Wilhelm Busch

Die Suchaktion Gottes

Kurzgeschichten der Bibel

 

Eine Schreckensnachricht – und wie die Gemeinde reagiert

 

Apostelgeschichte 11, 28-30a: „In der Gemeinde in Antiochia stand ein Prophet mit Namen Agabus auf und deutete durch den Geist eine große Teuerung, die da kommen sollte über den ganzen Kreis der Erde; welche geschah unter dem Kaiser Klaudius. Aber unter den Jüngern beschloss ein jeglicher, nach dem er vermochte, zu senden eine Handreichung den Brüdern, die in Judäa wohnten; wie sie denn auch taten.“

 

In irgendeinem Fragebogen stieß ich kürzlich wieder einmal auf die Frage: „Welcher Religionsgemeinschaft gehören Sie an?“ Was ist das eigentlich, „Religionsgemeinschaft“?

Die meisten Leute werden antworten: „Das ist eine sehr nebulose Angelegenheit, der man aber anstandshalber angehört. Sie ist eine Sache, die einen viel Geld kostet. Dafür sorgt sie allerdings für eine anständige Beerdigung. Ansonsten ist sie ein notwendiges übel wie Finanzamt und Polizei.“

Habe ich nicht Recht? Gewiss würden die meisten so antworten. Es drückt mir das Herz ab, dass das herrliche Evangelium der Bibel in diese trostlose Rubrik geraten ist. Immer wieder muss ich hineinsehen in das Neue Testament, wo uns die urchristliche Gemeinde gezeigt wird. Nein – die war keine „Religionsgemeinschaft“! Sie war eine Schöpfung Gottes, etwas ganz Neues und Niedagewesenes. Sie war etwas, was die Welt staunen machte und sie zugleich aufregte.

Gott schenke uns wieder eine lebendige Gemeinde Jesu Christi! Unser heutiger Text zeigt uns die Gemeinde in einer besonderen Lage.

 

1) Die verblüffende Nüchternheit

 

Die Leute haben viele Schlagworte, mit denen sie sich das Evangelium vom Leibe halten. Ich habe mich allmählich daran gewöhnt. Nur eines macht mich zornig, nämlich der Satz: „Man muss doch mit beiden Beinen auf dem Boden stehen!“

Als wenn das die Welt je getan hätte! Immerzu wiegt sie sich in Träumen, dass alles herrlich und schön wird, wenn ja wenn … Lasst mich so ein paar Träume nennen, die ich miterlebt habe: Alles wird gut, wenn erst der technische Fortschritt überall hingekommen ist – wenn der Hitler an die Macht kommt – wenn die klassenlose Gesellschaft endlich erreicht ist – wenn die bösen Bolschewisten endlich erledigt sind…

Trösten wir uns: Es war immer so! Unsere Textgeschichte spielt zur römischen Kaiserzeit. Vom Kaiser Augustus meißelte man solchen „Traum“ auf einen Stein, der uns erhalten ist: „Die Vorsehung hat diesen Mann zum Heile der Menschen mit solchen Gaben erfüllt, dass sie ihn uns und allen kommenden Geschlechtern als Heiland gesandt hat; aller Fehde wird er ein Ende machen und alles herrlich ausgestalten.“ Jeder neue Kaiser wurde mit ähnlichen Erwartungen begrüßt.

Und da kommt nun so ein elender Jesus-Jünger Agabus und unkt von einer riesigen Hungersnot. So ein Miesmacher! Hungersnot – wo doch das Römische Reich eine gewaltige Wirtschaftseinheit war! Wo doch der göttliche Kaiser für alle sorgte!

Nun, als der Agabus seine Botschaft von der kommenden Hungersnot sagte, haben die Christen nicht gelacht oder wütend protestiert. Sie hatten keinen Anteil mehr an den Wunschträumen der Welt. Wer nämlich in der Bibel zu Hause ist, wird sehr nüchtern. Der steht mit beiden Beinen auf dem Boden. Er weiß, dass wir in einer gefallenen Welt leben, die durch den Sündenfall zerrüttet ist. Er weiß, dass es einen Teufel gibt und dass eine Welt, die sich gegen Gott behaupten will, niemals ohne Leid und Tränen sein wird. Die Jesus-Jünger in Antiochia wussten das. Darum glaubten sie nicht den Ideologien der römischen Kaiser, sondern der Botschaft des Agabus.

Sie brachen aber auch nicht in Verzweiflung und Jammer aus, obwohl eine Hungersnot immer etwas Furchtbares ist. Sie blieben gelassen; denn sie wussten: Durch den Glauben an Jesus sind wir Kinder Gottes. Nun kann uns nichts geschehen, als was er hat ersehen. Sie sahen vor sich ein dunkles Tal. Aber sie glaubten: „Und ob im schon wanderte im finsteren Tal, fürchte ich kein Unglück, denn du bist bei mir.“ Und sie schauten durch die kommende Not hindurch auf den Himmel, von dem es heißt: „Es wird sie nicht mehr hungern noch dürsten.“

Wenn wir Christen von heute doch auch so nüchtern und gelassen in den Stürmen der Zeit stünden!

Nun wendet ihr vielleicht ein: „Das war aber doch eine sehr passive Haltung.“ Hört weiter zu, es ist ja noch gar nicht alles gesagt.

 

2) Die erstaunliche Reaktion

 

Nun kommen wir zur eigentlichen Pointe unserer Geschichte. Stellt euch bitte vor, wir bekämen gewisse Nachricht: „Eine Hungersnot ist im Anzug!“ Was wäre unsre erste Reaktion, unsre selbstverständliche Reaktion? Hamstern! Hamstern!! Vorräte eintun. Eine Stelle auf dem Lande annehmen!

Und wie war die allererste, geradezu selbstverständliche Reaktion der ersten Christen? „Jetzt müssen wir für unsre Brüder in Jerusalem Sorge tragen. Denn die werden es schwer haben, weil sie arm sind und weil Judäa ein armes Land ist.“ Ihre erste Reaktion auf die Botschaft von der Hungersnot war also: „Die anderen! Die Brüder!“ Achten wir darauf: Dieser Gedanke kam ihnen nicht allmählich – so nach dem ersten Schrecken. Nein! Der war ihre erste Reaktion auf die furchtbare Botschaft. „Die andern! Die Brüder!“

Merkt doch, wie mit der Gemeinde Jesu etwas ganz Neues, bisher Niedagewesenes in die Welt gekommen ist: durch Jesus, den Sohn Gottes. Die Bibel hat uns im Philipperbrief einen Blick aufgetan in das Herz des gewaltigen Gottessohnes. Da heißt es: Er hielt seine Herrlichkeit beim Vater nicht fest wie einen Raub. Sein ganzes Herz dachte nur: Die andern! Meine Menschenbrüder! Darum kam er arm und niedrig zu uns; darum ließ er sich an das Kreuz schlagen; darum sucht sein Herz beständig unser Herz. Er sagte selbst einmal: „Ich bin nicht gekommen, dass ich mir dienen lasse, sondern dass ich diene und gebe mein Leben zur Bezahlung für viele.“

Jesus ist das völlige Aufgeben aller Selbstsucht. „Dabei kommt man unter die Räder!“ wendet unser Herz ein. Jawohl, Jesus „kam dabei unter die Räder“, an das Kreuz!

Und nun lebte er in den Herzen seiner Jünger in Antiochia und regierte ihren Geist dass sie ihm erstaunlich ähnlich wurden. Und als der Agabus sagte: „Es kommt eine Hungersnot!“, ist ihre Reaktion nicht: „Rette sich, wer kann!“ sondern: „Wir wollen unsre Brüder retten!“

Im muss es ganz deutlich machen: Als die Jünger in Antiochia die Botschaft von der kommenden Hungersnot erhielten, sagten sie nicht: „Jetzt muss die Kirchenleitung ein Hilfswerk organisieren!“ oder: „Wir müssen den Staat mobilisieren!“ Wie hieß es hier? „Ein jeglicher beschloss, eine Hilfe zu senden, nachdem er vermochte.“

Wir könnten spotten: Damit ist aber nicht viel geholfen. Darauf würden diese Jesus-Jünger antworten: „Die Größe der Dunkelheit kann mich nicht hindern, meine kleine Kerze anzuzünden.“

 

3) Und wir Christen von heute?

 

Wir wollen doch ehrlich sein: Keiner von uns würde so reagiert haben wie diese ersten Christen. Und da wird also ganz deutlich, dass wir ein kraftloses und tausendfach verwässertes Christentum haben. Die erste Christenheit hat die Welt aus den Angeln gehoben. Wir heben gar nichts aus den Angeln. Wir sind eine „Religionsgemeinschaft“ geworden, die dem Dreck der Welt die religiöse Weihe gibt.

Nun meine ich so: Wenn wir schon Christen sein wollen, dann sollten wir es wirklich und ganz und voll Heiligen Geistes sein. „Ein halber Christ ist ein ganzer Unsinn“, hat mal jemand gesagt.

Also müssen wir uns ändern. Ja, wenn wir das nur könnten! Den Menschen möchte ich sehen, der sich selbst ändern kann, der aus seinem Tigerherzen ein jesusähnliches Herz machen kann.

Das kann nur er, der gesagt hat: „Siehe, ich mache alles neu.“

Wenn also jemand entdeckt hat, wie viel ihm fehlt, dann bleibt ihm nur eins übrig: Eine neue und völlige Auslieferung an Jesus.

Kürzlich besuchte uns in unserem Jugendkreis ein Reverend aus Ceylon. Er sagte: „Wenn ich eine Geige in die Hand nehme, kann ich darauf nur jämmerliche Töne hervorbringen. Wenn aber ein Künstler sie spielt, klingt es herrlich. So ist es mit unserem Leben. Solange wir es selbst spielen, ist es erbärmlich. Gebt es dem großen Meister Jesus in die Hand. Er wird eine wundervolle Melodie darauf spielen.“

Ja, lasst uns eine neue Hingabe vollziehen!