falsche tLehre und Auslegung der Schrift, dadurch die Leute allein dahin gefiihrt sind, daß sie niit der Faust nicht siiiidigeik aber das Herz inwendig gar unrein ist blieben, und hat dagegen den rechten Verstand der Schrift und Gesetzes gezeigt und ausgestricheir llun aber greift er nach der Lehre auch das Weben aii und straft ihre guten werter, indem er erklärt, was rechte gute— Werke siiid; läßt ihnen also nichts Gutes sein, weder Lehre noch Werte, so sie doch ja als heilige tBeicte die Schrift täglich lehrten nnd gute Werke thaten, das; man sie hielt fiir die Heiligsten auf Erden. (tkulher.) Es werden aber jene drei Arten oon gutcii werben dicken— gegangen, deren sich die pharisäisclie Fröininigliein ebenso wie hernach die der römiseheutiiirititz besonders rsihiiite: die Almosen, das Gebet, das Fasten. (Tholutti.) Habt Acht, daß nitht die Heuchelei der Utnriii in eiirein Garten sei: l) habt Acht auf eure Almosen oder die Werlie enrertiriiderliebezDhabtActstaiifeuertteten oder die Werke eurer Gottes liindschaftz Z) habt Acht aus euer fasten oder die Werte: eurer Selbstverleng- nnngl — Das Beste im Christenleben gehört in’s Kam— iuerlein, und nicht vor die Ernte: insbesondere l) die edelsten tkiebeswerlm 2) die seligslen Andachts- stunden, 3) die iiinersien Seelenliäinpfu (Geroti.) 1. Habt Acht auf eure Almosen seines) ande- rer Lesart: auf eure Gerechtigkeit], daß ihr die nicht gebet sgenauert thut] vor den Leuten svor ihren Augen und in ihrer Gegenwart, nämlich mit der Absicht], daß ihr von ihnen gesehen werdet fund sie nun wegen deß, was ihr Großes gethan, euch loben]; ihr habt anders swenn ihr nicht, statt solch Schaugepränge mit euren guten Werken zu treiben, euch vielmehr in’s Verborgene damit stellt] keinen Lohn bei eurem Vater im Himmel ssondem habt euren Lohn dahin: ,,eure Gerechtigkeit wollte gesehen werden, und ist geseheii worden; sie wollte den Menschen gefallen, und hat ihnen gefallen —- sie hat den Lohn empfangen, den sie suchte, die Belohnung aber, die sie nicht suchte, wird sie auch nicht erlangen« Chrysostomus]. Die andere Lesart scheint den Vorzug zu verdienen; sie ist die der bei weitem uieisten Handschriften des Morgenlandes, während die andere, nach der Luther sich gerichtet hat: Eises-wachem» statt åouoiiocsijixijiax mehr dem Abendlaud angehört. Liest man Almosen, so beginnt die Warnung des Erlösers sofort mit der ersten Klasse jener guten Werke; liest man dagegen Gerech- tigkeit, so kann das zwar auch s. v. a. Almosen sein (Gerechtigkeit, die durch Wohlthun sich kund giebt Tod. 2 , 14; t2, 9) , es kann aber auch die allgeineine Be- deutung haben, so daß das ,,nun« im folgenden Verse deii Uebergang zu den verschiedenen Arten der Gerechtigkeit auzeigt, und ,,eure Gerechtigkeit« in unserm Verse wäre dann die, die der HErr von seinen Jüngern fordert (Kap. 5, 2()), oder die, die sie iii praktischer Befolgung des Gesetzäs, im werkthätigen Leben an den Tag zu legen sich befleißigen. »Vorher hatte der HErr seinen Jüngern bessere Begriffe von Gerechtigkeit beigebraclsh als Pharisäer und Schriftgelehrten sie hatten; Ietzt zeigt er ihnen auch, wie ihre Gerechtigkeit in der Aus- übung selbst soviel besser, höher und reiner sein müsse, als Pharisäergerechtigkeit, besonders darin, daß sie aus einem ganz anderen Grunde hersließen, daß dabei eine ganz andere Triebfeder, eiii anderer Zweck und eiiie andere Rücksicht statthaben müsse, als bei jener. Phari- säer und Schriftgelehrte thaten nianches, das an sich giit war, aber sie thateiues so, daß es bei ihrem Thun aufhörte gut zu fein; die Jituger Jesu sollen nicht nur das Gute thun, sondern auch zusehen, wie sie es thun, und sich httten, daß es nicht durch die ver- kehrte Ausübung anfhöre gut zu sein.« s. Wenn du nun Almosen legt. die Wem. zu Tod. a, 1 —- 5, 4 im ll. Abtheilungsbande des alten Teil. S. 641b] stirbst, so sollst du nicht lassen vor dir Posaunen sdamit die Leute erst zu: sariiinenlaufem eh’ du einem Armen etwas -giebst, und sie nun auch sehen, was du giebstL wie die Heiichlcr sdenen es darauf ankommt, daß alte Welt auch wisse, wie oft und wie viel sie geben] thun in den Schulen nnd ans den Gassen sden beiden Stätten ihres heuchlerischen Wol;)lthuns, die an und fiir sich schon recht eigentliche S chauplätze sind; bei ihnen ist ja alles, wie der Ort des Gebens, so auch die Art desselben, darauf berechnet», den Zweck zu erreichen, den sie im Auge haben], auf daß sie von den Leuten gepreiset werden kund das 80 Evangelium Matthäi s, 3—— 6. erreichen sie denn auch wirklichs Wahrlich, ich sage euch, sie haben seben damit, mit folchem Ge- priesenwerden von den Leuten] ihren Lohn dahin. Z. Wenn du aber Almosen giebst, so laß sum es in gerade gegentheiliger Weise zu thun, als die Heuchler oder Schemhetligen] deine linke Hand nicht wissen, was die rechte thut, 4. Auf daß dein Almosen verborgen sei swie vor dir selbst, so auch vor den Menschen —- so giebst du ,,einfältiglich« Röm. 12 , 8]; und dein Vater sim Himmel Kap. 5, 48], der in das Verborgene siehet kauch das weiß, was im Ver: borgenen vorgeht, ohne daß es ihm erst durch jemand müßte ossenbaret werden Pf. 139, 12; Jer. 23, 24; 32, 19; Hebt. 4, 13], wird dirs vergelten öffentlich ftheilweis schon in diesem Leben Pf. 37, 26; 41, 2 f.; l12, 5ff.; Jes 58, 7f., vornehmlich aber beim letzten Gericht Kap. 25, 34ff.; J. Cor. 4, b; Jak. 2, 13]. Zweierlei Mittel scheinen die Pharisäer und Schrift- gelehrten angewendet zu haben, um sich mit ihrem Wohlthun recht bemerkbar zu machen, abgesehen davon, daß sie von Haus aus ösfentliche Plätze, die Schulen und die Gassen, dazu wählten: wenn in den Schulen oder Synagogen noch vor Beginn der Gebete das Einlegen in die Almosenbüchfe ges:hah, bekundeten sie ihr prah- lerisches, theatralifches Benehmen damit, daß sie die in die Linke genommene Gabe mit der Rechten erst noch einmal durchzählten, ehe sie dieselbe einlegten·, um so die Aufmerksamkeit der Untstehenden eine Weile zu beschäfti- gen und mit ihrer Freigebigkeit zu prunkeru Davon hat der HErr die gleichuißartige Rede entlehnt, die erst durch ihn zu einer sprichwörtlichen geworden, nicht aber schon -vor ihm als solche vorhanden war: ,, laß deine linke Hand nicht wissen, was die rechte thut.« Man kann diese so erklären, wie Tholuck thut: Was steht in näherer Be- ziehung zu einander, als die Glieder des Leibes und vorzugsweise die zu einander gehörigen, die bei den Griechen und Lateinern geradezu als ,,Brüder« bezeichnet werden. Die Rechte giebt das Almosen; soll nun die hier so nahe Verwandte Linke nicht eiiimal davon wissen, so bezeichnet dies in schöner Anschaulichkeih wie auch nicht der nächste und vertrauteste Freund unter den Menschen, sondern allein der Vater im Himmel Zeuge desselben sein soll. —— Man muß aber hierbei nicht stehen bleiben, sondern noch tiefer greifen und am eigenen in- neren Menschen eine rechte und eine linke Hand unter- scheiden; und da hat schon das bereits früher erwähnte alte Auslegungswerk zu unserm Evangelisten darauf hingewiesen, wie die linke Hand die eine, zur Eitelkeit und Selbstsucht geneigte Seite am Menschen bezeichnet, die rechte aber jene Seite, die da Lust hat an Gottes Gesetz nach dem inwendigen Menschen (Rön1. 7, 15 Die Linke in diesem Sinne darf nicht wissen, was die Rechte vorhat, damit sie weder mit ihrer selbstsüchtigen Berechnung darein rede, wenn die Gabe reichlich abge- mefsen, noch einen Kranz des Selbstlobes Winde, wenn die Gabe auch wirklich, trotz ihres Widerfpruchs nnd ihresr Knauferei, reichlich ausgetheilt wird. Aehnliches gilt unter Umständen anch in Beziehung auf das ehe- liche Leben, wo wenigstens anfangs , so lange ein Hin- dern oder Erfchweren möglich ist , die Linke manchmal nicht wissen darf, was die Rechte thut; doch muß her- nach diese versuchen, das Herz jener zu sich zu bekehren. Noch erinnern wir hier an den Ausspruch eines engli- schen Schriftstellers: Schreib in dein Ausgabebuch nicht ein, was du Armen und Hilfsbedürftigen giebst; es wird schon wo anders eingefchrieben werden. Was nun andrerseits das Geben auf den Gassen betrifft, so schei- ne11 die Pharisäer und Schriftgelehrten von« Zeit zu Zeit dort erschienen zu fein, um Spenden an die Armen zu vertheilen; diese ließen sie förmlich zufammenblafem und wurde nun ihr Almofengeben um so .augenfälliger nnd öfsentlichen als die Gassen in den morgenländifchen Städten (zur Abwehr der großen Sonnenhitze) sehr eng zu fein pflegen. Davon hat Christus den andern gleich- nißartigen Ausdruck entlehnt: ,,Du sollst nicht vor dir pofaunen laffen,« woftir wir die Redensart »ausposau- neu« oder »an die große Glocke schlagen« (im Eng- lifchen: to sound ones own trumpeh im Französischem fajre quelque chose tambour hatt-tut) haben. »Die Wahrhaftigkeit der Selbstdarstellung im christlichen Wandel, also zum guten Beispiel für Andere, die im sündlichen Zustande eine völlig harmlose ist, ist dem Christen zwar um des Zeugnifses für Christum und um des Heiles des Nächsten willen eine hohe Pflichh hat aber für ihn kraft der eigenen Stindhaftigkeit sehr wesentliche Schrankein Der Christ hat in jedem Augen- blicke seines sittlich guten Wandels mit der Sünde fei- nes Herzens zu kämpfen, um den Stolz auf seine Tugend und sein Verdienst zu unterdrücken, um die wahre Demuth zu bewahren. Er darf zwar fein christ- liches Thun niemals ableugnen, darf nicht falschen Schein der Sünde veranlassen; aber er darf seine christliche Tugend nicht als einen Ruhm vor den Men- schen betrachten, worauf er stolz sein könnte, und beson- ders sind solche Handlungen , bei denen der Glanz sitr menfchliche Augen ein verhältnißmäßig heller ist, wie bei dem Wohlthun, oder wo sich dieselben als fromme überhaupt weniger auf Vienschen als ans Gott beziehen, wie bei dem Gebet, eher im Verborgenen zu thun als öffentlich, um nicht den Eigendünkel und die Selbstge- fälligkeit zu nähren. Christi Gebot in V.1 ist also nicht in Widerspruch mit seinem Wort in Kap. B, its: ,,lafset euer Licht leuchten vor den Leuten, daß sie eure guten Werke sehen,« wohl aber eine weise Befchränk11ng der hier geforderten Selbstdarftellung für bestimmte Ge- biete des fittlichen Thuns Die wahrhafte Selbstbekun- dung darf nicht in ein absichtliches zur Schau Tragen der eigenen Tugend ausarten; das Gute darf nicht da- rum gethan werden, damit es von den Leuten gesehen werde; die christliche Heiligkeit darf nicht glänzen und scheinen wollen, sonst wird sie sofort zur Scheinheiligkeit. Scheinheilig aber ist nicht blos der, welcher die Gerech- tigkeit erheuchelt, nur ihren Schein sucht, ohne ihre Wirklichkeih welcher den Schein der Gottseligkeit hat, aber ihre Kraft verleug1iet (2. Tim. B, 5), sondern auch der, welcher ihre Wirklichkeit nur um des Scheines willen sucht, mit den guten Werken prunkt (Kap. 23, 5) und sie dadurch zu Mitteln siindlicher Begierden macht. (Wuttke.) Wer glaubt aber, daß solch Laster und Un- tugend so geniein ist in der Welt und allermeist bei den Allerbesteih nnd wie wenig deren sind, die ohne solch Gesuch weltlicher Ehre oder Gunst gute Werke thun? Ja, die Welt kommt nimmermehr dazu, daß sie erfahre, was das sei, recht Almosen geben; denn wir find doch alle so geschickt, wenn uns die Leute nimmer beginnten zu loben oder Ehre, Dank und Gunst zu erzei en, würde ein jeglicher bald die Hand zuriickziehem as merkt man dabei wohl, wenn man die Leute auf’s Höchste lockt zu guten Werken, daß es Gott und allen Engeln herzlich wohlgefällt und er dazu hundertfältig vergelten will, noch will niemand hinan; zudem hast du auch dies Wahrzeichen, daß solche Heiligen bald zornig werden und zurückziehen, wenn sie Undank oder Ver- Vom rechten Almosengeben und vom Gebete im Verborgenen. 81 achtung fühlen. Darum kann niemaad kein gut Werk thun, er sei denn ein Christ; denn thut er’s als ein Mensch» so thut er’s nicht unt Gottes, sondern seiner eigenen Ehre Und Genieß willen, oder ob er gleich Gottes Ehre vorwendet, so ists doch erlogen und er- stunken. (Luther.) Z. Und wenn du betest,sollst du nicht sein wie die Heuchler, die da gerne stehen und beten in den Schulen und an den Ecken auf den Gassen [an Straßeneckem wo mehrere Wege zusammen kommen und man von recht Vielen bemerkt wird, indem fte auch bei dieser Uebung der Frömmigkeit Ort und Art ganz nach dem Zwecke berechnen, auf den alles ihnen ankommtL auf daß sie [näm- lichj von den Leuten gesehen werden. Wahrlich, ich sage euch, sie haben [mit diesem Gesehenwerdem Ja; sie so klüglich herbeizuführen wissen] ihren Lohn cl m. b. Wenn aber du [der du eben ganz anders, als die Heuchler, dich einrichten sollstj betest, so gehe in dein Kcimmerlein [wo du mit Gott allein sein kannstL und schlenß die Thür zu ldaß nie- mand bei deinem Werk dich überraschen möge]- nnd bete [nun] zu deinem Vater im Verborgenen swie Elisa that im Haufe der Sunamitin 2.Kön. 4, 33]; nnd dein Vater, der in das Verborgeue siehet [Ps. 38, 10; 44, 22; Luk. 12, 30], wird dirs vergelten öffentlich [was im ausschließliclyen Hinblick auf ihn gethan ist, wird auch der Wirkung bei ihm nicht verfehlen und der Segen folgen hier zeitlich und dort ewiglich 1. Tim. 4, 8]. Je schwerer, edler und höher eine Sache in stch selbst ist, um so viel wahrhaftiger soll der Mensch da- mit umgehen, nm so viel mehr alle Ostentation (Schau- I s« ! I « l stellungl dabei vermeiden; um so viel schlechter und ; böser ist es, wenn er den Schein und die Form einer . solchen Sache ergreift und zeigt, um sich geltend zu T machen unter den Menschen, um bewundert und geehrt zu, werden. War das bei dem Almosen schon der Fall, so ist er es noch viel mehr bei dem Gebete, und eben weil die Sache des Gebets so viel schwerer, edler und höher in sich ist als die des Almosengebetcs, wurde sie nur noch mehr als diese zur Ostentation, Prahlerei und ; Unwahrheit ntißbrauchd Alles, was den Glauben über- ; haupt in sich so schwer macht, und so edel und groß, z das ist auch bei dem Gebete; M, das Beten ist erst ein wirklicher, in Anwendung gebrachter, thiitiger Glaube. i Beten setzt nicht nur vora1is , daß einer überhaupt den Offenbarungen und Verheißungen Gottes glaube: es er- fordert ein Gemüth, das die Eindrücke des Sichtbaren und Sinnlichen überwindet, stch über das Sichtbare und Jrdische in das llusichtbare und Himmlische erhebt, mit dem Unsichtbaren, Ewigen, als mit dem lebendigen Gott, mit dem himmlischen Vater, in Gemeinschaft steht und göttlicher Einfllisse und Kräfte etnpfänglich ist. Darum haben die Menschen aller Zeiten uud Völker groß gedacht von dem Gebete nnd von dem betenden Menschen; sie haben den betenden Menschen als einen, dem stch der Himmel herabneige, der in die Unsichtbare Welt des Lichts uud Lebens hineinschaue nnd mit der unsichtbaren Gottheit Gemeinschaft habe, mehr bewun- dert, als den Almosengeber, als den Helden nnd Wun- derthiitey nnd so hat es denn auch in allen Zeiten nnd unter allen Völkern nicht an Menschen gefehlt, die diese Dich sIP i Bibelmrc große, heilige Sache zu unwürdiger Oftentation miß- brauchten, sich groß zu machen tm Auge der Menschen. (Metiken.) Je höher der sittliche Werth einer Ueber- zengutig und einer Handlungsweish um so eifriger wird sie erheuchely und es ist eine Ehre für eine solche, wenn gie kzzitiider ttim«fkhr»etgilljziilhseiichetkon, unt; einFtEhre flis en etatnm get ein D o , · enn er it en·- un religionslose Mensch es fiir nöthig hält, Sittliehkett und Frömmigkeit zu erheuchelm nichts »aber ist verkehrter, als die christliche Religion darum gering zu achten, weil uni ihretwillen geheuchelt wird. VJgkgereifterf und Zenker der stttlich-reli iöse Geist eines» o s um o me r e- darf der Unsittixiche uud Unfroiiime de«r Heuchelei: wo der Slinder keine Veranlassung zur Heuchelei hat, da steht es schlecht mit des Volkes Geist, und wohl der Heuchler, uicht aber das Volk, in welchem geheuchelt wird, ist zu beklagen — das Gold wird am meisten nachgeahmt, weil es das edelste ålltetall ist. (Wuttke·.) In den Schulen (deu Kirchen der Indem» beten frei- ligli aåieh sie rechten Freier» idindVtstsdas lnicht ifitiikkcizy a er ie a gerne een m er er aniniung, a im Kiimmerleiii, das sind schon die Heuchler -— volle1id»s, wenn auch hier dazu kommt: auf den Gassen, wohin zunächftz mit seltenen Ausnahmen, das Beten gar nicht gehört; ja gar: an den Ecken, wo der groß·teZ1isam- menfluß der Geheimen. Da stehen sie, dte Argen, welchå das heiligste Be? Filslersznnerligseä Geåiieinxbcäyaft mit ott zu einem er e einen or en en- schen machen; da passen sie’s etwa listig ab» zur Phari- säisch vrårgbeschkfiebenen sGkTbetsstgnde an iespiner Ecke zsu sein, un ei en nun te en, a s wären te gar gewi - senhaft, die Stunde nicht zu versäumen. Denn ohne solch einen Vorwand geradezu stch zum Gebet auf die Gasse zustellen, erscheint auch der Welt als Wahn- sinn; tdleßb mnsfztässtcksj Engl; dsshgrgfteg Hsecåtislynljczrlzs iislzrteges unveri g are a r ei ge in no · a · »m- leuchtend ist es, daß Beten nicht auf· die Gasse gehort, so sehr bedarf die Henchelei selbst wieder eines Decks iåiantelgtüber ihre esiåeuetanfkzsaftende kSglsnzachb (S-tåer.) s gie eine nnver am e rommig et, te on a ein auch sen zartesten und heiligftenGeheimgYsenTZesdChrT t I , t w ' er in un LIHtFeFFTwZETYUFZZJWIIiZ iichtsezskdtxlnmigkeit is: ver- schämt und erröthet fast, ihr Heiligstes nnd Seligstes auszusprechen vor Menschen Lerne da etwas von det- nen Rosen draußen im Garten: nur die halb gefchlofsene duftet nnd blüht, die ganz offene aber zerflattert und verdorrt. Eine halb offene Rose soll dein Herz sein, gen Himmel dnftend und glühend , aber der Welt ver- borgen im innerften Grund. — Zur tnntgeu Freund- schaft ehörtVerschwiegenheit und auch zux Freundschaft zwischegn uns und Gott gehört etwas von solcher Ver- sehwiegeiiheih daß die Seele nichtselbftgefällig alles ans- plaudert, was zwischen dem HErrn und thr vorgeht in heil. Gnadenstunden, sonder? demüthig Brig) ekhrfugstsx voll zu schweigen wei von em, was o ein or ausfprechem keine Zunge ausreden kann, und genug hat an der Gewißheit, megi skreuiixt Es: mediii uåid sich kbzkt sein. (Gerok.) Das e et er or ert te In am ei, zum wenigsten des Herzens, das allerverborgenfte Platz,- chen ign Hause Gotteäyb das idn uns ist: da Zins? man auch ei öffentlichem e et un mitten unter en» euren verschlossen sein. (Quesnel.) Viele kommen m die Kirche und sagen tausend Gebete her, gehen hinweg und wissen nicht , was sie gesagt haben; sie bewegen» die gpäsen hözentsich jfelbftlnichg dhghst gez? lgigerlk e et nt ge or, nn ver angs , a t o« ore soll? Jch habe meine Kniee dazu gebeugt, sprichst du: ja, aber dein Gemüth war außer der Kirche; dein ·Letb war wohl darinnen, aber deine Gedanken schwersten ge. T. I. 6 82 außer derselben herum. Dein Mund fa te das Gebet her, aber deine Seele tiberrechnete deine Zinsen, deinen Wucher, deine Verträge, deine Häuser und Aecker, deine Güter und deine Freunde. Weil der Teufel weiß, daß uns das Gebet den meisten Nutzen bringt, darum stellt er u11s bei dem Gebet am meisten nach. Oft liegen wir auf unser Bette ausgestreckt und denken an nichts; aber wenn wir uns zum Gebete schicten, dann erregt er tausend fremde Gedanken in uns, damit wir nur von dem Gebet keinen Nutzen haben sollen! (Chryso- stomus.). 7. Und wenn ihr betet, sollt ihr [um hier auch über die Form der Gebete etwas zu sagen und vor dem Versuch, durch diese Gott in ähnlicher Weise täuschen zu wollen, wie man Menschen durch die vorhin angegebene Art des Betens täuscht, euch nachdrücklich zu warnen] nicht viel plappern, wie die Heiden [die , weil sie ihre vielen irdischen Be: dürfnisse V. 32 auch einzeln aufzählen zu müssen glauben, weil sie ferner gar viele Götter haben, von denen sie keinen durch Uebergehung beleidigen wollen, und weil sie endlich durch beständige Wie- derholung der nämlichen Worte die Gottheit er- müden oder betäuben zu können meinen 1. Kön. 18, 265 Apostg 19, 34., viele gedankenlose und überflüssige Worte machen, wie theilweis auch von den Heuchlern V. 2 u. 5 geschieht Kap. 23, 14; Jes. 1, 15]; denn sie meinen, sie werden erhöret, wenn sie viel Worte machen sman müsse der Gott- heit dasselbe recht oft vorsagen, so werde sie endlich verstehen, was man will, und gewähren, was man begehrt]. 8. Darum [insofern in solcher Vorstellung derselbe heidnische Jrrthum verborgen liegt, womit sie überhaupt die Herrlichkeii des unvergänglicheu Gottes in ein Bild, gleich dem vergäuglichen Menschem verwandelt haben Röm. I, 23] sollt jhr euch ihnen nicht gleichen [sondern im Gegentheile bei euern Gebeten nur wenige Worte machen Pred s, 1»; Sie. 7, 15]. Euer Vater weiß, was ihr lsedurfet, ehe denn ihr ihn bittet kund thut es also gar nicht noth, ihn ersi weitläufig von euerm Anliegen zu unterrichten , sondern er will nur an euch ein demiithiges Herz, ein gläubiges Verlangen und einen ganz zu ihm und seinem Reiche erhobenen Sinn sehen — habt ihr das, so gilt Ein Wort mehr, denn sonst tauseud]. Das Gebet erfordert mehr Herz als Zunge, mehr Seufzer als Worte, mehr Glauben als Vernunft: Mark. U, 23. (Quesnel.) Kurz soll man beten, aber oft und stark (Luk. l8 , 1 ff.); denn Gott fragt nichts darnach, wie groß und lang man betet, sondern wie gut es ist und wie es von Herzen geht. Die Weise, wie wir beten sollen, ist, daß man wenig Worte mache, aber viel und tiefe Meinungen oder Sinnen. Je weniger Worte, je besser Gebet; Viel Worte und wenig Meinung isi heidnisch. (Luther.) Gerade derjenige Mißbrauch des Gebetes aber, den Christus hier vorzugsweise vor Augen hat, hat in feiner eigenen Kirche das Biirgerrecht er- halten, nämlich durch den Rosenkranz der katholischen Kirche, und zwar ist gerade dasjenige Gebet, welches er in V. 9 dem »Viel plain-ern« entgegensetzt, im Dienste Evangelium Matthäi S, 7—-13. dieser Unart gebraucht worden. (Thdluck.) Das gedan- ! kenlose Rosenkranzbeten kam auf durch den heil. Domi- nikus , welcher von denen, die die 150 Psalmen nicht herfagen konnten, forderte, sie sollten 15 X It) Ave Marias und vor jedem dieser 15 Zehner ein Vaterunser beten, und dies am Rosenkranze abzählen. (Heubner.) 9. Datum [wenn euch daran liegt, an einem Beispiel zu lernen, wie in wenig Worten doch unend- lich viel gebetet werden könne, ja alles, was ihr an Leib und Seele, für euch und Andre, in Zeit und Ewigkeit braucht] sollt ihr also beten: Ein König, schreibt hier Quesnel, der selbst das Supplikat oder das Bittgesuch macht, muß große Lust zum Geben haben Jes. 65, 24;»Joh. 16, 23. Unser Vater m dem Himmel. Dein Name werde gehe1liget. 10. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe auf Erden, wie im Himmel. 11. Unser täglich Brod gieb uns heute. 12. Und vergieb uns unsere Schuldem wie wir unsern Schuldigern vergeben. 13. Und führe uns nicht in Versu- chung, sondern erlöse uns von dem Uebel. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen. Auf die Darlegung des Zusammenhangs der ver- schiedenen Theile dieses Gebets unter einander und die Erklärung der einzelnen Worte werden wir erst bei der Wiederholung des Vaterunsers in Luk. il, 2 ss. näher eingehen; hier haben wir’s zunächst nur mit allgemei- nen Gesichtspunkten zu thun. Und da machen wir uns mit den, von den Gelehrten viel verhandelten Fragen: ob das Gebet des HErrn hier bei Matthäus, oder dort bei Lukas, an seiner ursprünglichen Stelle stehe, und ob Jesus dasselbe ganz frei aus seinem eigenen Jnneren erzeugt oder aus verschiedenen, schon vorhandenen Ge- betsformulareu der Juden zusammengesetzt habe, nicht allzulange zu schaffen; denn was vor allem die zweite dieser Fragen betrifft, so finden sich in rabbinischen und talmudischen Schriften allerdings manche, den einzelnen Bitten Verwandte Sätze und Gedanken: »Unser Vater im Himmel -— dein Name werde geheiligt, und dein Andenken verherrlicht— es komme das Reich des Messias, das Reich Gottes, die Erlösung Jscaels —- geheiligt werde dein Name in dieser Welt, wie er im Himmel geheiligt wird; die Jsraeliten sind Engel auf Erden, die Engel heiligen den Gottesnamen im Himmel, die Jsraeliten auf Erden — der Bedürfnisse deines Volkes sind viele: möge es dir, o Gott, gefallen, jedem von ihnen soviel zu geben, als zu ihrer Nah— rung nothwendig ist, und jeglichem Volke, was sie bedürfen —— HErh unser Gott, mach, daß wir deinen Gesetzen folgen, führ uns nicht in die Hand der Sünde, nicht in die Hand der Uebertretung, nicht in die Hand der Versuchung, nicht in Verachtung; entferne uns von der bösen Neigung, ver- binde uns mit der guten Neigung-«, indessen läßt sich jetzt nicht mehr genau abmessen, wie viel davon wirklich schon vor Christo bei den Juden vorhanden· war, und wieviel erst später vom Christen- thum zu ihnen übergegangen, und auch in Beziehung auf jenes würde Immer nur gelten, was Stier sagt: es war ja doch blos »ein vorbereiteudes Hinanstreben zu dieser allerlebendigsten Formel voll Geist im Buch- staben, worin jetzt der HErr, der Meister, mit wunder- barster Kürze alles zusammenfaßt für die Seinen, was da gehören mag zu dem: Jhr sollt beten«. Dagegen die- erste von jenen beiden Fragen »anlangend, so hat Wie und was ein Kind Gottes beten solle fdas heil. Vaterunser) , offenbar zuerst bei Matthäus das Gebet des HErrn seine richtige, zusammenhangsgemäße Stelle, indem der HErr, nachdem er das falsche und vergebliche Beten estraft und verworfen hatte , gar nicht unterlassen onnte, selbst ,,eine freie, kurze Form« aufzustellen, ,,wie und was wir beten sollen;« aber auch bei Lukas erklärt sich die nochmalige Mittheilung des Gebets durch die dort angegebene Veranlassung ganz von selbst, wie wir seiner Zeit ausführlicher nachweisen werden. Von nicht viel größerem Belang ist eine dritte Frage, über welche die Gelehrten viel hin und her geredet haben, ob näm- lich Christus mit diesem Gebet eine bestimmte, von den Christen festzuhaltende und oft und wörtlich zu gebrau- chende ormel habe aufstellen wollen , oder nur ein allgemeines Schema (Vorbild oder Abriß) dessen, was die Christen immer und unter allen Umständen zu er- bitten hätten; in jenem Falle würde sein Wort ,,ihr sollt also beten« bedeuten: »in dieser Form und mit diesen Worten,« in diesem Falle aber wiirde es nur be- sagen: ,,in·solchem Sinne, wie er in folgendem Gebete sich ausspricht, so kurz und doch so inhaltreich, so geist- lich und zugleich so briiderlich.« Wir müssen da sagen: hier in der Bergpredigt ist sein Wort zunächst in der zweiten Bedeutung gemeint, wie denn auch sich nicht er- warten ließ, daß die Jünger das Gebet sogleich voll- ständig behalten und fortan auch wirklich gebrauchen würden; dort, in Luk.11, 1 ff. dagegen handelt es sich nicht blos um ein allgemeines Schema, sondern auch um eine stehende Formel, und die christliche Kirche hat nun ganz das Richtige getroffen, wenn sie beides thut, sich nach Christi und der Apostel Vorbild (Joh. 17,1ff.; Apostg. I, 24 f.; 4, 24 ff.) nicht aus diese Formel be- schränkt, vielmehr vom Geiste Gottes auch andere Ge- bete im Herzen ihrer Glieder erzeugen läßt, dabei aber das Gebet des HErrn für ihr vornehmstes und heilig- stes Gebet hält, das bei keinem ihrer Gottesdienste und ihrer heil. Handlungen, und an keinem Tage und bei keiner Lage im gewöhnlichen Leben der Christen fehlen darf. Ueber die Doxolo ie (Lobpreisung) am Schluß: ,,Denn dein ist das SJIeich 2c.« haben wir schon zu J. Chron. 30, 12 gesprochen; über die Aurede im Ein- gang: »Unser Vater« sei hier bemerkt, daß Luther im Katechismus die zu seiner Zeit im alltäglichen und kirchlichen Leben übliche, dem Grundtexte Greis-s«- Hirt-Zu) und dem lateinifchen Paternoster nachgebildete Wort- stellungr ,,Vater unser« beibehalten hat. Sollte nun gleich jene erste Wortstellung , wie sie an unsrer Stelle und in Luk. It, 2 uns begegnet, den Regeln der deut- schen Sprache mehr, als die andere, entsprechen (Viele wollen das behaupten, während dagegen ein reformirter Theolog behauptet: das eine ist so richtig, oder vielmehr nach den Regeln der deutschen Sprache so unrichtig wie das andere, doch ohne Umfchreibung kann es nicht anders ausgedrückt werden) , so hat die zweite doch einen viel höheren Werth dadurch, daß sie dem Grundtexte gemäß den so tröstlichen Vaternamen uns zu allererst auf die Lippen legt und die richtige innere Folge beobachtet; denn zuvor müssen wir zu Gott durch die Wiedergeburt in das Verhältniß seiner Kinder getreten sein, dann erst nehmen wir unter einander auch die Stellung von Brüdern ein. Sonach erscheint es als ein Eifern mit Unverstand, wenn von mancher Seite darauf gedrungen wird, daß niemand mehr »Vaterunser« sondern »Unser- Vater« sage: wie ein Zwang im Gemiith, schreibt Cl. Harms, würd’ es mich bedünken, ähnlich wie wenn ein Freundesname verändert werden muß, wenn wir anders, als wir von Kindheit an gethan, als auch unsre Väter gethan, nicht Vaterunser, sondern Unservater sagen und sagen hören sollten, obwohl zwar der Mund die beiden Worte nach einander aussprechen muß, im Herzen f 83 aber beide nnr ein einziges Wort sind. Endlich handelt es sich um die Zählung der einzelnen Bitten: da er- scheint auch hier (vgl. 2. Mos 20, 1 Anm.) die Weise der lutherischen Kirche, welche 7 Bitten rechnet, der der reformirten Kirche, welche die Worte: ,,führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Uebel (nach reformirter Uebersetzung: Böfen«) in Eine Bitte zusam- menzieht, vorzuziehen, indem nicht nur die Sechs, wenn überhaupt eine sinnbildliche Bedeutung, doch nur eine solche haben würde, die nicht hierher gehört (Offenb. 13, 18), sondern auch die Bitte: ,,erlöse uns von dem Uebel« mehr ausspricht, als die vorangehende: ,,flihre uns nicht in Versuchung«, die Zusammenschließung bei- der zu einer Einheit aber nur in der nachher zu be- riihrenden Beziehung stch rechtfertigen läßt. Ueberblicken wir die 7 Bitten in ihrem Verhältnis; zu einander, so stellt sich Folgendes heraus: a) in den 4 ersten Bitten bitten wir um Zuwendung alles Guten, in den 3 let;- ten um Abwendung alles Bösen; b) in den 3 ersten Bitten handelt es sich um Gottes, in den 4 letzten uni unsre eigene Sache; o) die 4te Bitte um das tägliche Brod ist von 3 vorangehenden und Znachs folgenden Bitten, die sämmtlich auf das Geistliche gehen , eingeschlossen , weil das Reich Gottes und der Seelen Seligkeit unser größtes Anliegen ist (Luk. 10, 41 f.) und darum auch unser erstes und unser letztes Gebet sein soll (V. 33); d) die 1te und 4te Bitte be- ziehen sich auf Gott als Schöpfer und Erhalter, die 2te und 5te auf Gott als Erlös er, die 3te und 6te, letztere in Verbindung mit der 7ten, stehen in Beziehung zum Werk des heil. Geistes. Ueberblicken wir da- gegen den ganzen Umfang des Gebets , die 7 Bitten sammt der Anrede und dem Beschlnß , so ergiebt sich auch hier eine aufsällige Beziehung der einzelnen Theile zu einander, die in folgendem Schema sich darstellt: l) Vater dein Name unser täglichdenn dein ist werde ge- Brod gieb das Reich heiligt uns heute L) unser dein Reich und vergieb und die komme uns unsre Kraft Schuld it. Z) iii dem dein Wille und führe uns unddieHerr- Himmel geschehe auf nicht in Ver- lichkeit, in Erden u. s. w. suchung, fon- Ewigkeit. dern erlöse er. Amen. Bekanut ist die Auslegung des Gebets, die Matthias Claudius (ein unter dem Namen des Wandsbecker Boten bekannter Volksschriftsteller, geb. 1740 im Hol- steinischen, f zu Hamburg am 21. Januar 1815) in einem Briefe an Andres giebt. »Sieh , wenn ich’s beten will, so denke ich erst an meinen seligen Vater, wie der so gut war und so gern mir geben mochte; und dann stell ich mir die ganze Welt als meines Vaters Haus vor, und alle Menschen in Europa, Asia, Afrika und Amerika sind dann in meinen Gedanken meine Brüder und Schwestern; und Gott sitzt im Him- mel aus einem goldenen Stuhl und hat seine rechte Hand iiber’s Meer und bis an’s Ende der Welt aus: gestreckt, und seine Linke voll, Heil und Gutes, und die Bergspitzen umher rauchen — »und dann fang ich an: Unser Vater, der du bist im Himmel! Gehei- liget werde dein Name! Das versteh’ ich nun schon nicht. Die Juden sollen besondere Heimlichkeiteu von dem Namen Gottes gewußt haben; das lasse ich aber gut sein und wünsche nur, daß das Andenken an Gott und eine jede Spur, daraus wir ihn erkennen können, mir und allen Menschen über alles groß und heilig sein möge. Zu uns komme dein Neich: hie- bei denke ich an mich selbst, wie’s in mir hin und her sti- 84 treibt, und bald dies, bald das regiert, und daß das alles Herzquälen ist und ich dabei auf keinen grünen Zweig komme. Und dann denk ich, wie gut es flir mich wäre, wenn doch Gott all’ Fehd’ ein Ende machen und mich selbst regieren wollte. Dein Wille gesch ehe, wie im Himmel, also auch auf Erden: hiebei . stell ich mir den Himmel mit den heil. Engeln vor, die - mit Freuden seinen Willen thun, und keine Qual rühret sie an, und sie wissen sich vor Liebe und Seligkeit nicht zu retten nnd frohlocken Tag und Nacht, und dann denk ich: wenn es doch also auch auf Erden wäre! Unser täglich Brod gieb uns heute. Ein jeder weiß, was täglich Brod heißt und daß man essen muß, solange man in der Welt ist, nnd daß es auch gut schmeckt. Daran denk irh denn; auch fallen mir wohl meine Kinder ein, wie die so gerne essen mögen und so flugs und fröhlich bei der Schüssel sind. Und dann bitt ich, daß der liebe Gott uns doch etwas wolle zu essen geben. Und vergieb uns unsre Schuld, wie wir vergeben unsern Schuldigern.. Es thut weh, wenn man beleidigt wird, und die Rache ist dein Menschen süß. Das kölnmt mir auch so vor, und ich hätte wohl Lust dazu; da tritt mir aber der Schalksknecht aus dem Evangelio unter die Augen, nnd « mir entfällt das Herz und ich nehm’s mir vor, daß ich meinem Mitknecht vergeben und ihm kein Wort von den 100 Groschen sagen will. Und führe uns nicht in Versuchung: hier denk ich an allerhand Exempel, wo Leute unter den und jenen Umständen vom Guten ab- gewichen und gefallen find, und daß es mir nicht besser gehen würde. Sondern erlöse uns von dem Uebel: mir sind hier die Versuchungen noch im Sinn, und daß der Mensch so leicht verführt werden und von der ebenen Bahn abkommen kann. Zugleich denk ich aber a11ch an alle Mühe des Lebens , an Schwindsticht und Alter, an Kindesnoth kalten Brand nnd Wahnsinn, und das tausendfältige Elend und Herzeleid, das in der Welt ist und die armen Meuschen martert und quält, und ist niemand, der helfen kann, und du wirst finden, Andres, wenn die Thrtinen nicht vorher gekommen sind, hier kommen. sie gewiß, nnd man kann sich so herzlich heraus sehnen und in sich so betrübt nnd tiiedergefchlagen werden, als ob gar keine Hilfe wäre. Dann muß man sich aber wieder Muth machen, die Hand auf den Mund legen und wie im Triumph fortfahren: Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlich- keit iu Ewigkeit. Amen. 14. Denn sum hier auf die Bitte in V. 12 noch näher einzugehen , warum da zu der Bitte noch ein Zusatz hinzukommt, der das nothwendige Erforderniß auf eurer Seite, trenn ihr der Ge- Währung solcher Bitte euch getrösten wollt, enthält] so ihr den Menschen ihre Fehle swomit sie sich an s euch versündigt luden] vcrgebct, so wird euch euer himmlischer Vater auch vergeben lwas ihr gegen ihn gesiindigt Mark. 11, 25 f.]. 15. Wo ihr aber den Ntenschen ihre Fehle nicht vergebet, so wird euch euer Vater eure Fehle auch nicht vergeben [.Kap. 18, 23 ff; Sie. 28, 1 ff.]. Gott um die Vergebung als um ein hohes Gut bitten, und dasselbe Andern verweigerte, die uns darum bitten, hieße mit Gott Spott treiben. (Chrysostomus.) Auf daß uns Christus desto mehr zur Vergebung reize, hat er auch feiner, freundlicher Worte gebraucht, sagt nicht ,,ihre Bosheit und Frevel«, sondern ,,ihre Fehle« Evangelium Matthäi S, 14-—— 19. vergebet. Denn einen Fehl heißt er eine folche Sünde, die mehr aus Gebreehlichkeit oder Unwissenheit geschieht, denn aus Bosheit, damit er dir deinen Zorn legen will nnd dich erweichen, gerne zn vergeben. Denn vor Gott ist und soll die Sünde so groß sein, daß sie der ewigen Berdannnliiß tverth ist, ob’s gleich eine geringe Sünde und nur ein Gebrechen ist, wo er’s nicht erkennt oder dir abbittet; aber von mir und dir will er die Sünde uicht so angesehen haben, als dem exicht gebithrt die Sünde zu strafen , sondern zu vergeben, wie Christus auch selbst gebeten (Lnk. 23, 34): Sie wissen nicht, was sie thun. (Luther.) Merkwürdig, daß weder die Er- lösung noch die Slindenvergebung von einem Mittler Christus) und dessen Leistungen, etwa dessen Tode, ab- hängig gemacht wird, sowie anch die Ankunft des Reiches Gottes nicht an die Person des Llliessias geknüpft wird — ein Beweis, daß das Vaterunser von Jesu selbst herrührt, welcher diese persönlichen Beziehungen damals noch nicht hinzufügen konnte. (de Weile«) 16. Wenn ihr sin freiwilliger Kasteiung zur geistlichen Andachtsiibuncq fastet swie dies z. B. von den Pharisäern zweimal in der Woche geschieht Luk. IS, 12, vgl. Mos. 16, 31 Anm.], sollt ihr nicht sauer schen fdurch änßerliche Trauerge- berden eure Uebung der Frömmigkeit anch recht auffällig und bemerkbar machen], wie die Heuchler sehen jene Pharisäer und Schriftgelehrtern denen es überall nur auf den Schein eines gottseligen Wesens ankommt, die aber die Kraft desselben verleugnen]; denn sie verstellcn ihre Angesichte kindem stesHaupt- und Barthaar ungeschmlickt lassen und mit Asche bestreut, das Kinn verhüllt und den Kopf gesenkt einhergehen b. Mos. 14, 2 Anm.], auf daß sie vor den Leuten scheinen mit ihren: Fasten sihnen damit sogleich in die Augen fallen als» solche , die der Frömmigkeit wegen sich ein schweres Joch auf- erlegten] Wahrlich , ich sage euch , sie haben [in der Bewunderung der großen Viengh die sie so davon tragen] ihren Lohn dahin. .17. Wenn du smein Jüngerj aber [von dem ich verlange, das; du geistliche Dinge auch geistlich treibesi nnd deine Demüthigirtig vielmehr eine in: nerliche, als eine äußerliche fein lassestj fastest, so falbe sim Gegentheil, statt es mit Asche zu be- merken] dein Haupt und wasche dein Angesicht sals wolltest du zu einem Gastmahl gehen Z. Sam. 12, 20z Ies. Si, Z; Pf. 23, 5; Lnk. 7, 46], 18. Auf daß di: nicht scheinest vor den Leuten mit deinem Fasten lnicht vor ihnen , die nicht zu wissen brauchen, was du vorhast, als ein Fastender erscheinestjxsondcrn vor deinem Vater, welcher ver- borgcn [genauer: im Verborgenen] ist [da gegenwärtig, wo man menschlichem Auge geflissent- lich sich verbirgt B. 4 u. 6]; und dein Vater, der in das Vrrborgcne stehet sund das am liebsten hat, was zwischen dir und ihm allein vorgehtL wird dirs vergelten öffentlich kalt; der da Preis und Ehre und unvergängliches Wesen denen zuertheilh die mit Geduld in guten Werke-n trachten nach dem ewigen Leben Röm. O, 7 . «« Es find zweierlei Fasten, die da gut und löblich find: eine mag heißen weltliche oder bürgerliche Fasten, durch die Obrigkeit geboten, damit man nicht so mit stetem Fressen und Sausen alles verzehre, wie wir Deutsche thun, und ein wenig lernten leben. Darnach wäre noch eine geistliche gemeine Fasten, die wir Vom rechten Fasten oder der rechten Selbstverleugnung. Christen sollten halten, und wäre auch wohl fein, daß l man noch etliche Tage vor Ostern , item vor Pfing- sten nnd Weihnachten eine gemeine Fasten behielte, tiicht ; als einen Gottesdietish sondern als eine äußerliches chriftliche Zucht und Uebung für das junge und einfäl- tige Volk, daß sie sich lerneten in die Zeit richten. Aber das ist auch noch nicht das rechte christliche Fasten, das Christus meint; sondern es steht darin, daß du deinen Leib ziichtigest nnd niäßig haltest; denn solch Werk gehet nicht Gott noch der: Nächsten, sondern unsern eigenen Leib an. der Christen , wenn man dem ganzen Leib wehe thut und zwingt mit allen fünf Sinnen, daß er lassen und «- entbehren muß alles , was ihm sanft thut, es geschehe I: willig oder ans Noth (doch daß man’s gerne annehme und leide) , daß er nicht miissig , noch faul und geil So heiße ich das die rechte Fasten E? · Frieden der Kinder Gottes und in deinem Auge den l i x werde. Aber solch Fasten will ich niemand auflegen, I. sondern ein jeglicher, darnach er stark ist und fühlet, i? daß dem Fleische noth thut, darnach soll er ihm aus- J Es ist aber jedermann geboten, 32 legen und abbrechen. nüchtern und züchtig zu leben, nicht Einen Tag oder : Ein Jahr, sondern täglich und immerdar, welches die «. Ob aber zuweilen aus «, Schrist nennt nüchtern Leben. Schwachheit darüber geschieht, das gehe mit in den z Artikel, der da heißt Vergebung der Sünden, wie andre ; tägliche Gebrechen. Dein Gottesdienst aber soll sein der Glaube an Christum und die Liebe gegen den Nächstem I daß du wartest deß, dazu du gefordert bist. Das sei genug von den Fasten. (Luther.) Berleugnen das ungöttliche Wesen und die weltlichen Lüste, und züchtig, gerecht und gottselig leben in dieser Welt, das sind die Fasten, die wir selber uns auflegen initssen, nicht nur am Sonntag oder am Freitag , sondern alle Tage; nnd dabei gilt’s, manchen süßen Bissen liegen zu lassen , wie die Welt auch lockt, an mauchem Freudenkelch vorüberzugehem wie Fleisch und Blut auch darnach nistet. Dazu schreibt der himmlische Vater den Seinen auch noch ntanche be- sondere Fastenzeit aus , wenn er ein Kreuz uns ins s Haus schickt oder ein Fehljahr in unsre Aecker und Weinberge, wenn er ein theures Gut uns nimmt, an dem unsre Seele gehangen, und fpricht: Laß dir an meiner Gnade genügen. Das ist dein Fasten, liebe Seele, und nun hab Acht aus dein Fasten, daß auch da kein Heuchelsinm kein Pharisäerthuni aufkomine Es giebt Leute, die da meinen , ein gesenktes Haupt, ein uiedergeschlageties Auge, eine trübe Miene, ein kläglicher Ton, ein eständiges Ach nnd Weh über die arge Welt, das mache den rechten Christen; nnd so üben sie sich denn auch recht ein aus solch klägliche Geberden Könnte man ihnen aber hinter die Maske sehen, so fände man dahinter oft einen argen Schalk, recht unheilige Gedanken, recht weltliche Gelüste. Ein saures Gesicht macht’s uicht, sondern ein zerschlagenes Herz (Hos. Z, l3; Pf. 51, 19). Und habt Acht auf euer Fasten, daß kein Hochmuth mit unterlaufe Jch weiß nicht, ob’s heut zu Ta e und hier zu Lande auch noch solche Pharisäer gie t, die stch gar viel auf ihre Selbstverleugnung und Weltverachtung zu gute thun und stolz herab sehen aus Zöllner und Sünder; wenn’s aber solche gäbe, die sich ein Verdienst daraus machten, daß sie besser seien als andere Leute, weil sie wegbleibeii von mancherlei Welt- gelegeuheih solche, die für die Weltkinder nichts hätten, als Verachtung und Verdammniß , und meinten , sie trügen schon den Heiligeuschein um’s Haupt, die Andern 85 « aber das Kainszeichen auf der Stirn , denen würdespich g sagen: Nicht also, lieben Brüder! wir wollen uns kein . Verdienst daraus machen, wenn wir fliehen die Lüste is der Welt, sondern demüthig dem HErrn danken, daß er l uns bewahrt hat vor dem Argen; wir wollen nicht ver- dammen unsre irrenden Brüder, sondern brtiderlich ihnen nachgehen und priesterlich für sie beten. Und habt endlich Acht ans euer Fasten, daß kein verbissener Grimm euch das Herz vergifte. Wenn Gott uns fasten läßt, ein Kreuz uns auferlegt —- wie oft geschieht es l? da , daß ein geheimer Groll auf Gott und Welt, ein stiller Neid gegen die, die’s besser haben, als wir, eine verbissene Lust nach der verbotenen Frucht sich festsrißt l in unserm Herzen! Da sei Gott vor! Wenn du aber s fasten, so salbe dein aupt und wasche dein Angesicht; . trage dein Kreuz in eduld , kämpfe deinen Kampf im Stillem der Welt aber zeig in deinem Antlitz den Sieg des Glaubens, der die Welt überwindet. (Gerok.) D· v. 19—34. Eine Gerechtigkeit, die da besser sei alv die drr Schriftgelehrtcki nnd Pharisäer, wollte der HErr seine Jiingcr lehren Rats. s, 20); und rr hat ihnen gezeigt, daß er eine Gerechtigkeit meine, dir da tiefer warnte, weiter reiche, höher strebt Gar. Z, 21 ——48), eine Gcrechtlgkrik die nicht mit oberfläclslirlscm Saum, mit augendteneriscljem Werk, mit gewerbsmäßi- gcm Treiben sitt) vergnügt, sondern auf einem in Gott verborgenen Leben beruht (liap. S, 1—1lkl. Um: sagt er ihnen auch, unter welcher B rdiaguug allein eine solche Gerechtigkeit die ihre sciu könne, aus wag für einem herzenggrunde dieselbe bcrvorwachse w. 19—21), nnd inne« fiir ein Jlage ftc im Geiste ihres Gcniiiths haben müssen, um überall das Rechte zu sehen nnd zu trrssen W. 22 n. 23); nnd da greift er denn, um ihren Hcrzenggruud von allem Unkraut zu reinigen, in die; ihr Her; hinein und dringt bei ihnen auf riuc so völlige und ungctlsriltc ijiugebnlig au Gott«, daß alles, was in der Welt ist, ihnen entweder geradezu zu einem Gegen— stand der Verachtung nnd Geringschätzung W. 24), odrr dorh zu einer reinen islcbensache würde, um die sie« sich nilht sorgen und liüuimeru w. 25—34) De: jnckxsktx wie er von sich selber ils, ist ein Sorgrultind uud trligt steh lieber mit einem schweren, als mit einem leichten Herzen; er ist aber auth rin Kind deg kcichtsinng und sclzt gerade iibcr dasjenige sitt) hinweg, wag ihm wirk- lich auf nnd an dem Herzen liegen follte. Da wird uns denn hier auf dcr einen Seite die fröhliche S o r g l o si g l: cit der wicdergcborrttett Gottcgkindrr gezeigt, auf der au- dctn Seite ciber auch diejenige Sorge, die all ihr Denken und Sinnen, alle ihre Zeit nnd Kraft in Anspruch nimmt. 19. Ihr fmeiue Junger , von denen ich die bessere Gerechtigkeit nicht blos sordere, sondern die ich auch dazu anleiten will] sollt euch nicht swie die Schriftgelehrten und Pharisäer thun, die ebenso habsiichtig Kap. 23, 14; Luk. 16, 14., als eitler Ehre geizig V. Z, 5 u. 1(») find] Schatze sammeln auf Erden, da sic fwenn dieselben in einem reichen Vorrath von kostbaren Kleidern bestehen Nicht. 14, 19 Blum. L] die [von außen sich ansetzendenj Motten und sselbst wenns die edelsten Metalle , wären Jak. 5, s] der Rost ldes von innen her: « vorbrechenden Verderbens] fressen, Und da [wenig- Yftens , wenn man von Gold und Silber etwa sagen wollte, sie würden nicht vom Roß gefressen 86 Evangelium Matthäi s, 20-—24. die Diebe nachgraben nnd stehlen [ihr Vcsitz also ein sehr unsicherer, mit vieler Sorge und Verdruß verbundener ist]. 20. Sammelt ench aber kstatt solcher, dem Verderben oder dem Verlust unterworfener Schätze vielmehr] Schätze im Himmel, da sie [eben diese anderen Schätze, die ihr euch sammeln sollt] weder Motten noch Rost fressen, und da die Diebe nicht nachgrciben noch stehlen [denn der Himmel ist ein festes Schloß und die Schätze, die er in sich birgt, werden Von keiner Zerstörungsmacht, weder von außen noch von innen, bedroht]. 21. [Sind aber sie, diese Schätze im Himmel, das Theil, das euer Herz sich erwählt, so wird auch all euer Sinnen und Denken, all euer Thiin und Treiben himmlisch werden, dem Ziel eures Suchens und Verlangens entsprechend.] Denn wo euer Schatz istsdem ihr nachtrachtet], da ist auch euer Herz smct allen seinen Neigungen und Be- strebungen, und nimmt dies Herz nun selber die Natur und das Wesen der Güter an, die es mit seiner Liebe umfaßt Luk. 12, 33 f. - es gilt das in Beziehung auf beide Arten von Gütern, in Be: ziehung auf die des Himmels sowohl, wie in Be: ziehung auf die der Erde] Was für ein angemessener« Luxus in alter Zeit in Kleidern getrieben wurde, dazu ist ein Belag, was Horaz in Epkx I., 6. 43 f. erzählt; aber auch die höchst eitle KönFin Elisabeth von England (reg. von 1558— 1603 n. hr.) hinterließ in ihrer Garderobe 3000 ver- schiedene Anztigr. Verboten ist nun hier vom HErrn nicht der Besitz von Reichthümerm nicht das Annehmen derselbeii,.werin sie uns nach Gottes Schickung zufallen; wohl aber das Sammeln, d. i. das stete Streben dar- nach, wo man sich die Vermehrung des Besitzes zum angelegentlichsten Geschäft, zum höchsten Ziel, zur Haupt- sache macht (Ps. 62, 11). Dieses gierige Sammeln ist unchristlich; es ist nicht blos Thorheit, weil die Schätze nichts Festes , sicher Bleibendes sind , vielmehr durch Natur und Menschengewalt bald entrissen werden können, es verräth auch einen profanen, schmutzigen Sinn und schließt Empfängliches für Göttliches, Begeisterung für etwas Edles aus. Eine heilige Geistesgabe ist dabei nicht denkbar; der Geiz ist der» Rost, der alles edlere Gefühl wegfrißn Es gehört indessen zu den Räthseln des menschlichen Herzens, irdische Schätze zu seinem Gott zu machen, ja oft im Alter erst damit anzufangen, wo man auf die Abreise denken sollte. (Heubner.) Die Schätze , welche wir uns im Himmel sammeln sollen, bestehen nicht in den Geldsummeiy welche wir für wohl: thätige Zwecke angewendet oder zu Kirchenbauten ge- ftiftet haben; wäre dem so, würde es heißen: ,,Selig sind die Reichen, die viel der Art thun können; aber wehe euch Armut« Die himmlischen Schätze sind solche, die auch der ärmste Mensch sammeln kann, näm- lich Zunahme im Glauben, Hoffnung und Liebe, in An- dacht, in Erkenntnis; des HErrn und an Gaben des heil. Geistes. (Thiersch.) Ein Schatz von guten Werken, von Werken der Liebe sind ein Kapital, das im Himmel, deponirt ist, dort sicher steht und unermeßliche Zinsen trägt: der ist arm, der in dieser himmlischen Bank nichts stehen hat. (Heubner.) Wo dein höchstes Gut ist, das » Ziel deines Wollens , Suchens und Strebens, da ist l dein Verlangen, dein Sinnen, deine Neigung hingerichtet, dein hängst du an, da liebest und lebest du, da bist du mit dem Inneren deines Wesens eigentlicher als sonst irgendwo. llnd wie die Welt ist, wo du deinen Schatz, dein Gut, dein Ziel hast, wo du mit deinem Verlangen, deiner Lust und Neigung·bist, so wirst du selbst; das Geliebte und Gesnchte bildet dein inneres Wesen nach sich, und so wirst du irdisch, weun du irdischen Sorgen nachstrebst und anhängsh und himmlisch, wenn dein Schatz im Himmel ist. (Menke»n.) Wie die falsche Geistlichkeih von welcher der HErr in V. 1—18 geredet hat, von vornherein mit der falschen Weltlichkeit, auf welche ex— in unserm Abschnitt zu sprechen kommt, zuscimmenhängt tdas Wohlleben mit dem Fasten, die Habsucht und Herk- schaft mit den langen Gebeten, das Geizen mit dem Alrnosengebeny hat die Geschichte des Mittelcilters, der Kloster und·der Hierarchie hinlänglich aufgedeckt. Die Weltsucht in der Weltflucht ·ist der eigentlichste Cha- rakterzug in der monchifchen Hierarchie (P. Lange.) 22. sWie aber zur Erreichung der wahren Gerechtigkeit euer Herz die rechte Stellung einneh- men muß zu den Schätzen des Himmels und zu denen auf Erden, daß es sich jene, und nicht diese erwählt; so muß auch euer Auge, nämlich das des Geistes, die rechte Ansicht und Einsicht haben, daß es DIE DMge sieht, wie sie sind, und nach ihrem wahren Werthe beurtheilt Es verhält sich da auf geistigem Gebiet gerade so, wie auf dem leiblichen, vgl.·Luk. 11», 34——36]. Das Auge [im nächsten, leiblichen Sinne des Worts] ist des Leibes Licht soder sein Lichtwerkzeug, vermittels dessen er das von außen ihn umgebende Licht in sich aufnimmt und nun alles, was um und neben, über und unter ihm ist, wahrnimmtr wieviel kommt daher aiifdessen Veschaffenheit an!]. Wenn dein Auge einsaltig snatiirlich einfach oder unverdorben] ist [d.« i. gerade und recht sehend, nicht fehlend oder schielend]- so wird dein ganzer Leib licht sein fes ist dann, als ob der ganze Leib nur Auge oder nur Licht wäre; Hand und Fuß und alle Glieder hantiren und bewegen sich so sicher und richtig, daß sie nirgend anstoßen oder fehlgreisen]. « 23. Wenn aber dein Auge ein Schalk [wort- lich: böse] ist [d. i. fchielend oder doppelsichtig daß es die Gegenstände , die ihm entgegentretem nicht ganz, nicht in ihrer wahren Beschaffen- heit oder Gestalt, nicht in ihrer wirklichen Nähe oder Ferne, nicht in ihrer eigentlichen Größe oder Form, wohl» gar denselben Gegenstand zweimal siehet]·, so wird dein ganzer Leib sinster sein see hilft ihm dann das Licht von außen nicht, sondern all sein Thiin und Vornehmen richtet sich nach dem verkehrten Lichte, in welches das Auge ihm die Dinge gestellt hat, und wird selbst ein verkehrtes und verfehltes, »daß einer wohl neben der Brücke in’s Wasser und durch Hecken und Büsche in’s Feuer läuft«]. » Wenn aber sum hier die Anwen- dung vom Leiblichen auf’s Geistige zu machen] das Licht, das in dir ist [der seiner selbst bewußte Geist I. Cor. 2 , 11., die zu einer Leuchte dir von Gott gegebene Vernunft Sprtichm 20, 27., das Nur ein himmlisch gesinntes Herz und einfältiger; Auge erlangt die wahre Gerechtigkeit zur Unterscheidung von gut und böse befähigte Ge- Wisse« Rötw Z« 151- Finsternis ist [indem der gottverwandte Geist das Bewußtsein um seinen Ursprung und seine wahre Würde verloren hat, die Vernunft nicht vernehmen mag, was des Geistes Gottes ist, sondern von fleischlichen Eingebungen in ihrem Urtheil sich bestimmen läßt, und das Ge- wissen Böses gut und Gutes böse heißet]: wie groß wird dann die Finsterniß selber sdas von Natur so sinstere oder blinde Gebiet deiner Triebe und Neigungen, deiner Entschlüsse und Bestrebungen] fein [in das erst von jenem Lichte, das in dir ist, Licht gebracht werden sollte, das aber nnnnicht mehr blos ein sinsteres oder blindes bleibt, sondern durch das beirrende Blendlicht zu einem wiisten und verwirrten wird, wie das an dem pharifäischen Judenthum zu Tage tritt]! » . Die Verbindung mit dem Vorhergehenden ist nicht ganz einfach , wiewohl unverkennbar: das Suchen irdi- scher Schätze, das so sehr der inneren geistigen Natur des Menschen zuwider ist, setzt daher innere Unlauterkeit voraus. (Olshausen.) Die rechte Herzensftellung und die rechte Stellung des Auges stehen in Wechselwirkung: soll das Herz recht gestellt fein auf die hiinmlifchen Güter, muß das Auge recht gerichtet sein auf das Licht. (P. Lange.) Ohne Herzensreinheit ist nicht Gei- stesklarheit. (Braune.) Das Wort Einfalt, welches im gemeinen Sprachgebrauch insgemein in nachtheiligem Sinne vorkommt als Bezeichnung eines unerfahrenen, thörichteiy leichtgläubigen Wesens (vgl. Sir. l3, 10 f.), hat in der luther. Uebersetzung der heil. Schrift von Altersher eine edle Bedeutung; und zwar ist es der Gegensatz 1) aller Vielfältigkeit, Getheiltheit des Herzens und Sinnes, der Bcfangeuheit iu mancherlei Rücksichten auf dieses und jenes, der Zerfahrenheit in da- und dort- hin gehenden Neigungen; L) aller Zurückhaltung oder Verhüllung der wahren Gesinnung in dieser oder jener Ritcksicht oder Absicht, und bezeichnet Lauterkeit und Aufrichtigkeit. Von Gott gebraucht, zeigt es seine lau- tere Liebe, seinen lauteren Willen des sich Mittheilens an, in welchein er nur auf das Bedürfniß des nach seiner Gabe Verlangenden sieht, und nicht auf dieses und jenes, was er etwa verschuldet hat oder was als Mangel an Wiirdi keit betrachtet werden könnte (Jak. 1 , 5). Die Erfa rung solcher lauteren Gottesliebe in ihrem Geben und Vergehen erzeugt einen verwandten Sinn im empfangenden Menschen , eine Gesinnung , die flch erweist im einfältigen Mittheilen (Röm. 12, 8), welches ein ebenso demüthiges, alles Selbftruhms und Gesuchs des Lobes und Dankes oder Lohns sich begebendes ist, wie ein mildes und nach Vermögen, auch wohl über Vermögen freigebiges («.2.Cor.8,2; 9,11.13). Wie hierin die Richtung des Herzens allein auf Gott und Christus sich darstellt, so auch in der Auf- richtigkeit und Lauterkeit, welche anderwärts (2. Cor. 1, 125 1l , Z; Ephef 6, 5) durch Einfalt bezeichnet wird. (Kling.) Es giebt im Inneren einen Sinn für die Aufnahme des himmlischen Lichts, ganz ähnlich wie das leibliche Auge das Sinneswerkzeug für die Wahr- nehmung des natürlichen Lichtes ist; es giebt einen sol- chen Punkt im Inneren eines jeden Pienfchen , durch welchen das Licht der Wahrheit Eingang bei ihm finden soll. Es liegt im Gewissen, in der Fähigkeit, das Recht vom Unrecht, die Wahrheit von der Lüge zu un- terscheidenki Der Menfch kann zwar von fich selbst Gott nicht entdecken; aber kömmt ihm Gott entgegen, s 87 so schließt die zuvorkommende Gnade ein Auge im Menschen» auf, durch welches er ihr Licht aufnehmen kann, wie die Sonne durch ihre Einwirkung eine bis dahin nochrerschlofsene und nnscheinbare Knospe eröff- net. Jst dies geschehen, hat der Mensch einen Eindruck von»der Wahrheit, von dem Ernst und der Liebe Gottes eiupfangem so kommt alles darauf· an, daß der Menfch diesesinipendige Auge offen und rein erhalte; dann wird das göttliche Licht den ganzen Menschen durchdringen und seine Geisteskrafte, Wille, Verstand, Gefühl und Einbil- dungskraft werden durchleuchtet und in das Reich des Lichts eingeführt. Dazu gehört Einfalt und Entfchieden- heit, Hingebung und Streben ·nach dem Unvergänglichem Wenn dagegen der Menfch seine edelste Geisteskraft von Gott abwendet und stch in den Dienst der Richtigkeit und der» Sünde, in Widerspruch mit dem empfangenen Lichte hingiebt , so wird »fein inneres Auge ein Schalk, es fange· an, nach den Gotzen zu schielen; dadurch wird es verfinstert und unbrauchbar , endlich nimmt der Menfch nichts mehr vom gottlichen Lichte wahr, er will nichts mehr von Gott hören und in feinem ganzen Jn- neren nimmt die Finsternis; des Unglaubens und der Sünde überhand. Kein Verstand und Scharfsinn kann das verlorene Licht ersetzen; der Menfch geräth in die äußerstaFinsterniß des Götzendienftesfkk (Thierfch.) Halte dein Herz, dein Gemlith klar und rein; denn eigentlich ist alles finster, alle Triebe und Kräfte sind ohneLicht — es kommt, wie bei dem Auge, von oben. Verdirb nicht die Lichtnatur deines Geistes! (Braune.) «) Wär nicht das Auge sonnenhaft, wie könnt es je die Sonn erblicken? läg nicht in uns des Gottes eigne Kraft, wie könnt uns Göttliches entzückenkt (Göthe.) ,,Vernunft und alle Sinne gegeben hat.« (Auslegung des l. Artikels in Lutheus KatechismusJ —- ") Denke an das Exempel des Judas Jscharioth Evangelium am 15. Sonntage nach CrinikatisJ Aus der Rechtfertigung (vgl. die· Evangelien am 13. u. 14. Sonnt. nach Trinit.) wächst die Heiligung her- vor: wer durch Christi Blut so theuer erworben ist von Sünde, Tod und des Teufels Gewalt, der muß stch auch betrachten als ein Eigenthum des HErrn und ihin sein ganzes Leben zu beständigem Dienst und Gehorsam weihen, wer durch Christ: Stthnofer erlöst ist, deß gan- zes Leben muß fein heilig Dankopfer werden. Zur Hei- ligung aber gehort eine vollige Hingabe an Gott; das Hangen an der Welt und insbesondere die Sorge der Welt hindert uns» an der wahren Heiligung, darum gilt es vor allem , die Sorge zu verbannen , sie auf den HErrn zu werfen und alles Ernstes nach dem Reiche Gottes zu trachten. (Dieffenbach.) ·24. [.E·Oie Pharisäer» nnd Schriftgelehrten meinen freilich , daß sie sich Schätze sammeln auf Erden V. 19, schade ihnen an ihrer Seligkeit nichts; sie sammelten sich solche mit den guten Werken, die sie thäten V. L. H. 16, ja auch im Himmel V. 20. Das ist aber ein arger Selbst- betrug; gerade in diesem ihrem Wahne giebt sich die Doppelsichtigkeit ihres geistlichen Auges , durch die dann ihr ganzes geistliches Wesen in die ärgste Finsterniß gerathen ist» V. 22 f., zu erkennen] Niemand kann weien Herren idie nicht unter sich Ein Herz und ine Seele, und also im Grunde nur Ein Herr -sind, sondern ein jeder ein Herr für sich sein wollen und ganz verschiedene Gebiete be- herrschen, zu gleicher Zeit und mit gleicher Erge- 88 benheit] dienen [oielmehr, wer es versucht, mit solchem Dopveldienst, wird alsbald auch durch den Dienst selber zur festen, ausschließenden Eutschei- dung für den einen oder andern Herrn getrieben werden]. Entweder er wird einen Denjenigen, dem er von Haus aus mit seinem Herzen nicht zngethan war, den er aber äußerlich zufrieden stellen wollte, je mehr er fühlt, daß derselbe mit blos äußerlichem Dienst sich nicht zufrieden stellen läßt, desto mehr ikmerlichj hassen nnd den an- dern snach welchem die eigenttiche Neigung seines Herzens steht, mit immer krampfhafterer Begierde] lieben, oder wird einem [eben jenem ersten, zu dem gleich anfangs das Herz am ineisteti stch hingezogen fühlte, wenn er nun merkt, daß dieser ein gar freundlicher und lieber Herr ist und sein Dienst für sich allein schon Leben und volle Genüge gewährt, je länger, je mehr mit ganzem Geniüth und aus allen Kräften seiner Seele] anhangen und [nun] den andern lals EEIICU svlchttn der ihm nichts gewähren kann, was ihn wahrhaft be- friedigtd verachtem Ihr könnt [um es noch deutlicher zu sagen, welche zwei Herren ich bei diesem Gleichniß im Sinne habe] nicht Gott [mit der einen Hälfte eures Herzens] dienen und dem Mammon [mit der andern Hälfte, sondern das ganze Herz V. 21 muß sich entweder dem einen Herrn, Gott, oder dem andern, dem Mam- mon, zuwenden I. Kön. 18, 21; Luk. 16, I3]. Das Wort Mammon hat ursprünglich den Begriff: Vermögen, Gewinn, Lösegeld; und da nach Spriichm 10,15; 18, 11 die Habe, das Vermö en, der Reichthum Gegenstand des Vertrauens und der ist, so bildete sich im rabbinisckptalmudischen Sprach- gebrauch das Wort fiir den Begriff: ,,Neichthnm und Anhänglichkeit daran« aus. Diesen Ausdruck macht nun der HErr absichtlich durch Personifikation (Erhebung des darin liegenden Begriffs zu einer Person) Gotte gegen- über zu einem Götzennamett , um den Pharisäern , den Heuchlern scharf damit zuzurufem Jhr seid ja dennoch Götzendie1ier, ihr dienet einem Andern itebeu Gott — wollt ihr hören, wie er heißt? Mammon! und im Hintergrunde liegt der Wink auf den Fürsten und Gott dieser Welt, den im Reiz und Trug der Kreatur ver- steckten Abgotr 25. Darum [damit ihr im Gegensatz zu denen , die den einen dieser beiden Herren hasseu und den andern lieben, vielmehr solche seid, die einem anhangen und den andern verachten] sage ich euch [da dies Verachten keine so leichte Sache ist wegen der mannigfachen Bedürstigkeit im Irdi- schen, durch die der Mommoii den Schrin erweckt, ein Ldiensch könne und dürfe gar nicht anders, er müsse bis zu einem gewissen Maße ihm dienen]: Sorget nicht für euer Leben, was ihr szu dessen nothivendigem UNterhaltJ essen nnd trinken werdet; auch nicht für euern Leib, was ihr szu dessen nothwendiger Bekleidungj anziehen werdet. Ist nicht das Leben mehr, denn die » Speise? und der Leib mehr, denn die Klei- uversicht im Leben Evangelium Matthäi S, 25—-34. s Ring? [Der aber das Großen, Leib und Leben, « gegeben, wird es gewiß auch an dem Geringeren nicht fehlen lassen, an der Nahrung und Kleidung] 26. Sehet sauf das) ihr zunächti die Sorge um die Nahrung los werdet] die Vogel unter dem Himmel an: sie saen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht m die Scheuneu swie ihr Menschenkinder das thut und mit den eingesammelten Vorräthen schon Mittel und Unter- pfand eurer Ernährung in die Hände bekomint]; und euer himmlischer Vater nahret sie doch sobwohl er ihnen das Vermögen nicht verliehen, Vorsorge für diejenigen Zeiten zu treffen, wo dran: ßen nichts mehr wächsts Seid ihr denn nicht viel mehr, denn sie sals »die ihr ja seine Kinder und zum ewigen Leben berufen seid]? » 27. »Wer ist unter euch , der seiner Lange eme Elle zusetzen möge, ob er gleich darum sorgetY Bei diesem Verse fragt es sich znnächst, an was für eine Länge hier zu denken sei, ob an die der Leibes- größe (Luk. 19, Z; L, 52) oder an die der Lebensdauer? Luther hat, wie ans seiner Ilebersetziinsg in Luk. 12, 25 hervorgeht, an die erstere gedacht: »Ein sehr närrisch Ding wäre es, wenn ein klein Männlein sich in einen Winkel setzen und da sein Lebtag sorgen nnd gedenken wollte, wie er könnte größer werden; eben also, spricht Christus, thut die Welt, wenn sie sorgt, wie sie Geld und Gut könne zuwege bringen, es wird fiel) keiner reich sorgen, sondern liegt ganz nnd gar an dem , ob Gott seinen Segen gebe, und nicht am Sorgen« Da indessen eine Elle (3. Mos l9, 37 Anm.) schon ein sehr bedeutendes Maß für die Leibesgröße ist, nach Luk.12, 26 der HErr aber vielmehr etwas sehr Geringes mit der Elle bezeich- nen will, so haben wir wohl an die Lebensdauer zu denken, welche hier als eine Laufbahn von bestimmt be- messener Länge (Apostg.13, III; Z. Tini. 4, 7) vorgefteklt wird, und da ist eine Elle allerdings nur ein kleines Maß (Ps. 39, 6). Weiter aber fragt es sich, wie dieser Vers mit dem vorigen zusammenhängt. Nun, vorher hat der HErr uns erinnert: »Kann das Vöglein sein Sorgen lassen und hält sich in solchem Fa wie ein lebendiger Heiliger, und hat dennoch weder Acker noch Scheunem weder Kasten noch Keller, warum thun wir’s denn nicht auch, die wir ja den Vortheil haben, daß wir können arbeiten, das Feld bauen, die Früchte einsammeln, aufschütten und auf die Noth behalten?« Da aber er- hebt die Vernunft ihre Bedenken: Es können ja Miß- ernteri und Hungerjahre kommen , Feuer und Wasser, Krieg und andere Unglücksfälle können die Vorräthe vernichten, und nun sind wir doch im Gegentheil viel schlimiiier dran als die Vögel unter dem Himmel; wie manche Menschen, ja auch gottselige, find da schon um- gekommen im Elend und Mangel. Wider solche Ge- danken will der HErr uns schützen durch den andern: dann ist denen, die da umkommen, ihr iel eben von Gott gesetzt; das überschreitet keiner (Hio 14 , b) , ob er auch noch sehr darum sorget (vgl. P. Gerhard’s Lied: Du bist ein Mensch —- V. 2 u. 3). 28. Und warum forget ihr für die Klei- dung? Schauet die Lilien auf dem Felde swie z. B. die prächtigen Kaiserkronen Hohesl.2, 1], wie sie [auch» ohne von Menschenhand gepflegt zu i· zu werden, so frisch und fröhlich Von selbst] wachsen; Die völlige Hingabe an Gott verachtet die Schätze und Sorgen dieser Welt. g 89 sie arbeiten nicht [fich Flachs u. dgl. zu ihrer T Kleidung zu erbauen], auch spinnen sie nicht. 29. Ich sage euch, daß auch [der wegen feiner Pracht und Hoheit zum Sprichwort gewor- dene 1.»Kön. 10, 29 Anm.] Salomo in aller feiner Herrlichkeit [wenn er in feinem ganzen Herrscherglanz fich zeigte] , nicht [ so kitstlich und wunderbar schön] bekleidet gewesen ist, als derselbigen eins. Zu. So denn Gott das Gras aus dem Felde also kleidet, das doch heute stehet und morgen snachdem der oerfengende Ostwind in Einer Nacht es in dürres Heu verwandelt hat Jes.40, 7 Arm] in den [Back-1 Ofen geworfen wird; sollt er »das nicht viel mehr euch thun, o ihr Kleinglaubigen [die ihr mit euren Sorgen um die Kleidung V. 28 so wenig Vertrauen auf Gottes! Macht und Güte, auf seine väterliche Treue und weise Fürsorge beweifet]? Eil. Darum [weil ihr mit solchem Klein: glauben an Gott, eurem himmlischen Vater, euch oersündigq sollt ihr nicht sorgen und sagen: Was werden wir essen? was werden wir trinken? womit werden wir uns kleiden? 32. Nach solchem allen [was blos auf das zeitliche Leben und seine Bedürfnisse sich bezieht] trachten die Heiden [die weder von Gott etwas wissen I. Thcfs 4, i) noch für etwas anderes als die irdische Gegenwart leben Ephef L, 12; ihr aber, als Kinder Gottes und Erben des ewigen Lebens, braucht euch um dergleichen gar keine for: genden Gedanken zu machens Denn euer himm- lischer Vater weiß, daß ihr deß alles bediirfet fund wird es wahrlich an der Versorgung seiner Kinder nicht fehlen lassen]. 33. Trachtet am ersten fbevor ihr um irgend etwas Anderes euch bekümmert] nach dem Reich Gottes sdesselben theilhaftig zu werden] nnd nach seiner snämlich Gottes] Gerechtigkeit [wie ich sie in Kuh. 5, 20 — S, 18 euch dar- gelegt habe, während ihr in B. 9—15 gelernt habt, wie ihr das Reich Gottes auf euch herab beten follt]; so wird euch solches alles fwas das irdische Leben und seine Bediirfnisse betrifft V. 31, als eine Zugabe zu dem, was ihr mit jenem ersten Trachten erlanget, von selbst] zufallen [1. Kön. Z, is; Pf. 37, 4 f. und also ein wei- teres Trachten gar nicht erst nöthig sein] Wie hängt das zusammen? Ganz tiatürlichl Denn die nach dem Reiche Gottes (und seiner Gerechtigkeit) trachten, sind keine pflichtvergeffetien Leute, träge, liider- liche, üppige, verfchwenderifchm lügenhafre Leute, sondern wahrhaftige, ehrliche, einfache, keusche, mäßige, fleißige Menschen; und die es nicht sind, werden es, sobald das Reich Gottes ihr Trachten wird. Dazu kommt das und bleibt nicht aus: die es ihm zeigen, wie Werth sie ihn halten , denen zeigt er wieder , wie werth er sie ! hält, und läßt ihren Dienst nicht unbelohnt, wie es in Pf. 37, 25 heißt: Jch bin jung gewesen und alt gewor- den, aber ich habe noch nie gesehen den Gerechten ver- lassen oder seinen Samen nach Brod gehen. (Cl.Harms.) Wie der große Alexander, als er den Feldzu nach Indien antrat, all fein iiberfliifsiges Heergeräthe ver- brennen ließ, fo will ich alle nnnöthige viele Sorge dieses Lebens mehr und mehr von mir thun und mich zu dein einigen Nöthigeii (Luk. 10, 42) halten. tArnos Comeniush Viele kehren das Wort des HErrn um und lesen es also: Trachtet ain ersten nach dein Mant- mon und nach seiner Herrlichkeit, so wird euch das Reich Gottes von selbst zufallen. Das ist die vornehmste Lcbensregel der Welt, so treibt sie es nnd darnach wird , ihr auch gelehnt; das heißt die Sorgen pflanzen, aber nicht ausranfeiy das heißt sie begießen, aber-nicht ver- brennen. (Miinkel.) 34. Darum [weil seiner Zeit euch wirklich zufällt, wes; ihr bei-tiefer] sorget nicht fur den andern SNorgeu swo das alles herkommen soll, das euch an dein, mit diesem Morgen beginnendeti neuen Tage nöthig sein wird]; denn der mor- gende Tag wird fur das Seine sorgen fwird seine Noth und Plage Von selbst bringen, auch ohne daß dn heute schon im Geiste sie durchmachfh und wird zugleich feine Gotteshilfe von selber brin- gen, auch ohne daß du heute schon weißt, wie nnd woher] Es ist [bei dem ohnedies schon müh- seligen und befchiverlicheu Stande eures ErdeUIebensJ genug, daß ein jeder Tag seine eigene Plage habe fund ladet ihr damit, daß ihr noch die Plage des folgenden Tages mit eurem Sorgen hinzuneh- inet, euch mehr auf, als ihr zu tragen im Stande seid]. Für den gegenwärtigen Tag wird am wenigsten gesorgt; fast alle Sorge geht auf das Künftigh nnd die Sorge um das , was noch nicht da ist, vernichtet oft viel Gutes , Erfreuliches , Dankenswerthes , das da ist, hemmt die Wirksamkeit fiir das Gegenwärtige und ver- bittert den Genuß, den das Gegenwärtige dar-bietet. (Menken.) Die Kinder Gottes und die armen Leute leben, wie man sagt, aus der Hand in den Mund; sie haben immer gerade soviel, als sie für den Augenblick bedürfen, nicht mehr und nicht weniger, sie stehen immer wie auf Kiindigiing Lege denn deinen ganzen Glauben, deine ganze Liebe, deine ganze Treue in das Werk des heutigen Tages; laß dein ganzes Erdenleben ein neues, fleißiges, im Glauben erfülltes Heute fein, und warte still, bis morgen kommt. (Mtillensiefen.) Daß uns auf- gelegt ist, im Schweiß unsers Angesichts uns zu nähren, und wir täglich müssen inancherlei Jammer, Unsall, Widerstand, Hinderniß und Gefahr sehen und warten, folch Leid leide nnd nimm es an mit Freuden, laß es aber auch dabei bleiben; denn du haft damit genug zu tragen. Was willst du über den heutigen Ta sorgen nnd zweier Tage Unglück auf dich nehmen? asfe es bei dem bleiben, das dir der heutige Tag auflegt, da- mit du nichst des Ungliicks nur mehrund schwerer machst, denn es an ihm selbst schon ist. (Luther.) Das «7. Kapitel. Von etlichen Hindemisfen der Seligkeit. E. v.1——12. wenn inamhe Jlnglrger schon in dem vorigtii Abschnitte (D) den Jnsammetchatcg mit dem, wag m A—(J vorausgeht, vcriuißten und nichts weiter 90 Evangelium Matthäi 7, 1——6. als eine planlose Znsammenreihnng größerer und klei- nerer Kusspriietze des tjErrn darin fanden, so wissen sie noch viel weniger an unsrer Stelle in die Folgerichtig- keit des Gedanlienganges sieh zu finden; wir werden aber sehen, daß Christi Rede ganz sachgemäß weiter geht, denn »auf die zwei Gegensätze: Uicht wie die Pliarisiieri auch tiicht wie die Heiden! folgtzjetzt noch ein dritter: endlich auch icieljt wie Solche incmer Hunger, welche nnlauter nnd unvollkommen, statt das eigene Trachten nach der Gerechtigkeit innerlich fortzuführen nnd darnach allein ihr dierhalten nach aussen zu regeln, wieder mit dliitlifall in’s Pharisaerthum die Andern nn- gelisirig richten oder ungehdrig bekehren wollen W. 1—6). Sind wir nun durch Elsristi Worte niedergesehlageic nnd mskytkn fast nerzweifelnd fragen: woher soll nng Jlruien solche vollkommene Demuth nnd Weisheit der Liebe kommen, daß wir zwischen dem Fehlen zur dtechten und Linken, zwischen dem Splitterrielzten und Segenaiisschiitteiy im Iiingerkreis nnd in der bijsen Welt den schmalen reihten Weg treffen? so richtet niis der HErr alsbald wieder frenndlich auf und zeigt uns den offenen Weg zum hohen Ziel sit. 7—»11). Finhaltendes Gebet wird endlich sicher jeden Anfänger im ernstlichen Fortgange zur vollen Gerechtigkeit und Weisheit fuhren«, und stellt hierauf der HGrr am Schluß die einfachste Suimna des Gesetzes der Vollkommenheit in Bezug auf den tlachsten in einem kurzen Satze auf w. 12). l. Richtet nicht [wenii ihr nun für euch selbst einen Anfang gemacht habt mit der wahren Gerechtigkeii, Andere, die noch weit hinter eiich zu: rückzustehen scheinen, wegen ihrer Fehler und Ge- brechen, indem ihr in dem Bewußtsein eigener Vorirefflichkeit Rom. 15, 1 mit absprechendem Urtheil oder verdammendem Ausspriich über sie herfallet] , auf daß ihr nicht [wie dereinst gewiß geschehen würde, wenn ihr nicht diesenige Liebe ge- übet hättet, die da ist langmüthig und freundlich &c. 1. Cor. 13, 4——7] gerichtet werdet-« · Z. Denn mit welcherlei Gerichte ihr [den Nächsten] richtet [ob mit unbarmherzigem, uner- träglichem, oder mit einem solchen, wie die barm- herzige, tragende, schonende Liebe es an die Hand giebt], werdet ihr gerichtet werden lJae »2, 13]; und mit welcherlei Maß ihr sdem MitbriiderJ mesfet [ob mit dem Vollmaß äußerer Gesetzesstrenge und wohl gar mit dem Uebermaß eigenmächtiger Vergrößerungssuchh oder aber mit dem Nachlaß leut- » seliger Geduld nnd mit dem Vorschub sanftmtithu gen Zurechthelfens Gal. 6, l f.] wird euch sund zwar schon in diesem Leben] gemesseii werden. it) Das Urtheilen über das sittliche Thun des Näch- sten ist dem Christen durchaus nicht verwehrt, ist viel- mehr ein nothwendiger Ausdruck des sittlichen Bewußt- seins überhaupt; er kann das Gemeine nicht edel, die Lüge nicht Wahrheit nennen , und er darf nnd soll die Geister prüfen und unterscheiden , als der geistliche Merisch das Uugeistliche , Ungöttliche unterscheiden und abweisen (1. Cor. 2, 15; U, 10; I. Thess 5, 21; I. Joh. 4- l« 2 zu fällen, und die Apostel solche Rüge üben, auchliber Abwesende (Matth.18, 15 ff.; 1. Cor.H,12f.; Philipp. 2, 21; B, Z. 18 f.), so muß auch dem einzelnen Christen , . J. 10)-; und wenn die christliche «» Gemeinde das Recht und die Pflicht hat, ein strafendes ; Urtheil über den unsittlichen Lebenswandel des Einzelnen «« ein solches sittliche Urtheil zu stehen. Aber dies ist ein Ausfluß der Liebe, nicht des Hasses gegen die Person und der hochmiithigen Selbsttjberhebung wie es bei den Juden der Fall war (Röm. Z, 17 ff.); der Christ freuet sich nicht über des Andern Fehler im Gefühl pharisäiss scher Selbstgerechtigkeit, sondern er trägt Leid über des Nächften Sünde; er will retten, nicht zunichte machen, gleichwie Christus oft gerade da die sittlicher: Schwächeii des Menschen rügt, wo er ihm liebend hilft (Kap. 8, k-6: Joh 4, 48). Das christliche Urtheilen hütet sich wohl vor dem vermeintlichen Vollbriugen der göttlichen Rache, denn des Christenthums Geist ist der der Gna- denniilde (Luk. Si, 54 ff.); es enthält immer auch ein demüthiges Sichselbstanklagen ob der eigenen Mitschuld und der eigenen Schwäche und Sünde (Tit. Z, 2 f.; Gal. S, 1), und des Bruders Fehl fordert immer auf zur rechter Einkehr in sich selbst, zur Wachsamkeit gegen das eigene Herz, damit wir Ieicht auch versucht werden. (Wuttke.) Ein berühmter weiser Mann pflegte zu sagen: Sooft ich an meinen( Nächsten einen Fehler entdecke, sehe ich an mir selber dafür zwei; und ein an- derer frommer Mann sprach: er könne an keinem Ge- fängniß vorüber-gehen , ohne daß ihm das Herz klopfe, weil er wohl wisse, daß er auch in seinem Herzen die Wurzel zu allem Bösen und zu jeglichem Verbrechen ich trage. 3. Was siehest du aber sder du Andere richtest, während du an dir selbst Gefallen hast] den Splitter in deines Berti-ers» Auge, nnd wirst nicht gewahr des Balkens in deinem singe? Einen Balken nennt der Heiland deine eigenen Fehler, weil sie meist größer 11och und gröber sind, als die, welche du an deinem Nächsten siehst, weil sie dir jeden- falls, der du sie ja in der nächsten Nähe siehst und an dir selber trägst, viel größer und gröber erscheinen müssen, als die Fehler deines Nächsten, die du nur aus der Ferne siehst und dein du nicht irc’s Herz sehen kannst. (Gerok.) Da der Unterfchied eines Splitters und eines Balkens nur in der Größe besteht, so kann man als den Sinn dieses Gleichnisses nur den ansehen, daß wir von demselben Fehler , den wir am Bruder richten, in der Regel in einen1 viel höheren Grade be- haftet seien, als er, daß wir gerade gegen die Fehler, die wir uns selbst am ineifteii vorzuwerfen haben, am heftigsten eiferu, wo Andere sie begehen. Wie geht das zu? So geht es zu, daß die ftrafende, warnende Stimme Gottes sich an uns richtet, wir aber umgeben uns mit dem harten Panzer der Eigensucht , und an dieser prallt nun jedes Wort ab, wie das Wort, das du der Felswand znrufst, von ihr nicht vernommen, fon- dern weiter gegeben wird. Wie das , was zu der Wand gesprochen wird, an ihr sich bricht und laut einem Andern in’s Ohr ruft, der vielleicht entfernt steht, so ge- schieht es nur zu oft, daß an unserm Starrsinn sich Gottes Zuruf bricht und diese gebrochenen Gewissens- bisse dann hinftröinen als Strafreden aus unserm Munde, um so lauter, je lauter sie waren und je härter der Fels, a11f den sie stießen. (Erdmaiin.) Die Eigen- liebe ist wie ein Vergrößerungsglasz voii der einen Seite hindurchgesehen vergrößert es alles, nämlich an Andern; von der andern verkleinert es, nämlich gegen uns selbst. (Heubner.) Das machte in früheren Jahr- hunderten der Kirche einmal ein Abt in der Wtiste (denn auch dort unter den Einsiedler-u war das wechselseitige Belauern eingerissen) feinen Leuten sehr anfchaulichsp Ei: ging nämlich zwischen den Hütten umher , den Rücken mit einem schweren Sack voll Sand beladen, in der Hand ein leichtes Körbchen vor fich her tragend , das nur einen kleinen Haufen Sand enthielt; gefragt, zu Wir sollen Andere weder ungehörig richten, noch sie in verkehrtem Eifer bekehren wollen. 9l welchem Zweck er so einherginge, erwiederte er: Dieser Sack mit der schweren Last stellt meine Sünden vor, und weil sie zahlreich und groß sind , habe ich sie über den Rücken geworfen, damit ich sie nicht ansehen und darüber trauern dürfe; das bischen Sand hier im Korbe stellt die Sünden meines Bruders vor, Und ich trage sie vor meinen Augen, damit ich mich fleißig da- mit beschäftige, meinen Bruder zu richten, und mit"die- sem heilsamen Geschäft nicht aus der Uebung komme. (Arndt.) 4. Oder wie darfst du sdein selbstgerechtes Richten damit entschuldigend, daß du ja nichts Anderes bezweckest, als sie zu bessern und zu be- kehren] sagen zu deinem Bruder: Halt, ich will dir denSplitter aus deinem Auge ziehen? und siehe, ein Valke svon dem eben deine Selbstgefäl- ligkeit und Eigenliebe nichts merkt oder absichtlich nichts merken will, obwohl er bemerkbar genug sich macht] ist in deinem Auge! Z. Du Heuchler [ein solcher bist du ja in der That, weil du einerseits den Balken im eigenen Auge nicht sehen magst und andrerseits deine rich- tende Lieblosigkeit in das Gewand eines mitleidigen Eifers, dem Andern zurecht zu helfen, kleidest], zench am ersten den Balken aus deinem Auge sdurch Ablegung deiner eigenen, groben und offenkundigen Fehler]; darnach [wenn du an dir selber als ge- schickten Augenarzt dich solltest bewährt haben] be- siehe, lvie du [mit derjenigen Behutsamkeit und Vorsichh die zu solch heiligem Werk erforderlich ist] den Splitter aus deines Bruders Auge ziehest [wie du aber jetzt die Sache angreifst, das ist ein grobes Zufahren mit der Faust, welches das Uebel nur ärger macht Luk. 6, 37 fs.]. Du sagst: Jch meitUs ja gut; ich will ja meinen Nächsten nur besser machen , indem ich ihn tadele. Ei, du frommes Herz, du besorgte Seele , das ist ja eine große Liebe! Meinst Du’s denn immer so gut mit deinem Nächstem daß du zuerst an ihn denkst und dann an dich selber? Wenws brennt, hilfst du dann anch zuerst deinem Nachbar retten, während dein eigenes Haus in Flammen steht? wenn ein Hagelwetter am Himmel steht in der Ernte, spannst du dann anch deine Rosse für des Nachbars Garben ein, während die dei- nen noch auf dem Felde liegen? wenn Unkraut und Ungeziefer überhand nimmt, sänberst du dann zuerst deines Nachbars Garten und läßt den deinen zerfressen? Nein, gelt, da heißt-J: Jeder ist sich selbst der Nächstel Da heißt’s: zuerst komm ich, und dann noch einmal ich, und dann, wenn’s reicht, vielleicht anch noch ein Andererl Da ist die Nächstenliebe nicht so groß nnd die Sorge ftir den Bruder nicht so wichtig. Nun, wie du’s im Leiblichen machst, und doch nicht machen sollst, so sollst du’s im Geistlichen niachenx da kehre zuerst vor deiner Thtir, nnd dann denk an des Nachbars Thürx da säu- bere zuerst deinen Herzensgarten, und dann denk an das Unkraut in deines Bruders Herzen; da wehre zuerst dem Sündenseuer im eigenen Inneren, und dann siehe, wie du’s beim Bruder löschest (Gerok.) S. [So ernstlich aber um eures eigenen Chri- sienstandes willen ich auf der einen Seite euch warnen mußte: Richter nicht V. 1fs., so nachdrück- lich muß ich anch auf der andern Seite für eure Wirksamkeit als Menschensischer Kap. 4, 19 darauf dringen, daß ihr einen Unterschied macht unter denen , mit welchen ihr zu thun habt, ob sie’s werth sind oder nicht, daß ihr ihnen die göttlichen Heilswahrheiteii mittheilt Kap. 10, 11sf.]. Jhr sollt [also, um in einem Gleichniß auf recht be- zeichnende Weise eure Pflicht zur weisen Schonung des Göttlichen den Menschen gegenüber euch nahe zu legen] das Heiliglhum [der christlicheii Wahrheit] nicht den Hunden geben [durch Mittheiluiig an noch nngeweihte , uneinpfängliche Seelen], und« eure Perlen sollt ihr nicht vor die Saue werfen sindem ihr eure tiefsten Erkenntnisse und seligsten Erfah- rniigen etwa auch vor solchen aussprcchen wolltet, die ganz in die Geineinheit eines gottloseii und unsittlictsen Lebens versunken sind], auf daß fie [die Säue] dieselbigeii seure Perlen, die nun ein- mal keine Nahrung für sie sind] nicht snachdem sie dieselben angeschnuppert und gar bald gemerkt haben, daß ihnen damit nicht gegeben ist, was sie begehren, als Erbsen, Bohnen u. dgl., aus Wnth wegen der getäuschten Erwartung] zertreten mit ihren Fnßen und Darauf] sich wenden soon den zertreteneii Perlen weg zu denen hin , von denen sie sich betrogen wähnen] iind euch zerreißen. Es ist hier vom rechten Stolze eines Jüngers Christi die Rede, nachdem vorhin der falsche geistliche Stolz besprochen worden; und wie der HErr vorher die liebevolle Schonung des noch schwachen und zurückstehen- den Nächsten zur Pflicht gemacht, so verlangt er nun- mehr von den Seinen eine weise, nmsichtige Schonung dessen, was Gottes ist. »Hier wendet sich der HErr von den Brüdern, die man ermahnen kaiin und soll (je liebreich zarter, desto wirkfamer), zu den Hunden und Säuen (denn es giebt nun einmal solche unter den Menschen), welche das Wort der sanften Liebe nur von sich stoßen: die soll man für’s Erste schelten und biindi- gen, wo man Macht und Beruf dazu von oben empfängt, nicht aber gleich das Evangelium vor sie hinschittteiy wie das zu thun mit übel angebrachter Predigt eben- falls ein Fehler, insonderheit der Neubekehrten ist. (Stier.) Bei augenscheinlich abgestumpfteii und für das eilige unempfänglichen Seelen, die damit» nur ihr espött treiben, darf der Christ nicht rücksichtslos und unvor- sichtig die nur für gesammelte und ernstgestimmte Seelen zugänglichen Heilswahrheiten darlegen, sondern muß erst darauf hinzuwirken suchen, daß jene zum Bewußtsein ihrer Versunkenheit kommen. Christus giebt in seiner Lehrweisheit selbst das Vorbild: den Juden lehrt er nieist nur in Gleichnissen , oft so , daß sie seine Worte nicht unmittelbar und sofort verstehen konnten, um ihnen vorläufig einen Stachel in die Seele zu drücken, sie an- zuregen, sie aufmerksam zu machen ans eine ihnen jetzt noch nicht zu ängliche Wahrheit (Kap. 13, 11); er ver- schweigt woh vorläufig , was er weiß, selbst bei seinen Jüngern, weil diese noch nicht hinlänglich vorbereitet waren (Joh. 4, 167 IS, 12. 25; Luk. 24, 15 sf.), und verweigert bestimmte Antwort, wo die Fragenden nicht fähig waren , sie zu fassen« nnd zu würdigen: Kap. 27, »1»2. la; Joh. 8, II; 18, 20’f.; 19, 9. (Wuttke.) Wer offentlich aufzutreten hat mit den Heiligthümerii des Evangeliums und in amtlichen Reden die Perlen des Chrcstenthums sehen läßt, dawider ist sonderlich keiner, man läßt ihn stehen und reden; hingegen in den Häu- 92 fern, im gesellschaftlichen Umgange, da mag iich die Sache wohl etwas anders darstellen, da die gegebene Lehre des HErrn ihre Anwendung finden. Höret denn, meine Lieben: Unter welchen Vienscheii ihr wisset, man wird nicht loben , sondern lüstern, und wo ihr wißt, man wird eher fluchen als segnete, wo ihr wißt, man wird eher noch weiter abgewendet, als man fiel) auf eure Aeußes rungen zuwendet —- unter diesen Menschen, daselbst sei auih das Schweigen verstattet und das Ver-bergen er- , laubt. Fragt ihr mich, in welchem EVBaßP so antworte ich: allerdings bis zur Vikrleugiiuiig nicht, bis zu einer solchen Gleichsielliing in Wort und That nicht, daß man die Ijlieinung fasset, ihr seid eben so ungläubig, wie sie sind, nein! bis soweit nimmermehr. Genau! wie weit denn? O ich weiß das genaue Maß nicht. Seid nicht feig, aber braucht Verstand; und wo der nicht aus-reicht, da thut, wie Christus seinen Jüngern heißt: Bittet, so wird euch gegeben, so wird’s euch zu wissen gegeben. (C. HarinsJ Ueber: »den Hunden geben« s. zu Luk. l6,2l. 7. euch gegeben ssGeister zu unterscheiden nnd zu rechter Zeit zu schweigen nnd vorsichtiglich zu wan- delnsz suchet sda , wo Gott seine Heilsschätze für euch itiederkxelegthath so werdet ihr finden; klopfet an san der Himmelsthiity wenn dieselbe verschlossen scheiiit], so wird euch anfgethan Mk. 11, 9——13]. 8. Denn sschon im gemeinen Leben bewährt sichs als Erfahrungsthatsaclieq wer da bitter, der empfcihetz und roer da surhet, der findet; und wer da anklopft dem wird aufgethan fwogegscn ein fol- cher, der nicht bitten mag, auch nichts» empfängt, und einer, der zu bequem zum Suchen ist, auch nicht findet, uns. ein Andrer, der vor der Thiir wieder umkehrt, siatt sich zu inelden, auch nicht hereiugelasfeii wird]. J. Welcher ist nun unter euch Menschen kein so Unnatürlichen heimtiickischer Vater], so ihn sein Seht; bittet um Brod, der ihm einen Stein iete.- 10. Oder so er ihn bitiet um einen Fisch, der ihm eine Schlange biete? H. So denn ihr, die ihr doch [im Vergleich mit Gott einer so gut wie der andere] arg seid, könnct dennoch euren Kindern gute Gaben geben straft des natiirlictzen Vatergefühls, trotz der euch anbängeirceii Argheih es ermöglichh euern Kindern das zu verleihen, was ihnen nöthig und gut ist]; wie viel mehr wird euer Vater im Himmel [von dem in b. Nios 32, 4 es heißt: Treu ist Gott, nnd kein Böses an ihm, gerecht und fromm ist er], Gutes [insonderheit aber seinen heil. Geist Lukx 11, 131 geben denen, die ihn bitten! Man hätte denken mögen, die Aufforderung zum Gebet und die Vrrheißung , daß das Gebet werde er- hört werden, wäre fchicklicher an dasjenige angeknüpft worden, was der HErr im vorhergehenden Kapitel von der Noth und Sorge des irdischen Lebens redete. Nun hat zwar der HErr im Vorhergehenden schon den Sei- Bittet sden himmlischen Vater um die i . . - , , - z« Vollkommenheit gelangen; aber der HErr sagt nicht nur: zjsxlbkäkltfxe ticsesisxetcibenfgvklivsikkg ; »b1ttet, so werdet ihr nehmen ,« sondern anch: ,,suehet, - « s - » auf an, daß man sich an den rechten Ort wende , wo Evangelium Matthäi 7 , 7——»- I2. l nen die Bitte in den Mund gelegt: unser täglich Brod gieb uns heute! und darin alles Bedürfniß des irdischen Lebens zusatrnnengefafztx er hat anch der Sorge den Glauben, das kiudliche Vertrauen, den kindlicheu Blick auf Gott, der gewiß ist, daß der Vater im Himmel es ihm iticht werde fehlen lassen, entgegensetzt, und dieser Glaube ist nicht ohne kindliches Bitten. Da er aber nicht an jener Stelle, nicht in jener Verbindung von dem Gebete redet, an dieser Stelle aber nnd in dieser Eiäerbindung so ausdriicklich davon redet, so scheint es, er habe die Lehre vom Gebet nicht so gern mit den Be- dürfnissen des irdischen und zeiilichen Lebens, als mit den Bedürfnissen nnd Angelegenheiten des geistlichen und ewigen Lebens in Verbindung bringen wollen. (Menken.) Der HErr bezeichuet uns drei Stufen des Wegs, den wir zn gehen haben; das Gebet ist das Erste und Nothwendigste, aber nicht das Einzige, was uns vorgezeichiiet wird, damit wir himmlische Güter er- langen. Es giebt Christen, welche meinen, jeder Ein- zelne könne für sich durch Gebet alles erreichen und zur so werdet ihr finden« Beim Suchen kömmt alles dar- die Sache zu finden ist. Gilt es, himmlische Güter zu finden, so kann uns nur Gott den rechten Ort bezeich- . neu; und dies hat er gethan, denn er hat uns auf seine « Ordnungen hingewiesen, nämlich auf das Amt, das er ; geftiftet hat, und auf die heil. Sacramente — da sollen wir die Güter des Himmelreichs suchen, da werden wir sie finden. Als Cornelius, der Hauptmann (-?lpostg. 10, l ff.) , so anhaltend betete, erschien ihm ein Engel und sprach: ,,Sende nach Joppe und laß den Petrus holen, der wird dir sagen, was dn thuu sollst;« der Engel vom Himmel predigte nicht und tauste nicht, aber er verwies den gläubige-i Beter auf das Aint der Versöhnung, das Gott in der Kirche aufgerichtet hat. Was thuu also die, welche dafür halten, jeder könne für sich in feinem Kiimmerlein oder in einer willkürlich fich zufammen- findenden Gemeinschaft von Brüdern durch Gebet alles empfangen, welche die Kirche und die Sacramente für etwas Aeußerliches und Unwesentliches ansehen und bei Seite liegen lassen? Sie gehen an der Stelle vorüber, wo der HErr alle Gnade niedergelegt hat; sie beten, aber sie suchen nicht, und dadnrch kommen sie nicht zum » iel. jAndere Clsristeii finden wir, welche fich streng an die kirchlichen Ordnungen halten, aber das Gebet des Herzens nicht üben; aber auch damit ist es nicht gethan, wenn nian sucht, aber nicht betet. Das Gebet ist das Erste und Nothivendigstæ erstickt der innere Lebenshauch fo wird alles Thun des Pienschen leblos werden. (Thiersih.) I» Das ,,Anklopfen« bezeichnet das Beharren, auch wenn die Gewährung versagt scheint. (Tholuck.) Das thut Gott darum , das; er dich treibt, nicht allein schlecht zu bitten, sondern anzuklopfen, daß er dich will versuchen, ob dn könnest festhalten, und dich lehren, daß darum dein Gebet nicht unangenehm noch unerhört ist, ob er gleich verzeucht nnd dich oft läßt suchen nnd klo- pfen. (Luther.) O, ein guter HErr, der oft nicht giebt, was wir wollen, um uns zitzutheilen, was wir noch lieber möchten! J So geschah? mit meiner Mutter Month: was waus , was sie mit so vielen Thräneii von dir bat, mein Gott? nur dies, daß du mich nicht möchtest (nach Rom) schiffen lassen! Aber du, viel besser forgend nnd den eigentlichen Kernpunkt ihrer Bitte ihr erhörend , kiimmerteft dich nicht um um das , was sie damals bat, auf daß du an mir thätest, um was sie beständig bat. (Augustin.) Christen, die ihr als an dem Hause vor-übergegangen seid, an der Thür still gestanden seid, da ihr wußten es sei darinnen: habt ihr auch an- Anhaltendes Gebet führt zur oollen Gerechtigkeit und Weisheit. eklopft? Die Klopfer an den Hausthüren vermindern Ziel) in unsrer Stadt, wie ich vor Jahren schon einmal gesagt habe; das Haus Gottes aber, darin alle Heilig- thttmer liegen und alle Perlen zu erhalten sind, das hat seinen Klopfer behalten — das Gebet. Faßt aii, hebet aiif: ihr thut’s nicht vergeblich! (Cl.Harnis.) Ein be- harrliches, begründetes oder berechtigte-Z und rechtes Streben führt in der mannigfachsten Weise zum Ziel, selbst bei den Mens eben; also gewiß auch das Streben des Betendeu nach den: Reiche Gottes. Dies ist zunächst gewiß aus der Natur des Strebens; sodann aber auch ans dem Wesen des Angerufenem Kein Vater, so schlecht er als SNensch sein möchte, wird der Bitte seines Kin- des dergleichen Tiicken gegentibersetzen , daß er statt Brod oder Fisch ihm Stein oder Schlange gäbe. Das Bild setzt nicht den Gegensatz des Erhörens und des puren Eltichterhörens, sondern den Gegensatz eines wah- ren nnd eines täuschenden Erhörens (P. Lange.) Uns thörichteii Kindern dünkt freilich oft ein Stein zu sein, «» was Leib und Seel gesünder ist als das beste Brod; ein Schlangengift, was unserm Herzen die edelsle Arze- nei ist: Sprüchnx 20, 14. (Württeinb. Summ.) Wenn aus dem kindlichen Verhältnis; des Menschen zu Gott folgt, daß er nicht dem, welcher um Brod bitter, einen Stein geben werde, so ist auch auf das Umgekehrte zu schließen , daß er nicht dein einen Stein geben werde, der um einen Stein bitter, St. Lukas in Kap U, 12 hat auch noch den Gegensatz» von dem Ei und Skorpion (auch hier, wie bei Brod —- Steiu, Fisch — Schlange, eine gewisse äußere Aehnlichkeit, wenn man an den zu- sammengezogenen Skorpion denkt) , was dem Augustin zu der sinnreichen Ausdeutnng Veranlassung giebt: der Fisch, d. i. der Glaube in den Meereswillen dieses ebens , das Brod die nährende Kraft der Liebe , das Ei die die Zukunft vorausnehmende gläubige Hoffnung. («choluck.) Mit der auszeichnenden Anrede der Kinder Gottes steht aber im schärfsten Gegensatz das unaus- denklich bedeutsame: »die ihr doch arg feid,« welches die bittenden Gotteskinder ihrer Natur nach ganz unter die Menschen insgemein setzt und diesen mitten in der lieblichsten Huld einschneidend bezeugt , daß sie an sich arg und karg seien, also jede natürliche Güte und Liebe nur ein Widerspruch des Vorhandenein wenigstens zwei- deutigen Triebes mit der jetzigen verderbten Menschen- natur, keine lichte, gute Liebe. Dies Wort scheint mir der stärkste Beweisspruch für die Erbfljiide (und zwar als Voraussetzung, die gar 1iicht erst für sich zu lehren und behaupten sei: 1. Köln 8 , 46) in der ganzen heil. Schrift, und zugleich einer der stärksten für die über- menschliche Würde des HErrn (Joh. s, 23 f.), der so redet, dem ganzen Menscheiigeschlecht gegenüber sich ans- nehmend: Jhr seid arg! (Stier.) 12. Alles nun [um das von Kap. Z, 17 an Gesagte, soweit es eure Pflicht gegen den Nächsten betrifft, schließlich noch in ein kurzes, leicht behalt- bares Wort und in eine einfache, leicht faßbare Regel zusammen zu fassen] , das ihr [etwa oder irgendwie] wollet , daß euch die Leute [esj thun sollen, das thut ihr ihnen sdas Plas- eures Begeh- rens an sie zum Maßstab eurer Pflichten gegen dieselbe rauchend, auch: Las. s, Zljz das ist Hei: nem Hauptinhalte nach] das Gefetz und [das, was] dle Propheten [zur Auslegung des Gesetzes bezeugt haben, denn es kommt aus dasselbe hinaus mit dem Wort: Du sollst deinen Nächsten lieben als dich selbst Kap. 22, 39 f.; Röm. 13, 8——10]. f! ll 93 Mit diesen Worten beschließt er nun seine Lehren, in diesen 3 Kapiteln gethan , und faßt sie alle in ein klein Bitndeleiik darin inan’s gar finden inöge und ein jeglicher in seinen Busen stecken und wohl behalten könne. Und ist sicherlich fein gemacht, daß Christus also stellen daß er kein ander Exempel setzt, denn uns selbst; damit legt er sein Gebot uns also nahe, daß er’s nicht näher legen könnte, d. i. in miser Herz, Leib und Leben nnd alle unsre Gliedmaßen, daß niemand weit darnach laufen darf, sondern du selbst deine Bibel, Tilieistey Doctor und Brediger bist. Da weiset er dich hin, daß " dii es nur ansehest, so wirst du finden, wie das Buch geht durch alle deine Werke, Worte, Gedanken, Herz, Leib und Seele; du kannst· nirgend hin sehen, da dir’s nicht unter Augen stolze, denn du hast so inancheii Pre- diger, so manchen Handel, Waare, tjandzeug nnd andere Bereitschaft (Wage, Elle, Maß 2c.) in deinem Haus und Hofe. Das schreit allzumal über deinen Hals: Lieber, handle init mir also gegen deinen äliächsteip wie du wolltest, daß dein Nächster gegen dir handeln sollte mit seinem Gut. Zum Andern will uns hier Christus selbst zu Zeugen setzen und machen, daß wir uns selbst scheuen sollen, daß, wenn wir Unrecht handeln, bald das Gewissen mit diesein Gebot wider uns steht als ein ewiger Zeuge und spricht: Siehe, was thust du? das sollst du so theuer geben nach gleichem Kauf; so setzest du soviel drüber — wenins ein Andrer thäte, so hießest dihihn einen Dieb und Schalk. Also müssen wir vor uns selbst sihamroth werden( Und das das Beste in dem Spruche- ist, spricht er nicht: Andere Leute solleirs auch thun; sondern: Ihr sollt es andern Leuten thun. Denn. das hat ein jeglicher gerne daß ein Auderer ihm recht thut. Etliche aber sagen: Ich wollte zwar auch gerne thun, was ich sollte, wenn andere Leute zuvor gegen mir thaten. Aber dieser Spruch heißt also: Du sollst ansahen und der Erste sein, willst du , daß dir’s andere Leute thun; oder wollen sie nicht, so thue du es gleichwohl. Wer fromm will sein, der muß sieh nicht an andrer Leute Exempel kehren. So magst du denn andere Leute durch dein Exempel bewegen, daß» sie dir wieder Gutes thun, auch die, so dir zuvor Böses gethan haben; wo du es aber selbst nicht thust, so hast du zu Lohn, daß auch niemand gegen dir thue , uiid geschieht dir auch recbt vor Gott niid den Leuten. (»Liither.) Den eine11 Theil dieses Spriiches wissen wir so gut, daß wir ihn niemals außer Acht lassen, den andern aber lassen wir dergestalt außer Acht, als ob wir gänzlich nichts von ihm wüßten; deiin was wir von Andern uns ge- than wünschen , wissen wir aufs Beste, was aber wir selbst Andern thun sollen, wissen wir nicht. (Salvianus.) F· V. l3——27. Uaclxdein der HErr seine Predigt non der wahren Gerechtigkeit, die tin Gegensatz zu der Ge- selzcgansiösiing der phnrifiiisctseii Grreojtiglicit die Er— fiilliing drg Gesetzes in der Liebe Gottes und des Mich— stcu ist, zum Tit-justus; gebracht hat Mino. 5,17—7,12), richtet er nunmehr an seine Sliingcr die Aufforderung, angziitretrn aus aller Grinrinschaft mit dein pharisiiisttirii Wiesen, dient) die enge Pforte der Llrinuth iiu Geist: nnd aller jener ljerzcnnziistciiidk non denen cr ini Eingang seiner Rede Rad. Z, 3 ff) gchiindrlh cinzntrrtrii in sein Rein) nnd den schmalen Weg christliitjer Gerkrtstiglicit zu wandeln, wir kr ihnen vor die Ztiigcii gcnialt worden ist; Iic würden durch solche Eutsctscidiiiig siir ihn und durch solchen Wandel auf seinem Weg: ihre Seele cr- rctten 1ii1d zum Erben hiiidnrchdringcik wiibrenddic große Masse der Anhänger drg pharisiiisrtjcii Jiidcnthiimg rtnrm geschichllicheit Verderben tiitgegcngiiigk in dem dag ewige Verderben sein Abbild tiat(V.13 n.14). Aber freiltrlk nickt) in seinen: Reiche hienieden wird 94 Evangelium Matthäi 7, 13-L-19. ihnen die Gefahr der Seelenverführung durch falscheo prophetenthiim wie das, dem sie durch Verlassung pha- risäisclier Satzungen entgangen sind, aufs dleue entge- gentreten (V. 15———90), und zu dieser Gefahr einer von außen kommenden Vorführung gesellt sich die der Phari- säisctieii Grundrichtuiig der; eigenen natürlichen Herzens, welches niir gar zu gern den bloßen Lippen überläßt, wovon es selber ganz und gar durchdrungen und erfüllt sein sollte, nnd nur gar zu leicht mit dem bloßen Schein guter Werke sich beguiigt, statt die Kraft derselben wirk- lich in sich zu tragen Ob. 21—23). Indem Christus seinen Jüngern ein ,,Sehet eitel) vor l« nach beiden Seiten hin 3uruft, läßt er nunmehr das erhabene Sthlußwort der ganzen Bergpredigt folgen, welches der iithorheiy womit so Viele iii Sachen der Seligkeit sich selbst betrü- gen, die üliigheit der Gerechten gegenübersteht, die daø tjaug auf einen Felsen bauet. II. Gehet ein szu Gottes Reiche und zum ewigen Leben Katz. 19, 17; Z. Petri l, II] durch die enge Pforte« sdie ich in dieser meiner Rede euch aiifgethan habe; und da laßt es euch nicht irren, wenn die Herzensrichtung und die Lebens- beschaffenheiy die ich von den Meinen fordere, eine so ganz andere ist als die, zu welcher die Pharisäer und Schriftgelehrten ihre Jünger anleiten, auch die große Menge nicht mit euch auf dem Wege gehen mag, zu welchem schon die Eingangspforte eine so enge ist]. Denn die Pforte ist weit, und der Weg ist breit, der zur Verdammniß ab- ftthret sdas ewige Verderben, welches den Gegen- satz zum ewigen Leben bildet, hat ja vor diesem den äußeren Vortheil voraus, daß der Weg dahin ein vielseitiger und bequemer ist, wo man nicht äxkgstlich Acht zu haben braucht auf jeden Schritt und Tritt, sondern aiisbiegen kann zur Rechten und zur Linken und sich einrichten, wie man gerade will, und daß zugleich am Eingang dieses· Wegs eine Pforte steht, die hoch und weit genug ist, um den Menschen in der ganzen Breite seiner alten Natur voll Lust und Begierde, voll Leidenschaft und Verkehrtheit hindurchzulasseiy so daß er sich nicht zu bücken und zu drücken braucht, auch nichts ab- zulegen und hinter sich zu lassen nöthig hat]; und ihrer sind [darum auch] viel, die darauf wandelt! sursprünglich hatte Luther —»— obwohl auch die jetzige Uebersetziing sprachlich znlassig ist— doch richtiger übersetzt: die da, nämlich durch diese weite Pforte, durch gehen» indem sie die Grundsätze der Pharisäer und Schriftgelehrteii gern annehmen, um des bequemen Weges willen , der dahinter sich ihnen öffnet] « · . 14. Und [wie steht es nun im Vergleich hier: mit dagegen mit meiner Schule nnd mit meiner Jüngerschaft, die euch freilich auch dem gerade ent- gegengesetzten Ziel entgegenbringt? Siehe] die Pforte ist enge, nnd der Weg ist schmal, der zum Leben fuhretzrtr nnd wenig ist ihrer, die ihn [den zum Leben fuhrenden Weg] finden «]- [weil er eben ein schmaler ist und die Pforte dazu eine enge Apostg. 14, 2 f.] «) Wie kommt es, daß die Pforte so enge ist, durch die wir eindringen müssen, um das ewige Leben zu er- langen? Der Btensch möchte gern so vieles mitnehmen, er möchte das ganze Gefolge seiner Sünden, oder wenn dies nicht, doch wenigstens einige , die ihm besonders au’s Herz gewachsen sind, in das Himmelreich mitneh- men. Aber hieniit beladen kann er nicht durch die Pforte, ja wenn sein Herz auch nur an einer einzigen Slinde wissentlich festhält, so ist die Pforte zu en ; mit einem solchen Auswuchs behaftet kann der Mens nicht hinein, er muß alles, was er als Sünde und Ueber- tretung erkannt hat, verabscheuen und von sich werfen. Wenn es aber nicht die Sünde ist, die der Mensch durch die Pforte mit hereinbriiigen will, so schleppt er sich mit etwas Andereni, was ihm ebenso den Eingang unmög- lich macht, und das ist das Vertrauen auf seine eigene Gerechtigkeit; er hat Wohlgefallen an sich selber, er ge- denket dessen, das; er nicht so fchlimm ist wie andere Leute , er erinnert sich gern , daß er schon etwas für Gott gethan oder aufgeopfert hat, und indem er seine Tugenden vor sich herträgtz findet er die Pforte viel zu eng, denn es ist die Pforte der Buße. Wer da hinein- gehen will, muß sich selbst richten, ganz gering in seinen eigenen Augen werden und als ein armer Staub sich deniüthigen, um die Vergebung der Sünden, die Kind- schaft und das ewige Leben als ein Geschenk der gött- lichen Barmherzigkeit zu empfangen. (Thiersch.) M) Alles, was des Menschen Natur nnd Willkür dictirt, das ist eine weite Pforte und ein breiter Weg, hinfiihrend iiUs Verderben, sollte es auch täuschend das Ansehen haben, viel enger und schmaler, härter und schwerer zu sein als das, was die Wahrheit von dem Menfchen fordert. Die mühseligsten Wallfahrten nach Jerusalem und Rom sind Lust- und Spaziergänge, die strengsten Fasten köstliche Schmausereien nnd die härte- sten Kasteiuugen süße Liebkosungen für den alten Men- fchen, wenn er selbst es also, als das Wesen der Heilig- keit oder als Weg zum Himmel erwählt oder verordnet hat und bei und unter dem allen sein Wesen und Leben, seinen irdischen, fleischlichen, zornigen, stolzen Sinn be- halten kaun. Wie vielmehr ist es so bei dem Wesen der Moral, die , ohne sonderliche Aufopferung zu fordern, nur ein wenig an dem Aeußern polirtl (Menken.) Hier kann jeder bleiben, wie er ist von Natur, und be- halten, was er hat; hier ist nichts zu verleugnen, nichts abzulegen; hier kann der Mensch all’ feinen Stolz, seine Eigenliebe, seinen Neid, seinen Haß, seine Schooßsitndem seine Neigungen und Laster beibehalten und mitnehmen: die Pforte ist hoch und weit genug, daß er mit den: allen hindurch kann. Breit ist hier alles: breit der Glaube , breit die Moral, breit das Gewissen , breit die ganze Denk-s und Handlung-weise. (Arndt.) sitt) Luther hat’s gut gemeint und richtig verstanden nach Unsrer Sprache, wenn er dasselbe Wort in der Ur- sprache das eine Mal durch ,,führet«, das andere Mal durch ,,abführet« wieder gegeben hat; denn so sprechen wir, wenu’s zum Richter und vomRichter geht, wenn überhaupt es zum Schlimmen geht»- -f) Es stehen zwei Städte oder Stätten einander gegenüber: aus der einen geht man aus, in die andere soll man eingehen. Die Stadt des Ausgangs ist die alte Welt, über welche das Gericht kommt; die Stadt des Eingangs ist das Him- melreich, die neue Reichs-ordnung, in die sich die Seelen hineinretten sollen. Nach dem Gerichte aber , welches der HErr vorhin dem Pharisäerthum geweissagt (V. l ff.) , scheint sich das alte Jerusalem selbst darzu- bieten zum Bilde der Stadt, von welcher ein Ausgang bevorsteht; aber der Ausgang ist ein zwiefachen Es ift ein enges Pförtchen da, die christliche Gerechtigkeit, ein schmaler Weg, die sieben Seligkeiten, und Wenige sind, Einladung zu Christi Reich und zum-Wandeln auf seinem ØFeggesspWarnung vor falschen-Propheten. 95 die darauf eingehen zum Leben; es ist aber auch eine breite Pforte da, die pharisäische Gesetzesauflösuug, eins breiter Weg, der Zug des äußeren Judaismus Und die meisten stürzen sich auf diesem Wege hinaus in das namenlose geschichtliche Verderben der jüdischen Nation. «" Alles das aber ist die konkrete (gleichsam leibhaftig und greisbar gewordene) Erscheinung des Gegensatzes über- haupt zwischen den Kindern des Lichts und den Kindern der Finsternis; und ihrer verschiedenen Richtung (P. Lange) Evangelium am 8. Sonntage kiach Crinitatigh Haben wir unsre Sünde und die Unmöglichkeit, durch eigne Gerechtigkeit selig zu werden, erkannt (Ev. am G. Sonnt. n. Tritt) und uns zu Christo hinweisen lassen (Ev. am 7. Sonnt.), so ist es nicht genug, nur HErri HErrl zu ihm z11 sagen: das Evangelium in Uebereinstimmung mit der Epistel lehrt uns , daß wir nun auch durch den Geist des Fleisches Geschäste tödten und heilige Frucht bringen müssen. An der Frucht er- kennt man den Baum, die guten Früchte sind des Glaubens Zeugnis; und Beweis; der HErr fordert sie besonders von seinen Dienern, aber auch von allen an- dern Christen. Es thut recht noth, daß wir darüber erleuchtet sind, wie unser Glaube ein lebendiger, fruchtbringender sein muß. (Dieffenbach.) II. Sehet [aber, wenn ihr nun wirkiich eingegangen seid durch die enge Pforte V. 13, um darnach auch den schmalen Weg zu finden V. 14 und beharrlicls darauf zu wandeln] ench vor vor den falschen Propheten kniitten in der Christenheih mögen sie nun dem Staude der verordneten Diener der Kirche und der angestellten Lehrer der Religion angehören, oder aus dem Volke selbst zu Führern für Andere in größeren oder kleineren Kreisen sich erheben. Und zwar meine ich unter falschen Propheten alle diejenigen Verkiindiger und Ausleger meines Worts] die in Schafskleidern zu ench kommen [im Allgemeinen schon in ein Gewand sich hiillend, als ob sie zu den Schafen zneines Stalles gehörten, also rechte Christen wären, im Befonderen aber noch die Natur der Schafe erheuchelnd, indem sie ganz sanft und mild austreten und sich für die edelsten Menschenfreunde und tvohlmeinendsten Seelsorger ausgeben, dicht selten sogar noch ausdrücklich einen rauhen Ptantel anziehend, wie zu ihrer Zeit die gewaltigsien Pro- pheten gethan haben, die das: ,,Gehet ans von ihr, mein Volk!« Offenb. is, 4 gleich mit ihrer äußeren Erscheinung zu predigen berufen waren Z. Kein. 1 , 8 Anm.]; inwendig aber [mit alle dem, was unter solchen Schafskleidern verborgen ist , mit dem , was sie eigentlich wollen, gleichviel ob ihnen selber bewußtoder nicht, und was sie auch wirklich erreichen] sind sie reißende Wölfe [die, nachdem sie unter trügerischem Schein in den Schafstall eingebrochen, darin rauben und morden und die von ihnen berückten Herzen zu Grunde richten Apostg 20, 29 ff.]. 16. An ihren Früchten ldie irgendwie dem Auge schon vorliegen, oder doch von einem ein- fältigen Auge, wie die Meinen es haben sollen Kap. 6, 22., sich leicht voraussehen lassen] sollt : ihr sie lfiir das, was sie ihrem wahren Wesen nach sind] erkennen fund ench nicht durch die trügerifche Aussenseite berücken lassen, daß ihr um deretwilien sie für rechte Propheten ansehen und ihnen zufallen wolltet. Es sind ja doch nur gute Früchte, um die es ench bei Annahme eines Pro- pheten zu thun sein kann, daß ihr von feinem Wort und Werk, von seiner Lehre und feinem Vorbild für eure Seele habt Nahrung und För- derung zum ewigen Leben, Trost und Erquickung fürs zeitliche Leben. Wenn denn darum es ench ernstlich zu thun ist, werdet ihr gar bald merken, ob ihr einem Lehrer und Führer in göttlichen Dingen euch anvertrauen dürfet oder nicht] Kann man auch lsüße und erquickende Wein-] Trauben lesen von den Dornen, oder klabende und nährende] Feigen von den Disteln? lNimmermehrl sondern was etwa der Stechdorn trägt, sind doch nur kleine schwarze Beeren , äußerlich denen der Weintraube ähnlich, aber von bitterem Geschmack und ungenießbar; und ob auch der zur Klasse der Disteln zählende Opuntien-Caetus ein der Feige ähnliches Gewächs hervorbringt, geht doch niemand zu ihm, sich wirkliche Feigen zu holen]. 17. Also [wie in Beziehung auf diese Frucht- arten, verhält es sich auch mit allen andern:] ein jeglicher guter Baum lder seiner ganzen Natur uach auf das Tragen edler, schmackhafter nnd heil- samer Früchte angelegt ist] bringet sauch solche, nämlich] gute Früchte; aber ein fauler Baum fder die gegentheilige Natur hat, daß seine Frucht nicht taugen soll zur Nahrung und Erquickung für den Menschen, vielleicht gar ihm schadet, wenn er sie dennoch genießt] bringet arge Früchte svor denen man, wenn sie schaden, sich in Acht nimmt, andernfalls aber achtlos vorübergeht Kap. 12, 33]. 18. fund diese Regel: wie der Baum, so die Fruchn gilt so sehr als unwandelbares Naturgesetz, daß menschliche Kunst und Pflege, wieviel sie auch sonst ausrichtet, doch hierin uichts zu ändern ver: mag.] Ein guter Baum [in dem bereits an- gegebenen Sinne] kann nicht arge Früchte » fvon der ebenfalls schon beschriebenen Beschaffenheit] bringen, und [uxngekehrt] ein fauler Baum kann nicht gute Früchte bringen. 19. Ein jeglicher Baum [von der letztereic Art nun] der lschon von Haus aus] nicht gute Früchte bringet ldesgleicheti ein solcher, der da abgestorben und unfruchtbar geworden ist Kap. 3, 10; Joh. 15, D. 6], wird abgehauen und ins Feuer geworfen sdaß er wenigstens mit seinem Holz nütze, da er mit seiner Frucht nichts nützet]. 20. Darum [weil das in V. 17 u. 18 er- wähnte Naturgesetz auch im Reiche der Geister seine Geltung hat, habe ich vorhin V. 16 in Beziehung 96 auf die falschen Propheten gesagt, und sage jetzt, nachdem ich in V. 19 auch das, diesen bevor- stehende schwere Gericht angedeutet habe, in das ihr doch gewiß nicht ebenfalls verwickelt werden wollt, mit desto siärkeretn Nachdruck noch ein1nal:] an ihren Fruchten sollt ihr sie erkennen fund werdet demgemäß auch im Stande sein, euch vor ihnen vorzusehen, daß sie mit ihren Schafs- kleiserii eiich nicht betrügen V. 15]. Bei dieser so ernsten und uachdriicklichen Warnung Christi vor den falscheii Propheten ist es von der höch- sten Wichtigkeit, daß wir das Merkmal, woran« wir sie erkennen sollen, richtig verstehen lernen, um darnach im praktischen Leben die Geister prüfen zn können, ob sie aus Gott sind , da ja zu allen Zeiten der Hkirche viele falsche Propheten ausgehen in die Welt (l. Joh. 4, l) , die es recht wohl wissen, daß sie nicht als das, was sie sind, als reißende Wölfe kommen dürfen, sonst würden die Schafe der Heerde Christi vor ihnen fliehen und die Hirten und Wächter der Heerde leichter fie ab- wehren können; aber eben weil sie in Schafskleidern kommen, werden sie oft mit Freuden« auf- und ange- nommen und können dann arge Verwüstungen anrichten. Nun muß es unzweifelhaft ein untrügliches Merkmal sein, das der HErr mit den Worten bezeichnet: ,,an ihren Früchten sollt ihr sie erkennen ,« wie er denn auf eine nähere Begründung der Untriiglichkeit dieses Merk- mals ausdrlicklich sich etnläßr Da · niöchten wir nun freilich auch wissen, was er unter ,,ih·ren Früchten« ge- meint, habe; denn das Wort ist so vieldeutig und viel- seitig , daß die Ausleger in ihren Ansichten gar sehr auseinandergehen und man schließlich , wenn man die verschiedenen Meinungen gehört hat, noch weniger sich Rath weiß als vorher. Jn der Regel hört oder liest man da die Deutung: »die Früchte der falschen Pro- pheten sind ihre bösen Werke, ihr schlechter Lebe1is- wandel, indem gewiß nach irgend einer Seite hin zum Vorscheiu kommen wird, daß, wer die lautere und reine Lehre des Wortes Gottes nicht hat, auch nicht heilig als ein Kind Gottes in dieser Welt lebt« Darin liegt nun zwar etwas Wahres, indessen würde ein nach dieser Regel angelegter Maßstab doch im höchsten Maße ein trügerifcher sein; denn nicht nur kann ein Jrrlehrer äußerlich sehr wohl einen ehrbaren, sittlich reinen nnd für Andere in mancher Hinsicht beschäinendeu Lebens- wandel führen, sondern auch unigekehrt hat schon man- cher eifrige Vertheidiger des rechten und wahren Glau- bens gewissen Lastern gefröhnt, oder ist wenigstens von den Widersachern seiner Lehre mit solchem Schein der Wahrheit verdächtigt und verläumdet worden, daß es gar übel stehen würde, wenn nun jedermann das Reiht hätte, mit feiner Person auch sein Bekenntniß zu ver- w.erfen. Es liegt solcher Deutung offenbar die Voraus- setzung zu Grunde, daß in dem Gleichniß V. 17 f. der ,,faule« Baum ein solcher sei, der durch Brand und z äulniß rnorsch und unfähig geworden, noch ferner gute rüchte zu bringen, wie er vordem sie gebracht; aber, so fragen wir billig , sind denn das die falschen Pro- pheten, vor denen Christus hier warnen ·will , die im Geist angefangen und dann im Fleisch geendigt haben? hat man nicht vielmehr für sie zu beten, daß ihr Glaube nicht aufhöre, statt ihren Glauben als Jrrlehre zu mei- den? Und wenn denn allerdings ein fauler Baum in diesem Sinne um des Aergernisses willen, das er an- richtet, mag abgehauen werden, so sind und bleiben doch die vielleicht anfangs gebracht und die nun Andere nach ihm zu bringen berufen werden, nur gute und heilsame; Früchte, die zu bringen er bestimmt war, die er, Evangelium Matthäi 7, 20--23. ,,arge« Früchte im eigentlichen Sinne des Worts kann überhaupt ein ,,faulichter« Baum nicht bringen, sondern blos geringe, verkümmern. Jst dagegen ein ,,fauler« Baum in seinem Bereiche das , was in ihrem Bereiche die ,,faulen Fische« in Kap. 13 , 48 sind lnänilich nicht etwa abgestorbene und in Fäulniß übergehende Fische, sondern alles unreine Seegethier, das man nicht brau- chen kann) - so stehet ein solcher· auf gleicher Stufe mit dem Dorn- und Distelstraiich in V. l6, ja dieser ist selber schon aus der Klasse der faulen Bäume oder derer, die ihrer ganzen Natur und Anlage nach keine edeln, geuießbaren Früchte zu bringen vermögen, ge- nornmein Falsche Propheten nun stehen um der falschen Lehre willen, die sie aufbringen und verbreiten, mit dem unedlen , wilden , von Haus aus dem Wegwerfen und dem Untergang geweihten Gezücht in der Thier- und Pflanzenwelt auf gleicher Stufe; ihre, aus dem unlau- teren und widerchristlich gesinnten Herzensgrunde ent- sprungene Lehre ist, wie eben gesagt, das, was ihnen solche Gezüchts-Natur verleiht, aber sie ist nicht, wie andere Ausleger annehmen , einerlei mit den Früchten, die sie tragen. Diese Früchte sind vielmehr die Wir- kungen, diesie bei denen hervorbringen , welche ihre Lehre annehmen; und haben wir nun schon in der Er- klärung darauf hingewiesen , wie es für einen Christen, der ein aufrichtiges Herz, ein einfältiges Auge und einen nur einigermaßen geübten Sinn hat, keineswegs schwer ist zu entdecken, was die praktischen Resultate, die von selbst sich ergebenden Folgen gewisser Lehren sind, auch noch ehe sie offen an den Tag treten. Jeder Lehrer und seine Lehre, sagt Menken ganz richtig, steht wissentlich oder unwisseutlich unter dem mächtigeren oder schwächei ren, guten oder bösen Einfluß des llnsichtbarenz er und seine Lehre hängt entfernter oder näher , in größerer oder geringerer Bedeutung mit der unsichtbaren Welt des Lichts und des Lebens oder niit der der Finsternis? und des Verderbens zusammen. Je inniger nun eine Lehre mit der unsichtbaren Welt znsammenhärigh je un· mittelbarer von dorther sie ist, je tiefer ihre Wurzel und Quelle dort liegt, je reicher der Einfluß aus dem Unsichtbaren, unter welchem sie in die Welt gebracht ist und in der Welt erhalten und verbreitet wird, desto be- deutender, wirksamer, mächtiger, unwiderstehlicher ist fie, im Guten oder im Bösen, Wahrheit zu fördern oder Lüge: sonst hätte es mit aller Lehre und mit allen Lehreru für oder wider die Wahrheit nicht viel zu sa en; und darum steht auch oft für ,,Lehrer« das tiefere ort ,,Prophet« und für »Lehre« das andere: ,,Weisfagung,« nnd darum ist Furcht vor Täuschung und Erniahnung zur Vorsichtigkeit und Prüfung so nothwendig und nützs lich. Gleichwie nun, so sagen wir selber jetzt weiter, die aufrichiigen und einfältigen Herzen so geschwiud Christum fiårs einen Lehrer von Gott gekommen erkannten, weil sie die gute Frucht seiner Lehre an ihrem Herzen spürten (V. 28 f.: Joh. Z, Z; 6 , 68 s.), also merken und verstehen es solche Herzen gar bald, wohin die mit dem Reiche der Finsterniß zusammenhängenden Jrrlehs ren der falschen Propheten führen müssen; sie suchen Trauben, Feigen und gesunde Vaumfrüchte, und wessen Herzensbedtirfniß wirklich nach solcher Nahrung steht, der hat auch sozusagen einen natürlichen Instinkt, nicht zu einem Dorn- oder Distelstrauch oder zu einem faulen Baum mit seinem Gesuch sich zu verlaufen, er weiß im Voraus , daß er da nur gestochen und verwundet und bitter getäuscht würde, und braucht nicht erst durch die Erfahrung gewitzigt zu werden. Wenn Luther die Früchte ebenfalls theils von den Werken , theils von der Lehre versteht, so kommt er doch rücksichtlich des Sinnes, in dem er das versteht, denjenigen Gedanken, die wir hier· ausgesprochen haben, sehr nahe. » Zu der von außen kommendeu Verführung gesellt sich die Verderbniß des eignen Herzens. 97 21. [Wie aber vor den salschen Propheten, so follt ihr mit noch mehr Fleiß euch vorsehen vor dem eigenen falschen Herzen, daß auch das um die Seligkeit euch nicht betriigez denn als der, der da verordnet ist von Gott ein Richter der Lebendigen und der Todten Apostg 10 , 42., bezeuge ich:] Es werden [dereinst, wenn nun alle vor meinem Richtstuhl dargestellt werden Röm. 14, 10] nicht alle , die [hier, im Reiche der Gnaden] zu mir sagen: HErr, HGrrl sund also für ihren Herrn und Meister, für ihren Mittler und Ver- söhnety für ihren Machthaber und Gebieter I. Cor. 1 , 10 mit den Lippen mich bekennen , sollte es auch mit einem gewissen Eifer, in scheinbarer Begeisterung und mit noch so entschiedenem Nach- druck geschehen] in das Himmelreich sdas droben ist Kot» s, 11] kommen, sondern sallein die von meinen Bekennern Philipp. L, 11] die [in dem Bekenntniß der Lippen einen ungefärbten Glau- ben 1. Tim. I, 5; 2. T. l, 5 damit an den Tag legen, daß fie meinem Wort und Vorbild ge- mäß] den Willen thun meines Vaters im Himmel [Joh. 15, 8; New. 10, 10; Jak. 1, 22. 25]. Wir sehen es alle Tage, daß zwar vor falschen Propheten gewarnt wird , daß aber die Warnung den- noch bei sehr Vielen vergeblich ist; der Haufen, welcher den falschen Propheten anhängt, ist oftmals größer als der Haufen der wahren Jtinger Christi, und so viele Gerichte Gott auch über die falschen Propheten kommen läßt und so manchen faulen Baum er abhaut und in « das Feuer« wirft, es stehen immer neue Ltigenpropheten aus und die Welt hän t ihnen an. Woran liegt das? Man sagt wohl: die elt will betrogen sein; und das Wort ist wahr, denn es steht geschrieben (Ps. 4 , 3): Wie habt ihr das Eitele so lieb und die Lügen so gerne! Der Mensg hat von Natur mehr Neigung zur Lüge als zur «ahrheit; darum sagt auch Micha (2, 11): Wenn ich ein Jrrgeist wäre und ein Lügenpredigey und p»redigte,·wie ste sausen und schwelgen sollten, das wäre ein Predzger für dies Volk! und das Volk spricht zu den Prop eten (Jes. 30, 10 f.): Prediget uns sanft, schauet uns Täuscherei te. So ist die Welt zu allen Zeiten gewesen, und so ist sie noch. Deshalb habe ein jeder Acht auf sich selbst, und wer sich vorsehen will vor den falschen Propheten, der sehe sich zuerst vor vor sich selbst: die Natur des falschen Propheten ist uns allen ungeboren, und wenn wir auch keine falschen Propheten werden, so »sind wir doch von seinem Gebltit und von seinem Gebein. Dies recht zu erkennen, das ist der nothwendige Anfang der Vorsicht; wer aber zu dieser Erkenntnis; noch nicht gekommen ist, bei dem wird alle Warnung vergebens sein, er wird ganz wohlgemuth rühmen, daß essmit ihm keine Noth haben soll, wäh- rend der Wolf feine Zähne schon in sein Fleisch geschlagen hat» (Miinkel.) »Nicht alle, die HErr, HErr sagen zu Christo, werden iiss Himmelreich kommen« Geberdet man sich doch mit diesem Wort weit und breit nicht anders, als wenn Jesus gesagt hätte: sNennt mich oder nennt mich nicht, nennt mich, wie ihr wollt, aber durch- aus nicht· HErr, HErrl sonst kommt ihr nicht in’s Himmklreiiix denn das« HErrsHErwSagen verschließt euch die Thtirz dagegen, wer nach Vernunft und Ge- wissen handelt, dem steht die Himmelsthür offen. Jsks D Siehst! W Bibtltvctb nicht an dem, daß man sich also vernehmen läßt? und, wenn ein Vernunstgläubiger sonst den Mund nicht auf- zuthun weiß, daß er beredt wird nach seiner Art, wenn er diejenigen schilt, welche HErr, HErri sagen? Bleiben wir doch dabei und sagen: Christus hat’s zur Bedin- gung unsrer Seligkeit gemacht, daß wir’s sagen; denn die Ausnahme, die er macht, spricht die Regel aus. Werden nicht alle selig, die ihn ihren HErrn nennen, so ist doch wenigstens das HErr-HErr-Sagen kein Hin- derniß der Seligkeit, so werden doch einige, die es thun, selig. Gebricht nun aber dem Worte in dieser Fassung etwas an Schärfe, wir wetzen es an andern Worten (Joh. M, S; 8, 24; 5, 23; Matth. 10, 32; Mark. 16, 16), ziehen es nur einmal hin und her über Röm 10, 9 f. —— was bedarf es mehr, um unserm Spruch die volle Schärse zu geben? Also: die Regel ist das, diejenigen werden selik welche HErr, HErrl sagen. Freilich das Wort ,,H rr-HErr« soll es nicht fein, wenn das nur ausgefprochen wird; das ist auf den Lippen nichts weiter, als wenn ein deutsch Redender die Wörter Kyrie (griechisch, s. v. a. HErr), Adonai (hebräisch, s. v. a. HErr) spräche. Christus hat solchen Mißverstand vorhergesehen und Fürsorge getroffen, er hat den falschen, heuchlerischeit Bekenner vorhergesehen und diesen zum Ausschuß gestellt, zur Ausnahme gemacht: nein! die werden nicht selig, ob sie gleichTgErr, HErr sagen, weil sie nur Sagende und nicht uende stnd, weil sie nicht den Willen meines himmlischen Vaters thun. (Cl. Harms.) Nicht anders redet der HErr auch sonst, wo er die entscheidende Grenze der Seinen zieht, z. B. Kap. 12, 50; und fein Geist in den Aposteln des- gleichen verheißt das ewige Bestehen und Bleibet» das endliche Ererben des verheißenen Reichs nur diesem Thunz 1. Joh. 2, 17; Hebrn 10, 36. (Stier.) 22. sllnd bei diesem Thun des Willens Gottes hinwiederum giebt es ebenfalls einen äu- ßeren, triigerifchen Schein, wenn man nicht sowohl auf die Triebfedern bei seinen Werken, auf den Geist und die Kraft, darin siegescheheiy siehet, als vielmehr aus Glanz und Größe, »auf Wirkung und Erfolg] Es werden [daher] Viele [die hienieden den Schein für das Wesen genommen und Andere geblendet, wie auch sich selbst von dem eitlen, selbstgefälligen Herzen haben blenden lassen] zu mir sagen an enem Tage kdes allgemeinen Weltgerichts Aposig 17 , St; Röm.f2, 5. 16; l. Cor.1, 8;3,13;2. Tim.1, 12; 4, 8]: HErh HGrr [u"ns zumeist und vor allen wirst du doch für die D·einen»V. 23 erkennen? denn-J haben wir nicht m deinem Namen geweissagt [4. Mos 22 —- 24z 1. Sam. 19, 23]? haben wir nicht in deinem Namen Teufel ausge- trieben [Mark. 9 ,· 3812 haben wir nicht in deinem Namen viel [Wuiider-] Thaten gethan [Kap. 24, 24; L. Thessz 2,«9]? 23. Dann werde ich ihnen svor ihren Zeit: genossen, von welchen vielleicht manche auf Erden sich haben täuschen lassen, daß sie dieselbigen für meine größten und ausgezeichnetsten Diener ange- sehen haben] bekennen: Ich habe euch noch nie lfchvn damals nicht, als ihr in meinem Na- men weissagtet u. s. w.] erkannt lfür die Mei- nen], weichet alle von mir sdaß ihr dasselbe R. T. I. 7 98 Evangelium Matthäi 7, Jst-W. Loos mit den Verfluchten Kap. 25, 41 empfanget], ihr svermeintlichen Großthäter, die ihr aber eurem verborgenen Herzensgrunde nach doch nichts ge- wesen seid alsJ Uebelthatet U« START« 14- 46 Anm.]. Sowie in V. 21 vor der Täuschung Anderer, so warnt Christus in V. 22 f. vor der Selbsttänschung Es ist Selbstbespiegelung, in ein Gespräch mit Jesu, in eine Anrede an ihn eingekleidett trügerische Erwartung der Seligkeit bei solchen, welche predigten , « ohne doch danach zu leben, die Gewaltiges thaten, ohne doch selbst durch die Buße hindurchgegangen zu sein! Die ausge- zeichnetsten Talente sind oft mit einem bösen Herzen verbunden, die glänzendsten Thaten sind oft von zwei- deutigem Werth; man kann begeisterter Redner, Ve- kämpfer des Unrechts , des Bösen, oder kühner Unter- nehmer hoher Dinge sein, aber alles aus Ehrgeiz und Selbstsucht, und man täuscht sich hierüber noch selbst, der Mensch hat dazu einen Hang und jede Sünde macht ihn falscher gegen sich selbst. (Henbner.) Die Sprechen- den berufen sich nicht ohne Ruhtnredigkeit aus Kraft- äußerungen, welche sie in Christi Namen gethan, und zwar sind diejenigen Kraftäußerungen erwähnt, in wel- chen sich in der ersten Kirche vorzugsweise die Geistes- Wirkung bethätigte — ähnlich wie hier finden sich neben einander die Weissagung, die Gabe gesund zu machen (wovou die Teufelaustreibung oder die Heilung der Besessenen nur eine besondere Art ist) und das Wunder- thun in 1. Cor. 12 , 9 f. Da nun hier solche Kraft- Wirkungen, die sonst nur auf den Geist Gottes zurück- geführt werden, denen zugeschriebeii sind, welche Christo nur äußerlich angehören, so ergiebt sich die rage, wie diese Kraftäußerungen anzusehen seien. An loße Täu- schungen kann darum nicht gedacht werden, weil Christus dieses Wunderthun in seinem Namen im Verhältniß zu dem HErr-HErr-Sagen als einen gesteigerten Grad des Bekenntnisses zu ihm einführt; wohl aber wurden in der Zeit der jugendlichenBegeisterung der ersten Ge- ineinde auch unlautere Glieder, wie das Zungenreden in l. Eor. 12—14 und jenes in l, Thess 5, 20 f. erwähnte unlautere Weissagen zeigt, von jener Glaubenszuversichh durch welche die Wunderthätigkeit bedingt war, nämlich von der zweifellosen Gewißheit, daß Gott ein Wunder thun könne und im vorliegenden Falle auch thun werde, ergriffen. Aehnliches bietet die Geschichte der Cevennens kriege dar. (Tholuck.) JmAnfange des neuen Testa- ments hat Gott nicht allein den Gerechten, sondern auch den Mundgläubigen die Kraft, im Namen Jesu Wunder zu thun, aus weisen Absichten mitgetheilt. (Starke.) Prophet konnte man zwar nur durch den Glauben sein (Röm.12, 7); aber dieser konnte mehr in den Verstand und die Phantasie, als in das Herz eingegangen und damit ein ungöttliches Leben verbunden sein. (de Wette.) Ach, der salsche Prophct in uns kann schrecklich falsch weissageu , »daß wir meinen , den rechten Glauben zu haben, Und wir glauben nicht an den HErrn, sondern an uns selbst; er kann die Teufel austreiben, daß wir uns einbilden bekehrt zu sein , und wir haben nur eine Sünde gegen die andere vertauscht; er kann große Thaten thun, und es sind nur Thaten der Eigenliebe und Selbstgerechtigkeit. Ehe wir nicht erkannt haben, daß wir von Natur Dornen und Disteln sind und erst in Christo zu Feigenbäumen uud Wei11reben werden können, ehe der HErr nicht die Wüste unsers Herzens in einen Lusegarten umgewandelt hat, kann von wahrem, lebendigem hristenthum bei uns nicht die Rede sein; es ist völlig vergebene Mühe, Gutes thun zu wollen, ehe man gut geworden ist, und fromm leben zu wollen, ehe man zum Leben ans Gott wiedergeboren ist. (Arndt.) Vor Gott kommt es nicht sowohl auf das Gepräge an, das die Münze außen trägt, sondern vor allem auf das Metall, aus dem sie geprägt ist; darum muß jeder, welcher sich chriftlicher Handlungen rühmen will, die Frage sich verlegen: woher sind sie gekommen? Hat sein Glaube, sein Dank für Gottes Wohlthaten ihn dazu getrieben, dann ist’s gut; hat sie aber der Glaube nicht geboren, hat er dabei nicht an Gott, nicht an den Erlöser gedacht, so haben diese Werke keinen Werth, sie haben ihren Lohn dahin, wie die Werke der Pharisäer, die äußerlich gut waren, aber aus einem Herzen kamen, das der Geist des HErrn nicht wiedergeboren hatte. (Caspari.) Offenbarung , Geistesgaben, Trost und Süßigkeiten haben, Ehre , Welt und Geld verachten, vieles wissen und betrachten , Fasten , Lesen , Singen, Beten und mit Engelzungen reden, alles dieses acht’ ich tiicht, wo man nicht den Willen bricht. — Wie werde ich mit meiner Hoffnung auf die ewige Seli keit nicht zu Schanden? Antwort: 1) Dring’ auf re te Lehre: 15 ff. , 2) ring’ nach rechtem Glauben: V. 21; Z) bring die reehten Früchte: V. 22 f. (Anders.) Der Unglau e in seiner dreifachen Gestalt: l) Als offen- bare Leugnung der Wahrheit offenbart er sich durch Früchte des Verderben-s; 2) als todter Lip- penglaube läßt er die wahren Frtichte vermissen; Z) als salsche Selbstgerechtigkeit täuscht er sich selbst durch salsche Früchta (Müllensiefen.) . 24. Darum [weil es also sich verhält, daß in das Himmelreich nur diejenigen kommen , welche nicht blos mit dem Munde sich zu mir bekannt, sondern die Aufrichtigkeit solchen Bekenntnisses auch mit einem, demselben entsprechenden Lebenswandel bekundet haben V. 21., äußerlich glänzende Thatem in meinem Namen vollbracht, aber auch noch kein sicheres Zeugniß dafür sind, daß einer wirklich den Willen meines Vaters im Himmel gethan, sondern nur solche Werke, die aus gläubigem Gehorsam gegen mein Wort hervorgegangen sind V. 22 f.], wer szuerst innerlich in seines Herzens tiefstem Grunde mir gehorsam wird, indem er] diese meine Rede [wie ich sie jetzt in Einem großen, vollstän- digen Zusammenhange über das Wesen des Reiches Gottes, über die Gerechtigkeih die darin gefordert wird , und über die Beschafsenheit derer, die ihm zugehören , gethan habe] höret uud ldarnach auch in seinem ganzen äußeren Leben und Wandel mei- nen Worten gehorsam wird und] thut sie [mit Gedanken, Worten und Werken] den vergleiche ich srücksichtlich der großen Entscheidung, die an jenem Tage über jeden Einzelnen ergeht] einem klugen Manne, der sein Haus sim eigentlichen Sinne des Worts —— bei der Ausdeutung des Gleichnisses aber ist an die Hoffnung auf die ewige Seligkeit zu denken] auf einen Felsen [als allein haltbaren und unerschütterlichen Grund] bauen. 25. Da nun [wie das bei einem plötzlich und mit ganzer Heftigkeit hervorbrechenden Ungewitter im Morgenlande nicht selten geschiehet] eiu Pius;- regen sie! sder das flache Dach ganz mit Wasser übergoßL Und ein Gewcifser sdas der anschwellen- den Straßen und Wege] kam ldas den Grund zu unterwühlen drohete], uud lveheleu die Winde smit Die Thorhett derer, die sich selbst betrügen, und die Klugheit der Gerechten. Schluß der Bergpredign 99 Sturmesgewalq und stießen an das Haus [auf die vier, das Ganze zusammenhaltende Ecken Hiob 1, 19]; fiel es doch nicht strotz des von oben, von unten und von den Seiten wider dasselbe gerich- teten Anlaufs], denn es lvar [anders als die mei- sten, nur leichthin gebauten Häuser des Morgen- landes] anf einen Fels gegründet fund solcher Fel- sengrund niachte es seiner eigenen unerschütterlichen Festigkeit theilhaftig Kap. 16, 18]. 26. Und [dagegen:] wer diese meine Rede [zwar] höret und sdoch weder innerlich mit dem Herzen sie aufnimmt als einen fruchtbaren Samen zur Wiedergeburt 1. Petri 1, 23., noch äußerlich bei allem, was er thut und vornimmt, sich davon bestimmen läßt, so daß es von ihm heißen muß: er] thut sie nicht [ob er gleich den Schein eines gottseligen Wesens in Worten oder Werken an- nimmt 2. Tim. 3, 5], der ist lweil seine Hoff: nung, wie die aller Heuchler und Gottlosen, wird verloren sein Hiob 8, 13 fs.; Spriichw. 10, 281 einem thörichten Mann gleich, der sein Haus aus den [losen, zum Tragen eines Gebäudes Unfähigen] Sand banete. 27. Da nun [wie ja der Tag des Gerichts wirklich als ein gewaltiges Unwetter hereinbrechen wird Jvsl 2, l ff.] ein Platzregen fiel, und tam ein Gewassen und weheten die Winde nnd stießen an das Haus; da flel es [weil auf Sand geharret] nnd that einen großen Fall kindem alles auf ein- mal zusammeubrach und unter seinen Trümmern begrub, was. bis dahin so sicher und wohlgemuth unter dem Dache gewohnt hatte und hinter den vier Wänden verborgen gehalten worden war]. Nur derjenige ,. in welchem der Glaube auch Wille und That wird, hat das Gebäude seines Heils auf festen Grund errichtet; bloße Verstandeserkenntniß und bloßes Gefühl ist ein Spiel der Versuchung. (v. Gerlach.) Das rechte Hören ist da, wo man alles auf fich anwendet und das gehörte Wort des HErrn zur Richtfchnur sei- nes Handelns erwählt. Dem steht gegenüber die unse- lige Thorheit derer, die ihr Heil auf’s bloße Wissen von Christo, auf eine flitchtige Rührung oder aber auf ihre ei enen Werke, in die sie verliebt find, zu bauen meinen, Christi Worte also im Grunde nur leichtsinnig hören, ja sie überhören. (Heubner.) An jenem Tage, welcher, wie es in l. Cor. Z, 13 heißt, klar machen wird, ob jemand auf den Grund Gold und Silber oder Heu und Stoppeln erbaut, da wird auch offenbar werden, auf welchem Grunde jeder gebauet hat, und ob als ein kluger oder thörichter Baumeisteu Während das alte Testament die Weisheit (eine Eigenschaft, welche das rechte Ziel, den höchsten Zweck, nicht aus den Augen verliert) als eine vorzügliche Tugend an dem Religiösen hervorhebt, ist es den Reden Christi eigen- thümliih (vgl. Kalt. 10, Its; 24, 45; 25, Z; Luk. 12, 42; 16, 8), daß sie auch auf die Klugheit einen be- fonderen Nachdruck legen; im Unterschied von der Weis- heit ist die Klugheit diejenige Eigenschaft, welche die rechten Mittel wählt, daher sie auch bei dem Bösen sein kann, welcher der Weisheit entbehrt. (Tholuck.) Das, was der HErr vom Wind und Wetter des letzten Gerichtstags sagt, auf dieses gegenwärtige Leben bezogen, hat man das Einzelne auch genauer gedeutet: von den Leiden und Trübsalen, die Gott vom Himmel schickt als Platzregen; vom Strome des Zeitgeistes, der Verführung oder Verfolgung, welcher grundrüttelnd herandrängy von den dazu kommenden Stürmen oder eigentlichen Gerichten Gottes, da er drein bläset mit seinem Odem, zu entscheiden und zu offenbaren, was nur Fleisch ist. Wir lassen das gern der sinnigen Anwendung, die jedes heilige Wort verträgt, möchten jedoch um der Allgemein- heit willen, welche der Grundton dieses ganzen Rede- schlusses bleibt, solche besondere Rücksichten weniger text- gemciß finden. (Stier.) II. n. 28 a. ge. nachdem Jesus« di: vei St. niaikyäui vorliegende Rede zunäkljlt in dem geskhlossenen Kreise der Jniiilse auf dem Berge selber gehalten (Kan.5,12lnni.), Iiieg er auf das slakhfeld vor den: Berge hernieder und wiederholte den wesentlichen Inhalt derselben in der- jenigen Fassung., die in Eule. s, 20 ff. uns mitgetheilt wird. Wir erfahren nun hier, welchen Eindruck er da— mit auf die Herzen seiner dahinter, wie vorhin ans die der Sliingey so auch jetzt auf die des Volkes, hervor- brachte. 28. Und es begab sich , da Jesus diese Rede vollendet hatte, entsetzte sich das Volk über seiner Lehre [ward tief davon erschüttert und im Ge- wissen bewegt, weil ihm so noch nie der Wille Gottes, die Heiligkeit und der Umfang seiner Ge- bote vorgehalten, weil ihm so noch nie seine Schuld und Unwürdigkeit und der Ernst des göttlichen Ge- richts zum Bewußtsein gebracht worden war]. . Denn er predigte gewaltig kais einer, dem der göttliche Beruf zum Lehren und zugleich die volle Macht der Rede zur Seite stand, so daß sich niemand des Eindrucks seiner Worte erwehren konnte], nnd nicht wie die Schriftgelehrten [denen das Siegel göttlicher Sendung und innerer Lebens- macht fehlte, weil sie nichts als eitle Klugheitslehren, verdrehte göttliche Gebote und allerlei Spitzsindigk keiten vortrngens Wir Prediger haben auch zu wählen, ob wir wollen predi en wie die Schriftgelehrten , Welt- und Schuli weis eit, ohne Kraft und Saft, oder, wie der Hist-r, gewaltig. Wer gewaltig predigen will, bei dem müssen sich die vier Stücke finden: er muß predigen im Be- wußtsein des Auftrags von Gott und im Gefühl der Gemeinschaft mit ihm; er muß predigen aus ei ener Glaubens-kraft , weil ihm das Christenthum eben geworden ist; er muß predigen mit dem Bewußt- sein auch das zu sein was er predigt, und muß predigen mit Angst um das Seelenheil seiner Brüder. Wer nicht so predigen kann, dem gelten die Worte, die Phocion zu dem sophistischen Redner Leosthenes (Plut. Phoa 0p. 23) sagte: Deine Reden gleichen den Cypressery . die sind groß und hoch, sie bringen aber keine Früchte. (Heubner.) Das 8. Kapitel. Christi Mandel-merke diesseit und jenseit des Meers. III. d. 1-—13. (§. 41.) Als Jesus von dem sage, auf welchem er feine Rede gehalten, wieder herabge- 70 100 Evangelium Matthäi 8, 1--·7. stiegen nnd unter dem Geleit vielen volhes in die dliihe einer Stadt, an der sein Mtcleweg narh scapernanm ihn Unrat-erfährt, gelangt ist, läuft ein Jinssätziger ihm ent- gegen, stillt vor ihm nitder und bittet um Heilung. Sie wird alsbald mit dem Bedenken ihm zu Theil, die Ge- schichte nicht erst ruchbar zu machen, sondern die geseh- lichen Vorschriften fiir die vom Aussatz Geheilten zu er- füllen; der Mann in feinem zkreudenjubel achtet aber, wie wir von den andern beiden Gvaugelisien erfahren, des Verbots nicht, sondern breitet die Kunde von dem, was an ihm geschehen, überall aus; daher Jesus sith zuvor in eine Eiaöde begiebt, ehe er seinen weg nach linoernaiim weiter fortseht Als er nach einiger Zeit bei dieser seiner Stadt ankommt, sendet ein Hauptmann, der, wenn aueh ein gottesfürchtiger Judeugenossm dorh noch außer der Bürgerschaft Slsraels stand, Botschaft zu ihm und läßt; um hilf: fiir seinen todtleranleen Knecht bitten. Der hellre gewährt die Bitte und begiebt sich sofort nach dem hause des Hauptmann-i; dieser aber, bei der dlachricht non der Ankunft Iesu der thoheit desselben gegenüber die eigene Niedrigkeit desto tiefer fühlend, verzichtet auf sein persönliches Erscheinen nnd bittet nur um ein wart aus seinem Munde. (Vgl. Mark. 1, 40——45; Eule. 5, 12-—16; 7, 1—10.) Evangelium am Z. Sonntage nach Epiphania.) Christi erstes Wort (als zwölfjähriger Knabe im Tempel Luk. 2, 49) hat über seine Stellung zu Gott, Christi erstes Wunderwerk (auf der Hochzeit zu Cana «"oh. 2, 1l) über sein Verhältnis; zum alten Test. Zlufschluß gegeben: nun entfaltet sich die Oecono- mie (Haushaltung), des neuen Testaments, das Ver- htiltniß des großen Propheten zur Menschheit wird klar gestellt. »Der Beruf dieses Propheten aber, der Gottes Sohn ist, besteht darin , daß er durch die Macht seines Wortes Leben schafft, wo der Tod waltet; (Nebe.) Zwei Männer sind hier neben einander gestellt, der Aus-fähige und der Hauptmann, jener ein Jude, dieser ein Heide. Beider erbarmt sich Jesus, damit offenbar werde, daß er nicht blos der Juden, sondern auch der Heiden Heiland sei, welcher Juden und Heiden zu sei- nem Reiche beruft. Wenn nun beide vor ihm gleich sind , so sind doch die Wege beider vor ihm anz ver- schiedeu Jn den Tagen seines Fleisches hat rch Jesus der Regel nach zu den Juden gehalten und nur aus- nahmsweise zu den Heiden; nach seiner Erhöhung hat er Juden— und Heiden ohne Unterschied berufen , aber bald wurde es Regel, daß nur Heiden in das Reich Gottes eingingen und die Juden zu den Ausnahmen ge- hörten. Den Grund davon erfahren wir in unserm Eoangelio, welches zeigt, daß Gottes Liebe immer die- selbe ist, daß »aber die Menschen sich nicht immer finden lassen, wie sie sollten. (Mtinkel.) 1. Da er aber [nach Beendigung seiner Rede an die Jüuger sowohl wie an das Volk Kap. 7, 28 f.] vom« Berge [Kap. 5, 1 Anna] herabging, folgte ihm viel Volks sooll Be: gierde, ihn noch weiter reden zu hören und han- deln zu sehen] nach. Er fährt zuerst bergan in die Höhe zu Gott, dahin müssen wir ihm folgen mit den Glaubensfüßem dann fährt er herab zu dem Nächstem dahin müssen wir ihm folgen mit den Füßen der Liebe, namentlich zu den Elendenund Armen. (H. 2Jililler.) Nicht blos auf der Höhe des Sonntags und der Kirche, nein, auch in den Werktagen und ihren Geschäften will Jesus sich suchen und finden lassen. (G. Lang) L. Und siehe sals er bis in die Nähe einer Stadt, an der zunächst der Rückweg nach Kaper- naum ihn vorbeiführte, gelangt war Lnk. 5, 12., fand sich alsbald auch Gelegenheit für ihn, wie vorhin mächtig von Worten, so nunmehr von Thaten Luk.24,19 sich zu beweisen] ein Aus- siitzigers [nämlich, der draußen vor der Stadt sich aufhalten mußte Z. Mos. 13, 46., der Rede Christi ans der Ferne zugehört und dadurch einen tiefen Eindruck von seiner Herrlichkeit und Gottes- kraft empfangen hatte] kam sin der Zuversicht sei- nes Glaubens über die Schranken des Gesetzes Z. M. 13, 45 sich hinwegsetzend, dicht zu ihm heran — anders die 10 Aussätzigen in Luks’7, 12 ff.] und betete ihn an« finden: er auf sein Augesicht vor ihm niederfiel] und sprach: HErty so du willst, kannst du mich wohl reinigen [daß du das Vermögen zu diesem Wunderwerke hast- steht mir über allen Zweifel fest, ob du aber auch an mir es willst thun, weiß ich nicht, weil ich nicht ermessen kann, ob es mir gut nnd heil- sam sei]. 3. Und Jesus [in barmherziger Liebe auch seinerseits die Schranken des Gesetzes, das da ver- bot, einen Aussätzigen zu berühren Z. Rief. 13, 46., überfteigend vgl. List. 7, 141 streckte seine Hand aus, ruhrete ihn ans« und sprach: Ich will? thun-s swas dn von mir bittestjz sei ge- reiniget svon der Krankheit, die dich unrein ge- macht hat, geheim. Und alsbald ward er von seinem Aussatz rein [der Aussatz ging alsobald von ihm und er ward rein Mark. l, 42z 2.Kön. 5, 14]. H— «) Die Jsraeliteu waren in ihrem, seiner Lage nach der Gesundheit zuträglichen Heimathland Pglästina kei- nen endemischen (eiuheimischen) Krankheiten, wenig- ftens nicht in dem Umfang und in der Schädlichkeit wie Egyptety unterworfen. Epidemieen (seuchenarti e Krank- heiten) als außerordentliche göttliche Strafgerigste schei- nen nie lange angehalten zu haben. Auch während ihres Aresenthalts in Eghpteu waren sie in dem, außerhalb des Bereichs der Nilttberschwemmung gelegenen Gosen vor den ,,Seuchen Egyptens« mehr oder weniger« ge- sichert. Selbst der Aussatz kann nicht endemisch in Pa- lästina oder unter Israel genannt werden; sein Vor- kommen in Paläftina und Syrien scheint nach der Ge- schichte einen sporadischen (nur hin und wieder vor- kommenden) uud uiilderen Character zu haben. (Leyrer.) Man hat den Auss a als Bild der Sünde betrachteh wovon vielleicht schon m Pf. 51, 9 vål Z. Mos 14, 6 f. eine Spur. Wie jener seinen tiefen itz in den inneren Theilen des Körpers hat, alles durchdringt, verdirbt, oft den Tod bringt, forterbt, von der menschlichen Gesellschaft ausschloß, von Christo aber geheilt wurde: so ist die Sünde im Inneren des Menschen (Ps. 51, 7; iob 14, 4;; seh. Z, 6) und verdirbt Geist und Herz, t eilt sich mit, schließt ans der Gemeinschaft des Himmels aus, bringt den ewigen Tod (Rd"m. 5, 12; l. Cur. IS, 21 f.) und kann nur durch Christum und sein. Blut (1.Joh. 1, 7; Gphes I, 17) geheilt werden. (Btichner.) Der Aussatz ·ist das leibliche Abbild nicht blos der· Sünde, sondern vielmehr des Todes. (Keil.) Zwei neue Wunderwerke Christi: 1) Heilung eines Aussätzigeii durch Berühren mit der Hand. VI) »Die Demuth und Inbrunst des Gebets zeigt sich auch in der iiußerlichen Geberde des Niederknieensz hast du noch nicht knieen gelernt, so kannst du auch noch nicht recht beten« (Dan. 6, 10; Jes. 45, 23; Phil. L, 10). — Glauben soll man ohne Zweifel und ohne Maß der göttlichen Güte; aber bitten sollen wir mit der Bedingung, daß es seine Ehre, sein Reich und Wille sei. (Luther.) Hilfe hat Gott uns verheißen auch in aller zeitlichen Noth; ob diese aber darin besteht, daß er die Noth wegnimmt, oder daß er unsre Seele ftill zum Tragen macht, das Rzu entscheiden will er freie Hand haben. (Lang.) —- IV) Jesus durfte dem Scheine , als ob er an dem Aussiitzigeii sich veruiireinige, sich unterzie- hen; denn so schien er ja im Großen an dem sündigen Menschengeschlecht durch die innigfte Berührung mit demselben sich zu bekam-einigen, bis es ihm den Tod brachte, währender inder That durch diese Gemein- schaft die Menschheit heiligte (P. Lange.) flJener Vater, der für seinen elenden Sohn Jesum um Hilfe bat (Mark. IF, 22 ff.), sagtezu ihm: ,,Kann·st du was, so erbarme dich unser und hilf uns! Und wie die Bitten der Menschen , so sind die Antworten des HErrm in seinen Antworten ist ein Widerhall der Bit- ten. Diesem Aussätzi en, der an sein Können gar keinen Zweifel hat und so escheiden bittet: So du willst —- antwortet er mit dem Worte: Jch will; jenem Vater dagegen, der seines Könnens nicht ganz gewiß war und zu ihm sagte: Kannst du was — antwortet er: Wenn du könntest glauben; alle Dinge sind mög- lich dem, der da glaubet! und erst, nachdem durch dieses Wort der Glaube in der Seele des bektlnimerteii Man- nes belebt und befestigt ist , daß er nun mit Thränen schreien »Ich glaube, lieber HErr, hilf meinem Unglau- ben!« zeigt Jesus ihm , daß er kann , und hilft seinem elenden Kinde. (Menken.) —- H) Die Natur kam dem Befehle des HErrn schnell nach mit der geziemenden Eile , die fchneller war , als der Evangelist schreiben kann. (Chryfostomus.) Zwischen Gottes Befehl und Werk giebt es keinen Zwischenraum , weil sein Werk schon im Befehle liegt und sein Wille die Allmacht ist. (Ambrosius.l Um ein Wort ist es Christo nur zu thun, so ist )dein Herz voll Trostes , dein Hans voll Segens. (Laug. 4. Und Jesus [der da wollte, daß der Glaube an ihn nicht durch bloße Wundergerüchte sondern aus unmittellarer Wirkung seines Worts erwüchseJ sprach zu ihm: Siehe zu swie du. Herz und Zunge im Zaum halten mögest], sag? niemand [was dir jetzt Großes geschehen ist]; sondern gehe hin und zeige dich szunächstj dem Priester sdeines Kreises, damit er deine Reinsprechung in der oorgeschriebenen Weise Z. Nios 14 , 2 R. einleite] und opfere sdarnach am 8. Tage , wenn die Reinsprechung erfolgt ist, im Tempel zu Jerusalem, vgl. Nr. 41 auf dem Giundriß zu Kap. 4, 71 die Gabe, die Moses sin 3. M. 14, 10 is] befohlen hat, zu einem Zeugniß über fie [die nicht an mich glauben wollen, sondern der Gesetzesaufhebiing mich be- schuldigeiy damit sie, wenn sie nun erfahren, durch wessen Kraft du gesund geworden, und zugleich sehen, wie du auf meine ausdrückliche Weisung der gesetzlichen Ordnung in allen Stückeu dich unter- wirfst, sich überzeugen, daß ich in der That und l01 Wahrheit der Messias bin und nicht gekommen, das Gesetz» aufzulösen, sondern zu erfüllenj. . ,,Große Güte des HErrn Jesul Die Priester folgten ihm nicht nach, seine Worte zu hören und seine Thaten zu sehen: so schickt er aus Galiläa zu ihnen nach Jeru- salem. Er will auch sie ·gern gewinnen, gern zum Glauben bewegen, gern selig machen; darum legt ei· ihnen ein Zeugniß vor, denn ohne Zeugniß ist kein Glaube möglich, und Glauben heißt eben nichts anderes als Annahme eines Zeugnisses. Das Zeugnis; aber, das er ihnen vorlegte, konnte und sollte ihre ganze Auf- merksamkeit auf ihn richten; denn der» Aussatz war eine durch natijrliche Mittel unheilbare Krankheit. Wenn nun der Aussätzigejhneit erzählte: Der Jesus von Nazareth hat mich unmittelbar· durch die Kraft seines Willens, durch sein Wort gereinigt! so mußten sie auf’s Wenigfte denken: Jesus ist ein Propbet, mächtiger als Johannes der Täufer, der keine Wunder gethan hat; er ist ein Prophet wie Elias und Elisa, aller Aufmerksamkeit und Verehrung werthl und mußten es als ihre Pflicht er- kennen, sich nach ihm umzusehem zu erfahren, was seine ganze Sache sei; da ihneii dann , wenn sie »das mit Aufrichtigkeit thaten, bald weiter geholfen werden konnte, daß sie erkannten: Es ist Wahrheit, was Johannes von diesem bezeugt hat; dieser ist Christus, Gottes Sohn!« — Der Aussätzige in seiner großen Freude über die wiedererlangte Gesundheit hielt, wie die beiden andern Evangelisten erzählen, das Verbot Christi nicht, sondern lief überall umher und erzählte den Leuten von seinem Glücke (Pred.»3, 7); daher Jesus nicht schon jetzt zu Kapernaum eingehen mochte, sondern erst in eine Einöde (vielleicht in· die am öftlicheu Ufer· des Sees Kap.14,23 und zu Schiffe da,hintiber»fahrend) sich begab, um dem Zudrange des Volks für einige Zeit sich zu Lntzieheu und wieder im Gebet mit Gott zu verkehren. »Diese Einsamkeit hat die Bedeutung eines neuen Rücktritts für einen neuen Anlauf (eine neue Geistessammliinyg ist immer auch ein neuer Segen und Sieg). Der Lus- sätzige seinerseits ist ein Muster der Hilfesuchenden (ein- schiedenes Vertrauen, demüthige Unterroerfung), aber nicht der Danksagendcn Mücksichtslosigkeit seiner Freude, Mangel an Folgsamkeit und Zucht).« 5. Da aber Jesus saus der Einsamkeit jenseit des Sees Genezareth nun wieder hervor- tretend und auf dem Wege der Heimkehr sofort aufs Neue von einer großen Menge Volkes um: geben V. 101 eingiug zu Kapernauuy trat sgleich beiden vordersten Häufern der Stadt] ein Hauptmann zu ihm snicht persönlich, denn dessen achtete er sich nicht würdig, sondern indem er die Aeltesten der Juden ihm entgegensaudtes der bat ihn sdurch den Mund eben dieser Abgesandten, die zngleich aus ihrem eigenen Herzen eine recht drin- gende Fürfprache für ihn einlegteii Luk. 7 , 3 ff.], is. Und sprach: HErr sder du einhertrittst in deiner großen Kraft und ein Meister bist zu helfen Its. 63, II, mem Knecht [den ich seiner Treue wegen gar werth halte] liegt zu Hause [bei mir» todtkrank darnieder], und [zwar] ist [er] gichtbrukhig und hat große Qual sda wende denn nicht blos die Todesgefahr von ihm ab, son- dern befreie ihn auch, was dir ja ein Leichtes ist, völlig von seinem Leiden]. 7. Jesus sprach zu Ihm sließ durch die 102 Evangelium Matthäi 8, 8. 9. Aeltesten der Juden ihm sagen]: Ich will [ohne mich daran zu stoßen, daß du von Geburt ein Heide bist, in eigener Person] kommen Und ihn sdeinen kranken Knecht] gesund machen sworauf er auch sogleich mit den Abgesandten auf das Haus des Hauptmanns zu ging] Der Hauptmann ((Jenturi0, d. i. Befehlshaber über 100 Mann und vermuthlich der Höchstcommaw dirende in Kaperuauny war ein Heide (V. 10 ff.), im Dienste des Herodes Antipas stehend , der unter seinen Soldaten viele Ausländer hatte, sowohl um sich den Thron gegen die eigenen Unterthanen zu sichern , als auch dem römischen Kaiser von Seiten seiner Zuverläs- sigkeit sich zu empfehlen; doch war er dem Judenthum und den Juden innerlich befreundet (Luk. 7, 3 ff.) und wohl ein Proselyt des Thors, indem er sich zu den sog. Noachischen Gelitbden, also zur Enthaltung von Götzew dienst, Gotteslästerun , Mord, Blutschande, Raub u. dgl., verpflichtet hatte (3. of. 17, 9 Anm.). Er ist der Erst- lin von den Heiden, welkhe sich zu Christo gewendet a en; dazu kam hernach ein anderer Hauptmann, dessen ei dem Kreuze Christi gedacht wird (Kap. 27,54), und ein dritter, Eornelius (Apostg. 10). Doch sind diese nur allein diejenigen, deren perfönlich gedacht wird; es heißt in Luk. 3 , 14 von den Kriegsknechten überhaupt, daß sie zu Johanne gekommen wären , sich von ihmuausen zu lassen, und dabei efragt hätten, wie sie sich bei ihrem Soldatenstande als etaufte zu verhalten· hätten. »An keines Standes und Menschen Bekehrung ist zu verzagen. Stärkeren Glauben findet man öfters unter Handwerkerm Soldaten, gemeinen Bauer-Renten, als bei den vermeinten Heiligen, die viel wissen, beten, reden von der Gottselig- »eit, und doch im Grunde Heuehler sind: Kap. T, U; 11, 25; 1. Cor. l, 26 f. (Tübing. Bibel.) Es ist kein Stand, welcher von dem Heile ausschließn selbst in der Brust eines Mannes , dem ein dreifaches Erz um die Brust liegt, kann die zarte Pflanze des Glaubens und der Liebe gar wunderbar gedeihen. (Nebe.) Unsre Er- ählung ehiirt zu den Perlen unter den vielen kleinen, m sich a efchlossenen Ganzen, mit denen die evange- lische Geschichte geschmückt ist; sie zeigtuns ein religiöses Gemüth in der liebenswürdigsten, kindlichsten Form, das fein Glaubensleben ohne irgend welchen äußerlich-dog- matischen Anstrich frei offenbart. Der Centurio, er- wachsen im heidnischen Lebenselemenn neigte sich, unter den Juden lebend , zum alttestamentlichen Leben hin; die Wunder der Patriarchenzeih von denen er vernahm, mochte er stch oft ersehnt haben, ohne zu wissemdaß er unendlich viel mehr sehen sollte als sie. So innig aber als sein Glaube , eben so tief und rein war seine .Demuth; er achtete sich felbstfnicht werth, daß der Herr- scher himmlis er Kräfte in sein Haus träte. Als solchen erkannte er spsum , wie aber näher seine Flnsicht von ihm gestaltet war, dürfte sich schwer entscheiden lassen, da sie vermuthlich, wie gemeiniglich bei kindlichen Ge- mütherm noch unentwickelt, wenngleich» im Wesenrlichen richtig war. (Olshausen.) Paralyttsche und Lahnie wurden häufig zu Iefu und d'en»Aposteln· gebracht. ·Dte Uebersetzung Luthens für Paralhtischm Gichtbritchige, isi nicht so unrichtig , wie mauchmal behauptet wird, theils sofern häufig Lähmung, namentlich der Grimmi- täten (Hände und Füße) , Folge von Gccht ist, theils nach der Etvmologie (Abstammnng) des. Worts ,,gtcht- brüchig« soviel bedeutet als, der an Gliedern gebrochen ist, daß er nicht gehen kann (Gicht = ,,geh»nicht,« also überhaupt jede, die Bewegung aufhebende Lahmung be- zeichnend , daher auch die apoplektische Lähmung rn manchen Gegenden Gicht heißt). Es verschwindet die Erregbarkeit der Muskeln oder Nerven, oder beider zu- gleich; dabei dauert Blutumlauf, thierische Wärme, ob- wohl vermindert, und Secretion Ausscheidung der un- brauchbaren Nahrungsstofso fort. Oft aber wird das gelähmte Glied von Atrophie (Dörr- oder Schwindsucht Joh. 5, Z) ergriffen. Da diese Lähmungen meist schmerzlos und nur mit einem leichten stechenden, kribbelnden Schmerz behaftet sind, so ist der ,,große Qual« leidende Gichtbrüchige an unsrer Stelle ohne Zweifel ein, mit einem die Glieder wie auf der Folter verrenkenden tetanus (Starrkrampf) behafteier Paralyti- schen (Leyrer.) Die Liebe, die aus dem Glauben fließt, indem sie dem Bruder Gutes thut, wie schön übt die der Hauptmann an seinem Knechti Nicht ein Sohn, wie dort im Hause des Königischeit (Joh. 4, 47 ff.), nicht ein Bruder, wie bei Martha und Maria (Joh. 11 , 1 ff.) , nur ein Knecht , nur ein Sklave ist krank, und siehe , der Herr läuft für seinen Knecht und bittet für ihn. Und wie herzlich bittet er! man hört’s seinen Worten an, er fühlt mit dem Kranken feine Schmerzen, er ist selber an feinem Bette gestanden, er möchte das Herz des Propheten rühren, ewegeu, wie sein eigenes gerührt und bewegt ist. O wie beschämt dieser heids nische Hauptmann so manches Christenhaus durch seinen in Lie e thätigen Glauben , durch seine im Glauben wurzelnde Liebe! Wie viel Hausväter oder Hausmütter unter uns thäten so etwas für einen Knecht oder eine Magd! Wie manche christliche Herrschaft glaubt alles gethan zu haben für ihr Gesinde, wenn sie pünktlich am Quartal den Lohn und murrend jedes Jahr den Zettel für’s Krankenhaus zahlt; aber mit Theil nehmen an ihren Leiden und Freuden, mit sorgen für ihr geistlich und leiblich Wohl, daran denkt man nicht , eine solche Zumuthnng begreift man nichti (Gerok.) Dei: ist nicht werth , daß ihm treulich gedient werde, der nicht auch seinen Dienstboten, fonderlich in der Noth, dienen will: Gal. 5, 13; 1. Cor. I, 19. (Starke.) Es mag ein frommer Knecht gewesen sein (V. 9); aber der Herr ist auch solches Knechtes werth. (Ahlfeld.) Wie vorhin nicht die Berührung des Aussatzes, so scheut Jesus jetzt nicht den Eintritt in das Haus eines Heiden. (Lang.) 8. Der Hauptmann sals ihm von etlichen, die dem Zuge vorauseilten, gemeldet wurde, Jesus habe seine Bitte angenommen und sei schon auf dem Wege zu seinem Hause begriffen] antwortete füber die Kühnheit dessen, was er vorhin sich er- beten, nun, da es ihm gewährt werden sollte, er- fchreckenDJ und sprach stieß, die Sache wieder in’s Gleiche zu bringen, durch etliche Freunde, die ge- rade bei ihm waren und deren er jetzt als einer zweiten Gesandtschaft sich bediente, dem Heilande sagen]: HErr, ich lals ein armes sündiges Menschenkind Luk. 5 , 8 und als ein von den Testamenten der Verheißung ausgeschlossener Heide Ephes 2, 12j« bin nicht werth, daß; du fder Heilige Gottes Mark. 1, 24 und König von Jsrael Ioh. 1, 491 unter mem Dach gehest kes bedarf aber auch dessen gar nicht, daß du dich selber zu mir bemühest und etwa dem Kranken die Hände auflegestlz fpttdern sprich nur [aus der Ferne] em Wort [voll allmächtiger Gotteskraft, wie es dir zu Gebote steht], so wird mein Knecht sob ihn gleich der Tod schon so gut wie in seiner Ge- walt hat] gesund. Der Hauptmann zu Kapernaum bittet für seinen kranken Knecht »?9,3 9. Denn [wie wirksam und erfolgreich schon ein bloßes Wort deines Mundes sein müsse, das kann ich mir aus meinen eigenen Lebensverhältnissen abnehmen:] ich lfiir mein Theil] bin sitberhaupt nur ein Mensch, und würde auch als der Mäch- tigste auf Erden immer nur eine sehr beschränkte Macht besitzen], dazu sbin ichJ der Obrigkeit unterthan salso unter den an sich schon beschränkten Machthabern auf Erden als ein gewöhnlicher Haupt- mann und einfacher Hausherr wiederum gar sehr beschränkt hinsichtlich meines Machtbereichs] und habe unter mir [nicht mehr als die 100 Mann] Kriegsknechte [meines Commandos und den einen mir so werthen, aber jetzt krank darnieder- liegenden HausknechtL noch strotz dieser geringen und unbedeutenden Machtstellung meinerseits] wenn ich sage zu einem [von den unter mir stehenden Kriegsknechteny Gehe hin, so geht er; und zum andern: Komm her, so kommterz und zu meinem Knecht svorausgesetzt , daß er noch gesund wäre, wie vordem]: Thu’ das, so thut er’s swenn nun schon in meinen geringen Verhältnissen ich nur sprechen darf, so geschieht auch das, was ich will, ohne daß ich dabei zu sein und selbst mit Hand anzu- legen nöthig hätte, wie vielmehr wird eine solche Macht- Vollkommenheit des bloßen Worts dir zu Gebote stehen, der du niemand unterthan bist, sondern ein Herr über alles Apostg. l0, 36! Und nun hast du ja unter deiner Gewalt auch Tod und Leben, Gesundheit und Krankheit, Engel und Fürstenthuni Röm. 8, 37 ff» und kannst zu Tod und Krankheit sagen: Geh hin! und zu Leben und Gesundheit: Komm her! und kannst deinen dienstbareii Geistern gebieten, daß sie mit ihren unsichtbaren Händen meinen todtkranken Knecht berühren und ihm von seinem Lager wieder aufhelfen]. Der Heide und Kriegsmann wird ein Theologus und fäht an zu disputiren so schön unb christlich, daß genug wäre einem , der vier Jahre wäre ein Doctor gewesen. ,,Solltest du solches nicht thun können? Ei, lieber HErr, kann ich armer Mensch, unter anderer Leute Gewalt, des römischen Kaisers und Landpflegers Pilati oder Herodis Unterthan, mit einem Wort meine Knechte rege machen , daß sie müssen gehn und thun , was ich sage, auch iii meinem Abwesen: solltest du denn, als der so hohe Gewalt hat und niemand unterthan bist, wie ich bin, sondern alles, Gesundheit und Krankheit, Tod und Leben , dir muß unterthan sein viel mehr , denn mir meine Knechte sind , nicht vermögen mit einem Wort auch in deiner Abwesenheit auszurichten, was du willst? Sind meine Worte so mächtig — denn es ist in der Wahrheit eiu Großes, daß ein Mensch mit einem Wort kann rege niachen hundert oder tausend Menschen; wie viel mächtiger sind dann deine Worte l« Ach, daß doch wir auch also an den abwesenden Christum glauben könnten, wiewohl wir sein gegenwärtiges Wort reichlich haben! (Luther.) Wie leuchtet hier die Weisheit eines Gläubigen aus der Rauheit des Kriegsmannes so schön hervor! (Bengel.) Das Gleichniß hat auch eine beson- dere Anmuth darin, daß er zuletzt immer wieder auf seinen armen, treuen Knecht zurtlckkommh der die Spitze des Gleichnisses bildet. (P. Lan e.) Dieser Kriegsmann, dieser Römer, dieser Heide ist inter ein Geheimnis; ge- kommen, welches den Theologen in Israel, den Fürsten auf Mosis Stuhl (Kap. 23, Z) zur Zeit noch völlig ver- deckt war: Der Rabbi (Jesus) , mit dem Abrahams . auch ein Kinder (die Juden) so vertraulich wie mit Jhresgleicheu umgehen , ist ihm kein Geringerer, als der HErr, der Abraham zu Mamre nnd Jakob im nächtlichen Kampfe genahet (1. Mos. 18 , 1 ff.; 32 , 34 ff.) , der Christus Gottes. Willst du da noch fragen, warum doch kommt der Eine oft so schnell, der Andere so langsam, so spät, so kümmerlich zur Gnade? Warum will’s bei allem Hören und Lernen des Worts mit dem Glauben auch bei uns oft so gar nicht voran? Ach, an dem gru11d- gebeugten Herzen fehlt’s, wie es, in Lindigkeit gegen die Menschen, in Demuth vor Gott, bei diesem Heiden sich darlegt! »Wie könnt ihr glauben, die ihr Ehre von einander nehmt?« spricht der HErr (Joh. Z, 44). Bei Stolz oder Grimm im Herzen muß das schon entztindete Glaubensfünklein gleich als in einer dicken Stickluft im- mer wieder verlöschen. (Roffhack.) Die Aeltesten von Kapernaum unterstützten des Haiiptmanns Gesuch, baten Jesum sogar mit Fleiß »und sprachen: »Er ist sein werth , daß du ihm das erzeigest«,« er selber aber legt Christo gegenüber das offe11e Bekenntniß ab: ,,Jch bin nicht werth, daß du unter mein Dach gehest. Es wäre das freilich das größte Glück, das meinem Hause widerfahren könnte, und Zeitlebens sollte mir der Tag ein unvergeßlicher Festtag bleiben; aber nein, das kann nicht sein, diese heilige Gemeinschaft kann zwischeu dir und mir nicht stattfinden, denn ich bin dessen nicht werth« Kein Glaube, der nicht mit der Demuth Hand in Hand ginge , mit der Demuth , die sich ohne Vorbehalt auf die arme Sünderbank setzt, die soviele Werke thut, als wollte sie damit den Himmel verdienen, und doch darauf gar keinen Werth legt, sondern voll- skommen unterschreibt, was die heil. Schrift vom Lilien: schen sa t, daß er nicht das Geringste vermöge, daß er ohne C ristum nichts thun könne, daß er der größte unter den Sündern sei, eine unzeitige Geburt, ein Narr, ein Nichts vor Gottes Augen. Es giebt eine gemachte Demuth, die blos demüthig thut und demüthig redet, aber nicht demüthig ist; eiiie heuchlerische Deniuth, die noch ein völlig ungebrochenes Herz hat und 1iicht wenig entrüstet sein würde, wenn man ihr erklärte, daß sie auch nicht Ursache habe, anders als sehr gering voii sich zu halten; eine Demuth, die nur eine andere, feinere Art Hochmuth ist und sich gleich als solcher verräth , wenn einmal das liebe, eitle Ich ein wenig verletzt oder der Eigenwille, die Eigensuchh die Eigeiiehre nicht befriedigt wird. Die wahre Demuth hält sich nicht nur fiir gering und schlecht, sondern wüßte auch gar nicht, wie sie anders von sich denken sollte; die rechte Demuth weiß von eigener Trefflichkeit und Tugend nichts und ist wie das Auge, das alles siehet, nur sich selbst nicht — sie wiirde schon Hochmuth werden, weiin sie sich je einbilden könnte, daß sie demüthig wäre. Weil sie aber so völlig los geworden ist von jeder Selbstsucht und ihren alten Menscher: alle Tage von Neuem kreuzigt und in Zucht nimmt, setzt sie allein ihre ganze Zuversicht auf den HErru Je geringer sie ist in ihren eigenen Augen, desto größer und herrlicher erscheint ihr der Heiland; je weniger sie vermag, desto mehr vermag Er alles in allem. Der Glanz der Sonne blendet nur die Eulen: von Wundern rings um- geben, sehen die Ungläubigeii dennoch nichts von Jesu Herrlichkeit Wer aber glaubt, der ist wie ein Adler, immer höher der Sonne entgegenstrebeiid, immer besser in die Sonne hineinblickend: wo die Welt nichts sieht, da gewahrt er des HErrn Spuren und Denkmale in seinem Licht, und je mehr er seine Herrlichkeit sieht, desto fester wird seine Zuversicht. (Fr. ArndtJ Warum verhält sich der HErr gegen diesen Hauptmann, der ja Heide ist, anders, als gegen das cananäische Weib in Kap. l5, 21 ff? Nun, »das caiianäische 104 Evangelium Matthäi 8, 10——13. Weib hatte keine Erkenntniß davon, daß er, der HErr, H losigkeit, Unmäßigkeit der Menschenx aber seine Ver- nur gesandt war zu den verlorenen Schafen aus dem Hause Israel; sie lief ihm nach und wollte seine Wohl- that als ihr Recht gleichsam ertrotzen, er aber nahm sie deshalb in eine harte Schule und stäupte sie gar gewaltig. Als sie dann ganz demüthig zu seinen Füßen lag und sich mit dem Rechte der Hündlein zufrieden geben wollte, half er ihr. Hier bei dem Hauptmann dagegen ist von solch einentForderty von solchem Ertrotzenwollen keine Spur; hier ist Demuth nicht erst zu beschaffen, sondern eine falsche (?) Demuth, eine falsche, unnöthige (?) Scheu zu überwinden« Nach Chrhsoftomus war das Wort des HErrn in V. 7 der Stahl, welcher aus dem Herzen des Hauptmanns den Funken des Glaubens herauszuschlagen bestimmt gewesen war. » 10. Da das [was der Hauptmann durch seine Freunde ihm sagen ließ] Jesus betete, ver- wunderte er sich [ob dieses wunderbar köstlichen Glaubens, wie er ihm hier entgegentrat«] und sprach zu denen; die ihm nachfolgeten lzu seinen Jüngern sowohl, wie zu den Aeltesten der Juden und dem Volke]: Wahrlich, ich sage euch, solchen Glauben [so tief gegründet und so hoch erleuchtet, so kindlich demüthig und so männlich stark] habe ich [seither] in Israel sdem Volk, das durch Gaben und Berufung Röm. 11, 29 dem Reiche Gottes am nächsten sieht] nicht fun- den’"· [wie bei diesem, durch Geburt und Lebens- stellung dem Himmelreiche fern gerückten Heiden Ephet 2, 12]. 11. Aber ich sage euch les wird einmal, wenn nun das Reich Israel aufgerichtet werden wird Apostg. l, 6., ganz anders kommen, als das sleischliche Israel sich einbildet*"]: Viele werden kommen vom Morgen und vom Abend iauch aus den fernsten Ländern der Heiden Jef 45, S] und mit Abraham und Isaak und Jakob sden heil. Erzväterm deren Kinder und Miterben Namen] im Himmelreich sitzen [dessen Seligkeit zu genießen Kap. 26, 29z Luk. 14, 15; Ossenb 19, 9]. l2. Aber die Kinder des Neichs ldie zu: nächst berufenen Theilnehmeu die Juden Röm 9, 4 f.; 15, 8 ff; Joh. 4, 22] werden lder großen Masse nach, wegen ihres Unglaubens] ausgestoßen saus dem Festsaale des Himmelreichs, in welchen sie vermöge der alttesiamentlichen Heilsanstalt schon eingetreten sind, hinaUSgeworfenJ in die außerste Finsterniß [wo das Licht Gottes gar keinen Schein mehr hinwirft und Freude und Leben auf ewig mangelt], da wird fein Heulen lder Weh- klagenden] und Zåhnklappenss lder Verzweifeln- den Luk. 13, 28 f.]. V) Zweimal lesen wir von unserm HErriy daß er sich verwundert habe, und zwar hier über den Glauben des Hauptmanns , und in Mark. 6, 6 über den Un: glauben derer von Nazareth. Wir lesen nicht, daß Jesus sich jemals über die Humanitah Liebe, Selbstver- leugnung eines Pienschen verwundert habe, niemals, daß er sich verwundert habe über die Unmenschlichkeih Lieb- l · dem Göttlichen vorzuziehen wunderung über Glauben und Unglauben ist ausdrücklich aufgezeich1iet. Das ist nun der Gesinnung unsers Zeit- alters sehr fremd: die Krankheit und Verkehrtheit unsers Zeitalters besteht gerade darin, das Menschliche Nach dieser Stimmung und Gesinnung unsrer Zeit müßte man die Humanität, wie sie sagen , die Menschlichkeit und Güte des Haupt- manns rühmen und bewundern, worauf aber Jesus nicht Einen Blick wirft, wovon er nicht Eine Sylbe redet, was er gar 1iicht zu bemerken scheint; und was nach der Gesinnung unsers Zeitalters gar keine Bemerkung verdient oder als eine Schwachheit entschuldigt oder als eine Albernheit getadelt werden müßte, das, das ist in den Aukgen des Sohnes Gottes so groß, daß er, der sich sonst ü er nichts wunderte, sich darüber verwunderte und es öffentlich lobt und als das Beste und Größte rühmend zur Nachfolge darstellt, uämlich der Glaube dieses Menschen. Bemerke diese Verschiedenheit der herrschenden Gesinnung unsrer Zeit von der Gesinnung unsers HErrm sie verhält sich dagegen wie Nein zu Ja, wie Finsterniß zu dem Licht; sie verachtet und schmähen was Christus bewundert und rühmt. (Menken.) Ebenso aber, wie die Welt den Glauben gering achtet und der- selbe ihr eine werthlose und unbedeutende Sache dünkt, viel werthloser als Kunst und Wissenschafh Bildung und Weisheit der Menschen, achtet sie auch den Unglauben gering, d. h. sie meint, es liege fast wenig daran, ob einer glaube oder nicht, wenn er nur sonst ein gutes Lob vor den Leuten habe und einen rechtschaffenen Wan- del führe; der Unglaube schade ihm nichts, weder auf Erden noch im Himmel, weder bei den Menschen noch bei Gott. So urtheilt sie, und macht sogar aus dem Unglauben noch einen Ruhm nnd eine Ehre. (Thomasius.) IN) Darüber hat man mit großen Sorgen gehandelt, auf daß ja die Mutter Gottes und die Apostel nicht ge- ringer seien denn dieser Hauptmann. Wiewohl ich nun auch sagen möchte, daß Christus nicht seine Mutter Maria und die Apostel damit wolle gemeint haben, sondern vom großen Haufen rede, die sein Volk Israel heißen , so will ich doch lieber bei des HErru Worten bleiben und sie gehen lassen, wie sie lauten — zum Ersten, weil es wider keinen Artikel des Glaubens ist, » ·zddGlbds ts"-st· ·t sis geworden IMD Dsssch DE« GIOITVEU «» Osten! : gåkakkesiieaikk Tukakiakskåp FTT"3kpJsTTiTk;9L«-XZTT2Use? auch Christi Worte nicht mit unserm Deuten beugen sollen. Zum Andern darum, weil solch Beugen ans sleischlicheiii Sinn und Andacht herkommt, weil wir die Heiligen Gottes nicht uach Gottes Gnade, sondern nach ihrer Person, Würdigkeit und Größe messen, welches wider Gott ist, der sie viel anders mißt, allein nach seinen Gaben. Er will seinen Geist von uns nn- gemessen haben in seinen Heiligen und seine Gaben frei geben, wie es ihm gefällt U. Cor. 12 , 1l), nicht wie es uns dünkt; ja, er sagt vo1i sich selber, wer an ihn glaube, soll größere Zeichen thun, denn Er gethan Ade. Dies geschieht alles darum, damit niemand sich vermesse über den Andern, und niemand einen Heiligen über den andern hebe und Sekten anrichte (was wohl geschähe, wenu er der Heiligen Glauben nicht zuweilen sinken ließe), sondern lasse sie alle gleich sein in Gottes Gnade, wie ungleich sie auch in seinen Gaben. Er will durch St. Stephan thun, was er durch St. Petrum nicht thut, und durch St. Peter, was er durch seine Mutter nicht thut, auf daß Er es allein sei, der alles thut in allen, ohne Unterschied der Person, nach seinem Willen. (Luther.) Es fehlt nicht viel, so ist der Hauptmann der Erste, welcher den Aposteln , Jsrael und der Welt ver- kündigt, daß Jesus wahrhaftiger Gott ist. Das aber sagt er ganz deutlich, daß alles an dem Worte Christi Z) Der HErr heilt des Hauptmanns Knecht aus der Ferne durch sein bloßes Wort. 105 liegt, daß Christi Macht und Gnade in seinem Wort beschlossen ist, daß man in seinem Wort mit ihm han- deln und alles Uebrige fahren lassen muß, wenn man seine Macht und Gnade erfahren will. Das Geheimniß hätte er aber gewiß nicht erkannt , wenn er nicht die schwere Kunst der Christen verstanden hätte, zwei Dinge zu vereinigen, seine Unwürdigkeit und Christi hilfreiche Gnade und Liebe. Nur der Glaube ver1nag die zwei Dinge zu vereinigen, die wie Tod und Leben mit ein- ander kämpfen; in solchem Glauben jetzt der Hauptmann einen Raum zwischen sich und Jesu«, als. dürften beide nie zusammen kommen, und doch ist er der kühnen Zu- versicht, daß Jesu Wort, d. i. Iesu Herz, Wille, Macht und Liebe zu ihm nnd seinem Knecht kommen soll. (Münkel.) Wiss) Jn der zukünftigen Welt, heißt es in einem Aus- spruch der jüdischen Rabbinen, will ich euch (Juden) einen sehr großen Tisch herrichten, hat Gott gesagt; das werden die eiden sehen und mit Scham erfüllt werden. Das Gegent eil aber sagt der HErrt Abraham, Jsaak und Jakob· werden nicht mit ihren Kindern nach dem Fleisch im Reiche Gottes sitzen, sondern mit ihren Kindern nach dem Geist, denn Fleisch nnd Blut kann das Reich Gottes nicht ererben. —- Newton pflegte zu sagen: Ueber drei Stücke werden wir uns bei dem Eintritt in den Zimmel am meisten wundern —- nämlich, daß wir man en unter den Seligen erblicken werden, den wir da nicht suchten, manchen Andern vermissen, den wir zu finden glaubten, am allermeisten aber darüber, daß wir uns selbst unter den Seligen sehen. f) Liebliche Aussicht für die fernsten, verlorensten Sünder aus den Heiden, sobald sie glauben an den, von welchen ihnen zuvor nichts verkündet! Die Weisen vom Morgenlande und die 3 Hauptleute aus dem Abendlande, der hier, der unter dem Kreuz und der zu Cäsarea, eröffnen und führen an den Reigen zu Abrahams Glück und Loos. Entsetzliche Aussicht dagegen für das so hoch bevorzugte Israel, für die so lang und laut geladene Christenheit, wäh- rend jene im lichten Hochzeitssaale die Ehren des Bräu- tigams singen, des Reichs verlustig, der Krone verlustig die Füße an den dunkeln Bergen zu stoßen am Ort und Schatten des Todes! Was lIJür ein Heulen der zu späten Reue, was für, ein Zä neknirschen ohnmächtiger Wuth gegen das Geschick, vergeblicher Wuth gegen sich selbst, wird bei der Empfindung des Fluchs der einst beliebten Siinde das Bewußtsein erwecken , eine solche »Seligkeit nahe gehabt, aber nun für immer, für ewig versäumt zu haben! Und wie versäumt! Ach, wenn man noch einen unersehwinglichen Kanfpreis darum hätte zahlen sollen! Aber umsonst war sie zu haben; keine Kirchenstiftungen und Liebeswerke wurden vorab als Bedingung gestellt, nicht einmal die Inenschlich edle Gesinnung jenes Hauptmanns brauchte man erst aus dem Eigenen darzureichen Auch ein sehr unnobler Mensch, sobald ihn nach Gott reut, empfängt sie als- bloßer Sünder durch den bloßen Glauben als Lohn einer fremden Mühe , einer Liebe, die sich an uns zu Tode geliebt. Jsrael wird hinausgestoßen und mit ihm, die aus der Christenheit in seinen Wegen gehen, nicht weil es zu elend und allzusündig war, sondern weil es dem Heiland der Sünder, der unter sein Dach gekommen, das Herz, um das er warb als seiner Schmerzen Lohn, versagt hat. (Roffhack.) Der HErr sieht in diesem Hauptmanne den Zugführer der Heiden von allen Welt- enden; wir dürfen wohl in diesem selben Manne auch insonderheit den Zugführer eines Heeres erkennen, wel- ches sich der HErr von den Heeresfahnen her zu seiner Kreuzesfahne geworben hat. Der Stand der Krieger ist aber auch zu ganz besonderem Danke dem HErrn ver- pflichten wie die Eheleute den HErrn preisen sollen, weil er den Ehestand als ein Gleichniß seines Verhält- nisses zu seiner Gemeinde verwendet, so hat der Kriegs- mann dafür den Namen des HErrn zu erheben, daß er alle seine Gläubigen zu rechten Kämpfern und Streitern machen will. (Nebe.) 13. Und Jesus [auch wirklich nicht weiter mitgehend, den starken Glauben des Hauptmanns durch eine volle Entfaltung seiner Wundermacht vor allem Volk zu ehren] sprach zu dem Haupt- mann sindem er mit dessen Abgesandten verhan- delte, alshabe er’s nicht mit ihnen, sondern mit ihm selber zu thun]: «Ge»he hin, du: geschehe sm so herrlicher, überschwanglicher Weise], wie du geglaubt haft [daß ein bloßes Wort hinreiche aller Noth in deinem Hause ein Ende zu machen) Und sein Knecht ward gesund zu derselbigen Stunde swo Christus also redete Joh. 4 , 46; daher die Gesandten, da sie wiederum zu Hause kamen, den Kranken als bereits genesen vorfandens »Der Aus-fähige, wie er sich nicht auf das bloße Wort Jesu berufen hat, so wird er auch tiicht durch das bloße Wort gereinigt; denn Jesus streckte seine Hand aus, rtihrete ihn an und sprach: Jch wills thun , sei gereiniget. Den Vorzug hat Israel gehabt, daß Jxsus persönlich , leiblich und äußerlich, sichtbar und fühlbar mit ihm in Gemeinschaft getreten ist und dadurch einen größeren Eindruck hervorgebracht, die Kraft seines Wortes verstärkt und dem schwaehen Glauben eine Stütze gegeben hat. Der heidnische Hauptmann dagegen muß es früh lernen, die Stützen fahren zu lassen, von dem Sichtbaren abzusehen, von der leiblichen Gegenwart-Feste geschieden zu sein und nur im Geiste durch den Glauben an seinem Worte zu hängen. Dadurch ist er ein Vorbild der gläubigen Heiden geworden, welche Iesum dem Fleische nach nicht gesehen haben und sich allein seiner Gegen- wart in seinem Worte freuen können« Die scheinbare Verschiedenheit unsers Berichts von dem in Las. 7, 1 ff. , daß dort der Hauptmann sich durch Andere vertreten läßt, während er hier selber zu Jesu zu kommen scheint, rührt nur davon her, daß Matthäus das Hauptgewicht auf die gesprocheneii Worte legt, im Uebrigen aber die Erzählung sehr in’s Kurze zusammenzieht und dabei nach der bekannten Regel ver- fährt: quocl qujs per alium Breit, ipse feeisse putatur (was jemand durch einen Andern thut, gilt soviel, als hätte er’s selber gethan: 2.Sam. it, 12. l3), wie denn auch in der That, nach BengePs trefflicher Bemerkung, Jesus und der Hauptmann ,,im Geiste« unmittelbar mit einander verkehrten. Für Lukas dagegen, der feinem ursprünglichen Stande nach ein Arzt und seiner Stel- lung in der Kirche nach ein Schiiler des Heidenapostels Paulus war, hatte es etwas besonders Anziehendes die Nebenumstände der Geschichte in recht anschaulicher Weise darzustellen; er geht alsbald nach der Bergpredigt zu derselben über , indem er die von der Heilung des Aussätzigeii einstweilen bei Seite läßt und sie als eine für sich bestehende Gruppe ebenso, wie Markus, au einer andern Stelle außer zeitlichem Zusammenhang erzählt« I· d. 14——-17. (§. 31.) Jlus die beiden im vorigen ZU)- schnitt erzählten Begebenheiten folgt ein Jieitraum von etwa 6 Monaten, aus dem die enangrlische llerliiindignug nichts Uähereg zu berichten hatte; denn das Leim( und Wirken unsern Heim: ist zwar wie der ttesblaug maje- stätische Uakhthimmel ein unterlsrottjeneo Ganze voll wunderbare: Kraft und Herrlichkeit, aber nur die lenrh- tenden Punkte in den einzelnen Sternen oder zusammen— 106 Evangelium Matthäi 8, 14——18. hängenden Sterngrnppen will die evangelische Geschichte ung unter die Augen stellen. Da benutzt denn St. mat- thäug die vorläuscge Pause, um zuncichst aug der Zeit der ersten Wirksamkeit Iesu zu Kapernaum eine Be— getsenheit nachzuholen, dadurrh er an einem von den kürzlich berufenen vier Jüngern (t.iap. 4,18 ff) in einer weise sich verherrlicht hatte, durch die er diesen mit neuen Banden an sich knüpfte, indem unn auch die Seinen für dag Rein) Gottes gewonnen wurden. GH ist das die Heilung der Snjutiegermutter Petri, dessen tjaus hinfort so gut wie sein eigenes wurde W. 14 u. 15). Jllg dann mit Untergang der Sonne der Abend herbei- kam, brachte man viele Kranke nnd gesessen« ja was man nur an tkcidenden in der Stadt austreiben konnte, zu Seht; die Kranken heilte er durch Kuflegung seiner Hände, die Besessenen durch sein Wort, dag mit Gemalt den unsaulieren Geistern gebot, nnd sie mußten ihtn ge- horchen. Der Evangelist erkennt auch in diesen tjeilnngen die Erfüllung einer alttestamentliktsen weissagung (dlgl. Mark. l, 29—34; Mk. 4, 38—-41.) 14. Und Jesus snicht jetzt, bei der in V. 5 ff. erzählten Rückkehr nach Kapernaum, sondern 1 Jahr 4 Monat früher, nachdem er am Sabbath des 5. Juni a. 28 n. Chr. in der Schule zu Kaper- naum gelehrt und einen Besessenen geheilt hatte Mark. 1, 21 ff.; Luk 4,· 31 ff] kam sin Beglei- tung der 4 Jünger Petrus und Andreas, Jakobus I. und Johannes] in Petri Haus sder zwar von Bethsaida gebürtig Joh 1 , 44., aber mit seinem Bruder Andreas nach Kapernaum verzogen Mark. 1, 29 und seit einiger Zeit daselbst verheirathet war 1. Cor. I, b] und sahe [von den Hausge- nossen zu dem Krankenbett geführt] daß feine sdes Petrus] Schwieger Ikmutter Richt 19, 10 Anm.] lag und hatte das Fieber swelche Art von Fieber, läßt sich nicht ermitteln, jedenfalls aber hatte· die Krankheit einen acuten Character Luk 4, 38, ja, stand vielleicht in Zusammenhang mit den über- haupt in der Stadt herrschenden dämonischen Leiden V. 16]. 15. Da griff er ihre Hand» sum sie von ihrem Lager aufzurichten], nnd das Fieber [indem er dasselbe bedrohete] verließ sie. Und sie saus einer bettlägerigen Fieberkranken nun zu einer lebenswarmen Wirthin geworden] stund auf und diente ihnen [dem, der zuerst ihr gedienet, und mit ihm auch seinen Jüngern durch Veranstaltung eines Gasttnahlss Die älteren Schriftauslegern bei ihren Versuchen, eine Harmonie der vier Evangelien herzustellen, gingen von der Voraussetzung aus, die heil. Evangelistem um nicht Unwahrheit zu schreiben, hätten sämmtlich eine streng chronologische Ordnung bei ihren Erzählungen eingehauen, und wußten nun in Fällen wie hier, wo dieselben Geschichten bei dem einen Evangeliften so, bei dem andern anders auf einander folgen, sich nicht anders zu helfen, als das; sie annahmem ein und dieselbe Begeben- heit habe sich im Leben Iesu Christi unter völlig gleichen Umständen zwei oder drei Mal ereignet; so verfährt namentlich Lukas Osiander, und noch Starke in seinem Bibeltverk folgt bei der Texterklärung dieser geistlosen Art von Harmoniftih zu deren Widerlegung an unsrer Stelle ganz einfach BengelUs Wort hin- reicht: die Heilung von Petri, mit einem harten Fieber behafteten Schwieger ist viel herrlicher, da eine dauer - hafte Gesundheit darauf erfolget, als wenn sie ein oder zwei Rijckfälle bekommen hätte. Was nun das Ver- hältnis; der Ortslage von Bethsaida und Kaperuaum betrifft, so haben wir schon zu Kap. 4, 25 das Nöthige bemerkt; bei der dort angedeuteten engen Zusammen- gehörigkeit beider Ortschaften würde eine Uebersiedelung des Petrus und Andreas nach Kapernaum, die ihnen gleichwohl die Fortsetzung ihres Fischerhandwerks an dem Seeufer von Bethsaida möglich machte, sich von selbst erklären. Wie sehr aber ,,Kapharnaum« bis zu dieser Stunde verkannt ist, schreibt der kathol. Geschichtsprm fessor Dr. Sepp in seinem Pilgerbuch nach Palästina 2c., lehrt schon der Umstand , daß uns weder in deutschen, noch in englischmmerikanischen oder französischen Werken eine Zeichnung hiefiir zu Gebote steht; er verlegt Ka- pernaum mit Robinsoti an die Stelle des jetzigen Khan Miniyeh, läßt aber nur Ein Bethsaida gelten, das atn Ostufer des Sees Genezareth. Wie es scheint, war Petrus bei seiner erstmaligen Berufung (Joh. 1, 40 ff.) noch unverheirathey erst m der Zeit, die zwischen §. 25 u. 29 unsrer Evangelienharmonie liegt, nachdem der HErr seine Jünger wieder in ihre Heimath zum ge- wöhnlichen Tagewerk entlassen hatte, trat er in den Stand der Ehe mit einem Miidchem deren Mutter noch lebte, und übernahm in Gemeinschaft mit seinem Bru- der Andreas das elterliche Haus derselben. Die kirch- liche Sage nennt ihren Namen bald Perpetua, bald Concordia, und führt auch eine Tochter aus dieser Ehe mit Namen Petronella auf. Im offenen Widerfpruch mit I. Cor. 9, 5 haben kathol. Schriftsteller behauptet, Petrus habe von Anfang seiner« Jttngerschaft an sein. eheliches Leben rein aufgegeben; im Gegenthetl ist es eine merkwürdige Fijgung Gottes, daß wir gerade von demjenigen Apostel, als dessen Rechtsnachfolger die römischen Päpste sich ge-rtren, so bestimmt wissen, daß er auch in seiner apostolischen Wirksamkeit seine Ehe fortsetzte, und wenn sie mit ihrem, den Geistlichen auf- genöthigten Cölibat (Ehelosigkeit) sich auf Pauli Rath- schlag in 1. Cor. 7, 32 ff. erufen wollen, so macht sie wieder desselben Paulus Wort in 1. Tini. 4, 3 zu Schanden Als Jesus nach Käse. 4, l3 gen Kapernaum kam, um diese Stadt zum Ausgangs- nnd Mittelpunkt seiner Berusswanderungen zu machen, hatte er im vollen Sinne des Worts nicht, da er sein Haupt hinlege (Kap. 8, 20). Nun hat er bereits durch die Berufung des Petrus nnd Andreas (Kap. 4, 18) in deren Hause eine gastliche Herberge, wie einst Eliia bei der Sunamitin sie gefunden (2.K"o"tt. 4, i« ff.j, sich bereitet (Mark.1, 29) und jenes Wort Petri in Luk 5, 8: »HErr, gehe von mir hinaus« in das Gegentheil verkehrt; jetzt aber kam es darauf an, daß auch die übrigen Glieder des Hauses, die Schwiegermutter mit ihrer Tochter, ganz für ihn gewonnen würden» Da zeigt denn unsre Geschichte, ans welche Weise der HErr mit diesen beiden Herzen im Glauben sich verlobt, daß sie ihn erkennen (Hos. Z, 20); und das Wunder der Heilung von dem Fieber ist um so bedeutsamer, als die Krankheit der Schwiegermutter, wie der von dem Arzte (Col. 4, 14) Lukas (Kap. 4, 38 f.) gebrauchte Ausdruck: »ein hartes Fieber« in Verbin- dung mit dem andern: ,,er gebot dem Fieber« bezeugt, sehr ernster Natur war. ,,Uuter den Zwölfen war kei- ner, dessen Haus, Person, Fahrzeug, kurz, dessen ganzer Lebenskrets so zum Schauplatz treffender Wunder ge- macht wurde, als der des Petrus. Durch das erste Wort des HErrn (Joh. 1», 43) wird er sein Freund; durch das Wunder des Frschfangs (Luk. 5·, 1 ff.) wird er sem Apostel; durch das Wunder an seiner Schwieger Frühere Wunderwerke Christi: Heilung der Schwiegermutter Petri und vieler andern Kranken. wird der Apostel dem Meister in daukbarer Liebe ver- bunden« Wie nun hier die geheilte Schwiegermutter sofortgum Dienen sich gitrtet und damit beweist, daß die let ltche Wohlthat auch an ihrem Herzen gesegnet war, so sehen wir hernach das Haus des Petrus so völlig zu einem Hause des HErrn geworden , daß Ka- pernaum in Kuh. 9, 1 seine Stadt heißt, daß auch seine Familie nach Kap. 12, 47 ff. ganz zu ihm über- siedeln konnte und daß er in Kap. 17, 24 fl. als der eigentliche Hausherr erscheint. 16. Am Abend [des nämlichen Tages] aber [als die Sonne untergegangen und der Sabbath zu Ende war, an dem man sich hatte still gehalten nach dem Gesetz 2. Mos 20, 9 ff.] brachten sie [die Einwohner zu Kapernaum] viel Besessene [1. Sam. 16, 14 Anm.] zu ihm sdaß er sie ge- sund mache]; und er trieb die [bösen] Geister aus mit Worten [indem er nicht blos ihnen gebot aus: zufahren , sondern auch , wenn sie nun unter den siltrmischen Paroxismen der Genesenden ihn als den Sohn Gottes ausrufen wollten, sie nicht ausreden ließ Mark. l, 34; Luk. 4, 41] Und machte sauch sonst] allerlei Kranke [bei denen es sich nicht gerade um eine Teuselsaustreibung handelte] gesund, 17. Auf das; [insofern ja an diesem Abend, die ganze Noth der Stadt auf ihn fiel wie eine Last, schon vorbedeutend, wie später in noch volle- rem und tieferem Sinne Joh. 1 , 29; l. Petri 2, 241 erfullet lvurde , das gesagt ist durch den Propheten Jesa1am, der da km Katz. 53, 4 f. seines Weissaguligsbuches] sagt: Er hat Unsere Schwachheit sin allerlei Krankheiten Leibes und der Seelen] auf sich genommen, und unsere Seuche [die uns an den Abgrund des Verderbens gebracht] hat er getragen lsie uns abzunehmen und aus der Welt zu schaffen] Es ist fast , als ob die Synoptiker selbst durch die Wahl ihrer Worte ihre Leser in den Stand setzen woll- ten, dem HErrn an dem ersten Tage seiner unermüdeten und gesegneten Wirksamkeit zu Kapernaum beinah Schritt vor Schritt zu folgen. Während die Sonne untergehn ist durch das Gerlicht zweier Erstaunen erregender Wunder (Mark. 1, 23—3l) das Licht einer neuen Hoff- nung für die Kranken in Stadt und Umgegend aufge- gangen. Der plastische Zug, den Markus (1, 33) seiner Darstellung beifttgt , daß die ganze Stadt sich vor der Thtir versammelte, verräth deutlich den Einfluß Petri, des Augenzeugen (van Oosterzee.) Matthäus, der vor- zugsweise als für Juden schreibend , die Erscheinuugen im Leben Jesu an die messianischen Zeichnungen des alten Testamentes anzuschließen beniiiht ist, citirt hier Jes. 53, 4 mit der ihm so geläufigen Formel: auf daß erfltllet würde, das da gesagt ist. Faßt man nun, wie man muß, die Person des Erlösers eben so sehr als eine wahrhaft meuschliche, denn als eine rein göttliche auf, so läßt sich nicht anders denken, als daß auch die Heilungsthätigkeit des. Errn in einem Ausströmen und Aushauchen seiner Le ensftille bestand, daß überdies seine ganze Seele mit iuniger Theilnahme in die Noth der Leidenden einging und er ein wahrhaftes Mit-Leiden mit ihnen empfand; wie aber leibliche Anstrengung ihn leiblich ermüdete (Joh. 4, 6), so wird ihm auch solche eistige Thäti keit eistig erschöpft haben, man kann da- her: sagen, da au in Beziehung auf die Schwachheiten und Krankheiten der Menschen Jesus in seiner Seele gearbeitet und die Sünde der Welt getragen hat. (Olshausen.) Ein großer Tag der Feier und der Arbeit war so für den HErrn vergangen, ein langer Siegestag in seinem Kampfe mit dem Reiche der Finsterniß und des Todes, und sein Leben war in die höchste Bewegung versetzt: in solcheu Stimmuugen des Triumphs eilte er gern in die Einsamkeit; denn es war dem Volke nicht gut, in einer solchen stlirmischen Aufregung zu verharren, und ihm selber war es Bedürfniß, sich in der Einsam- keit, tief im Himmel des Gebets , in der Gemeinschaft seines Vaters zu erholen. So trieb ihn jetzt der Geist am andern Morgen, als kauni der Tag grauete, hinaus in eine Einöde Allein mit dem frühesten Morgen er- neuerte sich auch das Gedränge der Hilfesuchenden und Heilsbegierigeu vor dem Hause des Simon. Jesus war fort, aber Simon wurde gedrängt, er mußte ihn auf- suchen; auf diesem Wege schlossen, wie es scheint, nicht nur Hausgenossen und Jünger Jesu, sondern auch Leute aus dem Volkshausen sich ihm an, und als sie Jesum fanden, erklärten ihm die Jungfer, er werde von allen sehnlichst ausgesucht , während die Andern ihn baten, er möge nicht aus der Stadt fortgehen. So thaten die Bürger in Kapernaum das Gegentheil von dem, was die Nazarethaner gethan hatten: jene hatten ihn fort- gestoßen, diese wollten ihn für sich behalten und wo möglich in ihrem bürgerlichen Wesen fesseln. Zudring- liche Anträge ließen sich wahrscheinlich vernehmen, aber Jesus konnte sich keine Fesseln anlegen lassen. Auch den andern Städteu muß ich das Reich Gottes verkündigem erklärte er, denn dazu bin ich gesandt; und zu den Jüngern gewendet, sagt er: wir müssen jetzt ziehen! Mark. 4, 35—38; Luk. 4, 42——44. (P. Lange.) II. la. 18—27. (§. 33 n. 34.) War« hierauf weiter geschah, hat St. itlalthäiis schon in Lan. 4, 23——25 erzählt. Als aber Jesus; dann naeh Kapernauin zurück— geliehrt und zum zweiten Mal längere Zeit daselbst thälig gewesen ist, verläßt er nach demselben Grundsatz, ankh andern Städten das Evangelium predigen zu müssen, das Voll: gleich vom Seeufer aus, an dem er zu ihm geredet hat, und will noch am Jtbend desselbigen Tages nach der Siidostseite des galiläischeic Meeres hinüber— fahren; einen Schriftgelehrtcm der-sieh ihm auschließeii will, hält er von seiner llaehfolge zurück, einem Junge: dagegen, den er dazu heran, hebt er das Bedenken, das diesen zitrüitihält Zeus der Fahrt selber begiebt sieh dann die Geschiihte oou dem gewaltigen Seesturin und von dessen Wunderbarer Stillung. (Vgl. Mark. 4, 35 —41; sub. Z, 22-—25.) 18. Und .da Jesus seines Nach1nittags, etwa im September des J. 28 n. Chr., als er am Ufer des Sees Genezareth in der Gegend bei Bcthsaida stand] viel Volks um sich sahe [bestieg er ein Schiff und predigte den Leuten lange durch Gleichnisse, wie deren etliche in Kap. 13 vorliegen; als es aber darüber Abend- geworden war und er für jetzt nicht nach Kapernaum zurückkehren, son- dern mit seiner Wirksamkeit sich erst anderwärts hinwenden wollte Mark. 4, 1 f. 35 f.], hieß er [die Jünger, denen das Schiff gehörte, nachdem sie das Volk entlassen hätten] hinüber jenseit des Meers [nach dem Gebiet der 10 Städte V. 28] fahren. Die 3 ersten Evangelisten haben uns sämmtlich eine Predigt Jesu in Gleichnissen aufbewahrt (Matth. 13, 108 1—-52;· Mark. 4, 1-—34; Luk. 8, 4—18); wenn nun bei Lukas weder das, was unmittelbar voraus-ging, noch das, was unmittelbar darauf folgte, sich bestimmt erkennen läßt, so haben dagegen Matthäus und Markus- dasselbe Vorher (und eigentlich auch Lukas , da der Abschnitt: 8, 19-—21 in chronologischer Hinsicht offenbar vor den andern: Z, 4——18 gehört), aber ein an- deres Nachher (vgl. Matth. M, 53-—58 mit Mark. 4, 35—41), und da beide gerade hier auf den geschicht- lichen Zusammenhang, sowohl was das Vorher als das Naihher betrifft, ein Gewicht legen (Matth. 13, l u. 53 f.; Mark. 4, 1 n. 35), so müssen beide, so sehr sie auch hinsichtlich des letzteren Punktes in gegenseitigem Widerspruch zu stehen scheinen, dennoch Recht haben. Da finden wir nun die Ausgleichung darin, daß der HErr zwei Mal vom Ufer des galiläischen Meeres aus, und zwar zu ganz verschiedenen Zeiten, das Volk in Gleichnissen gelehrt hat: das zweite Mal· geschah es in demjenigen geschichtlichen Zusammenhang, den so- wohl Matthäiis als Piarkus, und mittelbar auch Lukas, angegeben haben (Matth. 1"2, 46—50; Mark. 3, 3l—35; L11k. 8, 19——21) und den wir später werden näher ken- nen lernen; was nun da die darauf folgende Begebenheit betrifft, so ist hier Matthäus im Rechte. Dagegen das erste Mal geschah es in demjenigen geschichtlichen Zu: sammenhan , den wir oben bei Erklärung unsers Verses angedeutet aben; und sich anfchließenden Geschichte das Recht auf des Markus Seite. Es läßt oben in V. 18 sich kaum denken , daß Jesus das viele Volk, das sich zu ihm versammelt hat, um ihn zu hören , sollte ,,ungeesseu« (im geistlichen Sinne des Worts) von sich gelassen haben; Matthäus schreibt überhaupt manchmal sehr kurz und läßt viel zwischen den Zeilen lesen, urd aus dem, was er in Kap. 13, 2 f. erzählen wollte, konnte ja, das durfte er voraussehen, der aufmerlsame Leser leicht erkennen, wie er die wenigen Worte: »Und da Jesus viel Volks um sich sahe,« sich weiter anszumalen hätte. Andrerseits aber läßt es bei Katz. 13 kaum sich denken , daß Jesus in einer einzigen Predigt sollte ein Gleichniß über das andere, und zwar von ganz verschiedenem Gedanken- inhalt, vorgetragen haben; er hätte damit das Volk geradezu tiberfchiittet und eher betäubt, als gelehrt. Vielmehr sind bei solchen langen Predigten des HErrn die Gleichnisse gewiß nur die Gedankenspitzen , die Summa, in die er das Gesagte noch einmal kurz zu- sammenfaßt, und zwar in der dem Morgenländer ge- läufigsten Form , während wir Abendländer dafür das Thema mit seinen Theilen haben. Sollen wir nun auch unsre Pieinnng sagen, welche von deu»in Salz. is mitgetheilteu Gleichnißreden etwa hierher, m·d1e erste Seepredigt Christi gehören, so verweisen wir auf die Gleichnisse vom Seufkorn und vom Sauerteig·(V. 31 ——?33), ferner auf die vom verborgenen Schatz im Acker und von der Einen köftlichen Perle (V. 4»4—4ts)); »in die zweite Seepredigt aber gehören die Gleichntsse vom vielerlei Acker und vom Unkraut unter dem Weizen (Matth. 13, 3——9. 24-—30), sowie das von den guten und faulen Fischen (V. 47—F»)0). Jn Beziehung auf diese unterreden sich nachher die Jünger mit ihm und er mit den Jüngern (V. 1,t)— AS. Ists-Its. 5l u. 52), was nur auf dem Wege, theils nach Hause·(V. 36), theils nach Nazareth (V. 53 f.), geschehen ·sein kann; im Schiffe hingegen war zu solchen Zwiegesprächem wie auch Markus sie erwähnt und dabei den HErrn noch manches andere Wort zu den Jüngern reden läßt (Mark. 4, 10—·29. 36 ff.), kein ungestörtes Beisammen- sein, vielmehr sank der HErr da bald in den Schlaf. An diese Erzählungsweise der Evangelisten , wo sie Manches, was zu verschiedenen Zeiten und an verschie- hier finden wir in Betreff der — Evangelium Matthäi 8, 19——-22. denen Orten vorgefallen, seinem inneren Wesen nach aber gleichartig ist, zu einem Gesammtbilde vereinigen, müssen wir uns gewöhnen; erst dann wird es möglich, in die scheinbare Verwirrung, die uns öfter begegnet, sich zu finden und ein lichtes, klares Verständnis; sich anzueignem 19. Und es trat zu ihm lals eben die Abfahrt vor sich gehen sollte] ein Schriftgelehrter lder die Seepredigt V. 18 mit angehört und in der augen- blicklichen Begeisterung , von der «er sich ergriffen fühlte, den verborgenen Schatz im Acker heben und die Eine köstliche Perle kaufen wollte, davon der HErr geredet hatte Kap. 13, 44—46], der sprach zu Ihm [nicht nur zur Mitfahrt für jetzt, sondern auch zur Nachfolge für inimer sich anbietend]: Meister, ich will dir folgen, wo du hingehest [wo- hin es auch sein möge]. » 20. Jesus lwohl wissend, daß er es hier nur mit einem leicht erregbaren, aber noch keineswegs von» Gott ergriffenen Herzen zu thun habe] sprach zu ihm sum von dem unüberlcgtem wenn auch wohlgemeinten Schritt durch ernste Vorhaltung was für ein ernsies Loos seinen Nachfolgern be- fchieden sei, ihn zurückzuhaltenL Die» Fukhse haben Gruben lzu ihrer BehausungL und die Vogel unter dem Himmel haben Nester lwohin sie sich als in ihr Quartier zurückziehen könnensjz aber des Men- schen Sohn sDan 7, 13 f. Anm., den du aller- dings in meiner Person vor dir hast] hat nicht, da er seiu Haupt hinlege kund da bedenke dirs zuvor, was es heiße, ihm folgen, wo er hingeht]. Daniel sah nur das Bild, die Gestalt des messiani- schen Menschensohnes; in Christo ist er wirklich erschie- nen. Jesus aber hat diese alttestamentliche Bezeichniing des Messias ohne Zweifel deshalb gewählt, weil die iüdisch - chiliastische (von irdischer Herrlichkeit träumende) ENessiasEiwartung sich nicht dieses Ausdrucks in gleicher Weise, wie der andern alttestameiitlichen Bezeichnungen bemächtigt hatte; er setzte also den krankhaften, Phanta- ftifchen Erwartungen der Juden vom Messias, woran sich auch dieser Schriftgelehrte zu betheiligen schien, vor allem die Menschheit und Meuschlichkeit seines messiani- schen Charakters entgegen, er wollte vor allen Dingen als ein wahrer Mensch erkannt werden, und zwar nach der Armuth der äußeren meuschlichen Erscheinung, wenn auch zugleich dabei als der Menschensohm der zweite, ideale, heilige Biensch (1. Cor. is, 45 ff.). Bemerkens- roerth ist, daß gerade ebenso Johannes der Täufer dem Namen Elias, mit welchem Maleachi seine Zukunft ge- weissagt hatte, auswich, und sich dagegen die Bezeich- nung bei Jesaiasx »die Stimme eines Predigers in der Witstes erwählte (Joh. 1, 19ss.), weil sich auch an diese die chiliastische Auslegung noch nicht angesetzt hatte. (P. Lange) Die Antwort des HErrn berechtigt uns noch nicht, den sich zur Jiingerschast anbietenden Schrift- gelehrten einer unlauteren Absicht zu beschuldigein sondern sie setzt allein voraus, daß sein Beschluß zu rasch genom- men sei, als daß er hätte reif und wohl überlegt sein können; darum will der HErr, daß er sich vorher besin- nen möge, wie wenig Ruhe und Bequemlichkeit er auf diesem Wege zu erwarten habe. Er hat weniger, als selbst die freiesten Thiere besitzen, und kann also auch seine Nachfolger nur zur täglichen Selbstverleugnung rufen. Ger HErr weiset hier nicht zunächst auf sein Von zweien Nachfolgern des -HErrn: der eine wird zurückgehaltem der andere vorwärts getrieben. 109 geringes und ärmliches, sondern auf sein ruheloses und wandernde-s Leben hin, obschon auch das erste nicht ganz ausgeschlossen zu werden braucht — vielleicht spricht auch aus diesem Wort die Ahnung, daß er selbst ster- bend das Haupt an einem Orte zur Ruhe niederlegen würde, der nicht einmal sein Eigenthum war. Jeden- falls haben wir die tiefe Weisheit des HErrn auch darin zu bewundern, daß er gerade bei dieser Gelegenheit fich den Menschensohn nennt, als wolle er andeuten, daß er, der so viel Verleugnung fordert, sie auch vollkommen verdieue. Soweit wir aus andern Stellen selbst die besser gesinnten Schriftgelehrten kennen, werden wir wohl annehmen können, daß dieser auf ein solches Wort betrübt von dannen ging: Kap. M, 22. (v. Oosterzee.) 21. Und ein anderer unter seinen Jüngern [im weiteren Sinne des Worts Joh. 6, 66., der bereits zu seinen Anhängern zählte, an den er aber jetzt dieselbe Aufforderung richtete, wie in Kap. 4, 18 ff. an die beiden BriTderPaareJ sprach zu ihm: HErr lich bin bereit, dein beständiger Nachfolger und einer deiner Apostel zu werden, aber] erlaube mir, daß ich lfür dies Mal, statt mit dir hinüber jenseit des Meeres zu fahren] hingebe snach dem Haus meiner Eltern und GeschWisterJ und zuvor meinen Vater lvon dem ich so eben gehört habe, daß er heute gestorben sei, in Gemeinschaft mit meinen Angehörigen] begrabe 22. Aber Jesus sda bei diesem Jünger es auf eine sofortige, allem Hin: und Herüberlegen für immer ein Ende machende Entscheidung ankam] sprach zu ihm: Folge du mir [wie ich dir geheißen habe], Und las; die Todten [im geistlichen Sinne link. 15,.24; Joh. 5, 21; Offenb. Z, 1 ———hier: deine Angehörigen, die noch nicht zum neuen Leben aus Gott erwcckt sind] ihre Todten [im leiblichen Sinne des Worts — im vorliegenden Falle: dei- nen Vater] begraben lsie werden solches Geschäft, zu welchem ihre innere Natur in so naher Ver- wandtschaft sieht, auch ohne dich, ja besser als du besorgen, dir hingegen gebührt es, deine Pflicht gegen die zu erneuernde Menschheit der Pflicht gegen eine Hand voll Staub vorzuziehetis Gleichwie in Matth. 18 u. Mark. 4 zwei, zu ver- schiedenen Zeiten von Christo gehaltene See- und Gleich- nißpredigten zu einem Ganzen vereinigt sind und dies sein Gutes insofern hat, als wir so das Geheimnis; des Himncelreichs gleich mit Einem Male iiberschauety wenn auch der Blick in die äußeren Umstände, unter denen die Gleichnisse gesprochen wurden, nnd in die Zeitfolge der einzelnen Begebenheiten im Leben des HErrn uns da- durch verdeckt wird; so sind in Luk. 9, 57—62 die beiden hier vorliegenden Geschichteu mit einer dritten, innerlich damit verwandten, aber zeitgesclsiclstlich davon verfchiedenen zu einem Gesatnmtbilde verknüpft, was nun ebenfalls den großen Gewinn bringt, daß wir Christi Meisterschaft in der Behandlungsweise der ver- schiedenen Gemüthsarten mit Einem Blick übersehen können, nnd der Anschluß dieser drei Geschichten an die voranstehende (Luk. 9, 51—57) von den beiden Don- nerskindern (Mark. Z, 17) giebt dann weiter Anlaß, die vier menschlichen Temperamente in der Zucht Jesu Christi, des großen Perzenskündigers, zu betrachten, wie er das heiße Blut eziihmt, »den leichten Sinn warnt, den trüben Muth erinuntert und das träge Herz an- spornt (das cholerische oder heißblütige, das saugui- nische oder leichtblütige, das melancholische oder schwarzblütige, das phlegmatische oder kaltblütige Temperament) So liegt in der Darstellungsweise der heil. Evangelisten bei aller scheinbaren Verworrenheit deunoch eine große, göttliche Weisheit, wie ja aus-h Gottes Weltregieriing uns oft als ein ,,verwirrter Lauf der Welt« erscheint, bis wir im Licht erkennen, was uns zuerst so dunkel war. Nun haben von den drei Jüngern im weitern Sinne des Worts, Von denen St. Lukas an jener Stelle erzählt, der erste und dritte für uns weiter kein Jnteresse; sie haben sich selbst zur Auf- nahme in der; Kreis der Jünger Christi im engeren Sinne gemeldet, der HErr hat sie aber beide nicht brauchen können, und es ist gewiß ganz verfehlt, wenn P. Lange in dem ersteren den Judas Jscharioth, in dem letzteren den Matthäus wieder erkennen will. Dagegen muß der mittlere von den dreien, derjenige, mit welchem wir es an der vorliegenden Stelle zu thun haben, einer von den nachherigen Zwölfen (Kap. 1u, 1ff.) gewesen fein: aber welcher ist es gewesen? Ohne Weiteres ans- geschlosseu sind Petrus, Andreas, Johannes, Jakobus I. und Matthäus; denn von jenen vier ist schon in Kap. 4, 18 ff. erzählt, und von Matthäus hören wir in Kap. 9 , 9 fs.; der Kreis derer, die allein in Betracht kommen, schließt jedoch ans Gründen, die wir nicht einzeln erörtern können, noch enger sich zusammen, und es handelt sich zuletzt nur um die beiden: Philippus, an den Clemens von Alexandrien denkt, oder Thomas, den P. Lange hier nennt. Nun haben ohne Zweifel die beiden, welche ebenfalls scho11 früher Jefu Jiinger gewesen waren, Philippus und Nathanael oder Bartho- lomäus (Joh. I, 43 fs.), sich bald wieder zu ihrem alten Meister eingefunden, als dieser von Neuem seine Thätigkeit in Galiläa eröffnete (Kap. 4, 12 ff.), und sind von ihm auch bald dem engeren Kreis seiner Jiinger (Kap. 4 , 18 ff.) eingefügt worden , wenngleich nichts Näheres darüber mitgetheilt wird; daß aber in Bezie- hung auf Philippus dies erst hier, an unsrer Stelle, geschehen sein sollte, ist um so weniger glaublich, weil er überall, wo er in den Eoangelien auftritt, eine rasche, frische Geistesart offenbart, während wir es hier mehr mit einem schwermüthigeu Charakter zu thun haben. Dagegen ist Thomas in der That ein solcher Charakter; mit tiefer Unmittelbarkeitdes Gefühls verband sich bei ihm eine zum Zweifeln und Verzagen stimmende Re- flexion (Joh. 11, 16; 14, 5; ZU, 24), und da er nun feinem Herkommen nach gleichfalls ein galiläifcher Fischer aus der Gegend von Bethsaida war (Joh. 21, L) , ge- hörte er gleich anfangs zu Jesu Nachfolgeru im weiteren Sinne. Jndem aber der HErr jetzt in Begriff steht, die Meerfalsrt zu thun, und wohl weiß , wie ihm das eine Gelegenheit sein werde, vom Neuen als den Herrscher des Meeres sich zu offenbaren, wie er das schon in Luk. 5, 1 ff. gethan , beruft er den mit seinem irdischen Berufe an das Meer gebundenen Thomas zu seiner engeren Nachfolge, damit er Zeuge der Dinge sei, die da geschehen werden. Nun wird ein Nachdruck darauf gelegt, daß der Name dieses Jüngers ,,Zwilling« be- deute (Joh. II, l6; 20, 24; 21, ·2): war er das schon im leiblich en Sinne, was ja wohl möglich ist, so er- hält Christi Wort an ihn in V. 22 eine besondere Be- ziehung auf den noch unerweckten, vielleicht niemals gläubig gewordenen Zwillingsbruder; in geistlicher Finficht aber ist es nicht ohne Bedeutung, daß dieser so enannte Jünger unter einer Collision der Pflichten in den Kreis der Apostel eintreten muß. Endlich führen wir zu Gunsten der Ansicht, daß es sich hier um die Berufung des Thomas handele, den Umstand an, daß 110 Evangelium Matthäi 8, 23—26. in Kap. 10, 2ff. die Namen der Zwölfe wohl nach Maßgabe der Zeitfolge ihrer Berufung geordnet sind, und in der That fol t auf die Berufung des Thomas hier die des Matt äus in Kap. 9, 9 ff. Ueber den Ausspruch Jesu in dem vorliegenden 22. Verse behalten wir uns das Nähere zu Luk. J, 57 ff. vor? Evangelium am El· Sonntage nach Epiphaniäh Hat der erste Epiphaniensonntag den Propheten Christus in seinem ersten Worte, der zweite in seinem ersten Werke im Verhältniß zum alten Testamente, der dritte ihn in seiner von dem Tode der Sünde erret- tenden Wirksamkeit im Verhältniß zur Menschheit über- haupt gezeigt, so erschließt uns dieser vierte Sonntag das Verhältniß dieses Propheten zu dem Reiche der Natur, der Welt. (Nebe.) Vor acht Tagen handelte das Sonntags - Evangelium vom starken Glauben, das heutige macht uns abstchtlich auf den Kleinglauben aufmerksam, und wir erkennen darin wieder die Weisheit der alten Kirche, die in dieser Zeit nicht nur soviel wie möglich alle verschiedenen Glaubenszustände in Erwägung ziehen, sondern in ihnen mit Rath, Trost, Lehre und Ermunterung zur Seite stehen und dadurch Jesum ver- herrlichen wollte. (Arndt.) 23. Und er trat in das Schiff kdas zu seiner Aufnahme zurecht gemacht worden war V. 18], Und seine Iünger [im engeren Sinne, deren Zahl mit dem in V. 21 f. berufenen Thomas nun 7 betrug Kap. 10, 2 f.] folgten ihm [ganz fröhlich und wohlgemuthx denn obwohl es nun Abend war , zeigte sich doch nirgends am Himmel ein Anzeichem daß ein Sturm oder sonst eine Gefahr bevorstündes Der fchon viele und große Zeichen auf dem Lande gethan, ging jetzt auf’s Meer, um daselbst noch größere Werke zu zeigen, auf daß er allen als einen Herrn beide, des Landes und des Meeres fich offenbare. (Origenes.) Man hat hierin von je ein Bild der christlichen Kirche gesehen, wie sie unter der Veschirmung ihres HErrn und Meisters alle die, welche fich ihr an- vertrauen, trotz aller Feindschaft und Hasses der Welt glücklich an’s Ziel bringt, und hat darum unser Evan- elium kurzweg das Co. vom Schifflein Christi genannt. ålser will, der sieht also das Schifflein auch heute noch über die Wasser gehen, nur daß es nicht alle mit den gleichen Augen ansehen. Die Einen lieben den HErrn nicht und mögen nicht seine Iünger sein: die sehen nach dem Schifflein mit Haß und Verachtung, und können gar nicht genug sagen , wie gebrechlich und morsch und alt es sei, wie gewaltig die Stürme und wie wild die Wellen, die gegen es herandrängem und weissagen jeden Augenblick seinen Untergang. Andere sehen schärfen sie glauben an einen wunderbaren Bau des Schifflein-Z; die christliche Kirche dünkt sie eine große Macht, sie wissen, welche Stürme das Schifflein fchon überstanden hat, und zweifeln nicht , daß es noch manchem sicher widerstehen wird; aber hineingetreten in das Schifflein fmd sie nicht, sind nicht hineingetreten mit dem HErrn, von dessen Allmachtswort allein das Schifflein oben ge- halten wird. Etliche Andere aber haben gethan , was von den Jüngern gesagt wird: »sce folgten ihm nach in das Schiff,« und wollen die Fahrt mit ihm wagen; die allein erfahren es und können ein vollgiltiges Zeug- niß davon ablegen , was es mit diesem Schifflein für eine Bewandtniß hat und mit den Stürmen, die es be- drohen, und mit dem HErrn, der die Stürme immer wieder beschwichtigt Wie nun ergeht es denen, die mit Christo in’s Schifflein getreten sind? l) Sie werden Sturm haben, aber L) im Sturm Hilfe, und Z) nach Sturm und Hilfe großen Segen. (Caspari.) 24. Und siehe [nachdem die Fahrt einige Zeit ganz ruhig und friedlich vor sich gegangen und sie fchon auf der Höhe des Sees waren], da erhub fich [plötzlich, wie das auf dem rings von Bergen eingeschlossenen See Genezareth nicht selten sich ereignet, und zwar gerade von derjenigen Seite her, nach welcher die Fahrt hin ging Kap. 4, 25 Anm. , hier aber durch einen von oben her sich herabstürzenden Windwirbel bewirkt wurde Luk. 8, 231 ein groß Ungestiim [der aufgeregten Wasser: wogen], also, daß auch das Schifflein mit Wellen bedekket ward sdie Wogen über dem- selben zusammenschlugen und jeden Augenblick es zu verfchlingen drohten], und er [als störe ihn weder der Aufruhr in der Natur, noch der Auf- ruhr in den Herzen der Seinen] schlief sruhig weiter auf seinem Kissen hinten im Schifs, dahin er sich gleich bei der Abfahrt zur Ruhe von der angestrengten Thätigkeit des vorangegangenen Tages niedergelegt hatte Luk. 8, 23; Mark. 4, 38]. 25. Und die Iiinger [in ihrer Angst- da sie sich keinen ·Rath und keine Hilfe·mehr wußten] traten zu ihm und weckten ihn auf und sprachen [indem sie, der eine so, der andere etwas anders redeten »Mark. 4, 38; Luk. 8, 24., der Hauptsache nach aber» alle in dem ·Rufe sich ver- einigten]: HGrr, hilf uns , wir verderben [stehen in der äußersten Gefahr des Verderbenss Es ist kein Schiff auf allen Meeren jenem Schifflein zu vergleichen; denn der HErr ist drinnen, und feine Jiinger folgten ihm in dasselbe , sind bei ihm. Es ist kein See, kein Meer dem See Genezareth zu vergleichen; denn dieser trägt das Schifflein Christi, die Schule, in welcher die kostbare Perle Himmels und der Erde glänzt. Drum ist er wohl so schön, der See von Genezarethl Dachte der HErr daran, als er ihn schuf, daß der Ein- gebotene an ihm wohnen, auf ihm fahren würde? Jst deshalb der See so feierlich und freundlich still, wie die Seele des heiligsten Erlösers selbst, deß An esicht fich in seinen Wassern spiegelt? -—— Es ist sehr sti l Der HErr ist müde, und er entschläftx sein heiliges Haupt ruht auf einem Kissen, seinen heiligen Gliedern genügt das harte Lager im Hinterraum des Schiffs, er entschläft auf dem Meer, das ihn feiernd trägt — Engel und Menschen gelüstet es, diesen Schlafenden zu schauen. Da erhebt sich mit einem Mal ein Windwirbel und erregt ein Ungestüm im Meer; der Wind wirft die Wellen in’s Schiff, es wird voll und mit Wellen bedeckt, und schwebt in großer Gefahr. Wer mißgönnt dem Heiligen Gottes seine Ruhe? War»s, wie die Alten sagten, der Satan, der solchen Unfrieden wirkte und Christi Schisslein in den Sturm brachteP merkte er, daß ihm und seiner Legion, die in dem Besessenen jenseit am Gadareneufer wohnte (V. 28 ff.), eine Niederlage drohte? wollte er Christi Wunder an dem Besessenen vereiteln? —- Es wird ihm nicht gelingen! (Löhe.) Solche Stürme in der elementarischen Welt, wenn sie über das gewohnte Maß hinausgehen, haben etwas an fich, was auch ein sonst verhärtetes Gemüth erschüttern kann; sie sind nicht Den Wunderthaten zu Lande folgt eine Wunderthat auf dem Meere. 111 blos einBild, sondern eine wirkliche Folge der gestörten Harmönie in der geistigen Welt. Jn den Krämpfen und Zuckungen der Elemente spiegelt sich die Zerrüttung, welche die Sünde in den Menschenfeelen angerichtet; ja, die Natur , in Finsternis; und Grauen gehüllt, nimmt da oft eine so feindselige, schreckende Physiognomie an, es liegt in den Wuthausbrüchen des Sturmes, in feinem Heulen und Toben, wie in dem Zusammenschlagen und Aufschäumen der sich gegenseitig überstürzenden Meeres- wellen etwas so Tückifches und Boshaftes, als wenn die Dämonen der Hölle darin zum Verderben der Menschen los gelassen wären. (Roffhack.) Diese Historie läßt uns wohl merken und ein Sprüchwort daraus machen, daß wir sagen: so geht’s, kommt Christus in das Schiff, so wird’s nicht lange stille bleiben, es wird ein Wetter und Ungestüm kommen. Denn gewißlich gehet es also, wie Christus (Luk. II) auch sagt, daß der starke Gewapp- nete seinen Palast in Ruhe und Frieden befitzeh bis ein Stärkerer kommt; alsdann gehet der Unfriede an und hebt sich ein Schlagen und Kämpfen. —- Wenn es zu- vor alles stille ist, alsbald Christus sich mit einer Pre- digt hören und mit einem Wunderwerke sehen läßt, da brennt’s ·in allen Gassen; die Pharisäer, Schriftgelehrten, Hohenpriester rotten sich und wollen ihn schlecht (fchlech- terdings) todt haben, und sonderlichder Teufel hebt erst recht an zu toben und zu wüthecn Kap. 10, 34 ff. Die Welt kann wohl leiden alle Predigt, ohne Christi Predigt; gleichwie zu Rom und unter den Griechen (Apostg. 17, 16 ff.) viel und mancherlei abgöttische Pfaffen und Götzendiener waren, noch konnten sie den einigen Christum nicht leiden, sondern sobald derselbige kam mit seinem Evangelium und Predigt von rechter Erkenntniß Gottes, da wurden sie alle toll und thöricht, und wo er genannt ward, da schlug der Teufel mit seinem Wind und Wellen, mit Feuer und Schwert zu und wollte die Christen mit ihrem Christo nun zur Welt hinausjagem (Luther.) Der HErr weiß, was kommt, und legt sich schlafen vor dem Sturm, um zu schlafen während des Sturmes. Es sind ihm geringe Sachen , wenn Teufel und Welt wider ihn und seine Jünger stürn1en; er thut ihrem hohen Trotzen nicht die Ehre an, daß er sie an- sieht, er schläft ihnen in’s Angesicht, seine Widersacher möchten sonst denken, welche furchtbare Personen sie wären, wenn er sich mit ihnen zu schaffen niachte oder wenn er gar selbst in die Unruhe seiner Jünger hinein- gerietbe Nichts von dem allen: treibt es die Welt arg, so mag sie es noch ärger treiben; ihr zum Verdruß wird er ihre besten Künste mit einem tiefen Schlaf er- wiedern, was dem Feinde weher thut und mehr schadet, als wenn es zum offenen Angriffe gekommen wäre. Was lernen wir daraus? Nun, läßt der HErr die Noth und Anfechtung gewähren, sokönnen und müssen wir sie auch gewähren lassen: sicherlich hat es noch keine Noth, weil dem HErrn die Ruhe und das Schweigen gefällt. (Mitnkel.) Wo der Glaube der Jzinger stark und fest gewesen wäre , so hätten sie zum Meer und Wellen sagen können: Schlaget immer herein; so stark sollt ihr nicht sein, daß ihr das Schiff umstürzet, weil wir diesen HErrn Christum bei uns haben, und wo ihr’s schon vollendet, wollen wir doch mitten im Meer ein Gewölbe finden, da wir trocken sitzen und nicht ersaufen; denn wir haben einen Gott, derkann uns erhalten, nicht allein auf dem Meer, sondern auch in und unter dem Meer. Das heißt ein rechter Glaube: wenn er gleich in des Todes Rachen darinnen steckt, ermannt er sich doch und hält sich an diesen Trost, es könne ihm geholfen werden. (Luther.) Was ist denn für die Jünger in unsrer Textgeschichte vom Tode zu befahren, da das Werk, zu dem sie als Apostel ausgesonderh noch nicht einmal in ersten Angriff genommen? Bei ihnen im Schiffe Der, den der Vater gesandt hat, Jsrael zu er- lösen: wie sollte ein Sturmeswetter auf dem galiläischen See den starken Helden mitten in seinem sieghaften Gange aufhalten und hinwegschwemmen können? Jst es nicht Assecuranz (Versicherung) genug für den schwani kenden , zitternden Kiel , daß er , wie gebrechlich auch immer, das in den Rathschlüssen der Ewigkeit verordnete Heil der ganzen Welt in seinen Planken birgt? —— Die Gewißheit, seinen Lauf als Blutzeuge noch nicht vollendet zu haben, verleiht dort (Apostg. 27, 20 ss.) dem Paulus unter dem schreckliclysten Seesturm einen so getrosten Muth, daß er sich alle Seelen des Schisfs von Gott ausbitten und die ausgehungerte, schon des Lebens sich erwägeude Schiffsmannschaft zum Neh- men der Speise mit Danksagung und mit Freuden er- muntern kann. (Noffhack.) Jesu , meine Freude it. (V. 2 u. 3.) —- Man hat sich gewöhnt, in dem Rufe der Jünger blos ihren Klein glauben zu finden, man muß aberauch den inliegenden Glauben darin erkennen; beides, Glaube und Unglaube, fluthet nur wild durch- einander. Denken wir, wie es auf dem Schiff, auf dem Jonas vor dem BefehlGottes entfliehen wollte, zuging: da schrie ein jeder in der höchsten Noth zu seinem Gotte (Jon. l, 4f.). Die Jiinger sind mit dem See seit ihrer Jugend vertraut, sie haben alles versucht, was in ihren Kräften stand , um dem großen Ungestüm zu entrinnen; sie sehen keine Hoffnung, sie geben alles ver- loren. Und da wenden sie sich zu dem HErrn, der von dem See und von der Schifsfahrt wie gar uichts ver- steht; zu ihm nehmen sie in ihrer höchsten Noth ihre Zuflucht, er soll helfen, wo alle Menschenhilfe uichts ist. Welche Werke müssen die Iünger von ihrem HErrn schon gesehen haben! wie iiberzeugend muß er ihnen seine Kraft und Herrlichkeit erwiesen haben, daß in die- sem Augenblicke, wo der Boden unter ihren Füßen wankt, der Glaube unerschüttert in ihren Herzen steht: er kann helfen! wenn er nur aufwachen wollte aus feinem tiefen Schlaf, so wäre uns geholfen! (Nebe.) Ob wir gleich vor Schwachheit des Glaubens Zappeln und Zagen fühlen, wie wir denn von Natur nicht anders thun, sollen wir doch so klug sein, daß wir zu Christo laufen und ihn aufschreien und wecken mit Anrufen und Beten; denn er läßt sich auch hiermit wecken , daß er solch Rufen und Schreien des schwachen Glaubens den- noch gerne hat (Röm. 8, 26). Ja er will es von uns haben, denn er weiß, daß wir doch ni t anders seine Kraft und Hilfe lerne1i glauben und erfa ren, denn daß er uns dahin bringe, daß wir müssen zu ihm schreien und rufen. Und ob er gleich ohne unser Schreien und Wecken wohl könnte des Teufels Toben und Stürmen wehren und steuern, so will er doch von uns aufgeweckt und angerufen sein, auf daß wir lernen, wie feine Kraft i? ikynsrer Schwachheit mächtig und unüberwindlich sei. ( ut er.) 26. Da laus dem tiefsien Schlafe so unge- stüm geweckt, dennoch fein Auge mit ruhiger Klar- heit aufschlagend und mit sieghafter Geistesgegem wart sofort die ganze Lage Beherrschend, daß ihn weder der Aufruhr der Elemente verwirrte, noch das Angstgeschrei der Jünger beirrte] sagte er zu ihnen sindem es vor allem andern zuerst darauf ankam, daß auch sie aus der Verwirrung und Unruhe zur Ruhe und » Klarheit zurückgebracht würden]: Ihr Kleinglaubigem warum seid ihr so furchtsam? [da doch so gar keine Ursach zu dieser bangen Furcht des Todes vorhanden, wie ihr aus meinem so nahe bei euch Sein und 112 Evangelium Matthäi 8, 27. 28. nieiiiem ruhigen Weiterschlafen auch hättet abneh- men können; aber eben am Glauben fehlt’s, denn der macht fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trüb- fOiI Römi U« 121 Und stund auf [nachdem er denen, die ihm die äußere Ruhe genommen, die innere wiedergegeben] und bedriiuete den Wind Und das Meer sdaß sie sofort sich legen sollten]; da ward es sin einem einzigen Augen: blick] ganz stille swährend sonst der Sturm nur allmälig, unter noch andauernden einzelnen Wind: stößen, von feinem Wirthen nachläßt und das auf- geregte Meer viele Stunden braucht, sich von fei- nen Schwingungen zu ebenen]. Jesus hat einen leiseu Schlaf und ein feines Ohr: er erwacht auf den ersten Nothschrei der Seinen, Und kein Anblick, wenn er nochso unerwartet, noch so ent- setzlich ist, ftört den heitern Frieden seiner Seele-; er ringt nicht nach Fassung, er kommt gar nicht aus der Fassung , er bleibt ganz stille , Furcht ist ihm fremd. Furcht ist die Tochter der Sünde: der sündlose, der vollkommene Jesus, der sich in heiliger Gemeinschaft mit seinem Gott und Vater weiß, hat seinen Gott und Vater ewig zu seiner Rechten — wovor follte ihm denn grauen? Der HErr sieht ruhig in den Tumult hinein, und sein erstes Wort ergeht an seine Jünger —— natür- lich! sie haben ihn erweckt, und nicht das Meer hat es gethan; daher gebührt ihnen auch die erste Zurechtwek sung. Sie sind die Hauptpersonem das Meer, welches so tobt, als wollte es sie verschlingen, tobt ja doch nicht wider sie, sondern für sie; die Wogen, welche an die schwachen Wände des Schiffleins andon- nern, sollen mit der Stimme großer Donner ein Wort, eine Lehre in die Herzen der Jüuger hineinsprechew Diesem Zweck sind Wind und Meer dienstbar. (Nebe.) Zuerst (und zwar noch liegend) brachte der HErr die Gemiither der Jünger zur Ruhe, darauf (stch erhebend) auch die Meereswogen. (Bengel.) Hätte er die Beruhi- gung seiner Jünger nur durch Beschtoichtigung der Natur für möglich gehalten , hätte er nicht Ruhe mitten im Sturm bei den Seinigen voraussetzen zu können geglaubt, xwäre es nicht feine Forderung gewesen, daß von innen åheraus alle Beruhigung des Menschen geschehen, erst aus «den Seelen, dann aus der Creatur die Angst des Lebens vertrieben werden sollte; so würde er nicht vor Be- schwichtigung des Windes und Meers die Seelen der Jüuger gestraft und zur Ruhe gewiesen, er würde vor allen Dingen geholfen haben. (Löhe.) O daß wir doch beim Hilfeschreien zu dem HErrn allezeit, noch vor dem Erscheineu der äußeren Hilfe, auf die Antwort des HErrn im Herzen merken wollten, wie fein Geist uns aus dem Zagen zurecht zu bringen sucht und den Sturm der uns so unglücklich machenden Gedanken und Empfindungen in unsrer Brust mit dem Wort: »O ihr Kleingläubigen!« beschwört; da würde erst für die Wahrheit Gottes, und dann auch für den Segen der äußeren Hilfe der rechte Boden wieder gefunden. Wie einfach aber und ohne alles schaustellende Gepränge thut doch der HErr seine größten Werke! Als gälte es blos, den Wächter des Hauses, der durch sein Bellen die Kinder schreckt, zur Ruhe zu verweisen, erhebt er seine Hand drohend wider den heulenden Sturm, wider das empörte Meer , und spricht nur die zwei Worte (Mark. 4,39): ,,Schweige, verstumme« (genauer: sei wie einer, dem man einen Elliaulkorb angelegt, dem man den Mund verstopft hat)! Und dem Worte entspricht augenblicklich der Erfolg. (Roffhack.) Satan, Welt und ihre Rotteu können wir nichts mehr hier thun, als meiner spotten. Laß sie spotten, laß sie lachen! Gott, mein Heil, wird in Eil sie zu Schanden machen. (Warum sollt ich mich denn grämen —— V. 6), Die Wunder durchbrechen nicht uunatürlich die Natur, wie man oft vorgiebt (Kap.4,25 Anm.), sondern übernatürlich die Unnatur, wie aus unsrer Gefchichte erhellt. »Das ist doch offen- bar gegen das ursprüngliche Gesetz der Natur und wahr- haft unnatürlich, daß jemand Augen hat und nicht sieht, Ohren und nicht hört, Sprachwerkzeuge und nicht sprechen, Glieder und sie nicht gebrauchen kann — nicht aber, daß ein Heiland kommt und ihre Bande löst! Das ist in Wahrheit Unnatur, daß soviel Elend in der Welt ist, nicht aber, daß ein Heiland es aufzuheben sucht! Das ist Unnatur, daß ein Volk von einem andern auf das Grausamfte geknechtet und mißhandelt wird, nicht aber, daß Gott dreinsieht und es aus dem Lande seiner Knechtschaft ausführt durch Zeichen und Wunder! Das ist widernattirlich, daß Wind und Wogen sich em- pören wider ein gutes menschliches Thun, nicht aber, daß der HErr Wind und Wogen gebietet! Das wäre widernatürlich , daß Fünftausend , die dem Wort des Lebens nachgegangen, in der Wüste zu Tode verschmachten sollten , nicht aber, daß ihnen die milde Hand Gottes sich aufthut nnd aus Wenigem viel macht, wie sie alles aus Nichts gemacht! Das war Unnatur, daß der herz- lose Tod die Liebesbunde lösen durfte , die Gott selbst zwischen Mutter und Sohn, Bruder und Schwester ge- woben, nicht aber, daß einem Jüngling von Nain oder einem Lazarus zu Bethanien die Bande des Todes durch ein Machtwort gelöst werden! Das ist der Gipfel der Unnatur, daß die Welt den Einziggerechten an’s Kreuz heftet, nicht aber , daß dieser heilige Kreuzträger nicht im unverschuldeter: Tode bleibt» sondern auferfteht und siegreich zu seiner Herrlrchkeit eingeht! (Beyschlag.) Man könnte nun weiter sagen: wenn heutiges Tages ein Schiff in Gefahr wäre , müsse man eben doch blos auf eine Rettung natürlicher Art hossen und darum beten. Das ist sehr wahr; auf jenem Schiffe aber befand sich die christliche Kirche, d. h. ihr Eckstein und ihre künf- tigen Pfeiler. (Ebrard.) DiecMeerfahrt hätte auch in der in V. 24 beschriebenen Weise glücklich zu Ende gehen können: der Wind hätte gestürmt, das Meer hätte gebraust bis an das Ufer hin, und Jesus hätte ruhig fortgeschlafen und schlafend das Schiff zum Hafen ge- bracht. Das wäre ein Sieg des Glaubens gewesen, wie er sein muß; die Jünger aber hätten ihren Meister er- kannt, der schlafend nicht schläft, sondern mit Waffen streitet, die aller Welt Augen verborgen sind. Es ist nicht so gekommen! Die Jituger haben sich selbst um das Beste in der Geschichte gebracht und ihr einen Schluß gegeben, der zwar für angefochtene Seelen tröst- lich , jedoch dem Anfange nicht gleich ist: es ist des HErrn mitleidige Herablasfung, daß er sich zu seinen Geschichten oftmals den Ausgang von seinen schwachen Jüngern machen läßt. (Münkel.) Die Feigheit der Jünger mußte offenbar werden , damit sie für immer aushöret sie, die Athleten Kämpfer) des Glaubens, durften sich nicht flirchten. (Chrysostomus.) »Fürchte nichts, Cäsar ist im Schiff,« so sprach C. Julius Cäsar zu einem Schisser, der ihn über das adriatifche Meer fahren follte und von Furcht befallen ward. ,,Fürchte nichts, Christus ist im Schiffs« das sollten die Jünger des HErrn lernen in Betreff der Arche , die auf den hochgehenden Wellen der Sündfluth einherfährt (denke an die heil. christliche Kirche); waren sie doch berufen, am Steuer zu sitzen und mit ihrem Wort das Schiff durch Sturm nnd Fluthen dem Ufer entgegenzuführecr. 27. Die Menschen aber sdie im Schiffe waren, nicht allein die Andern, die sich der Fahrt Jesu Ankunft in der Gegend der Gergeseneu 113 angeschlossen, sondern vornehmlich auch die Jüngere, die sich dem HErrn der Herrlichkeit gegenüber wie- der einmal so recht als arme, sündige Menschen- kinder fühlten Mark. 4, 41; Luk. 8, 25; b, 8ss.] verwunderten sich snnter Schauern der tiefsten Ehrfurcht, die ihr Herz ergriffen hatten] und sprachen seiner zu dem andern]: Was ist das für ein Mann, dem Wind und Meer ge- horsam ist? [ob wir gleich ihn bisher schon kannten als einen Propheten mächtig von Thaten und Worten, müssen wir doch im Lichte der Er: kenntniß, das jetzt uns über ihn aufgeht, sagen: wir kannten ihn nicht Joh. 1, ZLJ Die Furchh welche die Jiinger eben noch vor der schreckenvollen Erhabenheit der Natur empfunden haben, trägt sich jetzt in ihrem Herzen auf den über, der die zerstörenden Kräfte derselben mit Einem Wort gebändigt hat. Aber diese Furcht des HErrn ist, wie aller Weis- heit, so auch des rechten Glaubens Anfang; sie weckt das Herz unter dem Verwundern und Erstarren der Vernunft zu jenen ahnungsvollen Fragen auf, ans denen durch Antwort von oben der Glaube geboren wird. Den Wind in seine Hände fassen und die Wasser in ein Kleid binden, wie Agur (Sprtichw. 30, 4) sagt, dem Meere und dem Sturm Gebot geben, worauf sie horchen, das sind Höttliche Prärogative, Majestätsrechte des Schöpfers der atur, an welche auch des erhabensten Erdenftirften Macht nicht reicht. O, wer ist der, welcher sich der- selben bedienen kann, nicht betend und schreiend zu Gott (l. Kön. l7 , 1 Anm.) , sondern dräuend in der Voll- macht eines Herrschers? Gewiß, das ist die Frage aller Fragen, werth, daß sie dich beschäftige Tag und Nacht, bis du die rechte Lösung gefunden, da an dieser Lösung dein Leben hängt. Den Jüngern dort geht eine Ahnung im Herzen auf, daß sie bei allem, was sie bisher gehört und gesehen, ihn wenig noch, ja kaum erkannt; daß er noch viel mehr und größer ist. Aber auch bei dieser neuen Offenbarung haben sie die Antwort nicht fogleich in Bereitschast, denn es reihet sich hier Geheimnis; an Geheimniß. Ein ,,Welcher dieser«, so hoch und so niedrig zugleich, den Menschen verwandt, der Creatur Gottes als ihr Herr bekannt, aber noch ein Bild der Schwach- heit vor Müdigkeit hingesunken und im Schlafe liegend, nnd jetzt sich erweisend als der, von dem Ethan (Pf. its, 9 f.) sagt: ,,HErr, Gott Zebaoth, wer ist wie du, ein mächtiger Gott? Und deine Wahrheit ist un: dich her. Du herrschest über das ungestüme Meer; du stillest seine Wellen, wenn sie sich erheben« bleibt zuritck -— Daß Thomas es ist, der hernach (Joh. 20, 24 ss.) mit seinem Ausruf: »Mein HErr und meiu Gott!« die rich- tige Lösung des Räthsels giebt, das die Herzen der Jiinger hier beschästigt, kann uns nur in der oben (V." 22 Anm.) ausgesprochenen Bermuthung bestärken, daß er derjenige von den zwölf Aposteln sei, den der HErr dort «zu seiner Nachfolge beruft. Zum Schluß unsrer Gefchtchte theilen wir noch ein Lied von dem zu Brandenburg gebotenen und im J. 1682 als Director der Schule in Tangermünde an der Pest verstorbenen Chr. Je. Connow mit, das leider nur selten in unsern Gesangbüchern sich findet: l. Wer Jesnm bei sich hat, kann feste stehen, wird auf dem Uuglüctsmeer nicht untergehen; wer Jesum bei sich hat, was kann dem schaden? sein Herz ist überall mit Trost beladen. ——- 2. Wer Jcsum bei sich hat, der hat den Himmel, wljnfcht zu verlassen nur das Weltgetümmeh wer Jesnm bei sich hat, der lebt vergntjget mit dem, was Gott und Glück D äch stPs Bibeltverl ihm zugefüget —- 3. Wer Jefnm bei sich hat, der mag nicht haben die Eitelkeit der Welt nnd ihre Gaben; wer Jesum bei sich hat, hat gnug auf Erden und mag in Ewigkeit nicht reicher werden. —- 4. Wer Jesum bei sich hat, kann sicher reisen, er wird ihm schon den Weg zum Himmel weisen; wer Jefum bei sich hat in höchsten Nöthen, den kann kein Teufel nicht noch Mörder tödten. —- 5. Wer Jesum bei sich hat, iftwohlbefchützetz wenn’s hefti donnert und erschrecklich blitzetx wer Jesum bei sich hat, darf nicht erfchrecken, wenn seine Sünd’n ihm Zkurcht und Angst erwecken. —— Ei. Wer Iefum bei sich at, darf nicht verzagen nnd kann den Teufel auch leicht von sich jagen; wer Jefum bei sich hat, wird nicht ver- derben; wer Jesum bei sich hat, kann fröhlich sterben. III. o. 28—34-. (§. 35.) nahten: de: has: das Schiff, welches ihn und seine Sänger an das jenseitige Ufer des Sees, und zwar an diejenige Seite gebracht hat, bis an welche das Gebiet der Gergefener oder Gadarener heranreichte, eben erst verlassen, tritt ihm sogleith ein Fall der schlimmsten Jtrt von dämontfrher ttefessenheit entgegen; er beweist sich aber auch da in seiner ganzen Herrlichkeit als der, der gekommen ist, die Werke dee Teufela zu zerstören, und unter, wie uns die beiden andern Goangelisteu erzählen, die Frucht seiner heilbritp geuden Wirksamkeit wenigstens in Einer Menschenseele, die er für feinen Dienst gewinnt. Die Bewohner: der Stadt dagegen, welche nicht sowohl die Wohlthat in der Erscheinung dessen, der mit Macht den nnsaubern Gei- fiern gebietet, als den Schaden, den sie mit dem Verlust ihrer unreinen Thiere erlitten haben, berechnen, bitten sofort, ihr Gebiet wieder zu verlassen; und Jesus, der nicht tauben Ohren und verschlossenen Herzen predigen will, geht auch wirklich hinweg und tritt sogleich den störte— weg an. »wir haben hier ein Ereigniß vor und, dae nnr dann Sinn hat, nur dann vernünftiger weise in die evangelische Gefchichte gehört, wenn wir, nicht achtend, wie gleich— oder wie fremdartig es der Denlkweise einer andern Welt und eines fernen Jahrhunderts sein möge, ca so nehmen, wie es der Evangelist giebt. So genom- men sagt eø, was eg uach seiner Absicht oll, seht: viel; anders genommen, sagt ca gar nimm« ( gl. Mark. S, 1——20; Bitte. s, 26—39.) 28. Und er kam sals er nun bei Tagesan- bruch mit seinen Jüngern am südöstlichen Ufer landete] jenseit des Meers, in die Gegend der Gergesener sin das bis nahe an das Ufer reichende Gebiet der Stadt Gadara Mark. b, l: Luk. 8, 26, einer von den 10 Städten Katz. 4, 25 Anm.]. Da liefen ihm sgleich bei seinem Austreten aus dem SchiffJ entgegen zween Besessene, die kamen ans den Todtengrcibern [aus den, in den Kalkstein- berg, auf welchem die Stadt lag, eingehauenen Grabhöhlenz dort hatten sie ihre Behausung, trie- ben sich aber am Tage unbekleideh wie sie waren, an den Schweselquellett bei Amatha, auch wohl noch weiter nördlich an dem Seeuser herum], nnd waren [bei dem überaus hohen Grade ihres Wahn- sinns, vermöge dessen sie auch immer wieder die Fesseln zerrieben nnd die Ketten zersprengten, wo- mit man sie hatte binden wollen] sehr grimmig, also, daß niemand dieselbige Straße swelche dort vorüber-führte] wandeln konnte lohne sich der größ- ten Gefahr auszusetzens N. T. I. 8 114 In Betreff des Namens der Stadt, um die es sich hier handelt, bieten die griechifchen Handschriften außer der oben im Text von Luther befolgten Lesart: ,,Ger- -gesener« noch die beiden andern: ,,Gerafener« und: »Gadarener« dar. Die erstere (Gergesener) scheint erst durch Origines aufgekomnien zu sein, zu dessen Zeit sum 240 n. Chr.) man den Abhang auf der Ostfeite des Sees Genezareth zeigte, von dem sich die Schweine in’s Meer gestürzt hätten (V. 32), und der nun auch eine in der Nähebefindliche Stadt Gergesa (etwa I Stunde öftlich von dem auf Karte VI. verzeichneten Hippos, heut zu Tage Dhirsa genannt, wofür man vielleicht ursprünglich auch Gerafa sagte) erwähnt. Die andere Lesart (Gerasener) scheint auf einem Piißverstäiidniß oder auf andrer Schreibweise zu beruhen; und so dürfte wohl die dritte (Gadarener) für die ursprüngliche und richtige anzusehen sein. Wie die noch vorhandenen Rai- nen von 0m-Keis zeigen, zeichnete sich Gadara durch die Pracht seiner Paläste und öffentlichen Gebäude, fo- wie durch bedeutende Bevölkerung aus; gegenwärtig hat aber der Ort kein einziges Haus , sondern die ca. 200 Einwohner haben die Todtenstadt inne, d. i. die vielen Höhlen nnd Grüfte, die in den Kalksteinfelsen, auf dem die Ruinenftätte liegt, eingehauen und mit Sculptnren reich verziert sind. Von Pompejus zu Syrien ge- fchlagen, ward Gadara hernachmals von Augustus dem Herodes gefchenkt, bis fie nach dessen Tode wieder an Shrien fiel und dann auch im letzten jüdifchen Kriege eine Rolle spielte. Ungleich größere Schwierigkeiten aber als obige Namensverfchiedenheit bereitet die Abweichung des hier vorliegenden Berichts von dem bei Markus nnd Lukas in Betreff der Zahl der Besessenen; denn während Matthäus von zweien redet, haben die andern beiden Evangelifteii dafür nur einen einzigen. Nun sucht man diese Schwierigkeit in der Regel dadurch zu beheben, daß man annimmt, der eine von den beiden war die Haupts-person, der vorzugsweise Bösartige, an dem aber hernach auch Christi Wohlthat als besonderes Gnadenwerk sich offenbarte in dem Erfolge, der uns in Mark. 5 , 15 ff.; Luk. 8, 35 ff. erzählt wird; nur bei voller Abhängigkeit des andern von ihm war überhaupt ein Zufammengehen desselben mit ihm denkbar, daher haben Markus und Lukas, welche das Gewicht mehr auf den, im Verhalten des Geheilten hervorgebrachten Erfolg der Heilung, als auf die Größe der Wunderthat selber legen, den andern ganz außer Betracht gelassen. Indessen begegnet uns dieselbe Eigenthtin1lichkeit, daß Matthäus von 2 Personen redet, wo die andern Evan- gelisten nur von einer erzählen- später noch ein Mal (Kap. 20, 30, vgl. Mark. l0, 46; Luk. 18 , 35) , und müssen wir eben darin eine Eigenthiimlichkeit seiner Er- zählnngsweife anerkennen, die sich hier leicht dadurch er- klärt, daß unser Evangelist die in vieler Hinsicht ähnliche Heilung eines Besessenen in der Schnle zu Kapernaum (Mark. 1, 21 ff.; Luk. 4, Z! ff. — auch dort schreit der Vefefsene, auch dort kennt er Jefum als den Hei- ligen Gottes, auch dort spricht er: ,,halt, was haben wir mit dir zu schaffen?«) oben (bei Kap. 4, 2"2) über- gangen hat, aber doch mittelbar ihr Gedächtniß durch die Verbindung mit der hier vorliegenden Gefchichte erhalten wollte. Es kam ihm überhaupt oftmals nur auf die wefentlichften Zlige aus dem Leben Jefu, auf die Haupt- gattungen seiner Wunderwerke an, ohne sich auf alle einzelnen Umstände näher einzulassen; und so erzählt er denn auch an unsrer Stelle sehr kurz nttd summarisch, während Markus und Lukas bei dem Einzelbilde ver- weilen und es in feinen Details vorfiihren Sowie die Schrift ist, schreibt Olshauf en, erscheint sie göttlich und menschlich zugleich, und wir miifsen die bnchstäb- liche Inspiration (Eingebung der Schrift durch den heil. Evangelium Matthäi s, 29-—34. Geist) von der wörtlichen wohl unterscheiden; jene würde auch die unwefentliche Form, die mit dem Kern der Lehre nicht weiter zusammenhängt, in sich begreifen, während diese blos auf die wesentliche orm, die ohne Alteration des Inhaltes nicht anders fein könnte, sich beschränkt. v. Burger aber sagt; Wer folche Differenzen beuutzen will, um die evangelische Geschichte überhaupt als unsicher und als zweifelhaftes Ergebnis; mannigfach sich fpaltender Tradition in Anfpruch zu nehmen, der mag es· thun auf seine Gefahr; Gelegenheit und Anlaß ist ihm nicht entzogen in der Schrift, welche ebenso wie der, von dem sie zeugt, gefetzt ist zu einem Fall und Auferftehen Vieler· 29. Und siehe, sie [im dämonifchen Hellfehen Jesum für den erkennend, der er war, und vor feiner Nähe ein teufliscbes Grauen enipfcndend, in dazivischen aufleuchtendem rnenfchlichen Bewußtsein aber auch die bevorstehende Heilung ahnend und vor. der mit dem Vollzuge der Heilung eintretenden Steigerung der Qual sich fiirchtendf schrieen Und sprachen: Ach Jesn, du Sohn Gottes, was haben wir mit dir zu thun? Bist du herkommen, uns zu quälen, ehe denn es Zeit ist? . 30. Es war aber ferne von ihnen sdoch nicht allzuweit von der Stelle, wo die Verhandlung ge- schah Mark« b, U; Luk. 8, 321 eine große Heerde Säue an der Weide. 31. Da baten ihn die Teufel und sprachen: Willst du uns austreiben, so erlaube uns, in die Heerde Säue zu fahren. 32. Und er sprach: Fahret hin. Da fuhren sie aus, nnd fuhren in die Heerde Säue snicht etwa blos unter sie, wie wenn sie dieselben hätten erschrecken wollen, sondern iu sie hinein, in das thierifche Nervenlebens Und siehe, die ganze Heerde Säue [von namenlofer Angst ergriffen] stürzte sich mit einem Sturm its-s Meer, und ersoffen im Wasser. 33. Und die Hirten lwelche die Heerde gr- weidet hatten] flohen und gingen hin in die Stadt und sagten das alles, und wie es mit den Besesse- nen ergangen war. 34. Und siehe, da ging sin Folge des Be: rici)ts, welcher den Gergefeuern ein Grauen vor Jesu Nähe, statt Freude iiber feine Ankunft, ein- geflößt hatte] die ganze Stadt heraus Jesu ent- gegen. Uud da sie ihn sahen, baten sie ihn, daß er von ihrer Grenze weichen wollte swozu er denn auch sofort sich anschickte und nach dem Schiffe, das noch am Ufer des Sees hielt, zuriickgings Was den Hergang im Einzelnen betrifft, so liegt tin-Z, wie schon angedeutet, der genauere und anfchanlichere Bericht bei Markus und Lukas vor; wir haben es dar- nach an unserer Stelle eigentlich wohl nur mit einem Besessenen zu thun, in diesem Einen nnd feiner Heiluugs- gefchichte finden sich aber so viele einzelne Züge ver- einigt, daß wir hier nur das Allgemeine erörtern, können, das Besondere dagegen auf die dortigen Be- richte uns auffparen müssen. Ueber die Befessenheit selber nun, deren im alten Tesiamente außer etwa in l. Stint. M, 14 (und auch hier nicht in unmittelbarer bestimmt ausgesprochener Weise) noch gar keine Erwäh- nung« geschieht, weil im alten Testament der satanische Hintergrund des Bösen und des Uebels bis zu einem gewissen Maße für die Erkenntniß noch verhüllt bleiben mußte, die aber zur Zeit Christi, wo das Reich der Finsterniß alle Kräfte ansbot, um seinem in die Geschichte eingetretenen Ueberwinder die Spitze zu bieten und ihm die zu erlösenden Menschen streitig zu machen, sowohl an Stärke als an Zahl in solchem Grade angewachsen war, daß uns davor schaudern könnte, wäre diese Zu- nahme nicht zugleich in des HErrn Hand ein Mittel geworden, sich als Zerstörer der Werke des Teufels auf Schritt und Tritt zu beweisen und die Ankunft des Reiches Gottes unverkennbar hervortreten zu lassen, wurde zu jener Stelle (1. Sam. 16, U) bereits das Nöthigste, was einigermaßen ein Verständniß der so räthselhaften Krankheitsform vermitteln kann, vorgebracht. Wir fügen dem dort Gesagten hier einige Bemerkungen hinzu, um die Sache unserem Bewußtsein noch näher zu führen und Christi Wirksamkeit tiefer zu erfassen, als überall da geschieht, wo man in dies dunkle Gebiet sei- ner Wunderthätigkeit nicht weiter einzudringen versucht, sondern mit einem flüchtigen Blick daran vorübergeht. Wenn es auf der einen Seite ganz richtig ist, daß, wie Luther schreibt, alles Böse und unglückliche, was in der Welt geschieht, vom Teufel geschiehet, und also auch alle Krankheit von demjenigen -kommt, der alles Unglück stiftet und anrichtet, so darf man doch die Tragweite dieses Satzes nicht bis dahin ausdehnen, daß man mit Luther auch weiter sagen wollte: ,,so du einen siehest blind werden, so sprich, «es sei des Teufels Werk, welcher nicht anders kann, denn Schaden thun« Damit würde man allen Unterschied zwischen natürlichen und dämoni- schen Krankheiten aufheben nnd, weil man auch die na- türlichen Krankheiten zu dämonischen gemacht hat, für letztere eigentlich keinen Raum mehr behalten; auch wäre nicht recht ersichtlich, wie ein gläubiger Christ sich ferner noch als errettet von der Obrigkeit der Finsternis; an- sehen könnte, wenn Gott nicht anders als durch die Teufel ihm Unglück und Krankheit zuschickte Wir mijssen vielmehr mit Delitzsch festhalten, daß nach Jes 45, 7 Gott der HErr ebensowohl Schöpfer der Finsterniß ist, als Bildner des Lichts, ebensowohl Stifter des Friedens, als Schöpfer des Bösen — letzteres insofern, als er mit dem wahlfreien geschöpflichen Willen auch die Möglich- keit des Bösen und aller aus der Verwirklichnng dieser Möglichkeit sich ergebenden heilloseu Folgen geordnet hat. Nun hat Satan durch seinen Abfall von Gott die Möglichkeit des Bösen in der That zur Wirklichkeit ge- macht; er hat den göttlichen Zorn auch in der Mensch- heit entzündet, nachdem er selbst gleichsam zur Materie des göttlichen Zornbratides geworden, hat die Macht des Todes entbunden nnd damit zugleich das dem Tode vorausgehende Wetterleuchten in den mancherlei Krank- heiten, Gebrechen und Zerrttttnngeit des geistleiblichen Menschenlebens heraufbefchtvoreth und hat als derjenige, dessen Herrschaft in der Erdenwelt der ursächliche Hinter- grnnd alles Sterbens auf Erden ist, des Todes Gewalt (Hebr. 2, 14). Letzteres ist nun aber nicht so zu ver- stehen, als ob er ein über alles Sterben der Geschöpfe und insbesondere der Nkenschen nach Willkür verftigender Herrscher, oder auch nur der flir alle Fälle von Gott bestellte Todesengel wäre; vielmehr ist der Tod nicht minder eine richterliche Machtwirkung Gottes, als eine gottseindliche Machtwirkung des Teufels, vermittelt durch die von ihm aus die Menschheit übertragene und da heimlich erhaltene Sünde. Gleichwie nun Gottes über- schwängliche Gnade in besonderen Fällen die gottfeind- liche Machtwirkung des Teufels abwehren oder wieder aufheben kann, wie wir daraus sehen, daß Henoch nnd Das Wunder an zwei Besessenen. 115 Elias des Todes nicht sterben durften, Moses aber dem Tode wieder entnommen wurde (!.Mos. 5, U; 2Kön. 2,11; 5. Mos. 34, 5f.); so braucht äuch Gottes richter- liche Machtwirkung an den für gewöhnlich bestellten Schergen des Todes sich nicht zu binden, sondern kann auch in außerordentlichen Fällen gute Engel zu Mittlern seines Zornes machen (1. Chron. 22, 15 f.; Jei. 37, IS) oder natürlicher Verhältnisse und Ereignisse als Mittelursachen seiner Verhängnisse sich bedienen (Apostg. 12, 23). Und wie dies in Beziehung auf den Tod selber gilt, so auch in Beziehung auf die Krankheiten: es giebt da Krankheiten, welche ausdrücklich als Gotteswirkungen guter Engel oder als unmittelbare Verhängnisse Gottes bezeichnet werden (2. Chron. Tit, 20; Apostg. 13, 11); nnd wo er weder in diesernoch m jener Weise un- mittelbar selbst eingreift, sondern sein Verhängniß durch den natürlichen Lauf der Dinge sich vollzieht, da haben wir’s mit natürlichen Krankheiten zn thun. In V· 16 unsers Kapitels und iu Viark Z, l5 wird denn auch zwischen sogen. natürlichen und eigentlich dämoni- schen Krankheiten deutlich ein Unterschied gemacht: jene haben, wie Delitzsch sich ausdrückt, das die gegenwärtige Welt zugleich mit dem Principe der Liebe durchwaltende Princip des Zornes zu ihrer unmittelbaren Ursache, diese dagegen sind mittelbar vom Satan und andern Geistwesen gewirktex jenen entsprechen auf sittlichem Ge- biete die Versuchungen der Welt und des Fleisches, diesen dagegen die Versuchungen des Teufels. Während wir nun auf die natürlichen Krankheiten ausfiihrlicher bei Katz. 9, 20 zu sprechen kommen, gehen wir hier noch etwas näher auf die eigentlich dämonis chen Krankheiten ein. An demjenigen Besessenen, von welchem bei Mar- kus und Lukas erzählt wird und mit welchem an der vorliegenden Stelle ein zweiter von fast derselben Art verbunden erscheint, gewahren wir folgende Symptomex er brüllt fürchterlich, zerreißt in nnnatürlicher Stärke die Zwangsbande, die man ihm hat anlegen wollen, leidet keine Kleider, wüthet heftig gegen sich selbst, bleibt nicht daheim, sondern hält sich Tag und» Nacht in den Grabstätten nnd Bergen auf und überfällt wiithig, die ihm zu nahe kommen. Nun giebt es allbekannt auch im Bereich der natürlichen Krankheiten eine mit Unstätig- keit verbundene Tobsuchtx die hier geschilderte Unstätig- keit dagegen bekundet schon durch den Zug nach Gräbern und wüsten Orten ihren dämonischen Character (Kap. U, 43), und da vollendet sich das Krankheitsbild eines eigentlich Besessenen nicht sowohl durch seine eigene Aussage, daß er eine zahllose Menge von Teufeln in sich beher- berge, (denn es kommt dabei, wenigstens was diese Unzahl betrifft, eine Wahnvorstellnng des Kranken in Betracht ähnlich der solcher Geisteskrankem welche man in der neueren Psychiatrie Dämonotnanen nennt), als vielmehr dadurch, daß die Teufel, welche von ihm Besitz geno1n- wen, die Selbstmacht seines Geistes völlig verdrängt haben und, seiner Leibesorgane sich bedienend, aus ihm reden. Was sie Ida-reden, oerräth einen, über den Er- kenntnißgrad des damaligen Menschen weit hinausgehen- den hellseherischen Einblick in Jesn Person und Werk, aber auch das dämonische Grauen vor der Nähe dessen, an den sie glauben müssen, um vor ihm zu zittern (Jak. Z, l9). Wir fassen, was bis jetzt Zutreffendes zur Erklärung des Znstandes der Besessenheit gesagt worden ist, zunächst in die Worte eines kathol. Theologen (Dierin- get) zusammen, der sich folgendermaßen äußert: Die durch den Fall in der Sünde verstrickte Menschheit als solche befindet sich in einer inneren Wahlverwandtschaft mit den abgefalleneii Geistern, welche sie dem verführe- rischen und quälenden Einflusse dieser bloßstellt; wie weit aber dieser Einfluß bei dem einzelnen Menschen sich ge- stalte,.hängt nicht allein von dessen sittlicher Selbst- ssk 116 Hwwgdggg bethätigung ab, sondern überhaupt von der Art und Weise, in welcher sich der Einzelne nach dem unerforsch- lichen Rathschlusse der Vorsehung an dem gemeinsamen Wehe des ganzen Geschlechts betheiligen soll; »denn ob- gleich alle Krankheit eine Folge und Strafe der Sünde, so ist doch im Allgemeinen das persönliche Verschulden eines Menschen nicht zu messen nach dem Antheil, der ihm an den physischen Leiden und Bedrängnissen des Geschlechts geworden ist. Die Besessenheit ist ohnehin nur graduell verschieden von dem Einfluss« welchen die feindlichen Mächte mehr oder weniger auf jeden Men- schen auszuüben streben, und hat ihre fürchterliche Seite nur in ihren augenfälligen Gestaltungen, indessen andere " Wirkungsweiseu der gesallenen Geister sich der äußeren Wahrnehmung entziehen, dafür aber für die Seele der Zugänglichen um so verderblicher werden können. Judas war keineswegs ein Besessener, und dennoch ist Satan« in ihn gefahren und hat ihn zu schwärzerer That ver- leitet, als je ein Dämonifcher auszuführen vermag. Es giebt einen niedrigeren Grad der Besessenheit (0bses»si0: Belagerung), bei welchem ein Nebeneinander leiblich ver- mittelter Selbstbethätigcing des Dämons einerseits und der menschlichen Seele andrerseits noch stattfindetx der höhere Grad ipossesim Besitzung) ist dann der, wo dieses Nebeneinander aufgehoben ist, indem die dämoni- sehe Gewalt den Gebranch der leiblichen Organe sich gänzlich zugeeignet oder doch denselben der Seele der- gestalt verkümmert hat, daß diese wie gebunden erscheint, in der That aber nur auf ihre eigene Jnnerlichkeit an- gewiesen ist und darum auch dem verderblichen Einfluß des Bösen so lange fremd bleibt, als sie demselben nicht freiwillig. sich anschließd Selten indessen ist diese Ge- bundenheit in dem Sinne eine totale, daß nicht auch zeitweilig die Seele als haudelndes Princip in den Vordergrund träte, so daß die Zustände der Possession und der Obsession mit einander wechseln« Wenn nun nach Anm. zu I. Sain. 16, 14 der spezifische Charakter der Besessenheit darin besteht, daß Dämonen sich zwischen die Leiblichkeit und die Seele des Menschen durch die Vermittelung des Nervenshstems eingedrängt, die Seele sammt dem Geist gewaltsam gebunden und die Leibes- organe zum Mittel ihrer eigenen, für den Menschen qualoollen Selbstbethtitigung gemacht haben; so fragt es sich weiter, wie sich das als möglich soll denken lassen, daß ein Dämon sich da, wo die Seele mittels des Nerven- systems auf die Leiblichkeit einwirkt und Rückwirkungen von ihr erfährt, festsetze und von hier aus eine auf Seele und Geist sich erstreckende vergewaltigende Wirkung aus- übe, welche die Seele aus ihrem Machtverhältniß zu dem von ihr belebten Leibe verdrängt, den Geist aber durch zauberhafte Knechtnng des eigenen Willens bis zur bloßen Potenz (Kraft) herabdrückh Und da bieten uns die durch einen Menschen am andern künstlich hervorgebrach- ten magiietischen Zustände einen Anhalt, solche Möglich- keit allerdings zu erkennen. In diesen Zuständen erscheint der Magnetisirte ebenfalls als das schlechthin willenlose Werkzeug des Magnetiseurs, und der Inhalt des Bewußt- seins auf Seiten des letzteren spiegelt sich im Bewußt- sein des ersteren dergestalt, daß die Jndividualität des einen wie unter-gegangen scheint in der des andern. Kneife den Patienten, er fühlt es nicht; kneife aber den Opera- tor, der Patient fühlt es, als wäre Er gekniffen worden, und klagt über Verletzung des betreffenden Theils. Gieb dem Patienten Rhabarber in den Mund, er hat keinen Geschmack davon; gieb dem Operator den Rhabarbey und der Patient schmeckt nnd nennt diesen Stoff, indem er sich einbildet, er habe ihn selber im Munde. Auf die Beine gebracht, steht er wie festgenagelt, setzt sich aber, den Bewegungen der Hände des Magnetiseurs folgend, in sichtlich unfreiwillige unheimliche Bewegung; Evangelium Matthäi 9, I. 2. aufgefordert von diesem, an einem bestimmten Tage und zu einer bestimmten Stunde ein bestimmtes Musikstück auf dem Instrument bei ihm zu spielen, wird der Magne- tisirte, auch nachdem der magnetische Zustand längst vorüber, dennoch pünktlich sich einstellen, eine gewisse Unruhe zeigen, als läge ein Bann a1cf ihm, wenn das Stück für ihn zu schwer ist, und nicht eher zur Ruhe kommen, als bis fein Meister ihn von Neuem magnetii sirt und nun von seiner Aufgabe entbunden hat. Was in allen diesen Erscheinungen, denen noch manche andere , beigefügt werden könnten, sich uns darstellt, ist Bekan- schung, Bindung, Besitzung der einen Menschenseele durch die andere, begleitet von einer außerordeutlichen Steige- rung der Kräfte; und doch ist diese Art der Besitzuug nur von außen her vermittelt, weil die Seele des Besitz- ergreifenden immerhin an ihren eigenen Leib gebunden bleibt. Noch viel durchgreifender wird daher jene Be- sitzergreifung sich gestalten, wo ein Dämon kraft feines viel geistigeren illokalen, d. h. an keinen bestimmten Ort gebundenen Wesens in den Wesensbestand des Menschen selber eindringt. Von der Grenze aus, schreibt Delitzsch dessen Auseinandersetzungen hauptsächlich wir hier gefolgt « sind, von der Grenze aus, wo Leibesleben und Seelen- leben zusammenhängen, äußert der Dämon auf die Kräfte der Seele, besonders die Einbildungskrafh seine andrin- gende Wirkung und versetzt von da aus den Geist wie in Belagerungszustand, so daß er bei aller Anstrengung widerstandsunfähig wird. Die Macht der Freiheit kann in Lichtblicken den finstern Bann durchbrechen, denn die Freiheit ist in ihrer Bethätigung gebunden, ohne in irem Wesen vernichtet zu fein; aber im Allge- meinen ist über Geist und Seele und Leib in allen ihren Kräften von jenem äußersten Hintergrunde, dem Willen des Geistes aus, der dämonische Bann mit seiner Bin- dung der Freithätigkeih seiner Verfinsterung des Bewußt- seins, seiner Verkehrung und Verwirrung hingelagert. Christus nun heilt die Besessenen jedes Mal durch Erör- cismus (Austreibnng), den er in Kap. 15, 28 sogar aus der Ferne übt; wir werden davon zu Kap. 12, 22 han- deln, hierorts aber ist in Beziehung darauf, daß die aus- fahrenden Teufel den HErrn bitten, in die Heerde Säue fahren zu dürfen, noch Folgendes zu bemerken. Jn Leibern sich bergend und an leiblichen Geschöpfen sich austobend, finden die Dämonen eine Linderung des Zorngefühls von welchem ihr geistiges Wesen ergriffen ist und durchtobt wird; der HErr gewährt ihnen, was sie erbittert, damit für den Besessenen seine Wunder- errettung um so überzeugender werde, die Dämonen aber haben sich verrechnen wenn sie meinten, nun im Nervenleben der Thiere ihre Wuth austoben zu können, vielmehr gerathen sie auf eben diesem Wege dahin, wo—- hin sie nicht wollten, in den Abgrund ihrer höllischen Wohnstätte. Denn eine Menschenseele zwar vermag ein furchtbares Maß von Angst und Qual zu ertragen, weil sie die Kraft des selbstbewußten Willens ihm ent- gegenzufetzen hat; die Säue hingegen werden durch das physische Angstgefühl als durch eine reine Naturmacht sofort zu bewußtloser Raserei gebracht und stürzen in blinder Tollwuth vorwärts über einen senkrechter( Ab- grund in den See hinab. Das 9. »KapiteI. Mund-erweckte Christi nach seiner Heimkehn IV· v.1—3. (§. 36.) nei seine: tränken» sum; Eapernatim wird Iesug sofort wird-r in seine Eehtthäi tigkeit und wnnderwirksamkeit hincingezogenz denn dar Jesu Rückkunft nach Kavernaiim 117 voll: umsieht alsbald, nachdem seine Jtnliunft benannt geworden, das Hans, darin er seine Herberge hat, nnd vier zttlänner bringen auf außerordentlichem Wege einen Gichtbriichigeti vor ihn, den er heilen soll. Bereits aber beginnen nun schon aiieh in Galiläa die blaehslellungen der Obersten; denn während seiner liurzen Abwesenheit von Kapernauin isi eine Gesandtschaft dea Hohenrathes zu Jerusalem dort eingetroffen nnd hat fiel) mit den Pharisäern in Galitäa vereinigt, ihn zu belauern Sie greifen ihn denn wegen des Wortes non der Vergeltung der Sünden, das er zu dem Gteljtbriichigen redet, wenig- stens heimlich an; er aber beliriistigt sein Wort data) das mitfolgende Zeichen der wunderbaren Heilung des Kranken svklarln L, 1—12; Eule. Z, 17——26.) Evangelium am 19. Sonntage nach Crinitatisd Je mehr wir nach der Heiligung ringen und dar- nach trachten, in allen Dingen nach Gottes Wort zu leben und den neuen Menschen anzuziehen, desto mehr fühlen wir, daß uns immer noch so viel fehlt; wir fallen immer wieder in Sünden und müßten daran verzwei- feln, in der Heiligung zu wachsen, wenn wir nicht den Trost der Sündenvergebung hätten. Der HErr stößt niemanden hinaus, der zu ihm kommt; bei ihm ist der stets offene Heils-braunen. Von diesem seligen Troste lesen wir in unserm Co. (Dieffenbach.) Die Summa dieses Evangelii ist der große, hohe Artikel des Glau- bens, der heißt, ,,Vergebung der Sünden,« welcher, wo er recht verstanden wird, macht er einen rechtschaffenen Christen und giebt das ewige Leben. Darum auch noth ist, daß man ihn mit ganzem Fleiß und ohne Unterlaß in der Christenheit handle, auf daß man ihn lerne hell und klar und unterfchiedlich verstehen; denn das ist die einige, höchste und schwerste Kunst-der Christen, daran wir, so lange wir hier leben, genug zu lernen haben, daß niemand darf etwas Neues, Höheres und Besseres fuchen (Luther). Ein wahrer Jtinger wächst unaufhör- lich in der Versicherung der Vergebung feiner Sünden; denn 1) er bedarf ste immer von Neuem, 2) er sucht sie immer wieder, 3) er empfängt sie aber auch, und 4) besiegelt und bescheinigt ihren Empfang. (Fr. Arndt.) 1. Da lweil die Gergesener den HErrn Jesum nun einmal nicht länger bei sich haben mochten Kap. 8 , 34] trat er [ohne erst hinein in ihre Stadt zu geben«] in das Schiff swelches in der vergangenen Nacht ihn über den See in diese Ge- gend hergebracht hatte Kap. 8, 23 ss. und am Ufer vor Anker geblieben war, bis er von der be- absichtigten Landreise zurückkommen würde], und fuhr wieder herüber snach dem westlichen Ufer des Genezareth] und kam [etwa um die Mittags: Zeit] in feine Stadt sKapernatim Kap. 4, 25; Z, 14 f. Anm.]. — V) Der HErr dringt sich nirgend auf! So entspricht er der höflichen Zurückweifung der Gadarener; aber da- für sorgt er beim Scheiden, daß der geheilte Dämonische (Mark. 5, l ff.; Luk. 8, 26 fs.) als ein Zeuge feiner That bei ihnen zurückbleibe. Es schien diesen Mann in der Seele zu drücken, daß seine Landsleute seinen Retter verwiesen, jedenfalls war ihm dieser jetzt lieber als feine Heimath; als daher Jesus in das Schiff trat, bat er ihn, er möchte ihm gestatten, beiihm zu bleiben. Aber Jesus gab ihm den Auftrag, nach Hause zu gehen und den Seinen zu verkündigem wie sich Gott seiner erbar- met habe; jener aber ergriff diesen Auftrag mit der vollsten Energie, in dem ganzen sehnstädtesGebiet giachte er kund, was ihm widerfahren sei, und mit dem Lobe Gottes verklindigte er auch den Namen Jesu. So hatte sich Jesus in dem dunkeln Lande der Gadarener bei dem klirzesten Aufenthalt aus einem von den finstersten Stim- mungen des Landes ganz beherrschten, umhergetriebenen Menschen einen treuen und eifrigen Prediger der erlö- senden Hilfe Gottes und des in ihm erschienenen Heils gebildet; und diesen großen Segen seines Geistes ließ er dem, durch den richtenden Ernst feiner Erscheinung ge- straften, in irdischen Jnteressen stark besangenen Volke zurück. (P. Lange) » 2. Und siehe skanm war seine Rückkunft nach Kapernanm daselbst bekannt geworden, so versam- melte sich schon in den ersten Nachmittagsstunden ; alsbald wieder eine Menge Volks zu ihm und um- s ringete des Petrus Haus, bei welchem er wohnte, also daß der Raum draußen vor der Thür voll- ständig von Menschen besetzt war und von daher niemand zu ihm gelangen konnte; er selbst aber saß da im Mittelrauin des Hauses, nicht blos von seinen Jüngern, sondern auch von Pharisäern und Schriftgelehrten umgeben, die da gekommen waren ans allen Märkten in Galiläa und Judäa und von Jerusalemf und lehrete das draußen stehende Volk. Jndem er aber ihnen das Wort des Lebens verkündigte und die Kraft des HEern von ihm ansgsnaL da brachten sie zu ihm einen Gichb brüehigen [Kap. S, 6 Anm.], ver lag auf einem Bette [die vier Männer nämlich , die den Kranken trugen, weil sie auf dem gewöhnlichen Wege vor der großen Volksmenge nicht bis zu Jesu gelangest konnten, stiegen von außen her auf das platte Dach des Hauses, deckten dort den Fußboden auf und ließen nun das Bett durch die Oeffnung an Seiten hernieder, so daß der Gichtbrüchige jetzt dalag zu den Füßen des HErrn«]. Da mm Jesus ihren [beider, des Kranken und seiner Träger, durch alle Hindernisse hinVUrchbrecheUdenJ Glauben sahe sund gar wohl wußte, aus was für einem Herzen derselbige kam Apostg l , 24], sprach er «u dem Gichtbriichigen sihm zunächst den Stachelsaus dem Gewissen ziehend , noch ehe, er der Noth seines Leibes sich annähme]: Sei getrost, mein Sohn, deine Sünden sind dir veegebenxkkk ««) Noch ehe Jesus: in Galiläa als Prophet aufge- treten war (Kap. 4, 12 fs.), hatte er schon zwei Ellcal eine fei11dliche Berührung mit den geistlichen Führern Israels gehabt; das eine Mal bei jener Tempelreink gung amPassafeste des I. 37 v. Chr. (Joh.2, 13 fs.), das andere Mal bei der Festreise in Joh. S, I ff., also nicht lange vor dem Beginn seiner galiläischen Thätigkein Jn ganz Palästina, mithin auch in Galiläa zerstreut lebten die Anhänger der pharisäischeii Seite: auf diese mußte Jesus von vornherein dnrch feinen Gegensatz) zu ihrer äußerlichen Gesetzesgerechtigkeit einen ungünstigen Eindruck hervorbringen, mit ihnen aber konnte er all- überall in den Stadien, Flecken und Dörfern, welche er durchzog, in Berührung kommen. Anders verhielt es scch mit den Schriftgelehrten und Gefetzeskundigem welche eigens von Jerusalem nach Galiläa reisten; aller Wahr- scheinlichkeit nach kamen diese (und zwar gerade an dem 118 Evangelium Matthäi 9, 3-—6. Tage, an welcheni der Err von Genezareth aus das Volk am Ufer gelehret atte und dann über das Meer hinüber gefahren war (Kap.8, 18 ff.), als Abgesandte der höchsten geistlichen Obrigkeit Jsraels, des Hohenraths, und mußten Jesum da aufsnchen, wo sie ihn am sicher- sten tressen konnten (zu Kapernaum). Haben die Ab- gesandteii des Hohenraths einst kraft amtlicher Vollniacht den Täufer zur Aussage über seine Person» aufgefordert (Joh. 1, 19»ff.), so haben sie jetzt noch viel mehr Ur- sache, den mit Wunderkraft ausgerüfteten und gleich durch großen Erfolg ausgezeichneten Nazarener, welcher sich doch in ihren Augen bereits des Brnches des göttlichen Gesetzes schuldig gemacht, für’s Erste auf’s Genaneste und Sorgfältigste zu beobachten, um ihn darnach gelege11t- lich zur Verantwortung ziehen zu können. (Lichtenstein.) M) ,,Mitten in seiner Rede wurde Jesus durch einen ungewöhnlichen Vorfall unterbrochen: auf dem Dache hörte man Fußtritte derer, die geschäftig hin und her gingen, dann ein Klopfen, ein Hämmern und Brechen an der Decke. Aller Augen richteten sich ängstlich dahin, von woher das Geränsch kam, ob wohl gar die Decke einbrechen sollte; zuletzt bildete sich eine Oeffnung oben in der Decke, die Oeffnung wurde immer größer nnd man sah deutlich, daß vier Menschen daran arbeiteten. Das fiel niemand ein, was sie wollten; man mußte besorgen, daß sie das Dach abdeckeii und irgend eine niuthwillige Störung herbeiführen wollten. Allein nach- dem die Oeffnung eine gehörige Weite hatte, kam, an Stricken herabgelassen, ein Tragbette hernieder, und auf dem Bette lag ein Mensch; denselben senkten die Vier in die Mitte des Saals, nnd da lag er auf seinem Bette vor Jesu. Ein seltsamer Besuch — nicht durch die Haus- thüre, sondern oben d1irch das Dach! was hat das zu bedeuten?« Und das muß gerade heute sich zutragen, wo Abgesandte des Hohenraths ans Jerusalem herbei- gekommen find, um diesem Jesu von Nazareth nachzu- spüren, ob er nicht ein gefährlicher, verführerischer Mensch sei, dem die geistliche Oberbehörde des Landes von Amts- wegen entgegentreten und wider ihn einschreiten müsse? Ist dies merkwürdige Zusammentreffen der Umstände eine offenbare Fügung Gottes, so wird es gewiß auch ein wichtiger Artikel des Glaubens sein, der nun zur Verhandlung und zum Austrage kommt. »Und in der That: es liegt alles an der Ver ebung der Sünden. Jrren wir in diesem Artikel, so then wir überall irre; sind wir in diesem Artikel gewiä so finden wir nns mit leichter Mühe überall zurecht und werden keinen Schaden nehmen, wenn wir auch sonst einmal fehlen sollten. Deshalb ist der Streit von jeher am heftigsteu über die Vergebung der Sünden entbrannt, weil man die große Wichtigkeit derselben erkannt hat;« nnd was den Anstoß zur Kirchenreforiiiation im 16. Jahrh. gegeben, was ihren Kern- und Niittelpunkt sowohl wie ihren An- fangspunkt bildete, das ist eben dieser Artikel gewesen. TM) Die Art nnd Weise, wie dieser Kranke hier zu Jesu gelangte, war »ein Dnrchbrecheii des Glau- bens im eigentlichsten Sinne und nur aus dem kühnsten Vertrauen heraus, das an’s Verwegene zu grenzen schien, zu erklären; daher auch die Kritik über diesen Heroismus in ihrer sich gleichbleibenden philisterhafteii Kleingeifterei sich geradezu entsetzt hat nnd die Besorgniß geäußert, durch dieses Aufbrechen des Daches hätten ja die da- runter Befindlicheu beschädigt werden können. Es ist nun von vornherein uicht wahrscheinlich, daß der lahme Mensch willenlos also mit sich machen ließ, vielmehr scheint sein Glaubeusmuth erst die Veranlassung zu dieser Unternehmung gegeben zu haben; ja, aus der Art und Weise, wie der HErr diese Sache nahm, könnte man schließen, daß er der eigentliche Führer dieser kühnen Expedition, also ähnlich gewesen sei dem General Tor- stensohn (im 30jährigen Kriege, ein Feldherr aus Gustav Adolss Schule), der einst Siege gewann, indem er krank nnd lahm (an Gicht) sich in einer Sänfte tra- gen ließ. Als der Mensch nun aber vor dem HErrii dalag ans seiner Sänfte und der wesentlichen Majestät in’s Antlitz, sah, da mochte er selber wohl über seine Kühnheit erschreckenx es scheint, als habe er jetzt kein Wort hervorbringen können. Jesus sah aber wohl, daß nicht lediglich der Genesungsdraiig eines Kranken, son- dern vielmehr der Versöhnungsdrang einer schuldbewuß- ten, heilsbegierigen Seele diesen genialen, geflügelten Weg der Zuflucht zu ihm könne eingeschlagen haben; er sah in der That dieser kühnen Gruppe den gemein- samen Glauben derselben nnd sprach zu dem Kranken: sei getrost, mein Sohn, dir find deine Sünden vergeben! —- Das Wort des Predigers in der Kirche wird gar oft, wenn der Niensch nicht will, nicht zu Herzen genom- men, und wenn es auch einen flüchtigen Eindruck machte, es hat keinen Nachdruck; das Wort aber, das die Krank- heit mit einem Menschen sprecheii kann, findet eher ein aufmerksanies Ohr und leichter einen Weg zum Herzen, die Krankheit arbeitet der Predigt vor und nach. Dem Hörer in der Kirche wird es leicht, dem Menschen zu gleichen, der sein leibliches Angesicht im Spiegel beschaut, um hernach davon zu gehen von Stund an und zu ver- gessen, wie er gestaltet war; wer aber auf dem Kranken- bett liegt, der muß stille halten und das Wort an sich kommen lassen, der Mensch kann alsdann nicht wohl das Auge wegwenden von der Gestalt, die sich ihm als die seinige im Spiegel des Wortes Gottes zeigt, mag sie ihm wohl oder übel gefallen. Darum giebt es Viele, die grade da, wo sie seufzen nnd klagen mußten, die erste gute Stunde in ihrem Leben hatten; Viele, die auf dem Krankenbett Dinge gelernt haben, die sie Zeit- lebens nicht vergessen haben; Viele, an denen sich das Wort erfüllt: ,,selig sind, die da Leid tragen!« denn der HErr ist ihr Arzt gewesen, und hat den Leib gesund ge- macht, u1id mit dem Leibe auch die Seele. (Caspari.) Viel öfter als wir meinen, würden wir einen Zu- sammenhang finden zwischen Krankheit und Sündenfchuld, wenn wir tief genug graben wollten im Schachte der Erinnerung, zurückgraben vielleicht bis zu längst verges- senen Jugendsündein Aber wenn dem auch nicht so wäre, wenn wir nicht gerade dieses oder jenes Uebel verschul- det haben durch diese oder jene Sünde: wer muß tiicht dennoch, wenn ihn Gott in’s Verhör nimmt in der Stille seines Krankenzimmers, wenn er so daliegt in schlaflosen Nächten, über sich den allniächtigen Gott, in sich das mahnende Gewissen, hinter sich sein vergangenes Leben, vor sich die drohende Ewigkeit— wer muß nicht mit Mose (Ps. W, 8) bekennen: ,,unsre Missethat stellst du vor dich, unsre anerkannte Sünde in’s Licht vor deinem Angesicht« Wer muß nicht mit Hiob 16, O; 30, El) flehen: »HErr, sieh mich nicht so an, denn du bist mir schrecklich und deine Augen stehen über mir wie Feuerflamnien ?« Ja, wem ist’s da nicht oft, als sähe er an der Wand seines Krankenzimmers jene Geister- hand nnd jenen Urtheilsspruch ivie in Belsazarüs Saal (Daii. S, 5 ff.): ,,Mene, Tekel, Upharsin; man hat dich gewogen nnd zu leicht erfunden,« zu leicht in der Wage des Allniächtigeiy zu leicht mit all deinen Gütern und Titeln, Tugenden nnd Verdiensten? . . . Doch giebt’s auch viele Patienten, die uicht nur vor den Leuten, die selbst im einsamen Kämmerleity selbst auf dem Sterbe- bett, selbst im Angesichte des Todes nichts weniger leiden können, als erinnert zu werden an ihre Sünden; darum fürchten sie auch nichts mehr ans dem Krankenbettz als Christum und sein Wort und seine Diener, und wollen lieber ohne Trost sterben, als daß sie den Seelenarzt an ihr Bett riefen. Oder wenn er endlich kommt, so darf Heilung eines Gichtbrüchigem 119 er von allem reden, nnr nicht von dem Einen, was noth thut, von weltlichen Dingen, nur nicht von geistlichen, vom Gesundwerdem nur nicht vom Sterben, von guten Werken, aber ja nicht von Sünden, vom Himmel zur Noth, aber ja nicht vom Gericht (Gerok.)« s. Und siehe, etliche unter den sum ihn her sitzendens Schriftgelehrten sprachen bei sich selbst fund gaben ihres Herzens Gedanken wohl auch in Geberden des Unwillens zu erkennen, denn »die Mimik der Entrüstung über Gotteslästerung war bei den Juden stark«]: Dieser [wenn er so das Recht, Sünden zu vergeben, für sich in An: spruch nimmt und es zugleich in Ausübung bringt] låstert Gott [denn er greift über in die Mase- stätsrechte, die Gott sich selber vorbehalten, und raubt ihm seine göttliche Ehre]· Soweit sehen diese Leute recht, daß Jesus sein: ,,Mensch, dir sind deine Sünden vergeben!« nicht wie Nathan zu David (2. Sam. 12, 13) im bloßen Aufträge als prophetische Verkündigung, sondern in eigener· Voll- macht spricht; auch darin sind sie in ihrem Rechte, daß ihnen Siindenvergebung, weil sie über eines Menschen Loos und Stand vor Gott entscheidet, als ein göttliches Regale (Königsrecht) erscheint, dessen kein Mensch als solcher sich anmaßeti darf, als ein Majestäts- und Gnaden- recht, dem allein zukommend, der die Geister wägt und richtet. Und so hätten sie immerhin über diesen ganz neuen, einzigen und originalen Gottesgedankem einem Sünder bei der ersten Begegnung mit ihm, noch vor seinem Bitten darum, ja ihm ganz nnvermuthet, die Vergebung der Sünden als ein freies, bedingungsloses Geschenk in den Schooß zu schiittern — sie hätten dabei hoch aufhorchen und die Frage: »Wer ist doch dieser?« auf’s Alleratigelegentlichste bei sich bewegen dürfen. Aber statt dieser Spur des Lichtes nachzugehen und darüber mit Frohlocken inne zu werden, daß die Wunderzeit des neuen Teftaments mit den erstaunlichsten Gottesgnaden an dem Ort und Schatten des Todes aufgegangen, ver- bauen sie sich dagegen in ihren Lästergedankem Ach, es fehlt ihnen eben das zerbrochene Herz, dem freie Gnade ein Evangelium ist! (Roffhack.) » 4. Da aber Jesus ihre Gedanken sahe [das was diese Schriftgelchrten bei sich selbst sprachen, gar wohl verstund , anch wenn es nicht wäre in ihrem Gesicht zu lesen gewefenL sprach er: Warum denket ihr [auf diesem Worte liegt ein Nachdruckx ihr, die ihr aus der Schrift ja wissen solltet , was die Propheten von dem künftigen Mefsias geweissagt haben , in welchem Verhältniß er zu Gott stehe und welche Macht ihm gegeben sei] so Arges in euren Herzen sdaß ihr hier, wo alle Andern mit. solchem Glauben mir entgegen: kommen, alsobald mit dem Vorwurf der Gottes- lästerung bei der Hand seid, ohne erst abzuwarten, ob ich nicht das zu dem Gichtbrüchigen gesprochene Wort auch als Wort voll Wahrheit und Gottes- kraft bewähren werde]? 5. [Hiittet ihr nur einen kleinen Augenblick mit euerm Urtheil noch an euch gehalten, so würde ein zweites Wort meines Mundes euch den hand- greiflichen Beweis meiner Vollmacht auch zu dem ersten gebracht haben; indem es aber zu diesem zweiten Worte jetzt kommen soll, so überleget euch zuvor:]· Welches ist [zwar nicht an und für sich, wohl aber von Seiten des äußeren, in die Augen tretenden Erfolgs] leichter, zu sagen [zu dem Kranken hier]: Dir sind deine Sünden ver- geben, oder zu sagen: Siehe auf und wan- dele?*« [Sicherlich ist doch in der angedeuteten Hin: sicht jenes erste Wort das leichtere; denn da kann kein Mensch controliren, ob der, der es spricht, auch göttliche Vollmacht dazu habe oder nicht, während dagegen das zweite Wort sofort sich selber legitimiren muß] 6. Auf daß ihr aber sdurch ein Wunder im Bereiche des Sichtbaren davon überführt] wisset [und es hinfüro nicht wieder zu einem Gegenstand des Zweifels und der Verdächtigung machet], daß des Menschen Sohn [Kap. 8, 20., den ihr in meiner Person hier vor euch habt] Macht habe auf Erden, s« dte Sunden zu vergeben, sprach er svon seinen Verklägern sich nun dahin wendend , woher ihm der Beweis seiner» Gottes- macht kommen sollte] zu dem Gichtbruchigent Siehe auf, heb dem Bette [darauf man dcch, so elend und keines Gliedes mächtig, hierher ge- bracht hat, in Vollkraft neugeschenkter Gesundheit] auf Und gehe heim ssichtbar an deinen Füßen Beweisend, was vorhin V. 2 unsichtbar an deinem Herzen geschehen] V) Die Frage Jesu: »Was ist leichter zu s agen?« handelt, versteht sich, nicht von einem bloßen Sagen und Wortgepränge, sondern von einem erfolgreichen Sagen, so daß man spricht und die Sünde oder Krankheit ver- schwindet, so daß man gebeut und Leben des Leibes, Frieden der Seele sind da. Von einem gebietenden Wort, einem gewaltigen Machtwort über Krankheit und Sünde ist die Rede. Wenn man es so nimmt, m. Fr., was urtheilt ihr dann? ist es leichter, Krankheiten oder Sünden den Befehl zu geben, von dem Menschen zu weichen? Vielleicht kommt euch die Größe der Krankheit, vielleicht die Größe der Sünde überwiegend vor, viel— leicht wird es euch schwer zu entscheiden. Wir wollen uns aber nicht lange besinnen, sondern bedenken, daß kein Mensch, kein Engel, keine Kreatur durch ein bloßes Wort, durch eine einfache Erklärung bloßer Willens- meinung irgend etwas ändern kann. Gebeut dem Staub, der im Sonnenstrahl taumelt, und sieh, ob er dir ge- horcht! Laß alle Könige der Erde ihre Macht vereinen, laß sie alle zusammen einen Machtspruch über den tau- melnden Staub thun: was wird’s sein? Laß alle Teufel, laß alle Engel zusammentreten, sie sollen alle zumal das Sttiublein anherrschent auf ihr Wollen und Spre- chen achtet dies kleine Pünktlein nicht, sondern es steigt ab und steigt auf seine stille Bahn, wie es sich füget! Wenn aber der Staub nicht folgt, wie du es gern hättest, wie wird dir die Krankheit und die Sündenschuld folgen? Des Leibes Weh, der Seelen Last — beide liegen, wenn du sie hast, auf dir; es hilft dir an beiden kein.mensch- liches Sagen. Ueber beide gebeut allein der allmächtige Wille, dem aber ist eines wie das andere. Die Sünde ist eine größere Last, als die Krankheit, aber leichter, schwerer —- das sind Eigenschaften der Geschöpfe, die für den Erlöses: nicht da sind. Er thut eines und das andere in tiefster Ruhe, ohne Anstrengung und Erschöpfungx 120 und wenn du deshalb mit Hinblick auf Ihn, der es allein kann, die Frage thust: Was ist leichter, was schwerer, was ist größer, was kleiner? so ist die Antwort: Nichts ist leichter, nichts schwerer, nichts größer, nichts kleiner; zu beiden gehört Allmacht —— wer die hat, der thut beides; wer die nicht hat, der thut nichts. (Löhe.) Die Frage des HErrn ist aber auf die sinnliche Auf- fassuugsweise berechnet, der das Wunder dienen soll; derselben zufolge heißt das Aeußere größer, mühevoller, als das Innere, nämlich die Sündenvergebung (Ols- hausen). —- IHI Daß der HErr sagt »aus Erden«, ist sonderlich darum wohl zu merken, daß man nicht gafse in Himmel oder Vergebung der Sünden hoffe, wenn man gestorben ist, im egfeuer durch andrer Leute Werk und Verdienst; denn ier steht’s, daß Vergebung der Sünden sei eine Macht, die den Menschen auf Erden gegeben ist (V. 8), wenn man tauft, das Sacrament reicht, absolvirt und von der Kanzel predigt. Denn es ist beschlossen, was man also losspricht auf Erden, daß das im Himmel auch los sei; wiederum, was man bindet (d. i. von der Taufe« und Sacrament und Wort ausschließt) , das ist auch im Himmel gebunden. (Luther.) 7. Und er [der also Augeredete und Geheilte] stund saugenblicklich vor den Augen derer, die um Jesu her saßen und aufs Genaueste den Vorgang beobachten konnten] auf svon dem Bette, das ihn bisher getragen] und ging suun umgekehrt für dieses der Träger werdend] heim [indem die Majestät Christi, die sich « an ihm verherrlichh durch die Menge, die vorher ihm den Zugang versperrt hatte, ihm eine freie, offene Bahn brach; er ging aber von dannen unter lauten Lobpreisungen Gottes] Gleichwie der Gichtbrüchige auf das Wort des HErrn aufsteht und ein wandelndes Zeichen wird von der Macht und Gnade des HErrn, fo soll’s die Welt an jedem mit Vergebung begnadigten Sünder vor Augen sehen können, daß er nun als ein neuer Mensch in einem neuen Geiste nach dem Wort des Lebens wandelt. Aber nicht Eigen- werk ist das und abermalige Gesetzes-Plage: neiu,.Jesus schenkt seinen Begnadigten zu dem neuen Namen zugleich den neuen Wandel und die neuen Werke. Dieselbe Kraft, welche den Gichtbriichigen leiblich aufgerichtet, ist in ihnen durch den Glauben geistlich wirksam und durch- dringt und wandelt sie an Herz, Muth, Sinn und allen Kräften mit um so völligerer Klarheit, je mehr sie mit lauter Vergebung sich bedeckt, in lauter Vergebung sich eingewickelt finden, und, was sie noch leben im Fleisch, im Glauben an Ihn, der sie geliebt, und in dem Ele- mente seiner blutigen Versöhnung leben. (Roffhack). 8. Da das Volk das sahe swie so sicht- lich hier in Erfüllung ging , was in Jes. 35, 6 von der messianischen Zeit geweissagt worden war: ,,alsdanu werden die Lahmen löcken wie ein Hirsch, und der Stummen Zunge wird Lob fagen«], ver- wunderte es sich [vou tiefer» Ehrfurcht ergriffen] und pretsete Gott, der« solche Macht swie sie hier in Jesu auf zwiefache Weise zu gleicher Zeit sich offenbarte, als eine Macht, die Sünden zu vergeben, und als eine Macht, die Lahmen gehen zu machen] den Menschen sum dieselben zu be- glücken und aus ihrem Elend zur ursprünglichen Gottesherrlichkeit zurückzuführen Pf. 8, 4 ff] ge- EvangeliumMatthäi I, 7-—10. geben hat [besser läßt man das Wörtlein ,,hat« weg und schreibt blos: ,,gegeben«]. Als der HErr von der Erde Abschied nahm und ihr feine sichtbare Gegenwart entzog, hinterließ er seinen Aposteln und Jüngern beides, die Macht, Sünden zu vergeben, und die Macht, Kranke gesund zu machen; in seinem Namen predigten sie fortan Vergebung der Sün- den allen Völkern, anfaheud in Jerusalem, und wohin sie gingen, bekrästigte der HErr ihr Wort durch mit- folgende Zeichen, daß viele Kranke und«mit Seuchen Behaftete genasen nnd ihres Leibes Gesundheit wieder bekamen. Und diese doppelte Gabe der Vergebung und Genesung pflanzte sich nach dem glaubwürdigen Zeug- niß der Väter auch auf die Zeiten nach den Aposteln und ersten Jüngern fort. Wie steht es nun in dieser Hinsicht mit unsrer Zeit? Diese Frage zu beantworten, bedarf es doch zum Theil lichter Augen und wacher, nüchterner Geister. Zwar daß die Gabe, Sünde zu ver- geben, nicht von uns gewichen ist und der Kirche zu keiner Zeit fehlte, ist offenbar; die Kirche kann diese Gabe nicht entbehren, und der HErr kann sie seiner Kirche nie entziehen, sie speist die Lebenden und Ster- benden, und ohne sie ist kein Heil. Wir können alles eher entbehren als das Amt, das Versöhnung predigt nnd die müden Sünder absolvirt; und solange uns der HErr dies Amt, diesen segensreichen Baum seiner Gnaden läßt, ist nicht zu verzagen und zu verzweifeln, d. i. man braucht nie zu verzagen, denn der HErr läßt uns bis an’s Ende der Tage unsern letzten Trost, die Vergebung der Sünden. Aber wie es mit der Gabe, gesund zu machen, stehe, ob die noch vorhanden sei, das ist die schwierigere Frage, in Bezug auf welche ich lichte Augen und wachsame, nüchterne Geister Allen wünsche, zu denen ich hiermit rede. Soviel ist gleich gesagt, daß die Gabe, gesund zu machen, wie sie die Apostel besaßen, unsers Wissens gegenwärtig nicht in der Kirche ist; aber ob deshalb gar nichts mehr vorhanden sei, was mit jener wunderbaren Gabe zufammenhängn was ein Angeld und Pfand genannt zu werden verdient, ein Angeld und Pfand, daß auch eine größere Fülle außerordentlicher Gaben alsbald wieder geschenkt werden wird, sowie die Noth es erfordert und die Kirche es wieder glauben und fassen kann, das gebe ich euch zu bedenken. (Löhe.) v. b. 9——17. (§. 37.) Gleirh uakh der soeben erzählten Heilung half aber Jesus« noch einem andern meufkhen auf die Füße; indem er nämlich nach dem Seeufer sich wendet, ltommt er an der Jollstätte vorbei nnd fordert hier den Jllatthäug zu seiner Uakhfolge auf. Dieser leistet denn auch dem an ihn ergangenen Rufe sofortigen und freudigen Gehorsam, und tritt alt der arhte in den Kreis der Zwölfe ein Gar. s, 22 Rauch. Zllg dann iuatthästn wohl 1 oder 2 Tage feiner, in seinen! Haufe dem Heim! ein Feflmahl bereitet and dazu viele feiner bisherigen Berufsgenofsen eiuladet, stellen die Pharisäer die Sänger Iefu darüber zur Rede, das; ihr Meister mit Böllnern und Sündern esse; dieser übernimmt selbfl die Verantwortung und behriiftigt seine Zurechtweisiing der Widersacher durch die Hiuweisnug auf ein Propheten- wort Jetzt aber wird von den Iiingera des Johannes im Ginoerftändniß mit den Pharisäern: eine andere Seite desselben Gasbnaljlg in’g Auge gefaßt, daß es nämtiuj ein fefllith Gelag, ein ircudenrnahl gewesen; auch auf den von dieser Seite her erhabenen Vorwurf bleibt der ltjGrt die Antwort nikht frhuldig (i)tlarli. L, is— Es; Eule. H, 27——39.). Evangelium am St. Weithin-Tage: v. 9—l3.) Es ist dies der Gedächtnißtag (vgl. das über die Aposteltage zu Kap. 4, 18 ff. Bemerkte) des nämlichen Berufung des Zöllners Matthäus 121 Apostels, dessen Berusungsgeschichte uns hier von ihm selber, dem Verfasser unsers Evangelii, mitgetheilt wird, von der Kirche gefeiert am 21. September. An diesem Tage ward im J. 1522 die Uebersetzung des neuen Testaments von Luther im Druck vollendet, eine Frucht seiner unsreiwilligen Muße auf der Wartburg (Ps. Its, I s. Anm.); er hat also für die evangelische Kirche noch eine besondere Bedeutung. Nach unsrer Berechnung fällt die vorliegende Geschichte in den September des J. 28 n. Chr.; darnach dürfte die kirchliche Sage, welche den Apostel Matthäus mit dem 21. Tage dieses Monats in Verbindung bringt, auf besserem Grunde als auf blos willkijrlicher Annahme beruhen, nur daß es sich in Wahrheit nicht um den Märtyrertod des Apostels da- bei handelt (von einem solchen giebt es überhaupt keine sichere Kunde), sondern um seine Berufung zum Apostel. 9. Und da Jesus von dannen saus dem Hause des Petrus, darin die Heilung des Gicht- brüchigen stattgefunden V. 1 ff.] ging« fund sein Weg nach demSeeufer hin, wo er das Volk leh- ren wollte, ihn bei dem Zollamte vorüberführte], sahe er einen Menschen svom jüdischen Volk, Sohn eines gewissen AlphäusDl der zu der Klasse der so übel berüchtigten Zollpächteu Schlußbem zum J. Maccabäerh Nr. 9, a. Ins» gehörte] am Zoll sitzen, der hieß [mit seinem bisherigen Namen Levi Mark. L, 14; Luk. 5, 27., mit seinem nachmaligen Namen als Apostel aber Kap. l0, Z; Mark.3, 18; Luk. e, III; Apostg· l, 131 MatthäusÆt und sprach zu ihm [von dem er wohl wußte, wie es um sein Herz stund -s-]: Folge mir [du sollst meiner Jünger einer seit! Kap« 8, 22]. und er stund kalsbald von seinem Sitze am Zoll] auf, und folgeteihmcks «) Es ist nicht nöthig anzunehmen, daß dies noch an dem nämlichen Tage geschehen; da es nur auf den Ort ankommt, von welchem aus der HErr seine Wan- derung durch das Land fortsetzte, so haben wir viel- mehr an den folgenden Tag zu denken, zumal die Ge- schichte in V. 2 ff. bereits auf die Nachmittagsstunden desjenigen Tages fällt, an dem Jesus aus dem Gebiete der Gergesener zurückgekehrt war. —- ««·«1·) Derselbe ist nicht zu verwechseln mit dem Vater Jakobi des Jünge- ren (Kap. 10, Z) und Gatten der andern Maria (Kap. 27, 56l, von dem wir zu Kap. Z, 23 gesprochen haben. Wie gedankenlos die Legende manchmal verfährt, zeigt sich z. B. darin, daß sie den Vater des Matthäus Nucus nennt (auch für seine Mutter hat sie einen Namen: Chirothia); sie hat also die oben angeführte biblifche Angabe ganz außer Acht gelassen. —- HHJ Der Name ,,Levi« bedeutet Anschluß, wie wir aus 1. Mos. II, 34 wissen; über den andern Namen ,,Matthäus« aber kann man in Zweifel fein, ob er nur eine Nebenform zu ,,Matthias« (Apostg. 1, 23) oder ein eigener Name mit selbstständiger Bedeutung sei. Indessen ist wohl die erstere Annahme ganz unbedenklich, und würde da der Name (Matthjja) soviel sein als: Geschenk des HErrn, ähnlich wie »Nathanael« bedeutet: Gabe Gottes (griech. Theodor). Die neue Namengebnng ist gewiß durch den HErrn Jesum selbst erfolgt; der HErr nannte ihn so, vielleicht weil derselbe ihm besonders vor den Andern als eine Gottesgabe zufiel, und damit mochte es denn zusammenhängem daß der Name des Nathanael in ,,Vartholomäus« (Sohn des Tholomai oder Thalmai Jos. 15, 14; 2. Sam. I3,«·-.37) verwandelt wurde. f) Da Jesus schon manchmal am Seenfer, in dessen Nähe sich auch die Zollstätte befand , gelehrt hatte, so hatte Matthäus öfter Gelegenheit gehabt, ihn zu hören. Er hatte auch einen Eindrnck von ihm empfangen, und es war nun zu einem Kampfe in seinem Innern ge- kommen, sein Gewissen war erwacht und er war seiner Zöllnersüiiden herzlich müde; aber in des HErrn un- mittelbare Nachfol e einzutreten, dazu bedurfte es erst einer besonderen ufsorderung von dessen Seite, um so mehr, weil Matthäus wohl wußte, wie übel berüchtigt sein bisheriger Stand bei dem Volke war, er von fiel) selber aber nicht wissen konnte, daß auch solche Leute wie er zur Gemeinschaft des Sohnes Gottes gelangen könn- ten. Da, scheint es , veranlaßte Jesum gerade der am Tage zuvor von Seiten der pharisäischen Partei offen hervorgetretene Gegensatz gegen die slindenvergebende Macht der göttlichen Gnade (V. Z) zur förmlichen Auf- nahme auch eines Zöllners unter die Zahl seiner Apo- fiel, ähnlich wie hernach Paulus durch den Unglauben der Juden veranlaßt wurde, sich um so entschiedener den Heiden zuzuwenden (Apostg. 18, 6). »Der Abstoß des Evangeliums von Seiten der ges chichtliih Berech- tigten hat allemal in der Geschichte des Reiches Gottes eine eutschiedenere Hinwendung desselben zu den geistig Berechtigteth d. h. den Empfänglichen zur Folge« -H·) Man hat an dieser raschen Entfchlossenheit des Matthäus, womit er dem Rufe des HErrn Folge leistete und fein bisheriges Gewerbe hinter stch warf, Anstoß genommen, ja wohl gar ein rücksichtloses Verlassen seiner Pflicht darin gefunden; allein heimlich ist Matthäus gewiß nicht fortgegangen, sondern er wird dem Ober- zöllner haben Meldung machen lassen, daß man die Stelle an einen Andern verpachte, Pflichten hatte er sonst weiter nicht zu erfüllen, und wenn der Posten viel- leicht auch einige Zeit leer stand, so hatte niemand Schaden davon, als er selber, dem die Einnahme gegen die bereits entrichtete Pacht zufiel. 10. Und es begab sich san einem der nächst- folgenden Tage], da er sder HErr Jesus] zu Tische« saß fgenauerr lag Kuh. 26, 20 Anm.] un Hause sdes Matthäus, der zu Ehren dessen, an den er war gläubig geworden, ein Fesimahl veranstaltet hatte Luk. 5, 29], da kamen sals ebenfalls geladene Gäste] viel Zdlluer und Sundet [Zöllner, die man schlechtweg mit dem Namen ,,Sünder« als solche zu bezeichnen pflegte, mit denen ein rechtschaffener Jude keine Gemeinschaft halten dürfe] und saßen klagen] zu Tische mit Jesu und seinen Jungern sdenn in diesem Mahl wollte Matthäits zugleich seinen Abschied von den bisherigen Berufsgenossen machen]. Er selbst, dieser demüthige Apostel, erzählt das, was ihn betrifft, so wahrhaft demüthig und unscheinbar, als es nur erzählt werden konnte; sobald es nur sein kann, lenkt er die Aufmerksamkeit seiner Leser von sich ab und auf den HErrn hin, sich begniigend zu erzählen: »Und es begab sich, da er zu Tische saß im Hause,« ohne zu sagen, in welchem Haufe und wer die Mahlzeit bereitet habe. Er selbst, Matthäus, war es, der die Mahlzeit, von der hier die Rede ist, in seinem Hause, das er aber nicht mehr das seinige nennen will, veranstaltetk Das war der letzte Gebrauch, den er von seinem Vermögen in dieser Welt machte: und wahrlich! er hätte keinen wtirdigern und schönern Gebrauch davon machen können. Er wollte den HErrn und seine Jüngey besonders seine künftigen Mitaposteh bewirthen und so gewissermaßen in 122 Evangelium Matthäi 9, 11-——16. ihre Gesellschaft hineintreten; und er wollte feine bis- herigen Mitzöllner, Bekannte und Angehörige beivirthen, Abschied von ihnen nehmen und so gewissermaßen aus ihrer Gesellschaft heraustreten —- darum veranstaltete er dies große Mahl. Und so unsinnig und unfelig es sonst ist, wenn die verschiedenartigsteii M»ei1fchen, zwifchen denen gar keine gegenfeitigen Berührungspunkte zu ge- meinschaftlicher interesfanter Unterhaltung stattfinden, zu- sammengeladen und gezwungen werden, Langeweile zu haben; so hat doch hier das Ungleichartige dieser Ge- fellfchaft, das scheii1bare Nichtzueiiiaiidergehöreii dieser Menfchen den Matthäus nicht nur ergötzt, sondern ist znverläfsig seine bestiuimteste und edelfte Absicht bei ihrer Veranstaltung gewesen. Seine Absicht dabei war die, einer Menge von Zöllneru und Sündern, mit denen er in Bekanntfchaft und Verhältnis; stand, Gelegenheit zu eben, Jesum und seine Jiinger aus eigener Ansicht ennen zu lerne1i und in dieser Ansicht gewahr zu wer- den, daß es eine Religion und Frömmigkeit gebe,, die sie bis dahin nicht gekannt, die, milde und rein wie der Himmel, auch durchaus wahrhaftig und voll Frieden und Liebe sei; es war ihm besonders darum zu thun, daß diese Menfcheii den HErrii Jesuni wo möglich lieb gewinnen, mit Achtung und Ehrfurcht gegen ihn erfüllt und gegen ihn »und seine Sache so gestimmt werden möchten, daß sie ihn gern zum zweiten und dritten Mal wiederzusehen und zu hören verlangten, ihm und feinem Worte, wo sie dazu Gelegenheit haben sollten, nicht auswichen, und also in dieser Gefellfchaft die erste Richtung zu ihm, zur Wahrheit, zur Besserung er- hielten. O, dachte er, die Wahrheit, Reinheit und Ho- heit seines Wesens, verbunden mit solcher Einfalt, Güte nnd Holdfeligkeih wird wohlthätig auf sie wirken, wird diesen oder jenen anziehen und es ihm sagen, wie aller Menschen Worte es ihm nicht sagen könnten, daß es für den Menschen etwas Nöthigeres giebt, als Geld und Gut, und etwas Süßeres, als Lust uiid Sünde; viel- leicht dankt mir’s noch dieser oder jener ewig , daß ich ihn zu dieser Gesellschaft eingeladen habe. (Menken.) 11. Da das ffolchen Verkehr Jesu mit Men- schen, die doch voniihnen für ein Auswurf erklärt und geradezu in den Bann gethan waren] die Pharisaer fund Schriftgelehrten des Orts Luk. 5, 30] aheu [indem sie es abfichtlich so eingerichtet hatten, daß die von dem Mahl heimkehrenden Gäste bei ihrem Austritt aus dem Hause ihnen in den Weg kommen mußten] sprachen sie zu seinen Jüngerns Warum isset euer Meister mit den Zöllnern und Sündern [bedenkt er denn nicht, in welch übles Licht er sich und euch damit stellt in den Augen der Frommen und Gerechten]? 12. Da das Jesus hörete [denn er hatte nahe genug gestanden , ihre Worte zu vernehmen , und mußte den Jüngern zu Hilfe kommen, die nicht wußten, was sie auf den Vorwurf antworten soll- ten], sprach er zu ihnen sden Pharifäernp Die Starken [die noch bei gesundem Leibe sind] bedürfen des Arztes nicht, sondern die Kranken [und so weist auch den Arzt und Heiland der Seelen sein Beruf zu denen, die seiner Hilfe bedürfen, wenn sie nicht sollen verloren gehen]. » 13. Gehet aber fdie ihr, wenn ihr wirklich Fromme wäret, wofür ihr euch haltet, euch viel- mehr freuen müßtet, statt darüber zu rechten, wenn ich der Verlorenen mich annehme] hin Und lernet [da es euch so gänzlich an Verständniß eines Grund- und Kernwortes der heil. Schrift fehlt], was das ist sdas Gott, der HErr, in Hosea 6, sagt]: Ich habe Wohlgefallen an Barmherzigkeit sdie einer gegen seinen Nächsten übt], und nicht am Opfer [das er mit kaltem, lieblofem Herzen mir darbringt; wenn ihr dies Wort werdet verstanden und also bei euch aufgenommen haben, daß eure Gerechtigkeit nicht mehr bestehet im äußeren Werkdienst, sondern im Trachten nach dem, was Gott wohlgefällt, werdet ihr auch mich verstehen und selber heilsbe- gierige Seelen werden, bis dahin aber gehen nun einmal unsre Wege auseinander] Jch bin kommen, die Sunder zur Buße zu rufen, und nicht die Frommen [von eurer Art, mit denen ich ja doch nichts schaffes O in diesem Nicht liess ein schwerer Ernst; dieses Nicht ist wie ein eherner iegel, der alle Selbstgerechs ten ausschließt vom Genusse seines Gnadenreichs. Für Alle ist der treue Heiland in die Welt gekommen, Alle ruft er zu sich, Allen will er helfen: deni Schächer am Kreuz noch schenkt er das Paradies, aus einem niedrigen Zölliier kann er einen Apostel machen, fchwache Kindlein schließt er in feine Arme, Kranke, denen keine Arzenei helfen kann, macht er gesund, Todte, die schon auf der Bahre liegen, macht er lebendig, das leichtsinnigste Herz kann er erschüttern, das wildeste rühren, das zerrtittetste trösten, das verdorbenste heiligen; nur Eins kann er nicht — ein Pharifäerherz selig machen, solang es be- harret in seinem selbstgerechten Trotz. Da ist die Macht seines Wortes aus, da ist das Amt feiner Liebe zu Ende; für die Selbstgerechten giebrs keinen Heiland. —- Es giebt auch heute noch Pharifäerseeleii genug unter jederlei Ständen und Bildun sstufen, an denen alle Predigt des Evangeliums, alle ünderliebe des Heilands vergeblich ist, weil es ihnen an der ersten Bedingung fehlt, an der demiithigen Erkeuntniß ihrer Sünden, weil alle Pfleile der Bußpredigt, alle Sonnenstrahlen der Gnade machtlos abprallen-an dem stahlharten Brust- harnifch ihrer hochmtithigen Selbstgenügfamkein Willst du sie belehren aus dem Worte der Wahrheit — o das wissen sie alles längst, wisfen’s viel besser; denn sie find kluge Köpfe, gescheute Leute, aufgekltirte Männer. Willst du sie erschüttern mit der Predigt des Gesetzes und mahnen an Buße und Bekehrung — das rührt sie nicht: sie sind gar wackere Leute, ehrfame Bürger, denen nie- mand etwas Böses nachfagen kann, tugendhafte Seelen, die noch viel gut haben bei dem lieben Gott. Willst du sie rühren mit der Predigt der Gnade und ihnen Jefum bringen, den Heiland der Seelen, den Friedefürsten — o das läßt sie gar kalt: sie brauchen keine Gnade, denn sie sind gar sicher in der Burg ihrer Gerechtigkeit; sie fuchen keinen Frieden, denn sie sind gar zufrieden mit sich selbst; ihnen ist nicht bang um Himmel und Selig- keit, das alles muß ihnen von selber zufallen; von ihnen steht es geschrieben: ich bin reich und gar satt und darf nichts (Gerok.) 14. Jndeß fwährend er in der vorhin beschrie- benen Weise mit den Pharisäern verhandelte] kamen die Jüngers Johannis [deren Meister nun schon seit 4 Monaten im Gefängniß lag Kuh. 14, 3 ff. und die ebenfalls an Jesu mancherlei Anstoß nahmen, daher sie gern einmal mit den Pharisäern gemein- Das Gastmahl im Hause des Matthäns Die Frage der Pharisäer und die Klage der Johannisjüngen 123 schaftliche Sache machten, gleichwie sie wiederum diese als eine Art Gesinnungsgenossen betrachte: ten] zn ihm Und sprachen snoch im Beisein ihrer Freunde und von ihnen untirstützt Mark. 2, is; Luk Z, ZZJI Warum fasten wir und die Phari- säer swelche Uebereinstimmung in denselben Grund: sätzen doch gewiß dafür spricht, daß wir mit unsrer Handluiigsigeise auf rechtem Wege sind] so viel, nnd deine Junger [mit denen du eben von einem fröhlichen Mahle kommst] fasten nicht [du. leitest ja ausdrücklich sie dazu an, sich über die Fastenordnnng hinwegzusetzen] ? « Wir haben es hier mit folchen Johannisjüiigern zu thun, die sich schon einigermaßen im Widerspruch mit dem höheren Geistesleben Jesu fühlten. Sie konnten noch nicht mit Jesu gebrochen haben, das verhinderte die über ihnensortwaltende Autorität ihres Meisters; ja, un; diese Zeit hätten sie sich gewiß gerne ganz mit der Richtuiig Jesu ausgesöhnt, wenn er ein stürmisihes Wirken begonnen hätte, wenn er ihnen irgendwie Aus- sicht geniacht, daß er bald die Gefängnißthiireii der Feste Machärus, in welcher« ihr Meister gefangen saß, sprengen werde. Und in dieser Hoffnung mochten sie ihn wohl umgeben und auf sein Verhalten achten, da es ihnen zwar freistand, den Meister im Gefängniß zu besuchen (Kap. 11 , Z) , sie aber doch uicht bei ihm im Gefängniß leben konnten. Da fiel es ihnen denn schon schwer auf’s Herz, wenn sie sehen mußten , wie das Volk ihn umwogte, umjauchzte und so ausschließlich seinen Tritten folgte, als ob es keinen Täufer Johannes mehr in der Welt gäbe; und wenn sie nun vollends bemerkten, daß auch Jesus nicht auf die äußere Befrei- ung des großen Mannes hinwinkte, daß er ihm viel- mehr die Hilfsmittel der Befreiung, die Gemijther des Volks zu entziehen schien, und dann gar sahen, daß er Gastmahle mit Zöllnern feiern konnte, während sie meinten, er mit dem ganzen Lande sollte jetzt um den gefesselten Propheten Leid tragen und fasten, dann war es bei der Richtung, die sie einmal genommen hatten, natiirlich, wenn ihre Verstiinmung gegen Jesum zur bit- teren Gereiztheit wurde. Aber sie waren edler als die Pharisäer, darum wandten sie sich unmittelbar an ihn mit der Frage gesetzeiferischen Befremdens; haben die Pharisäer die Jünger gefragt: »Warum ifset euer Meister· mit den Zöllnern und Sündern?« so fragen nun sie ihrerseits den Meister: ,,warum fasten deine Jünger nichts« (P. Lange.) 15. Jesus lzunächst den gegen seine Jünger erhobenen Vorwurf als einen Widerspruch in sich selbst darlegend] sprach zn ihnen sindem er ein Gleichniß wieder aufnahm, dessen der Täufer sich einst selbst vor ihnen. den Johannis-Jiingern, be- dient hatte Joh. Z, 29., und dasselbe ietzt auf die ersteren anwandte]: Wie können die Hochzeitleute [Ri»cht. 14, 11 Auen] Leid tragen, so lange der Btautigam bei ihnen ist? lmuß da nicht vielmehr ihr Herz voll eitel Freude sein? und mit einer sol- chen Herzensstimmung hat doch wahrlich das Fasten nichts zu schaffenz es wäre nur ein äußerlich ihnen auferlegtes Joch, wollte ich sie dazu anhalten] Es wird aber die Zeit kommen, daß der Bräutigam szu dem sie sich als Freunde halten] von ihnen genommen wird sgleichwie euer Bräutigam, Johan- nes, schon ietzt von euch genommen ist]; alsdann [weil niin ihr Herz voll Tranerns worden Joh. 1S- 5 f. 20 ff] werden sie svon selber, ohne daß man’s ihnen erst zu heißen braucht] fasten swenn auch nicht gerade in dem Sinne, wie ihr es meint] Es ist zweierlei Leiden: eines aus eigener Wahl an- genommen, als der Mönche Regeln 2c., wie die Baals- priester sich selbst stachen (l. Köir 18, 28); solches Leiden hält alle Welt, und hielten’s die Pharisäer, auch Jo- hannis-Jtinger, für groß, aber Gott verachtet es. Das andere Leiden, von Gott ohne unsere Wahl zueschicktx dies willigliche Leiden ist recht und gottgefälliep sLutherh Die Jünger Jesu standen als solche mit Gott in einem ganz anderen Verhältniß als Johannes und seine Jän- gerx sie hatten den Geist der Kindschafy und so wan- delten sie mit kindlichem Sinne vor Gott, nahmen, ge- nossen, ertrugeu fröhliche und traurige Tage, wie, sie Gott gab, ohne sich selbst in eigener Wahl fröhliche und traurige Tage zu machen, sie überließen sich seiner Lei- tung und seinem Geist. (Menken.) Wenn der HErr den Johannisjiingern andeutet, daß auch er selber seinen Jüngern nach der Dauer eines kurzen« Festes werde ent- rissen werden, und daß seine Iünger dann auch um ihn traueru würden und in der Trauer fasten; so sollten sie fühlen, daß er ihr Leid verstehe, aber nicht durch äußere Hilfe heben könne und wolle, sondern daß er sich viel- mehr in heiligem Mitleid auch schon dem Tode geweiht sehe. (P. Lange.) Es ist dies bei Matthäus die erste Hinweisung Jesu auf seinen Tod, welcher ihm von vorn- herein (Joh. l, 29; 2, 19; Z, 141 als die göttlich ge- wollte und prophetisch geweisfagte Spitze seines Erden- werks klar war. (Meher.) Wenn aber die römische Kirche aus unserm Spruche ableitet, daß der HErr die Fasten als bleibenden Gebrauch nach seinem Tode verordnet habe, so kommt es wohl daher, daß sie die volle Kraft der Verheißung in Kap. 28, 20 übersieht. Jst denn nicht der Bräutigam blos darum körperlich weggenom- men, auf daß er im Geiste wiederkommen und bis in Ewigkeit bleiben sollte? (v. OsterzeeJ Offenbar ver- warf der HErr nicht das Fasten überhaupt (Apostg. 13, Z; l. Cur. 7, 5); aber er wollte es weder als etwas besonders Verdienstliches betrachtet, noch als einen äußer- lich vorgeschriebenen gesetzlichen Zwang behandelt wissen, sondern er wollte es nur gelten lassen als einen natür- lichen Ausdruck der inneren Herzenstraurigkeit vor Gott, des inneren Bewußtseins unserer Sündhaftigkeih wenn sich solches dem Geniüthe in manchen Zeiten und Lagen des Lebens besonders stark aufdrängt. (Fr. Arndt.) Das Fasten, welches die Passion Christi für die Jiinger Christi mit sich bringt, ist die vollendete Weltentsagung: Gal. 6, 14 (P. Lange.) 1«6. [Darnach, die mit jener Frage V. 14 an ihn selbst gestellte Zumuthnng als ungehörig und thöricht zuriickweiseiiu sagte er zu ihnen ein Gleich: niß Luk. 5, 36]: Niemand flickt ein alt Kleid mit einem Lappen von neuem snoch ungewalktem und zum Gebrauch noch nicht vollständig zurecht ge- machtetn] Tuehez denn der Lappe sivomit man, wenn einer wirklich so ungleichartige Stoffe zusam- menbringen wollte, die Lücke anszufüllen gedenkt] retßet doch wieder vom Kleide [indem er beim Naßwerden einlänft und rings um sich her von dem morschen Stoff des alten Kleides einen Theil sich nachzieht], und der Riß wird [dnrch diesen, 124 Evangelium Matthäi S, 17. 18. von dem Sichzufammenziehen des Lappen bewirkten Ausrißj ärger [als er vorhin gewesen]. 17. Max; fasset auch cum dukch ei« and» Gleichniß das, was ich euch zu bedenken gebe, noch von einer andexn Seite her in’s Licht zu stellens nicht Most in alte Schlauche fHiob 32, 19 Anm.]; anders-D. i. beobachtet man aus thörichter Vor- liebe für das Alte oder aus übel angebrachter Sparsamkeit diese Vrsrsichtstnaßregel nicht, so bleibt auch di: natürliche Folge nicht ans:] die Schlciuche fals morsch der Ausdehnungskraft des gährenden Mosts nicht gewachsens zerreißen, und der Most wird verschutteh und fnnn thut man stch auf zwei Seiten zugleich Schaden: nicht nur wird, wie eben gesagt, der Most verschüttet, sondern auch] die Schlauche sdie man für alten, ausgegorenen Wein noch wohl hätte brauchen können] kommen Um. Sondern man fasset [wenn man seinen wahren Borthcil vekstehtj Most in neue Schlciucha so werden sie beide lMost und Schläuche, welche letztere als neu der jugendlichen Kraft des ersteren zu widerstehen vermögen] mit einander behalten. Da in der Bemerkung der Pharisäer und Johannis- jünger etwas Anforderndes lag, spricht der HErr in 2 Vergleichuugen aus, wie die zwei Oekonomieen (die bei- den Heilsanstalten des alten und des neuen Testa1nents) sich nicht vermischen ließen; der neue Geist bedarf der neuen Formen, und selbst wenn im neutestauientlichen Leben dem alttestamentlichen Wesen verwandte Formen sich darstellen, so sind sie doch verschieden von den Er- scheinun en des Lebens rein unter dem Gesetz. Beide Verglei ungen besagen allerdings dasselbe, allein sie sind von verschiedenen Standpunkten (jerce von dem der Pha- risäer und der Johannisjünger, diese von dem des HErrn und seiner Jünger) aus aufgefaßt. Jn der er- steren wird das Neue als ein Ne ensächliches, die Bedürfnisse des Alten Heilendes aufgefaßt —- fo mußte den Pharisäern (und ihren Geistesverwccndtem den Jo- hannisjüngerty von ihrem befchränkten Standpunkte herab das Evangelium erscheinen; in der zweiten Ver- gleichung dagegen erscheint das Neue als das Wesent- liche, das Alte als die» bloße orm — so verhielt sich beides zu einander der Wahrheit nach. Durch die Ver- bindung der beiden Vergleichungen genügte der Barm- herzige, zur Schwachheit sich liebevoll herablassend, den Bedürfnissen aller. Den Pharisäern (und Jhresgleichety selbst mußte einleuchtend werden, daß sie die Mängel ihrer Oeconomie (des alten Testaments) nicht bedecken könnten dnrch Ausnahme des evangelischen Element-s; das konnte so wenig wohlthätig wirken, als ein unge- wässerter neuer Lappen, auf einen alten Mantel gesetzt, diesem etwas hilft. Jn der zweiten Vergleichung da- gegen tritt das Verhältniß von Wesen und Form, vom »Standtpnnkte des neuen Testaments aus, klar hervor: das Wesen muß sich seine ihm entsprechende Form schöpferisch bilden; will menfchlicher Eigenwille den Geist in alte Formen pressen, so wird zunächst die Form ge- sprengt, aber auch das Wesen kann nicht geregelt wirken, seine inwohnende Kraft offenbart sich zwar, aber in un- geordneten, dem Ganzen nicht heilsamen Erscheinungen. Jn Luk. 5 , 39 kommt noch ein Zug hinzu, der sehr characteristisch ist und auf die Pharisäer (und Johannis- jünger) zurückführt; der liebevolle Heiland entschuldigt die in dem Wesen des Alten verwachsenen Herzen selbst und findet es nicht unbegründeh daß ihnen schwer wird, aus dem alten Kreise geistiger Gewohnheit hinauszu- schreiten und sich in ein neues sprudelndes Lebenselement zu wagen. Das Alte, weil milder, abgelagerter (wie das alte Testament verglichen mit dem neuen), wird durch die Gewohnheit angenehmer; das Neue, der noch in Gährung begriffene, prickelnde Schaumwein, will an- fangs nicht münden; doch eben dieser Ausdruck fordert zugleich milde zum Eingehen in das neue Leben des Geistes auf, das der HErr der Menschheit brachte. (Olshausen.) Wahrscheinlich nahmen die Johannisjünger die entschiedene Erklärung Jefu nicht zum Besten auf; daß jedoch die Art und Weise, wie sie das Wort dem gefangenen Täufer hinterbrachtem dazu beitrug, diesem eine trübe Stimmung zu bereiten: (Kap. il, 2 f.) wie P. Lange vermuthet ist wider die Chronologir. VL v. upon. (§. Zu) sofort nach de: Verhandlung im vorigen Abschnitt hatte Jesus( Gelegenheit zu zeigen, daß feine Art, ein zlfrendenmalyl zn feiern, ihn den Eeidtragendeii uitht entfremdeta während er nämlich noch mit Hlägern und Hrittleru fiel) unter-redet, kommt der Vorsteher einer Schule zu Haoernantm der vermöge seines Amte den Gottegdienfl der Gemeinde dort zu überwachen und zu leiten hatte, vermöge der Partei aber, zu der er zählte, von Hang aus nicht· zu Iefu Freun- den und Anhängern gehiirte, nnd bittet ihu für sein Kind, ein Mägdlein non 12 Jahren, um Hilfe in großer Noth; in den letzten Zügen fehon lag sie, als er non daheim wegging, die Angfi feiner Seele malt ihm ihr Bild vor die Augen als das einer bcreilo Geflorbettetn nnd nun bittet auch der Mund mehr, als das Herz noch zu fassen vermag. Der HErr geht fogleirh mit ihm nach feinem Haufe; aber unterwegs kommt ein Aufent- halt — ein Weib, das 12 Jahre den slnlgang gehabt nnd bei den Aerzten nicht fomohl Heilung, als ber- fchlimmerttug ihrer Plage gefunden, rührt non hinten den Saum des Kleides Jesu an in dem kühnen Glauben, feine wnndetkraft auf diefe weise in ihren kranken Weib überzuleitem nnd findet auch Heilung. weder die längere Verhandlung mit ihr, noch die mit Jan-us, als wirklich die Botfchaft kommt, fein Kind fei gestorben, wird ung von Matthättg in unserm Abschnitt berichtet: es ifi einmal feine Art, nur die Hauptsachen jeder Be— gebenheit zu erzählen, ohue auf besondere Vorgänge sieh einzulassen. Und so fiihrl er uns alsbald in dag Trauer— hatte, das Iesnn vou den Hlageweiberu und Flöteufpik lern reinigt, und von da in die Todteuliammey wo er das Mägdlein von den Todten wieder lebendig macht. hmarlr 5, 21-—43; Luk Z, 40—-56.) Evangelium am M. Sonntage nach Triuitatiy Hat der heil. Geist uns berufen sTrinitatis bis 5. n. Trinit.), erleuchtet (6——10 n. Trin.), bekehrt (ll--—l4 n. Trin.) und zur wahrenHeiligung geführt (l5— 23 n. Trin.), so bleibt noch übrig, daß er das angefangene Werk auch hinausführe und die v o llend e, die seinem gnu- denreichen Walten Raum geben: von dieser Vollendun handeln die letzten Wochen des Kirchenjahres (24——2 n. Trin.). Au der Auferweckung von Jairi Töchterlein nun zeigt uns das Eh. des ·2-t. Sonnt. n. Trin. das köstliche Ziel unserer mühevollen Wallfahrt. Unser ganzes Leben muß ein Ringen nach der seligen Vollendung, ein Kämpfen wider Teufel, Welt und Sünde sein; an das Ziel kommen wir aber erst, wenn der HErr uns aufer- weckt am jüngsten Tage und uns den neuen, heiligen, Verklärten Leib schenkt, der da ähnlich ist seinem ver- klärten Leibe. Dann erlangen wir erst das Erbtheil der Heiligen im Licht, dazu uns der HErr berufen hat. Der SchubVorfteher Jairus bittet den HErrn für fein Töchterlein 125 (Dieffenbach.) Das Kirchenjahr eilt seinem Ende enti- gegen; indem es aber, wie jeder Abschnitt in der Zeit, auch der Zeit feinen Tribut entrichtet und deni allge- meinen Loofe der Vergänglichkeit unterliegt, bringt es in seinen letzten Sonntagen dieses Loos ebenfalls zur Sprache und betrachtet in den letzten 4 Evangelien die Lehre von den letzten Dingen: Tod, Gericht nnd Ende der Welt. Das vorliegende Evangelium handelt vom Tode und enthüllt uns 1. des Todes Macht an Jairi Töchter- lein, des Todes Weg an dem kranken Weibe, und 3. des Todes Ueberwindung an Jesu Christo, der das Mägdlein auferweckt. (Fr. ArudtJ 18. Da er solches kwie in V. 11—17 er- zählt worden] mit ihnen ltheils mit den Phari- säern, theils mit den Jüngern Johanniss redete« [gegen jene sich felbst darüber rechtfertigend, daß er mit den Zöllnern und Sündern aß, gegen diese aber seine Jiinger vertheidigend, warum sie nicht fastetenL siehe, da kam [wie durch eine besondere Fügung Gottes, der dem HErrn Jesu Zeugnißs geben wollte: »Das ist mein lieber Sohn, an welchem ich Wohlgefallen habe; den sollt ihr hören« Kap. 17., 5, und feinen Namen verklären wollte vor dem Volk Joh.12, 28., mitten in den Kreis der Verhandelndcn hereingefÜhrtJ der Obersten einer« sJairus mit Namen, Vorsteher einer Schule Nehem. m, 39 Arm. zu Kapernaum Luk. 5, 41 und wohl zu der Sekte der Pharisäer gehörig] und siel lin ebenso ehrerbietiger und demiithiger, als inständiger und dringender Weise bittend Kap. 8 , 2; und sprach [in großer Verwirrung seiner Seele, so daß er in zweierlei Hinsicht mehr sagte, als er eigentlich hatte sagen wollen]: HEry meine Tochter sdas einzige Kind, das ich habe, ein· Mägdlein von 12 Jahren Las. 8, 421 ist Jetzt gestorben; aber komm und lege deine [ai1- mächtig wirkende) Hand auf sie, so wird sie swiederj lebendigMk [werden]. «) Man darf sich nicht, wie von vielen Darstellern des Lebens Jesu gefchieht, durch Mark. Z, 21 f. u. Luk. 8, 40 f. zu der Meinung verleiten lassen, als seien die beiden Geschichten in unserm Text sogleich nach der Rückkehr aus der Gegend der Gergesener nach Kaper- naum (V. 1) erfolgt; unmöglich kann der Ausdruck an unsrer Stelle: ,,da er solches mit ihnen redete« eine all- gemeine, unbestimmte Formel sein, die keine nähere Zeit- angabe in sich schlösfe, vielmehr tragen die Angaben bei den andern beiden Evangelisteii einen unbestimmten, all- gemeinen Charakter an sich, die nur soviel besagen, daß überhaupt ·nach der Rückkehr· von den Gergefenern die vorliegenden Geschiihten sich ereignet haben, ohne ein ,,sofort« oder ,,iioch an demselben Tage« als Zeittermin behaupten zu wollen, wie denn von Haus aus die Wahr- scheitilichkeit dafür spricht, daß Matthäus am genauesten diejenigen Begebenheiten, die das unmittelbare Vorher oder Nachher zu seiner eigenen Berufungsschichte bilden, in ihrem geschichtlichen Zusammenhange werde dargestellt haben. Haben wir nun Matthäi Verufungsgefchichte auf den El. September a. 28 n. Chr. verlegt-, so läßt sich berechnen, daß dieser Tag damals ein Dienstag war; sand aber das Gastmahl in seinem Hause ZTage später, am 23. September statt, also an einem Donnerstagq 15, 251 vor ihm niedere so ergiebt sich für die Frage der Johannis-Jtinger eine» sehr passende Anknüpfung, indem der Donnerstag einer von den beiden wöchentlichen Fasttageu der Pharisäer war (3. Mof. 16, 31 Anm.). Die Johannis-Jünger nahmen also Anstoß, daß Jesus gerade an einem folchen Tage zu einem Festmahl gehe. «) Welch eine Überraschende Wendung, womit die göttliche Vorsehung dem Hin- und Herreden blinder Nienschenkinder ein Ende macht! Und wie mochten die Pharisäer sich entsetzen, da sie in dem tiesgebeugten Mann eine Standesperson in Israel, einen Genossen ihrer Schitle, ihres Amtes, ihres Ansehens, einen Pharisäer wieder erkannten! Ach, es ist wohl die rechte Stellung, in der ein armes Menschlein vor dem HErrn erscheinen soll —- Knie beugen und das Angesicht in den Staub erniedrigen; aber Pharisäers Haupt und die Füße Jesn, des schon mit dem Pharifäerbann belegten Sünder. freundes, wie kommen die zusammen? Wer hatte dem Meister auf Mosis Stuhl (Kap. AS, 2) eine solche Stel- lung im Staube angewiesen? Wer anders als der höhere Meister, der aller Geheimniffe Herr istund sie offenbart, wem er will! Es war ein Zug des Vaters durch den Geist zum Sohne: ein Wort, ein süßes Wort, der holde Jesus-Name, war in Jairuss Herzen lebendig geworden, Aber Anfechtung hatte ihm erst das Ohr dafiir wecken müssen, wie diese denn noch immer, und nicht ein mässi- ges Studiren und Speculirem die Geburtsstätte und Geburtshelserin des wahren Glaubens ist. Eine Kranken- und Sterbekammer ist für Jairus zur Betkammer ge- worden; da hat er seine Theologie nach der Schrift re. vidiren müssen, und der Geist lehrte ihn über alle Satzungen der Väter nnd Ausfätze der Aeltesten hinaus auf das nackte Wort merken und auf die Zeichen der Zeit, deren holdseliger Gnadenglanz in dem Propheten von Nazareth über dem Orte nnd Schatten des Todes aufgegangen. Was ihn bisher von Jefu ferne gehalten, Menfchenurcht und Menfchengefälligkeit, Gefetzesruhm und fleischliche Sicherheit, das Fingerzeigen der Saddu- cäer, das Naserümpfen der Pharisäer —- es kann’s nicht mehr. An dem Schmerzensbette des einzigen Kindes, bei dem Rauschen der Flügel des Todeseiigels über des. sen Haupt, ist ihm das vorhin harte» stolze Herz ge- brochen und grundweich geworden. Mit dem erlöschens den Licht der lieben Aeuglein ist ihm die Sonne der Weltherrlichkeit in einen Sack gesunken: er muß zu Feste, dem Helfer, hin, und ob es, ihm einen Bruch mit seiner ganzen Sippschaft kostete. (Rosfhack.) Mk) Man ver- kümmert diese Geschichte um einen ihrer lebendigsien Züge, »wenn man hter den Matthätis nach dem Makkus berichtign »Meine Tochter ist in den letzten Zügen; du wolleft kommen und deine Hand auf sie legen; daß sie gesund-werde Und lebe,« um nur den Mann einen recht klaren Vortrag halten zu lassen. Allerdings, als er feine Tochter verließ, lebte· sie noch, nur die Zeichen des Todes- kampfes hatten sich eingestellt; nun war er dessen sich ge- wiß, das; Jesus auch in den letzten Zügen sie noch retten könne, bis» dahin jedoch, daß der HErr, auch wenn das Kind bereits todt wäre, es aus dem Tode wieder in’s Leben rufen könne, wagte er so wenig wie die Seinigen (Luk. 8, 49) im Glauben sich zu versteigen. Da treibt ihn denn die innere Angst, es möchte zu spät werden, weil jeden Augenblick von den letzten Zügen der aller- letzte, für den Todeskampf der wirkliche Tod eintreten konnte, sich so auszudrücken, als wäre dieser Fall insder That schon geschehen; und er war auch schon geschehen, als er mtt Jefu redete, nur daß der Mann dies noch nicht wußte, sondern in bloßer Verwirrung dem That- bestande entsprechendere Worte gebraucht, als ruhige Ueberlegung ihm würde eingegeben haben. Mit de: innern Angst aber, die über sein historisches Wissen 126 Evangelium Matthäi I, 19-—-22. hinaustreibh wirkt gleichzeitig die Hand Gottes und hebt ihn über seinen augenblicklichen Glaubensstaud hinaus, daß er Jesu noch größere Wunder zumuthet, als die er ihm eigentlich zutraut. Es ist dies» die erste Todten- erweckung von den dreien, die überhaupt geschehen sind, denn außer diesen erzählen die Evangelisten deren nur noch zwei (Luk. 7, ll ss.; Joh. 11, 1 ff.); nachdem das Volk von Jesu Wirken bisher den Eindruck empfan- i gen: »Wir haben einen Gott, der da hilft ,« sollte nun auch der andere Eindruck hinzukommen: »und den HErrn-HErrn, der vom Tode errettet« (Pf. 68, 2·1), und wie der Uebergang von dem Glauben an das eine zum Glauben auch an das andere im Mensihenherzen sozusagen nur in einem Zustande geistiger Verwirrung, oder besser gesagt, unter einwirkender Kraft Gottes, die uns über uns selbst hinaushebt, sich vollzieht, »das sehen wir schon im alten Testament an der Sunamitin: 2. Kön. 4, 21 ff. Während die beiden andern Evangelisteii den Hergang mehr in nüchterner Klarheit darstellen, hat Matthäus mit seinem scheinbar nur fummarischen richt denselben mit psychologifcher Tiefe erfaßt: Jene Darstellung läßt uns in das äußere Sachverhältniß blicken, dieser Bericht aber führt uns ein in die geheime Werkstätte, in welcher ein Mensch zum Glauben bereitet wird. Uebrigens ist der Name unsers Schul-Obersten bedeutsamt »Jairus« ist die griechische Form für das hebr. ,,Jair« (4. Mos. 32, 4l; Richtz 10, z ff.) und heißt zu deutfch der Erleuchtete, an seiner Tochter aber erfüllte sich das Gebet Davids in Pf. 13, 4: ,,Erleuchte meine Augen, daß ich nicht im Tode entschlafe. II. Und Jesus [sofort zur Hilfe bereit] stund auf« [machte sich auf von der Stelle vor dem Hause des Matthäiis, wo das in V. 11· ff. Erzählte vorgefallen war] und folgetess ihm sdem Janus, in sein Haus] nach nnd seine Jünger [im engeren und weiteren Sinne, nebst einer großen Menge Volks, gingen mit ihm] V) Es ist die Bewährung eines heili en Fest- und Freudenmahles, wenn man unverziiglich a brechen, ans- brechen und in’s Trauerhans eilen kann. — Wer im Geiste lebt, ist immer geriistet. (P.·Lange.) —- ssksh Jn beiden Geschiihtety die dieser Abschnitt erzählt, zeigt sich wieder der Erlöfer als eine himmlische Erfcheinung wie sie sich die geheimste Sehnsucht der Menschheit als das Ideal ihrer selbst erseufzt. Mit dem heiligften, reinsten Liebeswillen verbindet er eine Fülle göttlicher Lebens- kräste, die sich belebend über die Gefilde der armen Menschenwelt ergießt, durch die er zieht. Schwebend über aller Noth und allem Jammer entzieht er sich ihnen nicht, sondern senkt sich liebreich in die Tiefen des Elends hinab, verschlingt Tod und Sünde ewiglich und trocknet jede Thräne von den Angesichtern der Armen (Jes. 25, 8). Einen solchen Heiland hatten die Pro- pheten mit glühender Sehnsucht erfleht und in gläubig-er Hoffnung auf Befehbdes Geistes verbeißen: i1ii neuen Testament sehen wir ihn so walten, göttlich und mensch- lich zugleich, als eine nnvergleichliche Erscheinung, die mit zauberischer Gewalt die für edle Eindrücke empfäng- lichen Herzen an sich zieht (Olshaufen.) 20. Und siehe, ein Weib ,» das zwölf Jahr den Blutgang gehabt« seine Krankheit, die nicht nur an ihrem Lebensmark zehrte, sondern auch sieunrein machte nach dem Gesetz, Z. Mof IS, 25 ff., und alle ihre Nahrung an die· Aerzte gewendet hatte, ohne Heilung zu finden, wie denn auch die jetzigen Aerzte dieses Uebel nur selten zu beseitigen vermögenL trat [im Gedränge des Volks, unter das sie sich gemischt, weil sie wegen der Natur ihres Leidens nicht wagte, den HErrn öffentlich um Hilfe zu bitten] von hinten zu ihm swährend er noch auf dem Wege zu dem ziemlich entlegenen Hause des Jairus begriffen war] und riihrete seines Kleides Saum an seine von den vier Troddeln an den Zipfeln seines Talars 5. Mos. 6, 9 Anm.]. 21. Denn sie sprach bei ihr selbst kließ zu diesem Schritt von dem durch ihren Nothstand ihr nahe gelegten Gedanken sich bestimmen]:» Mbkht ich nur sein Kleid anruhrem so wurde ich gesund «· swie ja hernach auch Andere auf die- selbe Weise seine Hilfe sich ziieignetenKap.14, 36]. is) Worin besteht nach der Schrift das Wesen der Krankheit? Mancher wird denken, daß man eine Ant- wort ans diefe Frage in der Schrift weder suchen dürfe noch finde, in Wahrheit aber giebt sie uns über das Wesen der Krankheit die tiefsten Aufsihlüssex sie sagt uns, welches der Krankheit Wesensgrund ist, nämlich der Zorn; sie sagt uns, welches der Krankheit Wesens- beschaffenheit, nämlich die Turba (Erregung, Stö- rung); sie sagt uns, welches der Krankheit Wesens- proze ß, nämlich Sterben oder Strebung zum Tode. —- Der Wesensgrund der Krankheit ist der Zorn. Wir sind hingeschwundeiy sagt in Pf. 90, 7 f. das Jsrael der Wüste, durch dein Schnauben, und durch deine Zorn- gluth sind wir verstört; du hast gestellt uiifre Missethaten dir gegenüber, unser Geheimstes in die Lichthelle deines Angesichts Der Tod ist laut l. Mos. s, 19 ein Zorn- verhängniß Gottes, also auch die Krankheit, dieses ,,Wetter- leuchten des Todes l« Zwar kann die Erkrankung eines« Menschen, wie das Buch Hiob zeigt, auch eine Schickung der göttlichen Liebe sein, die ihn züchtigen und bewähren will; aber die Krankheit an sich hört damit ebensowenig auf, eine Zornwirkung zu fein, als der Tod, dessen Stachel die Sünde ist — vgl. 4. Mos. 2·7, 3 wo die Töchter Zelaphehads von ihreni nicht in die Sünde der Rotte Korah verflochten gewesenen Vater sagen, er ist an s einer Sünde gestorben. Die Krankheit ist eine Wir- kung des infolge der Sünde in der Welt und insbeson- dere in der Menfchheit waltenden Zornes, und ihre Hebung, die Hebung der Krankheit in ihrem ganzen Um- fange, ist eben darum laut Matth. 8, 17 Aufgabe des Erlöfers. Durch ihn hat die Liebe den Zorn sich unter- thänig gemacht, um sich an der Menschheit durch Sünde und Tod hindurch zur Alleinherschaft zu bringen. Aber obwohl der Zornwille nun gegen alle, welche die voll- brachte Erlösung ergreifen, zum reinen Liebeswillen ge- worden ist, so dauern doch die naturnothwendigen Folgen des Zornes fort, und unser Siindenleib muß erst dem Zornfeuer erliegen, ehe die durch den Erlöser entbundene Liebe ihr Verkläruiigswerk an ihm beginnen kann. Die Grundeigenschafteii des Zorns sind ja auch wirklich die · Grnndeigenschafteii der Krankheit. Sie drängt den Men- schen in einen dumpfen, stampfen, dunklen Zustand der Verinnerung, bricht in heftige Schmerzen aus und ver- setzt das Lebensrad in fiebernde feurige Schwingung, weshalb so viele Krankheits-Nanien im Hebräischen mpåkr Dkijrj »Das; »He-«) die Begriffe des Bren- iieiis und Glühens ausdrücken (vgl. das griechifche ask-kreist Die Krankheit erweist sich dadurch als eine abnorme Steigerung der einen Lebensgestalt und als eiue feindliche Erhebung derselben über die andere. Denn ihre Wefensbeschafsenheit ist die Turba. Die Krank- heit ist immer eine mit finsterer Abspannung wechselnde feurige Erregung, welche das Gleichgewicht der Kräfte stört und sie in Widerstreit mit einander setzt; sie ist immer Kampfder gestörten Lebenskräste, der Gegensatz von Friede (Hiob 33, 19 Anm.) Wie tiefsinnig, daß die alttestamentliche Sprache für Wohlbefinden oder Gesundheit und Frieden Ein Wort (1. Mos. W, 6) hat! Ihr Wesensproceß aber ist Sterben oder Strebung zum Tode. Die Schrift giebt auch diesem Grnndzng der Krankheit einen sehr bestimmten Ausdruck, indem sie das Genesen ein "Wiederaufleben nennt (Joh. 5, s; Z. Kön. 1, Z; 20, 7). Die Krankheit ist also immer ein Ansatz zum Sterben, ein Ableben, da das Genesen im- mer ein Wiederaufleben ist. In diesem Sinne erfüllt sich die Drohung l. Mos. 2, 17 : ,,welches Tages du davon isfest, wirst du des Todes sterben« am Tage der Uebertretung wirklich —— die Menschen sind von da an nicht blos Sterbliche, sondern Sterbende. Jhr gefundes Leben, zu dessen Nährung und Kräftigung der Lebens- baum bestimmt war, ist von da ein dem Zornverhäng- niß des Todes verfallenes und verfällt ihm nur deshalb nicht sofort, weil die Gnade den morfchen Organismus stützt. So ist es noch immer: daß wir lebend sterben, kommt von Gottes Zorn, und daß wir, obwohl sterbend, dennoch leben, ist Gottes Gnade. — Wir würden sehr irren, wenn mir meinten, daß alles Sterben und alle Krankheit ausnahmslos, nur in mannigfaltiger Weise, die Wirkung des Satans oder anderer böser Geistes- wesen sei; diese Meinung ist in der Schrift nicht begründet. Die Eine letzte Urfach alles Uebels ist der als Selbststrafe der Sünde folgende göttliche Zorn, welchen allerdings der Satan in Gottes Schöpfung und insbesondere in der Menfchheit entzündet hat, ohne aber deshalb auch der Mittler aller einzelnen Zornwirkungen Gottes zu fein, da ja Gott sogar gute Engel zu Mittlern derselben macht, wie z. B. die Pest in 2. Chrou. 22 ihren Anlaß in einer fatanischen Versuchung David’s hatte (V.1), an sich selbst aber als die Gotteswirkung des Engels Je- hova’s erfcheint. (V. 15 f.). Giebt es aber Krankheiten und Todesfälle, welche die Gotteswirkungen guter Engel sind (Jes. 37, 36; Apostg. is, 23), so wird es auch solche geben, welche unmittelbar von Gott verhängt sind, wie z. B. ausdrücklich von dem Aussatz Usia’s in 2. Chron. W, 20 und von der Blindheit des Elymcks in Apostg. 13, 11 gesagt wird. Wir nennen diese Krank- heiten da, wo nicht ein besonderes göttliches Eingreifen zu Tage tritt, natürliche. Wie es nun fleifchliche und satanische Versuchungen giebt, so giebt es auch natiirliche und dämonische Krankheiten; die Schrift unterscheidet ja in Kap. 4, 24; 8, Its; Mark. Z, 15 und an vielen an- dern Stellen diese zwei Arten von Krankheiten ausdrüc- lich. Jene haben zu ihrer unmittelbaren Ursache das die gegenwärtige Welt zugleich mit dem Principe der Liebe durchwaltende Princip des Zorns, diese dagegen sind mittelbar vom Satan und andern Geistwefen ge- wirkt (Kap. 8, 34 Anm.) ; denn es giebt außer uns unter dem Satan ein ganzes großes Reich überirdifcher Wesen, welche in widergöttlicher Selbsterhebung das gött- liche Liebes-licht in sich ausgelöscht haben und ganz und gar zu Gefäßen des göttlichen Zorns geworden sind. (Delitzsch.) »Daß das lutflüfsige Weib 12 Jahr krank war, gleich wie Jairi Tochter 12 Jahr alt war, ist ein Zusammentreffen, wie deren die Wirklichkeit tausende bieten« —- ,,Des Weibes Leid hatte grade so lange ge- währt, als des Mannes jetzt so hart bedrohtes Glücks« Die kirchliche Sage hat dies Weib mit dem Namen der heil. Veronika geschmückt; sie soll dieselbe Frau sein, die hernach beim Anblick« des mit bluttriefendem und geschändetem Angesicht nach Golgatha hmaufziehenden DiefBlutflüssige und ihr Glaube. 127 Christus aus ih remHaus e zu Jerusalem hinauseilte, ihr Kopf- tuch abzog und ihm darreichte, damit er sich das Blut und den Schweiß von feinem Angesicht abtrockne, und der nun zum Dank der HErr die Züge seines von Schmerz und Leiden entstellten Gesichts auf das Tuch abprägte und es ihr als ein Angedenken zurückreichte Nun ist freilich diese Sage an sich nichts weiter als eben eine Sage, und der Name Veronika erst mit Bezug auf dies angebliche Bild (vera icon = Eines-») gebildet; dennoch liegt darin ein tiefer Sinn. M) »Der Glaube, welcher dem Gichtbrüchigen ·(V. 2·fs.) den Weg durchs Dach weist, der zeigt auch ihr eine noch von keinem Menschenfuß betretene Straße« —- ,,Die Glaubensform des verfchämten Weibes bildet zu dem kühnen Gichtbriichigem welcher durch alle Hinder- nufe h1ndurchbrach, den größtenvGegensatz »— dieser schien einem Räuber ähnlich , jene einer Diebm; allein das war nur der Schein, die verfchiedene Form ihrer Glaubensentschiedenheit.« — Wenn man eben den Glau- ben eines Metischen gepriesen hat, so klingt es freilich altklug nnd abgeschmackt, wenn man dann doch wieder Ansstellungen an dem Glaubens-leben zu machen hat, welches man gerühmt; aber andrerseits ist es doch oft so im Leben, daß eine und dieselbe That ein Beweis des herrlichsten Glaubens und doch zugleich mit Schwachheit umgeben ist. Wer wird, so lange er hier wallet, seines Schattens los? Keiner unter allen; und Keiner unter allen vermag dem HErrn ein Vollkommenes Opfer zu bringen, es ist des HErrn unaussprechliche Geduld, wenn er unser fchwaches Lob sich gefallen läßt und irgend eines unserer Werke als in Gott gethan vor ihm gilt. So sei es denn ar nicht Lust zu tadeln, sondern ein Bekenutniß der a en Menschen anklebeuden Sünde, wenn ich am Benehmen unserer theuren Schwefter, der Blut- fliissigen, etwas ausfetze Daß sie in fröhlichem Glau- ben die Behauptung wagt, feines Kleides Saum könne ste heilen, weil er der Saum des Kleides ist, das feinen allerheiligsteu Leib berührt, das ist richtig und ganz in der Ordnung; daß sie den Saum hinterrücks zu fassen strebt und faßt, ist auch als Beispiel eines kühnen Glan- bens zu loben, wenn sie dabei die Gewißheit in sich trägt, daß es dennoch mit seiner Erlaubniß geschieht, daß nur nach feinem Willen und auf fein Geheiß die Hilfe von ihm durch den Saum feines Kleides fließt, daß sein Herz ihrem Thuu Wohlgefallen und Gelingen zuwinkt. Aber wenn sie meinte, etwas von dem Gött- lichen durch seine Mittel, seinen Saum, und doch ohne feinen Willen erlangen zu können, wenn sie seine ganze Umgebung von ihm mit Heil durchdrungen, aber nicht in seinem Gehorsam stehend, nicht völlig in feiner Hand befindlich sich denkt, wenn sie, obwohl voll Verehrung, dennoch eine Art frommen Betrugs an ihm spielen zu können meint; so finde ich das zwar immer einer hohen Seele würdig, ich kann mich über einen solchen Glauben wundern, aber nicht ganz so redlich und ein- fältig finde ichs, es ist mir, als mische sich etwas von Aberglauben ein. Und wenn ich Unrecht habe, wenn ich dieser unserer Schwester in Christo Jesu zu nahe getreten bin damit, daß ich so etwas von ihr hier öffentlich sage und befürchte, so lehre mich mein HErr, und ich will dereinst, wenn ich die kühne Seele jenseits finde, mit Freuden Abbitte leisten. (Löhe.) 22. Da [um den weiteren Hergang, wie er in Mark. 5, 29—-36 u. Luk. 8 , 44—48 ausführlicher berichtet wird, in eine kurze Summa zusammenzufassen] wandte sich Jesus um und sahe sie und sprach: Sei getrost, meine Tochter , dem Glaube hat dir geholfen. 128 Evangelium Matthäi 9, 23-——27. Und das Weib ward gesund -zu derselbigen Stunde. Das Weib hat alles heimlich abgemacht: indem sie von dem HErrn Hilfe zu erlangen sucht, fragt sie ihn nicht, ob er es haben will; sie kommt auch nicht vorn in’s Haus, mit Wissen des ausherrn ihrAlmosen zu holen, hinten steigt sie ein, ei Nacht und Nebel, und nimmt, was sie kriegen und greifen kann; sie ist gewisser- maßen eine Diebin, und doch gelingt ihr der Diebstahl, der HErr läßt sich fein Eigenthum entwenden, als hätte er das Seine übel bewacht. Es ist aber nichts verbor- gen, das nicht offenbar werde (Kap. 10, 26); zu Jairus und aller Gläubigen Trost muß die Sache an’s Licht kommen, die Diebin muß hervor, damit sie ihr entwen- detes Gut als rechtmäßiges Eigenthum empfange. Wie ist nun die ganze Sache zugegangen? steckten vielleicht in dem Mantel Christi besondere Kräfte? Das muß wohl der Fall gewesen sein; nur nicht, weil der Mantel für sich die Kräfte hatte, sondern weil Christus in dem Mantel steckte. Hättest du den Mantel jetzt noch, der würde dir nicht mehr helfen als dein eigener Mantel; denn Christus hat seine Hilfe und Verheißung an keinen Mantel oder Rock gebunden. Denno haben wir Rock und Mantel Christi noch bis auf den eutigen Tag --— nicht jenen, den ihm die Weber gewirkt haben, sondern den, welchen er selber gewirkt hat, den keine Kriegskiiechte unter sich theilen und den keine Motten verzehren. Das ist sein heiliges Evangelium und seine Sacramente, in welchen allen Sündern umsonst und aus Gnaden Vergebung der Sünden und ein ewiges Leben angeboten, dargereicht und zu eigen gegeben wird. In diesem Gewande findet sich der HErr Jesus sicher und allezeit, und er hat seine Verheißung dazu gethan, daß von demselben Kräfte des Lebens ausgehen sollen. (Münkel.) Jn seinem Kleide (Wort und Sacrament wird der HErt noch heute von den Nameuchristen ge- drängt und gedrückt, ohne daß diese feine Heilandskraft empfangen (Mark. Z, 31; Luk. S, 45); aber wo eine nadenhungrige Seele sein Kleid anrührt, da gehen die räfte des ewigen Lebens in sie über. (Lang.) 23. Und als er snach einem andern Zwi- schenfalle, den man in Mark. 5, 35 f.; Luk. 8, 49 f. nachleseii wolle] m des Obersten Haus kam Und sahe [gleich· beim Eintreten in den Vorderraum] die Pfeifer [genauer: Flötem fpieler 4. Mof. 10, 2 AnmJ Und das Ge- tümmel des Volks stheils der Klageweibeiy theils der Freunde und Verwandten, die man zur Leichen- bestattnng des inzwischen oerstorbenen Kindes noch für den Todestag selber herbeigerufen 2. Sam. Z, 21 Anm.s, 24. Sprach er zu ihnen: Weichet fals die ihr hier nichnamwechten Orte seid]; denn das Magdlein ist nicht todt sdaß man es zur Erde bestatten müszte], sondern es schlaft lund foll jetzt zu neuem Leben erwachen Joh.. 1 l, 11 ff.]. Und sie weinend, er rede vom leiblichen Schlaf] verlachten ihn Idenn sie wußten wohl, daß sie wirklich todt war Luk. 8, 53j. Der HErr redet in göttlicher Weise und in himmli- scher Sprache; sie aber, nur sehend auf das, was vor Augen ist, verlachten ihn, wo sie ihn würden angebetet haben, wenn sie ihn verstanden hätten. (Menken.) Der Tod der Gläubigen ist nur ein Schlaf, nnd Gott wird sie so leicht aufwecken, als man einen vom Schlafe er- weckt; aber den Ungläubigen kommt diese selige und tröftliche Lehre läiherlich und un ereimt vor: Z. Petri Z, 3f.; Apostg l7, 18. 32; 1 T ess. 4, 13. (Tüb. Bib.) Der Schlaf ist eine Art Trennung der Seele vom Leibe, und der Tod ist auch eine solche Trennung, aber eine völlige Trennung; jedoch die Seele kehrt wieder und wird wieder mächtig in dem todten Leibe, wie am Mor- gen im schlafenden. Wenn die Mutter am Morgen den fchlafenden Kindlein ruft, wird die Seele im Leibe wieder Herrin und das fröhliche Leben des gestrigen Tages be- ginnt. So ruft der HErr seinen Todten, und die Seelen eilen wieder i11 die eliebte Behausung, und das fröhliche Leben des geftrigen ages beginnt. Keine Mutter weckt vom nächtlichen Schlafe die Kinder so leicht, wie der HErr die Todten vom Todesschlaf« vor ihm sind seine Heiligen Schlafende, Morgenroth ist über den Gräbern, und die Gottesäcker sind Felder, auf denen eine Unsterb- liche Hoffnung blüht. In den Betbüchern unserer Väter findet man zuweilen Gebete, welche die Ueberschrift tra- gen: »die Sprache des Evangeliums vom Tode zu ver- ftehen.«» Diese Gebete sind gewiß nicht überflüssig; man sieht es. hier bei dem Volk, welches Jesum verlacht, weil es, vom Tode des Kindes überzeugt, der Meinung war, er wolle mit feinem süßen Singen vom Schlafe den Tod, deu unleugbar erfolgten Tod des Mädchens leugnen; man» sieht es aber auch an den Auslegern, welche aus den Worten Jefu schlossen, das Volk habe Unrecht ge- habt und das Kind sei nicht eftorben gewesen. Die armseligen, elenden Auslegerl ine Spur der Gottheit Christi meinen sie durch ihr Aiisle en auszutilgem und könnten doch sich selbst sagen, da sie damit nur eine andere Spur seiner Gottheit aufdeckten, wenn sie Recht hätten. Alles meint und glaubt, das Kind sei todt; wenn nun Er allein unter allen, ehe er das Kind ge- sehen, weiß, daß sie nur schläft, so ift er ja allwifsend (Löhe.) 25. Als aber das Volk snun mit schärfe- rem Verweis aus dem Hause] ausgetrieben war sda es der freundlichen Bedeutung V. 24 nicht Folge leisten wollte], ging er [Jefus, von Petrus, Jakobus und Johannes begleitet, und noch den Vater des Kindes und die Mutter mit sich neh- mend Mark. b, 37. 401 hinein [in die Todten- kammerj, und ergri sie lindem er vor den offenen Sarg hintratj ei der Hand [rief und sprach: Talitha kumi, d. i. verdolmetfchet: Mägd- lein, ich» sage dir, stehe aUfJZ da stnnd das Magdlein auf [und wandelte, und ihre Eltern entfetzten sich über die Maßen; er aber gebot ihnen, daß sie niemand sagten, was geschehen war, und sagte, sie sollten ihr zu essen geben]. Das sind mit dem Töchterlein 6- Personen, und der HErr Jesus ist der siebente — eine gläubige Gemeinde nach der Zahl Gottes; in dieser Gemeinde will der HErr sein Wort wahr niachen, daß das Mägdlein schläft, denn er will es aufwecken, und uur ihr will er seine Herrlichkeit offenbaren, weil sie an ihn glaubt. (Münkel.) Das Haus war jetzt still und einsam geworden. Zwei Seelen standen gläubig und hilfeflehend neben dem Mägdlein wie zwei Trauerkerzem der Vater und die Mutter, seine Gemeinde aber sah der HErr durch seine drei vertrauten Freunde vertreten. Und nun erfolgte die feierliche Erweckung Das ,,Talitha kumi« hat den Petrus und durch ihn den Markus in feiner ursprüng- lichen Kraft erschüttert, so daß es in ihrer Ueberliefei rung forttönt bis an’s Ende der Welt. (P. Lange.) War es nicht, so könnte man bei den Todtenerweckungem welche Gegend umher. (Menken.) Die Auferweckung von. Jairi Töchterlein 129 die heil. Schrift erzählt, fragen, war es nicht an sich grausam, einen zur Seligkeit bereits Eingegangenen in die Leiden der Zeitlichkeit zurückzuführen? Allerdings! Aber erstlich könnte man dagegen bemerken, daß vor Christi Tod die Seelen noch nicht in den Himmel, son- dern noch in das Todtenreich kamen; jedoch würde dies für die Fälle wie Apostg. I, 4(); 20, l0 nicht aus- reichen — Tabea und Eutychus wurden allerdings aus der Seligkeit, dem ewigen Leben, in das irdische Leben zurttckgerufem Aber ein andres Moment muß beob- achtet werden: die Substanz der Seelen ist vom Be- wußtsein zu unterscheiden; das Bewußtsein, die Er- in1ierung kann abbrechen für einige Zeit, bei unver- änderter Substanz der Seelen. Der Magnetische, wenn er in seinen Schlaf fällt, bricht eine augefangene Periode oft plötzlich ab, und wenn er, vielleicht eine Stunde nachher, aus dem Schlaf erwacht, setzt er die Periode bei dem Wort und der Sylbe fort, wo er stehen geblie- ben war, und weiß von dem zwischen hineingetretenen ungebundenen Seelenzustand nichts mehr, während er da egen in nngebundeuem Zustand des magnetischen Scglafs alles und noch mehr wußte, als« im gebundenen Zustand des gewöhnlichen Wesens. Aehnlich wird sich der Zustand völliger Entleiblichung der Seele zu dem des Gebundenseins der Seele in den Leib verhalten. Von jenem Zustande aus überschaut die Seele diesen. aber nicht umgekehrt; von diesem aus betrachtet erscheint daher jener, der Zustand des Entleiblichtseins, da wir in ihn nicht hineinblicken können, als ein Entschlafensein, sowie man ja auch den Zustand relativer (bedingter) Lösung der Seele von den gewöhnlichen Leibesorganen im Nlagnetismus als magnetischen Schlaf bezeichnet, obwohl der Schlafende dabei herumgeht und sich unter- redet. (Ebrard.) Der Heilswille Jesu, den er auf des Jairus Bitte faßte, ihm seine Tochter wiederzuschenkem hat den Tod kraftlos gemacht und somit in einen Schlaf verwandelt; darum kann er dann auch denen, die er von der Klage abhält und hinaus-treibt ( V. 24), sagen, daß die Tochter des Jairus schlafe, denn es war für sie hinfort nicht mehr Grund zur Trauerklage da, als sonst der Schlaf etwa bieten würde. Und doch verhütete diese »Art’auszudrücken, was er bewirken wollte, daß die wirkliche Größe seiner That so kund und ruchbar werde, daß sie ihm eine über die dermalige Stufe seiner Erkenntnis; Jesu hinausgehende Verehrung des Volkes eingetragen hätte; denn um dieses zu verhüten, will er auch von den Augenzeugen die Sache geheim gehalten wissen. Damit wird denn auch der Befehl zusammen- hängen, der Wiederbelebten zu essen zu geben: sie sollen sie ansehen und behandeln, als sei sie nur in derselben Weise vom Tode erweckt, wie wenn sie von einer Krank- heit genesen wäre. (Klostermann.) 26. Und dies Gerücht sdas Gexücht von dieser wunderbaren ersten TodteUerweckUngJ erscholl strotz seines Verbots an die Eltern] in dasselbige ganze Land [in die ganze dortige Landschafts Bei der Menge von Kranken und Elenden aller Art, die täglich durch Jesum Genesung und Gesundheit er- hielten, war die Gefundmachung eines Kranken nicht mehr etwas so Auffallendes, daß sich ein Gerücht davon durch das ganze Land verbreitete; aber die Auferweckung eines Todten war etwas Neues und größer als alles, was er bis dahin gethan hatte. »Er hat nun sogar auch einen Todten auferwecktl« hieß es in der ganzen Herzergreifend ist die Ge- schichte des Iünglings von Nain, auf die Kniee und aufs Angesicht werfend die Todtenerweckung Lazariz aber was sttr einen wunderbaren Reiz derLieblichkeit und Hold- Däihselw Btbelweth seligkeit Christi hat vor den beiden andern Geschichten die Auferweckung des Töchterleins Jairi voraus! Es ist, wie wenn alles von dem jugendlichenSchimmer des entschlafenen Mädchens erfüllt wäre, wie wenn man von einem» Todesfall und Auferstehen unter Blumen und Frühlmgsduft leise. Selbst auf des Csrrn Angesicht throntmcht der gestrenge Ernst wie ort bei Lazari Erweckung, wie selbst dort bei dem Jüngling-von Nain; mit dem jugendlichen Kinde freundlich, selber lieblich handelnd finden.wir ihn, und eine Huld wie dort, wo er sprach: »Lasset die Kindlein zu mir kommen ,« ist über sein Thun hier ansgegossem wo er eine jugendliche Seele auf’s Neue dem Leib, dem jugendlichen, vertrauen« will. (Löhe.) VII. o. 27—34. (§. Zu) Zwei hcitusigku beschließen den, von Rad. s, 18 an icks Auge gefaßten Abschnitt aus dem 1. Jahr der galllätschen Wirksamkeit Christi: »Die erstere fand sozusagen statt an der Schwelle deg tjiuunelreichrn die andere an der Pforte der Hölle« Während nämlich jene an zwei Blinden geschieht, die Iesum laut für den Mefsiam den Sohn Davids beben— neu, wag bisher noch niemand gethan, hat diese ee mit einem Stummen zu thun, bei dem nicht ein organischen Fehler, sondern dämouisthe sesessenheit die dlrsach ist, daß er nicht redet; und wie uuu dort der Grund gelegt wird zu der durch dar Wand gehenden tkoosittigx ,,folcheg ist noch nie iu Israel ersehen worden,« so wird hier der Anfang gemacht mit der von den Pharisäern aus— gegebenen Parole: ,,er treibt die Teufel ang durch der Teufel Obersten« Damit haben wir denn denjenigen Zeitpunkt erreicht, zu dem der Evangelist oben in Aar. 4, 23 ff. durch eine allgemeine dlebersicht gleich anfangs alg zu einem Höhepunkt in der galilciiscljea ttehrtlsätigs lieit Christi hinleitete, d, i. die Zeit, in welcher der HGrr bei einem weiteren Umzuge durch das Land die tsergpredtgt gehalten Rad. 5, l Aum.). 27. Und da Jesus von dannen saus des Jairus Hause] fitrbaß [weiter vorwärts l. Sam. 10, 3 Blum. 1., nämlich nach dem Hause zu, in welchem er selbst zu Kapernaum seine Wohnung hatte Kap. 8, 14 f.] ging, solgeteii ihm sunter dem Volke, das ihn begleitete] zween Blinde nach, die [weil sie aus den Gesprächen der Menge er- fahren hatten, welche Wunderiverke so eben geschehen waren, mit geistlichem Scharfblick sogleich erkannten, wen sie hier vor sich hätten Kap. 12, 23; 21, V. 15; 22, 42 ff.; daher sie] riefen und sprachen sihren Bittruf zum ersten Mal in die nachher öfter vorkommenden, aber immer nur von solchen, die der Erkenntnis; des Heilandes von Haus: aus ferner stnnden Kap. 15 , 22; 20, 30 f» gebrauchten Worte kteideten]: Ach du Sohn Davids, erbarm dich unser« [er aber vermied es abstchtlich, dieser Anrede in Gegenwart des Volkes Gehör zu schenken. "]. « E) Schönes Bekenntniß, schöne, einfältige, nichts be- stimmende und doch alles sagende Bitte, womit diese Blinden, die ersten, die uns in der evangelischen Geschichte vorkommen, sich an den HErren wenden! Auch sie haben das Gerücht von Jesu von Nazareth, das damals schon von Stadt zu Stadt und von Land zu Land gedrungen war, vernommen und sind zu der Ueberzeugung gelangt, dieser Jesus von Nazareth sei Davids Sohn, sei der Sohn N. T. I, 9 130 Davids, den David seinen HErrn nannte (Ps. 110, 1), auf den seit Davids Zeit Israel wartete, dem die gött- lichen Aussprüche das ewige Königreich und das ewige Priesterthum zugesagt, der Christus Gottes, der Elltesfias Wie diese Ueberzeugung auch in ihnen entstanden sein mochte, sie hatten es schwerer zu ihr zu gelangen, als alle die Sehenden, die wandeln konnten, wohin sie woll- ten, die die Thaten des HErrn sahen, die ihn selbst, sein Angesicht, und in diesem Angesicht die Züge seines himm- lischeu Wesens erblicken konnten, das keiner Ehre dieser Welt begehrt und bedarf und keinen Trug und keine Täuschung kennt. Was sie erkennen, das ist tief und lebendig in ihnen, und sie sind in ihrer Blindheit un- abhängiger von der Welt umher, die sie nicht sehen; es bekümmert sie nicht, ob schon der Hoherath zu Jerusalem oder die Pharisäer und die Mehrheit im Volk Jefum für den Messias erkannt und erklärt haben oder nicht — genug, sie erkennen ihn als den, und so rufen ste ihn aus; nicht als von einem Propheten, sondern als von dem Trost und Heil Jsraels (Luk. Z, 25. 38) erwarten und begehren sie Hilfe von ihm. (Meuken.) «— IN) Jesus hielt hier nicht Stand, er mochte öffentlich nicht hören auf diesen Ruf einer vorzeitigen Hnldigung; denn wenn er ihnen öffentlich Gehör gegeben hätte, so wäre vielleicht ein Aufstand der Galiläer im Namen des Davidssohiies entschieden gewesen. (P. Lange) 28. Und da er heim [in Petri Haus] kam, traten swährend das Volk stch verliesj die Blinden zu Ihm« [die sich durch die anfcheinende Nicht: achtung ihres Begehrens in der Erwartung seiner Hilfe nicht hatten irre machen lassen*«]. Und Jesus [nunmehr auch seinerseits zur Hilfe bereit] sprach zu ihnen: Glaubet ihr, daß ich euch solches [wie ihr von mir wünschet und erwartet] thun kann? Da sprachen sie zu ihm: HErr, sa sdenn du bist sa, wofür wir dich erkannt und bekannt haben, der Sohn Davids] » 29. Da lihr Bekeuntuiß bestätigeUDJ ruhtele et« [mit seinen allmächtigen Händen] ihre Augen an und sprach: Euch geschehe nach eurem Glauben [Kap. 8, 13]. It) ,,Daß die Blinden ihm in feine Wohnung nach- folgten, scheint an und für fich schon etwas Wunderbares zu haben: im Zuge Christi konnten sie den Weg finden, wie wenn ein Lichtschimmer ihnen geleuchtet hätte« (Ioh. 8, 12.) —- WJ Daß Christus die Blinden nicht schon vorhin geheilt hat, sondern läßt sie nachfolgem schreien und zu sich nach Hause kommen, damit will er lehren, der Glaube müsse anhaltend, beharrlich, uner- schlitiert, unverdrossen und Ungestüm sein; er soll nicht erblassen, denn Scham in der Noth (wie das Sprich- wort sagt) ist ein fchädlicher Hausrath (Liither.) 30. Und ihre [der Blinden] Augenuviirdeu aufgethant [Jes. 35, 5]. Und Jesus bedrauete sie [mit dem lebhaften Ausdruck innerer Gemüthsew regung darüber, daß er leider nun einmal nicht anders könne, als ein solch Verbot erlassen] uud sprach: Sehet zu, daß es niemand erfahrestt sunter welchem Titel ihr mich gesucht und Hilfe bei mir gefunden habt]. «) An unsern Augen hat Gott schon auch in der Schö- pfung seine Hand preiswlirdig bewiesen, daß erdiese zwei Wächter so hoch am Haupte gesetzt, um jede dem Men- fchen drohende Gefahr von ferne zu sehen; daß er dies Evangelium Matthäi S, 28———34. zarte Glied unter der harten Stirne vor schädliche-m Stoßen und Fallen so wohl bewahrt; daß er es mit Augenbrauen nnd Augenlidern auch gegen kleinere An— fälle von Staub in Sicherheit gesetzt, diesen Sinn vor andern mit einer Kraft, in unermeßliche Weiten zu rei- chen, versehen, auch sonst so vieles in die Augen gelegt hat, daß Liebe, Freundlichkeit, Mitleiden, Freude, Sitt- samkeit, Scham U. dgl. durch die Augen ausbrechen kann. Wenn aber freilich unsre Augen nicht auch unter die heilende Zucht des HErrn Jesu und seiner Erlösun si- gnade kommen, so könnten wir durch Augenlust so S a- den nehmen, daß darüber der ganze Leib in die Hölle geworfen wtirde. Darum Güter, wird die Nacht der Sünden V. 9): ,,Jesu, gieb gesunde Augen, die was taugen, rühre meineAugen an.« (Rieger.) IV) Aus die- sem Verbote konnten sie sichs erklären, warum er auf der Straße nicht stehen geblieben sei, sie nicht vor dein Volke geheilt habe. —— ,,Da keine Benennung so stark an die Herrschaft des Messias erinnerte, als die von den Blinden gebrauchte, und keine daher so leicht gemißbraucht werden konnte von dem fleischlich gesinnten Volke, so nannte Jesus selber sich niemals den Sohn Davids, sondern bezeichnete statt dessen sich als des Menschen Sohn, welcher Name durch das ungewohnte sowohl als das Tiefe seines Sinnes zum Nachdenken aufforderte und an seine Knechtsgestalt erinnerte« (Kap. 8, 20 Anmh II. Aber sie gingen ans saus dem Hause, darin der Vorgang im Stillen stattgefiiiiden hatte] und machten ihn sals den Sohn Davids oder Ntefsias Jsraels, wofür sie nun sein eigenes that- sächliches Zeugntß ui Händen hatten] ruchtbar im selbigen ganzen Lande swo der Name ,,Sohn Davids« gleichsam schon überall in der Luft lag; daher Jesus schon um deßwilleii sich veranlaßt sah, zu einer neuen Rundreise aufzubrechen Kap. H, l]. Obgleich wir urtheilen müssen, daß es besser gewesen sein würde, wenn sie dem Worte des HErrn gehorcht hätten, so kann man es doch nicht ohne Wohlgefallen und Freude lesen, daß sie es so machten; sie konnten in ihrem Maße auch sagen (2. Cor. 5, 13 f·): ,,thnen wir zu viel, so ihnen wir es Gotte; denn die Liebe Christi dringet uns also.« Die Freude über den gekomnienen Sohn Davids, nnd daß sie ihn als den göttlichen Helfer erfahren hatten, war zu mächtig in ihnen, sie mußten es aussprechen und mittheilen. Das Schweigen wird noch allen schwer, die erfahren, daß das Evangelium eine Kraft Gottes ist selig zu machen, und wenn sie auch manchmal am unrechten Orte und ungeschickt reden, so kann man ihnen doch nicht zürnen, um der Liebe und der Kraft der Wahrheit willen. (Menken.) 32. Da nun diese [die beiden von Jesu ge- heilten Blinden] waren hinaus kommen [aus seinem Hause], siehe, da brachten sie lLeute aus dem Volk, das vorhin V. 27 schon angefangen hatte, sich zu verlaufen] zu ihm einen Menschen, der war stumm Und besessen [dämonisch-stumm, d. i. »in Folge von Besessenheit durch einen bösen Geist, nicht in Folge eines natürlichen Leidens, stumm] Kann jemand durch fixe Idee, also in Folge von Geisteskrankheit oder Störungen des Nervenlebens stumm sein, so kann er es auch sein durch Besessenheit; denu mit dem Nervenlebem wie wir zu Kind. 8, 28 f. aus— einandergesetzt haben, hängt das Besessensein auf’s Engste zusammen. Deshalb darf man aber keineswegs die Krank- heit des Menschem um den es sich hier handelt, zu einer di· Luk 4 z4« Mark l, Heilung zweier Blinden und eines dämonisch Stummen. 131 pshchischen (seelischen) Vergewaltigung durch einen bösen Geist machen und sie etwa dahin erklären: ,,die dämo- nische Stimmung dieses Menschen war so, daß er meinte, er könne oder dürfe nicht reden, sein Dämon wolle es es nicht zugeben, also vergleichbar jenen Wahnsinnigem welche durch eine fixe Jdee verhindert sind auszugehen oder Aehnliches vorzunehmen;« vielmehr find die meisten dämonischen Krankheiten, deren die Schrift Erwähnung thut, physischer (leiblicher) Art und bestehen in magischen Bindungen an si gesunder Organe. So hier und bei dem Blinden in ’ap. 12, 22., der zugleich stumm ist: Dämonen haben partiellen Besitz von ihrer Leiblichkeit genommen und sich in ihr eingenistet, aus diesem Besitz und Sitz vertreibt sie der HErr durch Exorcismus Rein phhsischer Art- ist auch die in Luk. 15, ll erwähnte achtzehn- xährige Rück ratsverkrümmung eines Weibes, wo aber der Ausdru »Geist der Krankheit« keinen persönlichen Sinn hat, sondern nur die geheime Kraukheitsmacht be- zeichnet; denn die tgeilungk erfolgte hier nur niittelst Handaufle ung, nicht nrch xorcismus Ebenso ist auch das Krank eitsbild des von Kindheit her Mondsltchtigem den der HEry vom Berge der Verklärung kommend, in Kuh. 17,» 14 sf.; Mark. 9, 14 ff.; Luk. 9, 39 ff. heilt, ohne eigentlich psychische Züge: die Symptome bestehen in krampfhaften Bewegungen ( errungen, Dehnungen u. dgl.), angftvollem Aufschreim chäumen des Mundes, .Zähneknirschen, Wälzen am Boden, unfreiwilligem lebens- esährlichen Fallen, nachfol ender Abspannung oder Er- arrung Mark. 9, 18 — uther: ,,verdorret«). Diese sonst der Epilepsie und Mondsucht eigenthiimlichen Kenn- zeichen begleiten jedoch siur die Taubstummheiy in der der HErr, wie die Form seines Exorcismus zeigt (Mark. D, 25): ,,du sprachloser und tauber Geist, ich gebiete dir, daß du von ihm ausfahrest,« den Grundziig der Krank- heit und den Sitz des Dämons erkennt. Dagegen giebt die dämonische Krankheit nicht blos in physischen, son- dern ugleich in ausgesprochenen psychischen Erscheinun- gen fzich kund und wird zur vollständigen Besefsenheit beidem Dämonischen zu Gadara (Kap. 8, 28 sf.); das Krankheitsbild eines eigentlich Besessenen vollendet sich dann dadurch, daß der Dämon oder die Dämonen mit gänzlicher Verdrängung der Selbstmacht des Menschen entweder mittelbar, der menschlichen Organe sich bedie- nend, oder unmittelbar aus ihm sprechen (Kap. 8, 29. « , . ,· ., . AS; Luk. 4, 41; s, L. 30; Apostg II, 15). Daß es Geister wären, die aus solchen Kranken sprachen, zeigte sich daran, daß das Ausgesprochene einen iiber den Erkenntnißgrad der damaligen Menschen hinausgehenden hellseherischen Einblick in Jesu Person und Werk verrieth, und daß es böse und unreine Geister wären, zeigte sich daran, daß sie nichts mit Jesu zu schassen haben wollten und daß· seine Nähe die Raserei des Besessenen steigerte, so daß dieser selbst vor der mit dem Vollzuge der Heilung eintretenden Steigerung der Qual sich fürchtet. (Mark. Z, 7 f.) Its. Und da der Teufel [der böse Geist, der den Stummen bisher in seiner Gewalt gehabt] war «ausgetrieben, redete der Stamme sals einer der seiner Leibesglieder nun wieder mächtig war]. Und das Vol! ssoviel ihrer des Wunders Augenzeugeu warens verwunderte sich und sprach: Solches ist noch nie in Israel ersehen worden. «) Die Macht Jesu über die Dämonen schätzten sie höher als alle Wunder der Propheten; sie sahen darin eine Kraft, die sich nicht blos die materielle Welt iii ihren Elementen und Wirkungen unterwirft, sondern auch in das Unsichtbare hinüber-seicht und »den Geistern der Finsierniß gebietet. (Menken.) M. Aber die Pharisaer sals sie von diesem außerordentlichen Wunderwerke Jesu und zugleich von des Volkes Urtheil über solch Zeichen höreten] sprachen lvon der Lästerung im Inneren V. 3 nun schon zur Lästerung mit and eutender Rede, wenn auch nur erst hinter dem Rücken des HErrn übergehend, bis es dann sogar zu frecher Be- schuldigungbor seinem Angesicht kam Katz. I2, 24]: Er treibt die Teufel aus durch der Teufel Obersten [er steht im Bunde mit dem eigentlichen Teufel, und der giebt ihm die Macht, den niederen Teufeln oder den Dämonen in einer Weise zu ge- bieten, daß sie gehorchen müssen]. Hier siehst du zweierlei Schüler, nämlich das Volk, das da glaubt und Gott lobt, und die Pharisäer, welche sich an ihm ärgern und ihn lästern; und so sehr das Volk seine That erhebt, so sehr wüthen und toben die Pharisäer und schreiben sie nicht schlechthin dem Teufel, sondern dem Obersten der Teufel zu, an daß sie Christum als den allergrößten Bösewicht unter a en Menschen ver- dächtig machen möchtein So ist die Welt geartet: je niehr die Gnade Gottes gepriesen wird, desto mehr muß diese Lehre ketzerisch und teuflisch sein. Christus aber schweigt hier stille und widerlegt sie nicht, wie er in Kap. 12, 25 f. thut — vielleicht weil die Pharisäer nicht zugegen gewesen sondern ihn abwesend (vgl. Joh. 5,»6; 9, Its. 2 , na dem sie von diesen Wundern gehort, also gelästert haben. (Luther.) Es hat etwas Auffallens des, daß die Pharisäer gerade zwei Mal bei der Hei- lung eines dämonisch Stummen (außer hier auch in Kuh» 12, 22 fs.; Luk. U, 14 ff.l dem HErrn den Vor- wurf! machen, er treibe mit der Hilfe des Teufels die Dämonen aus; wahrscheinlich waren aber dieses gerade Heilungswunden die sie mit gesteigerter Eifersucht be- trachteten, weil sie tiber das Vermögen ihrer eigenen Exokisten )(Kap. 12, 27) unendlich weit hinan-singen. (P. ange. » schon am Schlusse der Einleitun zu unserm Abschnitt bemerkt worden, sind wir nun »ei derjenigen Zeit angelangt, wo der HErr Jesus die Bergpredigt ge- halten hat. Nach den beiden hier erzählten Heilungem die nach zwei Seiten hin epochemachend waren, für die Freunde sowohl wie ftir die Feinde, verließ er die Stadt apernaum abermals auf einige Tage und trat, wie in Kap. 8, 18 ff. nach Südosten, so diesmal nach Süd« westen eine Wanderung an und kam zu Ende des Mo- nats September in die Gegend von Kur-un Reform, jener doppelzackigen Anhöhh die wir zu Stab. 5, I im Bilde vorgeftihrt haben. Nicht nur ging jetzt das Jubel- oder Erlaßjahr vom Herbst 27 bis dahin 28 n. Chr. äußerlich zu Ende, sondern es hatte auch im Laufe der zwei Jahre, seit zuerst Johannes der Täufer seine Wirksamkeit im Herbst a. 26 eröffnet und dann Jesus dessen vorbereitende Thätigkeit seit Pfingsten a. 28 unter Zeichen und Wundern fortgesetzt hatte» in Israel sich innerlich eine Scheidung v9llzogen, wie sie in V. 33·f. sich charakterisiry daß die einen sprechen: ,,Solches ist noch nie in Israel ersehen worden,« « die andern aber lästerm »Er treibt die Teufel aus durch der Teufel Obersten« Da schreitet denn der HErr dazu, durch Be- rufung der 12 Apostel den Kern einer neutestamentlichen Gemeinde um sich zu sammeln, welche künftig an · die Stelle des ihn verwerfenden Israel nach »dem Fleische treten soll, und in, einer längeren skede die Grundsätze in Beziehung auf das von ihm· zu stiftende Himmelreich im Gegensatz gegen die der Pharisäer und Schriftgelehrten zu entwickeln. Wir geben hier aus der, auf der l. Seite sc 132 Evangelium Matthäi I, 34. Atem. (Spalte a. Anm.) angekiindigten EvangeliewHari monie eine Zusammenstellung derjenigen Paragraphen, deren Jnhalt wir bisher betrachtet haben, und fügen die einzelne Geschichte bei. nähere Zeitung « · Voraus geht eine Einleitung, welche 4 Paragraphen . umfaßt : §. I. Zuverlässigkeit und Absicht der evangelischen Ges bis znr Bergpredigt nnd den beiden zn abe für jede schichte: Las. l, l-—4. §. D. Jesus der Gottessohm Joh. l, 1——l8—. s §. Z. Jesus des Menschen Sohn-Hi) ein Sohn Davids, « des Sohnes Abrahams: Matth. l, 1——l7. ! §. 4. h) der· zweite Adam: Zur. 3, 23—38. 1 Daran schließen sich dann die, verschiedenen Abschnitte des Lebens unsers HErrn und Heilandes Jesn Christi ihr gehörenden Wunderwerken in folgender Ordnung: « Jahres- zahl. Nähere Zeitbestimmung. Begebenheiten. V or Chr. Nach Chr. 26 23, April 25. März Ende März s— E.Juni 24. Juni u. l. Juli 25. Dezember Anfang Februar Ostern Ende September oder Anfang Oktbr. s. Januar 7. Jan. — 15. Febn l5. Februar l6.—l8. Februar 21. Februar März oder April Mitte Dezember l. Jan. u. "2. Febr. i Erster Abfchtlitt «. Die Kindheitsgefkhichte Iesu und feines Vorläufers Johannes. III-EBOOK O( — wspsp . . s» . I is. §. 14. 2 »- «) «) §. 15. §. 16. §. 17. .. Johannis Zeugniß vor den Abgesandten . Die ersten Jlinger Jesu: Joh. l, W— . Die Hochzeit zu Cana: Joh. Z, 1—11. . Besuch in Kapernautn und Reise nach Jerusalem auf das Ostersesic (Ein Zeitraum von 32V, Jahren.) · Fekrktåndigungä der Geburt Johannis an seinen Vater ZachariaN I) u . , . -—2 . « Verkündigung an Maria, die Mutter Jesu: Luk. l, 26——88. Besuch der Maria bei« ihrer Gefreundtin Elisabetlp Ins. l, 39--56. Heimholung der Maria durch Joseph: Mach. l, 18-—25. Johannis Geburt und Beschneidung: Las. l, 57-—80. . Geburt Jesu zu Bethlehem:«) But. 2, 1——-20. J . Zeschåieidung des Kindes und Darstellung im Tempel: Luk. 2, 21438 . esu . der Weisen ans dem Morgenlandex Matth. D, 1——12 Flucht nach Egypten3) nnd Rlickkehr nach Nazareth: Muth. 2, 13«——23; Luk. 2, 39 n. 40. . Der zwölfjtihrige Jesus im Tempel4): Luk. 2, 41—52. (Zeit der Stille: Bis, Jahr.) Jn Rom regiert Kaiser Augustus v. 30 v. Chr.——14 n« Chr» in Palästiua herrscht König Herodes der Große von 37-—-4 v. Chr» in Jerusalem bekleidet Matthias, Sohn des Theophiluiz das Hohepriesterthutih Hoherpriester tst Joazalz Sohn des Simon; ihm folgt sein Bruder Eleazar, dann kommt Josua, Sohn des Siisz an die Reihe. Herodee stirbt am Z. April a. 4. Jn Judaa wird Archelaus König v, 4 v. Chr.- 6 n. Chr.g über Galilåa und Peråa herrscht als Vierfürst Herodes Antipas v. 4 v. Chr. —»- 39 n. Chr» über Jturäa Je. Philippus v. 4 v. Chr. — 34 n. Chr. Jm 6 n. Chr. ist Archelaus entsetzt und an seine Stelle zuerst Coponius als Landpfleger von Judäa getreten, diesem dann Ambivius gefolgt; von 6——14 n. Chr. bekleidet HannaS, Sohn des Seth, das Hohepriesterthumz in Rom nimmt Kaiser Augustus zu Anfang des J. 12 n. Chr. den Tiber-ins zum Mit- tegenten an und stirbt am 19. August a. M. Zweiter Abschnitt. Von: öffentlichen Hervortreten des Täufers bis zu seiner Gefangennehmung (Ein Zeitraum von 1 Jahr 7 Monat) Johannis des Täufers Auftreten in der Wiiste«): Matth Z, 1——l2; Mark. l, 1—8; Luk. Z, l——l8. JesUZTZIIfe ditzrggh Johannes: Matth. Z, 13—— 17; Mark. l , 9 —11; . , U. L. « Versuchung Jesu in der Wüste: Matth. 4, 1-—11; Mark. I, 12 u. is; Luk. 4 1—13. « « xss Hohenraths: Joh. 1, 19—28. Joh. g, i-)—25. . Nachtgespräch mit Nicodemus: Joh. 3, »l—.—2l. Jesus tauft am Jordan, Johannes zu Enonx Joh. Z, 22——36.. . Rückkehr lJesxiz nach Galiläalh und Gespräch mit der Samariterin-«: Jvhs , Der Königische zu Kapernaum: Joh. 4, 46-—54. (Zeit der Stille: 4-——5 Monat) Chronologie des Lebens Jesu biswzur Reise aufs Laubhüttensesi 133 ) Jahres- Nähere zahl. Zeitbestimmung. B e g e b e n h e i t e n. Nach ChLAUftIUg Mai §. AS. Johannis des Täufers Zeugniß wider Herodes Antipas und feine Ge- 28 » . » · » fangennehmung: Matth.,14, 3—5; Mark. S, 17——20; Luk. 3, 19 U. 20. 19.—22. Max §. 27. Jesus auf dem Pfingsifest zu Jerusalem. Heilung des Kranken am. Teiche Bethesdm Joh. S, 1—47. Z) Vom Herbst 26 bis dahin 27 ein Sabb»athjahr. Jn Rom herrscht als Kaiser Tiberius v. 14——37 n. Chr» in Judäa ist Pontius Pilatus Landpfleger v. 26—-36, in Jerusalem fungirt als Hoherpriester Kaiphas v.17—36 n. Chr. V) Vom Herbst 27 bis dahin 28 ein Jubeli oder Erlaßjahn Dritter Abschnitt. Wirksamkeit Jesu in Galiläa bis zur« Bergpredigt (Ein Zeitraum von 10 Monaten.) i 29. Mqi(SounahkUd) §. 28. Jesus in der Schule zu Nazareth. Verstoßung von dort und Ueber- siedelung nach Kapernaum: Matth. 4, 12—17; Mark. 1, 14 u. 15; Luk. 4, 14——31. «« Im« Essen) s· W— WITH-tiefres; Kur-sites. kn- isknrgf g? Ernte« Reis-»Es« 5. Juni Sonnabend) §. 30. Jesus in der Schule zu Kapernautm Heilung eines Besessenen: · Mark. 1, 21——28; Luk. 4, 3l——37. §. 31. Heilung der Schwiegermutter Petri und vieler anderer Kranken: Matth. 8, 14—l7; Mark. l, 29——34; Luk. 4, 38-41. 6. Juni Sonntag) « §..32. Ausbruch von Kapernaum, um auch. andern Städten zu predigen: « Matth. 4, 23——25; Mark. l, 35"—«39; Luk. 4, 42—44". (Zwischenzeit von I5 Wochen) l8.Sept.(Sonnabd.) . 33. Jesus» wieder in Kapernaum heilt die isjährige Kranke :- Luk. 13, 10»17. 1.9.Sept. (Sonntag) . 34. Seepredtgt in Glerchnissen und Beschluß über das Meer zu fahren. Berufung des Thomas. Die Stillung des Seefturms: Matth. II, 31 442—·46; 8, 18——27; Mark. 4, 30—41; LUK 13 , 18—21; . - 81 · — 5s , - · 20. September §. 35. Jesus; lFi bät; Gadarenerm Matth. 8, 28——34; Mark. 5, 1———20; u . , s— . §. Bis. Die Heilung eines Gichtb chigen zu Kapernaum Matth. I, 1——8; Mark. Z, 1—12; Luk. 5, 17—26. » U. u. 23. September §. 37. Berufung des Zisllners Matthiius und Gastmahl bei ihm: Matth. I, (Dienstagu.Donners- 9—l7; Mark. Z, 13——22; Lust. 5, 27—-39. . lag) §. IS. Jairi Töchterlein und das blutflüsstge Weib: Matth. 9, 18p—26; Mark. 5, 21—43; Luk. 8, 40-56. i §. 39. Fwez Heiäejngen und erstes Schmähung der Pharisäer: Matth. Ende September §. 40. « · Aussotgderutt der wölf und Bergpredi i: Matt .5 1——7 29« Ma l. 3 —19;Hk 312 49. g h« « ««’ r , 13 . —- §. 41. Feilung eines Ausfätzigetn Der Hauptmann von Kapernaum Matth. , 1——13; Mark. l, 0-—45; Luk. 5, 12——16;7, 1 . (Zwischenzeit von einem halben Jahr) · Aus dieser Zwifchetizeit von einem halben Jahr, mit welcher dieser Abschnitt schließt, haben die heil. Evangelisten uns nichts berichtet; St. Matthiius charakterisirt uns aber diese Zeit in ihren Grundzügen in den uächstfolgew den 4 Versen, um dann zur Aussendung der 12 Apostel überzugehen. Indem er deren Namen erst jetzt auf- führt, hält er dennoch eine gute Ordnung ein und läßt die eigentliche chronoloFifche eitfolge durchblicken; denn auf dte beiden, in V. 7— erzählten Heilungen folgte ja chronologifch in der That nach der, etwa eine Woche in stch fchlteßenden Wanderung von Kapernanm bis Kur-un Elattjn die Berufung der Zwölfe, daß aber diese bereits berufen waren . und jetzt nur zu einer Dienstleistutäz in ihrem Amte herzugerufen wurden, giebt der ortlaut in Kafr. 10, 1 deutlich genug zu verstehen— Wir fügen hier, um die evangeL Gefchichte bis dahin fortzuführen, wo wir zu Kalt. 5, 1 die Ueberstcht über die Reihenfolge der Begebenheiten bei den 3 ersten Evangelisten ab ebrochen habenJogleich noch den 4. Ab- schnitt hinzu. ie nähere Zeitbestimmung, die wir hier und im Folgenden geben, beruht allerdiugs nur bei» einigen Paragraphen auf sicherer, nachweisbarer Grund- lage, bei andern dagegen ift sie ein bloßer Vorschlag; wir konnten uns aber dem nicht entziehen, daß wir, wo die Evangelien keinen unmittelbaren Anhalt bieten, eine Ergänzung des Datums versuchten, weil nur so der Nachweis sich führen ließ ,» daß da, wo eine An abe in den Evangelien selber gegeben, diese von uns sa gemäß. benutzt worden ist. 134 Evangelium Matthäi I, 36--·38. Jahress Nähere zehn Zeitbestimmung. V E s · V · U h « k k e «« Vierter Abschnitt. Nach Eh» Weitere Wirksamkeit Iefu in Galiläa bist-Kur Reise aufs « Laubhüttenfeft 29 (Ein Zeitraum von einem halben sahn) Ende März H. 42. Zlrtssengung der Zwölf« Matth 9, 35 -—11, l; Mark. s, 7——1Z; u. ., —- . B. April Sonntag) . 43. Der Jüngling zu Neun: Lin. 7, l1—17. s. April (Mittwoch) « . 44. Dte Gesandtschaft des Täufers: Matth.«,ll, 2-—30;, Luk. 7, 18——35.· 9«Apki1(S9Ukmhknd) . 45. Jesus, dåtzi Gaftmahl des Pharisaers und die große Sündertm u. , . — . II. April (Montag) 46. Die Enthauptiing des Johannes: Mattb.14, 6——·12; Mark. s, 2l-—29.s 17, April Sonntag) . 47. Zerodes m Tibertas hort von Jesu und begehrt Ihn zu sehen. ». ückkehz deiåswölfxe uåoSpeifixngLdgr Fütgftarkfxndålåiatsthdlxllä 2. 1.3——21 ; M .,1—-1. ——4·n.,—· o.,——.. H. 48. sc? Flsaiiäleltälauf dem Meer: Matth. 14, 2Z3——34; Mark. S, 45—53; o . , — . 18. April (Montag) . 49. Jesus in der Schule zu Kapernaum: Joh. 6 22·——»71. 23.April(Sonnabend) 50. Aehrenraufen am Aftersabbath: Matth. I4, THIS. so; 12, 1-8; Mark. 6, 54—-—56; L, 23-—-28; ,Lu!. S, 1——-5. " 24. ril (Sonuta) H. 51. eilung des Mannes mit der verdorreten Hand: Matth. 12, 9—-2l; g ark««31 12«Luk66 11 . · , — « « , «— o . IS. Die diene den rauen: Luk. 8 1-—3. . Anfang Mai . II. eilung elines Zzesessenern Erneuerte Lästerun der Pharisäer. Die utter und Brüder Feste: Matth. 12, 22-—-50; ark. s, 20-—-35; List. II, 14——36. 8, 19-——2l. H. III. Predigt in Gleichnissein Matth. is, l—-30· 34-—43. 47k-·52; Mark. 4, 1—-29; Las. 8, 4——18. · . II. Jesus abermals in Vazaret : Matth. »13, 53—-58; Mark. s, 1—6. . sc. Streitfrage der Pharisäer ü er das Handewaschekn Muth. 15, l—20; Mark. 7, l-—23; But. U, 37—-—52. · · , Z. M. Rein; inlsdeiålGråtåze äzoeonkTyrxåsztjqgz Sei-on. Das cananllifche Weib: at . , — ; ar . , . s. Es. Heilung, eines Taubftutnmen im Gebiet der zehn Städte: Mark. 7, l « til-Z . ssluscmg Juni 59. Sszeisung der Vier-tausend: Matth 15, 29—»-39; Mark, S, 1——10. . 0. Zeichensorderung der Pharisäer. Warnunz vor. ehren! Sauerteig: m Tonart» is» 1312 Mast. g this-ZU? 1)«,L1Je——,ä2.8 22 W . . Heim: eines li den ei et ai a ums: a . , —- . . IS. Das Esleichniß vorm reichen Kornbauerc Luk. 12, 13—59. Zwischenzeit von ca. 3 Monat) Mitte September H. III. Jesus bei C« area Philippi. Das Bekenntniß des Petrus: Mattlx M, —28; Mark. 8, 27 — 9, I; Mk. 9, IS—- 7. s. 64. Ae Lzzrklärung Jesm Matth. 17, 1——13; Mark. I, 2-—13; LuL O, s. 65. ist; Zeus-Zug Fzes Moudsiich:igeu: Matth.17,14-23; Makk.9,14-—32; u. ,- -— . . Eis. Der Zinsgroschenx Matth. 17, 24-—27. » . 67. ganggzeit der Sänger: Matth. IS, 1—-20; Mark. 9, 33—-50; Heut. 9,» . Eis. Gleichnisz vom Schalksknechtt Matth. 18, 21—35. 28. September . 69. Aufforderung der Brüder Jesm seh. 7, 1—10. I. V. 35——Lap. 11, 1. (§. 42.) Indem der Eangelift begleitet. Es hat flth da der Jttidrangsdtr Ocoth an lhn den auf die Zergpredigt folgenden Zeitraum eines halben Jahre« litt zur klähe des Osterfestes a. 29 nur im All— gemeinen l1ef1hreil1t, ohne Einzelne! daraus zu berichten, da er gewissermaßen eine geschlossen: Zeit war, in der Thrllli Eehri und Wnuderlhäliglieit sitt) in bestimmten Skhranlien hielt, verfeht er nat alsbald an du- Ende diese: Zeit, wo wir den tjErrn wieder im Lande um· herzlrhen sehen, von grasen volle-merken, die ihm folgen, i nun fkhon fo sehr gewehrt, daß »Er, der einzeln: Helfer, sieh in der Kraft feinen« Geister. durch feine Krone! vervielfacht-i muß, um freilich auch in den vielen« der Eine Helfer zu litten-ruf« So folgt denndie erste. Jtugfeudung der Sänger, eingeleitet durch eine längere Instruktion-rede, dir nur in ihrem Anfang auf die dieimalige Wanderung Beziehung nimmt, alsbald· alierczu einer Unterweisung sit-er den Silagerlieruf übers. Den HErrn jammert des verlafsenen und verwahrlosien Volks. 135 hanpt wird und die ganze aposioliselje Thätiglieit in’s Auge faßt, um die Grundsätze derselben festzustellen und auf die Ue: olgunggleidein die sir mit sieh bringt, unein- bereiten. aehdem Jesus dann die Junge: entlassen, zieht er selber mit dem ihn begleitenden Volke eine Straße weiter. Mark. s, 6-——13; Knie. I, l—- .) II. Und Jesus ging sgleichwie nach den im vorigen Abschnitt erzählten beiden Hetlungem so auch später, als er die Bergpredigt gehalten und aber- mals 2 Heilungen vollbracht hatte Kap. 5, 1—8, is» während der folgenden 6 Wintermonate von Anfang Oktober 28 bis Ende März 29 n. Chr.] umher in alle Städte mid Ellicirktet sim galiläischen Lande) lehreie in ihren Schnleli sSynagogen oder gottesdienstlichen Versammlungshäuserd und predigtc sauch außerhalb derselben, unter freiem Himmel] das Evangelium von dem Reich [Gottes, daß es nun nahe herbeigekommen Kap. 4,17] und heilete allerlei Seuche und Krankheit im Volke» [wo irgend welches Gebrechen oder eine Krankheit ihm entgegentrat]. «) Das Wort Markt kommt vom lateinischen mer— catus (Handel, Markt) freie Platz» am Thor der Stadt, wo nicht nur gekauft und verkauft, sondern auch Gericht gehalten wurde und allerlei sonstige Zusammenktitifte stattzufinden pflegten (1.Mos. l9, 1 Anm.). Dorthin begab man sich, um der geselligen Unterhaltung zu pflegen oder Geschäfte mit Andern abzumachen (Mark. 7, 4), um inüssige Stun- den hinzubringen und die Neugier zu befriedigen, um zu sehen und sich sehen zu lassen Apost . 17, 17; Mark. 12, 38), dort spielten die Kin er Hast. 11, 16") und dort stellten Tagelöhner sich auf, wenn sie Arbeit suchteii (Kap. 20, 3); b) der Marktsleckem und find darunter« kleinere Städte zu verstehen, die von den größeren da- durch sich unterschieden, daß sie keine Mauern hatten, wie z. B. Bethanien (Luk. 10, 38). In Veziehuu a Emmaus (Luk. 24, is) und Bethlehem (Joh. 7, 43 be- dient Luther selber sich des Worts ,,Flecken« (5. Mos ,5). «) Es sind das fast die riämlichen Worte, die. uns in Katz. 4, 23 begegneten Dort nun waren damit die beiden Rundreisen in Eins zusammengefaßh die Jesus theils nach seinem erstmaligen Aufbruch von Kapernaum 3—4 Monate lang unternahm (Luk. 4, 43 f.), theils etwa 8 Tage hindurch nach der Lästerung der Pharisäer (V. 84) machte; hier dagegen ist eine dritte Rundreise gemeint, die an die Geschichte dom »Hauptmai1n zu Katz. (Kap. 8, 5ff.·) sich»anscl)·loß. Gleichwie nun dort auf die 2. von den beiden in Eins zusammengefaßteri Reisen die Berufung der 12 Apostel folgte (Mark. Z, 13 sf.; Luk. 6, 12 ff.), so folgte hier, auf die dritte Rundreise, die Ansfendung der Zwölfe (Mark. 6, 7ff.; Lud B, 1ff.). Dort hatte Jesus die Erfahrung gemacht, daß in dem Bundesvolk des alten Testaments sich bereits eine Schei- dnng vollzogen zwischen der großen Masse, die nicht glaubte, sondern sich verstockte, und den Uebergebliebes nen nach der Wahl der Gnaden (Röm. 11, 5), und er sammelte nun daraus den Kern einer neuen Gemeinde in denen, »die bei ihm sein sollten« (Mark. Z, 14), der Zahl nach zwölf, um das ganze Volk in seinen 12 Stämmen zu repriisentirenx hier dagegen, indem die Noth des Volkes in ihrer ganzen unermeßlichen Größe immer mehr von ihm fich entfalten, breitete er seine Arme aus, indie Mitthlttigkeit der Zwölse sich verzwei- und hat im neuen Testament , folgende zwei Bedeutungem a) der Marktplatz oder der - geud, und sandte sie aus, »zu predigen und zu heilen« (Mark. 3, 14 f.). Wenn es nun ausfällig erschetnen könnte, daß nach unserer Auffassung der evangelischen Geschichtss darstellung in V. 35-—38 ein Zeitraum von nicht weni- er als 6 Monaten nur ganz im Allgemeinen charakteri- Zrt und nach seinem auptergebuiß, ohne irgend welchen besonderen Bericht ü er Christi Lehren und Wirken be· schrieben ist, so wird das Aiiffällige alsbald sich mindern, wenn wir erwägen, daß ja in diesen Zeitraum der Winter oder die Regenzeit (3. Was. Es, 5 Anm.) fällt wo Wanderzlige durch das Land theilweis unmöglich waren, der HErr also mit seinen Jüngern mehr auf das Privatleben angewiesen war. Ebenso fällt die Zwischew zeit von 15 Wochen, die wir zwischen den Geschichten in § 32 und 33 angenommen haben, in die allerheißeste Jahreszeit, wo die itze theilweis unerträglich wird; es ergiebt sich also, da unsere Berechnungen der Chronoi logie auch in den klimatischen Verhältnissen Palästinas ihre Begründung finden. Wir befinden uns an vor- liegender Stelle in derjenigen Zeit des J. 29 n. Chr» wo der Spätregen nun sein Ende nahm. Nachdem Jesus etwa noch im Oktober a. 28 sein Werk getrieben, dann aber feine öffentliche Thätigkeit mehrere Monate einge- stellt hatte, eröffnete er dieselbe wieder Ende Februar und zog im Lande umher bis zur Osterzein Das her- beikommende Osterfest, als nun bald die Festpilger den Weg nach Jerusalem antraten, gab ihm Veranlassung, die zwölf Jünger auszusendem die dann leicht unter die Festpilger stch mischen und einen Festzug nach dem andern ansprechen konnten, ihre Botschaft des Heils aus- zurichten; so gelangte diese nach Jerusalem, während der HErr dies Mal in Galiläa zuritckblieb IS. Und da er das Volk sahe sdas in großen Schaaren ihm nachzogL jammerte ihn desselbigeM [indem er wohl verstand, was die Leute so zu ihm trieb]; denn sie waren verschmachtet [von denen, die derzeit auf Mosis Stuhl saßen Kaki. 23, 2., für den Seeleuhunger ohne das Brod des« Lebens gelassen, das ihnen hätte Labung und Erquickung bieten können] und zerstreuet [verwahrlost, ihrem eigenen Elend preisgegebenL wie die Schafe, die keinen Hirten haben« [und ohne Pflege und Füh- rung eines solchen verkommen und zu Grunde gehen mitssen]. 37. Da [in das Gefühl seines Erbarniens auch diejenigen hineinzuziehem die er bereits geord- net hatte, daß sie bei ihm sein sollten und daß er sie aussendete zu predigen Mark. s, 14., und das Verlangen nach Theilnahme an seinem eigenen Gotteswerk bei ihnen zu erwecken] sprach It zu seinen Jüngern: Die Ernte san Seelen, die da geistlich arm sind und für das Reich Gottes ge- wonnen werden könnten] ist [wohl] groß [wie ihr an der Menge derer sehet, die sich zu mir drängen, zu hören das Wort Gottes]; aber wenig sind der Arbeiter*" ldas geistlicheBedürfniß der Leute auch zu befriedigen —- außer mir nur erst ihr, die ich euch zu meinen Aposteln berufen habe, und auch ihr habt bis jetzt mich noch allein lassen arbeiten]. 38. Darum sweil es so nicht bleiben darf, vielmehr das große Arbeitsfeld, das schon weiß ist 136 zur Ernte Joh. 4, 35., auch viele Arbeiter erfordert] bittet den HErrn der Ernte smeinen Vater im Himmel, der da nicht will den Tod des Sünders, sondern das; er sich bekehre und lebe], daß er At- beiter sdurch seinen Geist sich erwecke nnd die er- weckten dann, gerüstet mit der rechten Arbeitskraft] in seine Ernte sende-s sdamit seine Scheuern voll werden]. «) Wie es kommt, daß mit der Hilfe des HErrn die Noth zu wachsen fcheint? 1) Die Hilfe zieht die Noth an’s Licht; Z) sie macht ihr Muth, sich zu offenbaren. (P. Lange.) —- ’i«’s) Abgekomnien vom nattirlichen, freien Gebrauch und Genuß des lebendigen Wortes Gottes, das die Seele erquickt, beladen mit Gesetz und Vorsihrift aller Art, gefesselt von den Aufsätzen der Aeltesten, ver- wirrt in seiihten Fragen und Wortkriegen und in Schul- gezänk, das zerrtitteter Verstand auf die Bahn gebracht hatte, erlag das Volk wie ein Mensch, der im Sande nach ei11er Quelle gräbt und keine findet, oder wie ein Schaf, das, sich selbst überlassen, in der Wüste vergeblich Weide sucht; was ihm noch geblieben war, war ein stille-Z, kaum sich selbst bewußtes, kaum sich auszusprechen vermögendes Schmachten nach Erquickung, nach Licht und Trost. Bei diesem Bedürfen und Schmachten war man· cher fiir Wahrheit empfänglich und der Hilfe fähig, aber sie hatten keinen Hirten; was sie hörten, war die un- holde Stimme des Treibers und Drängers, und was sie thaten, das todte Werk selbsterwählten Dienstes, wobei sie Gott nicht näher kamen. Die Stimme evangelisiren- der Propheten, die liebliche Stimme der Boten, die da Frieden verkündigeii 2c. (Jes. 52, 7), ertönte nicht mehr unter diesem Volk; das Heer feiner Gefetzesgelehrten und Schrifterklärer war in pharisäischen Mückenseigereien und Buchftabeleieiy Fragen und Glossen, Armfeligkeiten und Nichtswürdigkeiteii verloren; es fehlte an Menschen, die, selbst erleuchtet, mit Theilnahme und Barmherzi keit, nicht u eigenen Gewinnes willen, sich des verwahrlm seten un verkommenen Volkes mit Hirtentreue ange- nommen hätten. (Menken.) Diese zwei Dinge verwüsten die Kirche und das Volk Gottes, nämlich für’s Erste, wenn sie des Wortes Gottes beraubt werden, durch welches die Kirche ernährt und erhalten wird; ftir’s Andere, wenn sie nicht wider die gottlosen Lehren ver- theidigt werden. So geschieht es denn, daß, nachdem die Lehre der Gottseligkeit verloren, die Gewissen voll Traurigkeit und verschniachtet in der Jrre herumgehen und sich in unendliche Sekten und Aberglauben verlan- sen, weil sie wollen geheilt sein. Jst es nun aber etwas so Erschreckliches die Heerde ohne Wort lassen, was meinst du, wird das sein, wenn man statt eines Hirten ein Wolf ist, oder aus einem Hirten ein Wolf wird? dergleichen diejenigen sind, die nicht allein das Wort beiseite setzen, sondern auch das Gegentheil lehren und selbst die Schafe fressen. Und wenn noch dieses dazu kommt, daß sie auch Tyrannen werden nnd um des Worts willen die Frommen tödten, so kann ein solcher Hirte nichts mehr sein, als der Teufel selbst; dergleichen aber waren damals die Pharisäer und Schriftgelehrtem und» xetzt sind es der Papst und die Bischöfe (Luther.) sit-«) Die Ernte, die Zahl der zu bearbeitenden Seelen, die in Gottes Reich geführt werden können, ist groß —" das ist erweckendx der Arbeiter, die sich des Seelenheils Anderer ernstlich annehmen, find we- nig ——— das ist beschämend (Heubner.) — f) Wenn der HErr die Jünger auffordert, daß sie den Herrn der Ernte bitten sollten, daß er Arbeiter in seine Ernte sende, so deutet er mit diesem Wort den hohen, anerkannten Werth des Gebets nnd der Ftirbitte an; daß er aus Evangelium Matthäi 10, 1—4. Bitte nnd Fürbitte hin etwas thue, das er sonst nicht thun könne; daß auf Bitte und Fürbitte hin Veranstal- tungen zum Licht und Heil Anderer getroffen und be- schleunigt werden könnten, die, wenn sie ohne das auch nicht ganz ausgeblieben wären, nach der heil. Ordnung des Himmelreichs doch viel später erfolgen würden, und daß überhaupt diejenigen, die aus Gottes Barmherzig- keit des Lichts nnd Heils theilhaftig nnd froh geworden sind, liebend und betend derer gedenken sollten, die noch ohne Christus und also ohne Gott und ohne Hoffnung in der Welt, in der Finsterniß und dem Unheil zurück sind. (Menken.) Ich weiß keinen bessern Rath, denn ein« demüthiges Gebet: alle hohen und niederen Schulen können keinen tiichtigen Lehrer machen, sondern allein der heil. Geist vom Himmel. (Luther.) Das Gebet der Frommen in der Gemeinde ist mächtiger als das äußere Kirchenpatronah (P. Lange.) Statt ,,fende« steht im Grundtext eigentlich ,,ausstoße;« dies zeigt an, daß ein Candidat sich nicht in ein Lehramt soll eindringen, ein- freien, einkaufen und einbetteln, sondern den göttlichen Beruf in Demuth abwarten und sich dagegen tüchtig machen lassen, wozu insonderheit das Gebet zu dem Herrn der Ernte gehört. Es deutet aber auch an, daß an dies schwere Amt Fleisch und Blut, wo es nicht da- bei etwas Jrdisches sucht oder findet, nicht gern kommt. Gott auch solchen Beruf nach seinem und nicht der Ar- · beiter Gutdiinken einrichte (Starke.) Der Mensch wider- steht, ist säumt ; darum bedarf es zu diesem heiligen und schweren erk eines gewaltigen Triebes (Heubner.) Bittet den Herrn der Ernte, daß er Arbeiter in seine Ernte sende —- was heißt das? Das heißt: l) daß er aus euch selbst Arbeiter mache und bilde in seinem Kreise» Z) daß er sonst noch Arbeiter ausrüste für sein Wer, und rechte Arbeiter, in denen Christus eine Gestalt ge- wonnen hat, Männer, nach dem Herzen Gottes; Z) daß die ganze Christenheit die Schuld abtrage, die sie der Mensch- heit fchulder (Fr. Arndt.) Das 10. Kapitel. Von den zwölf Jüngern Christi. 1. Und er [um dieses Aussenden von Arbei- tern in die Ernte seines himmlischen Vaters als der Sohn im Hause des Vaters Kap. 21, 37 f. in vorläufiger Weise sofort auch zu verwirklichen] rief seine zwölf Jünger sdie er schon vor einem. halben Jahr sich erwählt] zu sichxt nnd gab ihnen sdamit sie, wie in der Verkündigung des Eoangelih so auch in der Hilfe des armen Volks sich einmal versuchen könnten] Macht über die unsaubern Geister, daß sie dieselben aus-trieben, und heileten allerlei Seuche nnd allerlei Krankheit« [Kap. 4, 23 f.; 8,.16 f.; 9, 35]. V) Nicht die Wahl, sondern bloß die Aussendnng der Zwölfe wird hier erzählt. (Meyer.) Doch ist diese Berufung zum Apostelamt erst noch eine vorläuftge, durch die Zeitverhältnisfe der Haushaltung Gottes beschränkte; ihre Schranken können erst später fallen mit der Vol- lendung des HErrn, mit seiner Ausfahrt, mit der Vol- lendung ihrer Anschauung von ihm und ihres eugnisfes, und mit der Ausgießung seines Geistes. (P. ange«.) W) Jesus erscheint hier größer und mächtigey als wir ihn in der evangelischen Geschichte, soweit wir sie bisher betrachteten, erblickten; höher, reicher, freier, in einem Die Bitte um» Arbeiter in die Ernte. Maße und einer Weise handelnd, die wir in keines Propheten Leben finden, die nur dem HErrn und dem Sohne des Vaters gebührte. Schon diese zahlreiche Jüngerschaft und diese Auswahl der Zwölf und ihre Ernennung zu seinen Aposteln zeichnet ihn aus vor allen Propheten; noch mehr aber diese Ausrüftung derselben zu ihrer-Gesandtschaft, diese Vkittheilung gött- licher Kraft und Gabe. Die Macht, die in ihm selbst ist, der die Natur stch beugt, der Krankheit und Elend weicht, der die Geister gehorchen müssen, trägt er auf sie über, theilt er ihnen mit; er hat ste nicht nur für sich selbst, er kann sie geben, wem er will. Das Zeug- niß von ihm soll von seinem ersten Beginn an nicht ein leeres Wort der Ueberredung, sondern ein von ihm selbst ausgegangenes, von ihm gesendetes, mit ihm in Ver- bindung stehendes lebendiges Wort sein, ruhend auf Beweisung des Geistes und der Kraft. (Menken.) L. Die Namen aber der zwölf svermöge dieser ihrer Zahl den 12 Stämmen Jsraels entsprechen- den und also für die Gesammtheit des Volks be- stimmten] Apostel «« smd lnach derfemgen Reihenfolge aufgezählt, wie sie nach einander in die engere Gemeinschaft Jesu aufgenommen wurden Kap. 8, 22 Anm.] diese: Der erste Simon, genannt etru»s,I und Andreas, sein Bruderzit Jakobus, ebedai Sohn-i« nnd Johannes, sein Bruders« 3. Pbilippnsi undtbartholomauszs Thomass und Matthaus, der Zollnerzs Jakobus, Jlllphai Sohns Lebt-aus, mit dem Znnamen Thaddanszto · 4. Simonbon Kann« und Judas Jschariotly welcher ihn verrleth12 [Sohn eines sonst nicht näher bekannten Simon Joh. 6, 71; 12, 4; 18, Z. 26]. V) Jitng er, d. i. Schüler, hießen damals die Zwölfe theils wegen ihres« äußerlichen Verhältnisses zu Jesu, der nach Art der damaligen jlidischen Rabbinen (Lehrer) eine Anzahl Schüler immer um sich hatte, theils weil wäh- rend Jesu irdischen Wandels sie vornehmlich von ihm zu lernen hatten. Nach der Ausgießung des heil. Geistes heißen sie nur noch Apostel, und die andern Christen Jünger (z. B. Apostg. 6, 1 f. 6 f.), weil diese von da an in den Zwölfen Jesum selbst hören und in ihnen die untrüglichen Lehrer der Kirche sehen sollten. Jn spätern Zeiten scheint der Name Jünger außer Gebrauch ge- kommen zu sein (Apostg. U, 26); schon in den Episteln kommt er nicht mehr vor, sondern statt dessen Brüder, Gläubige, Heilige, Christen. (v. Gerlach.) Sie kommen hier noch zusammen als seine zwölf auserlesenen Jünger; nach der Machtverleihung sind sie seine zwölf Apostel -— ein Beweis, daß die entscheidendste Veränderung statt- gefunden, obschon sie damit nicht aufhören, seine Jiinger im besondersten Sinne zu sein. (P. Lange) Die Zahl zwölf ist außer allem Zweifel nicht willkürlich, sondern vielmehr in einer inneren Nothwendigkeit der himmli- schen und ewi en Dinge, und also in göttlicher Weisheit begründet. ir finden diese Zahl oft in der ganzen heil. Schrift bei großen und wichtigen Din en, beson- ders solchen, die auf Jsrael, auf das Vol und Reich Gottes Bezug haben (1. Mos. 35, 26 Anm.); und so drängen sich hter einem aufmerksamen, forschenden Leser der Schrift leicht mancherlei Vergleichungen auf, »die mehr oder weniger zur Sache gehören und doch Gewinn für Erkenntniß und Erbauung uns liefern. Denen zu Gefallen, die solche Vergleichungen lieben, mag die fol- gende Parallele zwischen den Patriarcheu und Stämmen Jsraels und den Aposieln hier eine Stelle haben: Wir finden im A. T. zwölf«Patriarchen, leibliche 137 Stammväter des Volkes Gottes; im N. T. zwölf Ap o fiel, geistliche Stammväter des Volkes Gottes. Ein Patriarch, Joseph, schien lange verloren zu sein; ein Apostel, Judas Jscharioth, ging wirklich verloren (doch ist Joseph in anderer Beziehung keineswegs Vorbild des Judas, sondern vielmehr des HErrn Jesu selber, vgl. Atem. zu I. Mos. 37, Z; 41, AS; 45, 8). Für· den Joseph wurden unter die Namen der Stämme zwei andere gesetzt, Man asse und Ephraim; flir den Judas wurden zwei andere Apostel erwählt, Matthias und Paulus. Unter jenen zween bekam der jüngere, Ephrainy den Vorzug vor dem älteren, Manassez unter diesen zween Aposteln scheint der später berufene Paulus in großer Wirksamkeit für das Reich des HErrn nicht nur den Matthias, sondern alle übrigen Apostel tibertroffen -zu haben ( l. Cur. 15, 10). Dadurch, daß für Joseph die zween Stämme Ephraim und Ma- nasse gerechnet wurden, entstanden 13 Stämme, »und doch werden immer nur zwölf genannt, nicht dreizehn; so entstanden auch durch Matthias und Paulus 13 Apostel, und doch werden immer nur zwölf Apostel gezählt, nicht dreizehn. (Menken.) Die Zwölf als Repräsentanten des. geistigen Jsraels (bildlich dargestellt ist dies in Offenb. 2l, 14) sollten unter einander eine vollkommene Einheit bilden; sie mußten sich daher in ihren Anlagen wechselseitig ergänzen und alle verschiedenen Richtungen, die sich später in der Kirche in großen Erscheinungen auseinander legten, im Keime bereits in sich tragen. Nur als Herzenskündiger (Joh. 2, 25) vermochte der HErr einen solchen Körper eng verbundener Gemüther zu grlinden, der dastehen konnte als die ganze geistige Schöpfung, die in’s Dasein gerufen werden sollte, reprä- sentirend Jn ihm selbst war alles in eine heilige Einheit geknüpft; aber wie der Strahl stch spaltet in seine Far- ben, so ging auch das eine Licht, das von Christo aus- strömte, in verschieden modificirtem Glanz in die Herzen seiner Zwölf über. So allein konnten durch diese Ver« mittelung nicht einige Menschen, sondern alle gleichmäßig nach ihren Bedürfnissen und Anlagen durch das Evan- gelium gesättigt werden. (Olshausen.) l) Petrus steht in allen 4Apostelverzeichnissen (vgl. Mark. Z, 16 ff.; Luk. 6, 14 ff.; Apostg. 1, l3) voran, und Matthäus nennt ihn gewiß absichtlich« den »ersten« (Kap. 16, 17 ff. Anm.). Er war der Sohn eines Fischers Jonas zu Bethsaida (an der Westseite des See’s Genezareth) und hieß mit seinem eigentlichen Namen Simon, hatte aber nach des Vaters Tode in Gemeinschaft mit seinem Bruder Andreas das elter- liche Haus zu Kapernaum inne und betrieb mit diesem das Fischergewerbe aus dem galiläischen Meere, wobei er schon frühzeitig in enge Verbindung kam mit den bei- den Söhnen des Zebedäus, Jakobus und Johannes. Während der Bruder zu den entschiedenen Jüngern Jo- hannis des Täufers zählte, gehörte er selber wohl nur dem weiteren Kreise dieser Jünger an, d. i. er war einer jener auserwählten galiläischen Frommen, welche auf die Zukunft des Messias hofften und in Johannes seinen Vorläufer freudig begrüßten, ohne grade beständi dem- selben sich anzuschließen; daher wurde auch ndreas früher mit Jesu bekannt und Petrus erst durch ihn dem neuen Meister zugeführt, von dem er dann alsbald statt des Namens Simon den Namen Kephas, ein Fels, er- hielt (Joh. l, 35—-42). Dies geschah in der Z. Hälfte Februar des J. 27 n. Chr. nnd hatte nun die ett der ersten Nachfolge, welche etwa 10 Monat umfa te, zur Folge; in den ersten 5 Monaten des J. 28 dage en war Petrus, gleichwie die übrigen Jünger, wieder eh selbst überlassen, und in diese Zeit fällt, wie wir zu Kost. 8, 15 angenommen haben, seine Verheirathung. Die zweite Berufung erfolgte Anfang Juni des eben 138 Evangelium Matthäi 10, 4 Annr. angeführten Jahres; ihre Gefchichte ist aus dem Er. am 5. Sonnt. nach Triiiin (Luk. 5, I f.) hinlänglich bekannt. Schon am andern Tage, einem Sabbath, sehen wir Jesum, als er die Schule zu Kapernaum verläßt, bei Simon in seinem Hause einkehren, um ·es in ähnlicher Weise zu seiner Herberge zu» machen, wie Elisa bei der Sunamitin herbergte (2. Kon.»4, 8 ff.; Mark. 1, 2»9; Luk. 4, 38), aber auch an der Haus-Mutter, der Schwies er des Petrus, durch ein großes Zeichen sich verherr- ichen, um fortan selber der Hausherr zu sein (Kap. 8, 14,f.). Etwa ein Vierteljahr später tritt Petrusdurch seine dritte Berufung in »den Kreis der Zwölfe ein; und setzt, nachdem inzwischen ein halbes Jahr verflossen, enipfaiigt er mit den Andern das Apostolatsp Der weiteren Ge- schichte· seines Lebens wollen wir nicht vorgreifen; nur das sei bemerkt, daß gemäß-feinem Namen Simon (·zu- sammengezogene Form für Simon) a»uih·eine wirkliche Sinieonsnatiir (1.Mos. 3·Z, 25 ff.) in ihm steckte — kecker Mut und hurtiges Wagen, mä ti e Willensstärke S und thatkräftige Entschiedenheih und wie nun diese in das Gnadengeschenk heiliger Standhastigkeit ihm verklärt werden sollte, womit er, den Felsen Christus u1nklam- d, ·lber um elsen der Kirche würde das deutete Tilieikin Vberaus zder Fihm · beigelegte Name « Petrus aii. S. Gedgichtiiiljzztagtszfifigleich mit dem des Paulus): 29. a . - . JmZHAiidrecXs ist ein ckitgxiechischek Name Gerad. VI, 126), der so viel als mannhaft, stark bedeutet; ein hebräifcher wird für diesen Apostel ebensowenig wie für Philippus, welches gleichfalls ein griechischer Name (Pferdeliebhaber) ist, angegeben , und nun sind beide in der That diejenigen, deren Vermittelung die Griechen, die Jefum zu sehen begehrten (Joh. 12, 20 ff.), in An· spruch nahmen. Die früheren Lebensumstände des An- dreas ergeben sich aus dem, waswon Petrus gesagt worden; im Kreise der Apostel schließt er sich den drei Hauptaposteln (Snnon Petrus, Jakobus I. und Johan- nes Kap. 17, l; 26, Si; Mark. 5, 37) als vierter an (Mark. 13, 3), wird aber sonst, außer der oben angeführ- ten Stelle, nur einmal noch, nnd zwar wieder in Ver- bindiing mit Philippus (Joh. 6, 5——8), erwähnt »und tritt in der Apostelgeschichte ganz zurück. Von seinen päteren Thaten und Schicksalen haben stch nur unbe- timmte Sagen erhalten; nach der ältesten soll er in Scythien gewirkt haben, daher die Russen ihn als ihren Apostel verehren, nach Andern soll er in Griechenland, später in Kleinasien und Thracien thätig gewesen und zuletzt zu Paträ in Achaja mittelst eines schrägen Kreu- zes (Kqp. 27, 31 AnmJ gekreuzigt worden sein. Am Kreuze habe er noch drei Tage gelebt und Christum Fieudigbbekagntn cfssedächtiiißtag fällt auf den 30sten v a . oiiselnsiikidbiios Zum Unterschied von dem Sohne des Alphäus (Nr. 9) der Aeltere oder I. genannt, gehort mit Simon Petrus und seinem Bruder Johannes (Nr. 4) zu den vertrautesten Jüngern des Hcssrrn (Kap.»17,·1 Anm.). Während der Vater Zebedaus ausdrucklich hier genannt wird und dann öfters die beiden als »Kinder Zebedäi« bezeichnet werden, ergiebt sich aus Vergleichung der beiden Stellen: tt « 27 56. UnEerZJelZenFVarMHiriaMa g: . . . unter welchen ivarMaria dalena, und Maria, die Magdalena, und Maria, Mutter Jacobi und Joses, und des kleinen Jakobus und Joses dieMutterderKinderZebedäi Mutter, und Salome. daß die Mutter Salome hieß. Wenn nun die kirch· liche Sage diese Salome halt-»für eine Tochter Jofephs, des Pflegevaters Jesu, aus seiner ersten Ehe, bald für feine« Gattin, mit welcher er zwei Tochter erzeugt habe, Mark. 15, 40. bald für eine Bruderstochter des Priesters Zachariaz Vaters Johannis des Täufers (Luk. l, 5 ff.) ausgiebtz so sind das eben Legenden, von denen die beiden ersten sich sofort als Verirrung der christlichen Sagenbildung zu erkennen geben, die dritte aber auch nicht den gering- sten Anhalt in der Bibel selber hat. Aus der dritten Stelle dagegen: Seh. 19, 25. Es stund aber bei dem Kreuze Jesn seine Mutter, und seiner Mutter Schwester, Maria, Kleophas Weib, und Maria Ma g d a le n a. zieht man neuerdings vielfach den Schluß, Salome sei eine Schwester der Maria, der Mutter Jesu, gewesen, indem man die Stelle so verstand, als sei darin von vier Frauen die Rede: l) die Mutter Jesu (Maria), 2) feiner Mutter Schwester (Salome), Z) Maria, Eteo- phas Weib, 4) Maria Magdalena; man wollte dann aus diesem angeblichen nahen Verwandschaftsverhältiiiß der Salome mit Jesu, als die seine Tante gewesen, einen Erklärungsgrund für ihre Bitte in Kap. 20, 20 ff. gewinnen. Indessen wird seiner Zeit sich noch ein ganz anderer, näher liegender Erklärungsgrund dafür ermit- teln lassen; was aber die obi en 3 Stellen betrifft, so kommt es sämmtlichen Evangelisten vielmehr darauf an, von den vielen Weibern, die bei dem Kreuze Jesu stuns den, ihrer je drei namhaft zu machen. Da hat nun St. Johannes, gleichwie er seinen eigenen Namen zu verschweigen pflegt, auch den seiner Mutter weggelassen und um so mehr die Mutter des HErrn dafür angeführt, als auf diese bei der gleich daraus olgendeii Verhand- lung mit ihm (V. 26 f.) es hauptsä lich ankam, wäh- rend die Erwähnung seiner eigenen Muttter noch einer erläuternden Bemerkung bedurft hätte, die er vermeiden wollte; den beiden andern Evangelisten dagegen schien die Anwesenheit der Mutter Jesu sich von selbst zu ver· stehen, sie nannten dafür die Mutter der Söhne Zebedlii die Salome. Von ihrem Gatten, dem Zebedäus, wissen wir nichts Nähere-s; doch läßt sich aus mehreren An- zeichen schließen, daß er das würdige Haupt einer wohl- habenden, angesehenen und frommen Fischerfamilie zu Bethsaida war und mit dieser in Beziehungen zu dem hohenpriesterlichen Hause in Jerusalem stund (Joh. 18, 15), nicht sowohl in verwandtschaftlichem als in religiö- fen und eschäftlichen Beziehungen, nahe gelegt dadurch, daß die amilie dort ein Besitzthuin hatte, welches her- nach dem Johannes zuftel (Joh.19, 27). Daß sich der Sinn des Zebedäus nicht über die Sorge um das Jri difche erhoben habe, ist zuviel aus dem Umstande gefol- gert, daß er bei seinem Fischernetz blieb; im Gegentheil gehörte die Familie durchweg zu denen, welche, in wah- rer israelitischer Frömmigkeit mit dem alten Tesiamente vertraut, damals in gesteigerter Hoffnung auf die Er« fcheinung des Mefstas lebten (Luk. 2, 38). Der Vater setzte daher auch kein Hindernis; entgegen, daß seine wei Söhne zuerst Jünger des Täufers wurden (Joh. 1, 3 ff.) und hernachmals in die beständige Nachfolge Jesu ein- traten (Kap. 4, 21 f.); wie es aber scheint, starb er gegen Ende der galiläischen Wirksamkeit Jefu, und nun wurde seine Wittwe Salome eine von den dienenden Frauen (Luk. S, 2 f.; Mark. 14, 40 f.) und bewährte sich da als eine begeisterte, treue, aufopferungsfreudige Anhängerin des HErrn. Allem Anschein nach war Ja- kobus er ältere Sohn; er ist der erste von den Zwöl- fen, der den Märtyrertod (im J. 44 n. Chr.) erlitten SApoftg. 12, I .), und gedenkt die Kirche seiner an: · 5. Juli (Kap. 0, 20 . 4) oljanned verhielt fich zuerst gegen den Täufer— gerade o, wie nachher gegen Christum: or faßte die Die Namen der 12 Apostel. 139 tiefste Seite in der Predigt des Täufers auf, die den andern Jüngern mehr verborgen blieb; während daher die 3 ersten Evangelisten über die Bußpredigt des Täu- fers berichten und nur ganz kurz die Bemerkung bei- fügen, daß er auch auf den kommenden Messias hinge- wiesen habe, erfaßt Johannes diese letztere Seite als den Centralpunkt des Wirkens des Täufers und hat die prophetischen Reden desselben über Christi Wesen und Leiden behalten und aufbehalten. Mit gleicher Willens- eutschiedenheit nun, wie er an den Täufer sich ange- schlossen und der Forderung desselben entsprechend aller Gemeinschaft mit der Finsternis; für immer entsagt hatte, schloß er sich an Jesum an, sobald der Täufer auf diesen hingewiesen; und da bewährt er sich denn als eine stille sinnige Natur mit vorwaltender Receptiviiät (Aufge- fchlossenheit zur Empfangnahme). Jedes Wort seines geliebten Meisters, welches seinem Herzen Aufschluß giebt über das von ihm geahnte Mysteriuin (heilige Geheim- niß), ergreift er in tiefster Seele, hält es fest und er- wägt es, selig sich versenkend in die Betrachtung der Herrlichkeit des Meuschenfohnes; bei allem, was Christus redet oder thut, faßt er nicht die zur Handlung drängen- den Momente auf, daß er sich fragte: was muß ich nun thun? soll ich schnell Hütten bauen auf dem Berge der Verklärungii soll ich nicht das Schwert ziehen gegen Malchus? sondern fern von dem Dran e des Handelns und der Mitthätigkeit, liebt er das rugige Veobachtem was thut Er? wie redet Er? wie nimmt Er sich? nnd ist in das sinnend-e, liebende Anschaun Jesu verloren, wie eine Braut in das Anfchaun des Bräutigams Da- raus erklärt es sich, daß in der Seele und dem Gedächt- uiß dieses Jüngers jeder feinste Hauch des Wesens und des Gebahrens Christi sich so unvermischt und hell er- halten hat, ja ganze Unterredungen des HCrrn mit Ge nern und mit Freunden bis in’s Einzelnste ihm wiigtig waren und blieben. Jene ganz eigenthümliche Zagen und Herrlichkeit Christi, wie sie im Evangelio o annis sich darstellt, blieb ganz gewiß auch den an- dern Jüngern nicht verborgen, aber nur Johannes war fähig, sie darstellend zu reproducirem jeder Mensch kann den zarten Duft eines im Abendroth erglühenden Alpen- ebirges sehen, aber nicht jeder ist im Stande, den- sgelben zu malen. Johannes hatte diese Natur eines lebendigen Spiegel-z, der den vollen Glanz des HErrn nicht blos aufnahm, sondern auch wiederzustrahlen ver- mochte; uud so wird es niemand befremden, daß ihn Jesus vorzugsweise zum persönlichen Freunde erwählte und er an des Meisters Brust liegen durfte. ,,Gleich- wie das Sonnenlicht die Züge deines Antlitzes auf eine Silberplatte sammelt, die zum Einsaugen des Lichtes empfänglich gemacht wurde, so ist das Herz des Jüngers, den Jesus lieb hatte, zubereitet worden, das Lichtbild der Herrlichkeit des Sohnes und Lammes Gottes in sich aufzunehmen, und dessen Züge wiederum in die Herzen der Gläubigen einstrahlen zu lassen« Gedächtuißtag: 27. Dezember (Joh. 21, 20 ss.) Z) Philippus dessen wir schon bei Nr. 2 gelegent- lich edachten und dessen Charakter in der Anm. zu Kaki. 8, 2« im Allgemeinen angegeben wurde, tritt außer« in Joh. I, 43 f.; S, 5 ff.; 12, 20ff.auch in Joh.14, 8 ff. noch einmal hervor; man darf ihn nicht mit dem Dia- konen oder Evangelisten Philippus in Apostelg 6, 5; 8, 26 ff.; 21, 8 f. verwechseln, wie die Legende thut, wenn sie von ihm berichtet, er sei verheirathet gewesen und habe vier Töchter gehabt. Er soll in Phrygien Fe- wirkt haben und zu Hierapolis in hohem Alter gestor en sein; sein Gedächtnißtag fällt mit dem des Jakobus II. zusammen auf den l. Mai. (Joh. 14, I ff.) S) Vartholvmiius (Nathanael Joh. I, 45 ff.; 21, 2), aus Kana in Galiläa gebürtig, kommt außer in den Apostelverzeichnissen sonst nicht vor. Er soll das Evan- gelium in Jndien (worunter aber wahrscheinlich das glückliche Arabien zu verstehen ist) Verkündigt haben, dort lebendig geschunden und hierauf in verkehrter Stel- lung gekreuzigt worden sein. Sein Tag fällt auf den 24. August (Luk. 22, 24 ff.). 7) Thomas, der da heißet Zwilling (Didhmus: Joh. l1, 16; 14, Z; 20, 24 ff.; 21, 2), ist von uns mit P. Lange für den in Kuh. 8, 21 f. seinem Namen nach nicht angegebenen Jünger erklärt und bereits charakterisirt worden. Auch über ihn find sonst nur Sagen bekannt; darnach soll er in Persien (Parthien) und Jndien gepredigt haben, ohne daß sein Märtyrer- tod bestimmt behauptet würde. An der Küste von Ma- labar finden sich noch zahlreiche Thomaschristem welche ihren Ursprung von ihm herleiten, aber freilich in christs licher Erkenntnis; uud geistlichem Leben den apostolischen Gemeinden nicht mehr ähnlich sind. Gedächtnißtagx den 21. Desxnber »(Joh. 20, 24 ff.) 8) atthiiuik vgl. Kap. I, 9 ff. (21.Septeniber). Von feiner apostolischen Wirksamkeit haben sich nur un— bestimmte Nachrichten erhalten, die ihm seinen spätern Wirkungskreis in Antiochien zuschreiben; wichtiger ist er für uns besonders als Verfasser des ersten Evangeliums, über welches wir seiner Zeit handeln werden. I) Jakobus der Jüngere oder der II. Wie er an unserer Stelle· als ein Sohn des Alphäus (wofür in· Joh. 19, 25 die Form: ,,Kleophas« steht) bezeichnet wird, so wird uns in Kaxx 27, 56 (vgl. Mark. 15, 40; 16, I) als seine Mutter eine Maria genannt, die in Joh. 1s), 25 nach unserer Auffassung der Stelle (vgl. zu Nr. Z) die Schwester der Mutter Jesu heißt. Da nun in Kaix 27, 56 zugleich ein Bruder von ihm mit Namen Joses angegeben, in Kap. 13, 55 (Mark. S, Z) aber 4 Brüder des HErrnt ,,Jakobus, Joses, Simon und Judas« an- geführt werden, so haben wir zu Kap. 2, 23 Blum. uns« zu der Ansicht bekannt, der Apostel Jakobus II., Alphäi Sohn, sei eine und dieselbe Person mit jenem Jakobus, der in Gal. J, 19 als Bruder des HErrn bezeichnet und auf gleiche Rangstufe mit den Aposteln gestellt wird. Die gegentheilige Ansicht dagegen macht aus dem eben Genanntem dem Bruder des HErrn, einen Jakobus III« Während des Lebens Jesu sei derselbe ungläubig gewe- sen (Joh. 7, 2 ff.), in Folge der Kunde von seiner Auf-» erstehung aber, welche Jesus seinen Brüdern noch be- sonders zu hinterbringen befahl (Joh.20, 17), und noch« mehr in Folge der ausdrücklichen Erscheinung des Aus»- erstandenen, die dem Jakobus zu Theil wurde (1· Cur;- 15, 7), trat dieser in die Reihe der Jünger ein (Apostg. I, I4) und nahm mit der Zeit eine hervorragende Stellung in der Gemeinde zu Jerusalem ein (Apostg. 12, I7; 15, 13 ff; 21, 18 ff.; Gal. 2, I. 12). Wegen seines reinen, gefetzesstrengen Wandels nannte man ihn den Gerechten; als ein ächter Nasiräer genoß er, wie er- zählt wird, das Vorrecht, jederzeit in priesterlicher Klei- dung in den Tempel zu gehen, was er, von inniger Liebe zu seinem Volke erfüllt, dazu benutzte, um— oft allein im Heiligthum sich auf sein Angesicht niederzu- werfen und um Vergebung für die Sünden seines Vol- kes zu flehen, daher er auch für dessen Schutzmauer an- gesehen wurde. m Frühjahr 62 n. Chr. aber, als nach dem Tode des andpflegers Zestus dessen Nachfolger Albinus in Paläftina noch ni t eingetroffen war, e« nutzte der sadducäisch gesinnte Hohepriester Hannas II. die ihm einstweilen zu Gebote stehende Macht, um des Jakobus als eines Abtrünnigen vom Gesetz sich zu be- mächtigen, ließ ihn von der Zinne des Tempels herab« stürzen und zuletzt mit Keulen erschlagen (Kap. 4, 7. Anm.·ll.). »Von ihm ist ohne Zweifel der Brief St. Jakob» der in unsrer deutschen Bibel auf die Epistel an 140 Evangelium Matthäi 10, ,5 ——7. die-Hebräer folgt. So scheinbar nun aber auch die Be- gründung dieser Ansicht von einem Jakobus III. durch die Stellen Joh. 7, 2 ff.; l. Cor- 15, 7 n. Apostg. 1 14 ist, so bestimmt wird sie durch die andern Stellen Apostg. 12, 17; 15, 13 ff.; 21, 18 ff. u. Gar. 1, 19; L, 9. 12 widerlegt. Nachdem nämlich St. Lukas in Apostg. l, 13 unter den 12 Aposteln einen Jakobus I. und Jakobus II. ausgeführt, dann in 12, 17 von der Hinrichtung des Jakobus l. berichtet hat, kann doch un- möglich schon von 12, 17 an so mir nichts dir nichts auf einmal ein Jakobus III. verstanden werden, von dem bisher kein Wort gesagt worden ist; daraus, daß der heil. Schriftsteller fortan schlechtweg Jakobus schreibt, während er noch in 12, 2 geschrieben hat: ,,Jakobus, Johannis Bruder,« eht vielmehr unzweideutig hervor, daß er von einem Ja obus III. nichts weiß. Hätte er·den ,,Vruder des HErrii« von »Alphäus Sohn« unterscheidexi wollen, so hätte er irgendwie dafür sorgen müssen, daß auch seine Leser beide von einander unterscheiden könnten; er hat aber nicht einmal da, wo die beiden andern Evan- gelisten von den Brüdern des HErrn reden und ihre Namen anführen (Matth. 13, 55; Mark. 6, 3), an der parallelen Stelle seines Evangelii (4, 22) ihrer auch nur mit einem Worte erwähnt. Und nun ist auch das, was St. Paulus in Gal. 1, 19 sagt, so deutlich ans einen Apostel gemeint, daß man die Worte ein wenig verdrehen muß, um den Sinn herauszubringen, daß hier unter dem Bruder des HErrn ein Nichtapostel zu verstehen sei. Man lasse also diesen vermeintlichen Ja- kobus 1II. in seiner Unterscheidung von Jakobus lI. als bloße Erfindung fahren und beziehe das, was oben von jenem erzählt worden ist, auf diesen; wir werden ja sehen, daß mit der Ansicht, Jakobus, Alphäi Sohn, einer von den Zwölfen, sei kein anderer als Jakobus, der Bruder des HErrm mit dem Beinamen der Gerechte, die Stelle Joh. 7, 2 ss. sich gar wohl verträgt. Ueber den Gedenktag Jakobi» II s. zu Nr. 5. · · « 10) Lebbauh d. i. der Beherzte, mit einem andern, ziemlich dasselbe bedeutenden Namen Thaddäus (der Gewaltige Kap. 5, I Anm.) heißend (Mark. Z, 18), wird von Lukas (Ev. 6, 16; Apostg.1, 13) Judas Jakobi enannt; darunter haben wir ohne Zweifel des unter sit. 9 genannten Jakobus Bruder zu verstehen, der also ebenfalls ein Bruder des HErrn wäre, und in der That wird von den in Kap. 13, 55; Mark. 6, 3 ausgeführten Brüdern Jesu auch ein Judas genannt. Als einen Bruder Jakobi, zugleich aber als Knecht Jesu Christi, bezeichnet sich denn auch« der Verfasser der Epistel St. Judä (V. l). Jndessen wird von vielen Gelehrten bestritten, daß beide, der Apostel Judas Jakobi und der Epistelschreibey ein und dieselbe Person bezeichnetem leh- terer scheine vielmehr »in V. 17 f. sich ausdrücklich von den Aposteln unterscheiden zu wollen und in V. 1 seine Auctorität davon herzuleiten, daß er des Apostels Ja- kobus Bruder war, bei dem Apostel Judas Jakobi aber müsse man das Wort ,,Sohn«· ergänzen: Judas (eiu Sohn) Jakobi (so auch Luther in Luk. 6,» 16; in Apostg. I, 13 dagegen hat er blos: Judas Jakobi). Nun mußte man bei Unterscheidung der beiden auch die Unterschei- dun von Jakobus, Alphäi Sohn, und Jakobus, deni Bru er des HErrn, wieder aufnehmen, die wir unter Nr. 9 als unzulässig nachgewiesen haben; denn was sollte das für einen Sinn haben: Jakobus, Bruder (d. i. Vetter) des HErrn einerseits, und Judas, Bru- der des—Jakobus, des Vetters Jesu andererseits, und doch dabei Jakobus, Alphäi Sohn einerseits, und Judas, Jakobi Sohn aUdrerseitsP würden nicht diese Bestim- mnn en sich gegenseitig aufheben? Wir können also auf die egenqründe egen die oben von uns ausgesprochene Angabe über den postel Judas, daß er mit dem Episteb schreiber Judas dieselbe Person sei, kein Gewicht legen: in V. 17 f. konnte der Epistelschreiber recht wohl auf die Apostel als eine Gesammtheit hinweisen, auch wenn er für seine Person selber zu den Aposteln ge- hörte (er sieht eben hier von seiner persönlichen Stellung ganz ab und beruft sich auf die Auctorität des Colle- giums); und der Ausdruck: ,,Judas Jakobi« in dem Sinne von »Judas (Bruder) Jakobi« erklärt sich ein- fach daraus, daß Alphäus schon einmal als Vater des Jakobus genannt und schon lange verstorben war, daher nicht noch einmal angeführt werden sollte, dagegen hatte Jakobus ein so hohes Ansehen in der Kirche erlangt (Gal. Z, 9), daß eine Bezeichnung des Verwandtschaft-s- verhältnisses zu ihm diesen Judas am besten von Ju- das dem Verräther, der in Luk. S, 16 unmittelbar auf ihn folgt und in Apostg. l, 13 ebenfalls folgen würde, wenn derselbe dazumal nicht bereits von seinem Apostel- amt wäre abgewichen gewesen, unterschied (nicht ein Geistesverwandter seines Namensvetters Judas, sondern vielmehr seines Bruders, des gerechten Jakobus, ist er gewesen). Judas Jakobi (Lebbäus oder Thaddäus) soll in Arabien, Syrien und Mesopotamien gepredigt haben und in Edessa oder Beiruth gestorben sein; anderwärts wird von ihm der Märtyrertod behauptet. Sein Ge- dächtnißtag fällt mit dem des folgenden Apostels auf den 28. Oktober (Joh. 15, 17 fs.). 11) Simon führte im Hebräischen den Beinamen »Kaneani,« was in Luk. 6, 15; Apostg. I, 13 für grie- chische Leser richtig durch »Zelotes« d. i. Eiferer wieder- gegeben wird, aber frühzeitig von Abschreibern an unsrer— Stelle und in Mark. B, 18., wo das hebräische Wort beibehalten ist, dahin mißverstanden wurde, als sollte ein Herkunftsort damit bezeichnet werden, daher man für Kaneani bald schrieb Kananites bald Kananaios (der Kananite oder Kananäer); Luther hat dann dies durch »von Kam« wiedergegeben, als wäre Simon ein Landsman des Nathanael (Joh. U, Z) oder Bartholo- mäus (Nr. S) gewesen. Er gehörte vielmehr dem Or- den der sog. Zeloten oder Gesetzeseiserer an, welche nach dem Beispiel des Pinehas (4. Mos. 25, 7 fs.) die Ver- letzungen des Gesetzes rächen wollten und hernach im letzten jüdischen Kriege eine so große Rolle spielten. Zu Kap. 5, I Anm. wurde schon angedeutet, daß wir ihn, ebenfalls, wie die beiden vorigen Apostel, für einen von den Brüdern des HErrn (Kap. 13, 55; Mark. 6, Z) halten; so erklärt sich am besten, wie zwar von den Aposteln unter Nr. 1—8 die Geschichte ihrer früheren Berufung zur Nachfolge Jesu, bevor sie in den Kreis der Zwölfe aufgenommen wurden, berichtet, von denen unter Nr. 9——11 aber gar nichts gesagt wird, wie sie zuerst mit dem HErrn in nähere Berührung gekommen sind. Sie standen eben von Haus aus als seine Brü- der in dem zu Kap. 2, 23 erläuterten Sinne schon in einem engen Verhältnisse zu ihm, er war gleichfam auf sie angewiesen und konnte schon bei ihrer Empfäng- lichkeit für den Glauben an ihn, der aus Joh. 20, 7 u. Apostg.1, 14 deutlich erhellt, und bei ihrer Erziehung durch eine fromme, empfängliche Mutter (Kap. 27, 56) sich von selber nahe legt, nicht an ihnen vorübergehen; wenn sie aber in anderer Hinsicht freilich auch noch für ungläubig gelten mußten (Joh. 7, 2 fs.), so mußte er bei ihrer Aufnahme in den Apostelkreis das mit in den Kauf nehmen, wie er ja ein gewisses Maß des Un- glaubens bei allen Zwölf stch gefallen lassen mußte. Wie wenig aber das Verwandtschaftsverhältniß der drei als solches den Ausschlag gab, so daß er ihnen etwa einen besonderen Vorzug vor andern eingeräumt hätte, zeigt sich einestheils darin, daß diese Brüder des HErrn in allen vier Apoftelverzeichnissen nicht in die erste, nicht einmal in die zweite, sondern erst in die dritte Klasse Die Aussendung und Ausrüstung der zwölf Apostel. 141 gestellt werden, was ohne Zweifel auf eine von Jesu selbst begründete Rangordnung zurückweistz anderntheils aber anch darin, daß die vierte Stelle in dieser dritten Klasse nicht mit dem vierten Bruder Joses, sondern mit einem Fremden (Nr. 12) besetzt worden ist. Haben wir Recht mit unsrer Annahme, die wir hier näher ent- wickelt haben, so dürfen wir wohl auch weiter schlie- ßen, daß das oben angedeutete Mißverständnis; hinsicht- lich des Beinamens des Simon kein bloßer Mißgriff ist, sondern daß ihm etwas Wahres zu Grunde liegt. Viel- leicht verhält es sich ganz richtig so, daß Alphäus, der Bruder des Joseph, mit seinem Weibe Maria, so lange ier noch lebte, zu Kana in Galiläa wohnte und dort die vier Söhne und die ungenannten Töchter zeugte; es würde sich daraus erklären, wie nun wiederum Maria, die Mutter des HErrn, mit diesem ihrem Sohne zu sKana in Galiläa ein befreundetes Haus hatte, noch ehe Jesus seine Herrlichkeit geoffenbart (Joh. 2, 1 ff.), und warum in Joh. 2l, 2 Nathanael nicht nach seinem an- dern Namen, sondern nach seiner Herkunft bezeichnet wird. Wir wollen- uns also Lutherss Uebersetzung: ,,Simon von Kam« gern gefallen lassen, ohne einer vor- schnellen Aenderung uns schuldig zu machen. Die kirch- liche Sage über die späteren Schicksale des Simon und seinen Wirkungskreis giebt sehr von einander abweichende Nachrichten; nicht mit Unrecht ist sein Gedächtnißtag mit dem des Judas (Nr. 10) auf ein und dasselbe Da- tum verlegt. 12) Judas Jfcharioth: wir können weder diejenige Erklärung des Veinamens ,,Jscharioth« für richtig halten, welche ihn ,,Mann von Jsaschar,« noch die, welche ihn ,,Mann ·der Lügen« übersetzt, sondern Judas ist damit als »der Mann von Karioth,« einem Städtchen in Juda, bezeichnet (2. Sam. 15, 31 Anm.); auf die Frage aber, wie Jesus daraus kam, auch diesen Mann unter die Zwölfe auszunehmen, da er doch gewiß vorauswußte daß derselbe an ihm zum Verräther werden würde, läßt sich erst antworten, wenn wir uns klar gemacht haben, wie Jesus zu dem Manne selber kam. Nach unsern Auseinandersetzungeu zu Nr. 11 hätte der HErr leicht die zwölfte Stelle seines Jiingerkreises mit seinem anderweitigen Bruder Joses ausfülletc können; da Joses ohne Zweifelhernach anch der christlichen Gemeinde an- gehörte, wie ans seiner Erwähnung in Kap. 27, 56; Mark. 15, W. 47 und aus Apostg. i, 14 hervorgeht, so hätte er, wenn er das gethan, hernach nicht über das ,,verlorene Kind« (Joh. 17, I2) klagen dürfen —- doch, wie würde da die Schrift erfüllet worden sein? Es mußte ja also gehen; und gerade darum, so möchten wir behaupten, weil die zwölfte Stelle die des Verräthers war, hat der HErr von seinem vierten Bruder Joses Abstand genommen. Die Sache liegt aber auch noch anders. Mit dem Hause der Zwölfe will Jesus das Haus Jakobs in seinen 12 Stämmen darstellen, will er zugleich die ganze Zukunft seiner Kirche in allen nur möglichen Jndividualitäteii und Geisteseigenthümlichkeiten vorbilden; jede einzelne Anlage und Entwickelung, jeder besondere Character soll darin vertreten sein. Halten wir dies fest, so läßt stch weiter behaupten, für die zwölfte Stelle war Joses überhaupt nicht mehr der ge- eignete Mann, einestheils weil er ebenfalls ein Galiläer war, anderntheils weil seine Geistesanlage und Character- "ei enthümlichkeit sich schon in irgend einem von den ü rigen Aposteln hinlänglich vertreten fand; für diese Stelle gehörte vielmehr einer, der seinem ursprünglichen Herkommen nach ein Judäer war, damit auch Juda in dem Hause Jesu seinen Repräsentanten habe, und einer, indem das— Denkvermögen in eminentem Grade ange- legt nnd ausgebildet war, damit auch diese Geistes- eigenthümlichkeit in der vorbildlichen Kirche eine Stätte finde. Durch die Fügung Gottes, seines himmlischen Vaters, sah der HErr nun den Judas (wir wissen nicht, woher, und wissen nicht, auf welchem Wege) sich zuge- führt; er erkannte um so klarer, daß gerade dieser sein Verräther werden würde, weil emestheils des Verräther-z Vorbild Ahitophel auf Jndäa wies und des Judas Name nnr gar zu sehr an Judä Wort in 1. Mos 37, 27 erinnerte und der unglänbigen Juden Art, die bis auf den heutigen Tag im Gelde wühlen, vorbedeutete, und weil anderntheils des Judas Eigenthümlichkeit und Gemüthsrichtung die Anlage in sich trug, ein Kind des Teufels zu werden, wie ja noch immer eminente Geister am meisten in Gefahr stehen, am Glauben Schiffbruch zu leiden, und der künftige Antichrist gewiß einmal durch eminente Verstandesüberlegenheit es dahin bringen wird, zum Menscher( der Sünde und zum Kinde des Verder- bens (2. Thess 2, 3) sich anszubilden Jndessen der HErr unterwarf sich auch in diesem Stücke der Leitung seines himmlischen Vaters, und wir können uns wohl denken, von welchen Gefühlen und Empfindungen sein Herz mag bewegt gewesen sein bei dem Nachtge et, mit welchem er sich zur Apostelwahl vorbereitete; schon da heißt es bei ihm: »Mein Vater, ist’s möglich, so gehe ieser Kelch von mir; doch nicht wie ich will, sondern wie du willst.« Und daß er hernach dem Judas die Kasse anvertrauen, an der dessen Anlage sich zur Teufelsnatur entwickelte, findet seine Erklärung in dem, was Lampe sagt: »Es gehört zu den anbetenswürdigen Wegen der göttlichen Vorsehung in Bezug aus die Siinde, daß die Sünder in Umstände versetzt werden, in denen ihre Bosheit hervorbrechen muß;« die Criminals geschichten bieten zu diesem Satze die mannigfachsten Belege. Nur Eins sei hier noch bemerkt: das hernach durch des Judas Untergang erledigte Apostelamt spaltet sich in zwet Aemter, in das des Matthias und in das des Paulus. Es läßt wohl sich voraussehen, daß der Erstere von Haus aus ein Judäer war, wenn er auch ein Augen- und Ohrenzeuge der Werke und Worte Christi von der Taufe Johannis an bis zur Himmel- fahrt (Apostg. I, 22) gewesen war; ja, vielleicht ent- schied eben darum das Loos für ihn und nicht für den andern, es sollte eben die Judäer-Eigenschaft durch Matthias ersetzt werden. Dagegen fand die Begabung mit einem vorzüglichen Denkvermögen nnd mit einer ausgezeichneten Geistesbildung einige Jahre später in Paulus ihren Ersatz. Dieser ist dann der lebendige Beweis geworden, daß anch die großen Geister, die tiefen Denker, die Genie’s unter den Menschenkindern an Christo ihren Meister finden und recht wohl demüthige Schüler zu seinen Füßen werden können, ohne ihre Gaben nnd Kräfte verleugnen zu müssen. Z. Diese zwölf sandte Jesus sie zween und zween Mark. S, 7], gebot ihnen und sprach sin- dem er theils für ihre jetzige Sendung besondere, theils für ihre künftige Wirksamkeit allgemeine Ver: haltungsregeln ihnen ertheilte]: Gehet lsür dies Mal und solange überhaupt die rechte Zeit dazu noch nicht gekommen] nicht auf der Heiden Straße, und ziehet nicht in der Samariter Städte; S. Sondern gehet hin zu den verlernen Schafen aus dem Hause Jsraels [Kap. 15, 24]. 7. Gebet aber lwas den Jnhalt eurer Ver- klindigung anlccngt], und prediget und sprechetj Das Himmelreich ist nahe herbei kommen [Kap. s, e; 4, 17J. 142 Evangelium Matthäi 10, 8.—41. 8. Machet die Kranken gesund, reiniget die Aussci igen, weclet die Todten auf, treibei die Teufe aus. Umsonst habt ihr es ssowohl das Heil, das ihr verküiidigen sollt, als die Hilfe, die ihr bringen dürft] empfangen, umsonst gebt es auch. 9. Ihr sollt nicht Gold, noch Silber, noch Erz [Kupfermtiuze] in euren Gürteln [Gürtelbörsen] h en, . 10. Auch keine Tasche zur Wegfahrt, auch nicht zween Röcke, keine Schuhe, auch keinen Steclen sals müßtet ihr euch selbst versorgen und wider etwaigen Mangel vorsehen, vielmehr wird das, was bei Ausrichtung eures Amtes ihr an zeitlichen Dingen bedürfet, zur rechten Zeit euch schon von selbst zufallen]. Denn ein Arbeiter ist seiner Speise [desfen, was zu seinem Unterhalt gehört] werth fund wird ihm das durch Gottes Vorsehung auch zu Theil werden]. 11. Wo ihr aber in eine Stadt oder Markt Izunächst des isrcielitischeu Gebiete V. S] gehet, da erkundigei euch sforschet nach diesen und jenen Merkmalen, daraus ihr abnehmen könnet], ob je- mand darinnen sei, der es werth ist sdaß ihr bei ihm herberget]; und bei demselben bleibet, bis ihr von dannen ziehet. s 12. Wo ihr aber in ein Haus gehet [in das Haus eines solchen eiutretet, den ihr für einen Würdigen haltet], » so grüßet dasselbige fmit dem üblichen ·Grußwort: Friede sei mit euch! Luk. 10, is; Joh 2o, 19]. 1Z. Und so es dasselbige Haus werth ist sdaß ihr daselbst bleibet], wird euer Friede auf sie kom- men. Jst es aber nicht werth, so wird sich euer Friede [ohne etwas zu wirken Jes. 55, II] wieder zu euch wenden [also daß ihr nicht mit dem Ge- fühl weiter ziehen müßt, ihr hättet dem Wort in Kund. 7, 6 zuwider gehandelt] 14. Und wo euch jemand nicht sein Haus oder eine Stadt in keiner einzigen Person] anneh- men wird, noch eure Rede hören; so gehet heraus von demselbigen Hause oder Stadt, und schüttelt seuch völlig von aller Gemeinschaft mit ihnen, wie auch von jeder weiteren Verpftichtung gegen sie lossagend] den Staub von euren Füßen [Apostg. 13, 51; 18, 6]. 15. Wahrlich, ich sage euch: Dem Lande der Sodomer und Gouiorrer wird es ertraglicher er- gehen am jüngsten Gericht [Kap. 11, 24], denn solcher Stadt [von der ihr in dieser Weise euch habt lossagen müssen]. 16. Siehe, fes sind aber nicht blos Abwei- sungen, auf die ihr euch gefaßt machen müßt, son- dern sogar die schrecklichsten Verfolgungen; denn] ich sende euch [wenn auch noch nicht bei diesem erstmaligen Versuch apostolisclyer Thätigkeit, so doch in euerm künftigen Amte] wie Schafe iniiien unter die Wölfe; darum seid klug, wie die Schlangen, und ohne Falsch, wie die Tauben [Rom. 16, 19]· l7. Hiiiet euch aber svermöge der eben euch empfohlenen Schlangenklugheit, jedoch so, daß ihr die Taubeneinfalt dabei nicht außer Acht lasset] bot: den Menschen; denn sie werden euch überantworten vor ihre Rathhiiusey und werden euch geißeln in ihren Schulen sden Synagogen T. Cur. II, 24]. 18. Und man wird euch vor Fürsten [Land- pfleger u. dgl] und Könige führen um meinet willen [Apostg. 24—2a], zum Zeugnis über sie [die Juden] und über die Heiden. , II. Wenn sie euch nun überantworten svor Gericht .stellen] werden, so sorget nicht, wie oder was ihr reden sollt; denn es soll euch zu der Stunde gegeben werden, was ihr reden sollt. 20. Denn ihr seid es jin eurem apostolischen Berufe überhaupt] nicht, die da reden, sondern euers Vaters Geist ist es, der durch euch redet [und dieser Geist wird auch bei der Verantwortung vor Gericht mit euch sein]. 21. Es wird aber [da ich nicht kommen bin, Friede zu senden, sondern das Schwert V. 341 ein Bruder den andern zum Tod überantwortenx und der Vater den Sohn, und die Kinder werden sich empören wider ihre Eltern und ihnen sdurch Zlellferantwortung an die Obrigkeitenj zum Tode e en. 22. Und sda wird nun Haß und Verfolgung euch im höchsien und umfassendsten Maße treffen, also daß ihr] musset gehasset werden von jedermann, um meines Namens willen. Wer aber bis an das Ende [wenn ich wiederkommen und dem Hasse der wider niich gerichteten Welt ein Ende machen werde, in Glaube, Geduld und Bekenntuiß] be- harret, der wird selig. « 23. Wenn sie euch aber sbei diesem «Hasse, der von Seiten der gesammten ungläubigen Welt euch treffen wird] in einer Stadt verfolgen, so stiehet in eine andere. Wahrlich, ich sage euch, ihr werdet die Städte Israel nicht ausrichten snicht alle mit solcher Flucht aus der einen in die andere einzeln durchgemacht haben], bis des Menscher! Sohn kommt [zum Gericht über Jerusalem und das jüdische Volk und eurer Verfolgung von dieser Seite her ein Ziel steckt]. « 24. sVerwundert euch aber nicht, daß ihr also müsset gehasset werden von jedermann V. 22:] Der Jiinger ist nicht über seinen Meister, noch der Knecht über den Herrn sdaß er sollte ein besseres Loos für sich erwarten dürfen, als diesem beschie- den war Joh. 15, 20]. 25. Es ist dem Jünger genug, daß er spin- sichtlich der Behandlung, die ihm widerfährtj sei wie sein Meister, und der Knecht, wie sein Herr setwas Höheres begehrt er nicht, wenn anders er ein rechte: Jüngere und treuer Knecht ist].t Haben Unterweisung der Jünger in ihrem Apostelbersuf sie denHausvater Beelzebub [als der die Teufel durch der Teufel Obersten austreibe Kuh. 9, 34; 12, 241 geheißen; wie viel mehr werden sie seine Hausgenossen also heißen? 26. Darum feuch gern und willig in die Schicksalsgemeinschaft mit mir begebend] fürchtet euch nicht vor ihnen [vielmehr fasset freudigen Muth, allem Haß der Welt zum Trotz das Evan- gelium vom Reich in alle Welt hinauszutragen, damit es zu der ihm bestimmten durchdringenden Oefsentlichkeit gelanges Es ist nichts verborgen, das nicht offenbar werde, und ist nichts heimlich, das man nicht wissen werde sdies Sprichwort hat vor allem seine Giltigkeit in Beziehung aus das Evangelium, das nimmermehr als eine Geheim- lehre behandelt werden darf Kap. 5 , 15; Mart. 4, 22; Luk. s, 17]. 27. Was ich euch sage im Finsterniß [weil ich nur erst noch im vertrauteren Kreise meiner Jünger mich offenbaren kann, damit mein Reich erst gegründet werde], das redet im Licht; und was ihr höret in das Ohr, das prediget auf den Nachen] Daihern sder Häuser, wo ihr die Leute aus den Straßen vor euch habt und von ihnen gehört werdet]. 28. Und fürchtet euch [nun bei solcher öffent- lichen Predigt, die Haß und Verfolgung euch zu- ziehtJ nicht vor denen, die den Leib tödten, und die Seele nicht mögen tödten [d. i. vor den Men- schen, auch wenn sie noch so arg gegen euch wüthens Fiirchtet euch aber vielmehr vor dem, der Leib und Seele verderben mag in die Hölle sim eigentlichen Sinne des Worts l. Kön 1, 33 Anm., nämlich vor Gott, eurem ewigen Richters W. [Und zu dieser heiligen, ernsten, strengen Furcht vor Gott geselle sich in eurem Herzen der heilige, heitere, frohe Glaube an ihn, in dessen allerbesondersten Aufsicht und Fürsorge ihr stehet als seine lieben Kinder] Kauft man nicht zween Sperlinge um einen Pfennig [die geringste Scheide- Münze, so daß man weniger gar nicht geben kann]? Noch fcillt derseIbigen keiner [todt] auf die Erde ohn euern Vater [ohne sein Wissen und Willen]. Bd. Nun aber sind auch eure Haare auf dem Haupt alle gezclhlet sso daß es bei euch ihm nicht blos auf die Erhaltung eures Lebens überhaupt, sondern auf die Unversehrtheit auch des Geringsten und Unbedeutendstem was euch zugehört, ankommt) Si. Darum fürchtet euch nicht; ihr seid besser, denn viel Sperlinge [und rbnnt mit viel besserer Sorglosigkeit und Furchtlosigkeit als sie eures himmlischen Schutzherrn euch getrösten]. IS. Darum, wer sunter euch und unter allen, die. durch euer Wort an mich glauben werden, mit allem Freimuth und aller LaUterkeitJ mich bekennet vor den Menschen, den will ich bekennen vor mei- nem himmlischen Vater [am jüngsten Tage, auf das; er da ein gutes Urtheil empfahe]. 143 33. Wer mich aber verleugnet vor den Meu- schen, den will ich auch verleugnen vor meinem himmlischen Vater. — x . 34. sDaß ich aber noch einmal auf die tiefe Erregung, die durch die Predigt meines Worts in der Menschenwelt hervorgebracht werden wird Vy2 1 f., zu sprechen komme, damit ihr euch, wenn sie nun eintritt, euch nicht darüber verwundert, so merken] Ihr sollt nicht wahren, daß ich kommen sei, Friede ’zu senden auf Erden [so lange da die Menschenwelt noch in ihrem gegenwärtigen Zustande der Entfrems dung von dem Leben, das aus Gott ist, sich befindct]. Jch bin nicht kommen Friede zu senden, sondern das Schwert sdamit es erst zu einer Scheidung und Entscheidung komme, bis dann nach der Erregung und dem Streit der Friede sich einstellen kann].z . 35. Denn swie schon in Micha 7, 6 Krieg und Streit innerhalb der engsten Familieuverhälk nisse als Wehen der Tochter Zions zur Verniitte- lung des Friedensreichs geweissagt sind:] ich bin kommen, den Menschen zu erregen wider seinen Vater, und die Tochter wider ihre Mutter, und die Schnur wider ihre Schwieger [Richt. 19, 10Anm.]. 36. Und des Menschen Feinde werden seine eigenen Hausgenossen sein. 37. sDa kommt es nun darauf an, daß bei solcher Scheidung sich ein jeder recht entscheide.] Wer Vater oder Mutter mehr lieber, denn mich, der ist mein nicht werth. Und wer Sohn oder Tochter mehr liebt, denn mich, der ist mein. sdaß er mir als seinem HErrn und Meister angehöre] nicht tverth l5« Mos 33, J; Luk. 14, 26]. 38. Und lver nicht Ials ein von dieser Welt Verworfeiier und zum Tode der Aufriihrer und Enipörer Verurtheilter] fein Kreuz auf sich nimmt sum es gern und willig zu tragen] und folget mir sdem ja dieses Geschick in nicht gar ferner Zeit zuerst widerfahren wird Kuh. 16, 21 ff] reach, der ist mein nicht Werth. a f 39. Wer sin diesen todesgefährlichen Zeitläusten V. 34 ff] sein Leben findet finden: er durch Ver- lettgnung meines Namens der Gefahr fich entzieht], der lvird’s verlieren [durch Verlust der ewigen Seligkeit, die ja allein das rechte, wahre Leben ist]; und wer sein Leben verlieret um meinetwillen, der wird-s finden [Luk. 17, 33]. 40. Wer [dann ferner in dieser schweren Zeit, wo es gefährlich ist, einen Apostel auch nur zu be- herbergen Apostg 17 , 5 ff] euch aufnimmt, der nimmt mich ans; und wer mich aufnimmt, der nimmt den auf, der mich gesandt hat [Joh. is, 20.]. 41. Wer einen Propheten ausnimmt in eines Propheten Namen [»in Ryücksicht darauf, daß ex ei» Prophet istL der wird eines Propheten Lohn [deu- selben Lohn, den er, der Propheh von Gott zu ex, warten hat] empfahen. Wer einen Gerechten sder durch euer Wort an mich gläubig Und dukch de» 144 Evangelium Matthäi W, 42. II, 1—3. e Glauben an mich gerecht worden ist] aufnimmt in eines Gerechten Namen, der wird eines Gerechten Lohn empfahen. 42. Und wer dieser Geringften einen smit denen es noch nicht zum völligen Durchbruch der Gerechten gekommen, die aber doch schon an der Schwelle des Himmelreichs stehen] nur mit einem Becher kalten Wassers trcinket sihm die gerinaste Liebe nnd die unbedentendste Hilfe erzeigetJ in eines ». Jnngers Namen; wahrlich, ich sage euch, es wird ihm nicht uubelohnet bleiben [Mark. 9, 41]. Wir haben uns aller näheren Auseinaiidersetzungen über schwierige Stellen in dieser Rede enthalten, weil nicht blos die parallelen Abschnitte bei Markus und Lukas uns dazu weitere Gelegenheit bieten, sondern auch Jesu Jnftruktionsrede an die 7() Jünger in Luk. 10, 1 bis l6 und seine Weissagung von den letzten Dingen in Matth. 24 u. 25; Mark. 13 u. Luk. 21, 5 ff. vieles von dem, was wir hier hören, uns nochmals vor die Seele führen. Auch mit der Frage der Gelehrten, ob Jesus die Rede wirklich so, in der hier vorliegenden Vollstän- digkeit und in dem nämlichen Zusammenhange, gehalten, oder ob nicht der Evangelist hier verschiedene, bei an«- dern Gelegenheiten vorgekommene Redestücke erst zu die· sem Ganzen zusammengestellt habe, machen wir uns nicht viel zuschaffem wir lassen die Schrift in ihrem Zusammenhange, ohne ihre Theile auseinanderreißen zu wollen, wodurch wir nur uns selber Schaden thäten, und gedenken des Wortes Christi, das er in V. 20 zu den Jüngern spricht, so daß, wenn auch ursprünglich nicht alles genau an der nämlichen Stelle und in dem- selben Zusammenhange von ihm sollte esagt worden sein, doch für uns alles so gut ist, als hätte er’s also und nicht anders gesagt. Das 11. Kapitel. Johannis Botschaft. Christi ernstliche Drohung und freundliche Einladung. I. Und es begab sich , das Jesus solch Gebot zu seinen zwols Jungern vollendet hatte, ging er swährend sie wirklich auf den ihnen gewiesenen Weg sich begaben und ihr Werk aus: richteten Mark. 6, 12 f.; Luk. 9, 6., blos von seinen Jüngern im weiteren Sinne des Worts be- gleitet] von dauueu furbaß [Kap. 9, »27], zu lehren und zu predigen in ihren Stadien sin den Städten derer, zu welchen er seinen Weg nahm]. Nach unsrer Anstcht wendeten die Zwölse mehr östlich und hielten sich an die gewohnliche Pilgerstraße derer, die hinaus nach Jerusalem zum Osterfeft reiseten, dem Jordanthale entlang; der HErr selber dagegen zog sich mit seinem Geleit nach Westen hinüber, in die Mitte des galiläischen Landes — in Luk. 7, 11 ff., welche Ge- sehichte sich während der Abwesenheit der Zwölfe zutrug (daher sie nur von Lukas erzählt wird, der ·sie von einem der damals in· Jesu Gesellschaft Befindlichen er- fahren hat), finden wir ihn zu Nain, nicht weit vom kleinen Jermow An dieselbe Gegend (westlich vom Jor- dan) un an die nämliche Zeit fwährend der Abwesen- heit der Zwölse) müssen wir auch denken bei der sol- genden Geschichte von der Gesandtschaft des Täufers; i ange aber haben die Apostel mit ihrer Missionsreise ' nicht zugebrachy wenn auch nicht blos einen Tag, wie Wieseler annimmt, so doch keinenfalls mehrere Mo» neue, wie Krafft ausrechned Das Nähere darüber wird sich später ergeben, wenn wir die folgende Ge- schichte betrachtet haben. — II. v. 2—30. (§. 44.) von seinem Gefängniß aus sendet Johannes der Täufer, zu dem die Kunde von den Thaten des einst von ihm bezeugten iltlefsias Israel- gedruugrn, in dessen Gedankenkreis aber, weil er viel- mehr einen Tag der göttlirheu Rathe und die» Erschei- nung des Himmelreichs tu Herrlichlieit erwartet, die Werke etneo bloßen Propheten in unterschied-tosen Seg- unugeu für die Gefammtheit des volles nikht nassen, zween seiner Sänger au Iesum und begehrt Ztuffchluß über das, was ihn irrt und hört, über diese verzöge- rung der Erfüllung feiner Jtiissichtem Dei: Kuffrhluß wird ihm denn tn einer Weise zu Theil, die fein« irre- Herz zurecht zu bringen und ihn zu ftärlien vermag für die Stunde des ulärthrerthumz die nun bald ihm be— vorsieht. Damit nun aber das umftehende volle, das die Frage des Täufers gchdrt hat, nicht irre an dessen fest— herer Jeugrnfchaft werde, legt Jesus nach Jtbgaug der beiden Boten ein herrlicheg Zeugnis; über den Mann Gottes ab, indem er jedoch zugleich andeutet, weliheu untergeordneten Standpunkt auch dieser grdhte unter allen Gotteomäunern des alten» Bandes im vergleirh mit den Gliedern des neuen sundeg etnnehma Damit sstiließt sieh eine tiefe Klage über dieses gegenwärtige Geschicht, eiu lobvreifeudeg Gebet, an den Vater im Himmel ge«- ri1htet, und eine freundliche Einladung zu dem Heiland der Seelen und Herzog der Seligkeit. (kult. 7,18——35.) Evangelium am Z. Sonntage des Ade-cum) Von der ersten Zukunft Christi, feiner Ankunft im Fleische, und von feiner zweiten Zukunft, der Zukunft zum Gericht, haben die Evangelien der beiden letzten Sonntage gesprochen. Ein neuer, der dritte Sonntag des Advents hat heute begonnen, und das Geburtsfest des HErru kommt immer näher; je näher aber dieses und nach dem Gedankengang, den wir festhalten, Er selber, der Neugeborne, mit dem Reichthum feiner Seg- nungen kommt, desto mehr geziemt es sich auch des Vor- läufers zu gedenken, der vor Christo herging und ebenso ein stcheres Zeichen des vorhandenen, nahenden Christus war, wie der Morgenstern ein sicheres Zeichen der nahenden, kommenden Sonne ist. Dieses Vorläufers gedenken nun auch die Evangelien der beiden letzten , Adventssonnta e. Johannes und Jesus heute, itber8 Tage Jesus und Johannes, der Morgenstern und die- Sonne, der HErr und sein Engel erscheinen uns in diesen Evan- elien unzertrennlich. Heute sehen wir den Vorläufer hristi in seiner Schwachheit, am nächsten Sonntage, wo wir dem Feste um eine Woche näher gekommen sein werden, sehen wir ihn in seiner Stärke. Heute sehen wir ihn im Kerker und hören ihn sehnsüchtig fragen: »Bist du’s, oder nichts-»« über 8 Tage sehen wir ihn, ganz bestrahlt von unsrer Weihnachtssonne, mit dem » zuversichtlicheu Bekenntniß der Wahrheit auf de1i Lip- pen. (Löhe.) . 2. Da aber Johannes [der Täufer, der nun schon seit 10 Monaten iiberantusortet war Kap. 4, 123 14- 3 ff] im Gefangniß sauf dem Bergschlosse Machärus jenseit des todten Meeres Kap. 4, 17 Arten» darin ihm jedoch der Verkehr mit der Außenwelt ebenso gestattet war, wie später Johannis des Täufers Sendung und Frage an Jefum. 145 dem Apostel Paulus in feinem Gefängniß zu Cä- sarea und zu Rom· Apostg. 24, 23; 28, 30 f.] die Werke Chrtsti [die dieser früher schon, bald nach feiner, des Johannes, Gefangennehmung ge- than Kap. 4, 23 f., vgl. §. 28——41., und die derselbe neuerdings wieder, seit Beginn des neuen Friihjahrs, in besonders reger, durch die Mitwir- kung von 12 Aposteln verstärkter Thätigkeit voll- brachte Kap. 9, 35; Mark. 6 , 12 f., aus dem Hltunde seiner Jünger, wenn sie zu ihm kamen] horete [und so gar nicht sich darein sinden konnte, daß er, der HErr, bei solchen Werken es bewen- den ließ, ohne endlich einmal zu derjenigen Wirk- samkeit überzugehen, die er selber von ihm in Aus: ficht hatte stellen müssen Kap. 3, 12], sandte er [feiner Zweifel und Bedenken durch offenes Aus- sprecheii vor dem rechten Manne Herr zu werden 1. Mos 15, 3 u. Pf. 62, 9 Anm. und aus der Stunde der Anfechtung, die über ihn gekommen 1.·;Kön. 19, 4 Anm., sich heraus zu retten] feiner Jnnger zween shin zu Jefu], · 3. Und ließ ihm sagen: Bist du, der da kommen soll sder verheißene Mefsias oder König Jsraels Pf. 118 , 26 Anm. I. , als welchen ich dich dem Volke bereits angekiindigt habe KAP« 3- 11·J , oder sollen wir [indem dir-nur erst selber eni Vorläufer des Messias wäresi] eines andern [als des eigentlichen MessiasJ warten? [wer aber sollte das sein?] Wäre, wie man gewdhnlich annimmt, unter dem Jahrstag des Herodes in Karl. 14, 6 dessen Geburts- tag im eigentlichen Sinne zu verstehen, so ließe sich über das Datum der nachherigen Hinrichtung des Täufers, da wir jenen Geburtstag nicht kennen, gar nichts be- stimmen; es ist aber fprachlich durchaus gerechtfertigt, vielmehr den Tag des Regiernngsantritts (alfo seinen Geburtstag als Fürst, Pf. 2, 7) unter jenem Fest des Königs (Hvs. 7, 5) zu verstehen, und da wären wir in Betreff des Datums dieses Tags auf das des Todes- tags Herodis des Großen angewiesen, von welchem Tage ab ohne Zweifel dessen Söhne und Nachfolger ihre Regierung rechneten, wenn auch die Vestätigung ihrer Würde von Seiteii des römischen Kaisers erst ge- raume Zeit später erfolgte. Nun fiel der 15. Nifan oder erste Tag des Osterfestes im J. 4 n. Chr. auf den 12. April; sieben Tage zuvor ist Herodes d. Gr. ge- storben (Schluß-Vem. zum 1. Maccabäerb Nr. 11, e), d. i. am 8. Nifan oder Z. April. Dieser 8.Nisan wäre denn auch der» Jahrestag des Herodes Antipas und so- mit der inrichtung des Täufers; im J. 29 n. Chr. fiel dersel e (v l. den jüdifchen Kalender in den Schluß- bem. zum 1. accab. Nr. 4 , Zus.) auf Montag den 11. April (in der Kirche ist das Fest der Enthauptung Johannis erst ziemlich spät auf den 29. August verlegt worden und erscheint dieses Datum als durchaus will- kürlichh während der erste Ostertag (15. Nifan) sich da mit Montag dem· 18. April deckt. Gewiß ist die Ge- sandtfchaft der beiden Jünger in den letzten Lebenstageu des Johannes, jedoch auch nicht so spät geschehen, daß die Jüngey die von Machärus aus bis zu der Stelle, wo sie mit Jesu zufammentrafeii, eine Reife von min- destens 15 Meilen zu machen hatten, den Weg nicht hätten wieder bis zu ihrem Meister zurücklegen können, Däch sePs Bild-insect. ehe derselbe sein Haupt unter das Henkerbeil legen mußte; auf diesen Rückweg sind, da der G. Nifan jenes Jahres (9. April) ein Sabbath war, doch gewiß 4 volle Tage zu rechnen, und so würde sich uns als Datum der hier vorliegenden Sendung etwa Mittwoch der 3. Nisan (6. April) ergeben. Wir nehmen dabei an, daß Jesus nach der Auferweckung des Jiinlglings zu Nain (Soiin- tag den Z. April) sich an den eiden folgenden Tagen die 4 Meilen Weges bis in die Nähe von Bethseaii im Geleit des ihm nachziehenden Volkes hinüberwandte und so gewissermaßen den beiden Abgeordneten des Johan- nes, die im Jordanthal von Mittag heraufkamen und wohl unterwegs schon die ohngefähre Gegend seines damaligen Aufenthalts von etlichen der Zwölfe erfahren hatten, entge enging. Er war, als die beiden bei ihm anlangten, e en wieder mit solchen Werken befchäftigt, wie Johannes sie von ihm gehört und an denen dieser Anstoß genommen hatte (Kap. 9, 35 vgl. mit Luk. 7, 21), und hatte also der HErr dasjenige Schtvert, das den Johannes verwundet, sofort auch als Heilmittel zur Hand, um den Angefochtenen wieder gesund zu machen (V. 5). Aber wie? haben wir denn auch richtig die Frage des Täufers erklärt, wenn wir oben sie dahin aus- gelegt, daß er selber, Johannes, es ist, der eine Anwort auf diese Frage für sich bedarf nnd begehrt, weil das Glaubenslicht in ihm verdunkelt ist und er sich nicht in die Wege und Weise des HErrn Jesu finden kann? Von den Tagen der Kirchenväter an bis herein in diese unsre Zeit haben sich viele und gewichtige Stimmen für die Behauptung erhoben: es sei rein unmöglich zu den- ken, derselbe Johannes, der ein so klares Zeugniß vom Himmel über Jesum empfangen (Kap. 3, 16 f.) und ein so entschiedenes Zeugniß von ihm abgelegt (Joh. l, 29 ff.; 3, 26 ss.), sei hernachmals schwach geworden im Glauben und habe nicht mehr gewußt, was er von Jesu halten solle; derlei Gedanken sei ja auch schon dadiirch gewehrt, daß der HErr hernach (V. 7 ff.) feinem Vor- äufer ein so erhabenes Lob spendet und ausdrücklich ihm die Ehre giebt, er sei kein Rohr, das der Wind hin und her wehet. Man hat daher gemeint, nicht um feinet-, sondern um feiner Jünger willen habe Johannes die Boten an Jefum abgeorduet und nicht aus s einem, sondern aus seiner Jünger Herzen habe er die Frage an ihn gerichtet: »Bist du, der da kommen soll, oder sollen wir eines andern warten?« ·Die Schüler des Johannes, schreibt Chrysostomus zur näheren Be- gründung dieser Ansicht, waren gegen den HErrn gereizt, und sie waren eiferfüchtig gegen ihn; das ist offenbar aus dem, was sie ihrem Meister in Joh. s, 26 sagen und worüber sie sich in Kap.9, 14 beklagen. Sie wuß- ten 1ioch nicht, wer Christus war, sondern hielten Jefum für einen bloßen Menschen, den Johannes aber für mehr als einen Menfchem und konnten so nicht ertragen, daß sie Jefum von Tag zu Tage zunehmen sahen und» Jo- haiinem, wie er selbst gesagt hatte, abnehmen; und dies hinderte sie hinzugehen, indem die Eifersucht ihnen den Weg vermauerte. Solange nun Johannes mit ihnen war, ermahnte er sie fortwährend und lehrte sie; aber auch so überredete er sie nicht. Da er denn jetzt sterben sollte, bemühte er sich noch mehr; denn er fürchtete, daß er den Verdacht eines bösen Werkes hinter sich zurück- lasse, wenn sie Christo abgewendet blieben. — Es ist gewiß, sagt dann seiner Zeit auch Luther, daß Johan- nes um feiner Iünger willen fragen läßt; denn dieselbi- gen hielten Christum noch nicht für den, für den er zu halten war, warteten auf einen, der hoch einhertrabte als ein hochgelahrter oberster Priester oder mächtiger König. Da aber Jesus anhub und iiUs Geschrei kam, da dachte Johannes, er wollte seine Jünger nun wohl von sich weisen und zu Christo bringen, auf daß sie nicht N« T· I. 10 146 Evangelium Matthäi 11, s. Blum. nach seinem Tode eine Sekte aufrichteten und Johanniter würden, sondern alle an Christo hingen und Christen würden; und sendet sie hin, daß sie hinfort nicht an seinem Zeugniß allein, sondern an Christi Worten und Werken selbst erlernten, daß Er der rechte Mann wäre, davon er gesagt hatte, als wollte er sagen: da höret ihr seine Werke, wie ich nie keines gethan habe, noch Keiner vor ihm. — Johannes, der seines Amtes Zweck, dem Kommenden den Weg zu bereiten, von Anfang bis an’s Ende klar erkannt, so lesen wir neuerdings bei Stier, weiß, daß er auch noch durch Gefängniß nnd Tod solches Amt ausrichten, sleischliche Mefsiaserwar- tungen brechen und dem Einen, aus den er weiser, den Platz räumen muß; so liegt es ihm denn dringend am Herzen, vor seinem Ende, das er erwartet, alle von ihm selbst nicht zu Ueberzeugenden dem HErrn, soviel an ihm ist, zu überliefern, nnd er wählt aus der ganzen Zahl derer, denen es galt, zwei vermnthlich besondere Zweifler zu solcher entscheidenden Sendung. -— Indessen, so müs- sen wir nun unsrerseits allen diesen Ausführungen gegen- über fragen, ist das wirklich ein richtiger, haltbarer Ge- danke, der hier zum Vorschein kommt? Wir brauchen ihn nur einmal in bestimmte Worte zu fassen, um sofort das Schiefe und Ungereimte, was darin liegt, zu er- kennen. ,,Jhm selber, dem Johannes, an dessen Person die Herzen seiner Jünger mit solcher Zähigkeit hingen, hatte trotz alles Zuredens und Ueberzeugens es bisher nicht gelingen wollen, sie zum Glauben an Jesu Messi- anität zu bewegen und das Aergerniß, das sie an dem- selben nahmen, zu beseitigen; da versucht er noch Eins, das Höchste, was überhaupt in seinen Kräften steht, er verweiset sie unmittelbar an Jesum selbst, von dem er ihnen gesagt, er sei stärker, denn er, und dem er auch nicht genugsam sich erklärt hat, seine Schuhe zu tra» en (Kap. 3, 1l); der wird’s zu Sta1ide bringen, was i m selber nicht gelungen, der wird mit einer kurzen, kategorischen Erklärung alle ihre Zweifel und Be- denken zu Boden fchlageu und mit einer klaren, gewissen Antwort auf die ihm vorgelegte Frage ihre Herzen zur Entscheidung für ihn umstimmen — deß tröstet siih Jo- hannes aiigesichts des ihm nahe bevorstehenden Todes und darf nun, indem er den hier vorliegenden Weg einer Gefandschast einfchlägt, sich sagen, daß er fein Amt, Seelen für Christum zu gewinnen, bis zum letzten Hauch getreulich ausgerichtet.« Wo in aller Welt aber holt man sich Unterweisung und Ueberzengung in einer noch zweifelhaften Sache bei einem solchen, gegen den man eingenommen und niißgestimmt ist! und wie in aller Welt hätte Johannes erwarten können, seine Jtinger würden auf Jesu eigenes Zeugniß von sich selbst größeres Gewicht legen als auf dasjenige Zengniß, das er selber so oft fchon von Jesu vor ihnen abgelegt hatte! Ja, ihm, dem Meister, war dieser Jesus von Nazareth der Stärkere; aber das eben war die Sache, um die es sich hier handelte, daß die Jünger den Stärkeren iiicht an- erkennen und sich nicht unter ihn beugen wollten, sie hätten also einer Antwort Jesu auf die an ihn gerichtete Frage, wenn sie dieselbe lediglich um ihrer selbst willen gethan hätten, von Haus aus in der Weise gegenüber gestanden, wie dort (Joh. 8, 13) die Pharisäer: ,,Du zeugest von dir selbst; dein Zeugniß ist nicht wahr.« Wie Vieles ist nun aber auch im Texte selber einer solchen Auffassung, als sei die Frage: »Bist du, der da kommen soll?« nicht aus Johacinis, sondern seiner Jün- ger Herzen genommen, entgegen! Vor allem fchon dies, daß die Antwort nicht an die Jüngey sondern an Johannes sich richtet: ,,Gehet hin und saget Johanni wieder,« was ja doch unmöglich eine Spiegelfechterei sein kann; ferner aber auch, daß die Form der Frage doch so gestellt ist, daß sie nicht als der Jüngey sondern als des Meisters Frage sich giebt, und wenn man dies für eine bloße Einkleidung erklären will, so tritt man damit, während man die Gläubigkeit des Johannes zu ret- ten meint, seiner Sittlichkeit zu nahe, denn die Einkleidung schließt ja eine Verstellung in sich —Johannes hätte nur so gethan, als wäre er selber der, der noch in Ungewißheit und Zweifel wäre. Nein! Johannes hat nicht so ge- than, als wäre er der Fragende, um eine Antwort aus Jesn Munde herbeizuführen, wie seine Jünger sie bedurften, sondern er war wirklich der Fragende (vgl. Luk. 7, 20) und bedurfte für sich selbst der Ant- wort, die ihm aus Jesu Munde hernach zu Theil ward; man lasse nur endlich einmal das Vorurtheil fahren, als ob es für die perfönliche Größe des Täufers (V.7s.) ein Nachtherl und gegen dessen sonstige so hohe Erleuch- tung und gegen seine erhabene Prophetenwürde (V.9f.) ein Widerspruch sei, wenn nun auch einmal eine Stunde der Schwachheit nnd der Anfechtung über ihn gekom- men. »Welcher Heilige hat keine Anfechtung gehabt? mag das alte Testament durchgeheiy so finde ich keinen Patriarchen, keinen Propheten, keinen Abraham, keinen Moses, keinen David, der nicht angefochten ge- wesen wäre. Jch mag das neue Testament durchgehen, so ist es gleich also; die heiligen Apostel, die Mutter Gottes waren größer als der Täufer (V. 11), und doch haben sie alle ihre Anfechtungen gehabt, vor Pfingsten und nach Pfingsten. Und allein mit dem Charakter Jo- hannis sollte eine Stunde, ein Tag, eine Zeit der An- fechtung unvereinbar fein? Dem Manne, welcher die Anfechtung erduldet, ist eine Krone des Lebens verspro- chen (Jak. 1, 12): warum soll sie unter allen Heiligen allein Johannes entbehren? Jst er doch nicht besiegt worden von seiner Anfechtung, sondern im Gegentheil, er hat sich in feinem bösen Stündlein benommen, wie es ihm geziemte; sein Benehmen hat eine so nach- ahmungswyerthe Schönheih daß uns der Wunsch, Jo- hannes mochte nicht angefochten worden sein, fast schwer werden könnte (Löhe). Wir nennen nicht den Glau- ben fest, der niemals von Zweifeln heimgesucht wird — einen solchen wird. es kaum geben; sondern den, der jedes Mal über den Zweifel wieder Herr wird, und zwar anf dem rechten Wege, auf dem Wege des Glau- bens. Wie Johannes irre zu werden fürchtet in seinem bisherigen Glauben, was thut er? überläßt "er’s dem Zufall, ob feine Zweifel bleiben oder weichen? ists ihm eine gleiihgiltige Sache, ob er feinen Glauben behält oder verliert? schlägt er sich vielleicht gar zu jenen, die ihn fchon längst seines Glaubens wegen angefeindet oder verspottet hatten? Nichts von alle dem! so schnell giebt er feinen Glauben nicht auf, und an niemand anders wendet er sich als an Jesum selbst. Ein Wort nur von Jesu begehrt er, um alsbald wieder aufrecht zu stehen nnd der ganzen Welt Trotz zu bieten; der Glaube an Jesum ist stärker in ihm als ein Zweifel. (Caspari.) Wir müssen hier zugleich an die Thatsache erinnern, daß die größten Helden des alten Bandes viel kleiner waren im heiligen Dulden, als im heiligen Handeln; oft fiel das Dulden gerade den gewaltigsten Eiferern am schwerstem Man gedenke nur an die Stimmung Elias, als er sich vor der Jsebel flüchtend in den Höh- len des Berges Horeb verbarg (1. Kön. 19); auch Elias hatte damals fast gefragt: bist du es, Jehova, der da kommen soll? auch er mußte damals dnrch das stille sanfte Sausen einen Eindruck empfangen von jenem welt- überwindenden göttlichen Geiste, der sich später dem Täufer in dem Lamme Gottes kund gab. Es liegt dies in der Natur des alten Bandes: der Prophet als Ver« treter des Gesetzes ist ein gesteigerter Moses, er kann blitzen, donuern, Feuer vom Himmel fallen lassen; der Prophet als ein Verklindigerdes Evangeliums ist iiur Ueber Ursach und Art der Anfechtung Johannis des Täufers. 147 ein Vorläuser Christi, also erst ein werdender Christ, was die neutestamentliche Macht des Duldens anlangt, und besonders auch in diesem Sinne ist der Kleiuste im Himmelreich größer als er. (P.Lange.) Gehen wir nun auf den eigentlichen Seelenzustand des Täufers, der ihm zur Abordnung der beiden Jünger an Jesum veran- laßte und damit ziigleich auf den Sinn seiner Frage: Bist du, der da kommen soll, oder sollen wir eines andern warten? näher ein, so wollen wir uns mit der Widerlegung der Ansichten derer nicht laiige aufhalten, welche entweder behaupten, Johannes sei in der That an der selbsteigene1i nnd ganzen Messianität Jesu zwei- felhaft geworden, oder aber vorgeben, es habe ihn in seinem Kerker die Ungeduld übermannt, er habe nicht begreifen können, daß der HErr, welcher sich immer mehr als einen so großen Wunderthäter vor Gott und Menschen beweise, so gar nichts thue, ihn ans seinen Banden zu erledigen: g7egen jene Ansicht entscheidet schon das Wort Jefu in V. , gegen diese das Wort in V. 8. Das Richtige läßt sich kaum treffender und kürzer an- geben, als neuerdings von Nebe geschehen ist: »Jo- hanues der Täufer steht noch in dem allgemeinen Glauben an die Messianität des HErrn, kann sich aber nicht in ein besonderes Verhalten des noch geglaub- ten Messias zurecht finden« Das ganze geistige Leben des Täufers, dies habenfwir rechtf fest in’s Auge zu fassen, bewegte sich un: die prophetische Weissaguug m Mal. B, 1——4; diese Stelle bildete sozusagen das Cen- trum seiner Christologie, sie war der Grund und Boden, auf welchem seine messianischen Erwartungen sich er- bauten, nnd gab ihm die Züge her zu dem Messiasbild, das er in seinem Herzen trug. Darnach nun erwartete er von dem Heilande Gnade und Gericht zu gleicher Zeit; er setzte voraus, daß der HErr, indem er erschie- nen sei, sein Reich aufzurichten, vor allen Dingen seine Tenne fegen (Kap. Z, U) und alle Aergernisse aus Jsrael abthnn (Kap. is, 41), daß er eine Ausscheidung der gottlosen und verderbten Masse vornehmen, diese im Feuer seines Zornes verbrennen, sich so erst einen reinen Acker schaffen und nun iu den gereinigten Boden seinen guten Samen ausstreuen werde, um an den Ueberge- bliebene1i, an denen, die ans dem Untergang der alten Welt behalten, aus Gericht und Verderben errettet wer- den würden, Gottes Heilsrathschlüsse sofort zu verwirk- lichen nnd sie in das Reich der Herrlichkeit noch hier auf Erden einzuführen. Der erste Advent des HErrn und seine letzte Zukunft schoben also in dem Vorstellungs- kreise des Johannes sich so eng zusammen, daß ein Unter- schied der Zeit zwischen beiden Adventen keinen Raum hatte; Christi Ankunft in’s Fleisch zur Erlösung der Welt und Christi Ankunft zum Gericht über die, welche sich nicht retten lassen wollen, sondern dem Verderben preis- Ygeben werden müssen, machten in der Messiasidee des änfers nur eine einzige Erscheinung aus, er erwartete beides zu gleicher Zeit, erwartete die Vollendung des Himmelreichs von dem im Fleisch erschienenen Sohne Gottes noch zu dieser seiner Zeit. Freilich findet sich in Johannis Munde auch das überaus tiefe und über- aus köstliche Wort (Joh. 1, 29): ,,Siehe, das ist Gottes Lamm, welches der Welt Sünde trägt;« aber schon der Umstand, daß bei den drei erste1i Evangelisten nichts davon steht, sondern nur der für ein solches Wort be-· sonders empfängliche vierte Evangelist dasselbe uns auf- bewahrt hat, machen es mehr als wahrscheinlich, daß der Täufer dies Wort in einem exstatischen Zustande geredet, daß er es in einer Stunde empfangen hat, wo er über siih selbst hinausgeriickt und durch außerordent- liche göttliche Erleuchtung ein Größerer war, als der er seinem wirklich entwickelten und ihm selbst bewußten Glauben nach eigentlich ist. Sagt doch der HErr her- nach ausdrücklich in«Beziehung auf ihn: »der aber der Kleinste ist im Himmelreich, ist größer, denn er;« es muß also bei jenem Ausspruch, welcher schon alle Weis- heit derer, die deni Himmelreich angehören, in sich schließt (l. Col: Z, 2), nicht sowohl Er selbst, dieser noch der vorchristlichen Zeit angehörende Johannes, als vielmehr der Geist, der über ihn gekommen, geredet haben. Ver- hielt es sich nun also mit dem persönlichen Glaubens- standpunkte des Täufers, daß er den Advent in Niedrig- keit und den Advent in Herrlichkeit nicht auseinander zu halten vermochte, daß er die jetzige Zeit der Erschei- nung des HErrn schon für denjenigen Tag ansah, von dem in Mal. 4, l f. die Rede ist, und den Aufgang der Sonne der Gerechtigkeit sich nicht anders denken konnte als einen Aufgang nach deni Morgenroth eines vorausgehenden Zornesfeuers (rvie man denn auch das Wort in Kap. 3, 11: »der wird euch mit dem heil. Geist und mit Feuer taufen«, meistentheils dahin versteht, daß der kommende Messias, während er auf die einen seinen heiligen Geist ausgieße, auf die andern werde das Feuer des Gerichts herabfallen lassen), dann begreifen wir wohl, wie gerade die Werke Christi, von denen er hörte, ihm die Veranlassung geben konnten zu seiner Frage: »Bist du, der da konimen soll?« Es schien ihm, als ob Christus mit seinen Werken den guten Samen geradezu unter die Dornen säe; dies Spenden der herr- lichste1i Segnungeu göttlicher Gnade und Barmherzigkeit an die große unterschiedslose Masse, als welche er das Volk Jsrael noch immer betrachtete, kam ihm nicht als zeitgemäß vor. Mit seiner Bußpredigt und Taufe habe er, so mochte er denken, einen scharfbegrenzten Uebergang Einzelner ans der, Böse nnd Gute in sich beschließenden Welt in das Reich des kommenden Messias vorbereitet und angebahnt; da komme es nun darauf an, auf die- sem Grunde fortzubauen, die Scheidung noch viel ener- gischer durchzuführen und ein festgeschlossenes Reich der wahrhaften Kinder Abrahams aufzurichteih mit andern Worten, die mit dem Gericht über die ungläubige Welt Hand in Hand gehende Verklärung der Gemeinde zu vollziehen und so die Weissagung der Propheten in ihren Grundzügen zu verwirklichen. Statt dessen, so redete er sich weiter ein, lasse Jesus den bereits angefangenen Bau des Himmelreichs wieder zerfallen, ziehe in formloser Wirksamkeit im Lande umher und bringe es noch immer zu keinem sichtlichen Resultat; nnd wenn er auch für sein Theil gern darauf verzichte, seiner Bande ledig und seines Lebens wieder mächtig zu werden, so sei doch gerade s eine Lage ein handgreiflicher Beweis, wie die Gottlosigkeit immer mächtiger ihr Haupt erhebe und das Reich der Finsterniß eine immer drohendere Gestalt an- nehme, indem er nun einen ganzen, öden Winter lang in seiner einsamen Bergfeste habe nnthätig hinbringen müssen, während Herodes Antipas in seinem Schlosse zu Livias fchwelge iind gar nicht daran denke, seinem ehebrecherischen Verhältniß mit Herodias zu entsagen, diese vielmehr dem Prediger der Gerechtigkeit nach der Seele stehe und nicht eher ruhen werde, bis sie Rache an ihm genommen. Ein solches stilles Zusehen, meint Johannes, ein solches Wirken in beschränkten Kreisen, wie Jesus es fort und fort übe, wenn auch auf der einen Seite so herrlich, als sollten alle Wunder der Vor- zeit nun wieder lebendig, ja durch den Glanz der Neu- zeit weit überstrahlt werden, doch auf der andern Seite der gottlosen Welt gegenüber so unscheinbar und macht- los, als sollte diese das Privilegium behalten, die Knechte Gottes zu verfolgen, die Gemeinde des HErrn zu unter- driicken und ihr eigen Thun und Treiben einzurichten, wie es ihr selber gefällt, mache nicht den Eindruck, als sei das Himmelreich nun wirklich da, wie er dies ja als nahe bevorsteheud verkiindigt habe (Kap. Z, 2); er müsse da 104 148 Evangelium Matthäi 11, 4—10. sich porkommem wie einer, der die "Leute übel berichtet, der m einem Jrrthum befangen gewesen, wenn er sich fiir den Abschluß der Wartezeit gehalten habe,. für den Morgenstern, der» der aufgehenden Sonne voranleuchtr. Aber vielleicht ware es ja also, daß er wirklich iii einem Jrrthum befangen gewesen; vielletchtnvolle der HErr er·st selber noch ei»n Vorlciufer Christi sei1i und die Warte- zeit bis dahin»fuhre·n, wo der Mefsias nun wirklich kommen und sein Reich offenbaren werde »— wer aber sollte dann der andere Christus, wer der erst noch kom- 1nende Messias sein, wenn Er, der HErtx nicht Christus selber Ware? Seine Seele komme mit ihren Gedanken da an bei lauter Finsternis; und unlösbaren Räthselty die um so grauennoller ihni entgegenstarreten, je größer die Herrlichkeitz die ihni an Jesn offenbar geworden (.Kap. Z, l6f·.; Joh. 1, 30·ff.): wahrlich, wäre Ei· es nicht, der Heilandund Seligmacher Jsraels, der Brin- ger des Himmelreichs iind Erfüller aller Weissagungen der Propheten, dann serüberhaupt hinter allen Hoff- nungen Jsraels und hinter allen Weissagungeii der Propheten ein —- schreckliches Nichts 4. Jesus [der zu derselbigen Stunde, ivo die beiden Johannisjünger bei ihm ankamen und den Auftrag ihres Nieisters ausrichteten, viele ge- fund machte von Seuchen und Plagen und bösen Geistern, nnd vielen Blinden das Gesicht schenkte Luk. 7, 2»1] antwortete und sprach zu ihnen: Gehet hin nnd »saget Johanm wieder, was ihr sehet Und horet lindem ihr ihm ein treues und anschauliches Bild meiner Thätigkeit in Wort und Werk, die ich hier vor euch entsalte, hinter- bringet]; « 5. FUÄd fasset da alles zuletzt in eine Haupt- summa mit den Worten, auf welche mir viel an- kqmmh zusammen-J Die Blinden» sehen, und die Lahmen gehen; die Lliissatzigen werden rein, und die Tauben horenz ie Todten stehen auf, und den Armen wird das Evan- gelium geprediget ses vollzieht sich also in buch- stäblicher Erfiillung, was die Propheten von den Tagen dessen, der da kommen soll, geweissagt haben Jes. 35, Z; 61, 1; Hesek. 36, 293 37, 5]. » 6. Und [darnach füget aus meinem Munde die. freundliche Warnung Joh. F, »14 f. hiuzuzj selig ist, der sieh nicht an mir argert seiner eingeheiideren Antwort auf die an mich gerichtete Frage aber bedarf es nicht; euer Meister wird sich mit seinen Gedanken nun schon zurecht sinden]. Wir·haben·iii Kap. 9, 27 ff. gesehen, wie Jesus auf alle Weise es jetzt noch vermied, daß er als Mesfias, »als David’s Sohn und als der, der da kommen sollte, im Volke ausgerufen würde; die Zeit dafür war erst in Kap. U, 1·ff. erfüllen Nun hatte Johannes mit seiner Frage ihn in eine Lage gebracht, wo er sich selber in Gegenwart des Volkes dafür hätte erklären müssen, wenn er kurz und rund, unmittelbar und nnverhüllt hätte antworten wollen. Aber ,,Jesus läßt sich nicht fangen, aiich nicht von Johannes« und mit der höchsten Weis- heit verbindet iiim seine mittelbare und verdeckte Ant- wort zugleich die höchste Kraft; sie fügt dem Mesfias- bild, das Johannes a·uf Grund der Stelle Mal. 3, 1sf. sich entworfen, denjenigen Zug ein, an welchem es dem- selben wesentlich noch fehlt, iind leitet deii Frager an, seinen Jrrthnm, da er die erste und letzte Zukunft Christi nicht aiiseiiiandergehalteiy sondern gleich mit dem ersteii Advent das Gericht über die ungläubige Welt und die Erscheinung des Reiches Gottes in Herrlichkeit verbunden hat, zu berichtigen. Die Worte, die er da den Jüngern austrägt, sind Zusammenfassungen aus prophetischen Stellen, aus denen auch die jüdische Synagoge das Bild der mesfianifchen Thätigkeitdes erwarteten Davidssohnes zu zeichnen pflegte; ja diese nannte nach Pf. 72, 17 den Messias geradezu Jinnon (d. i. der da Sprossen bekommt), weil er die Schläfer des Staubes auferwek- keii werde. ,,Johanues hat die Wirksamkeit des HErru auf Gruiid alttestamentlicher Aussagen als die richtige angezweifelt; er hat sich dieselbe mehr so gedacht, wie sie sich aus Jes. 85, 4 ergiebt: ,,Sagt den verzagten Herzen, seid getrost iind fürchtet euch nicht; sehet, euer Gott der kommt zur Rache; Gott, der da vergilt, kommt und wird euch helfenl« oder aus Jes. 61·, Z: »zu predigen einen Tag der Rache unsers Gottes« Er hat die eine Seite der alttestamentlichen Weissagungen hauptsächlich betrachtet, und darüber Verabsäumt, die andere Seite, welche dicht daneben steht, mit in Rech- nung zu ziehen; da ruft ihm denn der HErr die Stel- len Jes. 35, 5 f.; ,,Alsdann werden der Blinden Augen aiisgethan werden, und der Tauben Ohren werden ge- öffnet werden; alsdann werden die Lahmen hüpfen wie ein Hirsch, und der Stummen Zunge wird Lob sagen«, und Jes. 61, 1 »Der Geist des HErrnaHErru ist über mir, darum hat mich der HErr gesalbet; er hat mich gesandt, den Elenden zu predigen, zu predigen ein gnä- diges Jahr des HErrn,« nebst andern ähnlichen in’s Gedächtniß Aus dieser, so bestimmt im Großen iind Ganzen an die alttestamentliche Verheißung sich an- knüpfenden Schilderung der inesfianischen Thätigkeit des HErrii sollte denn der Täufer inne werden, daß diese Art und Weise des Wirkens von dem HCrrn nicht eigen- mächtig gewählt, sondern im Gehorsam gegen Gottes Wort und Willen eingehalten sei. Wenn nun gleich nicht zu leugnen, daß die angeführten jefaianifchen Stel- len nicht von leiblich Blinden, Tauben, Stummen u. s. w. reden, sondern, daß dort geistliche Beschaffeuheiten und Zustände unter diesen leiblicheii Bildern dargestellt wer- den, so gehörte ja zu der vollen Erfüllung der prophe- tischen Weifsagung nothwendig solch eine Uebersetzung aus dem Geistlichen in’s Leibliche, aus deni Jdealeii inss Male, wie Christus sie damals in seinen Wunder- zeichen bollbrachtez denn Er, der wahrhaftig Mensch ge- worden, ist des gaiizen Menschen HErr und Heiland. (Nebe.) Christi Wort an Johannes sagte diesem, wenn auch in verhüllten doch in genugsam verständlicher Rede: »Ich bin, der da kommen soll, und ihr braucht auf keinen andern mehr zu warten; meine iinoergleichlichen Wun- der sowohl, als der Jnhalt meiner Verkündigung, meine Macht über alles Leibliche, wie meine Herrschaft über die Geister, sind die schlagenden Beweise meiner Gott- heit und meines bevorstehenden Erlöfungswerks Kein Blinder kann sich selbst sehend, kein Anssätziger sich rein, kein Tauber sich hörend, kein Todter sich lebendig machen, es kann aiich kein Mensch den andern erlösen, noch Gott jemand versöhnen, er muß es lassen aiiftehen ewiglich. Wer daher Licht, Gerechtigkeit, Vergebung, Leben und Frieden mit Gott giebt, der ist der Heiland; und wer sie empfangen und erfahren hat, der ist ein lebendiger Beweis, daß zu ihm gekommen ist, der da kommen soll, und er keines andern mehr zu warten braucht. (Fr.Arndt.) Johannes hatte anch an der Antwort des HErrn gei- nug;· denn er leibte und lebte in der heil. Schrift und sah jetzt durch das Wort der Propheten, und gerade durch das Wort desjenigen Propheten, in welchem er die Weifsaguiig von sich selbst fand als der Stimme Des HErrn Antwort an Johannes. eines Predigers in der Wüste (Jes.40, Z; Joh. 1»,·23), den Fels des Aergernisses aus dem Wege geraumt. Der HErr weiß aber, wie zähe des Menschen Sinn an seinengsinbgdugiggnsgng vårgefaßtfen MeinungeLnvbhält er wei au , a i er an er o ganz ini ei un Seele in diese einsekitilge Aizsclgauungk von derLFhätigkeit des Messias versent at a ein räftiges ort, eine ernste Warnung ganz ani rechten Orte ist. Er sagt des- lBlMdJInd hseligsgh der sgch rgchtfandmik clktrgkisärgA ar as frü ere on eine em äu er euti e e e, so mußte dieses Wort noch die letzten Schatten vertrei- ben: wenn der HErr denjenigen selig preist, welcher sich iiicht an ihm ärgert, so behauptet er sich zugleich als denjenigen, in welchem die· Seligkeit znjuchen undszzu Lindensiftkz (Nek:e.s NdattFrlK tgractlyten giesiJitZger KE- anni irem e rer iee n or un e ar o - genügend für den ehrlichen Mann«der Wahrheit, sein Aergerniß war gehoben, er verleugnete sich selbst und seine selbst· emachten Meinungen von Jesu Auftreten und Verfa ren, er fühlte von Neuem wieder Find This an sein Ende die Seligkeit eines Menfchen, er en wahren Helfer und Erlöser gefunden hat; die wenigen Tage, welche ihm hienieden noch beschieden waren, waren ein stehender, feierlicher, stiller Advent der Ewigkeit, wo er schauen sollte, was er hienieden» glaubte, ohne es »zu sehen. (Fr. ArndtJ Wir wissen nicht, ob auch der Jun- ger Johannis etliche, namentlich die zwei, die er damals an Jesum abordnete, sich hernach gläubig an Jesum aiigeschlossen; aber das konnen wir sagen, es war dies die einzige Möglichkeit, auch sie von ihrem Unglauben zu heilen, wenn sie ihren Meister selbst zum Schüler Jesu werden, wenn sie ihn durch fein Wort getröstet und von der Anfechtung also aufgerichtet sahen, daß er nun sein Haupt willig und frohlich unter das Schwert des von Herodes abgesendeten Henkers begab. Vielleicht hatte Gott, der HErr, absichtlich die Stunde der An- fechtung über Johannes kommen lassen; als Meister ver- mochte er es nicht, feine Jünger ·Jes1i zuzuführen, so sollte er noch als einer Jhresgleichem als einer, der selber dahin gekommen, daß er allerlei wid er Jesum hatte, ihnen vorangehen aikffdkm Wege, Hwo man,d nachgem man die ganze Trost oig eit eines erzens, as o ne Jesum ist, durchgekoftetz endlich den Frieden sehmeekh der in ihm ist. Den ungläubigen Juden ist die Johan- nisfrage in ihrer ersten Hälfte: »Pist«du, der da kom- men soll?« eine Frage der Verneinuiig geworden, und auf die andere Hälfte haben sie fich sel ft ein Ja zur Antwort gegeben: Ja, wir müssen eines andern warten; zur Strafe dafür haben sie nun auch Johaniiis Unruhe , und Friedelofigkeit zu ihrem Erbe bekommen. 7. Da die ldes Johannes zween Jünger] hingingen sthrem Meister die erhaltene Antwort zu hinterbriiigenL sing Jesus an zu reden zu dem [umstehenden] Volk ldas Ohrenzeuge der eben stattgefundenen Verhandlung gewesen] von Johanna-« Was seid ihr [damals, als ihr in ganzen Schaaren nach dem Jordan strömtet Kap. s, 5] hinaus gegangen in die sdaselbst befind- IicheJ Wüste [Kap« Z- 1 Arm. Z] zu sehen? wolltet ihr [an dem Manne, den ihr dort auf-» sUchtetJ ein Rohr« sehen, das sweil es kein« Mark und keine Kraft zum Widerstande hat wie ein Baum] der Wind hin und her webet [be- weget Jak. I, 6]? 8. Oder sda ihr um eines characterlosen, von jedem äußerlichen Einfluß abhängigen Mannes 149 willen, auf den kein Verlaß ist Jef. 36, 6; Hesek. 29, 6., doch gewiß den Weg nach der Wüste nicht gemacht habt] was seid ihr hinausgegangen zu sehen? wolltet ihr einen Menschen in weichen Kleidern ldein nian’s gleich von außen anmerkt, daß er ein bequemes üppiges Leben liebt] sehen? Siehe, die da weiche Kleider tragen sind in der Könige Häusern [wenn man aber nach der Wüste gehet, so ist’s einem um einen Mann in einem Kleide von Kameelhaaren und mit einem ledernen Gürtel um seine Lenden Kap. s, 4 zu thun]. 9. Oder [ich frage euch zum dritten Mal, iim es euch recht zum Bewußtsein zu bringen, was ihr vormals in Johannes gesucht und wofür ihr ihn auch erkannt habt] was seid ihr hinaus- gegangen zu sehen? wolltet ihr einen Pro- pheten [von der Art derer, die in den Tagen der Väter aufgetreten Luk. 20, 6] sehen? Ia, ich sage euch [das ist Johannes gewesen iin ganzen, vollen Sinne des Worts Luk. 1, 76 f.], der auch srücksichtlich der Zeit, in der er aufgetreten, und rücksichtltch der Botschafh die er ausznrichten hatte] mehr ist, denn-in sprophet svon der früheren Art, so daß er nicht blos ein Prophet schlechthim sondern selbst ein Gegenstand der Prophezeiung und ein Gegenstand des Wartens in Israel seit Jahr: hunderten gewefen]. 10. Denn dieser ist’s, von dem [bei dem letzten von jenen alten Propheten, Mal. 3, I] geschrieben stehet: Siehe, ich sder HErrJ sende meinen Engel soder Boten] vor dir [dem kommenden MessiasJ her, der deinen Weg swenn nun die Zeit da ist, daß du erscheinen sollst] vor dir bereiten soll« [auf daß du Zugang zu den Herzen findest und sie im Glauben dich auf- nehmen]. V) Das Volk hatte zugehört, als Johannis Jünger im Namen ihres Meisters die Frage anfechtender Zweifel dem HErrn vorlegten, und hatte die Antwort Jesu ver- nommen; in der letzteren aber lag neben aller Ermun- teruiig etwas Tadelndes, wie fast immer, wenn Gott seine Heiligen ermuntert, Demüthigung beigemischt ist. Und die Frage selbst war ja von der Art, daß sie einen üblen Schein auf Johannes bringen konnte, wenn man nicht des Täufers Seelenzustand würdigen und die hei- lige, wahrhaftige, gerade Einfalt seines Venehmens ver- stehen konnte. Das Volk konnte Anlaß nehmen, von Johannes geringer als bisher zu denken; der ganze Vor- fall konnte dazu beitragen, Iohannem so in Schatten zu stellen, daß auch seine Liebe zu dem HErrn und sein Gehorsam gegen ihn verdunkelt worden wäre. Das wollte Jesus nicht; er liebte und ehrte den frommen Boten, den er vor sich hergesendet hatte, und hielt ihm deshalb eine wunderschöne Vertheidigungsrede. (Löhe.) Die himmlische Weisheit trifft für jedes ihrer Worte " und Werke die rechte Zeit, und sie lobet mit Vorsicht und weiser Sparsamkeit, selten so, daß der Gelobte es hier inne wird. Das Urtheil des HErrn über Johannes hätte den Jüngern desselben bei ihrer damaligen Ge- nittthsstimmnng nachtheilig werden können, und ihm 150 selbst mochte es auch besser sein, daß es ihm hienieden verborgen blieb. (Menken.) Die Welt lobt in’s Angesicht, hinter dem Rücken tadelt sie: die göttliche Wahrheit inacht es umgekehrt. (Bengel.) Jesus war durch die Frage des ehrlichen Johannes nicht im mindesten be- leidigt worden; er vertheidigt ihn vielmehr. (Heubner.) Der HErr eilte, das Ansehen des Täufers, welches dieser mit seiner Sendung selbst erschüttert hatte, durch sein Lob wieder herzustellen. (P. Lange) Es ist kein ge- wöhnliches Wort, es ist eine gewaltige Rede aus beweg- tem Herzen, zu welcher der HErr jetzt seinen Mund öffnet; und wenn die Evangeliften solch ein Wort be— richten, bedienen sie sich gern der umständlichen Rede- weise, wie hier (vgl. V. 20; 4, 17; 5, 2): ,,Jesus sing an zu reden.« (Nebe.) V) Das Volk, damit es nicht an dem Täufer und hierdurch mittelbar an ihm selbst irre werden möchte, erinnert Jesus vor allem an den Eindruck, den Johan- nes zur Zeit seines prophetischen Wirkens aus sie ge- macht: wahrlich nicht ein Rohr, gleich den anderen Rohren der Wüste zu sehen, noch einen Menschen in weichen Kleidern, seien sie hinansgeftrömt, sondern in der Gewißheit, einen gottgefandten Propheten zu hören. (Ebrard.) Mit dem ersten Bilde verneint Jesus, daß Johannes ein im Glauben schwankender Mensch sei, mit dem zweiten, daß er aus Weichlichkeit, selbstsüchtigem Jiiteresse, feiger Liebe zum Leben ihn mit seiner Bot- schaft gedrängt habe; beide Bilder aber berufen sich darauf, daß seine Zuhörer den Johannes schon von früher her als einen ganz andern Mann kennen, dieses Gefühl der Ehrfurcht will er in ihnen auffrischen. (P. Lange.) Jesus kannte den Johannes besser, als dieser sich selbst. (Heubner.) Der HErr erinnert das Volk an die Zeit, wo Jahannes noch in der Wüste war und predigte, wo sie hinausgeströint waren zu ihm. »Was seid ihr hinausgegangen in die Wüste zu sehen? wolltet ihr ein Rohr sehen, das der Wind hin und her wehet?« So fragt er —- und seine Frage, die Art, wie er sie sprach, ohne Zweifel auch die Geberde, welche er dabei annahm, waren so , daß eine Antwort über- flüssig war. Ein jeder merkte wohl, daß nach dem Sinne Jesu ein vom Wind bewegtes Rohr das Gleich- niß nicht war, das auf Johannes paßte. So hatten sie auch von Johannes nicht gedacht; etwas der Art konnte allenfalls eben erst in den Seelen derjenigen sich geregt haben, welche die Frage der Jünger des Täufers ver- nommen hatten. Ein Rohr, nein, das war auch Johannes nicht; der Wind hatte keine Macht über ihn. Wohl ging ein starker Wind, wohl stand Johannes in inneren Stürmen der Anfechtung; aber des Windes Wehen riß ihn nicht auf eine andere Seite, als zuvor, vielmehr neigte er sich desto ernstlicher zu Jesu, sandte, da er selbst nicht gehen durfte, seine Jünger zu Jesu, und das Auge und Ohr seiner Seele hing ganz an Jesu Munde. Gerade das Benehmen Johannis in seiner Anfechtung bewies, daß er kein Rohr war, sondern daß Treue und Beständikeit gegenüber Jesu die Tugenden waren, welche siegreich aus dem Kampfe gingen. Wohl dem, den alle seine Anfechtungen Jesu näher bringen, der sich allezeit festhält an ihm! Ja, wohl dem! Dem dient Wind und Sturm wider Willen z1ir Fahrt, der ist ein Beweis, daß alle Dinge denen zum Besten die- nen müssen, die ihn lieben. —- ,,Jesu treu,« das war des Täufers erstes. Lob aus des HErrn Munde; und ,,unbestechlich rechtschaffen und wahrhaftig ,« das ist sein zweites Lob. Darum fragt der HErrx ,,Oder was seid ihr hinausgegangen zu sehen? wolltet ihr einen Men- schen in weichen Kleidern sehen? Siehe, die da weiche Kleider tragen, sind in der Könige Häusern.« Durch diese Rede trat des Täufers unbestechliche Wahrhaftigkeit Evangelium Matthäi 11, 1 1 —- 15. in helles Licht: jedermann wußte, daß er nicht i1i Hero- dis Haus, sondern in Herodis Kerker war; jedermann wußte auch, warum , daß es um der Wahrheit willen war; jedermann wußte, daß es hätte anders sein kön- nen, daß Johannes ganz wohl in des Königs Haus hätte kommen können. Es war nicht Ungeschick, nicht Rohheit, was ihm den Mund gegen den König aufge- than hatte. Er war eines Priesters Sohn, des Geistes Zögling von Jugend auf: wer will dem ein edles, ehr- surchtgebietendes Benehmen auch vor Königen abspre- chen? Herodes hörte ihn gern, hatte ihn lieb; er hätte Einfluß bekommen, groß werden können am Hofe, wenn er dazu nicht zu groß gewesen wäre, wenn es für ihn eine Stelle an diesem Hofe gegeben hätte, eine Stelle, seiner Werth, wenn er nicht zu untadelig und unnahbar gewesen, zu vollkommen, zu gerecht iind zu bescheiden die Wahrheit gesprochen und damit zu tief in Herzen und Gewissen gesprochen hätte. Er ging drum nicht in des Königs Haus, sondern wie es sein muß, wenn die Bosheit und das Laster herrscht, er ging in des Königs Kerker, wie andere Propheten vor ihm, und der Kerker an sich focht ihn nicht an. Er dachte nur, nun sollte Jesus steigen; wenn er abnähme , müßte Jesus zuneh- wen, das war der Gedanke, der ihn durchdrang und der ihm zur Anfechtung gedieh. Wenn man sich’s denkt: Johannes m weichen Kleidern! — gewiß, das paßte nicht; darum aber könnte man meinen, es wäre die Be- merkung, daß Johannes kein Mann in weichen Kleidern, überflüssig gewesen. Man könnte sagen: wer im Winde kein Rohr ist,»der wird auch nicht durch der Könige Gunst und weicheKleider verderbt Man könnte es sagen; aber· es ist besser, man sagt’s nicht, sondern schlägt an seine Brust, denn es ist doch nicht wahr. Der Umgang»d»er»Hoheii, die weichen Kleider, der Sonnen- schein koniglicher Gunst hat mehr als einen, der im Sturme fest stand, innerlich weichlich gemacht, entnervt, getodtet für Gottes Reich; und es ist drum gerade das Lob , welches aus das Gleichniß vom Wind und Rohr kommen muß, daß Johannis kein Mann in weichen Kleidern ist, sondern ein Prophet im Kerker. — Ja, ein Prophet ist er; denn Gott» hat ihn auserwählt, von Mutterleib an ausgerüstet, ihm einen Auftrag gegeben zu weissagen von dein, der da kommen soll, ihn Gesichte sehen lassen, wie keinen Propheten, ihn Thaten thun lassen wie keinen ,- denn dieser hat Gott im Fleisch ge- sehen und den Menschgewordenen getauft. Er ist ein Prophe»t, es ist wahr; aber ein besonderer, ein Prophet, dem sein Stuhl allein gesetzt werden muß, denn sein Prophetenamt hat· sich in das Amt eines Engels auf- gelost. » Drum bleibt auch Christus nicht bei dem Pro- phetentitel Johannis stehen, sondern er eilt weiter und nennt ihn Engel, sein en Engel. »Was seid ihr hin- ausgegangen zu sehen? spriiht er: wolltet ihr einen Propheten sehen?« u. s. w. Es hat viele Propheten gegebennm alten und neuen Bunde, aber Engel des HErriiist keiner als Johannes; schon Maleachi hat ihn im Geist einen Engel, genannt, und der HEXE, vor dem er herging, bestätigt ihm diese Würde. Johannes war ein Engel, nicht von Natur, sonderndem Dienste nach: wie die EngeldesvHErrn Boten stnd, so war es auch Johannes; wie die Engel vor dem HErrn stehen, so stand Johannes vor dem HErrn und ging in seiner nächsten Nähe; wie die Engel des HErrn Geburt ver- kündigten, so verkündigte Johannes sein Kommen; wie die Engel unmittelbar dem HErrn dienen, so diente er ihm selber, unmittelbar, denn er ta1iste ihn; wie die Engel auf Erden ihr Gefihäft verrichten uud von der Erde nichts begehren, so that der Engel Johannes seines Berufes Geschäftydaiin eilte er von hinnen zur ewigen Stadt. Er lief seinem HErrn voran in der Geburt, im Des HErru Rede ans, Volk über Johannes. 151 Lehr- und Prophetenamh in der Schmach und im Tode, ja endlich auch in dem Hingang zum Vater. (Löhe.) Zum Ersten lobt der HErr Christus den Johannes wegen der Vestiindigkeit, und trifft damit der Juden unbeftiindige Meinung, als wollte er sagen: Ihr seid wohl am ersten zugelaufen und habt wollen hören, was da Neues wäre , und habt ihn angesehen, wie die Kuh ein neu Thor ansiehet, fragt nicht viel darnach, wer er sei und was er predigt; denn jetzt, nun er im Gefäng- niß liegt, meint ihr, es sei nun mitsseinem Amt und Predigt aus und sei noch nirgend kein Christus kommen, davon er gesagt habe. Zum Andern lobt er ihn wegen der Härti keit der Kleider, als wollt er sagen: Johannes is nicht ein solcher Hofpredigey der von zeit- lichem, weltlichem Reich, Gütern, Ehre, Gewalt und guten Tagen predige oder einen Christum zeige, der solches bringe, sondern ist hart und rauh bekleidet und führt eine harte, scharfe Predigt, darob man leiden muß, nicht Wollust und sanft Leben davon zu gewarten ist; darum ist er auch nicht ein Prediger für die, die wohl das Evangelium würden annehmen, wo sie es genießen könnten und ihnen gäbe, daß sie reich davon würden, aber daß sie sollten mit einem Pfennig ihre Dankbarkeit gegen das Evangelium erzeigen, da kann sie niemand dazu bringen. Zum Dritten lobt er ihn wegen der Würdigkeit seines Amts, daß er nicht allein ein Prophet sei, sondern mehr denn ein Propbet, als wollt er sagen: eure fliegenden, webenden (hin und her sich bewegenden l. Mos. l, 20) Gedanken halten ihn für einen Provheten, der von dem zukünftigen Christo und von zukünftigen Dingen weissage, wie die an- dern Propheten gethan haben, damit ihr abermal eure Gedanken hinausgehen lasset auf eine andere Zeit, da- rin ihr Christi wartet gegen das Zeugniß Johannis, daß ihr mich ja nicht annehmet; aber ich sage euch, eure Gedanken sind falsch, denn er ist nicht ein Propheh sondern ein Engel, d. i. ein mündlichersh Bote (Hagg. I, II; Mal. 2 , 7; Luk. 9 , 5«2), und nicht allein ein Bote, daß er gesandt würde von dem Herrn, der daheim bleibt, sondern der vor dem Angesicht seines Herrn her- lauft und bringt den Herrn mit sich, daß es Eine Zeit ist, die Zeit des Boten und des Herrn. Denn gleichwie er wehrt, daß ihr nicht wartet auf einen Andern (V.7), auch nicht auf eine andere Geberde und Form, denn die ich habe (V. 8), also wehrt er auch, daß ihr auf keine andere Zeit wartet, sondern sein Zeugniß trifft diese Person, diese Geberde und diese Zeit, und so begegnet er euren schliipfrigeii Gedanken auf allen Orten und bindet euch fest an mich. (Lnther.) s «) »Wir müssen der Schrift gewöhnen, daß ange111s, welches wir einen Engel heißen, ist eigentlich soviel gesagt als ein Bote — nicht ein Botenläufer, der Briefe trägt, sondern der gesandt wird, mündlich zu werben die Botschaft. Also ist dieser Name in der Schrift gemein allen Gottesboten im Him- mel und auf Erden, es seien die heil. Engel im Himmel oder Propheten und Apostel auf Erden. Denn also spricht Mal. 2, 7 von dem Priesteramh die Lippen des Priesters bewahren die Lehre, und aus seinem Munde soll man suchen das Gesetz Gottes, denn er ist ein Engel desHErrn der Heerschaaren Und Hagg 1, 13: es sprach Haggah der Engel des HErm Item Las. 9, 521 " Jesus sandte Engel vor seinem Angesicht in ein Dorf der Sa- mariter. Also sind es alle Gottes Engel und Werbeboteiy die sein Wort oertündigen; daher auch Evangelium kommt, das eine gute Botschaft heißt. Die himmlischen Geister aber heißen sonderlieh Engel, daß sie die höchsten und edelsten Boten Gottes sind« 11. Wahrlich, ich sage euch [die erhabene Würde und theokratische Bedeutung dieses Mannes euch nochmals zum Bewußtsein zu bringen], Unter allen, die von Weibern geboren [und also noch nicht von Gott geboren Joh I, 13., wenn auch mit dem heil. Geiste erfüllt] find, tst nicht aufkommen, der größer sei, denn Johannes, der Täufer; der aber der Kleinste ist im Himmelreich sdas nun, nachdem die Zeit des alten Bundes in ihm ihren Höhepunkt und zugleich ihren Abschluß gefunden hat, mit dem von einem Weibe Geboreuen Gal. 4, 4; l. Mos. 3 , 5 seinen Anfang genommen], ist größer, denn ert fund habt ihr damit die Er- klärung, wie es gekommen, daß selbst dieser so hochstehende und ausgezeichnete Knecht Gottes in etwas irre und schwach werden konnte hinsichtlich seiner Erkenntniß der Geheimnisse des Himmelreichs —- er steht eben doch noch außerhalb dieses Reichs]. 12. Aber sdamlt ihr eurerseits verstehn, welch eine hochwichtige, bedeutsame Zeit die ist, der ihr selber angehört, so wichtig und bedeutsam, wie keine je gewesen, sage ich ferner:] von den Tagen Jvhannith des Täufers sseit derselbe in Israel auf- getreten und mit seiner Taufe und Predigt die Nähe des Himmelreichs bezeugt hat], bis hieher [wo der von ihm Angemeldete Kap. Z, Its. nun wirklich erschienen, und auch ferner die ganze Zeit des neuen Testaments über] leidet das Himmelretch Gewalt [indem es mit Sturm angelaufen wird —- nach anderer Deutung: bricht das Himmel: reich mit Gewalt hervor]; und die Gewalt thun sden Sturmanlauf auf dasselbe unternehmen] die reißen es fwie eine eroberte Kriegsbeute] zu sich «« fund gelangen so in den ersehnten Besttz desselben]. 13. Denn alle Propheten sin unmittelbarer] Und das Gefetz fin mittelbarer Weise] haben ge- wetssaget [und somit das Heil und den Heiland erst von zukünftigen Tagen erwarten lassen] bis auf Johannemrkr fbis mit diesem die Zukunft nun zur Gegenwart und das erwartete Heil zu einem, in dem unmittelbar auf ihn folgenden Heilande nun auch wirklich erscheinenden geworden ist]. 14. Und — so ihrs wollt annehmen smit richtigem Verständniß erfassen und zu weiterer Er- wägung beherzigen, damit ihr nicht mehr falschen Erwartungen nachhängt, vielmehr eure Zeit erkennet für das Ende der prophetischen Weissagung und den Anfang der mefsianischen Erfüllung, einer Erfül- lung, die nun unaufhaltsam im Gange bleiben wird bis zur allerseligften Vollendung] —— er sdiefer Johannes, der Täufer] ift [jener] Elias, der da lUTIch Mal» 4- 5] zuktmftig fein [dem kommenden Mefsias vorausgehen] follf [Kap. 17, 12]. 15. Wer Ohren hat zu hören, der höre-H [Kap. 13, 9. 43; Ofsenb. Z, 7 u. s. w.]. *) Minimum maximi majus est maximo minimi: das Kleinste vom Größeren ist (allemal) größer als das Größte vom Kleineren (Maldonatus.) Jesus wollte nicht überhaupt (als wozu sich gar keine Veranlassung fand) erklären, entscheiden, welcher von allen Menschen Kleinere im neuen Bunde oder sogar 152 Evangelium Maithäi 11, 16— 18. in s ich s elbst, als Mensch betrachtet, der größte, heiligste, vollkommenste sei, wollte nicht sagen: dieser Mensch Jo- hannes ist heiliger, vollkommener, größer als Abraham, Moses und David, größer und auf der Wage der ewigen Gerechtigkeit schwerer wiegend als Noah, Daniel, Hiob und jeder andere vom Weibe Geborene; wohl aber wollte erihn in seinem Verhältnisse zu dem Wort und Reiche Gottes, in seinem Verhältnisse zu Gott und zu den Menschen darstellen. Also als Prophet (vgl. Luk. 7, Es) ist er unter allen sterblichen Menschen der größte, der ausgezeichtnetsta und· zwar weil inseiner Person, m seiner Geschichte und· seinem Zeugnisse sich beides zusammen fand: Verheißung und Erfüllung, Prophezeiung und Evangelium. (Menken.) Durch sein Amt bekam der Täufer eine eigenthümliche Stellung, indem er auf dem Uebergange des alten zum neuen Bunde stand: er war der Ring der Kette, durch den die beiden Kreise des religiösen Lebens in einander grei- fen, gehörte aber seiner ganzen Lebensrichtung nach noch dem alten Testauiente an. (Olshausen.) Schlechthin er- haben über der alttestamentlichen Ordnung der Dinge steht das Hiinmelreich als der Zustand der Vollen- dung, dessen Vorstufe nur die mit Johannes, ihrem höchften Vertreter, ablaufende Theokratie ist. (Meyer.) Johannes ist Bild des Standes der Buße; wer wirk- lich in’s Innere, in’s Gnadenreich eingedrungen, zum Fvollen Genuß der Gnade gelangt ist, ist größer, seliger, u als wer noch in der Buße steht. (G Tom) Was der er Kleinste vor jenem Größten voraus hat, das ist vor allem der volle Versöhnungsfriede und der damit gewonnene Leidens-, Todes- und Kreuzesmuth, das Wartenkönnen von der ersten Zukunft Christi auf die zweite, das Versenktseiii in die Geduld Christi, womit zugleich die Ensaltung des Geistes Gottes zum heil. Geist in ihm gesetzt ist. (P. Lange) Zu beachten ist der Unterschied zwischen de1i von Weibern Geborenen und dem vom Weibe Geborenen — ein ähnlicher Unterschied wie zwischen Menschen und des Menschen Sohn. Jn der alt- testamentlichen Theokratie giebt es nur von Weibern Ge- borne, nur Menschen; im Himmelreich ist der Größte der vom Weibe Geborne, des Menschen Sohn, er ist dessen König, die Glieder dieses Kreises aber stellt Joh. 1, 13 in ihrem Unterschied von denen des alten Bundes dar. Wen Jesus nun zunächst mit den »Klein- sten« im Himmelreich im Sinne habe, ergiebt sich da- raus, daß er damals, als er diese Worte redete, kurz zuvor die«12 Apostel ausgefendet; zur Zeit waren diese nur erst »Kleinere,« bis sie hernachmals den heil. Geist empfingen, aber schon auf diesem ihrem noch unterge- ordneten Standpunkte sollten sie billig vom Volke noch mehr gehört und beachtet werden, als Johannes der Täufer und alle Propheten. - «) Wie der Mann groß ist, den Gott der HErr als seinen Vorläufer für das nun erscheinei:de Messiasreich erweckt hat, so ist auch die Zeit segensreich, in der er wirkt; desto strafbarer sind also die, welche sie nicht nutzen. (Olshausen.) Bei den Worten: »Das Himmel- reich leidet Gewalt« könnte man sich eine Gewalt ver- gegenwärtigem die dem Himmelreich angethan, durch die ihm gewehret, von der es beschränkt würde. Gewalten dieser Art, feindliche, neidische, hindernde, fehlten zur Zeit Jefu und seines Heroldes keinesweges; in allerlei Formen erschienen sie, zu allerlei Mitteln griffen sie. Eben sie meint der Heiland mit der Klage (Kap. 23, 13; Luk. 11, 5·2): ,,Wehe euch, Schriftgelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler, die ihr das Himmelreich für die Menschen verschließt; ihr kommt nicht hinein, und die hinein wollen, lasset ihr nicht hinein. Wehe 2c.« Doch im Texte wird ihrer nicht gedacht. Wenn Jesus versichert, das Himmelreich leide Gewalt, so will er sagen, es ist in gewaltiger Bewegung, ungewöhnliche Kräfte regen stch, große Dinge gehen vor, viel geschieht für die Menschheit in diesem Augenblick; das Heil ist im Ge- burtskampf. »Und die Gewalt thun, reißen es zii sich.« Der allgemeine Sinn dieser Behauptung liegt nicht minder vor Augen: wer’s auf Gemeinschaft mit mir anlegt, der gewinnt sie; wer, was er hat, daran setzt, daß er in das Reich Gottes eingehe, der kommt hinein; wer trotz fremdem Vorurtheil und eigener Sinnlichkeit nicht abläßt, bis er eindringe, wie schwierig es auch werde, dem öffnet sich die enge Pforte. Es gehöret nichts dazu, als Gewalt thun: Philipp. Z, 8. (Dräfeke.) Das Himmelreich, das ehedem fern war, dringt jetzt mit Gewalt vor. I. Was Gott thut: es wird von Gott mit Kraft und Herrlichkeit ausgebreitet; Gott legt es recht dringend a1i’s Herz; selbst auch bei Widerstand und Verfolgung dringt es durch. II. Was Menschen thun: die, die Gewalt braucheii, die durch alle Hinder- nisse vou innen und außen, unter Mühe, Anstrengung und Kampf nach dem Himmelreich ringen, sich darnach reißen, die erlangen es. Christus bezeichnet die Zeiten starker Ertoeckung; in solchen ist viel zu gewinnen, aber auch viel zii verlieren. (Heubner.) Es muß sich gegen- seitig entsprechen des Himmelreichs treue, ernste Bemü- hung um des Menschen Gemiith, und des menschlichen Gemüths Suchen nnd Sehnen, Bediirfen und Trachten; wie es Gotte ein Ernst ist, den Menschen selig zu machen, so muß es auch deni Menschen ein Ernst sein, selig wer- den zu wollen. Reuig, müde der Sünde, müde der Täuschungen des Wesens der vergänglichen Eitelkeit, muß erunbeweglich entschlossen sein, das höchste Gut sich das Hdchste sein und alles fahren zu lassen, was ihm den Besitz und Genuß desselben unmöglich macht. Und so muß er Gewalt anwenden gegen sich selbst und gegen die Welt; nur dem unbeweglich Entfchlossenem nur dem, der Gewalt anwendet, gelingt es, ein seliger Genosse des himmlischen Reichs zu werden. (Menken.) »Das Himmelreich leidet Gewalt« — ein tiefes, vollsinniges Wort! Es kann heißen: es wird mit Gewalt verkün- digt, mit Gewalt bestritten, mit Gewalt gesucht — in jedem dieser drei Sinne ist es wahr. Zuerst: »von den Tagen Johannis des Täufers bis hierher leidet das Himmelreich Gewalt,« heißt soviel als, es wird seitdem laut und vernehmlich, gleichsam von den Dächern herab gepredigt; es bietet sich den Menschen an mit einer Kraft und einem Nachdruch wie nie in friiheren Zeiten; es ist in gewaltiger Bewegung, solche Kräfte wie jetzt sind nie auf die Bahn gebracht worden; eine ganz neue Zeit ist seidem angebrochen, es ist Frühling geworden im Geisterreiche und Ströme des Segens ergießen sich belebend über Alt und Jung. So konnte der HErr mit Recht sprechen; denn bis auf Johannes den Täufer dauerten die Tage des alten Bandes, wo auch die größ- ten Propheten nur eiii verhältnißmäßig eringes Licht hatten und das Reich Gottes sich innerhalb! enger Gren- zen, nur unter Israel, hielt. Jetzt aber, nachdem die Weifsagung nnd Offenbarung 400 Jahre geschwiegen, kam es mit Macht und wurde nicht mehr in Schatten und Vorbildern streng und sparsam verkündet, sondern in Wahrheit, Gnade und Fülle. Jetzt war die Zeit da, wo jedem, der mit Ernst und Eifer hinzudrang, die Thür des Himmelreichs offen stand. Ja, das war ein schöner Segen, wenn er mit den Jüngern ging, auf den Feldern, auf den Wegen jedes Herz wie Maieiiregen seinen Trost, sein Wort empfing. Sodann hat der Ausdruck: »Das Hiinmelreich leidet Gewalt« den Sinn: es wird mit Gewalt bekämpft, bedrängt, gedrtickt und von feiiidseligen Mächten ihm hart zugesetzn Kaum war Johannes mit seiner Bußpredigt aufgetreten, da Des HErrn Urtheil über das Geschlecht seiner Zeit. 153 regte sich schon der Neid im Hohenrath und man schickte Gefandte zu ihm, ihn zu fragen, wer er sei nnd wer ihm die Macht gab, also zu taufen und zu predigen; und wenige Monate später saß der freimüthige Zeuge der Wahrheit im Gefängniß und erwartete den Märtyrer- tod. Kaum hatte Jesus am ersten Osterfest in Jerusa- lem den Tempel gereinigt, da hieß es schon: was zeigst du uns für ein Zeichen, daß du solches thun Mögest? Ein Jahr später klagten sie ihn an, er sei ein Sabbath- schänder und ein Gotteslästerey und trachteten darnach, wie sie ihn tödteten. Drei Jahre später blutete er am Kreuz und hauchte unter dem Hohngelächter der Hölle und dem Spott seiner Feinde sein theures Leben aus. Aber noch einen dritten Sinn läßt unser Texteswort nicht nur zu, sondern fordert ihn auch: das Himmel- reich wird mit Gewalt gesucht. Jesus konnte das sagen von seiner Zeit; denn es war damals in der Mensch- heit überhaupt, besonders aber in Jsrael, eine Gluth der Sehnsucht, ein Verlangen nach einem veränderten Zustande um so mächtiger hervorgebrochen, je länger dasselbe zurückgedrängt worden war. Unter Juden und Heiden regte sich ein mächtiger Eifer und Ernst für das Göttliche, der es mit wahrer Heilsbegierde aufnahm: die Weisen aus dem Morgenlande, der Hauptmann zu Kapernaum, das cananäische Weib, die Griechen am Palmsonntage (Joh. 12, 20 ss.) machten einen kleinen, aber lieblichen Anfang der Bekehrung der Heiden; eine Zeit der Erweckung ging über den Erdball hin, in der viel und eifrig nach Seligkeit gerungen und der Him- mel gleichsam gestürmt wurde. Wie die Patriarchen das Land Canaan schattenweise einnahmen, unter Mose dann mit mehr Ernst, daß sie bis an die Grenze kamen, unter Josua aber mit vollem Sturm und Gewalt: so hatten die Vorväter das geistliche Eanaan auf Erden nur schattenweise eingenommen, zu Johannes Zeit ge- schah es dann mit mehr Ernst, unter Christo aber mit voller Gewalt. Und wie, wenn irgendwo reiche Almo- sen ausgetheilt werden, die Armen schaarenweis von allen Seiten herbeidrängen und jeder der erste sein, keiner die günstige Gelegenheit versäumen will; so hielt sich Israel, wider den Willen seiner Priesterschaft sogar, zu Christo und fürchtete den Haß derselben nicht. (Fr. Arndt.) Das Evangelium wird nicht vergeblich gepredigt; es giebt Leute, die es hören und heftig lieben. also daß sie Leib und Leben an Gottes Wort wagen. Die Gewissen, wenn sie das. Evangelium vernehmen, dringen sie hinzu, daß ihnen niemand wehren kann. (Luther.) · THE) »Weissagung, Offenbarung und Verkündigung des Zukünftigen war die Sache der Propheten; von der Zukunft ließen sie das Heil und den Heiland, das Reich Gottes und den König dieses Reiches erwarten; aus et- was Vorhandenes, Gegenwärtiges konnten sie nicht hin- deuten und sagen: das ists, odert dieses ist’s. Sie predigten das Jahr der Gnade und des eils, den Tag der Rache Gottes, zu trösten alle Tranrigen; aber sie konnten nicht sagen: siehe, jetzt, heute ist der angenehme Tag, dies ist die Zeit der Heimsuchung und Gnade. Mit Johannes aber hörte die Weissagung gewissermaßen auf: Johannes weissagte nicht; Johannes deutete nicht, wie alle vor ihm, auf Tage der Zukunft hin; er sprach von dem Gegenwärtigen, nicht von dem Kommenden, sondern von dem, der gekommen, der da sei und durch ihn offenbart, erkannt und angenommen werden solle und mit dem das Himmelreich vorhanden sei. Mit Johannes änderte sich auf einmal die Sprache der gött- lichen Gesandten und Boten, die Prophezeiung wurde Evangelium, das Zeugniß von der Zukunft Zeugnis; von der Gegenwart, die Verheißung des Kommenden Botschaft von dem Gekommenen, die Ermahnung zu stillem, gläubigem Harren Einladung herzu zu kommen nnd das nun vorhandene Heil in Vesitz und Genuß zu nehmen. Die ganze Schrift des alten Testaments, was ist ste anders, als prophetifches und symbolifches Zeugniß von dem Messias uud seinem ReicheT mit Jo- hannes aber fängt dies Zeugnis; an ein historis ches zu werden» — f) Hiermit antwortet er auf eine andere heimliche Frage, nämlich: ehe denn das Gesetz und die Propheten aufhören werden, soll Ia Elias kommen, wie Mal. 4, 5 sagt; wenn sie nun jetzt aufhoren sollen, wer ist denn der verheißene Elias? Ei: antwortet: »Johan- nes ist der Elias, der da soll zukiinftig sein,« d.» i. von dem vorher geweissagt ist. Jhr irren indem ·i«hr auf den persönlichen Elias wartet, da doch Malachias nicht von Elisa, dem Thisbtten, fandern ohne eine gewisse Person zu bestimmen, von«Elia einem Propheten redet. Deswegen spricht er: »»sd Ihrs wollt annehmen,« d. i. wenn ihr wollt Gehör geben und euch belehren und eure Meinung fahren lassen: eben Er (Johannes) ist der Elias« Aber gleichwie ihr mich nicht für denHErrn erkennet, also erkennt ihr auch ihn nicht ftir meinen Elias. (Luther.) — H) Dies Wort pflegte der HErr zu gebrauchen, wenn er das, was er gesagt hatte, in seinem tieferen Sinne und in seiner reicheren Vedeutung von den Zuhörern beherzigt und erwogen haben wollte. Er fügte es auch jetzt zu seiner Rede hinzu, damit sie merken möchten, wie wtchtig für sie alle das sei, wie nahe sie alle das angehe, was »er von· Johannes dem Täufer, seinem Zeugnisse und seiner Zeit bezeugt hatte, daß darin ein Zeugnis; von ihm selbst als dem gekommenen Messias liege, und daß es ·also setzt auf sie ankonime, des Reiches Gottestheilhastig zu werden«. Es beginnt mit diesem Wort die Anwendung des bisher Gesagten auf die Zuhörey die« dann im Folgenden weiter fortge- setzt wird. (Menken.) 16. Wem foll ich aber [wenn ich nun darauf sehe, wie die Genossen der gegenwärtigen so be- deutungsoollen Zeit den beiden Trägern dieser Zeit gegenüber sich Verhalten] dies Geschlecht sder großen Mehrheit in Israel] derglc1chen? Es ist [in seinem zerfahrenen, parteisüchtigem unzufriedenen Wesen] den Kindlein gleich, die [unter dem Thoreingang einer Stadt, wo sie sich zum Spiel mit einander eingefunden haben Kap. 9 , 35 Anm.] an dem Markt siszen sunmuths und mit einander schmollend, daß es zu keinerlei Spiel, weder zu einem sröhlichen noch zu einem ernsten, kommen will] nnd rufen gegen ihre Gesellen [die eine Partei der andern die Schuld daran zur Last legend], 17. Und sprechen sdie ersten ihrerseits zu den zweiten]: Wir haben euch gepfiffew nnd ihr wolltet nicht tanzen; sund die zweiten andererseits zu den ersten:] wir haben euch geklageh nnd ihr wolltet nicht weinen. 18. lJn der That geberden die Genossen dieser Zeit uns, dem Johannes und mir gegenüber sich wie solche unter einander uneinige Kinder, die selber nicht wissen, was sie wollen, weder auf diese noch ans jene Weise zufrieden zu stellen sind, sondern in jedem Falle sich abwenden, man mag so oder so ihnen beizukommen versuchen] Johannes [zuvor] ist kommen, as; nicht und trank nicht sführte eine, seiner Bußpredigt entsprechende äußerst enthaltsame Lebensweise Kap. 3, 4; Luk. 7, 33]; so sagen sie: 154 Er hat den Teufel [ist von einer Melancholie be- sessen, wie« sie nur von einem bösen Geist ihm ein- gegeben sein kann, daß er so von allem Lebensgenuß sich fern hält Ioh. 10, 20]. » Ist. Des Menschen Sohn [darnach] ist kommen, isset Und trmket slegt sich weder nasiräische Selbst: beschränkungen noch äußerliche Fasteniibungen auf, nimmt vielmehr an Hochzeiten und Gastmählern, zu denen-er geladen wird, ohne Rückhalt Theil]; so sagen sie:· Siehe, wie ist» der Mensch ein Fresser und ein Weinsaufer, der Zollner und der Sunder Geselle« lKatx 9, 11]. und die kso nach beide« Seiten hin von diesem Geschlecht verdächtigte und verworfene] Weisheit [Gottes, die das Heil der Seelen zuerst durch Johannes Auftreten vorbereitet hat und nunmehr durch mein Erscheinen es auch verwirklicht und herbeiführt] muß sstatt selber vor denen, die nun einmal sich nicht sagen lassen, sich rechtfertigen zu wollen] sich rechtfertigen [als das, was fie·ist, als göttliche Weisheit und seligmachende Wahrheit, darstellen und erweisen] lassen von ihren Kindern [die sie aus denen, die das Herz ihr öff- nen, sich erzeugt und heranbildet — an ihnen wird es ja zur Erscheinung kommen, daß das Recht auf ihrer Seite und das Unrecht auf Seiten ihrer Wider- sacher ist Sprichw. 1, 20—-33]. V) Die Ausleger sind untereinander in Widerstreit, wie dies Gleichniß von den Kindern auszudeuten nnd anzuwenden set. Gewöhnlich vertheilt man die beiden Parteien der Kinder so, daß auf der einen Seite die- jenigen stehen, die da gepfiffen und geklagt haben, auf der andern Seite aber die, welche weder tanzen noch weinen wollten; und da entscheiden sich nun die meisten Ausleger dafür, daß mit der ersten Partei Johannes und Jesus gemeint seien, mit der andern dagegen die weder auf Johannis Bußpredigt noch auf Jesu Heils- predigt eingehenden Juden, während andere Schrift- erklärer das Verhältniß unikehrem die zum Spiel, zu- erst zu einem Hochzeittanz mit dem Pfeifen, nnd sodann zu einem Leichenbegängniß mit dem Klagen die andern auffordern, sind die Juden, die Gesellen hingegen, welche den Vorwurf erfahren, daß sie hätten der eine nicht tanzen und der andere nicht weinen wollen, sind Johannes und Jesus. Eine jede von beiden Erklärungs- weisen kann zutreffende Gründe für sich geltend machen nnd bringt dann auch einen zutreffenden Sinn heraus. Die erstere findet sich vor allem (nach Chrysoftomus Vorgange) bei Luther: ,,Predigt man das Evangelium, so hilft’s nichts, predigt man das Gesetz, so hilft’s aber nichtsz man kann sie weder recht fröhlich, noch recht trau- rig machen.« Ebenso bei Menken: »Mit den Kindern, die da spielten, wie es gespielt sein mußte, verglich Jesus sich selbst und den Johannes; mit jenen Kindern aber, worüber sich die Klage der Gefpielen vernehmen ließ, daß sie das Spiel verderben, daß mit ihnen nichts an- zufangen sei, daß sie weder dem Scherz noch dem Ernst des Spiels entsprochen hätten, verglich er seine Zeit- genossen« Die andere Erklärungsweise hat außer an- dern Auslegern besonders an P. Lange ihren Verthei- diger: »Man hat wohl zu beachten, daß die Kinder, die als redend eingeführt werden, als launische dargestellt werden sollen, die in Einem Athemzuge jetzt Hochzeit, jetzt Leiche spielen wollen mit ihren Genossen, und nun sich darüber beklagen, daß ihre Genossen darauf nicht Evangelium Matthäi 11 , 1 9 —— 23. eingehen. Damit scheint denn allerdings das Geschlecht jener Zeit bezeichnet zu sein, wie es sich dem Täufer und Christo gegeniiberftellte, oder auch jede Zeit in der Art, wie sie ihre Propheten meistert, nämlich mit der höchsten Jnconsequenz die ihrer eigenen Worte vergißt; diese Jnconsequenz scheint gerade die Spitze der Ver- gleichung zu sein. So wollten also die Kinder, welche verlangen, daß die Propheten nach ihren Pfeifen tanzen, dem Johannes eine heitere Hochzeitsmelodie Vorspielen, während er das Volk zu einem Trauerfeste berief, und sofort in demselben Athemzuge wollten sie dem HErrn eine Todtenklage halten, während er das Volk zum hei- tern Hochzeitfest der neutestamentlichen Freiheit berufen wollte-« Jndesfen fühlt man beiden Erklärungsweisem so sehr sich auch eine jede auf ihre Art empfiehlt, doch sofort ab, daß sie insofern an einem und demselben Feh- ler leiden, als sie den Johannes und Jesum mit in den Kreis der spielenden Kinder hineinziehen; dies ist offenbar etwas Verkehrtes, das einem erst dann zum vollen Bewußtsein kommt, wenn man nun die Worte des HErrn durch erklärende Umschreibung in ihrem Sinne darlegen will, wie sich unser Bibelwerk dies zur Auf- gabe gesetzt hat. Wir sind da zu einer dritten Erklä- rnngsweise als der allein richtigen hingedrängt worden; Olshaus en deutet sie an: ,,Beide Klassen von Kindern, die redenden wie die angeredeten zusammen sind als die Repräsentanten der launischen Zeitgenossen Jesu an- zusehen, so daß der Sinn der ist: dies Geschlecht gleicht einer Schaar verdrießlicher Kinder, der nichts recht zu machen ist, die eine Hälfte will dieses, die andere jenes, und so kommt es zu keiner zweckmäßigen Thätigkeit unter ihnen« Wenn sonach Johannes und Jesus ihre Stelle im Gleichniß nicht unter den Spielenden selber haben, so können wir diese ihre Stelle allein in den beiden Spielweisen sinden, mit denen die Kinder sich zu schaffen machen. Schon das ist eine Anklage der Zeit- genossen, daß sie überhaupt als spielende Kinder auf- treten, welche die bedeutsamsten Vorgänge im Leben der Erwachfenen nachäffen, statt aus ihrem eigenen Kindes- herzen und Kinde-sieben den Stoff zu ihrer Unterhaltung zu entnehmen. ,,Spielen, das ist es, was die Men- schen wollen; spielen, nicht arbeiten. Nur Leichtes und Angenehmes, nicht Großes und Ernstes, bewegt sie; von unsichtbaren Gütern vollends, von Erreichung himm- lischer Zwecke oder Verwirklichung göttlicher Gedanken, von täglichem Fleiß und Kampf dafür, von nachdrucks- vollem Durchgreifen bei sich selbst und bei Andern zur Ehre des Errn, ist keine Rede« Die Kinder nun, in denen sich er Zeitgeist darstellt, der mit allem spielen will, sogar mit dem Heiligsten, mit der Religion, können nicht eins unter sich werden: was der eine will, will der andere nicht, und gegen das, was dieser· vorschlägt, hat wieder jener viel einzuwenden; ein jeder ist theils selbst zu klug, daß er alles besser wissen will als die andern, theils zu eigensinnig, um auf einen andern ein- zugehen. »Der Unterschied in der Lebensweise des Täu- fers und Jesn war sehr weise von Gott eingerichtet, um den Unterschied zwischen Gesetz und Evangelium recht fiihlbar zu machen; dennoch war den Jsraeliten weder die Strenge, noch die Milde recht, an Johannes tadel- ten sie die große Enthaltsamkeit und nannten ihn einen Wahnsinnigen und Besessenen, weil die Besessenen in Wüsten und Einöden zu wohnen liebten, nnd bei Jefu stießen sie sich wieder an seiner geistigen Freiheit und freundlichen Herablassung zu den Sündern und schalten ihn einen Lebemann.« — ,,Abfprechen über alles, was vorkommt, und verwerfen, was nicht behagt, das ist’s, was die Menschen lieben; nur absprechen und verwerfen, dann haben sie freie Hand — was sie verworfen haben, das können sie unberiiilsichtigt lassen, und was keine Rück- Des HErrn Weheruf über die galiläischen Städte. 155 sicht verdient, das ist abgethan.« —- »Der Geist der Zeit ist ein launenhafter und veränderlicher: er ist wie die Volksg1inst, die heute in den Himmel erhebt und mor- en mit Steinen wirft; er ist wie Ftirstengunst, die heute zu Gnaden annimmt und morgen sallen läßt. Jetzt ist er Gluth für eine neue Erscheinung im Gebiete der Kunst, der Wissenschaft, des Vaterlandes, der Kirche; nach einigen Monaten ist die Gluth schon abgekühlt oder hat sich wieder einem neuen Gege1istande zugewandt. Fragt einmal, wer seit 5 Jahren in der Volksgunst alles gestanden hat und mit wem man in fast rasender Ueber- spannung Abgötterei getrieben: welche Namen stehen da auf der Tagesordnung, und wie schnell haben sie ge- wechselt! So wetterwendisch ist der Character der Zeit; immer will sie Neues nnd Anderes, immer entscheidet die Laune des Augenblicks. Nur in einem ist der Zeit- geist consequent, und darin vom heil. Geiste Gottes durch und durch geschieden und unterschieden, daß seine Angst immer ist: nur nicht zu fromm, nur nicht zu christlich, nur nicht zu oft in die Kirche gegangen, nur nicht im- mer nach der Bibel hören, nur nicht einseitig werden und für Christum allein Partei nehmen« VII) Die ewige Weisheit rechtfertigt sich eigentlich nie gegen die Welt; denn die Welt lässet sich iiicht sagen, nimmt keine Belehrung a1i und bleibt bei ihrem Dünkel und in ihrer Rechthaberei. So lässet sie es denn vor der Welt immerhin das Ansehn haben, als habe sie Un- recht; aber ihre Rechtfertigung erfolgt so, daß die bessern, die Wahrheit liebenden Menschen ihrer inne werden. (Menken.) Diese, wie so manche Worte des HErrn, gleichen vielseitig geschliffenen Edelsteinen, die ihren Glanz nach mehr als einer Seite hinsenden —- eine Eigenschaft, die schon geistreicheu Sentenzen irdischer Weisen nicht fremd ist; für sich allein betrachtet können sie in mannigfaltiger Weise bedeutsam erfaßt werden, aber im Zusammen- haiige mit Vorhergehendem und Nachfolgendem muß freilich eine Bedeutung die hervorstechende sein. Der Ausdruck »die Kinder der Weisheit« leitet nun offenbar zunächst auf einen Gegensatz mit dem Vorhergehenden hin, wo die Kinder der Thorheit geschildert waren in ihrem unverständigen Urtheil. Der Gedanke wäre dann dieser: die Weisheit aber (die von unverständigen ge- tadelt wird) ist gerechtfertigt, vertheidigt, als weise dar- gestellt von Seiten ihrer KinderFnämlich durch ihr Be- tragen gegen ihre Anordnungen. Einen besonderen Reiz gewinnt aber dieser Gedanke, wenn man bedenkt, daß die Schrift von der Weisheit nicht als von einem ab- strakten Begriff, sondern als von einer himmlischen Per- son redet, ja Jesus sich selbst die Weisheit nennt (Luk. 11, 49 vgl. mit Matth. 23, 34). Dann erscheint der Erlöser hier als von seiner göttlichen Natur aus red d, iind die Wortform ,,wurde gerechtfertigt,« wie es Grundtext heißt, gewinnt damit eine eigenthüniliche Be- deutung. Dieselbe Erscheinung, die er in der Gegenwart rügt, daß die unverständigen an den Wegen der Weis- heit Anstoß nehmen, hat sich zu allen Zeiten dargestellt; aber zu jeder Zeit haben die Kinder der Weisheit ihre Mutter gerechtfertigt und werden es auch jetzt wieder thun. Der Erlöser erscheint daher hier als der Spender alles geistigen Segens von je an, als der Erzeuger aller irdischen Repräsentanten der Weisheit von Anbeginn der Welt, die nun in ihrer ganzen Fülle und Herrlichkeiy den Entwickelungs ang beschließend, endlich persönlich sich darstellt. (Ols ausen.) Jmnier giebt es Einzelne, welche die himmlische Weisheit aufnehmen, welche sie vertreten und ihres Geistes Kinder werden; diese sind aber von jeher für sie eingestanden und haben ihr Recht, ihre Gerechtigkeit behauptet und gerechtfertigt mit ihrem Wort und Leben. Die Kinder der Weisheit stehen stets für das Recht derselben ein, wie die Kinder für ihre Mutter einstehen. (P. Lange.) 20. Da swenn wir mit dieser Scene, ivo Jesus- so schwer über das Geschlecht seiner Zeit klagen mußte V. 16 ff» gleich eine andere verbinden, da er V, Jahr später Galiläa nun verlassen· hatte und mit schmerzlich bewegtem Gefühl auf die Er: folglosigkeit seiner Wirksamkeit daselbst zuruckblickte Lin. 10, 13—15] fing er anfdie Stadte zu schelten, in welchen am meisten seiner» Thaten ge- schehen waren, und hatten sich doch nicht gebessert: St) Dem äußeren Anschein nach hat Matthäus mit der vorigen Rede Christi hier eine andere aus spaterer Zeit verbunden, zu der er an der rechten, zeitgeschicht- lichen Stelle keine Gelegenheit hatte, weil er »von der Aussendung der 70 Jijnger (Luk. 10, 1·fs.) nichts be- richten wollte; wie er nun in Kap.« 10 mit der· Instruk- tionsrede an die Zwölfe theilweis gleich die an die Siebzig zusammen erzählte, so , scheint es, hat er den hier mitgetheilten Abschnitt aus der letzteren sich absicht- lich bis jetzt aufgespart, weil er bei Aussendung der Zwölfe den HErrn noch nicht also konnte reden lassen, sondern erst jetzt, bei der Klage über das gegenwartige Geschlechb Indessen liegt doch mehr als menschliche Weisheit in dieser so zweckmäßigen Zusammenordnung; hätte der HErr auch wirklich mit dem Munde damals die Worte noch nicht gesprochen, als er· über das Ge- schlecht seiner Zeit klagte, so lag doch« in seiner Klage schon der Anfang zu jenem Weheruf, den er später vernehmen ließ, sein Herz sing bereits an, von der Klage zu einer Anklage überzugehen. Und wenn ·er dann mit seinem »Wehe« die genannten Stadte bereits an das Gericht der Verblendung und Verstockung dahin gab, so sehen wir dieses auch im 12. Kap. anfangen sich zu verwirklichen: es ist nunmehr für das gegenwärtige Geschlecht die nämliche Zeit herbeigekommem die für das alte Geschlecht in Israel bei der Berufung des Propheten Jesaia im Todesjahr des Königs Usia vor- handen war (Jes. 6 , 10 Anm.), daher txllch M dem weiteren 13. Kap. bei den Gleichnissen, die der HErr zum Volk redete, er vor seinen Jüngern solc