BRINGT'S DAS?

Der Bilderfreund

Es gibt Naturfreunde. Sie verzichten auf einen Schirm, solange sich das Himmelszelt über ihnen spannt, und sie vermissen keinen Stuhl, solange sie festen Boden unter den Füßen haben. Berge und Täler, Wälder und Felder sind ihr Revier.

Dann gibt es Blumenfreunde. Die marschieren nicht wie das Rindvieh durch die Blütenwiese und grasen ab, sondern legen sich vor jedes Gänseblümchen und knipsen los. Rosen und Astern, Veilchen und Sonnenblumen, Nelken und Stinkende Hoffart sind ihr Entzücken.

Und es gibt Tierfreunde. Die kommen nicht nur auf den Hund, sondern leben auch für die Katz. Pferde und Esel, Hase und Igel, Meerschweine und Papageien sind ihre Freunde.

Nun gibt es aber nicht nur Natur-, Blumen- und Tierfreunde, sondern auch Menschenfreunde. Die wollen nicht alleine leben. Sie suchen das menschliche Gegenüber. Ihre Liebe gehört dem Du.

Ich traf einen Künstler. Er schafft Menschenbilder. Sein ganzes Können legt er hinein. Er malt Portraits. Seine Liebe zum Detail ist unübersehbar. Er gibt ihnen einen Rahmen. Seine Absicht ist damit unterstrichen. Er stellt sie an einen ganz besonderen Platz. Seine Bilder wollen die Umgebung verändern. Wertvolle Originale, die unverkäuflich sind, kommen aus der Hand dieses Menschenfreunds.

Hast du gewusst, dass Gott Menschenfreund ist? Sicher ist er auch Naturfreund. Unser grüner Planet ist sein Revier. Sicher ist Gott auch Blumenfreund. Unser botanischer Garten ist sein Entzücken. Unser Gott ist Tierfreund. Vom Walfisch bis zum Marienkäfer ist alles vorhanden. Die ganze Menagerie zählt zu seiner Freundschaft.

Aber Gott ist vor allem Menschenfreund. Er will nicht alleine leben wie Buddha. Er will nicht alleine schweben wie Hindugötzen. Er will nicht alleine thronen wie Zeus auf dem Olymp. Unser Gott sucht das menschliche Gegenüber. Ihm ist am Menschen gelegen. Seine Liebe gehört dem Du. Deshalb ließ er es mit einem Weinberg, einem Rosengarten und einem Zoo nicht bewenden, sondern gesellte den Menschen hinzu. Mit dem sechsten Tagewerk setzt er seiner Schöpfung die Krone auf. Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde. Wer also im Bilde sein will über sich, der schaue nicht nur auf den Bildschirm oder in die Bild-Zeitung, sondern reflektiere diese dreiteilige Bildgeschichte der Bibel.

Gott schaffte Bilder

Mannsbilder und Weibsbilder. Sein ganzes Können legte er hinein. Da mag man lange über die Abstammung des Menschen philosophieren, da kann man sogar den Affen als seinen Großvater und die Kaulquappe als seine Ururgroßmutter erklären, - wir alle stammen aus Gottes Atelier. Und er ist kein Sonntagsmaler, der Laienhaftes auf den Markt bringt. Er ist kein Dilletant, der Kitsch produziert. An uns ist seine Größe ablesbar. Er schafft Portraits. Seine Liebe zum Detail ist unübersehbar.

Der Psalmist damals hat es kapiert: »Ich danke dir, dass ich wunderbar bereitet bin, wunderbar sind deine Werke, und meine Seele erkennt das wohl. Meine Knöchlein waren dir nicht verborgen« (Psalm 139). Kein Bild ist wie das andere. Autos kommen vom Fließband, Anzüge von der Stange, Fahrkarten vom Automaten, dich und mich gibt es nur als einmalige Ausgabe. Gott kennt keine Kopien.

Auch wenn du dich im Spiegel nicht mehr sehen kannst, du bist eine Handarbeit Gottes. Auch wenn du dir wertlos vorkommst, du bist ein wertvolles Exemplar. Auch wenn deine Eltern dich nicht gewollt haben) du bist von Gott gewollt und ein unersetzliches Portrait.

Dann gibt er einen Rahmen: Du sollst den Feiertag halten, du sollst Vater und Mutter ehren, du sollst nicht töten, du sollst nicht ehebrechen, du sollst nicht stehlen. Die Zehn Gebote sind die Rahmenordnung unseres Lebens. Ohne sie verlieren wir den Wert und setzen uns der Gefahr aus, als Gruscht oder Sperrgut auf dem Flohmarkt des Lebens verhökert zu werden.

Und Gott stellt jeden an einen besonderen Platz. Der eine steht in der Schule, der andere an der Fräsmaschine, der dritte am Krankenbett und der vierte im Büro. Oft genug macht uns unser Standplatz zu schaffen, und wir wünschen uns eine Veränderung. Er aber will, dass du ja sagst zur Platzanweisung deines Lebens und dort anfängst, deine Umgebung in seinem Sinne zu verändern. Wo Gott uns hinstellt, dort haben wir die richtige Stellung, auch wenn sie nur mit BAT 9 eingestuft ist. Wir alle sind wertvolle Originale, die aus der Hand dieses Menschenfreunds kommen und die er sich nicht abkaufen lässt. Gott schaffte Bilder, aber, und das ist das zweite: Wir haben es geschafft, Zerrbilder daraus zu machen.

Mannsbilder und Weibsbilder bilden sich auf einmal etwas ein. Das Menschengeschlecht wurde eingebildet. Niemand wollte mehr Abbild von Gottes Macht, sondern Spiegelbild seiner eigenen Größe sein. Groß herauskommen, das wollen wir doch auch. Eine gute

Figur abgeben, das ist unser heimlicher Wunsch. Ein beneidenswerter Typ werden, das steckt uns tief in den Knochen. Das Recht auf Selbstverwirklichung wird uns eingehämmert: Du musst etwas aus dir machen! Nach ehrgeizigen Plänen bauen wir uns auf oder lassen uns aufbauen. Immer größer wollen wir werden und andere überragen. Deshalb tragen wir den Kopf hoch. Topleute müssen wir sein, Stars, die von den Litfaßsäulen lächeln. Wer ganz oben ist, ist Spitze. Natürlich darf dabei mit Ellenbogen gearbeitet werden.

Wo gehobelt wird, fallen Späne. Wo man sich selbst ins Bild setzt, müssen andere Bilder versetzt werden oder gar weichen. Mit 14 ist einem das Vaterbild und das Mutterbild und das Lehrerbild im Weg: Was wollen schon diese autoritären Typen? Mit 18 kämpft man gegen verschiedene Feindbilder: Weg mit den frommen Systemerhaltern! Raus mit den reaktionären Kräften! Später geht es je nach politischer Überzeugung gegen die Roten oder die Schwarzen, gegen die Weißen oder die Gelben. Bilderstürmer gab es nicht nur in der Reformationszeit. Heute stechen wir skrupellos auf andere, um uns ins rechte Licht und groß in Szene zu setzen.

Und dabei merken wir gar nicht, dass wir schon längst aus dem Rahmen gefallen sind und das Bild Gottes zu einem Zerrbild gemacht haben. Gottfried Benn hat es richtig gesehen, wenn er es so beschrieb, und Rolf Hochhuth hat diese Beschreibung in seinem »Stellvertreter« aufgenomen: »Die Krone der Schöpfung, der Mensch, das Schwein«.

Aber damit ist die Bildgeschichte nicht zu Ende. Gott sei Dank gibt es eine Fortsetzung. Das Stechen und Schlagen und Verletzen ist nicht das Letzte. Wider Erwarten und gegen jede Logik setzte Gott noch einmal an. Er riss sich seinen einzigen Sohn vom Herzen.

Im Bretterstall von Bethlehem ist er geboren, und in der Zimmermannswerkstatt von Nazareth ist er aufgewachsen. Das ist das dritte.

Jesus ließ sich als Ebenbild schaffen

Mannsbilder und Weibsbilder aber fragten skeptisch. Was kann von Nazareth Gutes kommen? Sie hatten ein völlig anderes Messiasbild. Er deckte ihre Erwartungen nicht ab. Er störte ihre Kreise. Er verunsicherte ihre Überzeugung. Deshalb stachen sie mit Dornen auf ihnein, bis das Blut aus dem Schädel tropfte. Deshalb schlugen sie mit Hämmern seine Hände fest, bis sie am Schandholz steif wurden. Deshalb verletzten sie mit Speeren seine Hüfte, bis die grausame Exekution beendet war.

Sie haben Jesus geschafft, aber Gott schaffte daraus etwas ganz anderes.

Aus diesem Jammer- und Elendsbild wurde das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, so in Kolosser 1,15. In diesem Erschöpften will der Schöpfer wiedererkannt werden. Mehr, hinter diesem Erschöpften will er seine Geschöpfe wiedersehen. Christus also unser Vorbild, der Liebe übte inmitten einer Welt des Hasses und sich für andere verblutete. »Ein Vorbild habe ich euch gegeben, dass ihr tut, wie ich euch getan habe«.

Christus also unser Leitbild, der weiß, wo es langgeht, auch wenn das Labyrinth unserer Tage verwirrend wird. »Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben, niemand kommt zum Vater als durch mich«.

Christus also unser Zielbild, der die Tür zum Vaterhaus kennt. »Ich bin die Tür, wenn jemand durch mich eingeht, der wird gerettet werden«.

Christus also unser Gleichbild, der unsere schmutzigen Schandflecken abdeckt und uns entzerrt.

Jesus Christus, das Ebenbild Gottes. Am Kreuz hängt es so hoch, dass jeder es sehen kann. Keiner muss ein Zerrbild bleiben.

Götzenbilder

Stell dir einmal vor: ein Hamburger in New York. Was sieht er? Wolkenkratzer natürlich. Das Empire-State-Building in Manhattan, das zum Wahrzeichen dieser Betonwüste geworden ist. Den Woolworth-Skyscraper in Downtown New York, der die Achse eines riesigen Geschäftsimperiums bildet. Den UNO-Glaspalast am East-River, der zu einer internationalen Schwätzbude verkommt. Der Hamburger in New York sieht Wolkenkratzer

und freut sich.

Oder ein Stuttgarter in Hamburg. Was sieht er? Schiffe natürlich. Ruderboote auf der Binnenalster, die die Flachlandtiroler und Landpomeranzen übers Wasser schaukeln. Bananendampfer in den Hafenbecken, die das afrikanische Affenfutter an Land hieven. Lastkähne auf dem Eibstrom, die über alle Toppen geflaggt mit ihren Tuckermotoren die Umwelt verschmutzen. Der Stuttgarter in Hamburg sieht Schiffe und begeistert sich.

Und ein Heidenheimer oder Besigheimer oder Rutesheimer in Stuttgart. Was sieht er? Lokale natürlich. Den Mac Donald in der Königstraße, der neben Big-Mac und Doppel-Mac und Fisch-Mac viel >häck-mäck< anbietet. Den Ochsensepp in der Schulstraße, der mit seinen Ochsen alle Seppen und Deppen sattmacht. Den Ratskeller im Rathaus, wo die Gemeinderäte in Keller fahren und guter Rat plus Salat teuer ist. Der Heiden-Besig-Rutesheimer in Stuttgart sieht Lokale und amüsiert sich.

Aber nun geht es nicht um Hamburger in New York, um Stuttgarter in Hamburg, um Hinterwäldler in Stuttgart, sondern um Jerusalemer in Athen, genauer um Paulus in Athen. Was sieht er?

Wolkenkratzer gibt es nicht. Schiffe verkehren nicht. Lokale interessieren nicht. Paulus sieht Bilder, unendlich viele Bilder, Bilder ohne Zahl. Auf seinem Bummel durch die City entdeckt er zuerst Mannsbilder, herrliche Mannsbilder, aus Holz geschnitzt oder in Stein gehauen. Achill zum Beispiel, der tapferste Held vor Troja, den seine Mutter unbesiegbar machen wollte, indem sie ihn mit Ambrosia gesalbt in ein Feuer hielt. Oder Herkules, der starke Heros aus Theben, der den Nemeischen Löwen in den Schwitzkasten genommen und ihm die Luft abgestellt hat. Oder Leonidas, der König von Sparta, der gegen die wahnsinnige Übermacht die Thermophylen verteidigte. Dem Paulus musste doch die Spucke wegbleiben. Mannsbilder sind das, die man nur anstaunen kann.Dann entdeckt er Weibsbilder, sagenhafte Weibsbilder, aus Gold gegossen und in Erz getrieben. Pallas

Athene zum Beispiel, die altgriechische Emanze vom Götterberg, die vor der Schlacht müde Männer munter machte. Oder Eris, die bewunderte Furie bei jedem Streit, die den Zankapfel unter die Hochzeitsgäste geschleudert hat. Oder Aphrodite, die Schaumgeborene aus dem Meer, die jedes Liebes- und Lasterleben schützt. Dem Paulus mußte doch der Puls auf 350 gehen. Weibsbilder sind das, die man nur anhimmeln kann.

Dann entdeckte er noch Kunstbilder, phantastische Kunstbilder, in Marmor geschlagen oder in Öl gemalt. Die Pinakothek mit ihren Gemälden, die Propyläen mit ihren Säulen, den Parthenon mit seinen Skulpturen. Dem Paulus musste das doch die Sprache verschlagen. Kunstbilder sind das, die man nur anschwärmen kann. Aber Paulus, und das ist das Bemerkenswerte, freut sich nicht. Er begeistert sich nicht. Er amüsiert sich nicht. Angesichts der Bilder entsetzt er sich. Paulus »ergrimmte im Geist«, übersetzt Luther. Paulus hat eine Wut im Bauch. Paulus ist stinksauer. Warum eigentlich? Ist er ein Neidhammel, der angesichts seines schwachen Bizeps andern die Kraft und den Pfeffer nicht gönnt? Ist er ein Frauenfeind, der nur das hohe Lied des Junggesellen jodelt? Ist er ein Kulturbanause, der vor jedem Kunstwerk wie die Kuh im Louvre steht? Nichts von alledem. Paulus entsetzt sich, weil Mannsbilder und Weibsbilder und Kunstbilder, weil alle Menschenbilder zu Götzenbildern werden können. Er sieht es doch mit eigenen Augen, wie sie drunten auf der Agora und droben auf der Akropolis ihre Bilder nicht nur anstaunen oder anhimmeln oder anschwärmen, sondern sie anbeten. Achill, das ist ihr Gott! Pallas Athene, das ist ihre Göttin! Die Pinakothek, das ist ihr Götterhaus! Immer, wenn vor Menschenbildern gekniet wird, ist höchste Gefahr im Verzug.

Nun staunen wir zwar keinen Leonidas mehr an, aber bestimmt ein anderes As und seine Kraft. Welches Poster hast du über dein Bett oder deinen Schreibtisch geklebt? Nun himmeln wir zwar keine Athene mehr m, aber bestimmt eine andere Lene. Welche Fotos lugst du in deinem Geldbeutel oder in deinem Herzen? Nun schwärmen wir zwar in keiner Pinakothek mehr, aber bestimmt in einer Diskothek mit ihrer Musik. Welche Disco macht bei dir was los?

Lass dich einmal ganz persönlich und direkt fragen: Wen magst du am liebsten? Wen liebst du am meisten? Wen betest du an? Wo dein Herz hängt, dort ist dein Gott. Müsste Paulus nicht noch einmal im Geist ergrimmen: Was fällt euch ein? Gott, der Herr, ist absolut. Müsste Paulus nicht noch einmal eine Wut im Bauch bekommen: Was denkt ihr euch? Gott ist exklusiv. Müsste Paulus nicht noch einmal stinksauer werden: Was kommt euch da in den Sinn? Gott, der Herr, ist intolerant. Seit den Tagen am Sinai ist dieser Gott kompromisslos in der Bewahrung seiner Ausschließlichkeit. Er hat dem Menschen das Leben eingehaucht. Er hat seinen Sohn für ihn geopfert. Er hat ihm eine helle Zukunft in Aussicht gestellt. Deshalb kann er sagen: »Ich bin der Herr dein Gott, und du sollst keine anderen Götter neben mir haben.«

Du magst einen Zweitwagen fahren, weil dein Vater seine Karre nicht gern aus der Hand gibt. Du magst eine Zweitausbildung machen, weil du mit dem Gelernten keinen Job gefunden hast. Du magst eine Zweitfrisur tragen, weil der Kopf durch die Haare gewachsen ist. Einen Zweitgott oder Drittgott oder Zehntgott gibt es nicht. Alles, was dir lieber wird als die Liebe zu Gott, lass lieber bleiben. Denke daran, und dann sage ich dir: Nichts soll mir werden lieber auf Erden als du, der liebste Jesus mein.