Roger Liebi
Audioabschrift – Bibelseminar 07.03.1998
Frage?? Es ist also so. 5. Mose 28 wird in der Synagoge nur mit verhaltener Stimme vorgetragen bei der Schriftlesung. Das ist Vorschrift. Und die ganze Thora, das ganze Alte Testament, wenn man das vorträgt in der Synagoge, dann wird das ja gesungen. Im hebräischen Text hat fast jedes Wort ein Zeichen, das eine Melodiefloskel bedeutet. Also das ganze Alte Testament ist eigentlich ein Liederbuch. Und so wird also die ganze Bibel vom Chazan bei der Lesung vorgesungen, alle Stellen, die zur Schriftlesung gehören. Bei 5. Mose 28 ist es Vorschrift, dass sie nur mit verhaltener Stimme vorgetragen werden darf. Also dramatisch, wenn die Flüche in der Synagoge gelesen werden. Und das kommt jedes Jahr einmal vor, dass diese Lektüre gemacht werden muss. Und man ist sich sehr wohl der Erfüllung dieser Kapitel bewusst. Aber das große Problem ist: Was ist eigentlich die Ursache, dass es zu dieser großen Katastrophe gekommen ist ab dem Jahr 70? 2000 Jahre Exil, Blut und Tränen.
Und da wird im Talmud bereits von den Rabbinern kurz nach der Zerstörung Jerusalems und in den folgenden Jahrhunderten darüber diskutiert, warum das alles geschehen ist. Und sie geben dann verschiedene Gründe an. Soziale Ungerechtigkeit war da und alles Mögliche und man sucht nach Gründen, um eine Ursache zu finden, die eben nicht in der Verwerfung des Messias begründet ist. Aber die soziale Ungerechtigkeit kann man auf alle anderen Jahrhunderte auch beziehen. Also irgendwie muss ja vor dem Jahr 70 nach Christus etwas ganz Schwerwiegendes geschehen sein, dass so etwas gekommen ist. Wenn wir an das babylonische Exil denken, das 70 Jahre dauerte. Was war der Grund damals? Das wird ganz klar gesagt in den Propheten und auch in den König- und Chronikbüchern: Götzendienst. Also der Verstoß gegen das 1. Gebot: Du sollst keine anderen Götter neben mir haben. 70 Jahre waren sie dort, aber was sind 70 Jahre im Vergleich zu den 2000 Jahren jetzt. Es musste also etwas geschehen sein, was noch schwerwiegender ist, als die Hinkehr zu falschen Göttern. Und es ist die volle Verwerfung des Gottes Israels. Das ist natürlich ein Punkt, wo es bei ihnen mangelt, sie haben keine genügende Begründung dafür, warum 5. Mose 28 ab dem Jahr 70 nach Christus so in Erfüllung ging.
Und da kann man darauf hinweisen, dort ist der entscheidende Wendepunkt gekommen mit der Verwerfung des Messias. Aber wichtig ist dann, man darf nicht einfach von Kollektivschuld sprechen, quasi als wäre jeder Jude an der Kreuzigung damals schuldig. Das geht ja nicht. Der Jude von heute war ja nicht vor 2000 Jahren dort. Aber da muss man das so aktualisieren. Das war die Generation damals und insbesondere die Leute, die damals in Jerusalem waren, und nicht schlicht alle Juden in der ganzen Welt, die mit der Kreuzigung zu tun hatten. Aber jede Generation wird eigentlich neu wieder vor die Entscheidung gestellt für oder wider den Mann aus Galiläa, den Messias. Und je nachdem wie jeder persönlich das für sich beantwortet, wird die Verantwortung wieder neu aktuell. Und so ist der Fluch über die Generationen hin zu erklären. Das ist nicht einfach ein Fluch, der von den Vorvätern gekommen ist und man hat selber gar nichts dazu getan, sondern jede Generation für sich muss sich wieder neu entscheiden: Will ich den Erlöser annehmen oder ablehnen?
Und dann kann man das Ganze natürlich noch ausweiten: Warum hat Gott eigentlich das Volk Israel auserwählt? Er hat es auserwählt, damit es ein Prototyp sei für alle anderen Völker. Gott wollte anhand von Israel zeigen, was geschieht, wenn ein Volk gehorsam ist. Im Buch Josua sehen wir wie sie gehorsam waren und da schreibt Josua, dass alle diese Segenssprüche über Israel gekommen sind, kein Wort fiel dahin, Josua 22. Und dann auch unter Salomo, wo die größte Blütezeit gekommen ist, wird das wiederholt, dass kein Wort von all diesen guten Worten des Herrn, dahingefallen ist. Gott will zeigen, es lohn sich und er will zeigen anhand von Israel, dass es sich nicht in Götzendienst zu fallen und den Erlöser abzulehnen. Das sind die beiden Punkte. Aber das ist die Botschaft für die ganze Welt und deshalb darf man das nicht so missbrauchen für antisemitische Überlegungen, sondern dann muss man sagen, diese Frage stellt sich jetzt auch jedem Nichtjuden. Wo stehst du? Wie entscheidest du? Denn in 5. Mose 28, 45 steht noch ein Wort: „Und alle diese Flüche werden über dich kommen und dich verfolgen und dich treffen, bis du vertilgt bist, weil du der Stimme des HERRN, deines Gottes, nicht gehorcht hast, seine Gebote und seine Satzungen zu beobachten, die er dir geboten hat. Und sie werden zum Zeichen und zum Wunder sein an dir und an deinem Samen bis in Ewigkeit.“ Da haben wir die Ausdrücke Zeichen und Wunder, die hebräischen Wörter dafür können auch übersetzt werden mit Warnung und Vorbild. Für wen eine Warnung? Für alle anderen Völker. Für wen ein Vorbild? Für alle anderen Menschen. Und Gott will damit zeigen, was für eine Katastrophe gekommen ist durch die Ablehnung des Messias. Aber jeder Nichtjude, der den Messias auch ablehnt, wird eine noch viel größere Katastrophe erleben, nämlich die ewige Verdammnis. Noch viel schrecklicher als das, was wir uns vorgestellt haben mit den Bildern aus der Holocaustzeit, ewige Verdammnis. Und so hat also Gott dieses Volk als Warnung und Vorbild gegeben für eine gerichtsreife Welt, damit sie noch die Hand des Erlösers rechtzeitig ergreift.
Darum dann auch Kapitel 30. Das ist so feierlich. Wir müssen uns den alten Mose am Eingang zum verheißenen Land vorstellen. Er warnt das Volk noch einmal eindringlich im Blick auf seine Geschichte, die kommen sollte. 5. Mose 30, 19: „Ich nehme heute den Himmel und die Erde zu Zeugen gegen euch: das Leben und den Tod habe ich euch vorgelegt, den Segen und den Fluch! So wähle das Leben, auf dass du lebest, du und dein Same, indem du den HERRN, deinen Gott, liebst und seiner Stimme gehorchst und ihm anhängst; denn das ist dein Leben.“ Er hat ihnen Leben und Tod vorgestellt, und dann sagt er nicht, jetzt könnt ihr wählen, was euch interessant dünkt. Sondern es ist ein Befehl der Thora: Wähle das Leben! Das ist ein Befehl. Jeder Mensch, der das Leben nicht wählt, begeht Befehlsverweigerung dem Allmächtigen gegenüber. Der Befehl des Gesetzes heißt: Wähle das Leben, auf dass du lebest! Und so können wir das natürlich grandios evangelistisch ausnutzen und können sagen: Ja, schaut wir reden von Fakten. Schauen wir zurück auf 2000 Jahr jüdische Geschichte. Es zeigt, es lohnt sich, wähle das Leben, auf dass du lebest. Sonst noch eine Frage?
Frage? Nun, das ist natürlich ein Bezug auf die ganze Botschaft des 5. Buches Mose. Heute muss auch nicht nur einen bestimmten Tag bezeichnen, das kann auch eine Zeitperiode sein. Wir sagen ja auch heutzutage, oder heute sagt man das so und so, da meinen wir auch nicht nur einen bestimmten Tag, sondern die jetzige Zeitperiode. Und wenn Mose sagt: Was ich euch heute vorstelle, dann bezieht sich das auf die Zeit, wo Mose diese Reden gehalten hat in den Ebenen Moabs. Und da hat er eben das ganze Gesetz gewissermaßen wieder aufgenommen, die früheren Gebote, und sie erklärt und gedeutet, wie das im Land dann praktiziert werden soll. Ja, noch etwas?
Ich habe dann noch schriftlich eine Frage bekommen. Der Segen Aarons wird in der evangelischen Kirche zum Abschluss oft gesprochen. Was ist davon zu halten? Es bleibt noch wichtig zu wissen, dass auch in der Zeit der Evangelien der Priestersegen tagtäglich im Tempel gesprochen wurde. Und zwar immer der Priester, der ins Heiligtum ging um zu räuchern, den das Los getroffen hatte, der durfte dann den Segen sprechen wenn er herauskam, und die Volksmenge war ja zum Beten jeweils versammelt. Das ist genau die Situation von Zacharias, dem Vater von Johannes dem Täufer. Zacharias kam ja heraus und da sollte er das Volk segnen. Und zwar musste er dann die Hände über den Kopf heben und den Segen sprechen: „Jevarecha Adonaj, vejischmerecha. Ja’er Adonaj panajv elejcha, vijchunnecha. Jisa Adonaj panajv elejcha, vejasem lecha schalom“, 4. Mose 6, 24-26. Aber er konnte das eben nicht mehr in diesem Fall. Also Gott hat das so eingerichtet, dass dieser Segen tagtäglich für Israel gesprochen wurde. Und natürlich weckt das den Wunsch, dass man das in der Gemeinde diesen Segen auch hat. Nun ist es nicht als Institution so eingerichtet worden im Neuen Testament. Dennoch haben wir Hinweise auf das Segnen. Zum Beispiel 1. Petrus 3, 8-9: „Endlich aber seid alle gleichgesinnt, mitleidig, voll brüderlicher Liebe, barmherzig, demütig und vergeltet nicht Böses mit Bösem, oder Scheltwort mit Scheltwort, sondern im Gegenteil segnet, weil ihr dazu berufen worden seid, dass ihr Segen ererbet.“ Das ist ein neutestamentlicher Aufruf, segnet. Vielleicht sind wir ein bisschen in Verlegenheit: Ja, wie sollen wir das jetzt konkret tun? Das wird uns nicht gesagt. Es wird nicht als Institution gesagt, so und so sollst du es machen, aber ich meine, schon wenn wir uns einander manchmal beim Abschied gewisse Dinge wünschen, alles Gute oder so, sind das eigentlich schon Segensworte. Und ihr seid berufen zum Segnen, natürlich hat das Wort an sich keine Kraft, genau so wie der Priestersegen Aarons, der auch keine Kraft in sich hat. Außer eben, dass Gott ja sagt, wenn sie den Priestersegen sprechen, dann werde ich sie segnen. Das Segnen hat also gewissermaßen eine Funktion wie das Beten. Es ist in dem Sinn eine Bitte an Gott, dass er den Segen bewirkt. Also nicht in unseren Worten liegt die Kraft des Segens. Aber Gott sagt, und so sollen sie meinen Namen auf die Kinder Israel legen und ich werde sie segnen. Also so viel zu dem Thema Priestersegen. Sonst noch etwas?
Frage: Noch etwas zur Wüstenwanderung. Wenn ich das recht verstehe waren die 40 Jahre Wüstenwanderung nicht unbedingt nötig in das Land zu kommen. Aber wegen des Ungehorsams hat das so lange gedauert.
Ja, genau. Und das zeigt das 4. Buch Mose interessanterweise. Im 2. Buch Mose haben wir noch nichts davon, obwohl auch da der Anfang der Wüstenwanderung beschrieben wird. Aber dort wird gezeigt, wie durch die Rebellion und durch die Auflehnung Gott die Wüstenwanderung verlängern musste um 38 Jahre. Genau. Aber das liegt wieder auf der gleichen Linie, um zu zeigen, es lohnt sich nicht, Auflehnung und Rebellion gegen Gott, sondern Hingabe, Liebe und Nachfolge bringt Gottes Segen. Noch eine Frage oder Anmerkung?
Vielleicht noch etwas Wichtiges möchte ich zeigen. Jetzt haben wir im 5. Buch Mose Gottes Ankündigungen des Landverlustes gesehen. Und das ist grad interessant in unserer Zeit, wo man so viel über Land für Frieden spricht. Wir sehen, dass Israel alles verloren hat, sein ganzes Land und das war so angekündigt im Gesetz Mose. Aber wenn wir mal 1. Mose 12 aufschlagen, da finden wir Abraham, den Stammvater Israels, herausgerufen aus Ur in Chaldäa, der endlich, endlich ins Land konnte. In 1. Mose 12, 5 kommt er ins Land Kanaan. Und jetzt lese ich Vers 6: „Und Abraham durchzog das Land bis zu dem Orte Sichem, bis zur Terebinthe Mores. Und die Kanaaniter waren damals im Lande.“ Ist uns klar, was die erste Ortschaft ist, die erwähnt wird? Sichem – Nablus, zwischen Ebal und Garizim. Und jetzt, der Herr erscheint zum ersten Mal: „Und der HERR erschien dem Abraham und sprach: Deinem Samen will ich dieses Land geben. Und er baute daselbst dem HERRN, der ihm erschienen war, einen Altar.“ Eigentümlich, oder. Ausgerechnet an einem der umkämpftesten, heißesten Stellen heute, bekommt Abraham die erste Zusage: Deinem Samen will ich dieses Land geben. Er konnte herumschauen. Wo war er? Im Westjordanland. Und Gott wiederholt diese Verheißung und bindet sie ein in ein Bündnis.
In 1. Mose 15, 9 ruft Gott Abraham dazu auf, einige Tiere herbeizubringen. Vers 9: „Da sprach er zu ihm: Hole mir eine dreijährige Färse und eine dreijährige Ziege und einen dreijährigen Widder und eine Turteltaube und eine junge Taube. Und er holte ihm diese alle und zerteilte sie in der Mitte und legte die Hälfte eines jeden der anderen gegenüber; aber das Geflügel zerteilte er nicht.“ Was macht Abraham hier? Er schlachtet Tiere, dann zerschneidet er sie in zwei Teile und legte immer eine Hälfte gegenüber der anderen Hälfte, so dass es dazwischen eine Straße gab. Das war die übliche Art im Alten Orient Bündnisse zu schließen. Also wenn ein Stadtkönig ein Abkommen schloss mit einem Vasallen, dann töteten sie Tiere auf diese Art und machten eine solche Straße. Dann wurden die Bedingungen des Bundes, des Abkommens genannt und beide Parteien liefen dann durch diese Straße. Und sie verpflichteten sich für die Abmachungen, wenn sie es nicht einhalten, dann soll mit ihnen geschehen, was mit diesen Tieren geschehen ist. Also, so hat man Bündnisse gemacht. Und jetzt macht Gott mit Abraham einen Bund. Und was geschieht in Vers 12? „Und es geschah, als die Sonne untergehen wollte, da fiel ein tiefer Schlaf auf Abraham; und siehe, Schrecken, dichte Finsternis überfiel ihn.“ Das hebräische Wort tardemah, tiefer Schlaf, ist das gleiche Wort wie bei Adam, als Gott ihm die Rippe entfernte. Dort bezeichnet es sogar eine Narkose, so tiefer Schlaf. Also Abraham fällt in einen ganz tiefen Schlaf und dann sieht Abraham, passiv sieht er, was geschieht, in Vers 17: „Und es geschah, als die Sonne untergegangen, und dichte Finsternis geworden war, siehe da, ein rauchender Ofen und eine Feuerflamme, die zwischen jenen Stücken hindurchfuhr. An selbigem Tag machte der HERR einen Bund mit Abraham und sprach: Deinem Samen gebe ich dieses Land vom Strome Ägyptens bis an den großen Strom, den Strom Phrat.“ Was ist geschehen? Der Bund wird besiegelt, aber nur einseitig. Abraham kann gar nicht hindurchgehen. Nur die Schechina, die Feuersäule, Gottes Gegenwart, geht hindurch. Das heißt, Gott verpflichtet sich einseitig für dieses Abkommen. Und Gott verpflichtet sich bei Nichteinhaltung des Bundes, alles auf sich zu nehmen, dann geschieht mit ihm, was mit diesen Tieren geschehen ist. Das heißt, der Abrahambund war vollständig einseitig und damit auch die Verheißung des Landes, übrigens vom Strom Ägyptens bis zum Euphrat, das ist ein bisschen mehr als heute Israel mit den ganzen besetzten Gebieten. Und Gott ist bereit, die volle Verantwortung zu übernehmen. Das wird uns gezeigt im 1. Buch Mose.
Aber später sehen wir, ab 2. Mose 19, dass Israel unter den sinaitischen Bund kommt. Gott schließt einen neuen Bund und der ist zweiseitig. Israel verpflichtet sich: Alles, was der Herr gebietet, wollen wir tun. Dreimal ab Kapitel 19 in 2. Mose. Ein zweiseitiger Bund. Und Mose sagt in der Bundeserklärung, in der Vertragsverlesung, noch in 5. Mose 28, was geschehen wird bei Nichteinhaltung des Bundes. Und Israel ist dann unter Josua ins Land gegangen und da ist das alles gekommen. Die zehn Stämme weg, die zwei Stämme nach Babylon, dann kurz nochmals zurück, die Verwerfung des Messias und dann weg unter alle Völker für 2000 Jahre. Das heißt, durch den sinaitischen Bund hat Israel alles verwirkt, alles verloren. Und plötzlich 1882 die erste Alijah, die Juden kommen aus Russland und wandern ein nach Palästina. Und es kommt eine Einwanderungswelle nach der anderen. Im 20. Jahrhundert kehren Millionen aus allen fünf Kontinenten zurück, aus über 40 Ländern. Der Staat wird neu gegründet. Da fragt man sich: Was ist los? Sie haben doch alles verwirkt. Ja, alles verwirkt. Aber es gibt noch einen Abrahambund. Und Gott sagt in Hesekiel 36, 24: Ich werde euch herausholen aus allen Ländern und euch in euer Land bringen. Und er sagt: Um meinetwillen tue ich das, denn wie würde mein Name entweiht werden unter den Nationen. Also, was wir heute sehen ist Gottes Gedenken an den Abrahambund, der völlig einseitig ist. Das heißt, Israel bekommt den Segen des Landes, aber aus reiner Gnade. Wenn es um Verdienst geht, nur Verlust.
Aus reiner Gnade bekommen sie das Land und das zeigt uns, auch nach 4000 Jahren ist dieser Bund aus dem 1. Buch Mose nach wie vor gültig. Und das Gewaltige ist, Gott hat die Verantwortung einseitig übernommen für den Abrahambund und der Herr Jesus ist am Kreuz von Golgatha den Opfertod gestorben. Und das ist die Grundlage für Israels Segen der Zukunft. Aber eigentümlich ist, dass dort auch der Höhepunkt gewesen ist in der Verwerfung des Messias, der zur Katastrophe des sinaitischen Bundes geführt hat. In Golgatha liegt die Ursache für den Fluch des sinaitischen Bundes und gleichzeitig ist es die Grundlage für den Segen des abrahamitischen Bundes. Also das ist ganz gewaltig zu sehen diese heilsgeschichtlichen Zusammenhänge, so dass wir wirklich mit Paulus sagen müssen, Römer 11, 33: „O Tiefe des Reichtums, sowohl der Weisheit als auch der Erkenntnis Gottes! Wie unausforschlich sind seine Gerichte und unausspürbar seine Wege!“ Aber das ist doch sehr interessant zu sehen, wenn wir die fünf Bücher Mose überblicken, im 1. Buch Mose haben wir den Abrahambund, den Gnadenbund, und im 5. Buch Mose ganz ausführlich den sinaitischen Bund, der zum Fluch führt. Und so ergänzen sich eben wieder die fünf Bücher Mose als ein Ganzes. Und gewaltig eben, Gottes Verheißung für das Land ist zum ersten Mal in Sichem gegeben, da wo der sinaitische Bund Segen und Fluch verkündigt hat.
Und das zeigt uns dann auch folgendes. Wir schauen uns heute einfach die fünf Bücher Mose an, aber jetzt könnten wir weitergehen in der Betrachtung der Bibelbücher, und dann käme das Buch Josua. Und das Buch Josua ist die perfekte Fortsetzung der fünf Bücher Mose, denn jetzt geht es um die Landnahme. Also das, wovon im 1. Buch Mose die Rede war mit dem Abrahambund und das, wovon im 5. Buch Mose die Rede war im Zusammenhang mit dem sinaitischen Bund. Und sie gehen hinein ins Land und nehmen es ein. Und dann schauen wir mal Josua 24. Josua warnt nochmals das Volk, dass, wenn sie ungehorsam sind, sie das Land verlieren werden, Kapitel 23. Und um das zu bestätigen, versammelt er sie in Kapitel 24. Vers 1: „Und Josua versammelte alle Stämme Israels nach Sichem.“ Unglaublich wieder diese Stadt im Westjordanland. Und was geschieht noch? Josua bestätigt für die neue Generation nochmals den sinaitischen Bund. Verse 25-26: „Und Josua machte einen Bund mit dem Volke an selbigem Tage und stellte ihm Satzung und Recht zu Sichem. Und Josua schrieb diese Worte in das Buch des Gesetzes Gottes; und er nahm einen großen Stein und richtete ihn daselbst auf unter der Terebinthe, die bei dem Heiligtum des HERRN steht.“ Das ist doch eigenartig. Was ist das Heiligtum des HERRN? Die Stiftshütte ist doch nicht in Sichem. Wo war die? Wo war die Stiftshütte damals? Nach Kapitel 18, 1 in Silo. Und hier sind wir in Sichem und er stellt einen Stein auf bei dem Heiligtum des HERRN. Ja, jetzt müssen wir wieder zurück denken, 1. Mose 12. Abraham hat doch dort bei der Terebinthe Mores einen Altar aufgerichtet, ein Heiligtum unter freiem Himmel. Da stellt Josua den Stein auf. Da wo Abraham die Verheißung bekommen hat: Deinem Samen werde ich dieses Land geben.
Und wir lesen weiter: „Und Josua sprach zu dem ganzen Volke: Siehe, dieser Stein soll Zeuge gegen uns sein; denn er hat alle Worte des HERRN gehört, die er mit uns geredet hat; und er soll Zeuge gegen euch sein, damit ihr euren Gott nicht verleugnet. Und Josua entließ das Volk, einen jeden in sein Erbteil.“ Ja, und die Archäologie in Sichem hat die Mittlere Bronze 2b schön freigelegt dort und den Stein an dieser Stelle wieder aufgerichtet. Einen gewaltigen zwei Meter großen Stein. Er steht dort, wenn man nach Sichem geht, kann man ihn besichtigen. Da steht er: Dieser Stein soll Zeuge gegen uns sein, denn er hat alle Worte des HERRN gehört. Ausgerechnet da in Nablus, im Westjordanland, steht der Stein nach 3500 Jahren noch als Zeuge. Also Josua wiederholt gewissermaßen den sinaitischen Bund. Und dann können wir durch alle Geschichtsbücher hindurchgehen. Und was ist das letzte Geschichtsbuch? Wir kommen durch die ganze Geschichte bis 2. Chronik und das Volk kommt nach Babylon, Wegführung, Verlust des Landes. Aber dann haben wir weitere Geschichtsbücher, Esra, Nehemia. Sie kommen zurück ins Land. Und dann kommen die Propheten und diese zeigen: Ihr werdet schlussendlich zerstreut werden über die ganze Welt, aber am Ende der Tage wird der Herr euch aus reiner Gnade zurückführen.
Also wir sehen, wie die weiteren Bücher des Alten Testaments zeigen, dass Israel das Land einnimmt und es wieder verliert, um am Ende der Tage zu erkennen, dass sie Gott nichts bringen können, dass sie nichts leisten können, sondern nur durch Gnade gesegnet werden können. Das ist die Botschaft des Alten Testaments. Es ist ein Unterfangen der Jahrtausende, mit dem Gott der ganzen Welt zeigen wollte, dass es allein durch Gnade Rettung gibt. Das was die Reformatoren so gewaltig entdeckt haben: Es geht nicht mit Leistung, sondern allein durch Gnade. Und das wird bereits im Gesetz Mose im Kern angelegt, die Tatsache, es geht nur durch Gnade. Dass das Volk Israel noch existiert, obwohl viele andere, auch größere Völker verschwunden sind, liegt allein an der bewahrenden Gnade Gottes.
Und auch die Worte Gottes im Bund mit Abraham, haben sich bis über 4000 Jahre immer wieder bewahrheitet, 1. Mose 12, 3: „Und ich will segnen, die dich segnen, und wer dir flucht, den werde ich verfluchen, und in dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter der Erde!“ Ägypten hat Israel geflucht und einen Völkermord begangen. Dann kam der Zusammenbruch des ägyptischen Reiches durch die zehn Plagen. Dann finden wir später, wie die Assyrer in Hass gehandelt haben und die zehn Stämme weggeführt haben. Und was ist geschehen 100 Jahre später? Im Jahr 612 fiel Ninive und das uneinnehmbare assyrische Reich brach zusammen, krachend und tosend. Dann kamen die Babylonier und haben die zwei Stämme weggeführt und haben im Hass gegen Israel gehandelt. Und was geschah? Einige Jahrzehnte später kamen die Perser und eroberten das babylonische Reich mit einem Schlag. Und dann haben die Perser sich am Ende ihrer Herrschaft massiv an den Juden vergangen. Und dann kam Alexander, 20 Jahre alt, mit ein paar Tausend Soldaten und schlug das ganze persische Reich in etwas mehr als zehn Jahren zusammen, bis nach Indien. Und dann haben sich die Nachfolger aus dem Reich Alexanders an den Juden vergangen und dann schlugen die Römer schlussendlich den Rest des Alexanderreiches kaputt. Und so ging die Geschichte weiter und weiter und wir kommen bis an das Ende des letzten Jahrhunderts. Da hat sich das Zarenreich ganz massiv an den Juden vergangen und dann kam die kommunistische Revolution. Und Russland wurde 70 Jahre in Eisen und Ketten verwahrt. Das Dritte Reich sollte eigentlich tausend Jahre dauern und nach einigen Jahren war alles am Boden zerschlagen. Und es sind 12 Millionen Tote, Verletzte und Verwundete aus dem Dritten Reich. Das war das Endergebnis nach 1945. Dann wurde der Staat Israel gegründet und die arabischen Nachbarn stürzten sich auf sie los im Unabhängigkeitskrieg. Und nach eineinhalb Jahren waren alle besiegt. Israels Grenzen waren noch größer als vorher, Israels Landbesitz. Dann kam der Sinai-Krieg in den 50er Jahren, wieder wurden die Ägypter geschlagen. Dann kam der Sechs-Tage-Krieg, nach sechs Tagen waren alle geschlagen. Ein Existenzkrieg nach dem anderen und jedes Mal kamen diese Völker unter den Fluch. Also das hat sich dramatisch durch die Jahrtausende bis heute bewahrheitet, dieser abrahamitische Bund.