1.
Ich
singe dir mit Herz und Mund, Herr, meines Herzens Lust; ich sing und mach auf
Erden kund, was mir von dir bewusst.
2.
Ich
weiß, dass du der Brunn der Gnad / und ewge Quelle bist,
daraus uns allen früh und spat / viel Heil und Gutes
fließt.
3.
Was
sind wir doch? Was haben wir / auf dieser ganzen Erd, das uns, o Vater, nicht
von dir / allein gegeben werd?
4.
Wer
hat das schöne Himmelszelt / hoch über uns gesetzt? Wer ist es, der uns unser
Feld / mit Tau und Regen netzt?
5.
Wer
wärmet uns in Kalt und Frost? Wer schützt uns vor dem Wind? Wer macht es, dass
man Öl und Most / zu seinen Zeiten findt?
6.
Wer
gibt uns Leben und Geblüt? Wer hält mit seiner Hand / den güldnen, werten,
edlen Fried / in unserm Vaterland?
7.
Ach
Herr, mein Gott, das kommt von dir, du, du musst alles tun; du hältst die Wach
an unsrer Tür / und lässt uns sicher ruhn.
8.
Du
nährest uns von Jahr zu Jahr, bleibst immer fromm und treu / und stehst uns,
wenn wir in Gefahr / geraten, treulich bei.
9.
Du
strafst uns Sünder mit Geduld / und schlägst nicht allzusehr,
ja endlich nimmst du unsre Schuld / und wirfst sie in das Meer.
10. Wenn unser Herze seufzt und schreit,
wirst du gar leicht erweicht / und gibst uns, was uns hoch erfreut; und dir zur
Ehr gereicht.
11. Du zählst, wie oft ein Christe wein / und
was sein Kummer sei; kein Zähr- und Tränlein ist so klein, du hebst und legst es bei.
12. Du füllst des Lebens Mangel aus / mit
dem, was ewig steht, und führst uns in des Himmels Haus, wenn uns die Erd
entgeht.
13. Wohlauf, mein Herze, sing und spring /
und habe guten Mut! Dein Gott, der Ursprung aller Ding,
ist selbst und bleibt dein Gut.
14. Er ist dein Schatz, dein Erb und Teil,
dein Glanz und Freudenlicht, dein Schirm und Schild, dein Hilf und Heil,
schafft Rat und lässt dich nicht.
15. Was kränkst du dich in deinem Sinn / und
grämst dich Tag und Nacht? Nimm deine Sorg und wirf sie hin / auf den, der dich
gemacht.
16. Hat er dich nicht von Jugend auf /
versorget und ernährt? Wie manches schweren Unglücks Lauf / hat er zurückgekehrt!
17. Er hat noch niemals was versehn; in
seinem Regiment; nein, was er tut und lässt geschehn,
das nimmt ein gutes End.
18. Ei nun, so lass ihn ferner tun; und red
ihm nicht darein, so wirst du hier im Frieden ruhn /
und ewig fröhlich sein.
Paul Gerhardt 1607-1676
Passende Bibelstellen:
Vers 3: Psalm 19, 2 und Psalm 96, 5
Vers 8: 1. Mose 8, 22
Vers 9: Sprüche 3, 12 und Offenbarung 3, 19 und Micha 7, 19
Vers 10: Markus 10, 48-49 und Psalm 145, 19
Vers 11: Psalm 56, 9 und Offenbarung 7, 17
Vers 15: 1. Petrus 5, 7 und Psalm 55, 23
Vers 18: Jesaja 55, 8-9
Paulus Gerhardt
Einer der bedeutendsten Liederdichter der deutschen
evangelischen Christenheit
* 12. März 1607 Gräfenhainichen bei Wittenberg (»Hänichen«)
† 27. Mai 1676
(Beerdigung 07.06.1676) Lübben a.d.
Hauptspree (südlich von Berlin)
0 bis 10 Jahre alt:
Zeitliches
Umfeld:
-
Spener, 1636-1705
-
Religionskrieg,
Gegenreformation 1618-1648
-
Gustav Adolf von
Schweden † 1632, ab da wilde Soldatenüberfälle
(Der
Schwed* ist kommen, hat alles mitgnommen,
hat Fenster zerschlagen, hat's Blei davontragen, hat Kugeln draus gossen und d'Bauern verschossen)!
Gefürchtet
war der Schwedentrunk (Zwang zum Jauchetrinken)
-
Streit:
Calvinisten-Lutheraner, statt sich zu vertragen.
-
Türken (Islam)
vor Wien (1683)
-
- Friedrich
Wilhelm, Großer Kurfürst in Berlin 1640-1688
-
Cromwell, Ludwig XIV.,
Kepler, Rubens...
Landschaftliches
Umfeld:
Gräfenhainichen,
ehemals kursächsisches Städtchen, »Hänichen« genannt,
Lage zwischen Wittenberg und Halle, wehrhafte Mauern, trutzige Türme, über
niederen Dächern ragte der Kirchturm der Marienkirche. Ackerbaustädtchen mit
Brauereien. Etwa 1000 Bürger.
Innerhalb
der Mauern: Stallungen, Scheunen, Störche, Schwalben, Glucke mit Kücken,
Pferde, Kühe und allerlei Haustiere, väterliche Gastwirtschaft. Abgucken beim
Vater, wie man Bier braut, Mithilfe in der Landwirtschaft mit Knechten und
Mägden, abgucken bei der Mutter, wie man Brot bäckt.
Außerhalb:
großflächiges Ackerland (Weizenernte/ Garbenbinden), Weiden, Gärten,
Obstwiesen, Hopfengärten, (Ernteerfahrung), Wälder
(Rehe, Hirsche), Dübener Heide (Hirten und Schafe).
Vorfahren:
Großvater:
väterlicherseits Gastwirt und Bauer, mütterlicherseits Superintendent, dies
sogar schon der Urgroßvater.
Vater:
Landwirt und Bürgermeister. Mutter stammte aus Eilenburg, südlich von »Hänichen«
Trauung:
12.05.1605 in Eilenburg
Geburtstag:
12.03.1607 (Martii, als 2. Sohn) Von der Kindheit
wissen wir nichts Auffallendes. So viel ist gesichert: Fromme
kirchlich-traditionelle Erziehung im strengen Luthertum.
Großvater
Caspar Starck in Eilenburg wurde im Streit zwischen
der einheimischen lutherischen Konfession der Wittenberger Nachbarn und der
angeblich vom Ausland angehauchten fortschrittlichen Reformierten als
Superintendent entlassen.
So
erfuhr Paul in der Kindheit den Streit schon sehr frühe, weshalb wir verstehen,
dass Paul Gerhardt gerade in dieser Auseinandersetzung später so hart war.
11 Jahre alt:
Beginn
des 30-jährigen Krieges (bis 1648)
12 Jahre alt:
Tod
des Vaters »im besten Mannesalter«.
14 Jahre alt:
Tod
der Mutter.
»Mutterseelenallein«
mit noch drei Geschwistern: Agnes 3, Anna 9, Paul 14, Christian 15 Jahre alt.
Aufteilung
der Restfamilie unter Verwandten, damit Auflösung der Familie.
15 bis 20 Jahre alt:
Besuch
der Fürstenschule in Grimma, südöstlich von Leipzig.
Besuch
vom 04.04.1622—15.12.1627, also fast sechs Jahre lang bis zum Alter von 20
Jahren. Schule war betont lutherisch, ehem. Augustinerkloster.
Der
Gründer, Herzog Moritz von Sachsen, hatte folgendes Ziel:
»...dass
die Jugend zu Gottes Ehren und im Gehorsam erzogen, in den Sprachen und Künsten
und vornehmlich in der Heiligen Schrift gelehrt und unterwiesen werde, auf dass
es mit der Zeit an Dienern der Kirche und anderen gelehrten Leuten in unseren
Landen keinen Mangel gebe...
Großes
Vorrecht, in diese Schule zu kommen, da Aufnahmezahl begrenzt! (Insgesamt 96
Schüler). Von Gräfenhainichen durfte zum Beispiel pro Jahr nur ein Schüler
dahin.
Mönchartiges
strenges Leben: Schlafen in Zellen unter ständiger Aufsicht, unter viel Gebet
und Gesang und Gottesdienst bei schmaler Kost (Suppe), Verrichtung teils
schwerer Arbeiten, einfachste Kleidung (Kutte) usw., aber gründliche Ausbildung
in Theologie (Bibelkunde), Philosophie und Sprachen (Lateinisch/Griechisch).
Nur
Begabteste und härteste Dulder hielten aus. Sein Bruder riss zum Beispiel aus
und fühlte sich auf dem heimatlichen Hofe wohler. Sicher sehnte sich auch Paul
oft nach Hause zu den Menschen, Tieren, Wald, Wiesen und Felder...
Mittleres
Zeugnis:
»Er
ist von nicht geringer Begabung, beweist Fleiß und Gehorsam.
Sein
Stil kann zum größten Teil erträglich genannt werden.
(Und
die Dichtkunst?) Er versteht, erträglich Verslein zu
schreiben.«
In
der Schule erlebte er mit 19 Jahren die Pest. Sie war der gefürchtetste
Feind.
Mit
20 Jahren besteht er im Dezember 1627 das Examen, mit Berechtigung eines
Universitätsstudiums. Am 15.12.1627 verlässt er die Schule zu Grimma. Das erworbene Grundwissen und die Härte waren von
großer tragender Bedeutung im späteren Leben.
21 bis 36 Jahre alt:
»Akademischer
Bürger« in der Lutherstadt Wittenberg.
Theologiestudium
auf der meistbesuchtesten Hochschule Deutschlands.
Wie
lange er studierte, ist nicht bekannt. Zum Gelderwerb gab er in der Stadt
Hausunterricht (Informator genannt).
Durch
den langen Aufenthalt in Wittenberg (15 Jahre) wuchs er mit vielen Studenten
zusammen. Durch den langen Verbleib genoss er mitten im Kriegsgeschehen eine
relativ friedliche Zeit: Wittenberg wurde nicht zerstört!
(Seine
Noterfahrungen stammen aus den Nachkriegsfolgen.)
Stationen
in Wittenberg:
Durchzug
des Schwedenheeres durch die Schlossstraße, gesäumt von Studenten und
Einwohnern. König Gustav Adolf ritt gepanzert auf einem weißen Pferd. Paul
Gerhardt bejubelt ihn wie die anderen als den Retter der evangelischen Sache.
Vier Tage dauert dieses Schauspiel, vom 31.08.-03.09.1631.
Mitte
November wieder der Durchzug des Schwedenheeres, diesmal den toten König über
sein weißes Pferd gelegt. Trauerspalier, Betroffenheit. Der 38jährige Gustav
Adolf war - obwohl siegreich - bei Lützen am 16.11.1632 gefallen, was auch Paul
Gerhardt betroffen machte.
Aus
der Ferne erfuhr er (30 Jahre alt), dass die wildernden Schweden seinen
Heimatort und den heißgeliebten elterlichen Hof
(einziges Vermögen!) total zerstört hatten. Menschenvernichtung 66 Prozent.
An
den Folgen stirbt sein Bruder Christian mit 31 Jahren. Tiefe Trauer!
Bei
der Beerdigung seines Bruders und dem Anblick der zerstörten Heimat dürfte
dieser Vers entstanden sein:
»Ihr
vormals schönen Felder,
mit
frischer Saat bestreut,
jetzt
aber lauter Wälder
und
dürre wüste Heid,
ihr
Gräber voller Leichen
und
blutgem Heldenschweiß
der
Helden, derengleichen
auf
Erden man nicht weiß.«
36 bis 45 Jahre alt:
Paul
Gerhardt zum ersten Mal für acht Jahre in Berlin!
Zwei
Begegnungen waren in der Berliner Zeit entscheidend:
1.
Das Kennenlernen der Familie Berthold,
Kammergerichtsadvokat. Damit Heimat und Geborgenheit. Viele entscheidende
Bekanntschaften, mit deren Hilfe es sich weiterkommen ließ. So zum Beispiel mit
dem Propst der Nikolaikirche, mit Pfarrern und Rektoren...
Die
Bekanntschaft mit den beiden Töchtern des Hauses Andreas Berthold war wohl die Entscheidendste: Sabine (im Alter seine Haushälterin und
Pflegmutter seines Sohnes)
Anna-Maria
(später seine Ehefrau).
Im
03.09.1643 wird er zur Hochzeit der Sabine mit dem 1. Pfarrer von St. Marien
Berlin eingeladen. Paul Gerhardt überbringt herzliche Feststrophen, 18 an der
Zahl! Einer davon:
»Wie Gott will, brennen auf der Erd die ehelichen
Flammen;
wie eins dem ändern wird beschert, so kommen sie
zusammen.
Im Himmel wird der Plan gemacht, auf Erden wird das
Werk vollbracht,
das gibt ein schönes Leben.«
25
Jahre später wird diese Braut nach dem Tode ihres Mannes zu Paul Gerhardt nach
Lübben ziehen und stirbt dort auch 1674, also zwei Jahre vor Paul Gerhardt.
Aber
auf dem Hochzeitsfest im Jahre 1643 ist noch eine ledige Tochter, die
Anna-Maria, 20 Jahre alt. Er, zwar 16 Jahre älter, hegt eine Zuneigung zu ihr,
die sie erwidert. Sie können aber erst 12 Jahre später heiraten.
Im
Hause Berthold verweilt Paul Gerhardt acht Jahre: von 1642/43-1651 als
Informator.
2.
Eine weitere Begegnung von Bedeutung: mit Johann Crüger,
dem wohl bedeutendsten Melodienschöpfer nach Luther!
Dieser schuf ca. 120 Melodien, 20 allein sind im Evangelischen
Kirchengesangbuch. Crüger war neun Jahre älter als
Paul Gerhardt, studierte ebenfalls Theologie.
An der
Berliner Kirche St.
Nikolai war er von 1622-1662,
also 40 Jahre lang Organist und Kantor. Die Freundschaft der beiden war von
Bedeutung für das Bekanntwerden der Paul-Gerhardt-Lieder.
Crüger gilt als der Entdecker Paul Gerhardts. Crüger gab den Texten von Paul Gerhardt Flügel und die
Texte von Paul Gerhardt beflügelten wiederum den Musikus Crüger.
Über Crüger:
»Seine Melodien kommen aus einer Seele,
die ein Ohr hat für ewige Harmonien.«
Für Crüger gilt: »Die Gesetze der Musik sind
Ordnungen der Schöpfung - zur Ehre Gottes.« (Crüger holte später Paul Gerhardt auf die Kanzel nach
Berlin.) Crüger war Paul Gerhardt auch ein
leuchtendes Vorbild darin, wie man mit Leid umgeht, da er durch schwere
Führungen gehen musste: Kriegserlebnisse, Hunger, Seuchenerfahrung,
Brand- und Überfälle, alle Kinder verloren, Ehefrau verloren, Neider, weil
Domkapellmeister usw...
Ähnliche Erfahrungen, wenn auch nicht so stark, musste Paul Gerhardt später ebenso
durchleben. So waren beide Joch- und Leidensgenossen, in Freud und Leid Brüder,
woher sich der Wert der Lieder erklären lässt. Ihre innige Freundschaft hielt
bis zum Tode.
45-49 Jahre alt:
Mittenwalde
liegt ca. 20 km von Berlin. Zwanzig Jahre musste er auf eine Anstellung warten.
Nun wurde er nicht nur zum Pfarrer, sondern gleich zum Probst berufen.
Nebst
der Hauptleitung für die St. Moritz-Kirche wurde er damit auch zum
Kirchenspielinspektor für die Nachbarpfarreien.
Der
44jährige traf in Mittenwalde armselige Verhältnisse an. »Keine fette Pfründe.«
Seit 1627 haben ununterbrochen fremde Kriegsvölker gehaust: »Der Krieg muss den
Krieg ernähren.« Größte Plünderungen durch die
Schweden.
Sein
Vorgänger Probst Gallus wurde von ihnen am Altar mit der Pistole erschossen.
Im
Dezember 1651, beim Antritt seines Amtes, gab es immer noch Brandschatzungen
und viel Not.
Der
Wiederaufbau erforderte seine ganze Kraft.
Wie
nötig sollte er jetzt seine Anna-Maria da haben! wann endlich konnten sie
heiraten?
Aber
darauf mussten beide noch einige Jahre warten. Anna-Maria musste ihre leidende
Mutter pflegen und das zerstörte Pfarrhaus benötigte drei Jahre zur
Instandsetzung.
Aber
am 11. Februar 1655 ist es so weit: Hochzeit!
Anna-Maria
ist inzwischen 32 Jahre alt geworden, Paul Gerhardt 47 Jahre alt.
Zwölf
Jahre waren also seit ihrem Ja-Wort in Berlin vergangen.
Die
Probstin erfuhr bald, wie arm sie waren. Die tägliche
Sorge ums Essen drückte. Als an einem Tag kein Ausweg mehr zu erkennen war,
sagte sie zum Probst:
»Gib
mir einen Kreuzer, dass ich das Allernötigste kaufen kann.«
Paul
Gerhardt: »Ich will dir eine Speise besorgen, die nicht vergeht — habe keinen
Kreuzer.« Nach zwei bis drei Stunden Einschließen
liest er ihr das Lied vor:
»Befiehl du deine Wege
und was dein Herze kränkt
der allertreusten Pflege,
des, der den Himmel lenkt,
der Wolken, Luft und Winden
gibt Wege, Lauf und Bahn,
der wird auch Wege finden,
da dein Fuß gehen kann.
Dem Herren musst du trauen...«
49 Jahre alt:
Erstmals
Vater. Freudiges Ereignis: Geburt von Maria Elisabeth * 19.05.1656
† 14.1.1657 am gleichen Geburtstag der Mutter (19.05.1623)
Schmerz:
Töchterlein stirbt, vermutlich an einer Erkältung im kalten Winter.
Text:
1. Mose 47, 8:»... wenig und böse ist die Zeit...«
Die
Mutter, 33 Jahre alt, ist ab da lebenslang kränklich.
Paul
Gerhardt: (Leichencarmen)
»Ach, es ist bittres Leiden
und ein rechter Myrrhentrank,
sich von seinen Kindern scheiden
durch den
schweren Todesgang.
Hier geschieht ein Herzensbrechen,
das kein Mund recht kann aussprechen.«
In
den 13 Jahren Ehezeit hatten Paul Gerhardt und seine Frau insgesamt fünf
Kinder, von denen vier zu Lebzeiten der Eltern verstarben.
Zum
Familienleid gesellten sich immer wieder die Raubüberfälle der wildernden
Kriegshorden. Das Pfarrhaus war besonders heimgesucht. Paul Gerhardt leistete
mit Gottes Kraft den Leidenden und Sterbenden Trost durch Rat und Tat. Er setzt
sich aber auch dafür ein, dass die alkoholisierte und verwilderte Jugend
langsam an Zucht und Ordnung und vor allem an Arbeit wieder gewöhnt wird.
Er
erkannte: Müßiggang ist aller Laster Anfang. Mit Katechismus und Bibel legte er
den Grund zu einer Gottes-Ehrfurcht.
Durch
so viel Leid und Not geschüttelt, wurde er fähig, tiefgründig Leid-, Kreuzes-,
Trost-, aber auch Loblieder zu schreiben.
Für
ihn gilt in besonderem Maße, weil feinnervige Dichternatur:
Wo
kämen Davids Psalmen her, wenn er nicht auch versuchet war?
50 Jahre alt:
Berichten
folgend wurde Paul Gerhardt, als er die Stufen des Altars hinaufstieg, von dem
leidenden Christusantlitz mit der Dornenkrone auf dem Haupte zutiefst erfasst.
Daraufhin
schrieb er das wohl mit bekannteste Lied seines
Lebens:
»O
Haupt voll Blut und Wunden«. Darin bringt er beide Seiten zum Schwingen: »Er
erniedrigte sich selbst bis zum Tode am Kreuz« und Gott hat ihn erhöht und hat
ihm einen Namen gegeben, der über alle Namen ist.«
Fernab der Mystik war ihm die Anbetung die Hauptsache.
Abschied
aus Mittenwalde im Juni 1657.
Der
Propsttitel brachte Not der Neider und keine Einnahmen, dafür viel Arbeit mit
sich. Er war nicht nur Vorsteher der Gemeinde gewesen, sondern hatte hier noch
Inspektorenaufgaben in mindestens sechs Nebengemeinden zu erfüllen.
In
diese Notzeit aber fällt auch ein besonderer Liedschöpfungsreigen: u.a.:
-
Ich steh an deiner Krippe hier;
-
Nun lasst uns gehn und treten; Befiehl du deine Wege;
-
Schwing dich auf zu deinem Gott, du betrübte Seele;
-
Ich singe dir mit Herz und Mund; Sollt' ich meinem
-
Gott nicht singen? O Haupt voll Blut und Wunden…
(1652
erschienen im Crügerschen Gesangbuch von 498 Liedern
nun bereits 63 allein von Paul Gerhardt.)
In
Mittenwalde hatte er die tiefsten Noterfahrungen, die
dann aber auch zu seinen Glaubenserfahrungen werden
konnten.
Nach
fünf harten Jahren in den besten Jahren seines Lebens lockt ihn sein Freund Crüger auf die Kanzel der Nicolai-Kirche in Berlin, damit
sie in dieser Kirche und darüber hinaus zusammenwirken konnten. Viel Zeit hatte
der fast 60jährige Crüger nicht mehr, daher die
Dringlichkeit.
50-62 Jahre alt:
1657—1669
= 12 Jahre in Berlin
Nun
zum zweiten Male in Berlin:
vor
sechs Jahren als Hauslehrer bei Bertholds, nun als Pfarrer in der Hauptkirche.
Vorab:
Wie es zum Wechsel nach Berlin offiziell kam:
Mai
1657
Berliner
Rat ersucht Paul Gerhardt einstimmig (!), an die Nikolaikirche als Pfarrer zu
kommen.
Juni
1657:
Paul
Gerhardt nimmt an:»...nach fleißiger Anrufung des Namens Gottes und nach
reiflicher Erwägung...« (also kein Weglaufen in Mittenwalde)
Juli
1657:
Paul
Gerhardt, 50jährig, tritt sein Amt an der Hauptkirche in Berlin an: 22.07.1657
1.
Amtshandlung, fast täglich einen Gottesdienst.
Fünf
friedliche Jahre:
Sorgenfreies
Einkommen. Keine Raubüberfälle mehr. Im Gegensatz zur Provinz hier Frieden und
Ordnung. Familienzuwachs wird erwartet. Anerkennung des neuen Pfarrers von
allen Seiten. Enge Freundschaft mit Johann Crüger,
der 40 Jahre Kantor hier ist.
Mit
ihm zusammen weitere Schaffung wertvollster Lieder und wesentliche Beiträge zum
Kirchengesang.
Nun
sind fünf friedliche Jahre in Berlin vergangen. Dann brechen dunkle Zeiten an.
55 Jahre alt:
1.
Sein bester Freund Crüger, 64jährig, stirbt 1662.
Tiefer Schmerz.
Es ist Gottes Führung, dass der neue Kantor, Joh.
Georg Ebeling, obwohl 30 Jahre jünger als Paul
Gerhardt, ebenfalls ein enger Freund wurde. Mit ihm
konnte nun die Arbeit an den Liedern fortgesetzt werden, zum Beispiel »Die
güldne Sonne« und viele andere. Ebeling sagte über
Gerhardt: »In seinen Liedern steckt oft mehr Saft und Kraft in einer Zeile als
bei ändern in ganzen Strophen.«
Damit war auch eine Freude in allem Leide.
56 Jahre alt:
2.
Schmerzlicher Verlust: zwei Kinder sterben nacheinander. Mitten im Leid Geburt
seines Sohnes Paul Friedrich 1663. Allerdings wird seine Frau zunehmend
kränklicher und schwächer.
3.
Streitigkeiten mit dem Kurfürsten, der Reformierter ist und den Lutheranern
Beschränkungen auferlegt. So zum Beispiel ordnete er an, dass keiner der
Untertanen künftig in Wittenberg studieren dürfe. Paul Gerhardt widersetzte
sich den Anordnungen gegen die Lutherischen, wird abgesetzt, durch Eingabe der
Stände wieder eingesetzt. Den allseits berühmten und geachteten Paul Gerhardt
konnte der Kurfürst trotz landesherrlicher Macht nicht so leicht entlassen.
(Nebenbei: Das Lieblingslied des Kurfürsten war: Befiehl du deine Wege...).
Zum besseren Verständnis für Paul Gerhardts Unnachgiebigkeit:
Pröbste von Berlin und Cölln
i.d. Bibliothek St. Nikolai — entgegen der
Herzoglichen Anordnung verpflichteten ihn auf die Luth. Bekenntnisschrift...
AB... Katechismen Luthers... Konkordienformel, Schmalkaldischen Artikel... »Ich werde — so Gott Gnade
gibt, in diesem Bekenntnis bis an mein Lebensende beständig verharren. Das
bekenne und verspreche ich.«
59 Jahre alt:
Am
06.02.1666 beschließt ein Ausschuss dann endgültig die Entlassung, bot aber
namens seiner Durchlaucht zur Versöhnung eine zweijährige Rentenzahlung in
voller
Höhe an.
Am
04.02.1668 aber endgültige
Entlassung, damit brotlos.
»Ist
Gott für mich, so trete gleich alles wider mich...«
61 Jahre alt:
4.
Tiefschlag:
Einen Monat danach, am 05.03.1668 stirbt seine Frau Anna-Maria, 45jährig, an
Brustkrebs und Lungenschwindsucht.
Seit dem Tod ihres letzten Kindes im Jahre 1667 setzte der Bluthusten immer
stärker ein, bis sie nun daran starb.
Am Totenbett steht der 61 Jahre alte Witwer mit seinem noch einzigen
fünfjährigen Sohn, arbeitslos. Ein Einblick in die Sterbekammer gibt Aufschluss
über ihren geistlichen Reifestand:
Todesszene
Anna-Maria
war nicht gefasst auf das Ende, aber vorbereitet.
»Ich
habe es nicht gewusst, dass der Tod mir so nahe ist«, sagte sie zu ihrer sie
pflegenden Schwester Sabine, die nebenbei später im Hause des 61jährigen Paul
Gerhardt und des Buben (5 Jahre) blieb. Ihr Lieblingslied aus den Sterbeliedern
ihres Mannes begleitete auch sie in der Sterbestunde:
»Wenn ich einmal soll scheiden,
so scheide nicht von mir;
wenn ich den Tod soll leiden,
so tritt du dann herfür;
wenn mir am allerbängsten
wird um das Herze sein,
so reiß mich aus den Ängsten
kraft deiner Angst und Pein.
Erscheine mir zum Schilde,
zum Trost in meinem Tod
und lass mich sehn dein Bilde
in deiner Kreuzesnot.
Da will ich nach dir blicken,
da will ich glaubensvoll
dich fest an mein Herze drücken.
Wer so stirbt, der stirbt wohl.«
Zu
ihrem fünfjährigen Buben sagte sie, er solle dem Vater gehorsam sein.
Paul
Friedrich weinte und bat sie, sie solle doch bei ihnen bleiben. Paul Gerhardt
fragte sie, ob sie Angst hätte.
Sie:
»Nein, aber Gott möge bald kommen und sie heimholen.«
Darauf
- am frühen Nachmittag - wurde ihr dieser Wunsch erfüllt: 5. März 1668
Sie
wurde in der Nikolai-Kirche bestattet. Paul Gerhardt durfte jedoch ihr Grab
nicht besuchen. So hatte es der Kurfürst angeordnet. Dies - und dass sein
Freund Ebeling Berlin verließ, bewogen ihn, von
Berlin trotz vieler Freunde Abschied zu nehmen.
Die
Spreestadt Lübben, südöstlich von Berlin, wird ihm empfohlen. Freunde
vermittelten. Es schien zu klappen. Der Magistrat lässt ihn mit einem Fuhrwerk
sogar extra abholen. Zwei Tage dauert die Fahrt. Seine Probepredigt über das
Gleichnis von der königlichen Hochzeit schlägt ein. Einstimmig wird er gewählt.
Von
dem Vorzug eines Dichters - kein Wort! So wenig bekannt - oder so rasch
vergessen! Paul Gerhardt ist zum Wechseln bereit. Aber da stellen sich
unerwartete Hindernisse ein:
Das
Pfarrerhaus ist so verwahrlost, dass es nicht einmal ein Studierstüblein
gibt. Niemand kann verstehen, wozu ein solches notwendig sei.
Bisher
habe es auch gereicht. Er spiele den feinen Herrn aus Berlin...
Bierhändler
befürchten, durch ihn Konkurrenz zu bekommen.
Paul
Gerhardt antwortet, dass er nur für den Hausgebrauch Bier brauen werde.
Andere
wollen wissen, dass der Pfarrer sie bei Pest und dergleichen verlassen werde.
Paul Gerhardt verneint dies. Manche befürchten eine große Sippschaft, die er
mitbringen werde.
Paul
Gerhardt beteuert: Nur sechs Personen werden wir sein.
Und
so geht es weiter, aber dann kommt der Tag des Umzuges doch!
62-70 Jahre alt:
Mai
1669 endgültiger Umzug nach Lübben. Hier verbringt er fast stille die letzten
sieben Jahre seines Lebens im Sinne von Johannes 3, 30: „Er muss wachsen, ich
aber muss abnehmen.“
06.06.1669:
Einführung in sein Amt. Berichten zufolge ist er der erste der drei
Stadtpfarrer: Archidiakonus. Man wird ihn als Senior
auf- und angenommen haben.
Seine
Schwägerin Sabine (wir erinnern uns an Berlin), zieht mit ihrem Kind zu ihm, um
den Haushalt und die Pflege des Sohnes zu übernehmen, dazu wohnen noch zwei
Dienstboten im Pfarrhaus. Das ist ihm eine große Hilfe.
64 Jahre alt:
Seine
treue Stütze, Schwägerin Sabine, stirbt 1674.
Sechs
Jahre lang sorgte sie für den Haushalt.
Tiefe
Lücke! Zudem hat er jetzt für zwei Kinder zu sorgen. Paul Friedrich ist erst
elf Jahre alt. Seine Schwester, die evtl. helfen hätte können, stirbt fünf
Monate später ebenfalls.
Am
15.03.1676 setzt er für seinen inzwischen 13jährigen Sohn ein beachtenswertes
Testament. Da kein Vermögen da ist, handelt es sich darin mehr um geistliche
Inhalte und Lebensregeln, so z. B.:
-
Bekenne dich zu Jesus.
-
Werde ein Diener des Wortes Gottes.
Zeugnishaft,
im Angesicht des nahenden Todes, schreibt Paul Gerhardt nieder: »Gott wolle
mir, wenn mein Stündlein kommt, eine fröhliche Abfahrt verleihen. Der wolle mir
geben, dass ich meinen lieben Herrn Jesum Christum, an welchen ich bisher
geglaubt und ihn doch nie gesehen habe, von Angesicht zu Angesicht schauen werde.« -
Schon
zehn Wochen später, am 27. Mai 1676, im 70. Lebensjahr stirbt er.
Am
07.06.1676 wird er in der Kirche in Lübben bestattet. Dort hängt ein Ölbildnis,
fast lebensgroß, mit Blickrichtung auf das Kreuz.
Nachruf:
Paulus
Gerhardtus, der Theologe (nichts vom Dichter!), in
Satans Sieb gesichtet und bewährt, gestorben zu Lübben im Alter von 70 Jahren.
Sein
13jähriger Sohn, der bereits mit 17 Jahren in Wittenberg studierte, die
Magisterwürde erreichte, mit
23
Jahren ein Mädchen aus Lübben heiratete, musste aus seiner Arbeitsstelle aus
Riga vor den Russen fliehen und war als 42jähriger arbeits- und mittellos, mit
53 Jahren stirbt er bettelarm 1716 in Berlin ohne Kinder.
Dieser
Sohn war am Sterbebett des Vaters 13 Jahre alt. Ihn soll Paul Gerhardt gebeten
haben, beim Sterben folgende Strophe laut vorzulesen:
Kann uns doch kein Tod nicht töten,
sondern reißt unsern Geist
aus viel tausend Nöten,
schließt das Tor der bittern Leiden
und macht Bahn,
da man kann
gehn zu Himmelsfreuden.
Danke an Bibel-Memory (http://www.bibel-memory.de)
für die freundliche Zuverfügungstellung dieser
Kurzbiographie. Bibel-Memory ist ein
überkonfessionelles Missionswerk, das Ihnen hilft, Bibelverse systematisch
auswendig zu lernen. Des Weiteren gibt es Kurse zum Auswendiglernen von
Liedern, darunter 2 Kurse mit Liedern von Paul Gerhardt: http://www.bibel-memory.de/klieder.htm