Theo Lehmann – Jugendgottesdienst Nr. 149

Abschrift der Predigt aus dem Juni 1993 über Apostelgeschichte 9, 4 überschrieben mit dem Titel: „Annahme ohne Ausnahme“ - Die Bekehrung des Paulus).

 

Liebe Freunde,

mit falschen Zeugen hat man ja schon Jesus den Prozess gemacht. Und bei Stefanus, dem ersten Märtyrer der Kirche war es genauso. Unschuldig wie der war, wurde er aufgrund falscher Zeugenaussagen hingerichtet. Sie haben ihn gesteinigt wie so einen räudigen Hund. Der Mann, der die Hinrichtung geleitet hat, hieß Saulus. Und von dem will ich euch heute erzählen.

Saulus, der Christenhasser.

Saulus, auf Griechisch „Paulus“, auf Deutsch „Der Kleine“ war ein großer Christenhasser. Er war ein ausgebildeter Psychologe, ein ausgekochter Denker, ein ausgesprochener Kirchengegner, und es heißt ausdrücklich in der Bibel von ihm, dass er an der Steinigung des Stephanus seine Freude hatte. Das gefiel ihm, wie da einer so mit Steinen zusammengeschossen wurde, und bei jedem Treffer mehr zusammensackte und zuckte, bis er irgendwann wie ein nasser Sack da lag, nur noch so ein Haufen zuckendes Fleisch, bis er krepierte. Das machte ihm Freude, wie man wieder erleben konnte, wie einer von den Christen liquidiert wird. Saulus hatte an dieser Sauerei die gleiche Freude wie so ein sechzehnjähriger Neonazi beim Türkenklatschen, wo man sich fragt, was geht in den Köpfen solcher Menschen vor, mit der Stiefelspitze in einen Menschen einzudreschen. Die müssen doch einen Riss in der Schüssel haben. Was denken die eigentlich!

So einer ist Paulus gewesen – arbeitet mit falschen Zeugen, schindet die Leute zu Tode, und hat dann noch seinen Spaß dran. Der Mann ist nicht nur fanatisch, der ist auch noch fies. Das ist einer von denen, mit denen man möglichst nichts zu tun haben möchte. Und ausgerechnet mit dem will Gott was zu tun haben. Ausgerechnet für den hat Gott etwas zu tun. Er soll den Namen von Jesus vor die Heiden und vor die Könige tragen[1]. Da hat Gott sich einen ganz besonders schweren Brocken ausgesucht, um der Welt einmal sein Meisterstück zu zeigen. Aus dem größten Christenhasser soll der größte Christusprediger werden.

Vom Christenhasser zum Christusprediger.

Und das kam so: nachdem Stephanus getötet war, da will Paulus, weil er nun Blut geleckt hat, die ganze christliche Gemeinde ausradieren. Er macht in Jerusalem eine Razzia. Wer erwischt wird als Christ, fliegt in den Knast, wer kann, der flieht, und so breitet sich eben durch diese Flüchtlinge der christliche Glaube im Land aus. Und je mehr Paulus in die Glut schlägt, umso mehr stieben die Funken. Es ist das alte Gesetz, das Lebensgesetz der Kirche und das heißt: das Blut der Märtyrer ist der Samen der Kirche.

Ich habe vor vierzehn Tagen einen jungen Mann kennen gelernt, es war ein Katholik, Priesterlehrling, ein ganz junges Bürschli, er sah noch aus wie ein Kind, er hatte schon seinen ersten Einsatz in Afrika hinter sich als Missionar. Und er hat mir erzählt, als er da mit dem Boot über den Fluss fahren musste, in diesen Aufständen dort, da haben welche mit den Maschinen-pistolen hinterher geschossen und da sind zwei von den Priestern, die mit ihm im Boot waren, erschossen worden. Die flogen dann neben ihm um, tot. Und er konnte sich retten. Das ist schon Wochen und Monate her, aber er heulte immer noch, als er mir das erzählt hat. Er hat das Erlebnis einfach nicht verkraften können. Er fragte „Wieso fängt denn Gott eine Missionsarbeit mit mir in Afrika an, indem zwei (Menschen) sterben müssen?“

Das Blut der Märtyrer ist der Same der Kirche.

Wenn die Missionsgeschichte unseres Jahrhunderts einmal geschrieben ist, dann wird das eine Geschichte von Blut sein. In vielen Ländern dieser Erde werden die Christen blutig verfolgt. In Pakistan durch die Moslems, in Peru durch die Marxisten, aber es ist überall dasselbe: wenn die Kirche unterdrückt wird, da geht sie in die Tiefe, manchmal in den Untergrund, jedenfalls in die Tiefe. Dort wird sie tiefer, gefestigter, breitet sich aus, und das ist seit zweitausend Jahren so. Und das weiß auch jeder, der die Kirchengeschichte kennt. Aber Paulus weiß das nicht, weil er ja am Anfang dieser Geschichte steht. Und er denkt noch so ganz naiv, wenn man die Christen richtig unterdrückt, dann kann man die Christen ausrotten.

Nachdem er in Jerusalem aufgeräumt hat, geht er nach Damaskus, in eine andere Stadt, um dort aufzuräumen. Aufgrund seiner besonderen Verdienste und seines rücksichtslosen Durchgreifens ist er so eine Art Kommissar für Christenverfolgung geworden, trägt ein schwarzes Dokumenten-köfferchen dabei, wo die Haftbefehle drin sind, wird begleitet von so ein paar smarten Herren, die auch solche Köfferchen tragen, da sind die Handschellen drin, und so marschiert er auf Damaskus los und auf einmal ist der Himmel los.

Die berühmteste Bekehrungsgeschichte aller Zeiten – unerklärbar.

Mitten am helllichten Tage auf der offenen Landstraße begegnet ihm Jesus. Und die Lichtfülle seiner Herrlichkeit haut den Paule auf die Bretter, dass er in die Knie geht, wie geblendet. Und als er auf dem Wege war und nahe an Damaskus kam, umleuchtete ihn plötzlich ein Licht vom Himmel. Und er fiel auf die Erde und hörte eine Stimme, die sprach zu ihm: Saul, warum verfolgst du mich? Er aber sprach: Herr, wer bist du? Der Herr sprach: Ich bin Jesus, den du verfolgst. Stehe auf, gehe in die Stadt, da wird man dir sagen, was du tun sollst.[2]

Das ist also die berühmteste Bekehrungsgeschichte aller Zeiten. Ich muss einmal ganz ehrlich sagen, ich habe schon interessantere Bekehrungsgeschichten gehört. Wenn man die paar Zeilen so liest, das hört sich unwahrscheinlich trocken und bieder an, und wieso der Mann sich hier bekehrt, wird überhaupt nicht erklärt. Aber das liegt eben daran, dass man eine Bekehrung gar nicht erklären kann. Bekehrung ist ein Wunder, da gibt es nichts zu erklären und nichts zu verstehen, sondern da kann man nur zur Kenntnis nehmen, wie aus einem Mensch, der eben noch ein Atheist war jetzt ein Christ geworden ist. Hier ist ein Mensch, der eben noch Gott abgelehnt hat und der ist jetzt ein Freund Gottes geworden. Das Ganze sieht so aus wie eine Blitzbekehrung aus heiterem Himmel.

Aber so ist das ja gar nicht. Vielleicht gibt es überhaupt keine plötzlichen Bekehrungen, jede Bekehrung hat ja ihre Vorgeschichte. Und deine Bekehrung hat ja auch eine Vorgeschichte. Zum Beispiel, dass du heute Abend hier sitzt ist ja schon ein Beweis dafür, dass Gott an dir arbeitet. Aber die Vorgeschichte ist für uns meistens nicht sichtbar. Wir sehen nur, wie Paulus plötzlich umkippt und von einem Moment zum anderen vom Nichtchristen zum Christen wird. Wir sehen nur, wie einer nach einem Entscheidungsruf bei einer Evangelisation nach vorne kommt. Wir sehen ja gar nicht, was vorher in dem vor sich gegangen ist.

Jede Bekehrung ist einzigartig.

Bekehrung ist in jedem Fall ein Prozess, und ist in jedem Falle anders. Und wenn uns das bei dem Paulus alles so blitz- und ruckartig vorkommt, dann müssen wir bedenken, dass da ja noch eine Geschichte dahinter steckt. Da hat sich vorher einiges abgespielt, tief in seinem Gewissen. Und was wie so eine plötzliche Bekehrung aussieht, das ist in Wirklichkeit eine lange, vorbereitete Kapitulation.

Das habe ich schon oft erlebt. In diesen Gottesdiensten und wenn ich so unterwegs bin, da kommen Menschen in unsere Veranstaltungen, die diskutieren mit mir und unseren Mitarbeitern wie die Weltmeister. Die diskutieren, dass die Fetzen fliegen und machen uns fertig und bringen ein Argument nach dem anderen, die reden mit uns eine Woche lang, sind taub für alles, was wir sagen. Man hat das Gefühl, man redet gegen eine Wand, die sind wie zu betoniert, die agitieren, dass wir den Mut verlieren – und dann, von einem Moment zum anderen, dann bekehren sich solche Menschen. Und wenn wir uns dann gegenseitig akzeptiert haben und Brüder und Christen geworden sind, dann reden wir ruhig zusammen. Und dann erzählen die, und es stellt sich heraus, dass die schon längst im Laufe der Woche Zweifel an ihrer Position gehabt haben. Aber das wollten die vor sich und ihren Kumpels und vor Gott nicht zugeben. Die lieferten eine ganze Weile nur noch Scheingefechte, obwohl sie innerlich schon längst überwunden waren.

Der Tod von Stephanus und die Bekehrung von Paulus.

So war es bei dem Paulus auch. Paulus hat die Kirche bekämpft, er hat sich am Terror gegen die Kirche geweidet. Er hat sich, als Stephanus da blutend lag, vor Freude die Hände gerieben. Und dann hat ihn sein Gewissen umgetrieben. Denn er sah ja nicht nur, wie Stephanus starb, er hörte ja auch, was Stephanus als letztes sagte. Stephanus hat als letztes einen Satz gesagt, genau wie Jesus. Er hat nämlich genau für seine Mörder gebetet und hat gesagt: Herr, strafe sie nicht für ihre Sünde[3]. Kein Hass, kein Fluch, sondern die Bitte um Vergebung für seine Mörder.

Wenn man das erlebt, das vergisst man nicht. Und wenn Paulus daran dachte, was Stephanus als letztes gesagt hat, da kamen ihm offenbar doch die Zweifel, ob der Mord an ihm richtig gewesen ist. Wisst ihr, wenn jemand etwas tut, von dessen Richtigkeit er nicht mehr überzeugt ist, dann verdoppelt er oft seine Anstrengungen, um sein Gewissen zu betäuben. Paulus wird in seinem Christenhass immer fanatischer. Erst hat er die Männer angegangen, dann geht er die Frauen an, jetzt geht er schon ganze Gemeinden an und dann kommt er zu dem Punkt, wo Jesus sagt: „Jetzt ist Schluss.“ Und wo Jesus ihn zur Rede stellt und sagt: Saulus, warum verfolgst du mich eigentlich? Saulus kann nur stammeln: „Herr, wer bist du?“ Durch diese klägliche Frage erhält er eine königliche Antwort. Ich bin Jesus, den du verfolgst. Steh auf, geh in  die Stadt und dort wird man dir sagen, was du tun sollst.


Der entscheidende Punkt der Bekehrung: Jesus die Führung übergeben.

Der Mann, der gekommen ist, um die Christen von Damaskus abzuführen, soll sich wie ein Kind zu den Christen von Damaskus hinführen lassen und tatsächlich, Paulus steht auf und lässt sich führen. Und das ist der entscheidende Punkt der Bekehrung. Bis jetzt hatte Paulus bestimmt, wo es lang geht. Und jetzt bestimmt Jesus, wo es lang geht. Bis jetzt hatte Paulus bestimmt, was zu tun ist, und jetzt sagt Jesus, was er tun soll. Bis jetzt hat Paulus gemacht was er wollte, jetzt macht er, was Jesus will.

So war es beim Paulus, und so war es bei jeden Menschen, der sich bekehrt hat und so wird es auch bei dir sein, wenn du dich mal bekehrst. Denn dass du zu einer Kirchengemeinde gehörst und einen Taufschein hast, und dich hast konfirmieren lassen, das hat noch keine große Bedeutung, wenn du nicht eine lebendige Beziehung zu Jesus hast. Wenn du Ihm nicht einmal dein Ja-Wort gegeben hast, wenn du nicht wirklich mit Ihm lebst. Du sagst jetzt vielleicht: „Also, ich bekehre mich nie! Und mit eurem Jesus, den es außerdem gar nicht gibt, da will ich nichts zu tun haben“ – das sagst du jetzt! Das hat Paulus damals auch gesagt und einen Tag später war er Christ.

Es gibt eine Hoffnung für dich, denn es ist bei Gott nichts unmöglich[4]. Und dass du Christ wirst, ist auch nicht unmöglich. Keiner hätte damals gedacht, dass aus Paulus einmal ein Christ wird. Der war doch noch viel ablehnender als du. Du flözt jetzt ja noch friedlich hier und schmeißt bisher nicht mit Eiern, aber dieser Mann, von dem heißt es hier: Er schnaubte mit Drohen und Morden[5]. Als also so einen wie mich hätte der gar nicht ausreden lassen. Kein Mensch hätte damals für möglich gehalten, dass dieser Stinkstiefel einmal Christ wird. Der hat nicht zugehört, der hat zugeschlagen.

Die Gemeinde staunt ungläubig über diese Bekehrung. Nehmt einander an!

Und als er sich dann doch bekehrt hat, da wollten die Leute gar nicht glauben, dass das wirklich echt war. Da war zum Beispiel einer, der hieß Ananias. Der gehörte zu der Gemeinde von Damaskus. Der hatte natürlich durch den Buschfunk schon gehört, dass Paulus, das alte Ekel, im Anmarsch ist und dass eine Verhaftungswelle bevorsteht. Und zu dem sagt Jesus: Ananias, steh auf, und gehe hin, in die Gasse, die die Gerade heißt, und frage in dem Haus des Judas nach einem Menschen namens Saul von Tarsus. Denn siehe, er betet. Lege ihm die Hände auf, damit er wird wieder sehen kann[6]. Ananias glaubt, sich verhört zu haben. Er sagt: „Chef, ich will nicht widersprechen, aber das muss irgendwie ein Irrtum sein. Also, Jesus, wenn du wüsstest, was ich über den Saulus gehört habe – der jagt den Christen in Jerusalem, der will uns jetzt ausrotten, das ist eine böse Falle. Der will Hand an uns legen und ich sollte ihm die Hand auflegen? Wenn ich zu dem hingehe, dann bin ich doch der erste, der hops geht, das ist doch glatter Selbstmord. Der Mann ist ein Schlitzohr, die Bekehrung ist geheuchelt. Der ist ein hohes Tier bei der Stasi, so einer wie der bekehrt sich nie.“

Die Annahme von Stasi-Paule übersteigt die Kräfte des Ananias. Der nimmt der alten Stasi-Sau die neuerdings gefalteten Pfoten einfach nicht ab. Annahme verweigert. Ich hab gesagt, wir komme hier alle gerade vom Kirchentag. Der Kirchentag stand ja unter der Losung: „Nehmt einander an“. An dieser Stelle wird einmal deutlich, dass dieses Wort „Nehmt euch gegenseitig an“ kein leichtes Liedchen zum trällern ist. Das ist kein Soft-Slogan für humanistisch gesinnte Gemüter, die so auf der Kirchentags-Spielwiese jedem Sandalenträger um den Hals fallen. „Nehmt einander an“, das ist ein absoluter Hammer. Das ist die totale Überforderung eines jeden Empfindens eines Menschen. Das ist Menschen unmöglich. Möglich ist die Annahme eines anderen Menschen vom Schlage eines Paulus erst dann, wenn einer durch Jesus eine neue Kreatur geworden ist[7], wenn er den Heiligen Geist empfangen hat. Und so einer ist Ananias. Deswegen schafft er das auch, dass er über seine Zweifel, seinen Hass, seine Abneigung hinweg steigen kann, und den Paulus schließlich als Bruder annimmt.

Jesus sieht alles und alle. Er will alle – Annahme ohne Ausnahme!

Aber erst versucht er sich einmal vor der Annahme zu drücken, diskutiert mit Jesus und tut so, als ob Jesus nicht richtig informiert wäre. Dabei ist Jesus bis in die letzte Kleinigkeit informiert. Jesus wusste die Straße, wo Paulus wohnte – Geh in die Straße, die die gerade heißt. Der wusste das Haus, in dem er war – Frage nach dem Haus eines gewissen Judas. Er wusste den Namen von Paulus – Er heißt Paulus. Er wusste wo er herkam – Er ist aus Tarsus. Er wusste, was er macht – Er betet.

Jesus weiß, wer du bist, woher du bist, wo du wohnst, was du machst und was du denkst und was du tust. Er kennt dich. Wenn du betest, dann sieht Er es. Und wenn es ein stummes Gebet wäre, und wenn es ein gestammeltes Gebet wäre und selbst wenn du sagst: „Jesus, wenn es Dich überhaupt gibt, wenn das wirklich wahr sein sollte, dann bitte ich Dich, dass du mich hörst“ dann wird dieses Gebet erhört. Es ist nicht wahr, dass Gott, der Schöpfer der Welt viel zu groß ist, um auf die Gebete eines kleinen Menschen zu achten. Im Gegenteil, die Bibel lehrt ja, dass die Größe Gottes gerade darin besteht, dass Er auf jeden Menschen eingeht.

Und wo auch immer auf dieser Welt ein Mensch zu Gott ruft, und wenn das in der finstersten Gefängniszelle oder im dunkelsten Loch einer persönlichen Verzweiflung ist, Gott sieht ihn – Siehe, er betet. Deine Gebete fallen nicht unerhört irgendwo in den Weltraum, sie fallen nicht in die Tiefe des Nichts, sondern sie fallen in das Vaterherz Gottes. Gott wartet auf dein Gebet. Er sehnt sich nach deinem Gebet. Gott hat dich geschaffen und Er hat dich gerufen und Gott hat einen Herzenswunsch, dass du Gott sagst: „Ja, Vater ich will dein Kind sein. Ich will deinen Willen tun.“ Das ist das Gebet, das Paulus hier betet. Siehe, er betet.

Das Gebet als Lebenszeichen der Wiedergeburt.

Das ist das Kennzeichen der echten Bekehrung, das Lebenszeichen der Wiedergeburt. Siehe, er betet. Das ist wie bei so einem neugeborenen Kind. Ein Kind, das zur Welt kommt, das kriegt einen Klaps auf den Hintern, das muss erst einmal einen Schrei von sich geben. Man muss einmal einen Ton hören, dass man ein Zeichen hat, es lebt, es atmet. Und ein Mensch, der zum Glauben kommt, der muss erst einmal einen Ton von sich geben, Gott anreden. Und wenn der Mensch anfängt, zu beten, dann ist das das Zeichen, dass er ein Kind Gottes geworden ist, dass er ein Gotteskind geworden ist.

Manche Leute sagen, zum Zeichen der Bekehrung muss man in fremden Zungen reden, aber das sage ich nicht, weil es die Bibel nicht sagt. Siehe, er betet. Wenn Jesus zu Ananias gesagt hätte: „Siehe, er predigt!“ dann hätte Ananias sagen können: „Das machen viele Pfarrer, ohne Kinder Gottes zu sein.“ Wenn er gesagt hätte: „Siehe, er besucht kirchliche Veranstaltungen!“ dann hätte Ananias gesagt: „Das machen viele, ohne bekehrt zu sein.“

Exkurs: Der Kirchentag und das Bordellviertel.

Zum Beispiel so einer Veranstaltung wie dem Kirchentag, da treten die ja nicht nur eine Menge solcher Bibelverdrewermänner[8] auf, sondern sogar Leute wieder Dalai Lama, also Chef einer antichristlichen, buddhistischen Religion. So nach dem Motto: „Seid umschlungen, Millionen! willkommen alle Religionen, zum Kirchentag in München samma, zusammen mit dem Dalai Lama“[9].

Ich hab ein anderes Motto zum Kirchentag gehabt. Und das hieß: „Wenn schon zum Kirchentag, dann nicht zum Dalai Lama, sondern zum Theo Lehmann.“ So, das war die Werbung, jetzt geht der Hauptfilm weiter. Eines muss ich noch sagen: von vielen Seiten werden ich und andere angegriffen, dass es heißt, warum geht ihr überhaupt auf diesen Kirchentag und predigt dort. Ich hab vorher in der Kirche den Dankwart Fischer rumlaufen sehen, diesen Präses von der Heilsarmee. Ich hab einmal vor ein paar Jahren mit ihm im Bordellviertel in Hamburg, in Sankt Pauli gepredigt. Und ich sage mir, wenn ich im Bordellviertel gepredigt habe, dann kann ich auch auf dem Kirchentag predigen (Applaus).

Die Bedeutung des Gebetes.

Der Hauptfilm geht weiter: Wenn Jesus zu Ananias gesagt hätte: „Der zahlt Kirchensteuern!“ dann hätte Ananias gesagt: „Das machen Millionen Christen, ohne begehrt zu sein.“ Aber das alles sagt ja Jesus nicht. Sondern Jesus sagt: „Sieh mal hin, der Mensch betet!“ Einem Menschen, der betet, kannst du immer vertrauen. Wer mit Gott in Verbindung ist, der bringt keinen um, der legt niemanden rein, vor dem brauchst du dich nicht zu fürchten. Wer im Geheimen mit Gott verkehrt, den kann man auch im Öffentlichen vertrauen.

Ihr wisst ja, ich bin im Reisedienst ständig unterwegs und ich bin ständig mit anderen und neuen Mitarbeitern zusammen. Mit solchen, die nicht beten können, kann ich nicht zusammenarbeiten. Ich hab einmal die Erfahrung gemacht, dass die Menschen, denen ich am meisten vertraue, oft Beter sind. Wolfgang und die anderen, die mit mir hier vorne stehen, das sind nicht nur Kumpels, mit denen man draußen herum ziehen kann, sondern das sind eben Menschen, mit denen man beten kann. Das ist die Grundlage für unsere Zusammenarbeit.

Und wenn du mal vor mir verlangst, in einem Satz zu sagen, was für mich die große Veränderung meines Lebens ist, seit ich mit Jesus lebe, was die Hauptsache meines Lebens ist, da kann ich mit einem Wort antworten: das Gebet. Ich kann mir ein Leben ohne Gebet einfach nicht mehr vorstellen. Sage mir, ob du betest, und ich sage dir ob du Christ bist. Das Gebet zu Jesus, das ist hier nach Vers 14 das Kennzeichen eines Christen. Das echte Gebet  ist der Beweis. Der berühmte englische Prediger Spurgeon hat gesagt: „Wer betet, hört auf zu sündigen, und wer sündigt, hört auf zu beten.“ Solange du betest, kannst du nicht ehebrechen, und solange du die Ehe brichst, kannst du nicht beten.

Ein Wort an Christen und eins an Atheisten.

Ich möchte jetzt am Schluss noch zwei Dinge sagen, zunächst zu denen unter euch, die sich Christen nennen. Ich habe unendlich viele Gespräche mit vielen, vielen jungen Christen geführt. Und da bekomme ich immer wieder zu hören, dass welche sagen: „Ich weiß gar nicht, ob ich wirklich ein Gotteskind bin. Ich weiß nicht, ob ich gerettet bin. Ich habe Zweifel. Ich leide darunter. Ich leide darunter, dass ich in meinem Leben keine Freude empfinden kann. Mein Christenleben ist so kraftlos“ und so weiter und sofort.

Ich will dir mal den Punkt nennen, an dem alle Schwächen und alle Abweichungen und alle Rückfälle beginnen. Das ist genau dort, wo du aufhörst zu beten. So oft ein Christ rückfällig wird, da fängt das abrutschen immer mit einer Gebetsflaute an.

So, und jetzt zweitens zu euch, die ihr euch stolz Atheisten, Gottlose oder Ungläubige oder sonst etwas nennt: du hast noch nie gebetet, und du sagst, du wirst auch nie beten. O.K., ich frag dich ja jetzt gar nicht, wie du eigentlich dein Leben zubringen kannst, ohne dass du ein Dankeswort an deine liebenden Schöpfer oder eine Fürbitte für deine leidenden Mitgeschöpfe sprichst, sondern ich frage dich nur das eine: was willst du denn machen, wenn du einmal stirbst und du stehst vor Gott und du hast nie mit Ihm geredet und Er dann mit dir reden wird im Gericht. Mensch, wenn du Gott im Gebet nie dein Leben gegeben hast, dann bist bleibst du verloren. Dann kommst du in die Hölle. Und heute bietet dir Gott an, in den Himmel zu kommen! Es steht ausdrücklich in der Bibel. Da steht ausdrücklich: Ich habe keinen Gefallen daran, dass die Gottlosen vor die Hunde gehen. Sondern er sagt, ich will dass der Gottlose sich bekehrt. Deswegen jetzt, sagt die Bibel: Wer zu Mir kommt, den schicke ich nicht wieder weg. Und deswegen bitte ich dich: Komm zu Jesus. Und ich kann dir sagen, dass Jesus jeden, jeden annimmt ohne jede Ausnahme.

Die Annahme als Bild und in Echt.

Jetzt erzähle ich euch noch ein Erlebnis vom letzten Sommer. Da habe ich in einem Zelt gepredigt in Leipzig und auf der Bühne war hinter mir ein riesengroßes Bild gemalt, nach dem Motto: gut gemeint und schlecht gemacht. Also ein Kitsch, aber richtig schön war das. Da war der verlorene Sohn dargestellt, wie der Vater ihn in die Arme nimmt. Dieses große, herrliche Bild, dieses biblische Bild von Gottes ausnahmsloser bedingungsloser Annahme.

Und schon am Nachmittag, als wir Proben machten in dem Zelt, da saß in der ersten Reihe einer, ein Mann, der uns ganz gewaltig stank, weil er nämlich ganz gewaltig stank. Einer von der gestrandeten, von den unglücklichen, die es gibt. Der hatte seinen ganzen Besitz in der Plastiktüte mit sich rum, und ansonsten war er eben kaputt. Der Mann, stank nach Schweiz, nach Alkohol, nach Pisse. Sie haben alle um den einen großen Bogen gemacht. Und als ich am Schluss die Menschen eingeladen habe und gesagt habe: „Wer Heim kommen möchte zu Jesus in seine ewige Heimat, der kann aufstehen und nach vorne kommen.“ Da war er der erste, der vorne stand. Und dann passierte etwas, das werde ich mein Leben lang nicht vergessen. Genau fünf Meter vor dem Bild, das da gemalt war, sah ich die gleiche Szene noch einmal, aber total real. Da hatte ein Mitarbeiter diesen stinkenden Alkoholiker einfach in die Arme geschlossen. Das war die Sprache, die dieser Mann verstand. Und da erlebte dieser Mann vielleicht zum ersten Mal in seinem Leben, was es heißt akzeptiert, angenommen zu werden. Dem liefen die Tränen übers Gesicht und wie ich diese beiden Männer in ihrer stummen Umarmung sehen sah, da hab ich mal gesehen was d.h.: Annahme.

Siehst du, so ist Gott. Gott nimmt jeden an, und wer zu Ihm kommt, der ist Ihm recht. Gott will alle.

 

* * * *



[1] Apostelgeschichte 9, 15

[2] Apostelgeschichte 9, 3-5

[3] Apostelgeschichte 7, 60

[4] Siehe z.B. Matthäus 19, 26

[5] Apostelgeschichte 9, 1

[6] Apostelgeschichte 9, 11.12

[7] Siehe z.B. 2. Korinther 5, 17

[8] Theo bezieht sich auf Eugen Drewermann (* 1940), einem ehem. katholischen Theologen, der wesentliche Glaubensinhalte des Neuen Testamentes (Jungfrauengeburt, Wunder Jesu, Auferstehung) in Abrede stellt und dem Anfang der neunziger Jahre seitens der kath. Kirche die Lehrbefugnis entzogen wurde. Ebenso wurde er vom Priesteramt suspendiert. Drewermann trat 2005 aus der katholischen Kirche aus, er wählte für die Ankündigung eine Talkshow aus. – Anm. des Schreibers.

[9] Der evangelische Kirchentag 1993 in München führte zu einer schweren Kontroverse innerhalb der evangelischen Kirchen in Deutschland. Neben der von Theo Lehmann geäußerten Kritik an E. Drewermann und dem Dalai Lama wurde damals von führenden Protestanten die Teilnahme von Chung Hyun-Kyung aus Südkorea beanstandet. Die Theologieprofessorin hatte 1991 bei der Vollversammlung des Weltkirchenrats durch ein Beschwörungsritual von heidnischen Ahnengeistern (!) für Aufsehen gesorgt. Das Programm des Kirchentags war von einem extremen Pluralismus an Ideen und Gedanken gekennzeichnet und weckte mehr Zweifel, als es den Glauben bestärkte. Der Kirchentag wurde selbst von kirchenfernen Medien als eine Plattform für alle möglichen Ideologien und Irrlehren bezeichnet. – Anm. des Schreibers.