Wilhelm Busch – Gott hat dem Tod eine Grenze gesetzt

 

Ostern 1944

»Denn du wirst meine Seele nicht dem Tode lassen und

nicht zugeben, dass dein Heiliger verwese.«

(Psalm 16, 10)

 

Als Abraham einst seine Zelte im Hain Mamre aufge­schlagen hatte, kam abgehetzt ein Bote zu ihm und ver­kündete: »Mächtige Feinde haben die Stadt Sodom über­fallen und alle Einwohner weggeschleppt, darunter auch deinen Neffen Lot mit allen den Seinen.« Sofort bewaffnete Abraham 318 Knechte, brach mit ihnen auf und folgte den Feinden in Eilmärschen. Und bei Nacht überfiel er das Lager der Feinde. Die waren so bestürzt, dass sie entsetzt flohen und alle Beute zurück ließen (1. Mose 14, 13-16).

Wisst ihr, ich wäre gerne der Bote gewesen, der nun zu Lot sprang und sagte: »Ihr seid frei!« Da ist ein schauerlicher und starker Feind, der uns alle davon schleppt — der Tod. Oh, wie schleppt er Beute davon! Und er macht ein Geschrei, als habe er allein das letzte Wort. Aber hier in der Bibel steht die ungeheure Sieges ­und Freudenkunde:

 

 

Vom Sieg über den Tod.

 

 

1. Von der ungeheuren Macht des Todes

Welch ein entsetzlicher Feind ist doch der Tod! Wie un­barmherzig ist er. Da sitzt eine Mutter am Bett ihres Kindes. Ihr Herz schreit und ihre Tränen fließen, dass es den Härtesten erbarmen müsste. Aber der Tod kennt kein Erbarmen. Da haben Eltern ihren Sohn an der Front, Frauen ihren Gatten. Wer kann die stillen Nachtstunden zählen, wo sie sorgen, beten und weinen um ihre Lieben. Aber den Tod rührt das nicht. Er schwingt sein Schwert und fährt drein. Oh, du unbarmherziger Tod!

Und wie respektlos ist dieser Feind! Er schleppt nicht nur die Armen und Elenden davon, denen das Leben vielleicht schon eine Last ist. Oh, nein! Er reißt dem König die Krone vom Haupt, reißt den planenden Großindustriellen von seinen Plänen; er legt den Stolzen zu den Würmern. Er fragt nicht, ob einer mit seinem Lebenswerk fertig ist. Mitten aus der Arbeit holt er ihn weg. Er fragt nicht, ob ein Leben besonders wertvoll war. Er behandelt die köstlichen Blumen genauso wie das schlechte Gras. Oh Tod, woher kommt dir diese entsetzliche Macht? Die Bibel sagt es uns: »Der Tod ist der Sünde Sold« (Römer 6, 23). Willentlich los von Gott, ist die Welt dem Tod verfallen. Und nun kommt das Ärgste. Es könnte dem Auge scheinen, als schwinge der Tod das Richtschwert. In Wahrheit aber bindet er nur die Opfer und bringt sie vor das Gericht. Denn »es ist dem Menschen gesetzt, einmal zu sterben, danach aber das Gericht« (Hebräer 9, 27). Wer kann die Macht dieses Feindes schildern! Sein größtes Werk hat er getan, als er sich sogar an Gott wagte und den Sohn Gottes tötete auf Golgatha. »Und Jesus neigte sein Haupt und verschied.« Da hat der Tod den kühnsten Griff getan.

 

2. Das göttliche »Halt!«

Aber nun wurde der alles einebnenden Todeswalze ein mächtiges »Halt« geboten vom lebendigen Gott! »Du wirst meine Seele nicht im Tode lassen und nicht zugeben, dass dein Heiliger die Verwesung sehe.« So hat der Sohn Gottes schon im alten Bund durch den Mund Davids gesagt, ehe er des Todes Bitterkeit schmeckte. »Du wirst nicht zugeben ... !« Nun tritt Gott auf den Plan. Nun tut er, was Abraham tat, als er in das Lager der Feinde ein­brach. Nun wird dem Tod die erste Beute abgejagt. Lasst uns im Geist in den Garten des Joseph von Arimathia gehen.

Der erste Morgenschein des Ostermorgens ist am Himmel erschienen. Tiefe Stille liegt über dem Land. Man hört nur die Schritte der römischen Legionäre, die vor dem Grab des Herrn Jesus die Wache halten ... Da ... plötzlich bebt die Erde ... Ein Lichtglanz, wie ein großer Blitz, blendet die Augen der Soldaten.

Das letzte, was sie sehen ist, wie der große Felsstein vor der Grabeshöhle davon rollt. Dann schwinden ihnen die Sinne. Aber nun geht die Sonne auf. Die Vögel schmettern ihre Loblieder. Der erwachende Tag umjauchzt den Heiland, der nun als die ewige und wahre Sonne über der Welt aufgeht.

Nun ist es wahr geworden. »Du wirst meine Seele nicht im Tode lassen und nicht zugeben, dass dein Heiliger verwese« (Psalm 16, 10). »Sein'n Raub der Tod musst'n geben her, das Leben siegt und ward ihm Herr, zerstöret ist nun all sein' Macht, Christ hat das Leben wiederbracht, Hallelujah.« Mein vor kurzem gefallener Bruder schrieb in sein Ta­gebuch: »Gott hat dem Tod eine Grenze gesetzt.«

 

3. Das Tor zum Leben

Ich sagte zu Anfang: »Ich möchte wohl jener Bote gewesen sein, der zu Lot sprang und rief: 'Ihr seid frei! Eure Feinde sind besiegt!'« Nun darf ich heute morgen solch ein Bote sein. Ich darf euch allen, nach denen der Tod so sichtbar seine Krallen ausstreckt, verkündigen: »Der Tod ist be­siegt! Das Leben ist erschienen, seit der Herr Jesus von den Toten auferstanden ist.« Der Begriff »Durchbruchs­schlacht« ist uns allen doch etwas Geläufiges. Da stehen sich die Fronten in heißem Kampf gegenüber. Auf einmal gelingt es den Truppen, an einer Stelle die Front des Feindes zu durchbrechen. Wie strömen nun durch dieses Loch die siegreichen Truppen zu neuem Sieg. Seht, so ist am Ostermorgen eine Durchbruchsschlacht durch die Front des allmächtigen Todes geschehen. Und nun strömen die siegreichen Scharen hinter Jesus her in das ewige Leben. Der Tod kann sie nicht mehr halten. Die Mär­tyrer der Kirche, die singend und betend in der Arena des römischen Zirkus starben, die Blutzeugen, die auf den Scheiterhaufen einer gottlos gewordenen Weltkirche ihr Leben verloren, die Väter, die im Glauben an die Ver­gebung der Sünden durch Jesu Blut starben, jener Mitar­beiter des Weiglehauses, der mir in seinem letzten Brief, ehe er starb, schrieb: »Ich freue mich, dass ich früh meinen Heiland gesucht und gefunden habe...«, mein eigenes Kind, das mir vor seinem Sterben in Russland schrieb: »Nun weiß ich es gewiss: Der Herr ist mein Hirte...« — sie alle sind hinter Jesus her durch die durchbrochene To­desfront zum Leben gedrungen. Sie alle haben im Glauben ihre Hand in Jesu durchgrabene Hand gelegt und gesagt: »Du wirst meine Seele nicht im Tode lassen.« Sie sind im Leben und jauchzen in vollendeten Chören dem Todes-überwinder.

Aber zum Schluss nun ein ernstes Wort: Nur in Jesus ist die Todesfront durchbrochen. Nur in Jesus! Es ist wahrhaftig kein »Spleen«, wenn ich Jungen, die vielleicht bald sterben müssen, wenn ich die Menschen in dieser Stadt, in welcher der Tod umgeht, zum Herrn Jesus rufe. Denn Jesus gehören,

das heißt: durch den Tod hindurchgebrochen zu sein. Und nun wollen wir uns dieses Sieges über den Tod freuen und mit Paul Gerhardt singen:

 

»Das ist mir anzuschauen

ein rechtes Freudenspiel.

Nun soll mir nicht mehr grauen

vor allem, was mir will

 entnehmen meinen Mut

zusamt dem edlen Gut,

so mir durch Jesu Christ

aus Lieb erworben ist.«