Wilhelm Busch

Die Suchaktion Gottes

Kurzgeschichten der Bibel

 

Eine geistliche Partisanengeschichte

 

1. Chronik 12, 17-18: „David aber ging heraus zu ihnen und antwortete und sprach zu ihnen: Kommt ihr in Frieden zu mir und mir zu helfen, so soll mein Herz mit euch sein; kommt ihr aber mit List und mir zuwider zu sein, da doch kein Frevel an mir ist, so sehe der Gott unserer Väter darein und strafe es. Aber der Geist ergriff Amasai, den Hauptmann unter den dreißig: Dein sind wir, David, und mit dir halten wir's, du Sohn Isais. Friede, Friede sei mit dir! Friede sei mit deinen Helfern! denn dein Gott hilft dir.“

 

Ich stand einmal auf einer Bergeshöhe in Fiume an der jugoslawischen Küste. Da erzählte mir ein Einheimischer von den letzten Kriegstagen: „Sehen Sie, rings auf den Höhen lagen fünf verschiedene Armeen. Und alle schossen auf alle.“ „Wie!“ fragte ich, „da waren doch nur die Alliierten und die Deutschen.“ Er lachte: „O, Sie vergessen die Partisanen und die Untergrund-Kämpfer. Da waren Titos Leute und die monarchistischen Partisanen und der italienische Untergrund.“

.Ach ja!“ seufzte ich. „Partisanen und Untergrund-Armeen – das ist auch so eine Erfindung der unruhigen Neuzeit!

Und seht! Da irrte ich mich. Als ich unseren Text las, entdeckte ich: So etwas gab es schon in uralter Zeit. Unsre Geschichte führt uns hinein in eine Partisanen-Gruppe um das Jahr 1000 v. Chr. Sie lebte in einem einsamen Felsgebirge. Ihr Anführer war David, der große Psalmsänger. Der König Saul von Israel suchte vergeblich, diese Untergrund-Gruppe zu liquidieren.

Eines Tages stößt ein neuer Trupp zu David unter der Führung eines Mannes namens Amasai. Wir spüren die gefährliche Misstrauens-Atmosphäre, als David den Amasai ausfragt: „Wer bist du? Decke deine Karten auf!“ Da gibt Amasai die wundervolle Antwort: „Dein sind wir, und mit dir halten wir’s, du Sohn Isais!“

Nun müssten wir die ganze Sache nur ansehen als eine der üblichen Partisanengeschichten, wenn da nicht zwei Worte wären, die uns auf eine tiefere Bedeutung führen. Da steht seltsamerweise: „Da geriet der heilige Geist über Amasai.“ Und das andere Wort heißt „Sohn Isais“. Dieser Ausdruck findet sich bei den Propheten und weist uns darauf, dass dieser David der Träger aller Verheißungen Gottes war.

 

1) Herr Lästig findet den rechten Platz

 

Einen seltsamen Namen hat man einst bei seiner Geburt dem Amasai gegeben: Amasai = der Lästige. Da ahnen wir eine erschütternde Jungen-Geschichte! Er war offenbar ein unerwünschtes Kind – vielleicht eines jener Kinder, die ohne Vater und schützende Familie aufwachsen müssen.

Denkt nur, wie einem Jungen zu Mute sein muss, dem sein Name jeden Tag sagt, dass er eine Last ist.

Nun ist er ein Mann geworden, und wir sehen ihn, wie er zu den verfemten Partisanen zieht. Es hat sich in seinem Leben offenbar nicht viel geändert: Er war auch als Mann im Königreich Sauls „der Lästige“ Das mag an ihm gelegen haben. Er war sicher ein schwieriger Mensch geworden. Wer in seiner Jugend keine Liebe erfährt, bei dem verbiegt sich innerlich alles.

Und nun findet der Amasai den David und seine Schar. Es ist eine armselige Schar, verfolgt, verachtet, verspottet. Sie folgen einem Herrn, der sagen kann: „Die Füchse haben Gruben, und die Vögel unter dem Himmel haben Nester. Aber Isais Sohn hat nicht, da er sein Haupt hinlege.“

Zu dieser seltsamen Schar findet Amasai. Und wir spüren seinen Worten an: Hier fallen alle Minderwertigkeitskomplexe von ihm ab. Hier löst sich alle Verkrampfung. Es ist fast wie ein Lachen in seiner Stimme, als er etwa so sagt: „Ich heiße der Lästige. Aber dir, Sohn Isais, darf ich lästig werden. Ich weiß, dass du mich gern aufnimmst!“

Ich denke, ihr merkt schon, worauf unser Text hinaus will. Aus dem Geschlecht Davids stammt der Sohn Gottes nach seiner irdischen Gestalt. Und darum nennt die Bibel den Herrn Jesus auch „den Spross aus dem Stamme Isais“. Auch dieser Sohn Isais hatte nicht, wo er sein Haupt hinlegen konnte. O mehr! Er wurde sogar gekreuzigt. Aber er lebt und sammelt sich eine Schar – die Gemeinde Jesu.

Und seht: Jesus und seine Schar – das ist der rechte Platz für alle Amasais unsrer Zeit, für all die Einsamen, Unverstandenen, Herumgestoßenen. Laut ruft der Isai-Sohn in diese verzweifelte Welt: „Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid. Ich will euch erquicken.“

Es ist einfach Tatsache: Wo ein Mensch Jesus als seinen Heiland findet, da lösen sich die Komplexe und Verkrampfungen. Bei ihm ist man nicht mehr der „Lästige“, sondern der „Willkommene“.

 

2) Eine zweifelhafte Sehnsucht wird erfüllt

 

Als ich kürzlich auf unsere Textgeschichte stieß, bin ich richtig erschrocken. „Dein sind wir, du Sohn Isais!“ Darf denn wirklich ein Mensch zu einem anderen Menschen so sprechen? Wir kommen hier an eine Sache, die für unsere Zeit sehr wichtig ist.

Je einsamer der Mensch heute ist, desto mehr wacht eine seltsame Ursehnsucht in ihm auf: Wir möchten uns verlieren an einen anderen – bis zur Selbstaufgabe.

Nur aus dieser Ursehnsucht heraus sind die faszinierenden Menschen der Weltgeschichte zu verstehen: ein Napoleon, ein Hitler, ein Lenin. Hingerissen und hingegeben folgen die Menschen diesen Männern in den Abgrund.

Die Bibel warnt ernst davor und weist darauf hin, dass dies eine stille Absage an Gott bedeutet. Und die Bibel sagt uns weiter, dass am Ende noch einmal solch ein Mann ganz großen Formats auftreten wird: der Antichrist. Meine Mutter hat uns erzählt von einer alten Magd in ihrem Elternhaus, die oft die Kinder beschworen hat: „Nehmet nur das Zeichen des Antichrists einmal nicht an!“ Diese alte Magd kannte die Sehnsucht unseres Herzens, hörig zu werden.

Nun leben wir in den Tagen kleiner Dinge. Da nehmen die Herzen mit weniger vorlieb. Männer werden Frauen hörig und zerstören so ihre eigene Familie. Im kenne Jungen, die einem Freund hörig wurden. Das ist in jedem Falle Absage an Gott.

Wie verhält es sich denn nun in unserer Geschichte mit dem Wort des Amasai: „Dein sind wir, Sohn Isais“? Liegt hier nicht so ein furchtbarer Fall vor, wo ein Mann sich aufgibt und hörig wird?

O nein! Wir müssen in David mehr sehen als einen Partisanenführer. Die Bibel zeigt ihn als Vorbild Jesu Christi. Gott hat sein Reich im Alten Bund in einzelnen Menschen statuiert: in Abraham, Jakob, Mose, David. Da ist eine Linie von Menschen, die Träger des Gottesreiches sind. Diese Linie endet in Jesus. Und jeder dieser Männer vorher trägt schon heimlich das Gesicht Jesu.

Zu dem Repräsentanten des Reiches Gottes auf Erden also spricht Amasai so, wie wir zu Jesus sprechen dürfen: „Dein sind wir, Jesus, und mit dir halten wir's, du Sohn Isais und Sohn Gottes.“ Jesus ist der einzige, an den wir uns verlieren dürfen, dem wir hörig werden dürfen, ohne Gott abzusagen. Im Gegenteil! So werden wir Kinder Gottes.

Wir haben hier in unserem Text das Urbild einer wirklichen Bekehrung: So kommt ein Amasai, einer, der sich selbst und der Welt lästig ist, zu dem verachteten und verspotteten Mann von Golgatha: „Dein bin ich, Jesus, und mit dir halte ich's, du Sohn Gottes!“

So klingt es in unseren Liedern: „Wem anders sollt ich mich ergeben / o König, der am Kreuz verblich. Hier opfere ich dir mein Gut und Leben …“ So hat es Gerhard Tersteegen gemacht, als er sich in einer Karfreitagnacht mit seinem Blut dem Sohne Gottes verschrieb.

 

Christen sind Jesus-hörige Leute. Und ich bin überzeugt, dass wir mit dieser Ursehnsucht, sich an den Einen zu verlieren, auf Jesus angelegt sind. Augustin sagt: „Unser Herz ist unruhig in uns, bis es ruht in dir.“

 

3) Die Untergrundbewegung Jesu

 

Nun möchte ich noch einen Gedanken aussprechen, der sich uns bei dieser Kurzgeschichte aufdrängt. Wir sahen, wie hinter dem Bild des Partisanenführers David das Bild Jesu auftaucht. Ich hätte fast gesagt: des Partisanenführers Jesus. Ja, ich muss gestehen: Das meine ich!

Der Sohn Gottes hat seit seiner Auferstehung eine geistliche Untergrundbewegung angefangen. Weise und Gelehrte, Könige und Volksführer sind ausgezogen, sie zu vernichten. Aber der Sohn Isais lebt und wirkt und schafft göttliche Unruhe.

Und allezeit zieht es die Leute vom Schlage des Amasai zu ihm hin. Die Gefolgschaft des David wird einmal so geschildert: „Und es sammelten sich zu ihm allerlei Männer, die in Not und Schulden und betrübten Herzens waren, und er war ihr Oberster.“

Ja, so ist es bei Jesus. Mühselige und Beladene, Leute, die vor Gott schuldig sind, und Entronnene Satans sammeln sich hier. Und es ist in dieser Gemeinde Jesu wie bei dem Haufen um David: Sie haben im Grunde kein anderes Gesetz und keine andere Ordnung, als dass sie freudig ihrem Herrn folgen.

Und wie die Männer Davids lernen die Gefolgsleute Jesu streiten. Sie werden geübt im Kampf mit Fleisch und Blut, mit Satan und Welt.

Und wenn man sie fragt, ob sie nicht doch lieber zu den Gewohnheiten der Welt zurückkehren möchten, schauen sie auf ihren Heiland und erklären: „Dein sind wir, Jesus, und mit dir halten wir's, du Sohn Gottes. Friede, Friede sei mit dir! Friede sei mit deinen Helfern! denn dein Gott hilft dir.“