LEBEN JA - ABER WOHER?

Die Chance zum Leben

Kommt her zu mir! So ruft Jesus. Er geht damit Leuten auf den Wecker. Man will diesen Ruf nicht hören. Die Kirche soll doch beruhigen, nicht rufen! Ruhe ist die erste Bürgerpflicht!

Aber Jesus ist nicht ruhig, weil ihn die Lage der Leute beunruhigt. Niemand darf ruhig sein, der um diesen Ruf weiß. Gemütlicher wäre es daheim, friedlicher im eigenen Vorgarten, ruhiger in der netten Nachbarschaft. Aber vom Schaukelstuhl aus ist eben keine Rettungsaktion möglich. Religiös lackierte Gartenzwerge sind unnütz. Gottes Ruf lässt sich nicht mit einer netten Plauderei über den Lattenzaun hinweg erledigen. Mag Ruhe die erste Bürgerpflicht sein, die erste Christenpflicht ist sie nicht.

Kommt her zu mir! So ruft Jesus. Ihr Mühseligen, kommt! Ihr Beladenen, kommt! Ihr Gebeutelten, kommt! Ihr Kaputten, kommt! Ihr alle, kommt her zu mir! Ist das nicht die Chance zum Leben?

Doch, eine echte Chance, weil er sagt: Ladet ab! Stellt euch einen Jahrmarkt vor: Buden, Stände, Tische, Wagen. Aber nicht nur Teppiche und Spielmobils und Lose werden gehandelt, sondern auch Menschen, richtige Menschen. Also ein Sklavenmarkt des letzten Jahrhunderts. Hier stehen sie unter der sengenden Sonne. Hier leiden sie unter den eisernen Jochstangen. Hier zerren sie an den rostigen Ketten. Hier warten sie auf einen Käufer oder den Tod.

Dann kommt einer auf den Platz. Einer, der stehenbleibt, der verhandelt, der seinen Lederbeutel zückt, der Geldnoten herauskramt, der sagt: Lade ab! Komm her! Sei mein Eigentum! Riesiger Jubel über einem Leben, das durch diese Chance neu lebenswert geworden ist!

Diese Ärmsten sind wir. Wir sind nicht Herren der Welt, sondern Sklaven der Sünde. Wir sind nicht Käufer, sondern Verkaufte. Wir sind die Unterjochten und tragen unser Joch: kein Studienplatz. Krach mit den Eltern, Einsamkeit trotz Disco, Alkohol, Nikotin. Wir haben

die Last auf dem Hals.

Dann kommt Jesus. Er bleibt stehen, er verhandelt, er bezahlt; nicht nur mit ein paar Geldnoten, sondern mit seinem eigenen Leben.

Er kann es sagen: Leg ab! Deine Probleme, deine Schwierigkeiten, deine Verzweiflung, leg alles ab! Du Angebundener, du Geketteter, du Lastträger, komm her! Sei mein Eigentum! Welche Freude könnte bei dir aufbrechen? Welche Befreiung könnte passieren! Welcher Jubel

könnte über deinem Leben liegen?

Doch, eine klare Chance, weil er sagt: Nehmt auf! Stellt euch einen Jahrmarkt vor: Buden, Stände, Tische, Wagen. Alles wird gehandelt, sogar Joche, richtige Joche. Also ein Viehmarkt alter Zeiten. Heute sind Joche durch ledernes Geschirr ersetzt worden, das dem Ochsen um den Hals gelegt wird. Damals wurden sie aus Holz hergestellt. Man nahm den Tieren Maß und fertigte sie fachgerecht an. Man gab sich alle Mühe, damit es gut saß und nicht scheuerte. Nur mit dem richtigen Joch lässt sich richtig arbeiten.

Und dann kommt einer auf den Markt, von dem die Legende berichtet, dass er als Zimmermannssohn von Nazareth die besten Joche in ganz Galiläa hergestellt haben soll, dass über seiner Werkstatt das Firmenschild gehangen habe: Gutsitzende Joche! Zu schön, um wahr zu sein. Aber dieser Jesus kommt und sagt: Nehmt auf! Nehmt mein Joch auf! Lasst euch bei mir einspannen! Keiner wird in die eigene Freiheit entlassen, sondern in seinen Dienst gestellt. Keiner soll eigene Wege gehen, sondern in seine Spur treten. Keiner soll sich aus dem Staub machen, sondern an seinem Karren ziehen.

Jesus will jeden gebrauchen. Er verteilt Aufgaben. Er stellt in den Dienst. Und weil sein Joch gut sitzt, deshalb können wir darunter nicht wundscheuern.

Du magst dich gegen die Leitung der Jungscharstunde wehren und tausend Ausreden haben: die Leitung ist dir angemessen! Du magst dich um die Teilnahme am Schülerbibelkreis drücken und dich auf dem Pausenhof tummeln: diese Teilnahme ist dir angemessen! Du magst die stille Zeit verpennen und dir die Decke über die Ohren ziehen: diese Zeit ist dir angemessen! Du magst das Opfer für zu hoch halten und lieber eine Cola trinken: dieses Opfer ist dir angemessen! Seine Aufgaben sind dir auf den Leib geschnitten.

Seine Dienste reiben dich nicht auf. Erst in seinem Geschirr lässt sich richtig leben, denn sein Joch ist ein Doppeljoch. Er selber ist an unserer Seite. Jesus treibt nicht an, sondern zieht mit. Er legt sich selber ins Zeug und zieht den Wagen mit, vor den wir gespannt sind. Er ist wirklich sanftmütig und von Herzen demütig. Wer auf Jesus verzichtet, verzichtet auf keine fromme Idee, sondern auf eine starke Zugkraft, die jeden Karren aus dem Dreck zieht.

Doch, eine letzte Chance, weil er sagt: Packt's jetzt! Noch einmal der Jahrmarkt: Buden, Stände, Tische, Wagen stehen nicht immer dort. Einmal werden sie zusammengeklappt und abgeräumt. Teppiche, Spielmobile und Lose verschwinden in den Koffern und Kisten. Händler, Verkäufer, Marktheuler rufen nicht immer. Einmal packen sie ihre Siebensachen und machen sich aus dem Staub. Es gehört zum Wesen des Markts, dass er zeitlich begrenzt ist. Es gehört zum Wesen des Sonderangebots, dass es nicht ewig feilgeboten wird. Es gehört zum Wesen des Rufs, dass er nicht dauernd erklingt.

Jetzt ist Markt! Jetzt gilt das Sonderangebot! Jetzt wird gerufen: Kommt her zu mir! Wir haben die echte Chance, unsern Buckel von aller Last freizubekommen und neu durchzuatmen. Wir haben alle Chancen zum Leben. Nur müssen wir zupacken.

Jesus ist kein Leierkastenmann, der am nächsten Markttag wieder an der Ecke steht und an seiner Kurbel dreht: Auf jeden Dezember folgt wieder ein Mai.

Jesus ist kein billiger Jakob, der im Abonnement seinen Standplatz einnimmt und alle Jahre wieder seine Sprüche klopft. Jesus ist der weiterziehende Sohn Gottes, der seinen Ruf in die Worte einbettet: Jetzt ist die angenehme Zeit! Jetzt ist der Tag des Heils.

Man kann diesen Ruf hören oder überhören. Man kann diese Einladung annehmen oder ablehnen. Man kann diese Chance nützen oder verpassen. Wer dies begriffen hat, ergreift die Chance und sagt: Herr, ich komme!

Ihm ins Netz!

Der Fisch im Wasser

Dort ist sein Element. Er kann sich nicht auf der Wiese räkeln. Er kann auch nicht durch den Wald spazieren. Er kann erst recht nicht durch die Lüfte schweben. Dieses Tier braucht sein Element. Erst dort kann es atmen. Erst dort kann es existieren. Erst dort kann es leben. Der Fisch muss ins Wasser, und zwar in kein trübes Abwasser, sondern in klares Quellwasser.

Der Fisch muss im Wasser sein, und der Mensch muss in Gott sein. Dort ist sein Element. Er kann sich nicht nur auf der grünen Wiese religiösen Gedanken hingeben. Er kann sich nicht nur im Wald und auf der Heide an der Natur ergötzen. Er kann sich nicht nur im Traum fromme Luftschlösser bauen. Der Mensch braucht sein Element. Erst dort kann er atmen. Erst dort kann er existieren. Erst dort kann er leben. Der Mensch muss dort hinein, nicht in eine trübe Strömung der Zeit, sondern in den klaren Strom der Ewigkeit.

Aus den Ergüssen unserer Köpfe und Herzen kommen oft genug Gifte, an denen Menschen sterben. In dem lebendigen Wasser dagegen, das nach Psalm 36 aus der Quelle des Lebens von oben herab sprudelt, ist Leben möglich, ganzes Leben, gesundes Leben, volles Leben. Entdecken Sie die Quelle des Lebens wieder. Es gibt gar keine gute Gabe, die nicht aus dieser Gottesquelle stammt. Es gibt gar keine vollkommene Gabe, die nicht von oben herab zu uns kommt. Aus Gott fließt jener Lebensstrom, der unser Element bildet und in den wir hinein müssen, wie der Fisch ins Wasser.

Der Fisch am Haken

Dort ist unsere Gefahr. Am Wasser taucht nämlich eine Gestalt auf. Es ist kein harmloser Spaziergänger, der den Fischen zusieht, sondern ein versierter Ufergänger, der es auf die Fische abgesehen hat. Der Mann ist ein Angler. Fischfang ist sein Interesse. An der gefangenen Forelle hat er seinen Spaß. Natürlich weiß er, wie man das macht. Er stößt keine Lockrufe aus oder erteilt gar Befehle an die Tiere: »Nun aber einmal raus aus dem Wasser und rein in den Eimer.« Fische werden nicht gerufen, sondern geködert. Deshalb hat er eine ganze Büchse voll verschiedener Köder, die, je nach Lage der Dinge, an seiner Angelschnur befestigt werden.

Einmal versucht er es mit dem Blinker, dann mit der künstlichen Fliege, dann mit der Mühlkoppe oder dem Kotauge. Und jedesmal gerät der Fisch in höchste Versuchung. Er wird angelockt, er umkreist den Köder, er schnappt zu. Dann hängt er fest an der Angel.

Dann ist er fest in der Hand des Anglers. Dann ist er verloren.

Der Fisch am Haken. Dort ist auch unsere Gefahr. Am lebendigen Wasser nämlich, nicht am toten Teich, taucht immer eine Gestalt auf. Es ist kein armer Teufel, der mit Pferdefuß und Schwefelgestank alles zum Teufel jagt, sondern »Gottes Teufel«, wie Luther bemerkte, der als abgefallenes Geschöpf es auf alle Geschöpfe abgesehen hat. Der Satan ist ein Angler. Menschenfang ist sein Interesse. An den gefangenen Leuten hat er seinen Spaß. Natürlich weiß er, wie man das macht. Er lockt nicht, wie man einen Vogel lockt oder befiehlt wie ein Tyrann: »Der Teufel ist ein hoher Geist«, hat der große schwäbische Theologe Albrecht Bengel gesagt. Menschen werden geködert. Deshalb hat er ein unerschöpfliches Arsenal von Dingen, die er uns vor die Nase hält. Bei Kain war es die Eifersucht, die ihn übermannte. Bei Achan war es eine Stange Gold, der er nicht widerstehen konnte. Bei Simson war es eine Frau, die ihm in die Augen stach. Bei Absalom war es eine Königskrone, die er so sehnlich sich wünschte.

Was ist es bei uns? Wo sind wir besonders gefährdet? Wie fischt er uns aus dem Lebenswasser? Mit einem schnellen Wagen, mit einem flotten Freund oder gar mit einem Buch, einem Film, einem Videoband? Der Versucher kennt uns bestens. Der Teufel ist ein glänzender Psychologe. Der »Affe Gottes« beherrscht jeden Trick. Deshalb wird jeder von einer ganz spezifischen Sache angelockt. Man umkreist sie in Gedanken, Tag und Nacht, die Gefahr wird darum immer größer, und eines Tages schnappen wir zu. Im selben Augenblick aber hängen wir fest. Wir sind fest in der Hand des Anglers. Er mag uns noch etwas Leine geben und einige Züge erlauben. Aber dann schleudert er uns aus unserem Lebenselement ins Todeselement. Wir sind verloren. Der Mensch am Haken. Dort ist seine Gefahr.

Der Fisch im Netz

Dort ist seine Rettung. Ich erinnere mich an das sogenannte Abfischen auf dem See. Vor Weihnachten kam der Fischwasserbesitzer, um die größer gewordenen Fische in einen anderen See zu bringen. Er rief sich Leute aus dem Dorf zusammen, um mit ihnen diese Arbeit zu tun. Dann zogen sie ein großes Schleppnetz durch das Wasser und fischten die Tiere ein. Und wer ich nicht einfangen ließ oder durch die Maschen schlüpfte, war kein freier Fisch, sondern das gefundene Fressen für die Angler, die jetzt ihrem Sport erst recht frönen durften. Der Fisch im Netz war gerettet.

Gott will uns nicht nur mit allen guten Gaben versorgen, sondern uns auch einen guten Ort besorgen, an dem wir ewig leben können. Sein Reich ist die Krone des Lebens. Deshalb kam er an Weihnachten zu uns, um dies zu ermöglichen. Er ging durchs Dorf und rief den Petrus und Andreas und Jakobus und Johannes: Folget mir nach, ich will euch zu Menschenfischern machen! Erstaunlicherweise ließen sie alles stehen und liegen und packten an. Dann zogen sie miteinander das große Schleppnetz Gottes durch den Strom der Zeit. Weil sie nicht fertig wurden, langten die Nächsten zu. Immer fanden sich welche bereit, Handlanger bei Gottes letztem Abfischen zu spielen. Und Unzählige, die sich einfangen ließen, merkten: der zieht uns in die richtige Richtung. Der gibt uns das, was wir nötig haben. Der bewahrt uns vor dem Bösen. Bei Jesus Christus ist Rettung. Wohl dem, der ihm ins Netz geht.

Esel oder Fisch?

Alexamenos hat er geheißen, so wie heute einer Alexander oder Alex heißt. Weil dieser Sklavenjunge überdurchschnittliche Begabung zeigte, wurde er als Stipendiat aufs Internat nach Rom geschickt, um dort für kaiserliche Dienste ausgebildet zu werden. Gleich am ersten Tag der Ankunft ließ sich der Neue auch von einer übermütigen Schülerbande nicht abhalten, sein Abendgebet zu verrichten. Prompt wurde dieses Kuriosum belächelt und befragt: »Zu wem betest du denn? Zum Jupiter? Zur Venus? Zu Merkur?« »Zu Jesus«, antwortete der getaufte Christ, »der in Bethlehem geboren wurde, der in Nazareth aufwuchs, der in Kapernaum predigte, der in Bethanien Wunder getan hat, der in Jerusalem gekreuzigt wurde, der. . .«

Weiter kam er mit seiner Antwort gar nicht, weil der ganze Saal in schallendes Hohngelächter ausbrach: »Zu einem Juden betest du? Zu einem Verurteilten? Zu einem Gekreuzigten? Was für ein Witz!«

Am nächsten Morgen hat er die Quittung: in die Wand hineingekratzt ein Gekreuzigter mit dem Eselskopf, daneben ein Junge mit betenden Händen und darunter der Satz: Alexamenos betet seinen Gott an. Diese Wandkritzelei stempelte ihn mitsamt allen Christen als Esel ab. Das war wahrlich kein leichter Einstand. Es gibt freundlichere Spitznamen in der Schule. Esel lässt sich keiner gerne schimpfen. Wenn er trotzdem bei der Stange blieb, so sicher deshalb, weil er bei der Gemeinde geblieben ist. In freien Stunden stahl er sich davon, lief unbeeindruckt von Tempelhallen und Triumphbögen durch die Straßen der Stadt bis zu jener geheimen Treppe, die steil nach unten führte. Dort in der Katakombe mischte er sich unter jenes armselige Häuflein von Sklaven, Unfreien und Bedrückten, die sich besonders an Jesu Wort hielten: »Wo zwei oder drei zusammen sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen.«

Dort in der Untergrundkirche entdeckte er jene ganz andere Wandkritzelei, die schon im 1. Jahrhundert als Geheimzeichen der Christen auftauchte: ein Fisch. Sicher ist sie als Ideogramm entstanden, als Schriftzeichen, denn das griechische Wort Fisch ist die Abkürzung für »Jesus Christus, Sohn Gottes, Heiland«. Daraus wurde dann das Ikonogramm, ein Bildzeichen, das Gläubigen den Weg zu den Versammlungen und Gebetsplätzen gewiesen hat.

Schließlich entwickelte sich daraus das Monogramm In Christen überhaupt, das sich bis heute auf Bildern, Kreuzen, Taufschalen oder Kirchentüren wiederfindet.

Alexamenos wusste: Nicht Esel, sondern Fisch; nicht Dummheit, sondern Klugheit; nicht Verhöhnung, sondern Krönung. Alexamenos lebte im Zeichen des Fisches. Wir alle leben im Zeichen des Fisches, nicht im astrologischen Tierkreiszeichen, das uns nichts zu sagen hat, sondern im theologischen Bildzeichen, das uns alles sagt, nämlich: »Jesus Christus, Sohn Gottes, Heiland«.

Ich habe ihn

Ich habe niemand... So erklärte der junge Mann: »Ich habe keinen Menschen zum Aussprechen.«

»Quatsch«, fuhr der andere dazwischen, »du hast doch einen Vater!« »Vater sagst du, Vater? Der Alte hat doch keine Zeit für mich; schichten, Kegel schieben, Stammtisch.«

»Und deine Mutter?« fragte der andere. »Ja, die schmiert jeden Morgen die Brote, aber die hat doch keine Ahnung, was in mir vorgeht.«

»Jeder Mensch hat Freunde!« stellt schließlich das Gegenüber fest.

»Freunde hast du gesagt? Du meinst Kumpels, Kollegen, Kameraden, aber Freunde? Nein, ich habe niemand.«

Ein moderner Dichter sagt es so: »Wir reden, weil es tödlich uns umschweigt, wir jagen die aus Angst zur Tat Verfluchten, die immer nur die eigene Fratze zeigt.«

Die Psychologen nennen diesen Zustand den »Verlassenheitskomplex« und suchen die Ursache in der vernachlässigten Kindererziehung. Die Bibel nennt es Privatisierung Gottes und sucht die Ursache in der Abkapselung unseres Glaubens. Weil wir Gott einsam gemacht haben, sind wir einsam geworden. Weil wir Gott nicht mehr sprechen lassen, hören wir nichts mehr von einer väterlichen Stimme. Darum aber geht es im Gebet, im Gottesdienst. Dort wird der Name Jesus Christus bekannt. Wer aber Jesus kennt, kann fröhlich sagen: »Ich habe Ihn.«

Schlag ein!

Mittagshitze am See. Fischer hocken am Ufer und flicken ihre Netze. Auch Petrus ist dabei und sein Bruder Andreas. Dann taucht Jesus auf, hält die Hand hin und sagt: Schlagt ein! Vergesst eure Netze! Fangt Menschen! folgt mir!

Petrus sieht sein Boot, die Ruder, die Angeln, seinen ganzen Garnelenbetrieb. Und Jesus sagt: Schlag ein! Petrus denkt an seine Mutter, seine Schwester, seine ganze Verwandtschaft, die auf seinen Geldbeutel angewiesen ist, und Jesus sagt: Schlag ein!

Petrus hört schon das Dorfgelächter und den beißenden Spott über einen Frömmler, und Jesus sagt: Schlag ein!

Mit tausend Tauen ist er an seine Heimat, an seine Familie, an seinen Beruf gebunden, und Jesus schlägt sie wie mit einem Schwert durch und sagt: Schlag ein!

Dieser Herr hat also an der Strandpromenade keine Matratzen verteilt und seine Hand den Leuten unter den Kopf gelegt, damit sie ohne Sorgen fromm vor sich hindösen können. Jesus will keine Genießer, sondern Genossen. Deshalb hält er die Hand auf, um von dem abzuhalten, was uns lieber werden könnte als die Liebe zu ihm.

Einer sieht seine Kameraden, die vom Jugendkreis abhängen und am Wochenende als Punker und Popper nur noch die Disko besuchen. Wie abgeschlagen steht er alleine auf weiter Flur. Und Jesus sagt: Schlag ein!

Eine sieht ihren Freund, der einfach super ist, aber für Jugendkreis, Gottesdienst und

Glaubensfragen nur ein müdes Lächeln übrig hat. Gerne würde sie mit ihm gehen, und Jesus sagt: Schlag ein!

Am Seeufer wäre Petrus vergammelt. Erst in der Nachfolge ging ihm die Größe dieses Herrn auf. Nur wer sich von Liebem trennen lässt, wird den lieben können, der uns lieber werden soll als alles andere auf der Welt.

Laufe mit!

Nein, Gott sitzt nicht im Himmel. Er läuft und läuft, bis er auf der Erde ist. Von Nazareth nach Jerusalem zieht er die Bahn. Überall ruft er: Ich bin der Weg. Und als sie ihn empört ans Kreuz nageln, da hat nicht der Tod die Macht gewonnen, sondern da ist dem Tod die Macht genommen. Die Bahn Gottes ist eine Durchgangsstraße zur Ewigkeit. Dort aber will er nicht alleine bleiben. Er will Mitläufer, Mitarbeiter, Mitkämpfer. Deshalb ruft er. Nicht weil wir so gute Marschierer wären. Nicht weil wir besondere Qualitäten hätten. Nicht weil wir uns besonders qualifizierten. Keiner ist dieses Rufes wert. Lahme Enten sind wir, hinkende

Boten, erbärmliche Stolperer! Trotzdem ruft er: laut, jeden, dich!

Sein Vorsatz muss auf unseren Absatz durchschlagen. Wir dürfen uns nicht seitwärts in die Büsche schlagen. Wir können uns nicht auf dem Strom der Zeit abtreiben lassen. Wir sollen uns nicht über Schleichwege durchs Leben quälen. Die Bahn Gottes ist trassiert. Heute werden uns Füße gemacht.

Jesus will Weggenossen, die zu Wegweisern werden. Laufe mit!

Kennen Sie Gott?

Der junge Mann, von dem uns die alte Gleichnisgeschichte berichtet, hatte keinen antiautoritären Komplex. Er hatte nur die panische Angst, sein Vater könnte ihm die Freiheit beschneiden. Deshalb bat er um sein Erbteil. Erstaunlicherweise schlug der Vater nicht Krach. Er schlug nicht mit der Faust auf den Tisch uns sagte nicht: »Ist das der Dank für eine zwanzigjährige Erziehung? Oh, Undank ist der Welt Lohn!« Nein, er gab ihm das Geld. Der Vater hat seinen Sohn nicht gezwungen. Gott zwingt überhaupt niemand. Jeder darf gehen. So ist Gott!

Der Sohn geht. Er hat alles, was sein Herz begehrt. Und dann? Der Sohn landet bei den Schweinen. Er macht die bittere Erfahrung, dass diese Freiheitssuche in der größten Unfreiheit endet. Dann kehrt er um. Die Geschichte kommt jetzt erst zu ihrem Höhepunkt.

Was wird der Vater tun? Muss er ihn nicht wie einen Hund vom Hofe jagen? Muss er ihm nicht die Tür weisen, die der Sohn selbst zugeschlagen hat? Muss er nicht gerechterweise sagen: Wenn schon, dann schon! Was tut der Vater? Das Gleichnis sagt: Er fiel ihm um den Hals und küsste ihn.

Wenn Sie ein Beispiel für Treue suchen, hier ist es. Treue rechnet nicht ab und nicht auf, Treue rechnet zu. Treue bezahlt nicht mit der Münze heim, mit der ihr bezahlt wird. Treue durchbricht den uralten menschlichen Grundsatz: do ut des, ich gebe, damit du gibst. Treue schenkt, wo kein Anlass zum Schenken da ist. Der gerechte Gott übt Treue. So ist er!

Allerdings hat die Treue Gottes eine Voraussetzung. Auch davon berichtet unsere Geschichte. Der Sohn, der so voll Stolz aufgebrochen war, steht in Lumpen vor seinem Vater. Er hat alles durchgebracht. Und in diesem Augenblick sagt er nicht: »Ich habe einige Fehler gemacht; ich bin ein bisschen entgleist; mir sind einige Schnitzer unterlaufen; ich habe einige über den Durst getrunken.« So sagt er nicht. Ihm fährt es heraus: »Ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir.« Ich habe mich gegen dich aufgelehnt. Ich bin abgehauen. Ich habe die Lebensbeziehungen zwischen mir und dir abgebrochen. Ich wollte ohne dich leben.

Dieses Bekenntnis des Sohnes zwingt den Vater zur Treue. Auch heute noch. Es geht nicht darum, dass wir jetzt innerhalb der Klammer unseres Lebens nach Fehlern und Schwächen suchen, sondern es geht um das Vorzeichen dieser Klammer. Es geht um unsere Lebensrichtung. Wenn wir diese vier Worte über die Lippen brächten: »Herr, ich habe gesündigt«, dann würden wir die Wahrheit jenes Satzes erfahren, der im 1. Johannesbrief steht: »Wenn wir unsere Sünde bekennen, so ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünden    vergibt.«

Halt mal an

Unsre Eltern sind gerannt, unsre Großeltern sind gerannt, unsre Urgroßeltern sind gerannt. Und einer dieser rennenden Urs hieß Gehasi. Du hast richtig gehört: Gehasi. Für sein Gesicht ist jeder verantwortlich, für seinen Namen kann man nichts.

Woher er stammte, weiß ich gar nicht. Irgendwo in Israel ist er geboren und hat sich dann von den Windeln freigestrampelt. Weil er nicht auf den Kopf gefallen war, sollte er nicht zu Hause bleiben, sondern einen anständigen Job bekommen. Das war gar nicht o

einfach. Damals war zwischen Schafhirt oder Kuhhirt kaum eine andre Wahl. Um so bemerkenswerter, dass Gehasi Diener bei Elisa wurde, sagen wir besser: Assistent, Sekretär, persönlicher Referent dieses weitbekannten Gottesmannes. Ich war auch einmal »Vorzimmerlöwe« eines großen Mannes. Ich musste seine Akten tragen, ich musste seine Koffer tragen, ich musste seinen Mantel und seinen Hut tragen; ich hatte eine tragende Rolle, um nicht zu sagen: tragische Rolle. Gehasi war mehr, viel mehr. Er vertrat seinen Chef, führte Aufträge selbständig aus, er war gleichsam Botschafter an Elisas Statt.

Woher, Gehasi?

Eines Tages ist folgendes passiert, und das muß ich euch erzählen, weil die meisten doch nicht das 2. Königebuch im Alten Testament kennen. Eine riesige Staubwolke tauchte am Horizont auf. Der lehmige Erdboden zitterte unter den Hufschlägen und Wagenrädern. Eine ganze Reiterkompanie mitsamt Tross stoppte vor dem Hause Elisas. Gehasi, immer die Nase im Wind, erkannte sofort vom Fenster aus: Das sind Königliche. Der mit dem Käppi ist der Boss. Schau dir diese Heldenbrust an, gepflastert mit Lametta und Blech! Aber Pusteln hat er, Knoten, Vereiterungen, ganz schön aussätzig, dieser Herr Dreisternegeneral.

Man kann mit militärischem Oberbefehl ein ganzes Herr in die Flucht schlagen, aber nicht ein winziges Eiterhüppelchen vergessen machen. So schwach ist der starke Mensch.

Lass ihn gar nicht rein, befiehlt Elisa, schick ihn gleich zum Jordan. Dort kann er gesund werden. Und der General gibt die Sporen, steigt vom Ross, taucht siebenmal im Jordan unter und hat ein Häutchen wie Samt und Seide. Einfach wunderbar, dieses Wunder. Überglücklich springt er zurück und will sich bei Elisa mit purem Silber bedanken. Der aber winkt energisch ab. Wunder kann man nicht bezahlen. Gott will kein Trinkgeld. Gott will nie Trinkgeld, aber Gehasi. Der stiehlt sich auf leisen Socken davon, durch die Hintertür hinaus und jagt wie ein Irrwisch dem davonziehenden Reitertrupp nach. Gehasi plättelt, was das Zeug hält. Als er den Geheilten eingeholt hat, macht er ihm weis, dass sein Herr nachgedacht und umgedacht habe und doch noch etwas brauchen könne. Mit Silber und Kleidern rast er zurück und wirft das Bündel in den Schuppen. Dann ruft ihn Elisa: Woher, Gehasi? Dann stellt ihn Elisa: Woher, Gehasi? Dann fragt ihn Elisa: Woher, Gehasi? Einer ist da, der ihn anhält.

Einer ist da, der ihn aufhält, einer ist immer da, der uns plötzlich stoppt. Keiner stiehlt sich auf leisen Socken davon. Niemand jagt wie ein Phantom durch die Gegend. Jeder steht plötzlich vor dem lebendigen Gott, der ihn unerbittlich stellt: Woher, Toni? Woher, Rudi? Woher, Susi?

Natürlich kann man sich herauslügen wie Gehasi. Obwohl er nach Luft schnappt wie eine gehetzte Bulldogge und sein Puls hämmert wie ein 200er Diesel, keucht er: Ich, ich bin doch nicht weggewesen. Aber Elisa durchschaut seinen Diener. Gott durchschaut seine Botschafter. Der lebendige Gott durchschaut dich. Er weiß, wo du gewesen bist. Er weiß, was du getan hast. Er weiß, was du gedacht hast. Auch wenn du nichts versilbert hast, von der Sünde kommen wir allemal. Oder kannst du dich an alles erinnern, ohne mit der Wimper zu zucken? War in deinem Leben nach den Zehn Geboten alles recht und richtig?

Da war doch der Knatsch mit den Eltern, die partout nicht einsehen wollten, dass man samstags erst nach Mitternacht nach Hause kommt! Da war doch das Techtelmechtel mit dem Mädchen, die immer dann die Disko verließ, wenn ich auch nach Hause ging! Da war doch der elende Joint, den sie mir aufschwätzten, obwohl ich dieses Gift kannte. Ob nicht doch unser Rennen, Jagen, Hetzen, unser ganzer Stress mit der Sünde hinter uns zusammenhängt? Woher, Gehasi? Woher?

Wohin, Gehasi?

Diese zweite Frage schwingt mit: Wohin, Gehasi? Elisa hat einen von Gottes Geist erleuchteten Verstand, der ihm zeigt, woher die Leute kommen und wohin sie gehen. Du hast doch jetzt Silber im Schuppen, sagt er zu seinem Schlawiner, damit wirst du dir doch Schafe und Rinder und Weinberge anschaffen. Und Jesus sagt: Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon. Ob unser Rennen, Jagen und Hetzen, unser ganzer Stress mit der Sünde vor uns zusammenhängt? Wohin, Gehasi? Wohin?

Wozu, Gehasi?

Das ist die letzte Frage: Wozu, Gehasi? Er hat doch bei seinem Herrn alles, was er zum Leben braucht. Man müsste nur zur Ruhe kommen und ein paar klare Gedanken fassen. Er hat ein Dach über dem Kopf, das ihn vor Hitze und Kälte schützt. Er hat einen Job im Haus, der ihn ausfüllt und befriedigt. Er hat Essen und 1unken soviel er will. Und er hat einen Chef, der ihn nicht zum Teufel jagt, sondern ihn schätzt und behält. Wozu also dieses Gerenne, Gehasi, Toni, Rudi, Susi, wozu? Du hast bei dem lebendigen Gott noch mehr, viel mehr, nämlich das, was du zum Leben und Sterben brauchst. Du müsstest nur einmal zur Ruhe kommen. Du müsstest nur einmal ein paar klare Gedanken lassen. Wir kommen nämlich von Sinnen, wenn wir nicht mehr zur Besinnung kommen.

Du hast ein Zimmer, in dem du wohnen kannst. Du hast einen Tisch, an dem du dich sattessen kannst. Du hast eine Schule, in der du lernen kannst. Du hast einen Betrieb, in dem du arbeiten kannst. Und du hast einen himmlischen Vater, der dir trotz allem nicht den Laufpass gibt, sondern dir nachläuft und dich von ganzem Herzen liebt. Er will deine Vergangenheit bewältigen. Seit Karfreitag ist das möglich. Blut ist geflossen. Jesu Blut. Und wenn deine Sünde blutrot wäre, so soll sie doch schneeweiß werden. Und er will deine Zukunft sichern. Seit Ostern ist das möglich. Der Grabstein flog zur Seite. Nicht einmal der Tod ist vor ihm sicher. »Tod, wo ist dein Stachel? Hölle, wo ist dein Sieg? Gott sei Dank, der uns den Sieg gibt durch unseren Herrn Jesus Christus.«

Das Gestern ist bewältigt, das Morgen gesichert, das Heute liegt in seiner Hand. David hatte doch recht, wenn er aus diesem Wissen heraus betete: »Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser. Er erquicket meine Seele.« Freund, halt mal an. Überlege doch: Woher kommst du? Wohin rennst du? Wozu rast du?

Wach auf und überlege

Immer hängen wir Sachen nach

Mit 14 bestaunen wir den zweirädrigen Feuerstuhl, der an der Ecke abgestellt ist. 200 Sachen macht er ohne Schwierigkeiten. Motor, Form, Armaturen sind einfach Spitze. Wieso gibt's den Führerschein erst im Greisenalter von 18? Wer dies Motorrad hat, der hat's. Mit 24 suchen wir nach dem Traumjob, der auf dem Stellenmarkt angeboten wird: 5 Mille im Monat bei einer 35-Stunden-Woche. Der Jahresurlaub sollte 50 Tage nicht unterschreiten. Wieso muss sich jeder krampfhaft kaputtschaffen? Wer diesen Job hat, der hat's.

Mit 34 sparen wir für das Eigenheim, das einen großen Brocken kostet. 150 qm Wohnfläche würden ausreichen. Möglichst am stillen Wald oder auf der grünen Wiese muss es stehen. Wieso soll ich ein Leben lang Miete zahlen? Wer dieses Heim hat, der hat's.

Und mit 44 blättern wir im Urlaubskatalog, mit 55 studieren wir Gesundheitsbücher, kurzum: Das Leben hängt mit Sachen zusammen. Das Ding muss her, etwas Zählbares, Greifbares, Sichtbares. Wer dies hat, der hat das Leben.

Und der Apostel sagt: Träumereien! Wach endlich auf und überlege! Im Feuerstuhl stecken PS, aber kein Leben. Mit dem Job kommt man zu Geld, aber zu keinem Leben. Auf dem Eigenheim liegen Schulden, aber kein Leben. Leben ist nie sachgebunden, sondern immer personengebunden. Jesus Christus macht es in aller Öffentlichkeit bekannt: »Ich bin das Leben.« Er ist kein Es, keine Sache, kein Ding, sondern ein Du, eine Person, ein Mensch aus Fleisch und Blut. In ihn packte Gott alles hinein. Mit ihm kam ein Stück Himmel auf die Erde. Die ersten Christen riefen begeistert: Das Leben ist erschienen. So wurde Jesus zum Lebensspediteur. Wer also ihn hat, der hat's.

Ein Bartimäus machte die Erfahrung. Stockblind hockte er in der Fußgängerzone und hielt seine umgestülpte Mütze in die Gegend. Er vegetierte nur von den Almosen der Leute. Und dann kam Jesus vorbei, nahm ihm die Klappe von den Augen und machte ihn zum Marschierer des Lebens.

Ein Zachäus machte die Erfahrung. Eiskalt hockte er in der Zollbude und knöpfte den Leuten das Geld ab. Er konnte gar nicht genug von dem Moos kriegen. Und dann kam Jesus vorbei, setzte sich mit ihm zu Tisch und machte ihn zum Liebhaber des Lebens.

Ein Saulus machte die Erfahrung. Siegessicher hockte er auf seinem Gaul und spürte den Christen nach. Kurzerhand stellte er sie an den Pranger. Und dann traf ihn dieser Herr wie ein Hammer und machte ihn zum Advokaten des Lebens. Unzählige machten diese Erfahrung - und jetzt könnt ihr sie auch machen. Dazu braucht es keinen frommen Klimmzug und keinen religiösen Salto mortale, sondern nur ein ganz schlichtes Gebet. Vielleicht so: »Herr, ich möchte ein Leben haben, das sich lohnt. Und weil ich mir dies nicht schaffen oder kaufen kann, schenk du es mir.« Darauf will er antworten. Er verschenkt sich. Er gibt sich her. Wer Jesus hat, der hat das Leben. So ist es personengebunden.

Nur am Kreuz

Immer hängen wir Illusionen nach. Mit 14 haben manche schon eine romantische Phase. Sie schwärmen für einen Forsythienzweig und gehen bei Mondschein spazieren. Hatten die nicht recht, die aus Herzensbrust gesungen haben: »Der liebe Gott geht durch den Wald«? Sie finden Jesus in der Natur, meinen sie.

Mit 24 haben andere eine idealistische Begeisterung. Sie lesen Immanuel Kant und bestaunen Leonardo da Vinci. Auch auf Bach und Bartok stehen sie. Sie finden Jesus in der Kunst, meinen sie.

Mit 34 haben die Dritten eine surrealistische Fantasie. Sie sehen E. T. und sind tief gerührt von diesem außerirdischen Wesen, das ja Gott sei Dank einmal wiederkommen wird. Sie finden Jesus im Kino. Es gibt noch viele Orte, wo dieser Jesus gefunden wird.

Und der Apostel sagt: Träumereien! Wach endlich auf und überlege! Im Wald versteckt sich der Hase, aber nicht dieser Herr. In der Kunst verbirgt sich viel Edles, aber nicht dieser Heiland. Im Film sind kuriose Einfälle abgedreht, aber nicht dieser Lebensbringer. Jesus Christus, der hier ausdrücklich als der Sohn Gottes bezeichnet wird, ist nur an einem einzigen Ort zu finden. Dorthin hat ihn sein Vater geschickt. Gehorsam nahm er diese Platzanweisung auf sich. Am Kreuz richteten sie ihn hin. Sein Leib wurde hochgezogen, dass ihn auch der Kleinste sehen kann. Seine Hände wurden ausgespannt, dass ihn auch der Fernste erreichen kann. Jesus wurde getötet, dass auch der Ärmste merken kann: Ich darf leben. Ein römischer Hauptmann machte die Erfahrung. Als es auf Golgatha krachte und blitzte, sagte dieser Kommandant: »Siehe, das ist Gottes Sohn gewesen«. Ein junger Graf machte diese Erfahrung. Bei der Betrachtung eines Kreuzigungsgemäldes kam dieser Herr von Zinzendorf zum Glauben und sagte: »Ich bat meinen Heiland, er möge mich mit Gewalt in die Gemeinschaft seiner Leiden ziehen«. Ein schlimmer Haudegen machte diese Erfahrung. Er rief vor einem Feldkreuz: »Das tatst du für mich! Was tu ich für dich?«

Ihr müsst nicht zu Kreuze kriechen, aber ihr könnt zum Kreuz kommen und auch die Erfahrung machen: Das ist ein Lebenszeichen in einer Welt des Todes. Das ist ein Wegzeichen durch alle Labyrinthe hindurch. Das ist das große Plus in allem Negativen. Wer den Sohn hat, der hat das Leben. So ist es ortsgebunden.

Nicht immer

Immer hängen wir Selbsttäuschungen nach. Wir denken, dass die Sache mit dem Sohn Gottes noch viel Zeit habe, so nach dem Motto: Kommt Zeit, kommt Rat. Mit 14 verschieben wir es bis nach der Berufsausbildung. Mit 24 verschieben wir es bis nach der Hochzeit. Mit 34 verschieben wir es, bis die Kinder groß sind. Mit 44 auf den Ruhestand. Und der Apostel sagt: Träumereien! Wach endlich auf und überlege! Die lange Bank ist der beste Sitzplatz des Teufels. Gott bietet seinen Sohn nicht ewig an. Einmal wird es gelten: Wer den Sohn Gottes nicht hat, der hat das Leben nicht. Es gibt ein zu spät. Deshalb hat der Apostel etwas Drängendes. Er redet nicht wie ein Philosoph, der auch eine Meinung hat, sondern wie ein Parlamentär, dem man deutlich abspürt, dass er warnt: Heute, so ihr meine Stimme hört! Gott bietet euch heute den Sohn Gottes an und nicht erst im Alter, wenn der Psalter zu Ehren kommt. Gott will euch heute diesen Jesus schenken und nicht erst nach dem zweiten Schlaganfall, wenn man alles hinter sich hat. Gott möchte euch heute dieses Leben geben, das sich lohnt. Heute heißt nicht immer, es ist zeitgebunden.

Bist du angenommen?

Es ist schon wichtig, ob ich als Viertklässler vom Gymnasium angenommen werde. An Faulpelzen, Schlafmützen und Dauerparkern sind die Direktoren wenig interessiert. Deshalb schreibe ich mit gehörigem Hosensausen meine Tests.

Es ist schon sehr wichtig, ob ich als Abiturient von der Uni angenommen werde. An Blindgängern, Nieten und Holzköpfen sind die Professoren wenig interessiert. Deshalb reiche ich mit erheblichen Zweifeln meinen Abiturdurchschnitt von 4,1 ein.

Es ist schon überaus wichtig, ob ich als Diplomierter oder Doktorierter vom Betrieb angenommen werde. Von Neunmalklugen, Besserwissern und Angebern wollen die Direktoren nichts wissen. Deshalb lege ich mit einigen Sorgen meine Bewerbungsunterlagen vor.

Aber am Allerwichtigsten ist, ob ich als Normalsituierter und Konfirmierter von Gott angenommen werde. Das ist die entscheidende Frage. Ohne Rektoren und Professoren und Direktoren lässt sich ganz gut leben, aber nicht ohne Gott.

Bin ich von ihm angenommen? Dafür gibt es keine Alternative. Statt Penne gibt es Lehre. Statt Uni gibt es Fachschule. Statt Betrieb gibt es Beamtung. Statt Gott gibt es aber nichts. Bin ich von ihm angenommen? Diese Frage bewegte den Psalmisten. Deshalb griff er zur Laute. Diese Frage bewegte Martin Luther. Deshalb forschte er in der Bibel. Diese Frage bewegte unzählige Menschen. Deshalb gingen sie auf die Knie. Diese Frage muß dich bewegen. Du magst ein ganz toller Typ sein; auf deiner Kiste kratzt du mit 90 die Kurve. Aber hat Gott dich angenommen? Du hast einen ordentlichen Job; ums Kleingeld brauchst du dich nicht zu sorgen, aber hat Gott dich angenommen? Du weißt, was sich gehört; am Sonntag gehst du zur Kirche, aber hat Gott dich angenommen? Den Abel hat er angenommen, ohne Test, ohne Leistungen, ohne Verdienst, einfach so akzeptiert. Den Mann müssen wir uns näher anschauen, den mit seiner halben Kraft, mit seiner lächerlichen Gabe, mit seinem kurzen Leben.

Abels halbe Kraft

Geburtstag bei Adams. Eva kommt nieder. Der zweite Sohn wird geboren. Nach der Geburt des ersten kannte sich der Vater nicht wieder. Der Mutter Glück war auf Hochglanz. Den Stammhalter hießen sie Kain, zu deutsch: Pfeil/Lanzenspitze. Jubel drang aus der Hütte. Der Sprössling war einfach Spitze. Aber diesmal war es still. Die Eltern sagten kein Wort. Betretenes Schweigen über dem Säugling, einem schwachen, kränklichen, hinfälligen Kind. Wird es lebensfähig sein? Wird es wachsen können? Wird es überhaupt groß werden? Abel sagen sie, zu deutsch: Hauch/ Vergänglichkeit.

Und dabei ist es geblieben. Kain, das Musterkind, Abel, das Sorgenkind. Immer wird es der Jüngere gemerkt haben, beim Spielen, beim Lernen, beim Arbeiten: Ich habe nur eine halbe Kraft.

Vielleicht merkst du das auch: Ich habe nur eine halbe Verstandeskraft. Die anderen brauchen für eine Matheaufgabe nur 15 Minuten, und ich checke es überhaupt nicht. Und die Englischaufgaben purzeln durch mein Gehirn, als ob es ein einziges Sieb wäre. Oder ich habe nur eine halbe Muskelkraft. Die einen radeln die Steige hinauf, und mir geht schon bei der Hälfte die Puste aus. Die Arme taugen zu keinem richtigen Schlag. Oder ich

habe nur eine halbe Gemütskraft. Die andern nehmen es auf die leichte Schulter, und mir drückt es beinahe das Herz ab. Tränen stehen mir immer gleich in den Augen.

Abel weiß um seine halbe Kraft, aber auch um den Gott, der ihn voll nimmt. Es ist der Gott, der später seinen Sohn wie einen Hauch in die Krippe legte und wie einen Vergänglichen ans Kreuz schlagen ließ. Um die Armen und Schwachen und Kranken hat er sich besonders gekümmert. Ihm sind wir alle gleich wert, ihm sind wir alle gleich lieb, ihm sind wir alle gleich bedeutsam. Gott kennt überhaupt keine halben Kräfte. Und wenn sie dich zurücksetzen und immer ins zweite Glied stellen wollen, Gott will dich voll nehmen.

Abels lächerliche Gabe

Sonntag bei Adams. Die beiden Söhne strecken nicht alle viere von sich. Sie gehen zum Opfern. Junge Männer beim Gottesdienst, ein Klasse-Bild. Dass es da plötzlich Altäre gibt, ist fremd und neu. Im Paradies gab es das nicht. Der erste Altar steht als Notbehelf der Frömmigkeit außerhalb des Paradieses. Altäre und Tempel, Kapellen und Kathedralen.

Abel schleppt das an, was er hat. Erstlinge trägt er auf den Armen, ein Schäfchen, ein Kitzchen, ein kleines Tier. Abel wird es gespürt haben: eigentlich müsste bei diesem großen Gott auch ein großes Tier her,ein richtiger Ochs oder ein ausgewachsener Stier, aber ich besitze ihn nicht. Mehr ist bei mir nicht drin. Ich habe nur eine kleine Gabe.

Vielleicht spürst du das auch: Eigentlich müsste ich diesem Gott mehr Geld opfern, einen Fünfziger, einen Tausender, das ganze Erbe vom Onkel aus Amerika. Aber ich besitze es nicht. Mehr als ein Zweimarkstück ist nicht drin. Ich habe nur eine kleine Gabe.

Eigentlich müsste ich diesem Gott mehr Zeit opfern. Vier Abende in der Woche und dann noch jedes zweite Wochenende. Aber ich schaffe es nicht. Mehr als eine stille Zeit am Morgen und ein Gebet am Abend ist nicht drin. Ich habe nur eine bescheidene Gabe. Eigentlich müsste ich diesem Gott mein ganzes Leben opfern, in der Diakonie oder in der Mission, aber ich bin beruflich angebunden. Mehr als ein Dienst am Feierabend ist nicht drin. Ich habe nur eine begrenzte Gabe.

Abel weiß um seine lächerliche Gabe, aber auch um den Gott, der ihn ernst nimmt. Weil unser Opfer nie genügt, legt er seinen einzigen Sohn auf den Brandaltar. Jesus Christus bringt für uns die große Gabe, die wir gar nie bringen könnten. Jetzt kannst du mit dem kommen, was du hast, und mag es noch so bescheiden sein. Wenn ehrlich nicht mehr drin ist, wenn du dir dabei selber lächerlich vorkommst, Gott will dich ernst nehmen.

Abels kurzes Leben

Sterbetag bei Adams. Kain schaut plötzlich nicht mehr hinauf. Er senkt den Blick. Seine Augen gehen erdwärts. Kain greift zu einem Stein und schlägt dem 15 Bruder den Schädel ein. Damit wird er zum Weltbrandstifter Nr. 1. Aus einer Faust entsteht eine Keule, dann das Schwert, dann das Gewehr, dann die Kanone, dann die Bombe, dann die Trägerrakete. Denken wir daran, wenn wir heute Weltfriedensstifter werden wollen. Kains Problem ist nicht seine Waffe, sondern sein Blick. Er wird nicht dadurch friedlich, dass er seinen Stein wegwirft, er wird ja mit seiner Faust weiterdreschen. Erst wenn er wieder hinaufschaut zu dem Herrn, der der Friede ist, kann er seine Aggressivität lassen. Friedensbewegung muss Augen- und Herzensbewegung zu Gott sein, sonst bewegt sie nichts.

Aber bleiben wir bei Abel. Auf dem Felde blutet er aus. Sein letztes Stündlein ist gekommen. Abel ist es im Sterben bewusst: Ich habe nur ein kurzes Leben. Vielleicht weißt du es heute schon: 15, 30 oder 70 Jahre, Lebensjahre sind immer kurz, wenn das Ende naht. Die Todesangst geht um wie der Krebs. Abel weiß um sein kurzes Leben, aber auch um den Gott, der ihn aufnimmt. Tod ist jetzt nicht mehr Ende, sondern Anfang, nicht mehr Schlusspunkt, sondern Doppelpunkt. Jesus Christus ist auferstanden und hat gesagt: Ich lebe, und ihr sollt auch leben.

Das Schönste kommt erst. »Das wird ein Staunen geben, ein Köpfeverdrehn, wenn wir nach diesem Leben vor Jesus stehn.« Wenn sie dich einmal wegnehmen, ins Krankenhaus, in die Klinik, in die Intensivstation, denke daran: Gott will dich aufnehmen.

Doch, Gott will das: aufnehmen, ernst nehmen, voll nehmen, dich annehmen. Nur: Willst du das? Heute noch kannst du ein Angenommener werden.

Ein Mann unter der bewahrenden Hand

Von Mose wird erzählt, dass ihm eines Tages Gott gesagt hat: »Ich will meine Hand über dir halten.«

Mose spürte also die Hand Gottes. Bisher wusste er nur von ihr. Sein Volk war ja unter die Hand des Pharao geraten, der seine Gastarbeiter nach Strich und Faden ausnützte. Niemand schmierte an die Wände: Ausländer raus! In Piethom und Ramses brannten sie Ziegel, errichteten Häuser und bauten Pyramiden. Wer aufmuckte, hatte nichts zu lachen. Die Kapos knüppelten die Aufmüpfigen nieder. Jeder Widerstand wurde im Keim erstickt. Es bestand nicht die geringste Chance, dieser eisenharten Hand zu entkommen.

Dann aber holte Gott diesen Mose von der Viehweide und schickte ihn mit leeren Händen zu dem Tyrannen. Eine Landplage nach der anderen schüttelte die Ägypter. Was blieb ihnen anderes übrig, als ihre billigen Arbeitskräfte schließlich ziehen zu lassen?

So kam es zu jenem unvergesslichen Exodus aus jahrelanger Unterdrückung, und jedes Kind wusste es: Der Herr hat uns mit mächtiger Hand aus Ägypten geführt. Wenn also Mose in einer engen Felsenkluft diese Hand über sich spürte, dann konnte er gewiss sein: Ich bin in Gottes Hand. Keine andere Macht darf Hand an mich legen. Gottes Barmherzigkeit hat noch kein Ende - bis heute. Er hat nämlich seinen Arm ganz lang gemacht. Jesus Christus ist die Hand Gottes. Er hat sie ausgestreckt zum blinden Bartimäus, der im Dunkeln hockte und nur noch tasten konnte.

Er hat sie dem jungen Mann von Nain auf den Kopf gelegt und ihm ein neues Leben gegeben.

Er hat sie dem Langzeitkranken am Teich Bethesda gegeben und ihm die notwendige Kraft zurückgegeben. Er hat sie der Dirne am Jakobsbrunnen hingestreckt und sie aus dem Schlamm der Schuld herausgezogen. Er hat sie so weit ausgestreckt und nicht einmal dann zurückgezogen, als ein Zimmermannsnagel diese Hand durchbohrte. Mit blutenden Händen sagte er zu dem Verbrecher: Heute wirst du mit mir im Paradiese sein. Jesus will jeden erreichen und decken. Deshalb zeigt er am Ostermorgen seine Hände und sagt: Friede sei mit euch!

Bis zum heutigen Tag hat er seine schützende und bewahrende Hand nicht abgezogen. In seiner Hand liegt unser Leben, das ist unsere Lebenslage. Und wenn in dunklen Stunden und schwierigen Entscheidungen sich Zweifel melden wie ungebetene Gäste, so gilt doch: »Ich bin geborgen, o selger Stand, so heut wie morgen in Gottes Hand.« Gottes Barmherzigkeit zeigt sich an einer Hand.

Das ist Spitze

»Das ist ein spitze Typ«, sagten die Landser von ihrem Hauptmann. Sein Leibbursche lag todkrank auf der Falle, und er mußte seine Knobelbecher selber putzen. Trotzdem ließ er den Gelähmten nicht ins Lazarett schaffen. Er jagte ihn auch nicht zum Teufel, obwohl es in der römischen Dienstanweisung ausdrücklich hieß: »Kranke Pferde, Ochsen und Diener sind wegzujagen«. Er entließ ihn erst recht nicht als Rollstuhlfahrer in die Heimat. Dieser Hauptmann tat alles, um seinem Burschen wieder auf die Füße zu helfen. »Das ist ein spitze Typ«, sagten die Landser.

»Das ist ne tolle Marke«, sagten die Bürger von Kapernaum. Als Kommandant war er für die Sicherheit des Garnisionsstädtchens zuständig. Bei Demos ließ er nicht sofort die Gummiknüppel ziehen, sondern schaltete sich persönlich in die Konflikte ein. Bei Unglücksfällen standen selbstverständlich seine Mannen als Hilfsmannschaft zur Verfügung. Bei Stadtproblemen brachte er seinen klugen Rat ein. »Das ist ne tolle Marke«, sagten die Bürger.

»Das ist ein feiner Kerl«, sagten die Frommen von der Gemeinde. Er brachte nämlich einen beträchtlichen Teil seines Vermögens in eine Stiftung ein. Daraus flössen die Mittel für den Synagogenneubau. Vielleicht war neben dem Haupteingang sogar eine Tafel eingelassen, auf der stand: »Gestiftet vom Hauptmann von Kapernaum«. Man stelle sich vor: ein Heide baut den Juden ein Gotteshaus! »Das ist ein feiner Kerl«, sagten die Frommen.

Wenn also einer wert war in der Stadt, dann diese Persönlichkeit, und der sagt von sich: Ich bin's nicht wert. Er war nämlich zu Jesus gelaufen, um die letzte Chance für seinen Burschen zu nutzen. Nun steht er vor ihm, der Offizier vor dem Landfahrer, der Mächtige vor dem Ohnmächtigen, der Angesehene vor dem Unansehnlichen. Aber in diesem Augenblick zeigt der Uniformierte nicht auf seine Brust, die mit viel Lametta und Blech drapiert ist, und sagt: Ich bin ein wertgeschätzter Kriegsmann! Er deutet nicht auf die Leute, die ihn anhimmeln und hochjubeln, und sagt: Ich bin eine wertvolle Persönlichkeit! Er zeigt nicht auf die Synagoge, die das Stadtbild beherrscht und sagt: Ich bin ein wertvoller Spender. Der Hauptmann sagt: Ich bin's nicht wert. Ich bin nichts wert. Der Mann weist keine Leistung vor. Er hält keine Trümpfe in der Hand. Er weiß nichts von Selbstempfehlung. Angesichts dieses Feldherrn erkennt er sich als kleiner Marschierer, der nichts einzuhandeln hat. Das ist die Bescheidenheit, die sticht.

Liebe Freunde, wie gerne tapezieren wir unsere Bude mit Urkunden: Erster Platz im Tipp-kick! Dritter Sieger beim Teebeutelweitwurf! Trostpreis beim Lumpenfußball. Wie gern dekorieren wir unsere Jacke mit Aufnähern: I am Charly! Club für Muskelspiele! Follow me! Wie gerne modellieren wir an unserer Figur. Bestaunt wollen wir sein, bewundert und beklatscht. Deshalb klettern wir auf jedes Postament, wenn es uns nur einen Kopf größer macht als die andern: oben sein, top sein, Spitze sein, voll Ass!

Der Hauptmann weiß es besser. Unsere Urkunden sind angesichts dieser Lebensurkunde ein Fetzen Papier, das du vergessen kannst. Unsere Abzeichen sind angesichts dieses Lebenszeichens pures Blech, das du verschrotten kannst. Unsere Größen sind angesichts dieser Distanz zwischen Himmel und Erde nicht mehr in Zehntelmillimeter anzugeben. Vor diesem Herrn ist selbst der größte Star eine glatte Null. Nur wer klein von sich denkt, ist nicht weit von dem Glauben, den Jesus groß nennt.

Und dieser Herr hört sich nun diese ungewöhnliche Krankmeldung eines Burschen durch seinen Hauptmann aufmerksam an. Er sieht im Geist, wie sich der Junge im Bett quält. Er weiß, dass Tabletten und Spritzen nicht mehr helfen können. Er nimmt das Elendsgeschrei nicht einfach zur Kenntnis. Nein, er lässt alle anderen Verpflichtungen sausen und sagt: »Ich will gleich kommen und ihn gesund machen«.

Aber anstatt auf dem Absatz kehrt zu machen und sofort mitzukommen, bleibt der Offizier stehen und erklärt: »Das ist zuviel der Ehre, Herr. Sprich nur ein Wort, das genügt. Ich kenne mich doch auf dem Exerzierplatz aus. Stillgestanden! und die ganze Mannschaft reißt die Hacken zusammen. Gewehr über! und die ganze Mannschaft klopft Griffe. Rechts um! und die ganze Mannschaft wendet. Abteilung halt! und der ganze Haufe hämmert das Pflaster. In Sachen Befehlsgewalt bin ich Fachmann. Da macht mir niemand was vor. Im Auftrag das Kaisers kommandiere ich die Rekruten. Deshalb müssen sie tun, was ich sage. Ein Wort genügt, und die Sache marschiert.

Herr, du bist doch der Hauptmann Gottes. Im Auftrag des Höchsten hast du das Kommando. Auf dem Exerzierplatz Erde müssen sie tun, was du sagst. Wenn du den Krankheitsmächten befiehlst, dann müssen sie wenden. Wenn du die Zerstörungsmächte abkommandierst, dann sind sie vom Fenster. Wenn du die Todesmächte fortschickst, dann sind sie entwaffnet. Ein Befehl, ein Kommando, ein Ruf genügt, deshalb: Sprich nur ein Wort!«

Liebe Freunde, sicher ist mit dieser militärischen Theologie das Wesen Jesu nicht ganz erfasst. Das Verhältnis zwischen Gott und Jesus ist kein Dienstverhältnis. Und mit diesem Kasernenhofvergleich ist die Wirksamkeit Jesu nicht vollständig umschrieben. Jesu Vokabular erschöpft sich nicht in Kommandos. Aber offensichtlich kommt es gar nicht auf eine durchreflektierte Theologie an, sondern nur auf das Zutrauen, mit dem einer von Jesus Hilfe erwartet. Niemand hat ihm, dem Hauptmann, helfen können, die Stabsärzte nicht, die Heilpraktiker nicht, und er selbst wusste auch keinen Rat mehr. Aber da ist Jesus, und dem traut er zu, dass er helfen kann. Dieser Mann rechnet mit einer geradezu verblüffenden Gewissheit mit der Macht Jesu über alle Mächte. Jesus kann, so lautet sein Glaubensbekenntnis. Jesus kann, so lautet seine treffende Kurzformel für das Evangelium. Jesus kann, so lautet seine verstehbare Theologie, und deshalb bittet er: Sprich nur ein Wort.

Lieber Freund, die Befehlsverhältnisse haben sich seither geändert, auch wenn viele vor sogenannten Mächtigen immer wieder strammstehen. Jesus ist der Hauptmann Gottes, auch wenn man anders durchexerziert hat. Ihm gehorchen die Mächte aufs Wort. Deshalb solltest du auch vor diesen Jesus hinstehen. Du brauchst dir nicht blöd vorkommen, wenn es dieser kluge Kopf auch so gemacht hat. Sage einfach: Herr, mein Kumpel liegt zu Hause, von Drogen gelähmt und von Süchten gefesselt; meine Mutter liegt zu Hause, vom

Alter gezeichnet und von Depressionen geschüttelt; Herr, die Armen liegen zu Hause, vom Hunger geplagt und Ödemen gezeichnet; Herr, die Schwachen liegen zu Hause, und die Geschlagenen liegen zu Hause, und die so Angst haben, liegen zu Hause, und oft genug liege ich selber am Boden, einfach fertig und kaputt. Herr, sprich nur ein Wort, nur ein Wort!

Wenn du Jesus viel zutraust, wirst du auch viel mit ihm erleben, so wie der Hauptmann von Kapernaum: »Sein Bursche wurde gesund zur selben Stunde«. Doch, Freund, Jesus kann, Jesus kann ganz bestimmt, Jesus kann immer.

Jesus gehören, das bringt's

Ziemlich flott, wie die neun Typen auseinandergehen. Jedenfalls waren es ganz bestimmt keine undankbaren Gesellen. Dieses ungeheuerliche Geschehen ließ sie nicht unberührt. So hart gesotten ist kein Mensch, dass er solch eine Wende wegsteckt und zur Tagesordnung übergeht.

Als Todeskandidaten waren sie zur Leprastation gekarrt worden, hinaus vor das Dorf, mit faulenden Händen, fressenden Geschwüren, übel riechendem Eiter: Ausgestoßene, Verfemte, Abgeschriebene. Man muss vielleicht Alexander Solschenizyns Roman »Krebsstation« lesen, um von solchen grauenhaften Orten einen Eindruck zu bekommen.

Über dem Eingang heißt es: Quarantäne! Zutritt verboten! Ansteckungsgefahr! Niemand durfte näher als fünfzig Meter heran, außer den Priestern. Sie waren Vertreter der Gesundheitsbehörde, die - je nachdem - einen Gesundheitspass oder einen Totenschein ausstellten.

Andere Entlassungspapiere gab es in solchen Isolierstationen nicht. Abgeschobene und Ausgestoßene fristen ihr Dasein. Wenn es von keinem anderen Ort gilt, hier gilt es: Lasst alle Hoffnung fahren!

Und an diesem Ort taucht Jesus auf. Sein Weg nach Jerusalem berührt dieses hoffnungslose Quartier. Jesu Weg berührt immer hoffnunglose Quartiere. Anders als die Priester bleibt er von der Hoffnungslosigkeit nicht unberührt. Jesus hat Mitleid mit denen, die keine Hoffnung haben. Jesus hat ein Herz für die, die von anderen herzlos abgeschrieben und aufgegeben sind. Ja, Jesus hat offene Augen und Ohren für die Elendsquartiere unserer Welt.

Und wenn du dich von deiner Umgebung auch abgeschoben fühlst, und wenn du dir in deiner Klasse auch ausgestoßen vorkommst, und wenn du dich zeitweise in deine Bude einschließt wie in eine Quarantänestation, ja, wenn du keinen Draht mehr zu Gott hast, dann höre: Jesus sieht! Jesus hört! Jesus macht heil!

Geht, zeigt euch den Priestern, sagt er. Das lassen sich die Genossen nicht zweimal sagen. Als Todeskandidaten brechen sie auf, und als Kandidaten fürs Leben kehren sie zurück. Das Unmögliche ist möglich geworden. Das Unglaubliche ist glaubhaft geworden. Das Unfassliche ist mit Händen zu greifen.

Nein, undankbare Gesellen waren sie nicht, alle zehn nicht. Ihr Herz war rappelvoll davon. Nur eins, und darauf wird in der Geschichte, die in Lukas 17,11 - 19 nachzulesen

ist, der Finger gelegt: Sie haben zwar Dankbarkeit empfunden, aber sie haben keine Dankbarkeit praktiziert. Ihre Dankbarkeit war ausschließlich im Herzen isoliert.

So wie bei vielen Menschen. Der eine wird mit geplatztem Blinddarm in die Klinik geschafft. Die Ärzte säbeln den Bauch auf und schöpfen den Eiter ab. Aber Hoffnung besteht keine mehr. Trotzdem kommt er wieder auf die Füße und sagt: Gott sei Dank, es hat noch einmal geklappt. Nun frage ich mich: Wo zeigt sich dieser Dank?

Der andere kratzt mit 90 die Kurve und hebt locker ab. Die Feuerwehr schneidet den Blechknäuel auf und pellt ihn heraus, aber sein Kopf sieht nach Totalschaden aus. Trotzdem steht er wieder aufrecht und sagt: Gott sei Dank fuhr ich nicht 100. Nun frage ich: Wo zeigt sich dieser Dank?

Der dritte haut im schriftlichen Abi voll daneben. Die Lehrer sehen schwarz. Trotzdem schleift er mit fünf Punkten durch und sagt: Gott sei Dank hat es gereicht. Nun frage ich mich: Wo zeigt sich dieser Dank?

Wieviel Durchhilfe haben wir alle erfahren, und wie wenig Dankbarkeit haben wir alle gezeigt?

Einer machte es anders. Einer drehte um. Einer fiel nieder. Das war kein überschwenglicher Orientale, der sich vor lauter Höflichkeit auf den Bauch legte. Der Samariter beugte vor Jesus seine Knie. Das war ein deutliches Zeichen dafür, dass dieser Jesus jetzt der Herr seines Lebens ist: Er soll bestimmen, er soll verfügen, er soll das Programm machen. Christus allein!

Mach's auch so. Alles andere lohnt sich nicht. Ihm gehören, mit Haut und Haaren, mit Stumpf und Stiel, das bringt's. Beug auch die Knie! Falt die Hände! Gib dein Leben ihm! Sag: Jesus, danke!